Rezension in der Oberhessischen Presse vom 11.10.2010

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Rezension in der Oberhessischen Presse vom 11.10.2010
Oberhessischen Presse vom 11.10.2010:
Rezension des Konzerts der Cappella Istropolitana am Freitag, dem 8. Oktober 2010
Es muss nicht immer Mozart sein
Cappella Istropolitana eröffnete Konzertverein-Spielzeit mit zwei Raritäten und einem Meisterwerk
Unter der Leitung von Volker
Schmidt-Gertenbach
begleitete das Kammerorchester aus der slowakischen Hauptstadt Bratislava am Freitag in der Stadthalle Marburg die Geigerin
Jeanne Christée.
von Michael Arndt
Marburg. Es müssen nicht immer
Haydn oder Mozart sein, wenngleich diese das Maß aller Dinge
in der Sinfonik vor Beethoven
sind. Auch Joseph Martin Kraus
hat wichtige Beiträge zur Gattung
beigesteuert, wovon sich Musikfreunde zum Auftakt der Konzertverein-Spielzeit überzeugen konnten. Allerdings spielte die Cappella Istropolitana nicht die im Programmheft angekündigte „Trauersinfonie", die Kraus 1792 zum
Begräbnis seines Freundes und
Gönners, des bei einem Attentat
ums Leben gekommenen Schwedenkönigs Gustav III., komponiert
hatte. Stattdessen erklang eine
neun Jahre früher entstandene
Sinfonie in derselben Tonart cMoll, die der aus Miltenberg
stammende Komponist seinem
berühmten Kollegen Haydn gewidmet hat.
Man nennt Kraus auch den
„Odenwälder Mozart", weil beide im
selben Jahr 1756 geboren wurden.
Sein musikalisches Vorbild aber
war ein anderer: der Opernreformator Christoph Willibald Gluck,
dessen dramatischen Stil Kraus auf
seine insgesamt 14 erhaltenen Sinfonien übertrug - am deutlichsten
wird dies in der c-Moll-Sinfonie
von 1783. Der von schroffen Gegensätzen zwischen Unisono-Partien und vollstimmigem Satz
bestimmte Kontrastreichtum kam
in der Wiedergabe durch das
Kammerorchester aus der slowakischen Hauptstadt Bratislava
unter der so präzisen wie befeuernden Leitung von Volker
Schmidt-Gertenbach überzeugend
zur Geltung. Ein Werk, das man
gerne wieder hören möchte.
Die Cappella Istropolitana aus Bratislava gab in der Stadthalle Marburg auf Einladung des Konzertvereins ein beeindruckendes und hörenswertes Konzert.
Foto: Thorsten Richter
.Anders die zweite Rarität des
Abends: das D-Dur-Violinkonzert
von Alessandro Rolla. Entstanden
wohl in der ersten Hälfte des 19.
Jahrhunderts, als Rolla mehr als
drei Jahrzehnte lang vom Konzertmeisterpult aus die Opernaufführungen der Mailänder Scala
leitete, enthält es Anklänge an
den romantischen Belcanto eines
Bellini, Donizetti oder Rossini,
ohne freilich entfernt an deren
melodisches Genie heranzureichen. Jeanne Christée hat dieses
Werk dem sicher wohlverdienten
Archivschlaf dennoch für eine
CD-Einspielung entrissen. Aber
so ganz scheint sie davon nicht
mehr überzeugt zu sein. Jedenfalls
sprang von ihrer merkwürdig
distanzierten Konzertwiedergabe
in Marburg, bei durchaus großem
und in der hohen Lage auch
manchmal unange nehm grellem
Ton, der Funke nicht so recht
aufs Publikum über, das dennoch
freundlich applaudierte und sich so
eine Zugabe erklatschte. In einem
Ausschnitt aus Eugene Ysayes aMoll-Sonate zeigte Christee auf.
ihrer Stradivari, welch ausdrucksvolle und virtuose Geigerin
sie ist.
Ja, und dann doch noch Mozart: Mit einem Meisterwerk des
18-Jährigen ging das Konzert offiziell zu Ende. Schmidt-Gertenbach und die Cappella Istropolitana widmeten sich mit begeisternder Hingabe dem jugendfrischen Melodienreichtum
und der kammermusikalischen
Stimmführungskunst in der ADur-Sinfonie KV 201. Und weil die
500 Zuhörer so lang anhaltend
Beifall spendeten, das gesamte
Programm mit gerade mal 70
Minuten Spieldauer zudem nicht
übermäßig lang war, gab's noch
zwei Zugaben: das Rondo aus
Mozarts G-Dur-Sinfonie KV 124
und den ersten Satz aus Griegs
„Holberg-Suite".