Leitsätze für den Dialog zwischen Investor und Aufsichtsrat

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Leitsätze für den Dialog zwischen Investor und Aufsichtsrat
Leitsätze für den
Dialog zwischen
Investor und
Aufsichtsrat
Juli 2016
Leitsätze für den Dialog
zwischen Investor und
Aufsichtsrat
Vorbemerkung
Die gep lante Ä nderung der E U - Ak tionärsrechterichtlinie sieht vor, dass institutionelle
Investoren k ünftig eine ak tivere R olle in
der Ü b erwachung b ö rsennotierter U nternehm en üb ernehm en sollen. U m diese Aufgab e angem essen ausfüllen zu k ö nnen, ist
ein intensiverer Dialog m it dem Aufsichtsrat
als zentralem Ü b erwachungsorgan nö tig.
Z iel ist es, die T ransp arenz zu erhö hen und
gegenseitiges V ertrauen zu schaffen.
Dab ei k ann eine direk te K om m unik ation
zwischen Investor und Aufsichtsrat einen
M ehrwert für b eide S eiten b ieten: E in
solcher Dialog erlaub t es Investoren, sich
aus erster H and zu inform ieren und sich ein
B ild etwa darüb er zu verschaffen, ob der
Aufsichtsrat richtig b esetzt ist und effek tiv
arb eitet. Der Aufsichtsrat wiederum hat die
M ö glichk eit, vor allem ausländischen Investoren das dualistische deutsche C orp orateG overnance- M odell m it M itb estim m ung zu
erläutern und um V erständnis für unternehm ensindividuelle G overnance- Lö sungen
zu werb en.
Der rechtliche R ahm en eines Dialogs
zwischen Investor und Aufsichtsrat ist
derzeit nicht klar definiert. Der Dialog
wird indes durch das deutsche Ak tien- und
K ap italm ark trecht nicht ausgeschlossen
und schon heute in deutschen U nternehm en
p rak tiziert. Insb esondere das ak tienrechtliche G leichb ehandlungsgeb ot steht einem
Dialog von Investor R elations, V orstand
oder Aufsichtsrat m it einzelnen Investoren
nicht im W eg. E ntscheidend ist vielm ehr,
dass es für die Auswahl der Investoren,
denen G esp räche gewährt oder angeb oten
werden, sachliche G ründe gib t.
U m den Dialog zwischen institutionellen
Investoren und Aufsichtsräten so fruchtb ar
wie m ö glich zu gestalten, hat die Initiative
„ Develop ing S hareholder C om m unication”
acht Leitsätze form uliert. Diese richten
sich an Investoren und an die in Deutschland b ö rsennotierten U nternehm en m it
Aufsichtsrat. Dam it will die Initiative
a) eine inform ierte Disk ussion des T hem as
Aufsichtsratsk om m unik ation m it Investoren anstoß en;
b ) vor dem H intergrund des regulatorischen R ahm ens den E rwartungen von
Investoren an deutsche U nternehm en
R echnung tragen;
c) üb er eine sich entwick elnde P rax is j enes
Dialogs zwischen Investor und Aufsichtsrat inform ieren, ohne unternehm erische
H andlungsfreiheiten zu b eschränk en.
Auch die R egierungsk om m ission Deutscher
C orp orate G overnance K odex wird vorschlagen, eine grundsätzliche E m p fehlung
oder Anregung zur K om m unik ation
zwischen Investor und Aufsichtsrat in den
K odex aufzunehm en.
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Präambel
Die nachfolgenden Leitsätze zum Dialog
zwischen Investor und Aufsichtsrat sollen
eine p rak tische O rientierungshilfe hinsichtlich der T hem en, der B eteiligten und der
Ausgestaltung eines solchen Dialogs b ieten
und zugleich Leitp lank en für die K om m unik ation b ö rsennotierter U nternehm en
setzen. Darüb er hinaus sollen sie zur V erb reitung guter Dialogform en b eitragen.
M it B lick auf die ak tienrechtliche
K om p etenzordnung wird ein R echt des
Aufsichtsrats zum Dialog m it Investoren
nur für die T hem en verstanden, die in den
Aufgab en- und V erantwortungsb ereich des
Aufsichtsrats fallen; im Ü b rigen verb leib t
die K om m unik ationshoheit b eim V orstand
als gesetzlichem U nternehm ensvertreter.
