Kreisläufe unerwünschter Stoffe in der Lebensmittelkette

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Kreisläufe unerwünschter Stoffe in der Lebensmittelkette
Angewandte Wissenschaft · Heft 524 · Kreisläufe unerwünschter Stoffe in der Lebensmittelkette
Kreisläufe unerwünschter
Stoffe in der Lebensmittelkette
Reihe A:
Angewandte
Wissenschaft
Heft 524
www.bmelv.de
Herausgeber
Bundesministerium für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV)
Referat 324
Rochusstraße 1
53123 Bonn
Stand
Dezember 2012
Text
Referat 324
Gestaltung
BMELV
Druck
BMELV
Weitere Informationen finden Sie im Internet unter
www.bmelv.de
Schriftenreihe des
Bundesministeriums für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz
Reihe A: Angewandte Wissenschaft
Heft 524
„Kreisläufe unerwünschter Stoffe
in der Lebensmittelkette“
Workshop
des Bundesministeriums für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz und
des Friedrich-Loeffler-Institutes am
27. und 28. Oktober 2011 in Braunschweig
Alle Rechte, auch die der fotomechanischen Vervielfältigung
und des auszugsweisen Nachdrucks, vorbehalten durch
Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
Die inhaltliche Verantwortung liegt bei den Autoren, deren Meinung nicht
notwendigerweise mit der des BMELV identisch sein muss.
1
Vorwort
Die Arbeitsgruppe „Carry over unerwünschter Stoffe in Futtermitteln“ beim Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (BMELV) hat in Zusammenarbeit mit dem
Institut für Tierernährung des Friedrich-Loeffler–Instituts (FLI) am 27. und 28. Oktober 2011
in Braunschweig einen Workshop zum Thema „Kreisläufe unerwünschter Stoffe in der
Lebensmittelkette“ durchgeführt.
Ziel des Workshops war es, die aktuellen Erkenntnisse der Carry over Forschung und die
Empfehlungen der Carry over - Arbeitsgruppe zu unerwünschten Stoffen in Futtermitteln und
Produktionsverfahren in der Futtermittelwirtschaft vorzustellen, zu bewerten und hierüber mit
Vertretern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung zu diskutieren und den weiteren
Forschungs- und Handlungsbedarf herauszuarbeiten.
Im Mittelpunkt der Betrachtungen standen dabei die Eintragswege, der Carry over und die
Exposition bei Dioxinen und anderen halogenierten Kohlenwasserstoffen, die Wirkungen von
Mykotoxinen in Futtermitteln und Ansatzpunkte für Präventivmaßnahmen, die Bodenbelastungen und die Exposition von Mensch und Tier durch Cadmium sowie Fallstudien zu
Nitrit in Futtermitteln, Antibiotika in Pflanzen sowie Rückstände von Pflanzenschutzmitteln
und Radionukliden in Futtermitteln. Ferner wurden die Risiken, die mit bestimmten Herstellungsverfahren von Futtermitteln verbunden sind, insbesondere dabei verwendete
Materialien, die mit Futtermitteln in Berührung kommen, sowie die Risiken aus der Nanotechnologie betrachtet.
Die Carry over - Arbeitsgruppe ist multidisziplinär zusammengesetzt. Die Experten aus
wissenschaftlichen Einrichtungen von Bund und Ländern sowie Universitäten und Untersuchungsanstalten befassen sich seit nunmehr 38 Jahren mit Fragen des Übergangs unerwünschter Stoffe aus Futtermitteln in Lebensmittel tierischen Ursprungs.
Aufgabe der Arbeitsgruppe ist es, das BMELV bezüglich erforderlicher oder geeigneter Maßnahmen zur Gewährleistung der Lebens- und Futtermittelsicherheit, der Tiergesundheit und
des Umweltschutzes zu beraten. Zu diesem Zweck verfolgt die Carry over - Arbeitsgruppe
den Stand der Wissenschaft, führt selbst zielgerichtete Forschungsprojekte durch oder initiiert
solche Projekte. Die Beratung des BMELV erfolgt in Form von Stellungnahmen, die seit
einigen Jahren auf der Homepage des BMELV veröffentlicht werden.
Die Veröffentlichungen der Carry over - Arbeitsgruppe, z.B. zum Carry over von Blei 1981,
zu Cadmium 1986 und zu PCB 1993 sind zu „Klassikern“ geworden und bis heute aktuell.
Große Beachtung fanden auch die Ergebnisse einer Informationsveranstaltung im Oktober
2
1998 zur Thematik „Kreisläufe unerwünschter und erwünschter Stoffe - ihre Bedeutung in der
Nahrungskette“, die in der Schriftenreihe des BMELV - Angewandte Wissenschaft Heft 483
veröffentlicht worden sind.
Im Jahr 2007 veröffentlichte die Carry over - Arbeitsgruppe die Ergebnisse einer mehrjährigen Statuserhebung zu Dioxinen und PCB in Futtermitteln und in vom Tier stammenden
Lebensmitteln. Anhand dieser Erhebungen konnte belegt werden, dass die von der Carry
over – Arbeitsgruppe empfohlenen und in verschiedenen Bereichen umgesetzten Maßnahmen
bereits nach kurzer Zeit einen beachtlichen Rückgang des Eintrags an Dioxinen in die
Nahrungskette und in der Folge einen Rückgang der Belastung der Menschen mit Dioxinen
über Lebensmittel tierischen Ursprungs bewirkt haben. Die Ergebnisse dieser Statuserhebung
sind in der Schriftenreihe des BMELV – Angewandte Wissenschaft als Heft 522 veröffentlicht.
Mit der vorliegenden Veröffentlichung sollen die Ergebnisse des Workshops vom 27. und
28. Oktober 2011 zum Thema „Kreisläufe unerwünschter Stoffe in der Lebensmittelkette“ der
breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Das BMELV dankt den Mitgliedern der Carry over-Arbeitsgruppe und insbesondere ihrem
Vorsitzenden Prof. Dr. Hans Schenkel für ihr langjähriges Engagement auf dem Forschungsgebiet der unerwünschten Stoffe in der Futtermittel- und Lebensmittelkette. Die Arbeitsgruppe leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung des gesundheitlichen Verbraucherschutzes, aber auch zum Schutz der Tiergesundheit und der Umwelt.
Bundesministerium für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz
3
INHALTSVERZEICHNIS:
SEITE
VORWORT
1
ANSCHRIFTEN DER AUTOREN
5
H. SCHENKEL
Carry over-Forschung – ein wichtiger Baustein in der Risikobewertung
11
S. DÄNICKE
Unerwünschte Stoffe in der Wiederkäuerernährung: Die Rolle des Pansens für die
Tiergesundheit und das Carry over-Geschehen
15
M. LAHRSSEN-WIEDERHOLT
Risikobewertung in der Futtermittelkette
40
H. KARL, U. RUOFF, W. JIRA, K.-H. SCHWIND
Dioxine in Futtermitteln und Lebensmitteln tierischer Herkunft –
Aktueller Stand und Trends
44
K.-H. SCHWIND, H. KARL, U. RUOFF, W. JIRA
Carry over von Dioxinen und dioxinähnlichen PCB bei Nutztieren
56
O. LINDTNER, K. BLUME, G. HEINEMEYER
Exposition der Verbraucher mit Dioxinen und PCB über Lebensmittel
68
T. STAHL UND S. GÄTH
Statuserhebung des Gehaltes an PFT (Perfluorierte organische Tenside) in
Futtermitteln und Lebensmitteln tierischer Herkunft zur Abschätzung der
Belastung
80
J. KOWALCZYK, S. EHLERS, P. FÜRST, H. SCHAFFT, M. LAHRSSEN-WIEDERHOLT
Carry over von perfluorierten Tensiden bei Nutztieren
94
W. JIRA UND K.-H. SCHWIND
Carry over von Polybromierten Diphenylethern (PBDE)
98
S. DÄNICKE
Mykotoxine in Futtermitteln – Vorkommen und Bewertung
107
4
E. OLDENBURG UND B. RODEMANN
C. SCHWAKE-ANDUSCHUS UND K. MÜNZING
Minimierungsstrategien für Mykotoxine bei Anbau, Ernte und Verarbeitung
119
D. JULICH UND S. GÄTH
Cadmium im System Boden-Pflanze und Prognose des Cadmiumhaushaltes von
Landschaften
131
H. SCHAFFT
Cadmium in der Lebensmittelkette
143
H. SCHENKEL
Bewertung von Nitrat und Nitrit in Futtermitteln
147
C. SCHWAKE-ANDUSCHUS, G. LANGENKÄMPER, M.G. LINDHAUER
Antibiotika inGetreide
154
K. HOHGARDT
Pflanzenschutzmittelrückstände in Futtermitteln
157
R. SCHEU
Radionuklide in der Nahrungskette
173
H. SCHENKEL
Übergang von Stoffen aus Kontaktmaterial in und auf Futtermittel
183
L. DEHNE, R. SCHUMANN, A. LAMPEN
Nanopartikel in der Nahrungskette – Potentiale und Risiken
186
S. KRUSE
190
Schlusswort
5
ANSCHRIFTEN DER AUTOREN
BLUME, K.
Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR)
Max-Dohrn-Str. 8 - 10
10589 Berlin
PROF. DR. DR. DÄNICKE, S.
Friedrich-Loeffler-Institut
Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit
Institut für Tierernährung
Bundesallee 50
38116 Braunschweig
DR. DEHNE, L.
Bundesinstitut für Risikobewertung
Max-Dohrn-Str. 8 - 10
10589 Berlin
DR. EHLERS, S.
Chemisches und Veterinäruntersuchungsamt
Münsterland-Emscher-Lippe (CVUA-MEL)
Joseph-König-Str. 40
48147 Münster
PROF. DR. FÜRST, P.
Chemisches und Veterinäruntersuchungsamt
Münsterland-Emscher-Lippe (CVUA-MEL)
Joseph-König-Str. 40
48147 Münster
6
PROF. DR. GÄTH, S.
Professur für Abfall- und Ressourcenmanagement
Justus-Liebig-Universität Gießen
Heinrich-Buff-Ring 26C
35392 Gießen
PD DR. HEINEMEYER, G.
Bundesinstitut für Risikobewertung
Max-Dohrn-Str. 8 - 10
10589 Berlin
DR. HOHGARDT, K.
Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit
Messeweg 11/12
38104 Braunschweig
DR. JIRA, W.
Max Rubner-Institut (MRI)
Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel
E.-C.-Baumann-Str. 20
95326 Kulmbach
DR. JULICH, D.
Professur für Abfall- und Ressourcenmanagement
Justus-Liebig-Universität Gießen
Heinrich-Buff-Ring 26C
35392 Gießen
DR. KARL, H.
Max Rubner-Institut (MRI)
Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel
Palmaille 9
22767 Hamburg
7
KOWALCZYK, J.
Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR)
Max-Dohrn-Str. 8 - 10
10589 Berlin
DR. KRUSE, S.
Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft
und Verbraucherschutz
Rochusstraße 1
53123 Bonn
DR. LAHRSSEN-WIEDERHOLT, M.
Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR)
Max-Dohrn-Str. 8 – 10
10589 Berlin
PROF. DR. LAMPEN, A.
Bundesinstitut für Risikobewertung
Max-Dohrn-Str. 8 - 10
10589 Berlin
DR. LANGENKÄMPER, G.
Max Rubner-Institut
Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel
Institut für Sicherheit und Qualität bei Getreide
Schützenberg 12
32756 Detmold
PROF. DR. LINDHAUER, M.G.
Max Rubner-Institut
Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel
Institut für Sicherheit und Qualität bei Getreide
Schützenberg 12
32756 Detmold
8
LINDTNER, O.
Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR)
Max-Dohrn-Str. 8 - 10
10589 Berlin
DR. MÜNZING, K.
Max Rubner-Institut
Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel
Institut für Sicherheit und Qualität bei Getreide
Schützenberg 12
32756 Detmold
DR. OLDENBURG, E.
Julius Kühn-Institut
Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen
Institut für Pflanzenschutz in Ackerbau und Grünland
Messeweg 11-12
38104 Braunschweig
DR. RODEMANN, B.
Julius Kühn-Institut
Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen
Institut für Pflanzenschutz in Ackerbau und Grünland
Messeweg 11-12
38104 Braunschweig
DR. RUOFF, U.
Max Rubner-Institut (MRI)
Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel
Hermann-Weigmann-Straße 1
24103 Kiel
9
PD DR. SCHAFFT, H.
Bundesinstitut für Risikobewertung
Max-Dohrn-Str. 8 - 10
10589 Berlin
PROF. DR. SCHENKEL, H.
Landesanstalt für landwirtschaftliche
Chemie an der Universität Hohenheim
Institut Nr. 710
Emil-Wolff-Str. 12
70599 Stuttgart
DR. SCHEU, R.
Feigenhof 10 a
26180 Rastede
DR. SCHUMANN, R.
Bundesinstitut für Risikobewertung
Max-Dohrn-Str. 8 - 10
10589 Berlin
DR. SCHWAKE-ANDUSCHUS, C.
Max Rubner-Institut
Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel
Institut für Sicherheit und Qualität bei Getreide
Schützenberg 12
32756 Detmold
DR. SCHWIND, K.-H.
Max Rubner-Institut (MRI)
Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel
E.-C.-Baumann-Str. 20
95326 Kulmbach
10
DR. STAHL, T.
Professur für Abfall- und Ressourcenmanagement
Justus-Liebig-Universität Gießen
Heinrich-Buff-Ring 26C
35392 Gießen
11
Carry over - Forschung – ein wichtiger Baustein in der Risikobewertung
H. Schenkel
Landesanstalt für Landwirtschaftliche Chemie, Universität Stuttgart-Hohenheim
Der Carry-Over Prozess beschreibt den Übergang eines Stoffes zwischen den Kompartimenten in der Nahrungskette. Betrachtet man die Produktion von Lebensmitteln tierischer
Herkunft im Rahmen der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung werden die Stoffe über Luft,
Wasser, Boden eingetragen und können über diese Medien direkt vom Tier aufgenommen
werden. Stärker verbreitet ist aber der „klassische Pfad“: Boden – Pflanze – Tier. Darüber
hinaus gibt es aber bekanntlich eine Vielzahl weiterer Kombinationen.
Es ist unter anderem Aufgabe der Carry over Forschung diese Expositionspfade zu erfassen,
die Stoffübergänge und die sie beeinflussenden Faktoren zu beschreiben und zu bewerten.
Solche Daten sind zum Beispiel wichtig, um die Kontamination von Lebensmitteln
abzuschätzen, toxikologisch relevante Konzentrationen zu erfassen, Prioritäten hinsichtlich
der Bedeutung von Stoffen oder Stoffgruppen festzulegen, aber auch im Hinblick auf
Überlegungen zur Minderung des Übergangs.
Der Dosis-Zeit abhängige Stoffübergang, insbesondere aus dem Futter in das Tier, kann in
Abhängigkeit vom Stoff bzw. den Stoffeigenschaften und dem Tier bzw. dem Kompartiment,
aus dem das Lebensmittel gewonnen wird, durch unterschiedliche zum Teil sehr komplexe
Modelle beschrieben werden (Tabelle 1) (van Raamsdonk et al., 2009).
Tabelle 1: Carry over von Kontaminanten in verschiedene tierische Produkte – verschiedene
Modelle einer niederländischen Expertengruppe (nach van Raamsdonk et al., 2009)
Modell
Physiologisch-kinetisches
Modell
Expotentielles Modell
Steady state Modell
Lineares Modell
Transfer Datenbasis
Kontaminate
Dioxine, chlorierte Pestizide
Cadmium
Aflatoxin
Aflatoxin
Cadmium
Nickel
Sulfamethoxazol
Target-Produkt/-Organ
Milchfett, Körperfett,
Dotterfett
Niere
Milch
Milch
Niere
Organe
Organe, Körperfett, Eier
Wie bereits erwähnt spielt neben der Konzentration und der physiko-chemischen Zustandsform des Stoffes die Expositionsdauer eine sehr wesentliche Rolle. Dies zeigen zum Beispiel
sehr eindrucksvoll Akkumulationskurven von Cadmium in verschiedenen Organen landwirtschaftlicher Nutztiere (Leeman et al., 2007, van der Fels-Klerx et al., 2011). Van der Fels-
12
Klerk et al. (2011) zeigen am Beispiel der Cadmiumanreicherung in Leber und Niere von
Rindern den Unterschied von einfachen linearen Modellen und einem kurvilinearen Ansatz
zur Beschreibung der Kumulationskinetik in die zusätzlich zu den Biotransferfaktoren
Faktoren wie die Sättigungskonstante sowie die Eliminationsrate eingehen.
In der Literatur liegen zahlreiche Ansätze vor, insbesondere für organische Verbindungen,
anhand physiko-chemischer Kennwerte, zum Beispiel dem Oktanol-Wasser-Verteilungskoeffizienten das Transferverhalten abzuschätzen (Leeman et al., 2007).
Bedingt durch Neueinschätzungen der für den Menschen tolerablen Aufnahme an verschiedenen Kontaminanten ist gegebenenfalls auch eine Überarbeitung von bestehenden
Grenzwerten in Zwischenstufen der Nahrungskette erforderlich. Beispielhaft sei auf die
jüngsten Stellungnahmen der EFSA zur tolerierbaren Aufnahme an Cadmium (EFSA, 2009a),
Blei (EFSA 2010) und anorganischem Arsen (EFSA, 2009 b) verwiesen, die sich allesamt für
eine striktere Begrenzung der Aufnahme an diesen Elementen aussprechen. Die Neubeschreibung toxischer Endpunkte ist in der Regel verknüpft mit neuen Studien zur Exposition
und falls erforderlich mit speziellen Verzehrempfehlungen. Resultieren daraus neue Höchstwerte in Futtermitteln hat dies auch Konsequenzen für nachgelagerte Kompartimente im
Bereich der Nahrungsmittelerzeugung (Abbildung 1).
Abbildung 1: Konsequenzen aus der Neufassung toxikologisch relevanter Endpunkte
Expositionsstudien
Höchstwerte Lebensmittel
Futtermittel
Wasserschutz
Bodenschutz
Verzehrempfehlungen
Düngemittel
Immissionsschutz
Abfall - / Kreislaufwirtschaft
Eine Problematik dieser verschiedenen Bereiche liegt darin, dass in den einzelnen Rechtsbereichen unterschiedliche Verbindungen oder Stoffe geregelt sind und verschiedene Schutzziele für die Ableitung von Höchst – oder Grenzwerten herangezogen werden. Ferner liegen
unterschiedliche Geltungsbereiche bzw. Verbindlichkeiten der verschiedenen Werte vor.
Tabelle 2 zeigt anhand der Futtermittelrechtlichen Regelungen für einige Stoffe, dass sich im
Laufe der letzten Jahre hinsichtlich der Höchstgehalte in Alleinfuttermitteln wenig geändert
hat, die Regulierung von Einzelfuttermitteln und Futtermittelzusatzstoffen stark erweitert
wurden.
13
In der Carry-Over Forschung stehen eine Reihe weiterer Fragestellungen an, die einer experimentellen Klärung bedürfen. Bei den Elementen betrifft dies die Frage nach der
Differenzierung nach Bindungsform bzw. der Zustandsform als Nanopartikel. Unter den organischen Verbindungen ist es die Frage nach dem Übergang pharmakologisch wirksamer
Stoffe einschließlich sekundärer Pflanzeninhaltsstoffe (Isoflavone, Pyrrolizidinalkaloide)
sowie Stoffwechselprodukten von Mikroorganismen. Unklar ist zum Teil welche Bedeutung
Folgeprodukten technologischer Behandlung und Resten technologischer Hilfsstoffe
zukommt. Beispiele wie das Acrylamid zeigen, dass die Bedeutung teilweise nur gering ist.
Tabelle 2: Höchstwertregelungen für unerwünschte Stoffe in Futtermitteln und Futterzusatzstoffen
Unerwünschter Stoff
Höchstgehalt im
Alleinfutter mg/kg
RL 2002/32
Höchstgehalt im
Alleinfutter mg/kg
VO 574/2011
Arsen
Blei
Fluor
Quecksilber
Cadmium
Nitrit
Aflatoxin B1
Melamin
Dioxin
2 (außer Fische)
5
30 /350
0,1
0,5/1,0
15
0,005/0,1
2 (außer Fische)
5
30 /350
0,1
0,5/1,0
15
0,005/0,1
(2,5)
0,75 bzw 1,5 ng/
WHO-TEQ (Dioxin
bzw Dioxin plus dlPCB)
500 pg I-TEQ/kg
Zitrustrester
Zunahme Regelung
für Einzelfuttermittel
und Futterzusatzstoffe
5 auf 13
6 auf 13
5 auf 10
3 auf 4
5 auf 12
1 auf 2
auf 11
Carry over Versuche erfordern einen hohen experimentellen Aufwand (Personal, Versuchsdurchführung). Das Versuchsdesign muss sehr sorgfältig geplant werden (Art der Kontamination, Dauer und Art der Exposition). Je nach Art der Exposition und der Kontaminanten
können auch Probleme hinsichtlich des Arbeitsschutzes, der Entsorgung der Exkremente und
der Tiere auftreten. Daher basieren zunehmend Untersuchungen an Tieren die nahe der
Hintergrundbelastung exponiert sind.
Carry over Studien sind ein wichtiger Beitrag zur Risikobewertung, aber auch zum Risikomanagement (Abklingphasen etc.). Im Hinblick auf den enormen experimentellen Aufwand
ist eine Kombination mit Feldstudien anzustreben. Die Ergebnisse letzterer sind aber nur
nutzbar wenn ausreichende Informationen zur Herkunft der Proben vorliegen und die Ergebnisse mit einer sorgfältig validierten, geeigneten Analytik erfasst werden. Um Ressourcen
einzusparen, wäre eine Intensivierung von Plattformen zum Austausch von Daten und
Erkenntnissen anzustreben.
14
Literatur:
EFSA (2009a): Scientific opinion of the panel on contaminants in the food chain. Cadmium in
food. EFSA Journal 980, 1-139
EFSA (2009b):Scientific opinion on arsenic in food. EFSA Panel on contaminants in the food
chain. EFSA Journal 7(19), 1351 (199pp)
EFSA (2010): Scientific opinion on lead in food. EFSA Panel on contaminats in the food
chain. EFSA Journal 8 $), 1570 (147 pp)
Leeman, W.R., van den Berg, K.J., Houben, G.F. (2007): Transfer of chemicals from feed to
animal products: the use of transfer factors in risk assessment. Food Addit. Contam.
24, 1 -13
Van der Fels-Klerx, I., Römkens, P., Franz, E., van Raamsdonk, L. (2011): Modelling
cadmium in the feed chain and cattle organs. Biotechnol. Agron. Soc. Environ. 15, 53
– 59
Van Raamsdonk, L.W.D., van Eijkeren, J.C.H., Meijer, G.A.L., Rennen, M., Zeilmaker, M.J.,
Hoogenboom, L.A.P., Mengelers, M. (2009): Compliance of feed limits, does not
mean compliance of food limits. Biotechnol. Agron. Soc.Environ. 13 (S), 51 – 57
15
Unerwünschte Stoffe in der Wiederkäuerernährung: Die Rolle des Pansens für die
Tiergesundheit und das Carry over-Geschehen
S. Dänicke
Institut für Tierernährung, Friedrich-Loeffler-Institut, Braunschweig
1
Einleitung
Nach § 3 des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB) sind
unerwünschte Stoffe alle Stoffe - außer Tierseuchenerreger -, die in oder auf Futtermitteln
enthalten sind und
a) als Rückstände in von Nutztieren gewonnenen Lebensmitteln oder sonstigen Produkten eine Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen,
b) eine Gefahr für die tierische Gesundheit darstellen,
c) vom Tier ausgeschieden werden und als solche eine Gefahr für den Naturhaushalt
darstellen oder
d) die Leistung von Nutztieren oder als Rückstände in von Nutztieren gewonnenen
Lebensmitteln oder sonstigen Produkten die Qualität dieser Lebensmittel oder Produkte nachteilig beeinflussen
können.
Diese Begriffsbestimmung schließt alle unerwünschten Stoffe ein; unabhängig davon, ob sie
futtermittelrechtlich mit Höchstgehalten belegt sind oder nicht.
Bei einigen dieser unerwünschten Stoffe, für die teilweise futtermittelrechtlich Höchstwerte
festgelegt wurden, steht die Beeinträchtigung der Gesundheit im Vordergrund (z.B. Fluorid,
Nitrat), bei anderen Stoffen erfolgte eine Festlegung der Höchstwerte primär, um einer
Kontamination der vom Tier erzeugten Lebensmittel vorzubeugen (z.B. Polyhalogenierte
Kohlenwasserstoffe, Aflatoxin B1). Für andere unerwünschte Stoffe sind keine Höchstgehalte
festgelegt, sondern Orientierungswerte für kritische Futterkonzentrationen, die nicht
überschritten werden sollen (z.B. Mykotoxine wie Deoxynivalenol und Zearalenon). Für eine
Reihe weiterer unerwünschter Stoffe existieren bisher keine gesetzlich verankerten Werte
zum Schutz des Nutztiers oder des Verbrauchers (z.B. Alkaloide pilzlicher oder pflanzlicher
Herkunft).
Unabhängig von der Existenz regulativer Gehalte ist bei der Beurteilung spezifischer
unerwünschter Stoffe deren Metabolismus während der Passage durch den Verdauungstrakt
und/oder im Organismus zu beachten. So berücksichtigen beispielsweise die Höchstgehalte
von Aflatoxin B1 in Futtermitteln für Milchkühe, dass die Höchstgehalte des Metaboliten
Aflatoxin M1 in der Milch nicht überschritten werden.
16
Insbesondere im Hinblick auf Metabolisierungsprozesse während der Passage des
unerwünschten Stoffes durch den Verdauungstrakt sind tierartspezifische Unterschiede zu
berücksichtigen. Der Pansen des Wiederkäuers stellt einen kapazitiven prä-systemischen
Metabolisierungsraum dar, der in vergleichsweise weitaus geringerer Form im
Dickdarmbereich des Monogastriden zu finden ist. Dies bedeutet, dass ruminale Metaboliten
mit höherer Wahrscheinlichkeit das Pfortaderblut erreichen als in den distalen Teilen des
Verdauungstraktes entstehende Metaboliten. Dies resultiert aus der Tatsache, dass der
proximale Teil des Dünndarms den Hauptort der Resorption für viele unerwünschte Stoffe
darstellt, die dann über das Pfordaderblut zunächst in die Leber gelangen, dort in
unveränderter oder in metabolisierter Form entweder direkt im first pass über die Galle
wieder ausgeschieden oder in den systemischen Kreislauf entlassen werden. Das bedeutet
auch, dass beim Monogastriden die entsprechenden Stoffe überwiegend in nichtmetabolisierter Form in der Leber anfluten (Abb. 1). Insofern können sich die Konsequenzen
der oralen Aufnahme unerwünschter Stoffe für die Tiergesundheit und den Transfer in
Lebensmittel tierischen Ursprungs als wesentliche Elemente der Futtermittelsicherheit
zwischen Wiederkäuern und Monogastriden deutlich unterscheiden. Ob sich dabei der
ruminale Metabolismus günstig oder ungünstig auf die Futtermittelsicherheit auswirkt, hängt
u.a. davon ab, ob die potenzielle Schadwirkung des unerwünschten Stoffes verringert oder
erhöht wird.
