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BÜRGERSCHAFT
DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG
Drucksache
21/2661
21. Wahlperiode
29.12.15
Schriftliche Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Bernd Baumann, Dirk Nockemann und
Dr. Joachim Körner (AfD) vom 23.12.15
und
Betr.:
Antwort des Senats
Aktuelle Senatsplanung zur Integration von Flüchtlingen: Mit welchen
Zahlen beim Familiennachzug plant der Senat für das Jahr 2016?
Der Senat plant nach aktuellen Angaben für die beiden Jahre 2015 und 2016
mit zusammen 80.000 Flüchtlingen, die dauerhaft in Hamburg verbleiben.
Für diese Anzahl will er entsprechende Kapazitäten in den Erstaufnahmeund Folgeunterbringungen aufbauen.
Familiennachzug ist dabei nach Aussage der Senatorin für Stadtentwicklung
und Wohnen nicht mit eingerechnet.
Nach jahrzehntelanger Erfahrung mit Menschen, die Asyl und Schutz
suchen, bildet deren Familiennachzug einen Hauptfaktor für die Gesamtzahl
der insgesamt hierzulande zu integrierenden Menschen. Da Gelingen von
Integration eine möglichst frühzeitige und umfassende Ermittlung des zu
erwartenden Zuzugs voraussetzt, müssen hier sämtliche verfügbaren Informationen gewissenhaft gesammelt und einschlägige Daten und Statistiken
so früh wie möglich ausgewertet werden. Integration in Wohnungs- oder
Arbeitsmärkte, Schulen oder Kitas darf nicht scheitern, nur weil die politische
Führung Entscheidendes (und Absehbares) wie den Familiennachzug außer
Acht lässt.
Derlei Erwägungen mögen mit Unsicherheiten behaftet sein. Doch erscheint
es undenkbar, hier überhaupt keine Annahmen zu hegen – oder gar NullAnsätze zugrunde zu legen.
Entsprechende Erfahrungswerte liegen in großer Zahl vor. So geht der frühere Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF),
Manfred Schmidt, gemäß einem Artikel in der Zeitung „Die Zeit“ vom
06.10.2015 aufgrund aller bisherigen Erfahrungen davon aus, dass im Wege
des Familiennachzugs je Flüchtling im Schnitt drei Personen nach Deutschland kommen.
Der frühere Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln, Heinz Buschkowsky,
schätzt in einem Interview mit dem „Focus“ vom 17.10.2015, dass bis zum
Jahr 2020 insgesamt 10 Millionen Menschen nach Deutschland kommen
werden.
Überdies können die vielen in Jahrzehnten hierzulande und in zahlreichen
vergleichbaren Ländern gewonnen Daten und Statistiken über beantragten
und realisierten Familiennachzug herangezogen werden, um das Bild aufzuklären.
Drucksache 21/2661
Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode
Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat:
1)
Wie viele Familiennachzugsbegehren gab es in Hamburg in den Jahren
2000 – 2015? Bitte aufschlüsseln auf die einzelnen Jahre.
2)
Wie viele Menschen kamen in den Jahren 2000 – 2015 jeweils tatsächlich über Familiennachzug nach Hamburg?
Wenn Daten vorhanden, bitte für die Jahre 2013, 2014 und 2015 zusätzlich auch nach Herkunftsländern getrennt auflisten (nur die zehn Länder,
aus denen die größten Zahlen an Familiennachzüglern kamen).
Familiennachzugsbegehren sind durch entsprechende Visumsanträge bei den dafür
nach § 71 Absatz 2 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) zuständigen, vom Auswärtigen Amt
ermächtigten Auslandsvertretungen zu betreiben.