Eine Pflicht für Aufsichtsräte zum Dialog mit
Investoren soll dam it nicht zum Ausdruck
geb racht werden.
Die Leitsätze stehen im E ink lang m it den
rechtlichen R ahm enb edingungen und
dem Deutschen C orp orate G overnance
K odex in seiner ak tuellen F assung. F ür
die B eachtung der rechtlichen B eschränk ungen, etwa aus dem K ap italm ark trecht
( Insiderinform ation und Ad- hoc- P ub lizität) ,
von Verschwiegenheitspflichten und des
ak tienrechtlichen G leichb ehandlungsgeb ots
k ö nnen sinngem äß die G rundsätze, die
schon heute B asis der K om m unik ation von
Investor R elations und des V orstands m it
einzelnen Investoren sind, angewendet
werden.
Die Leitsätze sind nicht als starres R egelwerk form uliert, sondern b ieten einen
flexiblen Rahmen, der an die spezifische
S ituation des einzelnen U nternehm ens
angep asst werden k ann.
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Leitsatz 1:
Initiative und Themen
Z wischen Investoren und Aufsichtsrat k ann* ein Dialog geführt werden. Die generelle
E ntscheidung, ob ein solcher Dialog geführt wird, ob liegt auf S eiten des U nternehm ens
dem Aufsichtsrat. Die E ntscheidung üb er den E intritt in einen k onk reten Dialog trifft
der Aufsichtsratsvorsitzende. Der Dialog um fasst ausschließ lich T hem en, die in den
Aufgab en- und V erantwortungsb ereich des Aufsichtsrats fallen.
Leitsatz 2:
Zusammensetzung und Vergütung des Aufsichtsrats
In einem Dialog k ö nnen die Aufsichtsratszusam m ensetzung, der B esetzungsp rozess
sowie das V ergütungssy stem des Aufsichtsrats erö rtert werden. K onk rete W ahlvorschläge oder E inzelk andidaten sollen nicht b esp rochen werden.
Leitsatz 3 :
Binnenorganisation und Überwachungsprozess
In einem Dialog zwischen Investor und Aufsichtsrat k ö nnen der B ericht des Aufsichtsrats und die aufsichtsratsb ezogenen T hem en des C orp orate- G overnance- B erichts,
die B innenorganisation im Aufsichtsrat, die Ausgestaltung der Ü b erwachungs- und
Mitwirkungsprozesse, die Ausschussbildung sowie die Effizienzprüfung und daraus
getroffene M aß nahm en erö rtert werden. V on einer Disk ussion der E rgeb nisse der
Effizienzprüfung in Bezug auf einzelne Aufsichtsratsmitglieder soll abgesehen werden.
Leitsatz 4 :
Vorstandsbestellung, -abberufung und -vergütung
4
In einem Dialog können Anforderungsprofile für die Bestellung der Mitglieder und
die G eschäftsverteilung im V orstand b esp rochen werden. K onk rete V orschläge oder
E inzelk andidaten sollen nicht G egenstand eines Dialogs sein. Des W eiteren k ö nnen
das V orstandsvergütungssy stem , gep lante V eränderungen und etwaige V erb esserungsvorschläge sowie die Auslegung und gegeb enenfalls die Inansp ruchnahm e
von E rm essenssp ielräum en des Aufsichtsrats b ei V ergütungsfragen m it Investoren
disk utiert werden.
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Leitsatz 5:
Strategieentwicklung und -umsetzung
Die E ntwick lung und U m setzung der U nternehm ensstrategie ob liegt dem V orstand.
Im R ahm en eines Dialogs m it Investoren k ann der Aufsichtsrat seine üb erwachende
und m itwirk ende R olle im S trategiep rozess und seine E inschätzung der S trategieum setzung erläutern.
Leitsatz 6:
Abschlussprüfer
In einem Dialog k ö nnen die Anforderungsk riterien und M einungsb ildung für die
Auswahl des Ab schlussp rüfers sowie die Inhalte und Q ualität der Z usam m enarb eit
zwischen Ab schlussp rüfer und Aufsichtsrat erö rtert werden.