17
Zum systemischen Kreislauf (V. cava caudalis)
V. hepatica
Toxin, Toxin-K
Monogastrier
„First pass“
V. portae
Toxin
Toxin-M, Toxin, Toxin-K
Einhöhliger Magen
Dünndarm
Dickdarm
M = Metabolit
K = Konjugat
Zum systemischen Kreislauf (V. cava caudalis)
V. hepatica
Toxin-M, Toxin-M-K
Toxin, Toxin-K
Wiederkäuer
„First pass“
V. portae
Toxin →Toxin-M
Vormägen
Toxin-M, Toxin-M-K, Toxin, Toxin-K
Dünndarm
Dickdarm
Abb. 1. Schematische Darstellung der Unterschiede zwischen Monogastriern und
Wiederkäuern im Hinblick auf die Metabolisierung von Toxinen bzw. unerwünschten Stoffen
Der Grad der ruminalen Umsetzungen von Toxinen bzw. unerwünschten Stoffen wird u.a.
bestimmt durch das Pansenmilieu (insbesondere Mikrobenpopulationen und pH-Wert) und
die für mikrobielle Metabolisierungsreaktionen zur Verfügung stehende Zeit (Kontaktzeit).
Letztere sinkt mit steigender Futteraufnahme und damit einhergehender erhöhter ruminaler
Chymus-Passagerate. Die Bedeutung dieser generellen pansenphysiologischen Rahmenbedingungen ist jedoch vom betrachteten unerwünschten Stoff abhängig.
Bei der Beurteilung der Rolle des Pansens ist weiterhin zu berücksichtigen, dass flüssige und
leicht aus der Futtermatrix lösliche Nahrungsbestandteile über die Magenrinne den Pansen
umgehen können, so dass eine mikrobielle Metabolisierung der in dieser Phase beförderten
unerwünschten Stoffe praktisch nicht stattfinden kann. Die Bedeutung dieses Passagewegs
sowie des Anteils des Pansens an den gesamten Nährstoff- und Toxinumsetzungen ist für
Wildwiederkäuer anders zu beurteilen als für das Rind als dem wichtigsten Vertreter der
Hauswiederkäuer. Entsprechend ihrer Verdauungsphysiologie werden drei Grundtypen von
Wiederkäuern unterschieden (Hofmann, 1995):



Konzentrat-Selektierer (z.B. Reh)
Intermediär-Typ (z.B. Damwild)
Raufutter-Fresser (z.B. Rind)
18
Danach sind Konzentrat-Selektierer gegenüber den Raufutter-Fressern u.a. durch vergleichsweise große Öffnungen zwischen den Magenabteilungen (Begünstigung der Umgehung des
Pansens), einen höheren Anteil von Ingesta, die ohne Pansenaufenthalt die distalen Abschnitte
des Verdauungstraktes erreicht sowie einen höheren Anteil des Dickdarms an der
Nährstofffermentation charakterisiert.
Tab. 1. Konsequenzen des ruminalen Metabolismus ausgewählter unerwünschter Stoffe für
deren biologische Aktivität und die Carry over-Rate (COR) (nach verschiedenen Quellen*)
Unerwünschter Stoff
Haupt-Pansenmetaboliten1 Biol.
COR (%) Bezug COR,
Aktivität
Bemerkungen
Deoxynivalenol (DON) De-epoxy-DON
0 – 0,1
Formononetin
Equol
0,01 – 0,05 ∑ Isoflavone
Biochanin A
p-Ethylphenol
Zearalenon (ZON)
α-zearalenol (ZOL), β-ZOL
Pyrrolizidinalkaloide
Methylierte Derivative
Ergovalin
Lysergsäure (LS)

0
Ergovalin (i.v.)
Ergotamin
Ergotaminin, LS (?)

0
∑ Alkaloide
PCDD/PCDF2
~
<1– 67
Cl ↑ → COR ↓
0 – 0,7
(
)
de-epoxy-DON
∑ Metaboliten
0,04 – 0,08 ∑ Alkaloide
- Verringerung; - Erhöhung;  - unbekannt;
- unverändert
Umsetzungen sind häufig unvollständig, so dass variable Anteile der Ausgangssubstanz und ggfls. weitere
Metaboliten nachgewiesen werden können
2
Polychlorierte Dibenzo-para-Dioxine/Polychlorierte Dibenzofurane
Beachte: Die Adaptation an die entsprechenden Substrate sowie das umgebende Pansenmilieu (welches stark
durch die Fütterung beeinflussbar ist) können zum Gesamteffekt beitragen.
*
Quellen: (EFSA, 2005, 2007, 2011, Flachowsky et al., 2011, Schumann et al., 2009, Seeling et al., 2005,
Seeling et al., 2006, Keese et al., 2009, Fries et al., 2002, McLachlan and Richter, 1998)
1
Dieser Sachverhalt beinhaltet, dass mit einem höheren Anteil von unerwünschten Stoffen zu
rechnen ist, der in nicht metabolisierter Form den Ort der Absorption, nämlich die proximalen
Abschnitte des Dünndarms, erreicht. Für unerwünschte Stoffe, die im Pansen detoxifiziert
werden, kann dies eine höhere Empfindlichkeit gegenüber Raufutter-Fressern bedeuten,
wohingegen bei Stoffen, deren Toxizität durch ruminale Umsetzungen unter Umständen
erhöht sein kann, das Gegenteil eintreten kann. Aus der Fülle von unerwünschten Stoffen
werden im Folgenden nur ausgewählte Vertreter von Substanzgruppen betrachtet (Tab. 1); aus
der Gruppe der Mykotoxine das Deoxynivalenol (DON), aus der Gruppe der Phytestrogene
das Formononetin und das Biochanin A, aus der Gruppe der Mycestrogene das Zearalenon
(ZON), aus der Gruppe der Alkaloide die Pyrrolizidinalkaloide, die pflanzlichen Ursprungs
sind, sowie einige Ergot-Alkaloide, die durch verschiedene Mikromyceten gebildet werden.
19
2
Deoxynivalenol (DON)
Ein markantes Beispiel für die Unterschiede zwischen Monogastrieren und Wiederkäuern ist
die Metabolisierung von DON zu seinem Metaboliten de-epoxy-DON. Während diese, als
Entgiftung einzustufende Metabolisierung in den Vormägen des Wiederkäuers abläuft, findet
diese beim Monogastrier überwiegend in den distalen Darmabschnitten statt. Da aber die
Absorption überwiegend in den proximalen Darmabschnitten erfolgt, ist im systemischen Blut
sowie in den Lebensmitteln tierischer Herkunft beim Wiederkäuer vorwiegend de-epoxyDON (>90 %) nachweisbar, während beim Schwein vorrangig das nicht entgiftete
Deoxynivalenol (>90 %) nachweisbar ist.
100
Duodenum
De-epoxy DON
80
Milch
60
40
Milch
DON
20
0
Duodenum
20
30
40
50
60
Aufnahme an DON (mg/d)
70
80
Abb. 2. Aufnahme an Deoxynivalenol (DON) und Metabolitenprofil von DON und de-epoxy
DON am Duodenum und in der Milch von Kühen
Duodenum: DON ( ), de-epoxy DON ( )
Milch: DON ( ), de-epoxy DON ( )
Einleitend wurde bereits erwähnt, dass die Futteraufnahme und damit die Passagerate der
Ingesta durch den Pansen auch die für die Metabolisierung zur Verfügung stehende Zeit
beeinflusst. Für DON konnte jedoch gezeigt werden, dass eine steigende Futteraufnahme
(höhere ruminale Passagerate verbunden mit einer geringeren ruminalen Verweildauer) bei
gleicher DON-Konzentration im Futter (3,4 mg/kg T) zu einer steigenden täglichen DONAufnahme, nicht jedoch zu einer Verringerung der ruminalen DON-Reduktion zu de-epoxyDON führte (Seeling und Dänicke, 2005, Seeling et al., 2006). Der Anteil von de-epoxy-DON
an der Summe aus DON plus de-epoxy-DON (=Metabolitenprofil) war nicht von der Höhe
der DON-Aufnahme abhängig und betrug am proximalen Duodenum nahezu 100 % und
variierte in der Milch zwischen etwa 60 und 80 % (Abb. 2).
20
Die bisherigen Überlegungen zur Rolle des Pansens für den Metabolismus und die Toxizität
setzten voraus, dass eine unmittelbare postingestive Absorption von nicht-metabolisiertem
Toxin durch die intakte Pansenschleimhaut nicht in nennenswertem Maße stattfindet.
Acidotisch oder anderweitig geschädigte Pansenschleimhaut ist durch eine verringerte
Integrität und eine korrespondierende erhöhte Durchlässigkeit für Mikroorgansimen und
Substanzen gekennzeichnet, für die sonst keine Passierbarkeit besteht. Unter diesen
Bedingungen ist auch ein erhöhter Übertritt von unerwünschten Stoffen über die
Pansenschleimhaut nicht auszuschließen. Untersuchungen zum Transferverhalten von DON
in die Milch haben gezeigt, dass höhere Konzentratanteile in der Ration zwar einen
Carry over Rate von DON als de-epoxy-DON
(% der DON-Aufnahme)
verringerten pH-Wert im Pansen induzierten, jedoch nicht zu gesundheitlichen
Beeinträchtigungen oder zu einer verringerten Futteraufnahme oder Milchleistung der Kühe
führte, und auch nicht zu einem forcierten Übergang von nicht metabolisiertem DON in die
Milch (Keese et al., 2008a, b, Keese et al., 2009). Unabhängig vom Konzentratanteil war in
der Milch nur de-epoxy-DON zu detektieren (Abb. 3). Die Carry over-Rate war dabei
schwach positiv mit der Milchleistung korreliert; ein Zusammenhang, der zuvor für Aflatoxin
B1 - auf insgesamt höherem Niveau und deutlich stärker ausgeprägt - gezeigt wurde
(Veldman et al., 1992).
0,12
0,10
0,08
0,06
0,04
0,02
0,00
12
16
20
24
28
32
36
40
Milchleistung (kg/d)
Abb. 3. Carry over-Rate von DON als de-epoxy-DON in die Milch von Kühen in
Abhängigkeit von der Milchleistung und dem Konzentratanteil an der Futtertrockensubstanz
(Keese et al., 2009)
 - 60 % Konzentrat
 - 30 % Konzentrat
21
3
Phyt- und Mycestrogene
Diese Substanzen weisen strukturelle Ähnlichkeiten zu körpereigenen Estrogenen auf und
können daher zu einer sogenannten endokrinen Disruption führen, deren Wesen in einer
Störung der physiologischen endokrinen Regulationsmechanismen besteht. Im Falle von
endokrinen Disruptoren mit Estrogen-ähnlicher Wirkung kommt es beispielsweise zur
Besetzung von Estrogenrezeptoren mit der Folge von agonistischen, aber auch antagonistischen Wirkungen, die beim weiblichen Tier letztlich zu Störungen des Reproduktionsgeschehens führen können.
3.1
Phytestrogene
Viele Vertreter der Phytestrogene sind der Gruppe der Isoflavone zuzuordnen, die in
verschiedenen Kleearten und im Soja vorkommen. Hier liegen sie überwiegend in gycosidisch
gebundener Form vor, wobei der Zuckerrest im Pansen leicht abgespalten wird, wodurch das
biologisch aktive Aglycon freigesetzt wird (Tab. 2, Abb. 4).
Biochanin A und Genistein sind Phytestrogene mit uterotropem Potenzial (Abb. 5). Es konnte
gezeigt werden, dass beide Verbindungen ca. 20-fach geringer aktiv sind, wenn sie
intraruminal appliziert wurden im Vergleich zu einer intramuskulären Injektion. Dies weist
auf eine effiziente ruminale deaktivierende Metabolisierung der Ausgangssubstanzen hin.
Formononetin, ein anderes Phytestrogen, wird hingegen in den Vormägen zu Daidzein, eine
Verbindung mit höherem estrogenen Potenzial als die Ausgangssubstanz, metabolisiert (Abb.
6).
Tab. 2. Mittlere Isoflavongehalte von Sojaschroten verschiedener Herkunft (mg/kg DM, n=6)
(Flachowsky et al., 2011)
Herkunft
Daidzin
Genistin
Daidzein
Genistein
Gesamt
Argentinien
596a
1066a
172a
82a
3075a
Brasilien
298b
607b
122b
81a
1570b
USA
326b
535b
53c
24b
1944b
Werte mit unterschiedlichen Hochbuchstaben sind innerhalb der Spalten signifikant verschieden (p<0.05)
22
Abb. 4. Schematische Darstellung eines Isoflavons in seiner pflanzlichen Speicherform
(Glucosid) sowie als Aglycon (z. B. durch ruminale Abspaltung des Zuckerrestes)
uterotrop
uterotrop
nicht uterotrop
Abb. 5. Metabolismus von Biochanin A beim Schaf (Price and Fenwick, 1985)
0.03%
0.05%
0.01%
0.1%
0.4%
Abb. 6. Metabolismus von Formononetin beim Schaf (Price and Fenwick, 1985). Die
Prozente geben die relative Bindungsaffinität am ovinen zytosolischen Uterusrezeptor an. Die
dicken Pfeile markieren die bedeutsameren Umsetzungen.
23
3.2
Mycestrogene
Unter den Produktionsbedingungen in Deutschland kommt dem Zearalenon (ZON) die größte
Bedeutung, insbesondere beim Schwein, zu, wobei Estrogen-ähnliche Wirkungen auch für
Mykotoxine beschrieben wurden, die von Schwärzepilzen (Alternaria spp.) gebildet werden.
Allerdings scheint deren biologische Aktivität im Vergleich zum ZON und seinen
Metaboliten deutlich geringer zu sein, wobei neben der Interaktion mit dem EstrogenRezeptor weitere Mechanismen der estrogenen Disruption, insbesondere für das Schwein,
diskutiert werden (Lehmann et al., 2006, Tiemann et al., 2009).
Beim Wiederkäuer findet im Pansen eine intensive Metabolisierung von ZON statt (Abb. 7),
wobei zu berücksichtigen ist, dass die hierbei gebildeten Metaboliten ein unterschiedliches
estrogenes Potenzial aufweisen.
Kallela and Vasenius (1982) untersuchten den in vitro ZON-Abbau durch Pansenmikroben in
Abhängigkeit von der ZON-Konzentration, vom Fütterungsstatus und vom Rationstyp. Der
zeitabhängige Rückgang in der ZON-Konzentration war bei niedrigeren ZONKonzentrationen sowie im Pansensaft, der kurz nach der Fütterung entnommen wurde, stärker
ausgeprägt. Die rationsbedingten Unterschiede (konzentratreich bzw. Heufütterung) waren
gering und ungerichtet. Nach diesen Untersuchungen hängt die Fähigkeit zum ZON-Abbau
von der ZON-Konzentration und vom Fütterungsstatus ab. Auch die in vitro Untersuchungen
von Miettinen and Oranen (1994) bestätigen, dass der ZON-Abbau um so schneller verläuft,
je geringer die ZON-Ausgangskonzentration ist. Zudem konnten Valenta und Vemmer (1996)
keinen gerichteten Einfluss des Rationstypes auf den in vitro ZON-Metabolismus feststellen.
Bei diesen Untersuchungen wurde ZON zu α-Zearalenol und ß-Zearalenol (2:1 bis 3:1)
metabolisiert, wobei die Umsetzungen innerhalb von 24 h nicht vollständig verliefen (50%
ZON nach 24 h Inkubation). Weiterhin wurde festgestellt, dass nach Inkubation von αZearalenol und ß-Zearalenol wieder ZON (2 bis 6 h Inkubation) und im weiteren Verlauf auch
das jeweilige andere Zearalenol gebildet wurde (24 bis 48 h). Die Autoren schlussfolgerten,
dass zwischen ZON und den genannten Metaboliten ein Redoxgleichgewicht besteht und
dass eine vollständige Umsetzung von ZON im Pansen fraglich erscheint.
Kiessling et al. (1984) untersuchten den Metabolismus von ZON durch Pansenflüssigkeit,
isolierte Pansenprotozoen oder Pansenbakterien. Dabei waren die Protozoen durch eine
größere Metabolisierungsfähigkeit gekennzeichnet. ZON wurde zum überwiegenden Anteil
zu α-Zearalenol und zu einem geringeren Anteil in ß-Zearalenol reduziert.
Als Metaboliten des ZON-Abbaus wiesen Mirocha et al. (1981) α-Zearalenol und ßZearalenol, unkonjugiert oder konjugiert mit Glucuronsäure oder Sulfat, im Harn nach. Dabei
wurden über 50 % der verabreichten ZON-Dosis als ß-Zearalenol ausgeschieden. Bei diesen
Untersuchungen ist zu berücksichtigen, dass hier sowohl der Metabolismus im Pansen als
auch der Intermediärstoffwechsel erfasst wurde. Auch in der Leber findet eine
24
Metabolisierung zu α-Zearalenol statt, wie aus Untersuchungen von Olsen und Kiessling
(1983, zit. bei Olsen, 1989) an Leberhomogenaten hervorgeht. Danach werden bei der Kuh 73
– 100 % des ZON in der Leber in α-Zearalenol überführt.
Im Zusammenhang mit dem Metabolismus von ZON ist das Verbot der Europäischen Union
(Council Directive 88/146) über die Verwendung hormonaler Substanzen als
Leistungsförderer zu diskutieren. Zeranol (α-Zearalanol), das aus ZON hergestellt und als
Wachstumsförderer verwendet wurde, fiel auch unter dieses Verbot. Als ein Problem bei der
Kontrolle des Verbotes stellte sich heraus, dass Zeranol bei Rindern und Schafen auf
natürlichem Weg aus Zearalenon gebildet werden kann (Erasmuson et al., 1994, Kennedy et
al., 1998). Kennedy et al. (1998) berichteten, dass in 6,6 % der untersuchten Proben Zeranol
detektiert wurde. Es wurde jedoch auch festgestellt, dass die α- und ß-ZearalenolKonzentrationen der Zeranol-positiven Galleproben 12 bzw. 9 mal höher waren als in den
Zeranol-negativen Proben. Das Verhältnis zwischen α-Zearalenol und Zeranol war
mindestens 5:1. Die Autoren schlugen vor, dieses Verhältnis zur Kontrolle des ZeranolVerbotes zu nutzen.
HO
O
CH3
O
HO
O
CH3
HO
HO
12
11
O
O
7
CH3
O
O
HO
HO
Zearalenon
12
11
12
11
7
α-Zearalenol
OH
7
β-Zearalenol
OH
?
HO
O
HO
CH3
O
HO
12
11
HO
?
O
?
O
α-Zearalanol (Zeranol)
HO
12
11
Zearalanon
CH3
O
CH3
7
OH
O
HO
12
11
7
OH
7
O
β-Zearalanol
Abb. 7. Metaboliten von Zearalenon (Erasmuson et al., 1994, Kleinova et al., 2002, Zöllner et
al., 2002)
25
100
ZON bzw. -ZOL ·100
ZON+-ZOL+-ZOL
80
60
40
20
0
200
400
600
800
1000
Zearalenon-Aufnahme (µg/d)
1200
Abb. 8. Metabolisierungsprofil von Zearalenon am proximalen Duodenum von Kühen in
Abhängigkeit von der Zearalenon-Aufnahme (Seeling et al., 2005)
 - Zearalenon (ZON)
 - β-Zearalenol (β-ZOL)
Steigende Futteraufnahme (= höhere ruminale Passagerate) führte bei gleicher Zearalenon
(ZON)-Konzentration im Futter (0.06 mg/kg T) zu einer Verringerung der ruminalen ZONReduktion zu β-ZOL (Abb.8) (Seeling et al., 2005).
Anders als beim Deoxynivalenol scheint es hier so zu sein, dass mit höherer ruminaler
Passagerate und damit einhergehender verringerter mikrobieller Kontaktzeit ein sinkender
Anteil an ZON zu β-ZOL umgesetzt wird. Obwohl das estrogene Potential hierbei kaum
verändert wird, so macht die verringerte ZON-Metabolisierung deutlich, dass der Höhe der
Futteraufnahme und damit der Passagerate bzw. der Verweildauer der Ingesta im Pansen eine
Bedeutung bei der Metabolisierung von unerwünschten Stoffen zukommen kann.
4
Alkaloide
Alkaloide sind Substanzen, die Stickstoff im Molekül enthalten, wobei dieser in der Regel in
einen heterozyklischen Ring eingebaut ist. Weil ihr pH-Wert im alkalischen Bereich liegt,
werden sie als Alkaloid-ähnliche Substanzen, oder einfach als Alkaloide bezeichnet. Darüber
hinaus teilen sie ihren bitteren Geschmack und pharmakologische Aktivität als gemeinsame
Merkmale.
Alkaloide können durch Pflanzen (z.B. Pyrrolizidin-Alkaloide, PA, durch das
Jakobskreuzkraut, Senecio jacobea) oder durch andere Organismen, wie Mikromyceten (z.B.
Ergot-Alkaloide durch den Mutterkornpilz, Claviceps purpurea) oder durch Epichloe
(anamorph Neotyphodium, früher als Acremonium bezeichnet) coenophialum oder N. lolii, die
im Gegensatz zum Mutterkornpilz endophytisch wachsen, gebildet werden.
26
4.1
Pyrrolizidin-Alkaloide (PA)
PA enthalten einen Pyrrolizidin-Kern und machen eine große Gruppe von heterozyklischen
Alkaloiden mit ungefähr 350 verschiedenen Substanzen aus, die sich hauptsächlich aus den 4
Necin-Basen Platynecin, Retronecin, Heliotridin und Otonecin ableiten lassen. Sie werden
von mehr als 6000 verschiedenen Pflanzenarten gebildet, die im Wesentlichen den Familien
Boraginaceae, Compositae (Asteraceae) und Leguminosae (Fabaceae) angehören. PA sind
hepatotoxisch, wenn sie eine 1,2-Doppelbindung sowie eine veresterte Seitenkette tragen; was
eine strukturelle Voraussetzung für deren hepatische Aktivierung ist (EFSA, 2007).
In den vergangenen Jahren erlangte das Jakobskreuzkraut erneut eine Bedeutung als Quelle
eines auf der Weide gebildeten pflanzlichen Alkaloids mit starker toxischer Potenz, da
Weidewirtschaft mit ökologischer Bewirtschaftung zu einer Erhöhung der Biodiversität,
verbunden mit einer stärkeren Ausbreitung dieser Pflanze, führte. So wurde über Fälle einer
Jakobskreuzkrautvergiftung, die auch als Seneciose bezeichnet wird, berichtet (Walsh und
Dingwell, 2007). Die PA in S. jacobaea sind makrocyklische Diester der Necin-Base
Retronecin, wobei Jacobin und Seneciphyllin die 2 häufigsten PA darstellen (Abb. 9)
(Hovermale und Craig, 2002). Der Gesamtalkaloidgehalt variiert dabei zwischen 200-3200
mg/kg Trockensubstanz (Macel et al., 2004).
27
Abb. 9. Senecio jacobaea (tansy ragwort) Pyrrolizidin-Alkaloide (Hovermale und Craig,
2002)
Rinder gelten als besonders sensibel gegenüber S. jacobaea PA. Sie entwickeln eine
hepatische Fibrose nach einer Aufnahme von Jakobskreuzkraut, die etwa 5 % ihres
Körpergewichts beträgt, während weitaus größere Mengen bei Schafen und Ziegen
erforderlich sind, um ähnliche toxische Effekte hervorzurufen. Basierend auf vergleichenden
in vitro-Studien mit Lebermikrosomen konnte gezeigt werden, dass die in vitro-PyrrolBildung gut mit der tierartspezifischen Sensitivität gegenüber S. jacobaea PA korreliert
(Shull et al., 1976). Obwohl auch diese PA teilweise durch Pansenmikroorganismen
metabolisiert werden, so scheint doch das Ausmaß dieser Metabolisierung ungenügend zu
sein, um Rinder vor einer Vergiftung zu schützen.
Heliotrin, ein nicht-makrozyklisches PA, gebildet u.a. von der Europäischen Sonnenwende
(Heliotropium europaeum), wird durch ovinen Pansensaft zu einem Methyl-Derivat
umgesetzt (Lanigan, 1970, 1971, Cheeke, 1988). Diese Metabolisierung kann als Entgiftung
angesehen werden, da die strukturellen Voraussetzungen für eine hepatische Aktivierung
nicht mehr gegeben sind (Abb. 10).
28
Abb. 10. Metabolismus des Pyrrolizidin-Alkaloids Heliotrin im Pansen des Schafes (Cheeke,
1988)
4.2
Ergot-Alkaloide
Diese Alkaloide stammen aus Pilzen, die verschiedene Pflanzen infizieren, und der Familie
Clavicipitaceae angehören. Während Alkaloide von C. purpurea (Mutterkornpilz) in dem als
Sklerotium bezeichneten verhärteten Myzel des Pilzes hauptsächlich auf Roggen, Triticale
und Weizen vorkommen, auf denen sich die Sklerotien anstelle von Körnern auf der Ähre
entwickeln, sind die Alkaloide von N. coenophialum aufgrund des endophytischen
Lebenszyklus innerhalb von pflanzlichem Material zu finden (Porter und Thompson, 1992).
Während N. lolii haupsächlich auf ausdauerndem Weidelgras (Lolium perenne), aber auch auf
dem Taumellolch (L. temulentum) vorkommt, ist N. coenophialum als Symbiont des
Rohrschwingels (Festuca arundinacea) bekannt. Bei der Beurteilung der Effekte dieser
Alkaloide muss berücksichtigt werden, dass eine endophytische Infektion nicht nur eine
Ergot-Alkaloid-Bildung zur Folge haben kann, sondern auch mit der Synthese einer Reihe
weiterer Alkaloide verbunden sein kann, was die Einschätzung des toxischen Potenzials
erschwert.
4.2.1 Endophytisch assoziierte Ergot-Alkaloide
Als toxische Inhaltsstoffe von L. temulentum wurden unter anderem 2 Alkaloidklassen
nachgewiesen. Dabei handelt es sich einerseits um Diazaphenanthren-Alkaloide (z.B. Loline)
und andererseits um die von endophytischen Pilzen gebildeten Ergopeptide (Abb. 11).
