Was das Lästermaul Internet Ihrem Personalchef

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Was das Lästermaul Internet Ihrem Personalchef
Privatsphäre
Was das Lästermaul Internet
Ihrem Personalchef verrät
Networking-Plattformen, Blogs, Kommentare zu Urlaubsfotos: Nicht nur Freunde sehen, was
Sie im Internet so tun, auch Ihr künftiger Personalchef weiss, wo er Informationen über Sie
­findet. Das kann gut sein, wenn Sie sich für die gern gesehenen Dinge engagieren, muss es
aber nicht, wenn Sie es für die falschen tun. Wer ist schon ohne «Jugendsünden» im Netz.
Text Alexandra von Ascheraden
Lustige, aber nicht ganz unverfängliche Fotos zur Gaudi der
Freunde auf Flickr gestellt? Sich im Blog über Jobfrust ausgelassen? Bei Amazon auf der Bücherwunschliste ein paar sehr rechte
Bücher vermerkt? Alles Dinge, die Sie um Ihren nächsten Traumjob bringen könnten. Zumindest wenn Sie sich bei einer Firma
bewerben, die sich nicht nur auf Ihr Dossier verlässt, sondern
auch mit etwas Recherchegeschick nach Informationen über die
Bewerber sucht, die für die engere Auswahl in Frage kommen
könnten. Nach Informationen des schweizerischen Datenschutzund Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB) durchsuchen bereits
zwei Drittel der Human-Resources-Manager Social Networks oder
nutzen Google, um Informationen über Bewerbende zu gewinnen. Manchen Personalern genügt selbst das noch nicht.
Jugendsünden und böse Nachbarn
Das Bundesverwaltungsgericht musste vor kurzem sogar schon
einschreiten. Die Wirtschaftsauskunftei Dun & Bradstreet, die
­eigentlich mit Firmendaten handelt, hatte 5000 Personalab­
teilungen angeschrieben und ihre neueste Dienstleistung, den
«Mitarbeiter-Check», angeboten. Innerhalb kurzer Zeit meldeten
sich die ersten Interessenten. Für 500 Franken hätte die Dienstleis­
tung hätte Daten von Bewerbern zusammengestellt. Nicht allein
Informatio­nen, die jede Personalabteilung selbst in Kürze recherchieren könnte, wenn sie den Namen des Bewerbers bei Google
eintippt und zudem das Dossier gründlich liest. Der MitarbeiterCheck hätte bequem wesentlich umfangreichere Daten auf
Fotos: zVg
«Es ist erstaunlich, wie
sorglos viele Menschen
mit ihren Daten umgehen.»
Eliane Schmid, Informationsverantwortliche
des Datenschutzbeauftragten
den Schreibtisch geliefert: von Betreibungsauskünften bis zu
­Informationen über den Wert des Hauses, das ein potenzieller
Mitarbeiter ­bewohnt, bis hin zu früheren Wohnadressen oder
­Alter und ­Geschlecht von Haushaltsmitgliedern. Das ging dem
EDÖB dann doch zu weit; er wandte sich ans Gericht, und das
untersagte Dun & Bradstreet die Dienstleistung vorsorglich (Urteil
A-8028/2008). Die Weitergabe von Daten über die Persönlichkeit
Betroffener könne zu nicht wiedergutzumachenden Nachteilen
führen, weil sie bei der Stellensuche oder beim beruflichen Aufstieg benachteiligt werden könnten.
Die Nachfrage zeigt aber: Mit Dossiers und Referenztelefonaten geben sich Personaler schon lange nicht mehr zufrieden. Auch
ohne die Hilfe von Dun & Bradstreet können sie sich umfangreiche
Informationen aus dem Internet holen. Umso sensibler muss man
darauf achten, im Internet möglichst wenig zu hinterlassen, was
sich zum Bumerang entwickeln könnte.
Dun & Bradstreet selbst akzeptierte den Entscheid im Übrigen,
liess es sich aber nicht nehmen, darauf hinzuweisen, dass der
Service ein reines Convenience-Produkt sei. Jeder halbwegs internetversierte Personaler finde die Daten auch selbst im Internet. Er
brauche bloss Google, Myspace, Facebook, Xing und StudiVZ aufzurufen. Dazu komme im Bedarfsfall eine einfache Nachfrage
beim Betreibungsamt. Trägt man bei Xing eher seriöse Geschäftsdaten sowie berufliche Stationen ein, die ein Personaler gerne
nachlesen darf, sieht es bei Websites wie StudiVZ schon anders
aus. Der Trend zum virtuellen Seelenstriptease kann so manchem
zum Verhängnis werden. Wer will schon gerne, dass sein künfti­
ger Arbeitgeber weiss, dass er Mitglied der Gruppe «Komasaufen»
ist? Oder wer denkt daran, dass er bei www.klassenfreunde.ch
oder www.classmates.com nicht nur alte Gspänli wiederfindet,
sondern dort womöglich auch die eine oder andere Jugendsünde
dokumentiert ist? Und war da nicht das peinliche Filmchen, das
«gute» Freunde bei Youtube hochgeladen haben? Wenn dann
­womöglich noch der Nachbar seine Klagen über die nächtlichen
Gelage bei rottenneighbor.com aufgeschaltet hat, wird’s langsam
eng. Zwar argumentieren die Richter in ihrem Verbot für den
Mitarbeiter-Check, Betroffene müssten nicht damit rechnen, dass
der Arbeitgeber solche Daten erhebe.