Die im ausländerrechtlichen Fachverfahren der Hamburger Ausländerbehörde erfassten Beteiligungen an Visumsverfahren zum Familiennachzug nach § 31 Aufenthaltsverordnung (AufentV) sowie die tatsächlichen Einreisen können der folgenden Übersicht entnommen werden, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Zahl der Beteiligungen nicht mit der Zahl der gestellten Visumsanträge identisch ist:
Jahr
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
2015
(Stand
23.12.2015)
Anträge
2.522
2.822
2.960
2.337
2.290
1.861
1.665
1.186
1.152
1.265
1.427
1.581
1.674
1.961
2.111
Einreisen
1.309
2.013
2.108
2.212
2.194
1.899
1.613
1.139
1.041
1.238
1.360
1.704
1.772
1.983
2.164
2.532
2.270
Die zehn Hauptherkunftsländer im Jahr 2013 waren:
Staat
Türkei
Indien
Russische Föderation
China
Iran
Afghanistan
Ukraine
Tunesien
Mazedonien
Kosovo
Einreisen
309
288
128
126
106
88
68
53
52
45
Die zehn Hauptherkunftsländer im Jahr 2014 waren:
Staat
Türkei
Indien
Afghanistan
Iran
2
Einreisen
280
190
148
136
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Staat
China
Russische Föderation
Syrien
Ukraine
Tunesien
Ägypten
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Einreisen
132
124
117
67
62
46
Die zehn Hauptherkunftsländer im Jahr 2015 (bis 23. Dezember 2015) waren:
Staat
Syrien
Türkei
Afghanistan
Iran
China
Russische Föderation
Indien
Mazedonien
Ukraine
Ungeklärte Staatsangehörigkeit
Einreisen
454
300
136
111
110
92
81
63
55
50
(Quelle: Einwohner-Zentralamt, Stand: 23. Dezember 2015)
Das Auswärtige Amt wurde beteiligt, konnte aber in der für die Beantwortung der Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit keine weiteren auf Hamburg
bezogenen Angaben beitragen.
3)
Wie hoch war jeweils in den Jahren 2000 – 2015 der jeweilige durchschnittliche Familiennachzug pro anerkanntem Flüchtling in Hamburg?
Bitte für die Jahre 2013, 2014 und 2015 zudem getrennt nach Herkunftsländern angeben.
Statistiken im Sinne der Fragestellung werden nicht geführt. Auch eine Datenbankabfrage im ausländerrechtlichen Fachverfahren kann in diesem Fall nicht durchgeführt
werden, da die gefragten Parameter (hier: Anzahl nachgezogener Familienangehöriger) nicht für die Vergangenheit abgefragt werden können. Eine zu programmierende
Datenbankabfrage ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage
zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich.
4)
Wie viele Monate vergingen jeweils durchschnittlich zwischen Anerkennung als Flüchtling und dem Stellen des ersten Antrages auf Familiennachzug in den Jahren 2010 – 2015?
Die Beantragung eines Visums zur Familienzusammenführung erfolgt bei den dafür
nach § 71 Absatz 2 AufenthG zuständigen, vom Auswärtigen Amt ermächtigten Auslandsvertretungen; die erfragten Angaben waren von dort jedoch nicht zu erlangen
(siehe Antwort zu 1) und 2)). Eine Erfassung von Visumsanträgen im ausländerrechtlichen Fachverfahren der Hamburger Ausländerbehörde erfolgt nicht. Eine Auswertung
im Sinne der Fragestellung wäre nur möglich durch einen manuellen Abgleich der
Visumsanträge aller deutschen Auslandsvertretungen beziehungsweise der Beteiligungen an Visumsverfahren zum Familiennachzug mit den Anerkennungsbescheiden
des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) für die jeweilige Bezugsperson. Dies ist bei mehreren Tausend Visumsanträgen im Jahr beziehungsweise Beteiligungsfällen sowie Anerkennungsbescheiden des BAMF in der für die Bearbeitung
einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich.
5)
Hat der Senat in den Jahren 2014 und 2015 anerkannte Flüchtlinge
befragt, ob diese beabsichtigten, Familienmitglieder nachzuziehen?
a)
Wenn ja, was waren die Ergebnisse?
b)
Wenn nein, warum nicht?