Letztere sind zum Teil mit den durch die Gattung Claviceps spp. gebildeten Ergot-Alkaloiden
29
identisch (siehe dort). In verschiedenen Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass LoliumArten diese Alkaloide nur enthalten, wenn gleichzeitig eine endophytische Infektion vorliegt
(Dannhardt und Steindl, 1985, Tor-Agbidye et al., 1994, Miles et al., 1998). Es konnte auch
gezeigt werden, dass Neotyphodium uncinatum auch in Abwesenheit von pflanzlichem
Material Loline bildet, was die frühere Vermutung, dass die Pflanze als Reaktion auf die
endophytische Infektion Loline bildet, zumindest in Frage stellt. Die endophytisch bedingte
Toxinbildung erhöht die Resistenz der infizierten Gräser gegenüber herbivoren Insekten, kann
sich aber andererseits nachteilig auf die weidenden Rinder oder Schafe auswirken (Cheeke,
1995). Als häufig auftretende Toxine von N. coenophialum und N. lolii sind Ergovalin und
Lolitrem B bei infizierten Lolium- und Festuca-Arten beschrieben worden (Foot et al., 1994,
Tor-Agbidye et al., 1994). Die bei den Tieren beobachteten Intoxikationserscheinungen
gleichen denen, wie sie nach einer Mutterkorn (Claviceps purpurea)-Vergiftung beobachtet
werden (Bryden, 1994). In diesem Zusammenhang stellte Bourke (1994a) im Ergebnis einer
Literaturübersicht fest, dass sich konvulsiver Ergotismus bei Wiederkäuern nicht mit von
Claviceps purpurea synthetisierten Ergot-Alkaloiden auslösen lässt. Vielmehr werden die
krampfartigen Erscheinungen nach Aufnahme von kontaminierten Gräsern auf die
Anwesenheit von Tunicamycinen (Streptovirudine, Corynetoxine) zurückgeführt. Dabei
handelt es sich um Nucleosid-Antibiotika aus Streptomyces-Arten, die u.a. auch von
Bakterien wie Clavibacter spp. gebildet werden. Letztere wiederum parasitieren in
bestimmten Nematoden-Arten, welche insbesondere Lolium-Arten befallen (Bryden et al.,
1994, Edgar et al., 1994, Bourke, 1994b). Corynetoxine bewirken mikrovaskuläre
Schädigungen im Gehirn, die mit einer erhöhten Gefäßpermeabilität einhergehen, was in der
Konsequenz zu Gefäßverstopfungen und inadäquater Perfusion führt. Die resultierende
Ischämie verursacht durch Hypoxie neuronale Schädigungen und fokale parenchymatöse
Nekrosen (Finnie, 1994). Klinisch äußern sich diese pathologischen Veränderungen in
zentraler Depression und Muskellähmungen (CliniTox, 2004).
Größere wirtschaftliche Bedeutung hat die Endophyten-Problematik in Neuseeland und in
den USA erlangt (Bacon, 1995, Joost, 1995, Porter, 1995, Paterson et al., 1995), wobei sich
die Symbiosen zwischen L. perenne und N. lolii sowie zwischen F. arundinacea und N.
coenophialum im Hinblick auf das Vorkommen von Ergopeptiden und Lolitrem B sowie
damit assoziierten Erkrankungen weidender Schafe und Rinder als besonders bedeutsam
herausgestellt haben. Auch für gravide Pferde erwies sich mit endophytischen Pilzen
infizierter Schwingel als hoch toxisch (Cross et al., 1995).
Untersuchungen zur Bedeutung der Infektion von Gräsern mit pilzlichen Endophyten liegen
für Deutschland kaum vor. Oldenburg (1997) untersuchte verschiedene Populationen von L.
perenne, die auf 4 verschiedenen weitläufigen Standorten Deutschlands gewonnen wurden. In
33 von 38 untersuchten Populationen wurde Neotyphodium nachgewiesen, wobei die
Infektionsrate zwischen 1 und 30 % schwankte. Die höchsten Lolitrem B-Konzentrationen in
den infizierten Pflanzen wurden während der Monate Juli und August beobachtet und
30
variierten zwischen 0,8 und 1,5 mg/kg Trockensubstanz. Es wurde geschlussfolgert, dass
diese Konzentration nicht ausreicht, um die in Neuseeland beobachteten neurologischen
Erkrankungen weidender Tiere auszulösen.
Abb. 11. Typische Alkaloide, die in endophytisch befallenem Rohrschwingel nachgewiesen
werden können (Yates et al., 1990)
Einige Ergot-Alkaloide (Dihydroergotamin, Ergonovin und Ergotamine) sind in der Lage,
Populationen von Escherichia coli O157:H7 in gemischten Pansensaft-Kulturen zu
beeinflussen (Looper et al., 2008). In dieser Fähigkeit kann ein prinzipielles Potenzial von
Ergot-Alkaloiden für die Beeinflussung von ruminalen Prozessen, wie den
Nährstoffumsetzungen, aber auch dem Alkaloidmetabolismus selbst, gesehen werden.
Ergovalin unterlag einem deutlichen Rückgang, wenn es in vitro mit Pansensaft inkubiert
wurde (Moyer et al., 1993). Wenn jedoch endophytisch-infiziertes Gras inkubiert wurde,
blieb der Rückgang im Ergovalingehalt aus. Gleichzeitig kam es zu einem deutlichen Anstieg
an Lysergsäure, das gleichfalls in infizierten Pflanzen vorkommt und aus dem sich Ergovalin
und andere Alkaloide ableiten (Ayers et al., 2009). Mittels der Ussing-Kammer in vitroTechnik konnte gezeigt werden, dass nur Lysergsäure die Pansenmukosa zu passieren in der
Lage ist, während dies für Ergovalin nicht der Fall ist. Die Untersuchung des Urins von
Bullen, die endophytisch-infiziertes Gras gefressen hatten, ergab ausschließlich Lysergsäure,
was die Ergebnisse der in vitro-Untersuchungen bestätigte und die Autoren zu der
Schlussfolgerung führte, dass Lysergsäure eine Rolle bei der sogenannten Fescue-Toxikose
zukommt. Zusätzlich konnte gezeigt werden, dass Lysergsäure durch Seitenkettenabspaltung
aus Ergovalin durch Pansenmikroorganismen entsteht (Ayers et al., 2009, De Lorme et al.,
2007).
31
4.2.2 Mutterkornpilz-assoziierte Ergot-Alkaloide
Ergot-Alkaloide von C. purpurea werden üblicherweise entsprechend ihrer Struktur in 3
Gruppen eingeteilt, die Alkaloide vom Clavin-Typ, einfache Amide der Lysergsäure und
Alkaloide vom Peptin-Typ (Abb. 12). Letztere enthalten die Ergotamine (ergotamin, ergosin,
ergosecalin und weitere), Ergotoxine (ergocryptin, ergocornin, ergocristin und weitere) sowie
Ergoxine (z.B. Ergostin). Bei der Diskussion von Metabolisierungsreaktionen ist weiterhin zu
berücksichtigen, dass diese Substanzen extrem leicht an der C-8-Position epimerisieren. Diese
Epimerisierung ist abhängig vom pH-Wert und kann daher bei der Probenaufarbeitung für die
Analytik aber auch während der Passage durch den Pansen und den restlichen
Verdauungstrakt eine Rolle spielen. Die Bezeichnungen der C-8-Epimere werden durch den
Suffix –inin (z.B. Ergotamin und Ergotaminin) kenntlich gemacht (Porter, 1995).
Abb. 12. Ausgewählte Endprodukte der Ergot-Alkaloidsynthese durch Clavicipitaceae
(Panaccione, 2005)
Nur wenige Studien widmeten sich dem Pansenmetabolismus von Alkaloiden, die von C.
purpurea gebildet werden. Ungefähr 70% der gesamten aufgenommenen Alkaloide wurden
am proximalen Duodenum von Kühen wiedergefunden (Abb. 13) (Schumann et al., 2009),
was auf einen ruminalen Abbau der fehlenden 30 %, oder auf eine Absorption von
Lysergsäure, die aus verschiedenen Alkaloiden freigesetzt wird (siehe Diskussion zu den
endophytisch abgeleiteten Alkaloiden), hinweisen könnte. Darüber hinaus wurden im Kot der
Kühe lediglich 35% der Alkaloide, die am Duodenum anfluteten, wiedergefunden, was darauf
hinweist, dass die Alkaloide weiter metabolisiert und/oder absorbiert wurden. Betrachtet man
einzelne Alkaloide, dann wird deutlich, dass pH-Wert-Änderungen im Verdauungstrakt für
32
die unterschiedlichen Relationen von Ergotamin und Ergotaminin zueinander auf der Ebene
des duodenalen Chymus (pH ~ 2 - 4) bzw. des Kotes (pH ~ 7) verantwortlich sind (Abb. 14).
Die physiologische Bedeutung dieser Prozesse für das Tier können aus diesen
Untersuchungen jedoch nicht abgeleitet werden.
8500
5
7500
6500
2
93
6
5500
4
1
12
4500
8
3500
10
7
1
2500
4000
6000
y = 74 + 0.35x, r²=0.44
Faecal alkaloid excretion [µg/d]
Alkaloid flow at the duodenum [µg/d]
y = -213 + 0.70x, r²=0.69
3600
3
2800
2400
9
8
2000
1
1600
1200
5
6
4
10
12
1
800
8000 10000
7
2500
Alkaloid intake [µg/d]
2
3200
4500
6500
8500
Alkaloid flow at the duodenum [µg/d]
y = 277 + 0.35x, r²=0.33
y = 168 + 0.22x, r²=0.39
2600
12
2200
1800
5
9
1400
8
1
1000
600
7
7
1
1600
11
10
4
3
2
3
6
4
12
2
9
8 6
5
10
2800
4000
Ergotamine and ergotaminine intake
[µg/d]
y = 9 + 0.14x, r²=0.26
y = 144 + 0.17x, r²=0.50
Faecal ergotamine or ergotaminine
excretion [µg/d]
Ergotamine or ergotaminine flow at
the duodenum [µg/d]
Abb. 13. Alkaloid-Fluss am Duodenum in Abhängigkeit von der Alkaloidaufnahme (links)
sowie faecale Alkaloid-Excretion in Abhängigkeit vom Alkaloid-Fluss am Duodenum
(rechts) (Die Zahlen über den Symbolen kennzeichnen die individuellen Kühe) (Schumann et
al., 2009)
1000
2
3
800
8
600
10
400
200
0
7 10
1
7
1
1200
1
5
6
1 8
6
3
2
4
9
5
4
9
2000
12
12
2800
3600
Ergotamine and ergotaminine flow
at the duodenum [µg/d]
Abb. 14. Ergotamin- (ausgefüllte Dreiecke) und Ergotaminin- (unausgefüllte Dreiecke) Fluss
am Duodenum in Abhängigkeit von deren Aufnahme (links) sowie faecale Ergotamin- und
Ergotaminin-Excretion in Abhängigkeit von deren Fluss am Duodenum (rechts) (Die Zahlen
über den Symbolen kennzeichnen die individuellen Kühe) (Schumann et al., 2009)
33
5
Polychlorierte Dibenzo-para-Dioxine (PCDD) und polychlorierte Dibenzofurane
(PCDF)
PCDD/PCDF, häufig einfach als Dioxine bezeichnet, sind lipohile Substanzen, die sehr
widerstandsfähig gegenüber chemischen und biologischen Abbauprozessen sind und daher in
der Umwelt persistieren, sich in der Nahrungskette anreichern und daher letztlich im
Fettgewebe von Mensch und Tier akkumulieren (Larsen, 2006).
Inwiefern diese generelle Widerstandsfähigkeit dieser Kontaminanten auch auf die anaeroben
mikrobiellen Bedingungen im Pansen zutrifft, wurde bisher in nur wenigen Studien
untersucht. Die Frage nach einem möglichen Metabolismus im Organismus der Kuh
resultierte aus der Beobachtung, dass die Wiederfindungsraten einiger PCDD/PCDFKongenere aus Bilanzstudien mit Pentachlorphenol(PCP)-behandeltem Holz (Fries et al.,
2002), das neben PCP auch Dioxine als Verunreinigung enthielt, 100 % deutlich überstiegen,
während für andere eine unvollständige Wiederfindung vorlag (Abb. 15). So betrug die
gesamte Wiederfindung von 1,2,3,4,6,7,8,9-OCDD in Kot, Milch und Körperfett mehr als 180
% der aufgenommenen Menge dieses Kongeners, wobei dies nahezu vollständig aus der
Wiederfindung mit den Faeces resultierte. Nicht nur aus dieser Studie lässt sich ableiten, dass
die Wiederfindung im Körperfett sowie mit der Milch (entspricht der Carry over-Rate) mit
steigendem Chlorierungsgrad sowohl der PCDD als auch der PCDF abnimmt. Die
Ausscheidungsverhältnisse mit dem Kot sind weniger systematisch mit dem Chlorierungsgrad
assoziiert. Die veränderten Wiederfindungsraten insbesondere des 1,2,3,4,6,7,8,9-OCDD
waren Anlass, das an die Kühe verfütterte Holz in vitro mit Pansensaft zu inkubieren, um
Anhaltspunkte für eine mögliche Rolle des Pansens zu erhalten. Im Ergebnis dieser
Experimente wurde jedoch festgestellt, dass gerade dieses Kongener durch die Inkubation
nicht beeinflusst wurde, da die Wiederfindung nahezu 100 % betrug (Abb. 16). Inwiefern die
niedrigeren Wiederfindungsraten einzelner anderer Kongenere tatsächlich auf einen
Metabolismus im Pansen zurückzuführen sind, ließ sich aus der Studie nicht abschließend
beurteilen.
Bei den höher chlorierten Kongeneren ist zudem zu berücksichtigen, dass deren
Widerstandsfähigkeit gegenüber Metabolisierungsreaktionen des Organismus stärker
ausgeprägt ist als bei den niedriger chlorierten Kongeneren (Larsen et al., 1996, Larsen,
2006). Eine wichtige Voraussetzung für einen Metabolismus sind 2 benachbarte
unsubstituierte C-Atome in lateraler Position des Kongeners (Larsen, 2006). Bei Ratten
konnte gezeigt werden, dass Dioxin-ähnliche Verbindungen durch induziertes Cytochrom
P4501A2 sequestriert werden können (DeVito et al., 1998). Kongener-abhängige
Anreicherungsprozesse in der Leber wurden auch in einer Studie an Kühen festgestellt. Nach
Verfütterung eines Dioxin-kontaminierten Mineralfuttermittels, das auch dioxin-ähnliche
polychlorierte Biphenyle (dlPCB) enthielt, variierten die Quotienten der Konzentrationen der
dlPCB-Kongenere 126 und 169 zwischen Leber- und Körperfett zwischen 2.7 und 7.2 bzw.
34
0.5 und 1.5 (Huwe und Smith, 2005) bei Futterkonzentrationen von 0.8 bzw. 0.5 pg/g. Die
mitgeteilten entsprechenden Quotienten für die verschiedenen PCDD und PCDF-Kongenere
waren deutlich höher und erreichten Werte bis etwa 91 (Huwe und Smith, 2005). Offenbar
besteht hier ein Zusammenhang zum Chlorierungsgrad, wie aus einem 120-tägigen Versuch
mit Bullenkälbern mit einem Anfangsgewicht zwischen 220 und 262 kg hervorgeht (Feil et
al., 2000). So stieg der Leberfett-Körperfettquotient von 2 (TCDD, TCDF) auf 10 für die
Penta-, auf 20 für die Hexa-, auf 50-100 für die Hepta- und auf >300 für die Octa-Kongenere.
Für die Beurteilung der Gewebs- und Kongener-spezifischen Anreicherungsprozesse ist
darüber hinaus zu berücksichtigen, ob steady state-Bedingungen erreicht werden oder nicht.
Wiederfindung (%)
Während bei einer Langzeitexposition mit Dioxinen über 120 Tage (Feil et al., 2000) steady
state-Bedingungen für Rückenfett, perirenales Fett und Rückenmuskel für Tetra- und HexaPCDD/PCDF erreicht wurden, war dieses für die höher chlorierten Dioxin-Kongenere im
Serum, in der Rückenmuskulatur und im Leberfett nicht der Fall, wie aus den höheren und
noch ansteigenden Konzentrationen abgeleitet wurde.
200
180
160
140
120
100
80
60
40
20
0
Körperfett
Milch
Faeces
Gesamt
Abb 15. Wiederfindung von PCDD und PCDF bei 2 Kühen, denen Pentachlorophenolbehandeltes Holz über 28 Tage verabreicht wurde (Fries et al., 2002)
35
Wiederfindung (%)
120.0
100.0
80.0
60.0
40.0
20.0
0.0
Abb 16. Wiederfindung verschiedener Dioxin-Kongenere nach 48-stündiger Inkubation von
Pansensaft mit Pentachlorphenol-behandeltem Holz (Fries et al., 2002)
Inwiefern die hohe selektive hepatische Anreicherung der 1,2,3,4,6,7,8,9-OCDD zusammen
mit ihrem differenten kinetischen Verhalten im Organismus die 100 % übersteigende
Wiederfindung im Kot erklären können, ist fraglich. Eine in vivo-Synthese von OCDD aus
Nonachlor-2-Phenoxyphenol, einem sogenannten Pre-Dioxin konnte für Ratten demonstriert
werden (Huwe et al., 2000). Ob dies eine Erklärung für die Befunde an der Milchkuh
darstellt, bedarf einer experimentellen Überprüfung.
Insgesamt ist festzustellen, dass Dioxine offensichtlich kaum durch gastrointestinale
Mikroorganismen metabolisiert werden, so dass deren Transfer in Lebensmittel wesentlich
durch ihre chemischen Eigenschaften sowie mögliche extragastrointestinale Metabolisierungsreaktionen bestimmt wird.
6
Schlussfolgerungen
Eine Reihe unerwünschter Substanzen werden in den Vormägen des Wiederkäuers inaktiviert,
während andere einen Aktivitätsanstieg erfahren oder diesen Bereich unverändert passieren.
Da diese Prozesse vor der Absorption stattfinden, können Pansenumsetzungen das
Metabolitenprofil in der Milch beeinflussen. Daher kann der Pansen nicht generell als präsystemischer Detoxifikationsraum angesehen werden, sondern als Metabolisierungsraum, der
den Einfluss spezifischer unerwünschter Stoffe auf die Tiergesundheit und das
Transferverhalten maßgeblich bestimmen kann.
7
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40
Risikobewertung in der Futtermittelkette
M. Lahrssen-Wiederholt
Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Berlin
Die Futtermittelkette ist Teil der gesamten Nahrungskette. Während die Nahrungskette von
der Futtermittelherstellung bis zum verzehrsfähigen Lebensmittel reicht, endet die Futtermittelkette spätestens bei der Schlachtung des landwirtschaftlichen Nutztieres.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat sich in seinem „Leitfaden für
gesundheitliche Bewertungen“ eine Vorgabe für seine wissenschaftlichen Stellungnahmen
gegeben. Die Stellungnahmen sollen als Entscheidungshilfen dienen. Ein besonderes
Augenmerk liegt hierbei auf Transparenz und Nachvollziehbarkeit der getroffenen Aussagen.
Es sollen Empfehlungen im Interesse der Sicherheit in der gesamten Nahrungskette
(Tiergesundheit, Sicherheit des Verbrauchers) sowie Handlungsoptionen aufgezeigt werden.
Die Risikobewertung ist die Abschätzung eines Risikos mittels wissenschaftlicher Methoden
und beginnt mit der Darstellung der möglichen Gefahrenquelle. Hierzu wird das Agens bzw.
der unerwünschte Stoff im Futtermittel identifiziert und charakterisiert sowie dessen
qualitative und quantitative Verbreitung (Umwelt/Tierbestand) beschrieben. Die Grundlage
einer Risikobewertung in der Futtermittelkette ist das Wissen, mit welchen „unerwünschten
Stoffen“ in dem jeweiligen Einzelfuttermittel zu rechnen ist (z.B. Cadmium, Dioxine, PCBs,
perfluorierte Tenside, Mykotoxine, Unkrautsamen, Rückstände pharmakologischer Substanzen, Rückstände von Kokzidiostatika aus Verschleppungen). Ein wertvolles Instrument aus
dem Blickwinkel der Sicherheitsbewertung stellt dabei die Positivliste für Einzelfuttermittel
dar. Im Vergleich zum sog. Gemeinschaftskatalog der Einzelfuttermittel nach EGVerordnung Nr. 767/2009 liefert die Positivliste ausführliche, für die Sicherheit relevante und
unverzichtbare Informationen zu Einzelfuttermitteln. Neben Informationen zu Herkunft,
Eigenschaft und kritischen Inhaltsstoffen der Einzelfuttermittel, sind auch Hinweise zu
technologischen Spezifitäten bei Herstellungsprozessen sowie die Verwendung von
Verarbeitungshilfsstoffen oder Beistoffen Basis für eine erste Sicherheitseinschätzung. Im
Wissen der sich im ständigen Fluss von Neuerungen bewegenden Herstellungsprozesse insbesondere von Futtermitteln, die als Nebenerzeugnisse bei der Herstellung und
Verarbeitung von Lebensmittel bzw. als Nebenprodukte aus Energiegewinnungsprozessen
anfallen und somit in die Futtermittelkette gelangen - machen den Bedarf einer „Offenlegung“
sicherheitsrelevanter Informationen aus dem Datenblatt offensichtlich.
41
Es folgt die Ermittlung des Gefährdungspotentials mittels qualitativer bzw. quantitativer
Beurteilung der gesundheitsschädlichen Wirkung unter Berücksichtigung der toxikologischen
Kenngrößen (NOAEL, ALARA,…) sowie unter Heranziehen von Bewertungen anderer
wissenschaftlicher Gremien (z.B. EFSA, FAO/WHO). Grundsätzlich müssen auch spezielle
Empfindlichkeiten einzelner Tierarten gegenüber bestimmten Inhaltsstoffen bekannt sein.
Die Abschätzung der Exposition beinhaltet Informationen zum Vorkommen im Futtermittel
sowie die Futteraufnahme durch die Tiere. Die Vorgaben der Rationsgestaltung insbesondere
bei der Fütterung landwirtschaftlicher Nutztiere erleichtert die Expositionsabschätzung für die
unterschiedlichen Tierarten und deren Nutzungsrichtungen.
Die Expositionshäufigkeit (Hintergrundbelastung, Belastungsdauer) wird dabei ebenso
berücksichtigt wie mögliche weitere zusätzliche Eintragsquellen (Emissionen, Kontaktmaterialien, Futterzusatzstoffe, Tierarzneimittel). Für die Abschätzung der Exposition stehen
Daten zum Vorkommen eines unerwünschten Stoffes in Futtermitteln meist aus
Literaturanalysen und einschlägigen Werken zur Futtermittelkunde zur Verfügung. Darüber
hinaus sind häufig Analysenergebnisse zum Vorkommen von unerwünschten Stoffen in
Futtermitteln von Forschungsinstitutionen und Untersuchungslaboratorien des Bundes und der
Ländern sowie Projektberichte aus Jahresberichten der Bundesländer verfügbar. Wesentliche
Fragestellungen bei der Auswertung des Datenmaterials betreffen die mögliche Verwertbarkeit der Daten sowie die Anforderungen, die von Seiten der Risikobewertung an diese
gestellt werden. Die Beurteilung der Datenqualität, welche in den Stellungnahmen genau
beschrieben wird, umfasst dabei die Herkunft und Beschreibung der Proben (z.B.
national/international, ökologisch/konventionell, Einzel-/Mischfuttermittel), die Angabe
statistischer Kennzahlen (Probenzahl, Mittelwert, Median, Minimum, Maximum, Perzentile)
sowie der Nachweis-/Bestimmungsgrenzen.
Dennoch können Risikobewertungen in der Futtermittelkette mit gewissen Unsicherheiten
behaftet sein, da sie häufig kurzfristig erstellt werden müssen und daher auf die Verwendung
von potentiell vorhandenen Daten eingeschränkt sind. Oft ist das zur Verfügung stehende
Datenmaterial kaum nutzbar, da es an Angaben zur genauen Herkunft der Daten (RoutineÜberwachung, anlassbezogene Untersuchung, Monitoring) fehlt. Um diesen häufig
auftretenden Schwierigkeiten entgegen zu wirken, hat das BfR die Problematik am Beispiel
Dioxine und PCB in Lebensmittel und Futtermitteln thematisiert. Als Fazit wurden daraus die
Anforderungen an die „Geburtsurkunde der Probe“ abgeleitet: „Nach Diskussion mit
Sachverständigen wurden die notwendigen Parameter identifiziert, die für die
Charakterisierung, Interpretation und Bewertung von Dioxinen und PCB in der Lebensmittelkette (Lebensmittel, Futtermittel), z. B. bei Überwachungs- und Monitoringprogrammen
oder bei speziellen Untersuchungsprogrammen (wie z. B. Statuserhebungen) unerlässlich
sind. Diese Parameter sollten bei der Probenahme erhoben und bei der Aufnahme von Daten
in die Dioxin-Datenbank des Bundes und der Länder berücksichtigt werden.“ Die
42
Anforderungen an die Geburtsurkunde der Probe wurden den zuständigen Bundesministerien
sowie den Bund-Länder Arbeitsgruppen übermittelt.
Zum Abschluss erfolgt die Charakterisierung des Risikos d.h. die Bewertung der Häufigkeit
und Schwere einer schädlichen Auswirkung für die Gesundheit der Tiere und die Bewertung
des Übergangs in Lebensmittel tierischer Herkunft. Komplizierter stellt sich die
Risikocharakterisierung dar, wenn es darum geht, die unterschiedlichen Stoffwechsel der
einzelnen Tierarten zu berücksichtigen.
Als Beispiel für eine aktuelle Risikobewertung von Futtermitteln am BfR sei die Verwendung
von Nebenerzeugnissen aus der Bioethanolproduktion (Schlempe) als Futtermittel genannt,
wenn im Herstellungsprozess Antibiotika eingesetzt werden. Schlempe und Schlempefutter
sind in der Positivliste für Einzelfuttermittel (9. Auflage) als Nebenerzeugnisse der
fermentativen Alkoholgewinnung für Bioenergiezwecke gelistet. Sie sind in ihrer
Zusammensetzung und Qualität erheblichen Schwankungen unterworfen, daher sind Angaben
zu den Inhaltsstoffen und dem Herstellungsprozess erforderlich. Bei importierten Schlempen
ist bekannt, dass bei der Herstellung antibiotisch wirksame Substanzen wie Penicillin,
Ampicillin, Tylosin, Streptomycin, Monensin-Natrium, Virginiamycin eingesetzt werden.
Einige dieser Wirkstoffe werden als Therapeutika bei verschiedenen lebensmittelliefernden
Tieren eingesetzt. Dagegen ist der Wirkstoff Monensin-Natrium in Deutschland nicht
verfügbar, Virginiamycin ist zur therapeutischen Anwendung nicht zugelassen. Nach
Verordnung (EG) Nr. 1831/2003 sind Antibiotika als Leistungsförderer, verabreicht als
Futtermittelzusatzstoffe in der Tierernährung nicht mehr zugelassen. Ausgenommen ist
Monensin-Natrium, welches als Histomonostatikum und Kokzidiostatikum für Masthühner
und Masttruthühner (Verordnung (EG) Nr. 109/2007) zugelassen ist. Zur Risikobewertung für
die landwirtschaftlichen Nutztiere, denen diese Schlempen als Futtermittel angeboten werden
sollen, muss demnach die Summe aller Eintrittspfade sowie die Unverträglichkeiten für
einzelne Tierarten betrachtet werden. Unter Einbeziehung aller Expositionsquellen werden die
Gesamtrückstände im Lebensmittel berechnet, um so zu einer Einschätzung für die Sicherheit
des tierischen Lebensmittels zubekommen.
Zukünftige Herausforderungen bei der Risikobewertung der Futtermittelkette werden in den
Konsequenzen aus dem Klimawandel (zunehmende Trockenheit, Futtermittelverunreinigungen durch Staubpartikel bei Starkregen, Ertrags- und Qualitätsschwankungen)
gesehen. Eine neue Herausforderung für die Futtermittelsicherheit birgt auch die Wende hin
zu den erneuerbaren Energien. Die Produktion neuer regional verfügbarer Koppelprodukte
aus der Bioenergiegewinnung (Variation in der Nährstoffzusammensetzung und dem
energetischen Futterwert) bedingt den Bedarf an kurzfristig zur Verfügung stehender Infor-
43
mation zu Inhaltsstoffen und Nährstoffgehalten und somit zur Sicherheit dieser Futtermittel
als Basis für eine Risikobewertung in der Futtermittelkette.