Wie ein Ferrari mit steckendem Zündschlüssel
Wer allerdings allzu fahrlässig mit seinen Daten umgeht, muss
sich schon fragen lassen, ob er nicht zu naiv vorgeht. Eliane
Schmid, Informationsverantwortliche des schweizerischen Da­
tenschutzbeauftragten, meint dazu nur: «Alles, was man ins Internet stellt, ist grundsätzlich öffentlich. Das Internet ist öffentlich
und weltweit zugänglich. Daher muss man sich bei allem, was
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Bilder: zVg «HR Today»
man ins Netz stellt, sehr gut überlegen, ob man damit auch in
zehn Jahren noch konfrontiert werden will.» Es sei erstaunlich,
wie sorglos viele Menschen mit ihren Daten umgingen. Schmid:
«Das ist fast, als würde man einen Ferrari mit offener Tür und
Schlüssel abstellen und sich hinterher wundern, dass er weg ist.»
Wie viele Personaler tatsächlich das Internet nach Informationen
über Bewerber durchforsten, weiss auch sie nicht. Zugeben wür-
«Viele wissen ja gar nicht,
was über sie im Netz alles
zu finden ist.»
Christian Buch,
Pressesprecher der Firma Saubere Weste
den es die wenigsten. «Wenn eine Information aus Facebook zu
einer Absage führt, würde die HR-Verantwortliche das der Betroffenen gegenüber wohl kaum so begründen», erläutert Schmid. Es
habe offenbar Fälle in den USA gegeben, wo Bewerber wegen
­Informationen, die man im Internet über sie gefunden habe, ab­
gelehnt wurden. In der Schweiz würde aber wohl niemand eine
Ablehnung so offen begründen.
Das entsprechende Profil zu löschen, ist schwierig bis unmöglich. Viele Plattformen bieten keine einfach bedienbare Löschfunktion an. Es ist auch gut möglich, dass die Informationen
zu verschiedensten anderen Plattformen kopiert wurden. Benutzerprofile können von anderen Usern heruntergeladen und gespeichert werden und so weiter zugänglich bleiben. Zudem bleiben die Kommentare, die man bei anderen Mitgliedern des Netzwerks hinterlassen hat, ebenfalls erhalten. Das macht das Löschen
des Ursprungsprofils fast schon überflüssig. Auch die eigene
Homepage, die einst Peinliches enthielt und nun gelöscht ist,
ist nicht unbedingt wirklich weg. Websites wie archive.org archivieren andere Websites in gewissen Abständen und über Jahre
zurück – wenn Sie also früher einmal auf Ihrer Site Dinge hatten,
zu denen Sie heute nicht mehr stehen wollen, so könnten diese
dennoch bis in alle Ewigkeit erhalten bleiben.
Was also tun, wenn man von kompromittierenden Fotos weiss,
aber keinen Zugriff darauf hat, um sie zu löschen? Schmid: «Dann
hilft nur eines: proaktiv informieren. Es ist besser, freiwillig im
Bewerbungsgespräch zu sagen, man wisse, es gebe da Fotos von
einem im Internet.»
Wenn sonst nichts hilft: verdrängen
Falls alle Aufforderungen an Websitebetreiber, unerwünschte
­Inhalte zu entfernen, nichts helfen, gibt es Profis, die das für einen
erledigen. Eine Firma, die sich damit beschäftigt, ist Saubere
­Weste in Zug. Für 300 Franken prüft diese erst einmal, was über
einen im Web überhaupt zu finden ist, und leistet Rechtsberatung. Danach wird nach Aufwand abgerechnet. Christian Buch,
Pressesprecher, erklärt: «Viele wissen ja gar nicht, was über sie im
Netz alles zu finden ist. Wir recherchieren das mit über 50 Suchmaschinen.» Danach entscheidet der Kunde, was weg muss, und
ein Rechtsanwalt setzt sich mit den entsprechenden Providern
und Foren in Verbindung. Was auf einem Server auf den CaymanInseln und somit ausserhalb des Zugriffsbereichs des Schweizer
Rechts liegt, kann auch der findigste Rechtsanwalt nicht entfernen lassen. Dann soll eine andere Strategie greifen, die Buch etwas
nebulös so umschreibt: «Normalerweise schauen die Leute nur
die ersten drei oder vier Trefferseiten von Google an. Wir haben
eine Technologie entwickelt, die unerwünschte Seiten in der Trefferliste viel weiter nach hinten bringt. Dort sucht sie niemand
mehr.» Genaueres will oder kann er dazu nicht sagen. In der
Schweiz gibt es die Firma erst seit März, in Deutschland seit einem
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Jahr. Dort ­verweist Buch auf 500 Privatkunden und 50 Firmen, die regelmässig
die Dienste in Anspruch nähmen.