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Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode
Nein. Eine regelhafte Erfassung dieser Angaben findet nicht statt. Die Aussagekraft
solcher unverbindlichen Befragungen würde zudem von verschiedenen Faktoren
abhängen. So besteht für die Betroffenen keine damit korrespondierende Auskunftspflicht. Wichtige Faktoren sind zudem die Entwicklung der Situation im Herkunftsland
sowie die persönlichen Umstände der dort verbliebenen Familienangehörigen.
6)
Hat der Senat sich um weitere Daten und Quellen zur Prognostizierung
der Höhe des wahrscheinlichen Familiennachzugs pro anerkanntem
Flüchtling bemüht?
a)
Wenn ja, welche?
b)
Wenn nein, warum nicht?
Die zuständigen Behörden werten regelmäßig die durch das nach § 44 Absatz 2 Asylgesetz (AsylG) für Prognosen zur Zuwanderungsentwicklung zuständige BAMF herausgegebenen Informationen aus. Entsprechend belastbare Informationen zur aktuellen Situation liegen von dort nicht vor.
7)
Welche Quellen, Erhebungen und Statistiken aus den Jahren 2000 bis
2015, die die Höhe des Familiennachzugs von Flüchtlingen nach
Deutschland oder in vergleichbare Länder quantifizieren, sind dem Senat
bekannt?
Das BAMF und das Statistische Bundesamt stellen umfängliche Daten zu Ausländern
und zur Migrationssituation zur Verfügung, siehe www.bamf.de und www.destatis.de.
8)
Wie steht der Senat zu der vom Bundesinnenminister vorgeschlagenen
Möglichkeit, Flüchtlingen aus Syrien künftig grundsätzlich nur noch den
Status der subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen?
Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder des subsidiären Schutzes richtet
sich nach den Vorgaben der §§ 3, 4 AsylG, deren Voraussetzungen im jeweiligen
Einzelfall von dem nach § 5 AsylG zuständigen BAMF zu prüfen sind.
9)
Welche Auffassung vertritt der Senat hinsichtlich der im Bund diskutierten Maßnahmen, den Familiennachzug bei
a)
Flüchtlingen generell oder
b)
Flüchtlingen aus Syrien
zu begrenzen?
Der Senat hat sich hiermit nicht befasst.
10) Wie hoch schätzt der Senat nach heutigem Stand des Wissens die
Anzahl des durchschnittlichen Familiennachzugs nach Hamburg (also
pro anerkanntem Flüchtling) für das Jahr 2016?
Der Senat geht davon aus, dass ein Teil der Flüchtlinge Familienangehörige nachholen wird. Eine konkrete Zahl kann derzeit nicht prognostiziert werden, siehe im Übrigen Antworten zu 6) und 11).
11) Von welcher Gesamtzahl an Menschen, die über Familiennachzug nach
Hamburg kommen werden, geht der Senat für 2016 derzeit aus?
Im Haushaltsplan für die Jahre 2015/2016 wird für das Jahr 2016 bezogen auf die
Beteiligungen an Visumsverfahren nach § 31 Aufenthaltsverordnung als Kennzahl von
4.900 Visumsanträgen insgesamt ausgegangen. Diese Zahl basiert auf den Erfahrungen der letzten Jahre. Zu den Beteiligungen an Visumsverfahren konkret zum Familiennachzug in den Jahren 2000 bis 2015 siehe Antwort zu 1. und 2. Wie vielen Anträgen von den deutschen Auslandsvertretungen stattgegeben wird, kann jedoch nicht
seriös geschätzt werden.
12) Mit welcher Gesamtzahl an neuen Flüchtlingen rechnet der Senat für
2016?
Eine Prognose des hierfür nach § 44 Absatz 2 AsylG zuständigen BAMF liegt für 2016
noch nicht vor. Im Übrigen siehe Drs. 21/2479.