Literatur:
Verordnung (EG) Nr. 767/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli
2009 über das Inverkehrbringen und die Verwendung von Futtermitteln, zur Änderung
der Verordnung (EG) Nr. 1831/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates und
zur Aufhebung der Richtlinien 79/373/EWG des Rates, 80/511/EWG der
Kommission, 82/471/EWG des Rates, 83/228/EWG des Rates, 93/74/EWG des Rates,
93/113/EG des Rates und 96/25/EG des Rates und der Entscheidung 2004/217/EG der
Kommission, Amtsblatt der Europäischen Union L 229, 1-28.
Verordnung (EG) Nr. 1831/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom
22. September 2003 über Zusatzstoffe zur Verwendung in der Tierernährung,
Amtsblatt der Europäischen Union L 268, 29-43.
Verordnung (EG) Nr. 109/2007 der Kommission vom 5. Februar 2007 zur Zulassung von
Monensin-Natrium (Coxidin) als Futtermittelzusatzstoff, Amtsblatt der Europäischen
Union L 31, 6-8.
Zentralausschuss der deutschen Landwirtschaft, ZDL (2011): Positivliste für Einzelfuttermittel (9. Auflage), 68 Seiten.
44
Dioxine in Futtermitteln und Lebensmitteln tierischer Herkunft
- Aktueller Stand und Trends H. Karl 1)*, U. Ruoff 2), W. Jira 3), K.-H. Schwind 3)
Max Rubner-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel
Hamburg 1), Kiel 2), Kulmbach 3)
1.
Einleitung
Unter dem Begriff „Dioxine“ werden die Substanzklassen der Dibenzo-p-dioxine (PCDD)
und Dibenzofurane (PCDF) und die der dioxinähnlichen polychlorierten Biphenyle (dl-PCB)
zusammengefasst. Dioxine (einschließlich der dl-PCB) sind toxisch und können über das
Futter, über den Boden oder über partikuläre Bestandteile im Wasser von Tieren
aufgenommen werden und reichern sich im Fettgewebe an (Schulz et al. 2005). Über 80 %
der Belastung der Menschen mit Dioxinen gehen von Lebensmitteln tierischen Ursprungs aus
(Commission of the European Communities, 2006a). Dioxine und dioxinähnliche PCB rufen
schon in sehr geringen Mengen Entwicklungsstörungen beim Fötus und Kleinkind hervor,
zeigen immunsuppressive Effekte und gelten ab einer bestimmten Menge als
humankanzerogen (WHO 2010).
Im Zentrum des vorbeugenden Verbraucherschutzes steht deshalb die Forderung, Dioxine und
dl-PCB in der Umwelt und damit ihren Eintrag in die Lebensmittel so weit wie möglich zu
minimieren. Seit den 90er Jahren konnten durch die Einführung entsprechender Maßnahmen
und Regelungen des Gesetzgebers die Einträge sehr deutlich reduziert werden und eine
erhebliche Zahl von Dioxin- und PCB-Quellen so weit wie möglich „verstopft“ werden
(Anon. 2001; BImSchV 1990).
So sind die Dioxineinträge durch die thermische Abfallbehandlung und die metallurgische
Industrie zwischen 1990 und 2004 von 400 bzw. 773 g I-TEQ auf 2 bzw. 55 g I-TEQ
gesunken (UBA 2011).
Um die Auswirkungen der emissionsmindernden Maßnahmen auf die Dioxinbelastung von
Lebensmitteln zu erfassen, wurden auf Initiative des BMELV am Max Rubner–Institut bzw.
in den Vorgängerorganisationen bislang zwei Statuserhebungen zur Belastung von
Lebensmitteln tierischen Ursprungs auf die Gehalte an PCDD/F (1995-1999) und PCDD/F
und dl-PCB, sowie der sog. Indikator-PCB (ndl-PCB) im Zeitraum von 2004-2008
durchgeführt. Die aktuelle Untersuchung hatte zum Ziel, eine flächendeckende repräsentative
Beurteilung der Dioxin- und PCB-Belastung durch die vom Tier stammenden Lebensmittel
Milch, Fleisch, Fisch und Eier - inklusive tierartspezifischer Futtermittel für landwirtschaftliche Nutztiere - zu erhalten.
45
Die Untersuchungen wurden vom Max Rubner-Institut in der Arbeitsgruppe Analytik am
Standort Kulmbach und am Institut für Sicherheit und Qualität bei Milch und Fisch an den
Standorten Hamburg und Kiel in Zusammenarbeit mit dem Institut für Tierernährung des
Friedrich-Löffler-Instituts in Braunschweig durchgeführt und von Kulmbach koordiniert. Für
eine korrekte und zuverlässige Beschreibung der aktuellen Belastungssituation war eine
möglichst repräsentative Probenahme unerlässlich. Die Auswahl des jeweiligen Probenmaterials erfolgte mit hoher Sorgfalt an den für das jeweilige Lebensmittel/Futtermittel
zuständigen Instituten und Einrichtungen.
Bestimmt wurden 7 Dibenzodioxin- und 10 Dibenzofuran - Kongenere, 4 non-ortho PCBund 8 mono-ortho-PCB – Verbindungen, für die von der WHO Toxizitäts-Äquivalenzfaktoren
(TEF) festgelegt wurden. Zusätzlich wurden die Gehalte der gesetzlich geregelten di-ortho
PCB-Kongenere 28, 52, 101, 138, 153 und 180 (Indikator-PCB) ermittelt. In der aktuellen
Statuserhebung von 2004–2008 wurden insgesamt etwa 1060 Proben analysiert, aufgeteilt in
Fleisch und Fleischerzeugnisse, Milcherzeugnisse, Eier, Fische und deren Erzeugnisse sowie
Futtermittel. In der vorliegenden Arbeit werden die wesentlichen Ergebnisse dieser Studie
zusammenfassend dargestellt. Eine ausführliche Diskussion der Ergebnisse findet man in der
Schriftenreihe des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Reihe A: Angewandte Wissenschaft Heft 522, Verlagsgesellschaft W.E. Weinmann,
Filderstadt (2009).
2.
Ergebnisse
2.1
Aktuelle Belastungssituation
Vergleicht man die aktuelle Belastungssituation mit den innerhalb der EU geltenden Höchstmengen für Futter- und Lebensmittel (Commission of the European Communities 2006), so
ist insgesamt eine positive Tendenz zu verzeichnen.
Futtermittel
Insgesamt wurden 231 Futtermittel untersucht (Abb. 1). Die Futtermittel teilten sich auf in
Mischfuttermittel für die Schweine-, Rinder- und Geflügelmast, für Legehennen und für
Milchkühe. Weiterhin wurden typische Rau- und Saftfutter wie Gras, Gras- und Maissilage
und Heu untersucht und verschiedene Futtermittel für die Forellenzucht.
46
Abb. 1: Zusammenstellung der untersuchten Futtermittel
Futtermittel
N = 116
Mischfutter:
N = 91
Rau- und Saftfutter:
N = 24
Fischfutter:
Schwein (Endmast)
Gras
Forellenfutter
Rind (Mastleistungs- und
Milchleistungsergänzungsfutter)
Legehennenalleinfutter
Mastgeflügel (Endmast)
Grassilage
Maissilage
Heu
Sonstiges
Die Höchstmengen für Dioxine und für die Summe aus Dioxinen und dl-PCB sind unterschiedlich und in Tabelle 1 zusammengestellt (Commission Directive 2006).
Tab. 1: Höchstmengen für Futtermittel (WHO-TEQ (1998))
ng/kg WHO-TEQ (1998)
PCDD/F
PCDD/F-dl-PCB
Mischfuttermittel
Fischfutter
Rau- + Saftfutter
0,75
2,25
0,75
1,5
7,0
1,25
Bezug
88 % TM
88 % TM
88 % TM
In Abbildung 2 sind die mittlere und die maximale prozentuale Ausschöpfung der gültigen
Höchstmengen für Dioxine und für die Summe aus Dioxinen und dl-PCB dargestellt,
ausgedrückt in WHO-TEQ (TEF 1998) (Van den Berg, M. et al. 1998). Die erlaubten
Höchstmengen wurden im Mittel nur zu 5 – 20 % ausgeschöpft und keines der untersuchten
Futtermittel überschritt die Höchstmengen.
Damit ist die Belastung von Futtermitteln in Deutschland erfreulich niedrig (Schwind et al.
2010).
47
Abb. 2: Mittlere und maximale prozentuale Ausschöpfung der Höchstmengen für
Futtermittel (WHO-TEQ 1998)
% Ausschöpfung
WHO-PCDD/F-TEQ
WHO-PCDD/F-PCB-TEQ
100%
90%
80%
70%
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
Rau- und Saftfutter
Mischfuttermittel
Forellenfutter
Lebensmittel tierischen Ursprungs
In der Statuserhebung wurden insgesamt 828 Lebensmittelproben tierischen Ursprungs
untersucht. Eine Aufstellung der Produktgruppen ist in Abbildung 3 zusammengefasst. Es
wurden 296 Fleischproben und Fleischerzeugnisse, 140 Milcherzeugnisse, 207 Eier und 185
Fische und Fischerzeugnisse analysiert.
48
Abb. 3: Untersuchte Lebensmittel tierischen Ursprungs
Lebensmittel tierischen Ursprungs
N =296
N = 140
N = 207
N = 185
Fleisch:
Milch-
Eier:
Fische:
Rind
Schwein
Geflügel
Erzeugnisse:
Brühwurst
erzeugnisse:
Butter
Käse
Quark
Freiland
Käfig
Boden
Bio
Privat
32 Fischarten
Garnelen
Muscheln
Tintenfische
Erzeugnisse:
Rohwaren
Kochwurst
Rohwurst
Tiefkühlware
Konserven
Marinaden
Salzfisch
Die ca. 300 untersuchten Fleischproben und Fleischerzeugnisse teilten sich auf in
Rindfleisch (Teilstück Hochrippe), Schweinefleisch (Teilstück Kamm bzw. Nacken) und
Geflügelfleisch (Teilstück Keule mit Haut). Bei den Fleischerzeugnissen wurden Brühwurst
(Fleischwurst, fein zerkleinert), Rohwaren (Schinkenspeck), Kochwurst (Leberwurst) und
Rohwurst (Salami) beprobt.
Die Gehalte an dioxinähnlichen PCB in Fleisch lagen für Rindfleisch im Median bei etwa 0,9
ng/kg Fett WHO-PCB-TEQ und damit im Bereich des Auslösewertes von 1,0 ng/kg Fett.
Bei Geflügel blieben die WHO-PCB-TEQ-Gehalte mehr als eine Größenordung unter dem
PCB-TEQ-Auslösewert von 1,5 ng/kg Fett. In Fleischerzeugnissen schwankte der WHOPCB-TEQ im Median über den Bereich von 0,06 ng/kg Fett für Rohwaren bis hin zu 0,13
ng/kg Fett für Rohwurst.
Die Dioxingehalte in Fleisch bewegten sich mit einem WHO-PCDD/F-TEQ von im Median
0,2 ng/kg Fett für Rindfleisch und 0,09 ng/kg Fett für Schweine- und Geflügelfleisch deutlich
unter den jeweiligen Höchstmengen. In allen vier untersuchten Arten von Fleischerzeugnissen
lag der Median für den WHO-PCDD/F-TEQ unter 0,1 ng/kg Fett.
Für Rind, Schwein und Geflügel sind unterschiedliche Höchstmengen festgelegt. Zum
besseren Vergleich sind in Abbildung 4 die mittleren prozentualen Ausschöpfungen der
Höchstmengen dargestellt. Wie bereits bei den Futtermitteln blieben die mittleren Gehalte
49
weit unter den Grenzwerten. Bei Rindfleisch schwankten die Gehalte allerdings erheblich und
es gab vereinzelt auch Grenzwertüberschreitungen.
Abb.4: Mittlere prozentuale Ausschöpfung
Fleischerzeugnisse (WHO-TEQ 1998)
WHO-PCDD/F-TEQ
der
Höchstmengen
für
Fleisch
und
WHO-PCDD/F-PCB-TEQ
100%
% Ausschöpfung
90%
80%
70%
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
Rind
Geflügel
Schwein
Wurstwaren
Weiterhin wurden 207 Eier aus den Haltungsformen Käfighaltung, Biohaltung,
Freilandhaltung und Bodenhaltung untersucht.
Die Gehalte an dioxinähnlichen PCB in Eiern lagen für alle vier untersuchten Haltungsformen
im Median bei etwa 0,1 bis 0,2 ng/kg Fett WHO-PCB-TEQ und damit mehr als um den
Faktor 10 unter dem Auslösewert von 2,0 ng/kg Fett.
Die Dioxingehalte in Eiern bewegten sich mit einem Median des WHO-PCDD/F-TEQ im
Bereich von 0,1 bis 0,2 ng/kg Fett deutlich unter der Höchstmenge von 3 ng/kg Fett.
Einzelne hohe PCB- und Dioxingehalte in Eiern aus Freilandhaltung resultierten überwiegend
aus Betrieben mit kleinen Herdengrößen (Abb. 5). Nur 3 der 207 untersuchten Eier
überschritten die Höchstmenge von 6 ng WHO-TEQ/kg Fett.
50
Abb. 5: WHO-PCDD/F-PCB- TEQ in Eiern [ng/kg Fett, WHO-TEQ 1998]
Die 140 untersuchten Milcherzeugnisse (Butter, Quark und Käse) stammten aus 4 Regionen
Deutschlands: Nord-Ost, Süd-Ost, Nord-West und Süd-West.
Die Ergebnisse zeigen, dass das Kontaminationsniveau von PCDD/F in Milchfett in den
letzten Jahren auf rund 0,2 ng WHO-PCDD/F-TEQ/kg Fett gesunken ist.
Für die dioxinähnlichen PCB ergab sich ein Median von ca. 0,54 ng WHO-TEQ/kg Fett. Alle
Proben blieben unter den Auslösewerten von 2,0 ng /kg Fett für PCDD/F und dl-PCB.
Mit einem Median von nur 0,74 ng WHO- PCDD/F-PCB -TEQ/kg Fett lagen die aktuellen
Gehalte in Milchprodukten aus Deutschland weit unter dem Höchstmenge von 6 ng WHOPCDD/F-PCB-TEQ/kg Fett (Abb.6).
Abb. 6: PCDD/F+dl-PCB-Gehalte in Milchprodukten aus Deutschland
WHO-TEQ [ng/kg Fett]
(Median, 90 % Perzentil; WHO-TEQ 1998)
dl-PCB
7
6
Dioxine
Höchstmenge ∑WHO-TEQ
5
4
3
2
Höchstmenge Dioxin
Dioxin
1
0
Butter (n=23)
Käse (n=66)
Quark (n=52)
51
Bei Fischen und Fischereierzeugnissen konzentrierte sich die Probennahme auf Fische mit
einem Marktanteil von > 1% und einem höheren Fettgehalt. Untersucht wurden 32 Fischarten,
5 Krebs- und Weichtierarten und verschiedene Erzeugnisse.
Die Gehalte an Dioxinen und dioxinähnlichen PCB in Fischen und Fischereierzeugnissen
blieben im Allgemeinen weit unter den gültigen EU- Höchstwerten von 4 ng WHO-PCDD/FTEQ/kg FS und 8 ng WHO-PCDD/F-PCB-TEQ /kg FS.
Fische mit niedrigen Fettgehalten wie Alaska Pollack, Kabeljau oder Seelachs lagen unter 0,5
ng/kg FS, gleiches gilt für Krebs- und Weichtiere. Fische mit Fettgehalten bis 5 % (z.B.
Sardelle, Forelle, Rotbarsch) blieben meist unter 1 ng/kg FS, Fische mit höheren Fettgehalten
(> 10 %, z.B. Lachs, Hering, Makrele) lagen bei 1 – 3 ng/kg FS (Abb. 7) (Karl and Ruoff
2008).
Bei einigen Fischarten konnte eine fangplatzspezifische Abhängigkeit der Gehalte nachgewiesen werden. Höhere Gehalte wurden vor allem bei fettreichen Fischen aus der östlichen
Ostsee nachgewiesen. Einige Heringsproben aus dieser Fangregion überschritten die
festgelegten Höchstmengen (Karl and Ruoff 2007).
Abb. 7: PCDD/F+dl-PCB-Gehalte in Fischen
(Median, 90% Perzentil; WHO-TEF 1998)
Dioxin
dl-PCB
WHO-TEQ ng/kg FS
12
10
Höchstmenge
8
6
4
2
0
Magerfische
Mittelfette Fische
Fettfische
Fazit der 2. Statuserhebung:
Bei allen Lebensmitteln tierischer Herkunft blieben die Gehalte im Mittel deutlich unter den
EU-Höchstmengen, so dass die aktuelle Belastung von tierischen Lebensmitteln in
Deutschland mit Dioxinen und dioxinähnlichen PCB bis auf wenige Ausnahmen als niedrig
angesehen werden kann.
52
Insbesondere Milcherzeugnisse sind nur noch sehr niedrig belastet. In einzelnen Fällen gab es
bei Rindfleisch, Freilandeiern und Fettfischen aus der östlichen Ostsee noch Überschreitungen der Höchstmengen.
2.2
Zeittrends
Vergleich der Dioxingehalte in Lebensmitteln 1995-98  2005-2008
Für die PCDD/F-Gehalte erlaubt die vorliegende Studie einen Vergleich mit Daten in den
Lebensmitteln Milch, Fleisch und Fisch, die im Zeitraum von 1995-1999 in der ersten
Statuserhebung des BMELV erhoben wurden. Daten über dioxinähnliche PCB lagen bisher
nicht vor.
Danach ist bei den Milchprodukten, bei den verschiedenen Fleischarten und deren
Erzeugnissen sowie bei Zuchtfischen seit 1995/96 aufgrund der emissionsmindernden
Maßnahmen des Gesetzgebers ein deutlicher Rückgang der Dioxinbelastung zu verzeichnen.
Bei wild lebenden Fischen geht die Belastung mit Dioxinen dagegen nur sehr langsam zurück.
Bei Rindfleisch und Geflügel betrug der Rückgang ca. 50 %, bei Schweinefleisch war
ebenfalls ein Rückgang zu verzeichnen, allerdings lagen die Dioxingehalte bereits 1996 an der
Bestimmungsgrenze, so dass der Rückgang in der Abbildung 8 nicht dargestellt werden kann.
Der Vergleich der Dioxingehalte in Milchprodukten aus Schleswig-Holstein zwischen 1998
und 2010 zeigt eindrucksvoll die Erfolge der emissionsmindernden Maßnahmen im
terrestrischen Bereich. Der Dioxingehalt sank um ca. 60 % und hat nun ein sehr niedriges
Hintergrundniveau erreicht (Abb. 9).
Abb. 8: Vergleich der Dioxingehalte in Fleisch 1995/6 und 2006/7
1995/1996
2006/2007
WHO-PCDD/F-TEQ [ng/kg Fett]
0,5
0,45
0,4
0,35
0,3
0,25
0,2
0,15
0,1
0,05
0
Rind
Geflügel
Schwein
53
Abb. 9: Vergleich der Dioxingehalte im Butter und Käse aus Schleswig-Holstein 1998 und
2010
Bei Forellen und Lachsen aus der Aquakultur ist ebenfalls ein deutlicher Rückgang der
Dioxinbelastung zu verzeichnen, der auf eine Reduzierung der Höchstmengen an Dioxinen im
Fischfutter zurückzuführen ist. Bei Heringen aus der Ostsee und Rotbarsch aus der Barentssee
konnte dagegen in den letzten 10 Jahren nur eine sehr geringe bzw. keine signifikante
Abnahme festgestellt werden (Abb. 10).
54
Abb. 10: Vergleich der Dioxingehalte in Fischen 1995/6 und 2005/6
50
1995/6
2005/6
WHO-TEQ ng/kg Fett
45
40
35
30
25
20
15
10
5
0
Hering Ostsee
Rotbarsch*
Barentssee
Forelle
Zuchtlachs
* Rotbarsch: Vergleich 1996 und 2010
Die Schließung von Eintragsquellen und Minimierung von Dioxin-Emissionen durch gesetzgeberische Maßnahmen zeigen deutliche Erfolge und führen zu einer nachhaltigen Reduzierung der Dioxin-Belastung von Lebensmitteln auf dem deutschen Markt.
Um auch für die unerwünschten Stoffgruppen der dl-PCB und der Indikator-PCB diesen
Trend belegen zu können, die in der ersten Stauserhebung nicht erfasst wurden, sollte in etwa
einer Dekade erneut eine entsprechend angelegte Datenerhebung durchgeführt werden.
3. Literatur:
Anon. (2001): Community strategy for dioxins, furans and polychlorinated biphenyls. Official
Journal of the European Communities C 322/2, 17.11.2001.
BImSchV (1990): Siebzehnte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über Verbrennungsanlagen für Abfälle und ähnliche
brennbare Stoffe – 17. BImSchV) vom 23. November 1990. BGBl. I S. 2545.
Commission of the European Communities (2006): Commission regulation (EC) No
1881/2006 of 19 December 2006 setting maximum levels for certain contaminants in
foodstuffs. Official Journal of the European Union L 364/5, 20.12.2006.
Commission of the European Communities (2006a): Commission recommendation of 6.
February 2006 on the reduction of the presence of dioxins, furans and PCBs in
feedingstuffs and foodstuffs. Official Journal of the European Union L 42/26,
14.02.2006.
Commission Directive (2006): Commission Directive 2006/13/EC of 3. February 2006
amending Annexes I and II to Directive 2002/32/EC of the European Parliament and
of the Council on undesirable substances in animal feed as regards dioxins and dioxinlike PCBs. Official Journal of the European Union L 32/44, 04.02.2006.
Karl, H.; Ruoff, U. (2008): Dioxins and dioxin-like PCBs in fish and fishery products on the
German market. J. Verbr. Lebensm. 3, 19-27.
55
Karl, H. and Ruoff, U. (2007): Dioxins, dioxin-like PCBs and chloroorganic contaminants in
herring, Clupea harengus, from different fishing grounds of the Baltic Sea.
Chemosphere 67, S90-S95.
Schriftenreihe des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
(2009): Statuserhebung zu Dioxinen und PCB in Futter- und vom Tier stammenden
Lebensmitteln. Reihe A: Angewandte Wissenschaft Heft 522, Verlagsgesellschaft
W.E. Weinmann, Filderstadt.
Schulz, A.J.; Wiesmüller, T.; Appuhn, H.; Stehr, D.; Severin, K.; Landmann, D.; Kamphues,
J. (2005): Dioxin concentration in milk and tissues of cows and sheep related to feed
and soil contamination. Journal of Animal Physiology and Animal Nutrition 89, 72-78.
Schwind, K.-H.; Dänicke, S.; Jira, W. (2010): Survey of dioxins, dioxin-like PCBs and
marker PCBs in German feeds of plant origin. J. Verbr. Lebensm. 5, 413-420.
UBA 2011: http://www.umweltbundesamt.de/chemikalien/dioxine.htm
Van den Berg, M. et al. (23 authors) (1998): Toxic equivalency factors (TEFs) for PCBs,
PCDDs, PCDFs for humans and wildlife. Environmental Health Perspectives 106,
775-792.
WHO 2010: Dioxins and their effects on human health. Fact sheet N° 225, May 2010.
http://www.who.int/mediacentre/factsheets/fs225/en/
56
Carry over von Dioxinen und dioxinähnlichen PCB bei Nutztieren
K.-H. Schwind 1), H. Karl 2), U. Ruoff 3) und W. Jira 1)
Max Rubner-Institut (MRI), Kulmbach 1), Hamburg 2), Kiel 3)
1.
Einführung
Der Übergang eines (meist unerwünschten) Stoffes aus dem Futtermittel in landwirtschaftliche Nutztiere und damit auch in die von ihnen erzeugten Lebensmittel stellt in aller
Regel den zentralen Hintergrund für die Carry over-Forschung dar. In entsprechend
angelegten Experimenten mit Nutztieren liefern Dosis-Wirkungsversuche die entscheidenden
Aussagen. Sehr wichtig - im Blick auf die spätere Aussagefähigkeit - solcher Experimente
sind beispielsweise Größen wie die Applikationsform und -weise in der der unerwünschte
Stoff dem Nutztierorganismus zur Verfügung gestellt wird und die entsprechende
Versuchsdauer. Gerade von der gewählten Versuchsdauer hängt es oft entscheidend mit ab,
ob sich zwischen der Konzentration des unerwünschten Stoffes im Futter und der
Konzentration im beobachteten Zielgewebe ein Gleichgewichtszustand mit einem „steadystate“-Status einstellt oder ob eine fortwährende Anreicherung zu beobachten ist, was im
Blick auf die Messgröße des Carry over-Faktors eine kontinuierliche Veränderung zur Folge
hätte. Während die Carry over-Forschung in früheren Zeiten oft auf den Transfer
anorganischer Stoffe fokussiert war, stehen in den letzten Jahren vermehrt organische
Verbindungen im Vordergrund.
2.
Kontaminationsfälle
Zu Beginn des Jahres 2011 waren in den Medien Berichte wie beispielsweise „DioxinSkandal:
Verbraucherschützer
raten
zum
Eierverzicht“
(http://www.spiegel.de/wirtschaft/service/0,1518,737647,00.html) zu lesen oder zu hören, die
beim Verbraucher und auch in der Lebensmittelindustrie ein erhebliches Gefühl von
Unsicherheit erzeugten. Der Konsument steht solchen Schlagzeilen verständlicherweise mit
großer Sorge, begleitet von einem - meist beträchtlichen - Unsicherheitsgefühl gegenüber, das
zum großen Teil auf Unkenntnis der zugrunde liegenden Transportvorgänge beruht. Der
vorliegende Beitrag möchte einige der als wichtig erkannten Zusammenhänge und
Verkettungen - wie „Dioxin“ beispielsweise über die Nahrungskette bis hin zum Menschen
gelangen kann - ein Stück näher beleuchten.
57
3.
„Dioxin“ – Was ist das ?
Um die vorliegende Problematik eingehender verstehen zu können, sollten zunächst ein paar
essentielle Fakten etwas näher beleuchtet werden. Mit dem Begriff „Dioxin“ werden
gemeinhin drei unterschiedliche Substanzklassen zusammengefasst. Zwei davon - die
polychlorierten Dibenzo-p-dioxine (PCDD) und die polychlorierten Dibenzofurane (PCDF) sind chlorierte tricyclische Ether. Bei der dritten, den polychlorierten Biphenylen (PCB)
handelt es sich - chemisch gesehen - um chlorierte Aromaten mit Biphenyl-Grundstruktur
(Abb. 1). Allen drei Stoffklassen ist eine hohe Langlebigkeit in der Umwelt sowie ein
ausgeprägter lipophiler Charakter gemein.