Peter Heinzmann, Professor für IT-­
Sicherheit an der Hochschule für Technik
Rapperswil (HSR) und Vizepräsident beim
Datenschutzforum Schweiz, sieht das
Ganze recht entspannt. Für ihn ist das
­aufgebauscht worden. Er sieht darin auch
eine Generationenfrage: «Junge HR-Leute
können durchaus unterscheiden, dass
man im Internet manche Dinge zum privaten Spass macht, und würden einem
keinen Strick daraus drehen.» Er glaubt,
dass in wenigen Jahren ein Umdenken
stattgefunden haben wird. «Vor fünf
­Jahren hat man die Verfolgbarkeit mit
dem Handy extrem schlimm gefunden.
Heute sehen viele die Sache entspannter.»
Was solle so schlimm daran sein, Dinge
über Menschen im Internet herausfinden
zu können, welche jeder nachprüfen
­könne, wenn gleichzeitig Firmen und
­Behörden Daten sammelten, deren Inhalte und Verwendung ziemlich intransparent seien. Für den Gegenwert von wenigen Prozenten des
­Einkaufs oder für die kleine Chance eines Wettbewerbsgewinns
geben viele Leute bekannt, was sie wann wo gekauft haben oder
welche Vorlieben sie haben. Heinzmann: «Mit der Zeit werden
die Dinge angepasster interpretiert. Das Bewusstsein, sensibler
mit den eigenen Daten umzugehen, nimmt zu. Gleichzeitig
wird die Überinterpretation von Fundstücken aus dem Netz
­abnehmen.»
zielt auch Social-Network-Sites oder Datingwebsites durchforsten
und mehr bieten als eine einfache Google-Suche.
Wie viele Bewerbende dort für Personalverantwortliche interessante Vorlieben preisgeben und mit welchem Aufwand man
diese Informationen findet, ist nicht klar. «Die Frage ist: Wie viel
Aufwand können und wollen Personalverantwortliche überhaupt
für welche Stellenbesetzungen investieren? Ich bezweifle, dass
die Auswüchse und Erfolgsquoten auf Sachbearbeiterstufe gross
sind», meint Heinzmann. Hoffen wir, dass er Recht hat.
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Nach wie vor entscheidet der Bewerbungsbrief
Was aber hilft das jemandem, der heute und nicht in fünf Jahren
um seine Chancen bei einer Bewerbung fürchten muss? Heinzmann: «Der erste Entscheid fällt nach wie vor auf Grund des Bewerbungsbriefes. Wenn danach noch im Internet recherchiert
«Die Überinterpretation
von Fundstücken aus dem
Netz wird abnehmen.»
Peter Heinzmann, Professor für IT-Sicherheit
an der Hochschule für Technik Rapperswil
wird, sollte man das nicht überbewerten. Machen Sie selbst die
Probe aufs Exempel und schauen Sie, was Sie in zehn Minuten
über ‹Charlie Jedermann› finden. Eine wirklich tiefgehende Recherche ist Knochenarbeit und noch lange nicht immer von Erfolg
­gekrönt.»
Welcher HR-Mitarbeitende habe schon Zeit, sich länger als
zehn Minuten durch Dutzende Websites zu quälen? Zwar werden
die Hilfsmittel zur spezifischen Suche nach Personendaten immer
ausgeklügelter. Es gibt verschiedenste Plattformen, die sehr ge-
Power-Suchmaschinen
www.123people.ch
www.123people.com
www.yasni.ch
www.yasni.com
Internet-Suchmaschinen, die in Echtzeit eine Vielzahl von OnlinePlattformen und Datenbanken nach öffentlich verfügbaren Per­
sonendaten durchsuchen. Innerhalb von Sekunden erscheinen
alle verfügbaren Bilder, E-Mail-Adressen, Weblinks, Blogs, Videos
oder Dokumente über die oder von der gesuchten Person – und
aller mit gleichem Namen.
www.copernic.com
Copernic Agent ist eine Metasuchmaschine, die die grössten Internet-Suchmaschinen durchforstet. Im Gegensatz zu einer Recherche bei einer Suchmaschine im Web sendet Copernic seine
Anfrage an alle ausgewählten Suchmaschinen. Vom Copernic
Agent gibt es eine kostenlose Version (Basic) und kostenpflichtige
Versionen, die anders als gewöhnliche Suchmaschinen auch Zugriff auf versteckte Daten erlauben, Suchergebnisse zusammenfassen oder über Erneuerungen auf Websites informieren. Die
­Suche kann national oder international erfolgen, und die Sprachen
können eingeschränkt werden. Die Suchergebnisse werden in
die Oberfläche des Programms integriert und gespeichert. Damit
stehen die Resultate auch für spätere Suchen zur Verfügung. ls
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