Leitsatz 7 :
Beteiligte
Der Aufsichtsratsvorsitzende vertritt den Aufsichtsrat in der K om m unik ation m it
Investoren. E r k ann weitere Aufsichtsratsm itglieder ( etwa Ausschussvorsitzende) ,
den V orstandsvorsitzenden oder andere M itglieder des V orstands zu einem Dialog
hinzuziehen. E r inform iert den gesam ten Aufsichtsrat üb er die G esp räche.
Leitsatz 8 :
Ausgestaltung
Der Aufsichtsrat b esp richt m it dem V orstand G rundsätze für die Ausgestaltung eines
Dialogs zwischen Investor und Aufsichtsrat.
* Die hier verwendete Nomenklatur folgt nicht derjenigen
des Deutschen Corporate Governance Kodex (Präambel).
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Mitglieder der Arbeitsgruppe
Prof. Dr. Alexander Bassen ( U niversität H am b urg) , Dr. Jürgen Hambrecht ( B AS F ,
Daim ler, F uchs P etrolub ) , Dr. Hans-Christoph Hirt ( H erm es Investm ent M anagem ent) ,
Prof. Dr. Dr. Dr. h. c. mult. Klaus J. Hopt ( Direk tor em . M ax - P lanck - Institut für
ausländisches und internationales P rivatrecht H am b urg) , Prof. Dr. Ulrich Lehner
( E .O N , H enk el, Deutsche T elek om , P orsche Autom ob il H olding, T hy ssenK rup p ) ,
Dr. Stephan Lowis ( R W E ) , Ingo R. Mainert ( Allianz G lob al Investors) ,
Daniela Mattheus ( E Y ) , Prof. Christian Strenger ( H H L Leip zig G raduate S chool of
M anagem ent) .
Mitglieder der beratenden Stakeholder-Gruppe
Dr. Paul Achleitner ( Deutsche B ank , B ay er, Daim ler) , Kay Bommer ( Deutscher
Investor R elations V erb and) , Dr. Christine Bortenlänger ( Deutsches Ak tieninstitut) ,
Dr. Werner Brandt ( R W E , Deutsche Lufthansa, O S R AM Licht, P roS ieb enS at. 1 M edia) ,
Dr. Joachim Faber ( Deutsche B ö rse) , Ralf Frank ( Deutsche V ereinigung für F inanzanaly se und Asset M anagem ent) , Henning Gebhardt ( Deutsche Asset M anagem ent
Investm ent) , Dr. Dr. h. c. Manfred Gentz ( R egierungsk om m ission Deutscher C orp orate
G overnance K odex ) , Claudia Kruse ( AP G Asset M anagem ent) , Thomas Richter
( Deutscher F ondsverb and B V I) , Dr. Manfred Schneider ( ehem als R W E , Linde) ,
Prof. Dr. Ulrich Seibert ( H einrich- H eine- U niversität Düsseldorf) , Ingo Speich ( U nion
Investm ent) , Norbert Steiner ( K + S ) , Marc Tüngler ( Deutsche S chutzvereinigung für
W ertp ap ierb esitz) , Werner Wenning ( B ay er, H enk el, S iem ens) .
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Über die Initiative
G em einsam e Z ielsetzung der Initiative war es, orientierungsgeb ende und aus der P rax is
ab geleitete Leitsätze innerhalb der geltenden regulatorischen R ahm enb edingungen
in Deutschland zu entwick eln. N eb en der federführenden Arb eitsgrup p e, die m it U nternehm ens- und Investorenvertretern sowie W issenschaftlern b esetzt war, wurde die
Initiative b eratend von einer S tak eholder- G rup p e b egleitet, in der auch R ep räsentanten
der R egulatoren sowie ausgewählter V erb ände und O rganisationen vertreten waren.
Kontakt für die Initiative
Daniela Mattheus
P artner – H ead of C orp orate G overnance B oard S ervices G S A
E rnst & Y oung G m b H W irtschaftsp rüfungsgesellschaft
F riedrichstraß e 14 0
10117 B erlin
Office: + 49 30 25471 19736
www.governancem atters.de
daniela.m attheus@ de.ey .com
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ED None. MUK 1609-069