Die Zahlen in Abb.1 markieren die Positionen am jeweiligen Molekülgrundgrüst, die jeweils
von Wasserstoff- und Chloratomen besetzt sind. Aus den statistisch möglichen Anordnungen
für die Wasserstoff- und Chloratome resultiert eine Vielzahl möglicher Einzelverbindungen
oder Kongenere. Bei den PCDD sind 75, in der Stoffklasse der PCDF 135 und bei den PCB
209 unterschiedliche Einzelverbindungen (Kongenere) möglich. Immer dann, wenn am
Dibenzo-p-dioxin- oder Dibenzofurangrundkörper die Positionen 2,3,7 und 8 chloriert sind,
bzw. am PCB-Molekülgrundkörper die Positionen 2, 2’, 6 ,6’ nicht (non-ortho-PCB) oder nur
einfach (mono-ortho-PCB) chloriert sind, besitzen die resultierenden Kongenere toxische
Eigenschaften. Vor diesem Hintergrund ist es Aufgabe der Analytik, aus diesen insgesamt
419 Einzelverbindungen 29 Kongenere mit toxikologischer Relevanz quantitativ zu erfassen.
Um bei dieser Vielzahl von Verbindungen das toxische Gesamt-Wirkpotential beschreiben zu
können, wurde das Konzept der Toxizitätsäquivalente (TEQ) entwickelt (Van den Berg et.al.,
WHO 1998). Es ermöglicht die Angabe des toxischen Potentials in Form eines einzigen
Zahlenwertes. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass den zugrundeliegenden 29
Einzelverbindungen aufgrund der unterschiedlichen chemischen Strukturen mit daraus
resultierenden unterschiedlich starken toxikologischen Eigenschaften - die durch Tierversuche
belegt sind - teilweise sehr breit variierende Toxizitäten zugeschrieben werden müssen. Dies
wird im TEQ-Modell durch sogenannte Toxizitätsäquivalentfaktoren (TEF) berücksichtigt.
Der jeweilige TEF drückt die relative Toxizität eines Kongeners im Vergleich zu der des
2,3,7,8-TCDD – besser bekannt unter dem Begriff „Seveso-Dioxin“ aus, dem ein TEF von 1
zugewiesen wird. Zur Berechnung des TEQ, werden die analytisch bestimmten
Kongenerengehalte mit ihrem zugehörigen TEF multipliziert und daraus dann der TEQ durch
Addition aller so berechneten Produkte bestimmt (Abb. 2).
4.
Der Eintrag von PCDD/F und dioxinähnlichen PCB (dl-PCB) in die Umwelt
Da die Stoffgruppen der PCDD/F und der dl-PCB unterschiedliche Entstehungsquellen haben,
macht es Sinn, die beiden Stoffgruppen getrennt zu betrachten.
58
Den meisten PCDD/F-Quellen liegen Verbrennungsprozesse zugrunde. So entstehen die
PCDD/F bei der Verbrennung von Haus-, Sonder- oder Krankenhausmüll ebenso wie bei der
Verbrennung von Klärschlamm oder auch in Krematorien. Einen weiteren Beitrag liefern
Verbrennungsprozesse, die im Zusammenhang mit der Energiegewinnung stehen. Dabei kann
es sich beispielsweise um Heizungssysteme zur Wärmeenergiegewinnung, um Kraftwerke,
die mit festen, flüssigen und gasförmigen Brennstoffen betrieben werden, aber auch um
Abgase aus Verbrennungsmotoren handeln. Die Liste der dioxinliefernden Verbrennungsprozesse ließe sich noch fortsetzen. Nicht zuletzt tragen aber auch Brandereignisse ganz
allgemein - egal ob es sich um Brände im Zusammenhang mit Unglücksfällen oder
beispielsweise um Brände verursacht durch Blitzschlag handelt - ebenfalls zu PCDD/FEmissionen bei. Weitere PCDD/F-Quellen liegen in einer Vielzahl von industriellen
Produktionsprozessen. So werden die PCDD/F bei der thermischen Verhüttung von Erzen
ebenso gebildet wie bei Recyclingprozessen zur Metallwiedergewinnung. Auch die
Herstellung vieler Chlorchemikalien erzeugt PCDD/F im Spurenbereich. Seit Bekanntwerden
dieser Zusammenhänge wurde mittlerweile viel getan. Produktionsprozessse und –verfahren
wurden in vielen Fällen modifiziert bzw. optimiert, um die PCDD/F-Bildung zu vermeiden
oder wenn das nicht möglich ist, sie zumindest auf ein Minimum abzusenken. Während die
Stoffklassen der PCDD/F zumindest nie absichtlich synthetisiert wurden, verhält es sich im
Fall der Stoffklasse der PCB etwas anders.
Die Stoffklasse der PCB umfasst insgesamt 209 Einzelverbindungen (Kongenere), die
mittlerweile ubiquitär in der Umwelt verteilt sind. Die PCB wurden aufgrund einer Reihe von
anwendungstechnisch vorteilhaften Eigenschaften (beispielsweise sind sie chemisch stabil,
hitzebeständig, nicht brennbar, gut elektrisch isolierend und nicht korrosiv) bis zum Beginn
der 1980er Jahre in den USA, Japan und vielen europäischen Ländern großtechnisch
produziert. Infolge der genannten und weiterer vorteilhafter Eigenschaften kamen sie
großflächig zum Einsatz als Transformatorenöle, Dielektrika von Kondensatoren,
Hydraulikflüssigkeiten, Weichmacher von Kunststoffen und Lacken oder auch als Zusatz in
Anstrichen, Farben und plastischen Dichtmassen (UNEP, 1999; EPA, 2003). Die weltweite
PCB-Produktion wird auf insgesamt 1,3 Mio. Tonnen geschätzt, wobei etwa 97% dieser
Menge in der nördlichen Hemisphäre angewendet wurden (Breivik et. al., 2002). Aufgrund
ihrer großen Stabilität in der Umwelt gelangten sie über Luft, Gewässer und Böden in und auf
Pflanzen und reichern sich infolge ihrer hohen Fettlöslichkeit über die Nahrungskette auch in
tierischen Geweben an. Zwölf Einzelverbindungen aus der Reihe der insgesamt 209 PCBKongenere können toxische Wirkungen hervorrufen, die denen des 2,3,7,8-Dibenzo-p-dioxins
(2,3,7,8-TCDD oder „Seveso-Dioxin“) ähneln und werden deshalb auch unter dem Kürzel dlPCB („dioxin-like polychlorinated biphenyls“) zusammengefasst.
59
5.
Das Carry over-Geschehen
Nach Richtlinie 2006/13/EG (European Commission, 2006a) ist „die Belastung von Tieren
mit Dioxinen und dioxinähnlichen PCB vor allem auf Futtermittel zurückzuführen. Daher gilt
es, Futtermittel - und in einigen Fällen die Böden - als mögliche Quellen von Dioxinen und
dioxinähnlichen PCB zu beachten.“ Futtermittel sind für Stoffübergänge im Sinne der Carry
over-Forschung also von zentraler Bedeutung.
Der sogenannte Carry over-Vorgang oder Transfer eines Stoffes vom Futter in ein vom Tier
stammendes Lebensmittel, hängt beispielsweise davon ab, wie hoch die Aufnahmerate des
Stoffs über den Darm ist, ob der Stoff hydrophiles oder lipophiles Verhalten zeigt, was dann
im Zusammenwirken mit den weiteren Stoffwechselvorgängen im Nutztiergewebe zu Anoder Abreicherungen führt und ob und wie ein Stoff über Ausscheidungsvorgänge
(Metabolisierung) wieder aus dem Tierorganismus eliminiert werden kann.
Dieses Übergangsverhalten eines Stoffes aus dem Futter in ein Nutztiergewebe bzw. -organ
lässt sich anschaulich mit der Größe des Carry over-Faktors (CoF) beschreiben. Der CoF ist
definiert als der Quotient der festgestellten Stoff-Konzentration im jeweils untersuchten
Tiergewebe und der Konzentration dieses Stoffes im aufgenommenen Futtermittel. Als
einfache Relation ist er dimensionslos und zur Beschreibung des An- oder Abreicherungsverhaltens gut verwertbar. Ein Zahlenwert größer als 1 zeigt an, dass eine Einlagerung des
Stoffs im untersuchten Gewebe stattfindet, bei einem Zahlenwert kleiner als 1 liegt eine
Abnahme vor. Für Dioxine, dioxinähnliche PCB und viele andere Organochlorverbindungen
ist der resultierende CoF in den allermeisten Fällen >1. Das bedeutet also, dass diese
Verbindungen sich im Tiergewebe anreichern und zwar besonders im Fettgewebe und im Fett
der Organe. Aufgrund unterschiedlich stark ausgeprägter lipophiler Eigenschaften zeigen aber
nicht alle PCDD/F- und dl-PCB- Kongenere gleich hohe CoF-Zahlenwerte, sondern variieren
in einer gewissen Bandbreite, woraus wiederum ein teilweise stark unterschiedliches
Anreicherungsverhalten resultiert.
6.
Lebensmittelkontamination
6.1
Der „Dioxin-Übergang“ vom Futter ins Fleisch von Mastschweinen
Wie schon erwähnt, ist es in der Carry over-Forschung wesentlich, den Aufnahmepfad und
den Weg, den die unerwünschten Stoffe PCDD/F und dl-PCB in landwirtschaftliche Nutztiere
sowie deren Gewebe und Organe nehmen, möglichst genau zu kennen, um dann Maßnahmen
ergreifen zu können, dass diese Stoffe im Lebensmittel erst gar nicht nicht anwesend sind
oder falls das nicht möglich ist, sie zumindest auf ein absolutes Minimum zu beschränken.
Ein erstes wichtiges Glied in der langen Kette bis hin zum Verbraucher stellen die
Futtermittel für lebensmittelliefernde Tiere dar. Vor diesem Hintergrund wurde jüngst der
60
Tierversuch einer Forschergruppe aus UK publiziert, in dem u.a. der Übergang dieser Stoffe
in Mastschweine und deren Fleisch untersucht wurde (Fernandes et. al, 2011). Im Rahmen
eines Feldversuchs in einem Schweinemastbetrieb wurde ein Muttertier mit 8 Ferkeln ab
deren Geburt in dem Mastbetrieb aufgestallt. Sofort nach dem Absetzen der Saugferkel
wurden die Sau und 2 Ferkel (ca. 25 Tage alt) geschlachtet. Etwa 90 Tage später erfolgte die
Schlachtung von 2 weiteren Tieren. Die verbleibenden 4 Schweine wurden nach insgesamt
179 Tagen geschlachtet und von allen Tieren wurden Muskelfleisch, Leber- und Nierengewebe auf PCDD/F und dl-PCB untersucht. Neben diesen Proben wurden auch Einstreuund Futtermittelproben auf die unerwünschten Stoffe hin untersucht. Zur Abschätzung des
Carry overs ins Muskelfleisch bzw. die Lebern und Nieren der Tiere wurde der BiotransferFaktor (BTF) herangezogen. Der BTF schätzt den Transfer der unerwünschten Stoffe aus den
von den Schweinen aufgenommenen Futtermitteln ins jeweilige Tiergewebe ab und ist
beispielsweise für das Muskelfleisch definiert als Quotient der Konzentration des jeweiligen
Kongeners im Fleisch und der täglichen Stoffaufnahme dieses Kongeners. Der Zahlenwert
des BTF zeigt die Höhe des Transfers an und beschreibt damit die PCDD/F- bzw. die dl-PCB
Konzentration im jeweiligen Tiergewebe in Relation zur täglich mit dem Futter
aufgenommenen Stoffmenge. Die Analyse und Auswertung der zwei eingesetzten EndmastFuttermittelproben ergab WHO-PCDD/F-PCB-TEQ-Gehalte von 0,17 bzw. 0,18 ng/kg
Frischmasse (FM). Der WHO-PCDD/F-PCB-TEQ-Gehalt im Schweinefleisch nach 179
Tagen Mastdauer lag in einem Versuchstier bei 0,56 ng/kg Fett bei einem anderen Tier bei
0,72 ng/kg Fett. Der Mittelwert des BTF - unter Betrachtung aller analysierten PCDD/F- und
PCB-Einzelverbindungen - wurde für den Übergang vom Futter ins Fleisch der Tiere zu 3,2
errechnet. Im Vergleich dazu lag der ermittelte BTF in Schweineleber bei 102,6, während er
in den Nieren mit 3,2 in einem sehr ähnlichen Bereich wie im Fleisch der Tiere lag. Die nach
einer Mastdauer von 179 Tagen erreichten WHO-PCDD/F-PCB-TEQ-Gehalte von 0,56 bzw.
0,72 ng/kg Fett lagen damit relativ klar unter dem derzeitig gültigen Höchstgehalt für
Schweinefleisch von 1,5 ng WHO-PCDD/F-PCB-TEQ pro kg Fett. (European Commission,
2006b)
Die Untersuchung von deutschem Schweinefleisch im Rahmen der „Statuserhebung zu
Dioxinen und PCB in Futter- und von Tier stammenden Lebensmitteln“ hat im Median einen
Gehalt von 0,16 ng WHO-PCDD/F-PCB-TEQ pro kg Fett aus 53 repräsentativ erfassten
Schweinefleischproben ergeben (Schwind et al., 2009), bei denen der gegebene Höchstgehalt
noch deutlicher unterschritten wurde. Im Rahmen des umfangreich angelegten englischen
Carry over-Experiments konnte auch gezeigt werden, dass die Haltungsbedingungen von
Nutztieren großen Einfluss auf die PCDD/F- und dl-PCB-Gehalte im lebensmittelliefernden
Tier und dessen Geweben und Organen besitzen.
61
6.2
Der „Dioxin“-Übergang aus Futter und Boden in Hühnereier
Verschiedene Kontaminationsfälle mit PCDD/F- und dl-PCB-Kongeneren zeigten, dass
besonders Legehennen sehr sensitiv auf die Anwesenheit dieser unerwünschten Stoffe
reagieren. Vor diesem Hintergrund wurde in den Niederlanden ein Carry over-Versuch
(Hoogenboom et al., 2006) durchgeführt, der klären sollte, welchen Einfluss die genannten
Komponenten im Futter bzw. im Boden auf die resultierenden PCDD/F- und dl-PCB-Gehalte
im Hühnerei haben. In Teilstudie 1 (zum Einfluss des Futters auf den Gehalt im Ei) erhielten
insgesamt 88 Legehennen in Käfigen, die in verschiedene Versuchgruppen - inklusive einer
Kontrollgruppe - eingeteilt waren Legehennenalleinfutter mit jeweils unterschiedlichen
Gehalten an PCDD/F, dl-PCB und Indikator-PCB. In der 56-tägigen Anfütterungsphase
erhielten die Tiere pelletierte Futtermittel im Bereich der Hintergrundbelastung (WHOPCDD/F-PCB-TEQ: 0,04 ng/kg 88%TM) bis etwa zum 5-fachen des PCDD/F-Höchstgehalts
(European Commission, 2006a). Im Anschluss daran bekamen 26 Tiere aus der
höchstdotierten Guppe weitere 56 Tage nur noch (unkontaminiertes) Legehennenalleinfutter
im Bereich der Hintergrundbelastung, um so im Rahmen einer Zeitreihe die Abnahme der
PCDD/F-, dl-PCB- und Indikator PCB-Gehalte in den Eiern verfolgen zu können. Durch
Umrechnung der in der niederländischen Publikation aufgelisteten Carry over–Raten (CoR) in
Carry over Faktoren (CoF) lässt sich zeigen, dass die von der Arbeitsgruppe „Carry over
unerwünschter Stoffe in Futtermitteln“ in einem ausschließlich mit Indikator PCB
durchführten Carry over-Tierversuch in den 1990er Jahren gute Übereinstimmung aufweisen.
Sowohl die im niederländischen Versuch ermittelten CoR als auch die nachträglich aus den
Versuchsdaten errechneten CoF machen deutlich, dass viele dl-PCB-Kongenere offensichtlich
stärker in den Eiern akkumulieren als die meisten PCDD/F-Kongenere.
In Teilstudie 2 (zum Einfluss des Bodens auf den Gehalt im Ei) wurden dem
unkontaminiertem Legehennenfutter zwei unterschiedliche Böden in Anteilen von jeweils
10% zugemischt, um sicherzustellen, dass die Aufnahme der unerwünschten Stoffe
hauptsächlich aus den zugefügten Bodenanteilen stammte. Dieser Versuchsteil wurde mit
insgesamt 35 Legehennen in Käfighaltung durchgeführt. Im Futter mit Bodenanteil A betrug
der WHO-PCDD/F-TEQ 0,44 ng/kg, im Futter mit Bodenanteil B 0,35 ng/kg. In den Eiern
der Tiere, die unkontaminiertes Futter mit 10% Bodenanteil B erhielten, lag der WHOPCDD/F-TEQ zwischen 1,2 und 1,6 ng/kg Fett. Die Fütterung mit 10%igem Bodenanteil A
führte zu Ei-Gehalten von 2,5 – 3 ng WHO-PCDD/F -TEQ/kg Fett. Damit wurde der
Höchstgehalt für die Stoffklasse der PCDD/F in Hühnereiern bereits erreicht.
Mit diesem Versuch konnte bezüglich des Übergangs von PCDD/F und dl-PCB aus dem
Futter in Hühnereier dokumentiert werden, dass der gegenwärtige Futtermittelhöchstgehalt
von 0,75 ng WHO-PCDD/F-TEQ nicht sicherstellen kann, dass im Lebensmittel Ei Gehalte
von 3 ng WHO-PCDD/F-TEQ (European Commission, 2006b) nicht überschritten werden.
Die niederländische Forschergruppe schlägt daher vor, den PCDD/F-TEQ-Höchstgehalt im
62
Legehennenfutter um einen Faktor von 4 zu erniedrigen, damit der Höchstgehalt im Ei nicht
mehr überschritten werden kann.
In der „Statuserhebung zu Dioxinen und PCB in Futter- und vom Tier stammenden
Lebensmitteln“ wurden in insgesamt 54 Eiproben aus der Freilandhaltung untersucht. Der
Mediangehalt des WHO-PCDD/F-Gehalt lag bei 0,18 ng/kg Fett. Die Streubreite der
gemessenen Werte ist hier von allen untersuchten Haltungsformen am größten. Der Höchstgehalt von 3 ng WHO-PCDD/F-TEQ wurde von einer Probe (Bestandsgröße ca. 30 Tiere)
überschritten.
6.3
Der Carry over von „Dioxin“ aus dem Futter in die Milch
Als Größe für den Übergang von PCDD/F, dl-PCB, und Indikator PCB aus dem Futter in die
Milch wird in der Literatur oft die Carry over-Rate (CoR) verwendet. Diese Größe schließt
alle Vorgänge mit ein, die den Übergang von Inhaltsstoffen aus allen von der Kuh
aufgenommenen Substraten in ausgeschiedene Substrate abbilden, beispielsweise aus allen
Futterbestandteilen (inklusive Tränkewasser) in die Milch. Die CoR ist definiert als Quotient
von „Stoffausscheidung über die Milch“ und der „Stoffaufnahme mit dem Futter“ und wird in
Prozenten angegeben. Sie gibt den Anteil des aufgenommenen Stoffes (z.B. PCDD/F-, dlPCB-, Indikator-PCB-Kongener) pro Zeiteinheit an, der mit der Milch wieder ausgeschieden
wird (Körner et al., 2007). Carry over-Raten von lipophilen chlororganischen Stoffen wurden
in verschiedenen Arbeiten ermittelt (SCAN, 2000). Die Dauer einiger Tierversuche in der
Literatur war aber nicht immer lang genug, um das notwendige Fließgleichgewicht zu
erreichen. Ein Fließgleichgewicht stellt sich immer dann ein, wenn sowohl die Speicherkapazität des Systems (hier die Milchkuh) als auch jeder Fluss in das System hinein und aus
dem System heraus zeitlich konstant bleiben. Je nach Kongener wird dieser Zustand nach 50
bis 70 Tagen erreicht (McLachlan, 1992). Mit den experimentell ermittelten CoR ist es
möglich, die Konzentration der unerwünschten Stoffe unter Berücksichtigung der aufgenommenen Futtermenge und der abgegebenen Milchmenge zu berechnen. Voraussetzung ist
dabei jedoch das schon angesprochene Vorliegen des Fließgleichgewichts im Tier. In
Abbildung 3 sind die erhaltenen Carry over-Raten aus Experimenten mit Milchkühen aufgelistet, die diesen Vorgaben gehorchten. Während für das Kongener 2,3,7,8-TCDD im
Mittelwert in den experimentellen Untersuchungen eine CoR von 35% festgestellt wurde,
nahm diese mit zunehmendem Chlorierungsgrad ab und betrug betrug für Oktachlor-dibenzop-dioxin (OCDD) nur noch 4%. Für die untersuchten Indikator-PCB-Verbindungen 138, 153
und 180 ergeben sich im Mittel mit 57, 52 und 51 Prozent höhere CoR als für die PCDDKongenere.
63
Aus Gründen der Gesundheitsvorsorge wird in Deutschland eine tolerierbare tägliche
Aufnahme von 1 pg WHO-PCDD/F-TEQ je kg Körpergewicht angestrebt. Dieser Wert wird
auch von der WHO als Zielwert angestrebt. Für einen 70 kg schweren Menschen, der täglich
50g Milchfett verzehrt, würde das eine erlaubte Aufnahme von 700 pg WHO-PCDD/FTEQ/kg Milchfett bedeuten. Unter den Annahmen, dass eine Kuh etwa 1 kg Milchfett pro Tag
mit der vorgebenen erlaubten PCDD/F-Ausscheidung produziert, die gemittelte Carry overRate 35% beträgt und das Tier 17,5 kg pro Tag Futtertrockenmasse aufnimmt, errechnet sich
für die dann zulässige PCDD/F-Zielkonzentration im Futter einer Milchkuh ein Wert von 0,1
ng WHO-PCDD/F-TEQ/kg Trockenmasse (TM). Die Einhaltung dieses Werts in der
Tagesration einer Milchkuh lässt erwarten, dass unter Berücksichtigung der tolerierbaren
Aufnahme für die Belastung des Menschen und des daraus ableitbaren PCDD/F-Gehalts im
Milchfett von Milchkühen die duldbaren täglichen Aufnahmemengen für die Stoffklasse der
PCDD/F nicht überschritten werden (Richtlinie VDI 2310 Blatt 46).
7.
Ausblick
Carry over-Vorgänge mit PCDD, PCDF und dioxinähnlichen PCB sind sehr komplex. Zur
Vermeidung von Lebensmittelkontaminationen ist daher eine möglichst umfassende Kenntnis
der Carry over-Vorgänge dieser Substanzklassen unumgänglich. Bei den Dioxinen und PCB
lässt sich – wie bei den meisten anderen ubiquitär durch Luftströmungen verteilten Stoffen –
in den Lebensmitteln keine schlagartige Abnahme, sondern nur eine allmähliche erreichen.
Um diese Abnahme zu erreichen, sind Maßnahmen zur Vermeidung oder Minimierung der
Emissionen aus den Eintragsquellen nötig. Denn nur ein Rückgang der Emissionen führt zu
einer Verringerung des Eintrags in die Futtermittel, was dann zu einem Kontaminationsrückgang in Nutztieren und den von ihnen stammenden Lebensmitteln führt.
Unabhängig davon ist weiterhin alles Erdenkliche zur Schließung erkannter Sekundärkontaminations-Eintragsquellen zu unternehmen, damit dem Verbraucher Schlagzeilen wie
die eingangs zitierte in Zukunft möglichst erspart bleiben.
8.
Literatur
Van den Berg et.al., WHO 1998. Toxic Equivalency Factors (TEFs) for PCBs, PCDDs,
PCDFs for Humans and Wildlife. Environmental Health Perspectives 106 (1998) 12,
pp. 775-791
Breivik K., Sweetman A., Pacyna J.M., Jones K.C, 2002. Towards a global historical
emission inventory for selcted PCB congeners – a mass balance approach 1. Global
production and consumption. The Science of the Total Environment 290, pp. 181-198
EPA (US Environmental Protection Agency), 2003. Non-dioxin-like PCBs: effects and
consideration
in
ecological
risk
assessment.
http://www.epa.gov/oswer/riskassessment/pdf/1340-erasc-003.pdf
European Commission, 2006a. EU Directive 2006/13/EC of 3 February 2006 amending
Annexes I and II to Directive 2002/32/EC of the European Parliament and of the
Council on undesirable substances in animal feed as regards dioxin and dioxin-like
PCBs.
64
European Commission, 2006b. EU Commission Regulation (EC) No 1881/2006 of 19
December setting maximum levels for certain contaminants in foodstuffs.
Fernandes, A.R., Foxall C., Lovett A., Rose M., Dowding A., 2011. The assimilation of
dioxins and PCBs in conventionally reared farm anuimals: Occurrence and biotransfer
factors. Chemosphere 83 (2011), pp. 815-822
Hoogenboom L.A.P., Kan C.A., Zeilmaker M.J., van Eijkeren, J., Traag, W.A., 2006. Carryover of dioxins and PCBs from feed and soil to eggs at low contamination levels –
influence of mycotoxin binders on the carry-over from fee to eggs. Food Additives and
Contaminants 23 (2006), pp. 518-527
McLachlan M.S., 1992. Das Verhalten hydrophober chlororganischer verbindungen in
laktierenden Rindern. Dissertation an der Fakultät für Biologie, Chemie und
Geowissenschaften, Universität Bayreuth (1992).
Körner W., Kerst M., Waller U., Köhler J., van de Graaff, Schädel S.; 2007. Untersuchung
und Bewertung von Proben aus verschiedenen Umweltkompartimenten auf
PCDD/PCDF sowie PCB unter Berücksichtigung der neuen WHOToxizitätsäquivalentfaktoren.
Abschlussbericht
zum
FuE-Projekt
Nr.7000.
Bayerisches Landesamt für Umwelt, Augsburg (2007).
Ruoff U., 1995. Untersuchungen zum Übergang ausgewählter polychlorierter Dibenzo-pdioxine und -Furane nach oraler Supplementierung in die Milch laktierender Kühe.
Dissertation an der Agrarwissenschaftlichen Fakultät, Universität Kiel (1995).
SCAN, 2000. Scientific Committee on Animal Nutrition: Dioxin contamination of
feedingstuffs and their contribution to the contamination of food of animal origin.
http://ec.europa.eu/food/committees/scientific/out55_en.pdf
Schwind, K.-H., Jira, W., Karl, H. Ruoff, U., Dänicke, S. (2009). Statuserhebung zu Dioxinen
und PCB in Futter- und vom Tier stammenden Lebensmitteln. Schriftenreihe des
Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz; Reihe A:
Angewandte Wissenschaft Heft 522.
UNEP (United Nations Environment Programme) 1993. Guidelines for the identification of
PCBs and materials containing PCBs. Prepared by UNEP Chemicals.
http://www.chem.unep.ch/pops/pdf/PCBident/pcbid1.pdf
VDI 2310 Blatt46: Maximale Immissions-Werte für Dioxine zum Schutz der
landwirtschaftlichen Nutztiere. Berlin Beuth Verlag (2005).