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13) Beide Gruppen zusammen – neue Flüchtlinge plus Familienzusammenführung in den Jahren 2015 und 2016 – werden nach den Planungen
des Senats insgesamt
a)
wie viele Wohnungen,
Die konkrete Wohnungsnachfrage von Flüchtlingen hängt von vielen Faktoren ab, insbesondere auch vom Aufenthaltsstatus. Sie ist deshalb nicht prognostizierbar. Grundsätzlich hält der Senat an seiner Zielsetzung fest, die Rahmenbedingungen von pro
Jahr mindestens 6.000 Neubauwohnungen zu gewährleisten. Im Übrigen siehe Drs.
21/1838.
b)
wie viele Schulplätze,
Die bisherigen Planungen für den Ausbau der schulischen Kapazitäten gehen von
einem Anteil an schulpflichtigen Flüchtlingen zwischen 15 bis 20 Prozent aus. Sollte
sich dieser Anteil verändern, werden die Planungen entsprechend angepasst. Im Übrigen siehe Antworten zu 10) bis 12).
c)
wie viele Kitaplätze,
Im Rahmen des flexiblen, nachfrageorientieren Kita-Gutscheinsystems passen die
Kita-Träger durch die Erweiterung bestehender oder den Bau neuer Kitas ihre Betreuungskapazitäten den veränderten Nachfragestrukturen an. Es erfolgt keine Planung
von Plätzen durch den öffentlichen Jugendhilfeträger. Vor dem Hintergrund der
besonderen Situation der Flüchtlingsfamilien kommt der Beratung und Unterstützung
der Familien bei der Platzsuche durch das bezirkliche Jugendamt, das Sozialmanagement von f & w fördern und wohnen AöR (f & w), durch Kita-Träger und durch
weitere im Sozialraum und Unterkünften aktive Institutionen und Personen eine
besondere Bedeutung zu. Die für Kindertagesbetreuung zuständige Behörde wird in
enger Kooperation mit den bezirklichen Dienststellen und den vor Ort agierenden KitaTrägern prüfen, in welchem Umfang neue Betreuungsangebote geschaffen werden
müssen, in dem die vorhandenen Kita-Angebote räumlich erweitert oder neue Kitas
initiiert werden. Im Hamburger Kita-Gutscheinsystem erhalten die Kita-Träger die
erforderlichen finanziellen Mittel für die Betreuung aller in der Kita betreuten Kinder
beziehungsweise zur Finanzierung des dafür erforderlichen Personals mittels kindbezogener Leistungsentgelte.
d)
wie viele Arbeitsplätze
in Hamburg benötigen?
Die Beantwortung der Frage zu benötigten Arbeitsplätzen würde nicht nur eine Kenntnis der genauen Zahl der Flüchtlinge und ihrer Altersstruktur voraussetzen, sondern
auch über ihre Erwerbsfähigkeit im Sinne des § 8 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II). Diese Angaben liegen derzeit nicht vor. Zur besseren Einschätzung
auch dieser Fragestellung hat die zuständige Behörde gemeinsam mit der Agentur für
Arbeit und dem Jobcenter team.arbeit.hamburg das Vorhaben W.I.R – work and
integration for refugees begonnen, siehe Drs. 21/2074.
14) Sieht der Senat Obergrenzen für Hamburg 2016, was neue Flüchtlingszahlen plus Familiennachzug angeht?
Nein.
Wenn ja, wo liegen diese? Bitte Aufschlüsseln in Obergrenzen für
a)
Flüchtlingszahl plus Familiennachzug insgesamt,
b)
Wohnungen insgesamt,
c)
Schulplätze insgesamt,
d)
Kitaplätze insgesamt.
Entfällt.
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Drucksache 21/2661
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15) Falls der Senat keine Obergrenzen sieht: Mit welcher Vorgehensweise
und unter Einbeziehung welcher Ressourcen stellt der Senat die dann
prognostizierte, unbegrenzte Aufnahmefähigkeit her?
Siehe Antworten zu 13) bis 13) d). Im Übrigen sind die Planungen noch nicht abgeschlossen.
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