65
Strukturen und Eigenschaften der drei Stoffklassen des „Dioxins“
Abb.1
1
9
8
Zahl der Einzelverbindungen
3
O
6
4
Cl
Dibenzo-p-dioxine
7 Kongenere
135 Kongenere
10 Kongenere
2
7
3
O
6
4
Cl
Dibenzofurane
3
75 Kongenere
1
9
8
2’
2
3’
6
Cl
6’
29
Kongenere
(von 419)
4’
4
5
Analytisch zu
erfassen:
2
O
7
davon sind
toxisch
5’
Polychlorierte Biphenyle
209 Kongenere
dioxinähnliche PCB
12 Kongenere
66
Abb.2: Formel zur Berechnung des Toxizitätsäquivalents (TEQ)
TEQ = Toxizitätsaquivalentkonzentration (z. B. in ng/kg)
TEQ = Σi (TEF)i * ci
TEF = Toxizitätsäquivalentfaktor des Kongeners i
Ci =
Konzentration des Kongeners i
Alle Kongenerenkonzentrationen werden mit ihrem TEF multipliziert
und die Gesamttoxizität durch Addition aller Produkte bestimmt.
67
Abb.3
Carry over-Raten (CoR) für PCDD- und PCB-Kongenere aus dem Futter in die Milch (entnommen aus Ruoff, 1995 und
McLachlan, 1992)
Quelle
Verbindung
2,3,7,8-TCDD
1,2,3,7,8-PCDD
zunehmender
Chlorierungsgrad
Olling Stevens
(1991)
30
28
27
OCDD
(1988)
(1995)
(1992)
40
35
36
14
32
(1991)
(1993)
14
8
1,2,3,7,8,9-HxCDD
1,2,3,4,6,7,8-HpCDD
McLachlan Tuinstra Heeschen
9
1,2,3,4,7,8-HxCDD
1,2,3,6,7,8-HxCDD
Ruoff
2
3
4
PCB 138
78
23
71
PCB 153
63
18
75
PCB 180
63
21
68
68
Exposition der Verbraucher mit Dioxinen und PCB über Lebensmittel
O. Lindtner, K. Blume, G. Heinemeyer
Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Berlin
Einleitung
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat 2010 die Ergebnisse des Projektes
„Lebensmittelbedingte Exposition gegenüber Umweltkontaminanten“ (LExUKon) veröffentlicht (Blume 2010). In diesem vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit (BMU) finanzierten Projekt wurden in Kooperation mit dem Forschungsund Beratungsinstitut für Gefahrstoffe GmbH (FoBiG) in Freiburg sowie dem Institut für
Statistik der Universität Bremen standardisierte Methoden zur Auswertung von Verzehrsmengen sowie zur Kontamination von Lebensmitteln mit Umweltkontaminanten entwickelt
und angewendet. Im Projekt wurden die Umweltkontaminanten Blei, Quecksilber, Cadmium,
polychlorierte Dibenzo-(p-)dioxine und -furane (im folgenden „Dioxine“), dioxin-ähnliche
polychlorierte Biphenyle (dl-PCB) und nicht-dioxin-ähnliche polychlorierte Biphenyle (ndlPCB), sowie die Lösungsmittel Trichlorethen, Tetrachlorethen und Trichlormethan betrachtet.
Ziel des Projektes war es, die aktuelle Aufnahme von Umweltkontaminanten zu ermitteln.
Dabei sollten die unterschiedlichen Präferenzen der Verbraucher bei der Auswahl von
Lebensmitteln aufgrund individueller Lebensstile der Verbraucherinnen und Verbraucher
berücksichtigt werden. Insbesondere stand auch die Aufnahme der Lebensmittel im Fokus, für
die ein Höchstgehalt festgesetzt ist. So war es aus methodischen Gesichtspunkten ein Ziel, ein
Kategorisierungssystem für die Lebensmittel zu entwickeln, so dass eine Abbildung der
Höchstgehaltskategorien und eine Extrapolation bei fehlenden Konzentrationsdaten möglich
wird. Zudem sollte das Kategorisierungssystem flexibel genug sein für eine zukünftige
Anpassung an die Höchstgehaltsverordnungen.
Die im Projekt gewonnenen Ergebnisse zu Dioxinen und PCB sind aufgrund verschiedener
Unsicherheiten als vorläufig zu bezeichnen. Diese Unsicherheiten sollen im Folgenden an
Beispielen dargestellt und diskutiert werden.
Datengrundlagen und Methodik
Für die Ermittlung der durchschnittlichen Gehalte von Dioxinen und PCB in Lebensmitteln
wurden zunächst Daten des Lebensmittel-Monitoring (LM-M) verwendet, da diese innerhalb
der Daten der systematischen amtlichen Lebensmittelüberwachung am ehesten die tat-
69
sächliche Variation des deutschen Marktes darstellen. Mit Hilfe des LM-M können
Gefährdungen rechtzeitig erkannt und so früh wie möglich Maßnahmen zum Schutze des
Verbrauchers eingeleitet werden (Schroeter et al. 1999). Es liegen im LM-M jedoch nicht
genug Daten vor, um Dioxin- und PCB-Gehalte für die Fülle der verzehrten Lebensmittel
abzuleiten. Ergänzend wurden deshalb Daten aus der nationalen Statuserhebung zu Dioxinen
und PCB in Lebensmitteln pflanzlichen Ursprungs (BVL 2006) und Daten einer von 2001 bis
2006 durchgeführten Untersuchung des MRI zu Fischen und Fischereierzeugnissen(Karl et al.
2007) herangezogen. Des Weiteren wurden Daten aus der Dioxin-Datenbank (UBA 2007,
http://www.pop-dioxindb.de) des Bundes und der Länder für im Zeitraum Januar 2000 bis
April 2010 untersuchte Lebensmittel verwendet. Darüber hinaus wurden zur Schließung von
verbleibenden Datenlücken Konzentrationsdaten für die Kontaminanten aus weiteren
Literaturquellen genutzt.
Trotzdem bleiben darüber hinaus Datenlücken zur Kontamination von Lebensmitteln mit
Dioxinen und PCB bestehen. Das im Projekt entwickelte mehrstufige Kategorisierungssystem
wurde genutzt, um fehlende Kontaminationswerte unter Nutzung botanischer bzw. zoologischer Ähnlichkeiten analog zum Core-Food-Prinzip (Pennington et al. 2002) zu übertragen.
Zur Ermittlung der Verzehrshäufigkeiten und -mengen wurden die Daten der Nationalen
Verzehrsstudie II (NVS II) verwendet (MRI 2008). Die NVS II wurde 2005/2006 vom Max
Rubner-Institut durchgeführt und liefert Informationen zum Ernährungsverhalten von
Jugendlichen und Erwachsenen (ca. 20.000) der deutsch sprechenden Bevölkerung in der
Altersgruppe von 14-80 Jahren. Im Rahmen der NVS II wurden die drei Erhebungsmethoden
„Dietary History“-Interview, 24-Stunden-Recall und Wiegeprotokolle angewendet. Zu
Beginn des LExUKon-Projektes lagen bereits die Daten der „Dietary History“-Interviews vor
und wurden demzufolge im Projekt verwendet. Die Daten wurden mit der Software DISHES
(Diet Interview Software for Health Examination Studies, Mensink et al. 2001) erhoben und
erfassen ausgehend vom Befragungszeitpunkt den üblichen durchschnittlichen Verzehr der
letzten vier Wochen. Die Methode des „dietary history“ ist gut geeignet, die Exposition zur
Bewertung chronischer Risiken von Umweltkontaminanten zu ermitteln.
Die in der NVS II erfassten Lebensmittel wurden unter Verwendung des
Bundeslebensmittelschlüssels (BLS) so erfasst und kodiert, wie sie üblicherweise verzehrt
werden. Die meisten der verzehrten Lebensmittel sind dabei nicht als unverarbeitete
aufgeschlüsselte Lebensmittel, sondern häufig als verarbeitete Einzellebensmittel bestehend
aus mehreren Komponenten erfasst. Im Gegensatz dazu werden Höchstgehalte in den meisten
Fällen für unverarbeitete Lebensmittel festgesetzt. Aus diesem Grund liegen auch die
Messungen von Gehalten von Umweltkontaminanten nur in Einzelfällen für verzehrsfertige
Lebensmittel vor. Deshalb wurden alle Lebensmittel der Verzehrsstudie unter Nutzung von
Rezepturen und Ausbeutefaktoren auf Ihre unverarbeiteten Ausgangsprodukte
70
zurückgerechnet. Diese wurden dann mit den Gehaltsdaten multipliziert und für die
Expositionsschätzung genutzt.
Ergebnisse und Diskussion
Tabelle 1 zeigt die im Projekt berechnete wöchentliche Exposition mit Dioxinen und PCB.
Die angegebenen Spannen gelten jeweils für Durchschnittsverzehrer und geben den Bereich
zwischen dem lower-bound (alle Werte unter der Bestimmungsgrenze werden null gesetzt)
und upper-bound-Ansatz (alle Werte unter der Bestimmungsgrenze werden gleich der
Bestimmungsgrenze gesetzt) an.
Tabelle 1: Vorläufige Schätzung der Dioxin-Aufnahme der deutschen erwachsenen Bevölkerung nach Blume et al.
2010
WHO-PCDD/F-
WHO-PCDD/F-
Ausschöpfung des TWI von 14 pg/kg
TEQ 1998
PCB-TEQ 1998
KG/ Woche (SCF, 2001)
2,7-5,1
12,7-16,9
90-121 %
Aufnahme pro Woche [pg/kg KG]
(lower bound – upper bound)
Abbildung 1 zeigt die Unterschiede der Exposition in verschiedenen Bevölkerungsgruppen.
Bei den Altersgruppen sind nur die Altersgruppe mit der höchsten (14-18 Jahre) und mit der
niedrigsten Aufnahme (65-80 Jahre) dargestellt.
Abbildung 1: Durchschnittliche Dioxin-Aufnahme nach Geschlecht, für ausgewählte Altersgruppen und Vegetarier
(entnommen Blume et al. 2010)
Wie in Abbildung 2 dargestellt, leisten die Lebensmittelgruppen Milchprodukte, Fleisch und
Fisch den größten Beitrag zur Exposition.
71
Abbildung 2: Beitrag verschiedener Lebensmittelgruppen zur durchschnittlichen Dioxin-Aufnahme (entnommen
Blume et al. 2010)
* Der Beitrag von „Ei“ ist mit höherer Unsicherheit verbunden und stellt vermutlich eine Überschätzung dar
Zum Vergleich der im LExUKon-Projekt durchgeführten Aufnahmeschätzungen wurden
diese mit Schätzungen anderer Länder bzw. in Deutschland aus dem Jahr 2003 verglichen
(siehe Tabelle 2). Demnach ergibt sich, dass die in Deutschland geschätzten Aufnahmen für
PCDD/F und die Summe aus PCDD/F und dl-PCB TEQ WHO 1998 im Bereich anderer
Studien liegen. Es bleibt jedoch zu berücksichtigen, dass alle vergleichbaren Aufnahmeschätzungen mit Gehaltsdaten vor 2004 erfolgten und ein abnehmender Trend zu erwarten
gewesen wäre, der sich insbesondere im Vergleich zu den 2003 in Deutschland ermittelten
Schätzungen nicht erkennen lässt.
Tabelle 2: Vergleich der Schätzung der PCDD/F bzw. PCDD/F+dl-PCB-Aufnahme der Durchschnittsverzehrer mit
Abschätzungen anderer Länder (entnommen Schwarz et al. 2010). Soweit nicht anders vermerkt, sind die upper
bound-Werte angegeben. Die Jahreszahlen beziehen sich auf die zugrunde gelegten Belastungswerte.
D
D
BfR
LExUKon
UK
Katalonien,
(2000(2000-2009)
Lower-Bound –
Finnland
Spanien
TDS
2003,
Niederlande
Frank-
(1998-1999)
reich
40-Jährige
(2001-
Lower-Bound
2004)
0,6
0,5
1,1
1,8
Tarragona,
Spanien (2000) Spanien (2002)
(1997-1999) (2000-2003)
(2001)
Medium-Bound Medium-Bound
medium
Upper-Bound
bound)
PCDD/F TEQ WHO 1998 [pg/kg KG pro Tag]
0,4 - 0,7
0,7
0,4
0,8
1,4
1,5
1,0
PCDD/F+dl-PCB TEQ WHO 1998 [pg/kg KG pro Tag]
1,8 - 2,4
2,0
0,9
1,5
3,2
--
--
In der zweiten französischen Total Diet Study (TDS) liegen die Werte für Erwachsene bei bis
zu 0,6 pg PCDD/F+dl-PCB TEQ WHO 1998 pro kg KG und Tag für den Durchschnittsverzehrer. Für Kinder ergibt sich eine durchschnittliche Aufnahme von bis zu 0,9 pg
PCDD/F+dl-PCB TEQ WHO 1998 pro kg KG und Tag (Sirot 2011). Dabei ist einschränkend
72
anzumerken, dass es sich hier um medium-bound-Schätzungen handelt und die Gruppe Obst/
Gemüse nicht in die Schätzung einbezogen wurde. Dennoch liegen die Werte deutlich unter
denen für Deutschland ermittelten Werten. Weiterhin ist davon auszugehen, dass die
Unterschiede zu einem nicht unerheblichen Teil auf methodische Unterschiede zwischen
Verwendung von TDS-Daten und Überwachungsdaten zurückzuführen sind. Aufgrund
dessen, dass die am höchsten exponierten Erwachsenen und Kinder teilweise in Höhe oder
über dem TWI liegen, wird von den Koordinatoren der zweiten französischen TDS
geschlussfolgert, dass Risiken nicht ausgeschlossen werden können und Anstrengungen nötig
sind, die Exposition zu reduzieren (ANSES 2011).
Wie bereits Tabelle 1 zu entnehmen ist, ergibt sich eine erhebliche Unsicherheit aus den nicht
bestimmbaren bzw. nicht nachweisbaren Werten. So liegt die Upper Bound-Schätzung der
Aufnahme von PCDD/F+dlPCB 33% über der Lower Bound-Schätzung, für PCDD/F sogar
89% darüber. Insbesondere Lebensmittel nicht-tierischen Ursprungs werden bei der UpperBound-Methode voraussichtlich stark überschätzt. Zudem ist festzustellen, dass es starke
Unterschiede in Bestimmungsgrenzen einzelner Labors gibt und die berichteten Bestimmungsgrenzen teilweise relativ hoch und gleich mit den mindest einzuhaltenden Bestimmungsgrenzen im Lebensmittel-Monitoring sind.
Neben den in der Bereichsschätzung bereits berücksichtigten Unsicherheiten bei nicht
bestimmbaren Werten ergeben sich die Unsicherheiten im Wesentlichen aufgrund einer als
unzureichend einzustufenden Datenlage bei den Gehaltsdaten. Eine Unsicherheit erwächst
daraus, einen geeigneten Kompromiss zwischen der Aktualität der einbezogenen Gehaltsdaten
und der mit Gehaltsdaten belegten Lebensmittelgruppen zu finden. Da es generell weniger
aktuelle Daten gibt, als zu Projektbeginn erwartet wurde, würde eine zu enge zeitliche
Eingrenzung dazu führen, dass für zu viele LM-Gruppen, keine Belastung angegeben werden
kann. Darüber hinaus wurde bei der Entscheidung, Daten ab 2000 einzubeziehen berücksichtigt, dass es eine klare Abnahme der Dioxin-Gehalte bis 2000 gab, danach jedoch kein
einheitliches Bild in den Trends zu erkennen ist oder die Abnahme zumindest wesentlich
weniger rapide erfolgte (CVUA 2007, LAVES 2006).
Basierend auf der 3. Auswertung der Dioxindatenbank des BVL vom 16.12.2010 (BVL 2010)
wurden alle Lebensmittelgruppen auf Trends untersucht, für die mindestens 10 Proben in 2
Beobachtungszeiträumen nach 2000 verfügbar waren. Die Beobachtungszeiträume sind
gruppiert in 1990-1994, 1995-1999, 2000-2004, 2005-2009 und 2010. Die Analyse der
Trends erfolgte auf Basis der Mittelwertvergleiche unter der Berücksichtigung der 95%Konfidenzintervalle getrennt für die Summe PCDD/F und die Summe dlPCB jeweils nach
WHO TEQ 1998. Beispielhaft sind in Abbildung 3 und Abbildung 4 die Ergebnisse
dargestellt. Demnach ergibt sich bei den Dioxinen und Furanen ein signifikanter Trend nach
73
2000 lediglich für Flussaal. Für alle anderen Lebensmittel ergibt sich ein Kurvenverlauf in der
Art von Milch und Butter, bei dem ein zum Teil deutlicher Rückgang der Konzentrationen bis
2000 ersichtlich ist, danach jedoch der Rückgang wesentlich geringer ausfällt (Butter) oder
sogar ein Anstieg zu verzeichnen ist (Milch), der aber nicht mehr signifikant ist. Zu den nicht
dargestellten Lebensmitteln mit einem leichten Anstieg nach 2000 gehören neben Milch
„Fleisch und Fleischerzeugnisse von Geflügel“, „Hühnereier aus Käfighaltung“, „Hühnereier
erzeugt nach Ökoverordnung“ und „Wildschweinfett“. Zu den Lebensmitteln mit einem
leichten nicht signifikanten Rückgang der Gehalte nach 2000 gehören neben Butter „Fleisch
und Fleischerzeugnisse vom Schwein“, „Hühnereier aus Freilandhaltung“ und „Fett von Rind
und Schaf“. Für „Fleisch und Fleischerzeugnisse vom Rind“ zeigt sich kein einheitliches Bild.
Nach einem nicht signifikanten Rückgang bis 1995, erfolgte ein leichter Anstieg bis 2000 mit
einem erneuten Abfall auf das Niveau von 1995. Keiner der Unterschiede in den Mittelwerten
ist auf dem 95%-Niveau signifikant. „Eier aus Bodenhaltung“ wiesen ein konstantes Niveau
vor 2000 mit einem leichten nicht signifikanten Rückgang nach 2000 aus. Alle anderen
Lebensmittelgruppen konnten entweder aufgrund der zu geringen Probenzahlen nicht
berücksichtigt werden, oder weil die Lebensmittelgruppe zu unspezifisch war (z.B. „Obst und
Gemüse“, „Seefische“). Bei unspezifischen Lebensmittelgruppen kann ein möglicherweise
sichtbarer Trend nicht eindeutig interpretiert und auf sinkende Gehalte zurückgeschlossen
werden, da die Ursache für Mittelwertunterschiede auch über die Jahre verschieden beprobte
Spezies sein können.
74
Fleisch, Rind
PCDD/F WHO-TEQ 1998 [pg/g Fett]
Flussaal
PCDD/F WHO-TEQ 1998 [pg/g
Frischgewicht]
9,0
8,0
7,0
6,0
5,0
4,0
3,0
2,0
1,0
0,0
1990-1994
1995-1999
2000-2004
2005-2009
1,2
1,0
0,8
0,6
0,4
0,2
0,0
1990-1994
1,6
1,4
1,2
1,0
0,8
0,6
0,4
0,2
0,0
1990-1994
1995-1995
2000-2004
2005-2009
2000-2004
2005-2009
Butter
PCDD/F WHO-TEQ 1998 [pg/g Fett]
PCDD/F WHO-TEQ 1998 [pg/g Fett]
Milch
1995-1999
2000-2004
2005-2009
1,0
0,9
0,8
0,7
0,6
0,5
0,4
0,3
0,2
0,1
0,0
1990-1994
1995-1999
Abbildung 3: Veränderung der Mittelwerte der Summe der PCDD/F Gehalte (nach WHO-TEQ 1998) und
zugehörigen 95%-Konfidenzintervalle über verschiedene Zeiträume für ausgewählte Lebensmittel
Butter
1,0
0,9
0,8
0,7
0,6
0,5
0,4
0,3
0,2
0,1
0,0
2000-2004
2005-2009
2010-2010
dlPCB WHO-TEQ 1998 [pg/g Fett]
dlPCB WHO-TEQ 1998 [pg/g Fett]
Milch
1,0
0,9
0,8
0,7
0,6
0,5
0,4
0,3
0,2
0,1
0,0
2000-2004
Wildschweinfett
0,6
0,5
0,4
0,3
0,2
0,1
0,0
2000-2004
2005-2009
dlPCB WHO-TEQ 1998 [pg/g Fett]
dlPCB WHO-TEQ 1998 [pg/g Fett]
Hühnereier, Käfighaltung
2005-2009
5,0
4,5
4,0
3,5
3,0
2,5
2,0
1,5
1,0
0,5
0,0
2000-2004
2005-2009
Abbildung 4: Veränderung der Mittelwerte der Summe der dlPCB Gehalte (nach WHO-TEQ 1998) und zugehörigen
95%-Konfidenzintervalle über verschiedene Zeiträume für ausgewählte Lebensmittel
75
Die Vorläufigkeit der Schätzung ist auch damit begründet, dass nicht alle verfügbaren Daten
einfließen konnten, da insbesondere Daten der Nationalen Statuserhebung (BMEL 2009)
außer für Fisch nicht als Einzeldaten zur weiteren Analyse vorlagen, aber nach Einschätzung
eine wesentliche Verbesserung der Schätzung ermöglichen würden.
Eine weitere Unsicherheit konnte darin identifiziert werden, dass aufgrund der hohen
Variabilität der Dioxingehalte in einigen Lebensmitteln (z. B. Eiern) die Anzahl verfügbarer
Proben oft nicht genügt, eine robuste Schätzung der Gehalte im Lebensmittel abzuleiten. In
diesem Zusammenhang ist eine weitere Quelle für Unsicherheiten darin zu sehen, dass für
einige Lebensmittel nicht nach Untergruppen unterteilt werden konnte, die offensichtlich
abweichende Belastungen aufweisen (Bsp. Betriebsgröße und Haltungsform der Legebetriebe). Resultierend aus dieser Unsicherheitsanalyse ist festzustellen, dass weitere Daten
über das Vorkommen von Dioxinen und PCB in Lebensmitteln es ermöglichen würden,
einige der wichtigen Unsicherheiten deutlich zu reduzieren. Abbildung 5 stellt beispielhaft die
Verteilung der im Lebensmittel-Monitoring vorliegenden Werte von Eiern dar. Diese
empirische Verteilung deutet darauf hin, dass es sich nicht um eine unimodale homogene
Verteilung handelt, sondern dass von übereinanderliegenden Verteilungen mit unterschiedlichen Mittelwerten und Varianzen ausgegangen werden muss. Dies wird durch die oben
durchgeführten Auswertungen der Dioxindatenbank, sowie durch Auswertungen des BVL
und der Nationalen Statuserhebung untermauert, nach denen es Hinweise darauf gibt, dass
Eier aus Freilandhaltung und kleineren Betrieben höhere Gehalt an PCDD/F bzw. dlPCB
aufweisen, als Eier aus größeren Betrieben und Bodenhaltung (BVL 2009, BMELV 2009).
Insgesamt lagen im LM-M zwei von 34 Proben oberhalb des Höchstgehaltes und mussten
beanstandet werden. Das Problem der hohen Variabilität zeigt sich auch darin, dass abgesehen
von diesen beiden Überschreitungen ca. 70% der Proben unterhalb des halben Höchstgehaltes
liegen, allerdings liegen auch deutlich mehr Proben als beispielsweise bei Milch in der Nähe
des Höchstgehaltes. Eine der beiden Proben, die den Höchstgehalt überschreiten lag mit 7
pg/g Fett nur leicht über dem Höchstgehalt, die andere Probe mit 262 pg/g Fett um ein
Vielfaches darüber. Entsprechend des Berichtes des BVL (2009) stammt diese Probe aus
Freilandhaltung und deutet auf eine auf diesen Einzelfall beschränkte besonders hohe
Kontamination mit dl-PCB hin. Dieser Wert ist auch in der Dioxindatenbank enthalten, dort
aber nur einer von 598 erfassten Gehalte für Eier, so dass dessen Einfluss auf die
Mittelwertschätzung stark relativiert wird. Durch Verwendung des mittleren Gehaltes aus der
Dioxindatenbank anstelle des LM-M wird aus dem abgeschätzten Bereich von 12,7-16,9 der
Bereich 10,8–14,9 pg/kg Körpergewicht pro Woche für die Gesamtaufnahme PCDD/F-dlPCB
nach WHO TEQ von 1998. Allerdings ist unklar, inwieweit die in der Dioxindatenbank
enthaltenen Lebensmittel repräsentativ für den deutschen Markt sind und dort
marktäquivalente Anteile der verschiedenen Haltungsformen (Boden- oder Freilandhaltung
76
bzw. ökologische oder konventionellen Tierhaltung), Betriebsgrößen, Anteil Import, Export
im Verhältnis zu deutscher Produktion abgebildet sind. Die Ergebnisse verdeutlichen jedoch,
dass die diskutierten Einflussfaktoren bei der zukünftigen Datenerhebung berücksichtigt
werden sollten.
Höchstgehalt
35%
30%
Anteil
25%
20%
15%
10%
5%
0%
0,0
0,5
1,0
1,5
2,0
2,5
3,0
3,5
4,0
4,5
5,0
5,5
6,0
größer
Abbildung 5: Gehalte in Eiern im Lebensmittel-Monitoring 2007/ 2008 berechnet als WHO-PCDD/F+dl-PCB-TEQ
nach upper-bound-Methode in pg/g Fett (n=34)
Zusammenfassung
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Vorläufigkeit der im LExUKon-Projekt für die
Dioxin- und PCB-Aufnahme präsentierten Ergebnisse dadurch begründet ist, dass:
 die Datenlage schlechter ist als erwartet und nicht alle verfügbaren Datenquellen
einfließen konnten,
 die Unsicherheiten durch die nicht analytisch bestimmbaren/ nachweisbaren Werte
relativ hoch ist,
 die Variabilität der Gehalte aufgrund unzureichender Daten nicht immer adäquat in
der Schätzung berücksichtigt werden konnte und
 vermutete Einflussfaktoren für die Gehalte bei der Datengewinnung nicht ausreichend
berücksichtigt werden konnten.
Sowohl die Anzahl untersuchter Lebensmittel-Gruppen muss zukünftig erweitert werden, als
auch die Anzahl Proben pro Lebensmittelgruppe. Ziel muss es sein, für einen Zeitraum in dem
keine relevanten Trends ersichtlich sind, ein breites Spektrum der Lebensmittelpalette mit
ausreichender Probenzahl zu untersuchen. Unter diesem Gesichtspunkt stellt der Ansatz einer
77
TDS, wie beispielsweise in Frankreich durchgeführt, eine kostengünstigere Alternative dar,
um die mittlere Hintergrundbelastung zu ermitteln.
Es hat sich gezeigt, dass die Dioxindatenbank eine wichtige Datengrundlage für Expositionsschätzungen darstellt. Allerdings ist die Information je untersuchte Probe in vielen Fällen
lückenhaft dokumentiert und nicht über das Internetportal abrufbar.
Auch wenn eine Verringerung der Unsicherheiten durch Werte unter der Nachweis-/
Bestimmungsgrenze unbedingt anzustreben ist, lässt sich im Ergebnis sagen, dass sich auch
unter Berücksichtigung der Unsicherheiten durch Werte unter der Nachweisgrenze, unzureichende Fallzahlen und Ausreißern in den Gehaltsdaten für Deutschland eine analoge
Schlussfolgerung ziehen lässt, wie aus der zweiten französischen TDS. Risiken können für
einige Verbrauchergruppen nicht ausgeschlossen werden und es sind weitere Anstrengungen
nötig, um die Dioxin- und PCB-Aufnahme zu reduzieren.
Die im Vergleich zu früheren Schätzungen erwartete Abnahme der Dioxin- und PCBAufnahme konnte nicht bestätigt werden. Allerdings ließen sich auch nicht die erwarteten
Trends bei den Gehalten an Dioxinen und PCB in Lebensmitteln nachweisen. Die untersuchten Trends weisen nicht in eine eindeutige Richtung. Bei den Lebensmitteln, für die ein
Abwärtstrend zu erkennen ist, verläuft dieser seit 2000 deutlich flacher als zuvor, so dass
fraglich ist, ob die erwartete signifikante Abnahme der Dioxin- und PCB-Aufnahme
realistisch ist. Eine Überschätzung, die aus dem Einbeziehen von Gehaltsmessungen im
Zeitraum 2000-2009 resultieren könnte, ist somit als gering anzusehen und kann akzeptiert
werden, wenn man berücksichtigt, dass bei Beschränkung auf kleinere Zeitspannen die
Gefahr einer Unterschätzung bestehen würde.
Darüber hinaus hat sich im Projekt gezeigt, dass Lebensmittel mit geringen Belastungen aber
hohem Verzehr einen hohen Einfluss auf die Gesamtexposition haben, so dass zur
Verringerung der Unsicherheiten der Expositionsschätzung gerade hier eine Verbesserung der
Datenlage anzustreben ist, auch wenn nicht mit Höchstgehaltsüberschreitungen zu rechnen ist.
Derzeit fehlen analoge Expositionsschätzungen für Kinder in Deutschland, die jedoch unter
Beachtung der höheren Aufnahme in der zweiten französischen TDS unbedingt noch ermittelt
werden sollte.
Um die Unsicherheiten zu reduzieren und von einer vorläufigen Schätzung zu einer
verfeinerten Abschätzung zu gelangen, sollten in einem nächsten Schritt die Daten aus der
Statuserhebung für Fleisch, Milch und Ei eingebunden werden. Langfristig wäre die
Durchführung einer TDS in Deutschland wünschenswert, die auch für Dioxine und PCB in
78
einem zeitlich eng umrissenen Rahmen Hintergrundkonzentrationen für eine breite Lebensmittelpalette zur Verfügung stellt.
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21.
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Blume K., Lindtner O., Schneider K., Schwarz M., Heinemeyer G. (2010) Aufnahme von
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und Verbraucherschutz. Reihe A: Angewandte Wissenschaft, Heft 522.
Verlagsgesellschaft W.E. Weinmann e.K., Filderstadt
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BVL, Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (2009): Berichte zur
Lebensmittelsicherheit 2008. Lebensmittel-Monitoring. Gemeinsamer Bericht des
Bundes und der Länder. Birkhäuser Verlag Basel - Boston – Berlin
BVL, Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (2010): 3. Auswertung
zu Dioxinen und PCB in Lebensmitteln. Interner Report vom 16.10.2010.
CVUA, Chemisches und Veterinäruntersuchungsamt Freiburg (2007). Jahresbericht 2007.
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Karl, H.; Ruoff, U. (2007) Polychlorierte Dibenzodioxine und – furane, dioxinähnliche PCB
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Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel, BFEL, 2007. Online:
http://www.mri.bund.de/de/veroeffentlichungen/archiv/2007.html, Druckdatum April
2010
LAVES, Niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit
(2006) Tätigkeiten und Untersuchungsergebnisse des LAVES. Oldenburg. Online
http://www.laves.niedersachsen.de/portal/live.php?&article_id=73532&navigation_id
=20150&_psmand=23
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online: http://www.was-esse-ich.de
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das Gesundheits- und Veterinärwesen Sachsen, erschienen in: Bundesgesundheitsblatt
für Gesundheitsforschung und Gesundheitsschutz Nr. 42: 77-84, Springer Verlag.
79
Schwarz, M., Schneider, K., Lindtner, O., Blume, K., Fiddicke, U., Heinemeyer, G. (2010):
Bericht zur Expositionsschätzung für PCDD/F und dl-PCB. Interner Projekt-Bericht
zum LExUKon-Projekt an das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit (BMU). BfR, Berlin. Juli 2010.
Sirot (2011): Persönliche Kommunikation der in Publikation befindlichen Ergebnisse der 2.
französischen TDS.
80
Statuserhebung des Gehaltes an PFT (Perfluorierte organische Tenside) in
Futtermitteln und Lebensmitteln tierischer Herkunft zur Abschätzung der Belastung
T. Stahl und S. Gäth,
Justus-Liebig-Universität Gießen
1.
Einleitung
Die Aufmerksamkeit gegenüber Perfluorierten Tensiden (PFT)1 und deren Verhalten in der
Umwelt hat in den letzten Jahren durch neue und verbesserte Nachweismethoden sowie
gravierende Umweltskandale zugenommen.
Mittlerweile konnten PFT in verschiedenen, stichprobenartig gewonnenen Tier- und Pflanzenproben nachgewiesen werden. Eine systematische Deutung des Verhaltens der PFT in der
Umwelt ist daraus allerdings nur eingeschränkt möglich.
Die einzelnen Nachweise von PFT in Umweltproben und das zunehmende Interesse an dieser
Stoffgruppe in der Gesellschaft erinnern an die Entwicklungen des Kenntnisstandes über
Dioxine und (dioxinähnlichen) PCB. Auch bei diesen umweltrelevanten Stoffgruppen wurde
durch verschiedene systematische Untersuchungsprogramme der Erkenntnisstand schrittweise
vorangetrieben. Im Jahr 2009 wurde der Abschlussbericht „Statuserhebung zu Dioxinen und
PCB in Futter- und vom Tier stammenden Lebensmitteln“ vorgelegt, dessen Untersuchungen
den Zeitraum 2004-2008 umfassen.
Die in diesem, vom BMELV geförderten Verbundvorhaben gewonnenen Proben sind
dahingehend wertvoll, da sie zum einen ein breites Spektrum unterschiedlicher Herkünfte und
Produktionsbedingungen abbilden, zum anderen ausreichend dokumentiert und archiviert
sind.
Vor diesem Hintergrund war es das Ziel des abgeschlossenen BMELV-Vorhabens, die im
Dioxin- bzw. PCB-Untersuchungsprogramm gewonnenen und untersuchten Proben auf die
(neue) Stoffgruppe der PFT zu untersuchen.
Mit diesen Proben soll die Belastung der Futter- und vom Tier stammenden Lebensmittel mit
PFT besser abgeschätzt und der hierzu bisher nur in geringem Maße vorhandene Datensatz
1
Im vorliegenden Abschlußbericht wird für diese Stoffgruppe das Kürzel PFT verwendet. Im internationalen
Sprachgebrauch lautet das Kürzel PFC (Perfluorinated Compounds).
81
ergänzt werden. Außerdem soll geprüft werden, ob es einen Zusammenhang zwischen dem
Dioxin- bzw. PCB-Status und der PFT-Belastung gibt.
1.2
Stand der Forschung
Organische Fluorverbindungen finden seit mehr als 50 Jahren in allen Lebensbereichen
unserer Zivilisationsgesellschaft und insbesondere in den letzten 25 Jahren zunehmende
Anwendung (Houde et al., 2006, Paul et al., 2009). Neben dem Gebrauch als Feuerlöschmittel, dem vielfältigen Einsatz in der Industrie oder als Bestandteil von pharmazeutischen Wirkstoffen ist der weitreichende Einsatz der mehrfach fluorierten Tenside
(Perfluorierte Tenside – PFT) von großer Bedeutung. Sie sind Bestandteil von Chemikalien,
die zur Verpackung von Lebensmitteln, zur Imprägnierung von Möbeln, Teppichen und
Bekleidung einschließlich Schuhen eingesetzt werden. Der fluorierte Kunststoff PTFE
(Polytetrafluorethylen; Handelsname Teflon®) ist als Pfannen- oder Topfbeschichtung in
privaten Haushalten weit verbreitet. Bei der Produktion von Teflon® werden PFT eingesetzt;
ob diese ggf. bei regelmäßiger Verwendung Teflon®-beschichteter Haushaltsgeräte teilweise
wieder freigesetzt werden können, wird zurzeit diskutiert.
PFT sind chemisch sehr stabil und biologisch kaum abbaubar, was ihnen die Eigenschaft einer
persistenten Substanzklasse verleiht. Durch ihren niedrigen Dampfdruck (geringe
Flüchtigkeit) und ihren amphiphilen Charakter können die PFT zudem bioakkumulieren und
unterliegen auch der Biomagnifikation (Fromme et al., 2007).
PFT wurden in Gewässern, tierischen Organismen, Trinkwasser, Lebensmitteln sowie in
menschlichem Blut und in Frauenmilch nachgewiesen und können als allgegenwärtige
- ubiquitäre - Schadstoffe bezeichnet werden (Fricke und Lahl, 2005). Aus Untersuchungen
bestimmter Lebensmittel und Futtermittel geht hervor, dass sich PFT in Organen von
Wildtieren (Leber) anreichert.
Untersuchungen an Tieren haben gezeigt, dass perfluorierte Tenside (PFT) in hohen Dosen
Gesundheitsschäden, z. B. Leberkrebs bei Ratten, hervorrufen können (Stahl et al., 2007;
Fricke und Lahl, 2006).
Perfluoroctansäure (PFOA –perfluorooctanic acid) und die Perfluoroctansulfonsäure (PFOS –
perfluorooctanic sulfonate) werden als Leitparameter der PFT betrachtet. Die Strukturformeln
einiger wichtiger perfluorierter Substanzen sind in Abbildung 1 skizziert.
PFOS kann im Blutserum von Menschen mit und ohne berufsbedingte Exposition bis in den
Bereich von wenigen mg L-1 nachgewiesen werden (Umweltbundesamt, 2004). Zu Konzen-
82
trationen von PFOA im Menschen gibt es bis heute weniger Daten verglichen mit PFOS.
Über die Umweltprobenbank des Bundes konnten Belastungen im Blutplasma junger, nicht
spezifisch exponierter Probanden in Form von PFOS-Konzentrationen von 5,5−104 ng mL-1
und PFOA-Konzentrationen von 1,4−57,7 ng mL-1 ermittelt werden (Umweltbundesamt,
2004).
Aus jüngsten Untersuchungen liegen mittlerweile Daten aus Deutschland und verschiedenen
anderen Ländern zur inneren PFT-Belastung der Allgemeinbevölkerung vor. Diese Daten
erlauben die Ableitung von Referenzwerten für Perfluoroctansäure (PFOA) und Perfluoroctansulfonsäure (PFOS) in Humanblut. Die Belastungssituation in Europa stellt sich recht
homogen dar. In Deutschland, Belgien und Schweden liegen die mittleren PFOS-Konzentrationen zwischen etwa 10 und 34 μg/L. Die niedrigsten Werte wurden in Italien in einem
regional sehr begrenzten Gebiet registriert (um 4 μg/L). Die höchsten mittleren PFOSKonzentrationen wurden in Blutproben eines polnischen Kollektivs gemessen. Ein ähnliches
Bild auf etwas niedrigerem Niveau ergibt sich für die Belastungssituation mit PFOA. Die
höchsten Konzentrationen werden in Industrienationen registriert (Umweltbundesamt, 2009).
Entgegen vieler anderer so genannter „Neuer Schadstoffe“, die häufig in Umweltproben,
jedoch seltener in Humanproben festgestellt werden, liegt bezüglich der vorgenannten
verschiedenen fluorierten Tenside eine hohe Exposition des Menschen vor. Da auch nicht
unmittelbar exponierte Personen eine Hintergrundbelastung mit diesen Stoffen aufweisen, gilt
es, deren Aufnahme über die verschiedenen Pfade abzuschätzen.
83
Abbildung 1:
Strukturformeln einiger perfluorierter
Substanzen.
(A): Perfluorooctansulfonate (PFOS)
(B): Perfluorooctanoat (PFOA)
(C): 1-Hydroxyethan-2-perfluoroctanol (8:2
FTOH)
(D): N-Ethyl Perfluoroctan
sulfonamidothanol (NEtFOSE)
(E): N-Ethyl Perfluoroctan sulfonamid
(NEtFOSA).
(aus Fromme et al., 2009).
PFOA und PFOS bioakkumulieren sowohl in aquatischen als auch in terrestrischen
Lebewesen: Sie werden nach oraler Aufnahme schnell resorbiert, werden langsam und in
geringen Mengen ausgeschieden und reichern sich im Organismus an. Für den menschlichen
Körper wird von einer Halbwertzeit für PFOS und PFOA von etwa 4,5 Jahren ausgegangen.
Im Rahmen des Humanbiomonitorings konnten die Substanzen im menschlichen Vollblut
sowie in Serum, Plasma und in Frauenmilch nachgewiesen werden (Stahl und Brunn, 2009).
Da die inhalative und die dermale Aufnahme von PFOA und PFOS nach derzeitigem
Kenntnisstand von untergeordneter Bedeutung sind, geht man davon aus, dass deren
Aufnahme über Nahrungsmittel einschließlich des Trinkwassers der Hauptaufnahmepfad ist
(Fromme et al., 2009). Bestätigt wird diese Annahme durch die Untersuchung von Tittlemeier
et al. (2007), die eine gesamte Tagesaufnahme von 410 ng für perfluorierte Carboxylsäuren
und PFOS abschätzen, wobei hierbei 250 ng auf den Nahrungsmittelverzehr zurückzuführen
sind (Tittlemeier et al., 2007). Ericson et al. (2008) konstatierten aufgrund einer Studie in
84
Katalonien, Spanien, dass Trinkwasser in manchen Fällen eine ähnlich hohe Bedeutung als
Expositionspfad wie die Nahrungsmittelaufnahme haben kann.
2.
Material und Methoden
2.1
Bestimmung von PFT in Lebensmitteln
Die PFT werden durch Extraktion mit einem Acetonitril-Wasser-Gemisch aus der Probe
gelöst und über Festphasenextraktion isoliert. Die Bestimmung erfolgt anschließend nach der
Methode des internen Standards durch HPLC –Tandem - Massenspektrometrie.
Flüssig-Extraktion
Ca. 1,0 g der homogenisierten Probe wird genau in ein 20 ml Kunststoff-Zentrifugenröhrchen
eingewogen und mit 2.0 ml dest. Wasser, 2.0 ml Acetonitril sowie 40 µL ISTD-Lösung
(Interner-Standard-Lösung) versetzt. Das Röhrchen wird verschlossen, 1 min kräftig von
Hand, und anschließend weitere 30 min auf der Maschine geschüttelt. Nach Zugabe einer
Mischung aus 0.8 g Magnesiumsulfat, 0.2 g Natriumchlorid, 0.10 g Dinatriumhydrogencitrat
Sesquihydrat und 0.2 g Trinatriumcitrat Dihydrat wird erneut kräftig von Hand geschüttelt.
Anschließend wird das Gemisch 5 min bei 4000g zentrifugiert.
Festphasenextraktion
Eine OASIS-WAX-Säule (60 mg, 3 ml) wird mit 2 ml Ameisensäure 0.1% und anschließend
mit 2 ml Methanol konditioniert. Die gesamte erhaltene organische Phase wird mit 2.0 ml dest
Wasser gemischt und über die Säule gegeben. Anschließend wird die Säule mit 1 ml
Ameisensäure 2 %ig, gefolgt von 1 ml Methanol gewaschen und trocken gesaugt. Die PFT
werden anschließend mit 750 µL Ammoniak 1%ig in Methanol/TBME (Tertiärbuthyl
Methylether) (1:3 v/v) in ein Kunststoffröhrchen eluiert und mit Methanol auf 1.0 ml
aufgefüllt.
Auswertung, Berechnung und Angabe der Ergebnisse
Die Berechnung der einzelnen Substanzgehalte erfolgt über verschiedene interne Standards.
In der folgenden Tabelle ist den einzelnen PFT der jeweilige ISTD zugeordnet.
85
Tabelle 1: Analysierte Substanzen und der zugeordnete interne Standard
Substanz
ISTD
PFPeA
PFHxA
PFHpA
PFOA
PFNA
PFDA
PFDoDA
PFBS
PFHxS
PFOS
PFHxA-13C
PFHxA-13C
PFHxA-13C
PFOA-13C
PFNA-13C
PFDA-13C
PFDA-13C
PFOA-13C
PFOA-13C
PFOS-13C
Die Bestimmungsgrenzen für die untersuchten Proben sind in der folgenden Tabelle
angegeben.
Tabelle 2: Bestimmungsgrenzen der Einzelsubstanzen in den unterschiedlichen Matrizes
Matrix
Bestimmungsgrenze (BG)
Raufutter
Rindfleisch
Milch
Eier
Fische
2.2
1 µg/kg TS
1 µg/kg TS
1 µg/L
0,4 µg/kg
1 µg/kg TS
Herkunft und Auswahl der Proben
Für die Untersuchungen wurde auf einen maßgeblichen Teil der im Rahmen des Forschungsprojektes des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und
des Max Rubner-Instituts zur Durchführung einer nationalen Statuserhebung von Dioxin- und
dioxinähnlichen PCB-Verbindungen in Futter- und vom Tier stammenden Lebensmitteln
erhobenen und dokumentierten Proben zurückgegriffen.
Im Rahmen des geförderten Vorhabens sollten ca. 120 Proben aus dem Probenpool
herangezogen werden. Tatsächlich wurden 111 Proben aus dem Probenpool des Forschungsprojektes des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und
des Max Rubner-Instituts zur Durchführung einer nationalen Statuserhebung von Dioxin- und
dioxinähnlichen PCB-Verbindungen in Futter- und vom Tier stammenden Lebensmitteln
(BMELV 2009) herangezogen. Daneben wurden 31 Fischproben in das Untersuchungsprogramm einbezogen, die vom Landesbetrieb Hessisches Landeslabor stammen.
86
Raufutter
Die Probenahme der Futtermittelproben erfolgte durch die Futtermittelkontrollbehörden in
den jeweiligen Bundesländern. Die Auswahl der 30 untersuchten Raufutterproben wurde vom
Max Rubner-Institut (Standort Kulmbach) getroffen.
Rindfleisch
Die Probenahme der Fleischproben erfolgte in Metzgereifachgeschäften im gesamten Bundesgebiet. Die Auswahl der 48 Rindfleischproben wurde vom Max Rubner-Institut (Standort
Kulmbach) getroffen.
Milch
Die Kühe wurden zufällig aus dem Bestand der Milchviehherde der Versuchsstation für
Nutztierbiologie und Ökologischer Landbau der Universität Hohenheim ausgewählt. Sie
wurden beim Abendgemelk für die Probenziehung zunächst von Hand und dann mit der
Maschine gemolken.
Eier
Die Probenahme der Ei-Proben erfolgte verbraucherorientiert durch den Einkauf im Einzelhandel und auf regionalen Märkten. Die 21 Ei-Proben (10 mal Eiklar, 11 mal Dotter) wurden
vom Max Rubner-Institut (Standort Kulmbach) bereitgestellt, für die Analysen wurden zwei
Einkaufschargen unterschiedlicher Dioxinbelastung ausgewählt.
3.
Ergebnisse
3.1
Untersuchungsergebnisse
3.1.1 Raufutterproben
Die in Abbildung 2 dargestellten Analysenergebnisse auf PFT in verschiedenen Futtermitteln
zeigen deutliche Schwankungen und Verteilungsunterschiede der unterschiedlichen PFT in
Gras, Grassilage, Heu und Maissilage, wobei kein deutlicher Trend abgeleitet werden kann.
87
Abbildung 2: Untersuchungsergebnisse der Raufutterproben (BG: 1µg/kg TS)
Dennoch zeigen die Ergebnisse, dass Raufutterproben – je nach Herkunft und Produktionsbedingungen – deutliche PFT-Konzentrationen haben können. Neben PFOA und PFOS sind
in einigen Proben auch PFHxA nachweisbar. Die Verteilung von PFOA:PFOS schwanken
zwischen 38:62 und 75:25.
Wie Abbildung 3 zeigt, besteht kein direkter Zusammenhang zwischen der PFTKonzentration und der PCB- bzw. TEQ-Belastung der Raufutterproben.
Abbildung 3: Darstellung der Summe PFT über den Gesamt TEQ der untersuchten
Futtermittelproben
88
3.1.2 Rindfleischproben
Abbildung 4 zeigt die analysierten PFT-Gehalte in Rindfleischproben bezogen auf die
Trockenmasse. Für eine grobe Umrechnung in die Frischmasse sind die Ergebnisse mit 0,36
zu multiplizieren (TS-Gehalt von 35-38%).
Für PFOS liegt ein Wert oberhalb der Bestimmungsgrenze vor, PFOA wird in 25% der
untersuchten Proben oberhalb der Bestimmungsgrenze gefunden. Ob ökologisch erzeugte
Proben geringer belastet sind als konventionelle Ware, kann anhand der Ergebnisse nicht
ausgesagt werden, da der Stichprobenumfang zu gering ist.
Abbildung 4: Analysenergebnisse auf PFT in gefriergetrockneten Rindfleischproben (BG:
1µg/kg TS)
Inwieweit der hohe gemessene Wert der Einzelprobe 44805 auf eine Kontamination durch die
Nutzung teflonhaltiger Schneidbretter etc. zurückzuführen ist, konnte nachträglich nicht
geklärt werden. Die folgende Abbildung zeigt, dass wie bei den Raufutterproben auch bei den
Rindfleischproben kein systematischer Zusammenhang zwischen den beiden Stoffgruppen
Dioxine/PCB und PFT besteht.
89
Abbildung 5: Zusammenhang zwischen der PFT-Konzentration und der TEQ-Konzentration
von 46 Rindfleischproben
Im Rahmen des Untersuchungsprogramms wurden keine Innereien untersucht. Inwieweit
PFOS - wie beim Wildschwein - auch beim Rind in der Leber angereichert wird, kann somit
nicht ausgesagt werden. Dies sollte aber durch weitere Untersuchungen geklärt werden.
3.1.3 Milch
Die in Abbildung 6 dargestellten Analysenergebnisse auf PFT in Milch zeigen bei drei Proben
Gehalte an PFOS im Bereich der Bestimmungsgrenze. In einem Fall wird PFOA gefunden.
Das Melken fand zunächst per Hand (Kürzel H) und nachfolgend mit der Melkmaschine
(Kürzel M) statt. Entsprechend handelt es sich bei dem PFOA-Fund in Probe 26H augenscheinlich um eine Verunreinigung. Ob eine Verunreinigung durch die Melkmaschinen zu
den PFOS-Funden in den Proben 42M und 64M geführt hat, oder ob die Gehalte der
restlichen Proben nur knapp unter der Bestimmungsgrenze liegen, kann hier nicht sicher
gesagt werden. Da die Tiere das gleiche Futter erhalten haben, sollten sich die PFT-Gehalte in
der gleichen Größenordnung bewegen.
90
Abbildung 6: Analysenergebnisse auf PFT in Milchproben (H: Hand; M: Maschine) (BG:
1µg/L)
Für die Milchproben, die erst im Januar 2009 gewonnen wurden, liegen keine vergleichbaren
Dioxin-/PCB-Messungen vor. Aufgrund der geringen PFT-Befunde wäre ein statistischer
Vergleich auch unmöglich.
3.1.4 Eier
In Abbildung 7 sind die Analysenergebnisse auf PFT in den verschiedenen Ei-Proben –
getrennt nach Dotter D und Eiklar K - dargestellt.
Abbildung 7: Analysenergebnisse auf PFT in Ei-Proben (D= Dotter; K= Eiklar) (BG:
0,4µg/kg)
91
Wie die Ergebnisse zeigen, tritt PFOS ausschließlich in den Eidotterproben oberhalb der
Bestimmungsgrenze auf. Innerhalb der Einkaufschargen 181/07 und 51/07 schwanken die
Gehalte an PFOS zwischen unterhalb der Bestimmungsgrenze und 0,7 µg/kg. Die Ergebnisse
für den Gesamt TEQ und den Ind-PCB sind in Tabelle 3 angegeben.
Tabelle 3: Ergebnisse für TEQ und Ind-PCB für die Probencharge
Probencharge
181/07
Gesamt-TEQ
[ng/kg Fett]
0,50
Ind-PCB
[µg/kg Fett]
6,14
81/07
4,12
16,04
Gesamt TEQ und Ind-PCB wurden ebenfalls ausschließlich in den Eidotter-Proben gefunden.
4.
Fazit
Proben aus der Statuserhebung von Dioxin- und dioxinähnlichen PCB-Verbindungen in
Futter- und Lebensmitteln wurden auf ihre PFT-Belastung analysiert. Mittels 30 Raufutter-,
48 Rindfleisch- und 21 Ei-Proben aus der PCB-Erhebung und 12 Milchproben von einer
Versuchsstation der Universität Hohenheim wurde die Verbraucherbelastung mit PFT über
die Nahrung abgeschätzt.
Die Ergebnisse zeigen deutliche Schwankungen der unterschiedlichen PFT in Gras, Grassilage, Heu und Maissilage. Die Mittelwerte über alle Raufutterproben lagen für PFOA bei
3,2 µg/kg TS, für PFOS bei 1,7 µg/kg TS.
Bei Rindfleischproben lag für PFOS ein Wert oberhalb der Bestimmungsgrenze vor, PFOA
wurde in 25% der Proben oberhalb der Bestimmungsgrenze gefunden (Mittelwerte: 1,1 und
0,7 µg/kg TS für PFOA bzw. PFOS).
In Milch waren 3 von 12 Proben bei PFOS im Bereich von 1 µg/L.
PFOS lag in 6 von 11 Eidotterproben über (Mittelwerte: 0,2 µg/kg und 0,3 µg/kg für PFOA
bzw. PFOS), in allen Eiklarproben unter der Bestimmungsgrenze.
Ein Zusammenhang zwischen der Dioxin-/dioxinähnlichen PCB-Belastung und den PFTKonzentrationen konnte in keinem Fall nachgewiesen werden. Das bedeutet, dass die PFTBelastung von Futter- bzw. Lebensmitteln im Regelfall andere Wirkungsketten und Prozessschritte haben muss, als für Dioxine/PCB erforscht. In diesem Sinne ist weiterer
Forschungsbedarf notwendig!
92
Mit der vorliegenden Untersuchung wird ein kleiner Teil des Nahrungsmittelspektrums
abgedeckt. Ein großer Teil der Proben weist Befunde unterhalb der Bestimmungsgrenze auf.
Da die langfristige Wirkung einer kontinuierlichen PFT-Aufnahme nicht geklärt ist und
häufig Werte unterhalb der Bestimmungsgrenze ermittelt werden, sollte die Weiterentwicklung der Analytik forciert werden. Nur mit empfindlicherer Analytik und flächendeckender Untersuchung der Nahrungsmittel können eine realistische Belastungs- und
Gefährdungsbeurteilung realisiert und Ansatzpunkte für eine Reduktion gefunden werden.
5.
Literaturverzeichnis
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(PFOA)
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94
Carry over von perfluorierten Tensiden bei Nutztieren
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Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Berlin 1)
Chemisches und Veterinäruntersuchungsamt Münsterland-Emscher-Lippe (CVUA-MEL) 2)
Hintergrund
Perfluorierte Tenside (engl. Perfluoroalkyl acids „PFAA“) sind organische Verbindungen, die
aus einer hydrophoben vollständig mit Fluoratomen besetzten Kohlenstoffkette sowie einer
endständigen hydrophilen funktionellen Gruppe bestehen (Barkowski et al. 2007). Die
Kohlenstoff-Fluor-Verbindungen bedingen eine hohe biologische, chemische und thermische
Stabilität der Verbindungen (Fricke und Lahl 2005). PFAA widerstehen dem Abbau durch
Säuren, Basen, Oxidations- und Reduktionsmitteln. Des Weiteren sind sie inert gegenüber
photolytischen Prozessen, mikrobiellem Abbau und werden nicht metabolisiert (Parson et al.
2008). Perfluorierte Tenside sind rein industriellen Ursprungs und werden aufgrund ihrer
besonderen technologischen Eigenschaften sowie ihrer wasser-, schmutz- und fettabweisenden Eigenschaften in einer Vielzahl von industriellen Prozessen und verbrauchernahen
Produkten (z.B. Textil- und Papierindustrie, Photoindustrie, Luftfahrt, Galvanik, Herstellung
von Fluorpolymeren) verwendet (Fricke und Lahl 2005).
Die toxikologisch am besten untersuchten Verbindungen sind Perfluoroctansäure (PFOA) und
Perfluoroctansulfonsäure (PFOS). Beide Verbindungen besitzen eine lange Halbwertszeit im
menschlichen Organismus (4 bis 5 Jahre, Lau et al. 2007), reichern sich bevorzugt in der
Leber an und erwiesen sich in subchronischen und chronischen Studien als kanzerogen und
reproduktionstoxisch. Ihre strukturbegründete Persistenz und Bioakkumulation sowie das
breite Anwendungsspektrum führten zu einer ubiquitären Verbreitung in der Umwelt, die sich
in den PFAA-Gehalten verschiedenster Wildtiere (z.B. Eisbär, Karibu, Robben, Tiger,
Löwen) widerspiegelt (Giesy und Kannan 2001, Kannan et al. 2005, Li et al. 2008).
Untersuchungen zu PFAA-Konzentrationen im Blut zeigen, dass für den Menschen von einer
geringen Hintergrundbelastung gegenüber PFOA und PFOS auszugehen ist. Vestergren and
Cousin (2006) ermittelten für die Menschen in Industrieländern eine mittlere PFOAKonzentration von 2 bis 8 µg/L Blut. Die mittlere Konzentration für PFOS im Blut ist höher
und liegt in den europäischen Ländern im Mittel zwischen 4 und 53 µg/L bzw. in den USA
zwischen 18 und 37 µg/L (Fromme et al. 2008). Die menschliche PFAA-Aufnahme erfolgt
vermutlich im Wesentlichen über Lebensmittel tierischer Herkunft (Trudel et al. 2008).
95
Seit 2006 sind PFAA ein für den Verbraucherschutz relevantes Umweltthema in der
Bundesrepublik, nachdem bekannt wurde, dass durch illegales Ausbringen PFAAverunreinigter Düngemittel tausende Hektar landwirtschaftliche Nutzflächen kontaminiert
wurden (LANUV 2011). Im Zuge dessen wurde das INTERREG Projekt „SafeGuard“
initialisiert, in dem das BfR gemeinsam mit dem CVUA-MEL den Übergang von
perfluorierten Verbindungen aus natürlich-kontaminierten Futtermitteln in die landwirtschaftlichen Nutztiere und die von ihnen stammenden Produkte tierischen Ursprungs untersucht.
Eigene Untersuchungen
Für den Fütterungsversuch wurden Futtermittel verwendet, die auf PFAA-kontaminierten
Böden aufwuchsen und geerntet wurden. Die mittleren Gehalte an PFOA (Heu: 330 µg/ kg
TS, Grassilage: 79 µg/kg TS, Gerste: 1 µg/kg TS) und PFOS (Heu: 1920 µg/kg TS,
Grassilage: 200 µg/kg TS, Gerste: 3 µg/kg TS) lagen auf einem hohen Niveau. Die
Fütterungsversuche gliederten sich in zwei Teilversuche. Im ersten Versuch wurden 6
Milchkühe der Rasse Dt. Holstein über vier Wochen mit Grassilage und Heu gefüttert, über
die die Tiere täglich in der Summe 115 µg PFOA und 434 µg PFOS pro kg Futter (TS)
aufnahmen. Anschließend wurden drei Milchkühe geschlachtet, die übrigen Tiere erhielten
für weitere drei Wochen PFAA-freie Grassilage und Heu. Über den gesamten
Versuchszeitraum wurden regelmäßig Proben von Futter, Plasma und Milch sowie bei der
Schlachtung von Leber, Niere und Muskelgewebe gewonnen.
Im zweiten Versuch wurden 24 Mastschweine der Rasse Dt. Landrasse über drei Wochen
ebenfalls mit einer PFAA-haltigen Ration gefüttert, die bis zu 17% Heu enthielt und mit der
die Mastschweine täglich 20 µg PFOA und 120 µg PFOS pro kg Futter (TS) erhielten. Auch
bei den Mastschweinen wurden kontinuierlich Proben von Futter und Plasma sowie bei der
Schlachtung von Leber, Niere und Muskelgewebe von jedem Tier gewonnen.
Alle Proben wurden am Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt Münsterland-EmscherLippe (CVUA-MEL) mittels HPLC-MS/MS auf ihren PFAA-Gehalt untersucht.
Die Ergebnisse der PFOA- und PFOS-Konzentration im Plasma der Milchkühe zeigen neben
einer nahezu konstant bleibenden PFOA-Konzentration (8,5±5,7 µg/L), einen stetigen Anstieg
der PFOS-Konzentration (0,5 – 1500 µg/L), die innerhalb der ersten 10 Tage der Auswaschphase weiter zunimmt (2500 µg/L). Die PFOS-Konzentration in der Milch ist wesentlich
geringer, weist aber einen ähnlichen Verlauf auf (Max: 36 µg/L, Tag 35). PFOS akkumuliert
in hohem Maße in Leber (3000 µg/kg FS) und Niere (1000 µg/kg FS) der Milchkühe, zudem
wurden hohe Konzentrationen an Perfluorhexasulfonsäure (PFHxS, 60 – 100 µg/kg FS)
detektiert. Dagegen wurde PFOA im Plasma, Organ- und Muskelgewebe der Milchkühe nur
in geringen Konzentrationen nachgewiesen.
96
Im Plasma der Mastschweine war während der PFAA-Fütterungsphase ein kontinuierlicher
Konzentrationsanstieg aller im Futtermittel relevanten perfluorierten Verbindungen zu
beobachten, die höchsten Konzentrationen wiesen dabei Perfluorbutansulfonsäure (PFBS,
470 µg/L) und PFHxS (400 µg/L) auf. In Leber und Niere wurden neben PFOS (300 –
1200 µg/kg FS) auch hohe Gehalte an PFBS (70 – 220 µg/kg FS) detektiert. Im Vergleich
dazu akkumulierten perfluorierte Verbindungen im Muskelgewebe in geringerem Maße.
PFBS (23 µg/kg FS), PFHxS (17 µg/kg FS) und PFOS (23 µg/kg FS) weisen die höchsten
Konzentrationen im Muskelgewebe der Mastschweine auf.
Es ist festzustellen, dass die Aufnahme und Akkumulation der PFAA zwischen den
Nutztierarten verschieden ist. Insbesondere bei den Mastschweinen scheinen neben PFOA
und PFOS auch PFBS und PFHxS eine bedeutende Rolle zu spielen.
Fazit
Ziel der Fütterungsstudien an landwirtschaftlichen Nutztieren war es, erste aussagefähige
Daten zu generieren, mit dessen Hilfe das gesundheitliche Risiko der Verbraucher durch
PFAA in Lebensmittel tierischen Ursprungs abgeschätzt werden kann. Eine Abschätzung der
Aufnahme von PFAA ist vor allem für die hoch belasteten Lebensmittel des Rindes (PFOS:
Milch, Rindfleisch) und des Schweins (PFBS und PFHxS: Leber, Niere, Schweinefleisch)
interessant und wird im nachfolgenden näher betrachtet.
Der durchschnittliche Verzehr von Milch/Mischgetränken pro Tag beträgt laut Nationaler
Verzehrsstudie II (NVS II, MRI 2008) 96 – 128 ml/Tag (Frauen und Männer). Durch die
vierwöchige Fütterung der Milchkühe mit natürlich-kontaminierten, PFAA-haltigen
Futtermitteln wurde eine maximale Konzentration an PFOS von 36 µg/L in der Milch
erreicht. Bei einem durchschnittlichen Verzehr an Kuhmilch, wäre der vorläufige Wert für die
duldbare tägliche Aufnahme des Menschen (TDI) von 0,15 µg PFOS pro kg Körpergewicht
und Tag (EFSA 2008) zu 40 - 53% erreicht.
Die durchschnittliche Aufnahme von Fleisch liegt bei 23 bis 42 g pro Tag (NVS II). Würde
bei der Bewertung des gesundheitlichen Risikos lediglich davon ausgegangen werden, dass
nur Rindfleisch verzehrt wird, dass im Mittel 145 µg PFOS pro kg Frischfleisch enthält, wäre
der TDI für PFOS zu 37 bis 67% ausgeschöpft.
Eine Abschätzung des gesundheitlichen Risikos für den Verbraucher auf Grundlage des TDI
ist für die im Gewebe des Mastschweins stark akkumulierenden perfluorierten Verbindungen
PFHxS und PFBS nicht möglich, da aufgrund fehlender toxikologischer Daten bislang eine
Ableitung des TDI nicht erfolgte.
Bei der Abschätzung des gesundheitlichen Risikos für den Verbraucher handelt es sich um
eine risikoorientierte Bewertung, basierend auf Daten, die anlässlich des Düngemittelskandals
2006 durch Fütterungsversuche an Milchkühen und Mastschweinen am BfR erhoben wurden.
97
Sie spiegelt nicht repräsentativ die PFAA-Exposition des Verbrauchers durch den Verzehr
tierischer Lebensmittel wider.
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98
Carry over von Polybromierten Diphenylethern (PBDE)
W. Jira und K.-H. Schwind
Max Rubner-Institut (MRI), Arbeitsgruppe Analytik, Kulmbach
Einführung
Polybromierte Diphenylether (PBDE) sind organische Verbindungen, die als Flammschutzmittel in einer Vielzahl von Produkten des täglichen Gebrauchs (z.B. in Kunststoffgehäusen von elektronischen Geräten, Fernsehgeräten, Polstermöbeln oder Textilien) mit
Gewichtsanteilen bis zu 30% eingesetzt werden (Hale et al., 2002). PBDE stellen somit neben
Tetrabrombisphenol A die bedeutendste Gruppe der bromierten Flammschutzmittel dar.
PBDE entfalten ihre Wirkung, indem sie im Brandfall Bromradikale freisetzen, die in die
Radikalkettenreaktion der Verbrennung eingreifen. Der Einsatz von PBDE ist von 1970
ausgehend bis in die Gegenwart kontinuierlich angestiegen. So lag im Jahr 2001 der weltweite
Verbrauch bei etwa 70000 Tonnen (Arias, 2001). In der Industrie wurden in der Vergangenheit drei verschiedene technische PBDE-Gemische verwendet, die sich hinsichtlich ihres
Bromierungsgrades unterscheiden. Das Penta-Produkt besteht im Wesentlichen aus BDE 47,
99, 100, 153 und 154 (Hale et al., 2001; Sjödin et al., 1998), das Octa-Produkt aus
verschiedenen hexa- bis nonabromierten Einzelverbindungen (Kongeneren) und das DekaProdukt nahezu ausschließlich aus Dekabromdiphenylether (BDE 209) (Alaee et al., 2003).
Gemäß EU-Richtlinie 76/769/EEC (24. Novelle/2003/11/EC) vom 6. Februar 2003
(Europäische Kommission, 2003) ist in Europa die Verwendung und der Handel mit dem
Penta- und Octa-Gemisch wie auch mit Produkten, die diese Stoffe enthalten, verboten.
Zudem ist seit 2008 der Einsatz von Dekabromdiphenylether in Elektrogeräten verboten
(UBA, 2008). PBDE sind lipophil und persistent. Auf der vierten Vertragsstaatenkonferenz
der Mitgliedsstaaten der Stockholm Konvention im Mai 2009 wurden TetraBDE und
PentaBDE in kommerziell gehandeltem PentaBDE sowie HexaBDE und HeptaBDE in
kommerziell gehandeltem OctaBDE in die Liste der „Persistent Organic Pollutants“
aufgenommen und mit einem Totalverbot für Produktion und Anwendung belegt (UBA,
2010). PBDE zeigen bei Aufnahme neurotoxische Wirkungen, welche beispielsweise mit
Hyperaktivität oder mit Defiziten im Lernverhalten einhergehen (Eriksson et al., 2001;
Eriksson, Viberg, Fischer et al., 2002; Eriksson, Viberg, Jakobsson et al., 2002). Zudem
konnte eine Interaktion mit dem Schilddrüsenhormonsystem nachgewiesen werden
(McDonald, 2002; Zhou et al., 2001). Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit
(EFSA) kommt in einer aktuellen Stellungnahme zu dem Schluss (EFSA, 2011), dass PBDE
zwar keine Genmutationen auslösen, jedoch die DNA durch Induzierung von reaktiven
Sauerstoffspezies schädigen können. Die höchste Toxizität innerhalb der Gruppe der PBDE
99
weisen die niederbromierten Kongenere (TetraBDE, PentaBDE und HexaBDE) auf.
Aufgrund des unzureichenden toxikologischen Datenmaterials konnte das Joint FAO/WHO
Expert Committee on Food Additives bislang keinen Provisional tolerable weekly intake
(PTWI) für PBDE ableiten (JECFA, 2006). PBDE können sich in der Umwelt und in der
Nahrungskette anreichern. Die Kontamination des Menschen erfolgt vorwiegend über die
Nahrung. Eine inhalative Aufnahme spielt nur eine untergeordnete Rolle und ist lediglich bei
Kleinkindern oder bei Vertretern spezieller Menschengruppen mit berufsbedingtem intensiven
Kontakt mit PBDE-haltigen Kunststoffen von Bedeutung (EFSA, 2011). Bei den Lebensmitteln weisen Lebensmittel tierischen Ursprungs die höchsten Gehalte auf, jedoch konnten
auch in pflanzlichen Lebensmitteln PBDE nachgewiesen werden.
Wie bei den Polychlorierten Biphenylen (PCB) existieren insgesamt 209 PBDE-Kongenere,
die zur Unterschiedung entsprechend der Anzahl an Bromatomen fortlaufend nummeriert
werden. Die EFSA empfiehlt zur Untersuchung in Lebensmitteln die Erfassung von folgenden
acht Kongeneren, die als relevant bezüglich Toxizität und Vorkommen in der Umwelt bzw.
Nahrungskette eingestuft werden: BDE 28, 47, 99, 100, 153, 154, 183 und 209.
PBDE in Futtermitteln und Lebensmitteln tierischen Ursprungs
Zur Untersuchung der Gehalte dieser PBDE-Verbindungen in Futter- und Lebensmitteln
tierischer Herkunft wurden in einer Screening-Untersuchung stichprobenartig Proben aus dem
repräsentativen Probenkollektiv des Forschungsprojektes „Statuserhebung zu Dioxinen und
PCB in Futter- und vom Tier stammenden Lebensmitteln“ (Schwind et al., 2009) ausgewählt.
Dabei wurden am MRI Kulmbach insgesamt 24 Proben Futtermittel, 30 Proben Fleisch und
Fleischerzeugnisse, 24 Proben Fisch, 24 Proben Eier und 25 Proben Milch- und
Milcherzeugnisse hinsichtlich ihrer Gehalte an BDE 28, 47, 100, 153, 154 und 183
untersucht. Eine Untersuchung von BDE 209 war aufgrund analytischer Schwierigkeiten
nicht möglich. Die Bestimmung der PBDE-Gehalte erfolgte nach Lyophilisation der Proben,
anschließender beschleunigter Lösungsmittelextraktion, chromatographischer Aufreinigung
mittels Gelpermeationschromatographie und Florisilsäule mit Hilfe einer Kombination von
Gaschromatographie und hochauflösender Massenspektrometrie, wobei eine Quantifizierung
der untersuchten Kongenere mit Hilfe der Isotopenverdünnungsanalyse erfolgte (Gensler et
al., 2009).
Der Medianwert für den Gesamt-PBDE-Gehalt – Summenparameter aus den Gehalten von
BDE 28, 47, 99, 100, 153, 154 und 183 – lag für Fisch bei 0,77 µg/kg Frischmasse, für
Fleisch bei 0,30 µg/kg Fett, für Ei bei 0,33 µg/kg Fett und für Milchprodukte bei 0,30 µg/kg
Fett. Fisch wies neben dem höchsten mittleren Kontaminationsniveau auch die größte
Streubreite beim Gesamt-PBDE-Gehalt auf. Die Ergebnisse zeigen, dass Fisch erheblich
stärker mit PBDE kontaminiert war - im Mittel um den Faktor 20 gegenüber nicht aquatischen
tierischen Fleischarten und um den Faktor 3 bis 15 gegenüber nicht aquatischen tierischen
100
Sekundärprodukten - als die übrigen untersuchten Lebensmittelgruppen. Die verschiedenen
Tierarten Rind, Geflügel und Schwein wiesen nur sehr geringe Unterschiede im PBDEKontaminationsniveau auf. Damit stellt sich eine andere Situation als bei den PCB dar, für die
eine deutlich höhere Belastung für Wiederkäuer (Rind und Schaf) im Vergleich zu Schwein
und Geflügel festgestellt werden konnte (Schwind et al., 2009). Ein Vergleich der vom MRI
Kulmbach erhobenen PBDE-Daten mit den PBDE-Gehalten einer EFSA-Datensammlung
(EFSA, 2011) ergab ähnliche Kontaminationsniveaus. Die Mittelwerte der Gesamt-PBDEGehalte der EFSA-Datensammlung lagen für Fleisch, Eier und Milch im Bereich von 0,36 bis
0,87 µg/kg Fett. Auch diese Daten wiesen für Wiederkäuer keine höhere PBDE-Belastung im
Vergleich zu Schwein und Geflügel auf. Für pflanzliche Lebensmittel wie z.B. Pflanzenöle
waren nur wenige Analysenergebnisse vorhanden, die zudem aufgrund des großen
Unterschiedes zwischen lower-bound-Mittelwert (0,05 µg/kg Fett) und upper-boundMittelwert (0,97 µg/kg Fett) nur wenig aussagekräftig sind.
Im Rahmen der PBDE-Screeninguntersuchung am MRI Kulmbach wurden auch die PBDEKongenerenverteilungen der untersuchten Lebensmittelgruppen ermittelt. Vergleicht man die
Kongenerenmuster der verschiedenen Produktgruppen, so stellt man fest, dass sich das
Muster von Fisch gravierend von denen der anderen tierischen Lebensmittel unterscheidet.
Hauptkongener bei Fisch war BDE 47, während die Anteile der übrigen Kongenere unter 40%
relativ zu diesem lagen. Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass BDE 99 in Fisch sehr leicht
abbaubar ist. Bei Fleisch, Eier und Butter hingegen lagen BDE 47 und BDE 99 etwa in
gleicher Menge vor.
Carry over von PBDE
Als PBDE-Hauptkontaminationsquelle des Menschen gelten Lebensmittel tierischen
Ursprungs. Daher stellt sich die Frage, wie PBDE in tierische Lebensmittel gelangen können.
Einerseits besteht die Möglichkeit des Übergangs vom Futtermittel in den tierischen
Organismus und damit in das Lebensmittel tierischer Herkunft. Andererseits könnten tierische
Lebensmittel auch während des Verarbeitungsprozesses mit PBDE kontaminiert werden. Im
Folgenden soll jedoch nur die Kontamination über das Futtermittel („Carry over“) näher
betrachtet werden. Voraussetzung für diesen Eintragspfad ist eine Kontamination des
Futtermittels, die auf verschiedene Art und Weise erfolgen kann. Eine Möglichkeit besteht in
einer Deposition aus der Luft. Dieses Szenario ist möglich, da PBDE eine hohe Persistenz in
der Luft aufweisen. Untersuchungen von PBDE in der Luft an insgesamt elf Standorten in
England und Norwegen von 2000 bis 2008 zeigen jedoch, dass in diesem Zeitraum die
PBDE-Gehalte in der Luft abgenommen haben (Schuster et al., 2010). Andere
Untersuchungen zeigen, dass Luft in Ballungszentren bzw. Stadtnähe höhere PBDE-Gehalte
als Luft ländlicher Gebiete aufweist. Eine weitere PBDE-Kontaminationsquelle für
Futtermittel kann die Verwendung von Düngemitteln (z. B. Klärschlamm) in der
101
Landwirtschaft darstellen (BMELV, 2010). Untersuchungen (Knoth et al., 2007) gehen davon
aus, dass in Deutschland jährlich etwa 150 kg non-DekaBDE und 350 kg DekaBDE auf
landwirtschaftliche Nutzflächen aufgebracht werden. Die EFSA hält es für möglich, dass die
Klärschlammdüngung eine PBDE-Kontaminationsquelle für Pflanzen - und damit auch für
Futtermittelpflanzen - darstellen könnte. Zudem geht die EFSA davon aus, dass Pflanzen
PBDE aus dem Boden aufnehmen können, wenn auch mit sehr geringen Biokonzentrationsfaktoren im Bereich von 0,01 bis 0,1.
Liegt nun eine PBDE-Belastung des Futtermittels vor, so stellt sich die Frage, ob ein
Übergang vom Futtermittel in das Lebensmittel tierischer Herkunft stattfindet. Im Hinblick
auf diese Fragestellung muss zunächst festgestellt werden, dass bislang nur sehr wenige
Untersuchungen zum Carry over vom Futtermittel in das tierische Lebensmittel existieren,
insbesondere bei landwirtschaftlichen Nutztieren. Eine grobe Abschätzung des Carry over
durch Vergleich der Medianwerte von Rau- und Saftfutter und Rindfleisch ergibt für den
PBDE-Summengehalt (Futter: 0,3 µg/kg Trockenmasse; Rindfleisch: 0,3 µg/kg Fett) einen
geschätzten Biokonzentrationsfaktor von etwa 1, für den WHO-PCDD/F-TEQ (Futter: 0,035
ng/kg Trockenmasse; Rindfleisch: 0,24 ng/kg Fett) von 7 und für den WHO-PCB-TEQ
(Futter: 0,06 ng/kg Trockenmasse; Rindfleisch: 0,9 ng/kg Fett) von 15. Demzufolge scheinen
PBDE einen geringeren Carry over zu besitzen als Dioxine oder PCB. Untersuchungen zum
Carry over von PBDE vom Futtermittel in Fische wurden mit Karpfen durchgeführt
(Stapleton et al., 2004). Im Rahmen dieser Studie wurde Karpfen für 60 Tage ein mit BDE 28,
47, 99 und 153 dotiertes Futter verabreicht, anschließend wurde mittels einer Fütterung mit
unkontaminiertem Futter das Abklingverhalten der untersuchten PBDE-Kongenere
untersucht. Zusätzlich zur Dotierung des Futtermittels mit den vier genannten PBDEKongeneren erfolgte eine Beimischung von drei PCB-Kongeneren mit ähnlichen log KowWerten (PCB 52, 153 und 180). Untersucht wurden das Muskelfleisch und die Leber der
Karpfen. Es zeigte sich, dass die drei PCB-Kongenere (PCB 52, 153 und 180) ein sehr
ähnliches Anreichungsverhalten aufweisen. Anhand der Abklingphase konnten folgende
biologische Halbwertszeiten errechnet werden: PCB 52: 46 Tage, PCB 153: 46 Tage und PCB
180: 33 Tage. Im Gegensatz zu den PCB wiesen die untersuchten PBDE-Kongenere ein sehr
unterschiedliches Anreicherungsverhalten auf. Auffällig war, dass für BDE 99 keine
Anreicherung festgestellt werden konnte. Dieses Ergebnis steht im Einklang mit der
Beobachtung, dass die PBDE-Kongenerenverteilung bei Fischen eine klare Dominanz von
BDE 47 im Vergleich zu BDE 99 aufweist, was wiederum auf eine rasche Metabolisierung
von BDE 99 bei Fischen hindeutet. Die stärkste Anreicherung wurde bei BDE 47 beobachtet.
Die biologischen Halbwertszeiten lagen für BDE 28 bei 37 Tagen, für BDE 47 bei 30 Tagen
und für BDE 153 bei 14 Tagen. Vergleicht man die strukturell analogen Verbindungen PCB
153 und BDE 153, so lässt sich feststellen, dass BDE 153 bei gleichem Halogenierungsgrad
und -muster eine deutlich geringere biologische Halbwertszeit aufweist als PCB 153.
102
Untersuchungen zur biologischen Halbwertszeit bei Nagetieren ergaben bei Mäusen eine
Halbwertszeit für BDE 47 im Bereich von etwa eineinhalb bis 23 Tagen (Staskal et al., 2005,
2006), bei Ratten konnten für BDE 209 Halbwertszeiten im Bereich von zwei bis drei Tagen
(Sandholm et al., 2003) bzw. im Bereich von acht bis neun Tagen (Huwe und Smith, 2007)
ermittelt werden. Untersuchungen beim Menschen ergaben eine starke Abhängigkeit der
biologischen Halbwertszeit vom Bromierungsgrad der PBDE: Je geringer der Bromierungsgrad, desto höher die Halbwertszeit. So konnte anhand von Untersuchungen von Arbeitern
mit beruflicher PBDE-Exposition für BDE 209 eine Halbwertszeit von etwa 15 Tagen
ermittelt werden (Thuresson et al., 2006). Die biologischen Halbwertszeiten von BDE 47, 99,
100, 153 und 154 wurden im Rahmen von zwei verschiedenen Studien bei nicht beruflich
exponierten Menschen anhand der täglichen PBDE-Aufnahme und der Körperlast abgeschätzt
(Geyer et al., 2004; Bakker et al., 2008). Dabei ergaben sich Halbwertszeiten im Bereich von
1,6 Jahren (BDE 100) bis 6,5 Jahren (BDE 153).
PBDE-Fütterungsversuch mit Milchkühen
In einem Fütterungsversuch mit Milchkühen (Kierkegaard et al., 2007) wurden die Gehalte an
höher bromierten PBDE (7 bis 10 Bromatome) in Futtermitteln, Faeces, Milch und
Fettgewebe untersucht. Im Südwesten von England wurde auf einer Versuchsfarm in Devon
ein Fütterungsversuch mit fünf Milchkühen durchgeführt, die jeweils am Beginn der dritten
bis fünften Laktationsperiode standen. Die Versuchsdauer betrug insgesamt 109 Tage. Als
Futtermittel wurde Silofutter eingesetzt, welches den Tieren unlimitiert zur Verfügung stand,
wobei die tägliche Futteraufnahme statistisch erfasst wurde. Die Kühe wurden zweimal
täglich gemolken und die tägliche Milchproduktion gemessen. Für die Analytik wurden über
einen Zeitraum von insgesamt 13 Wochen einmal wöchentlich Milch- und Faecesproben
gezogen, die zu jeweils 5 Poolproben, von denen 3 Proben eine dreiwöchige Periode und zwei
Proben eine zweiwöchige Periode repräsentieren, vereint wurden. Für die PBDEUntersuchungen wurden die Proben von zwei Kühen untersucht, von denen eine nach dem
Fütterungsversuch geschlachtet wurde. Untersucht wurden die PBDE-Gehalte in Futtermitteln, Faeces, Milchfett sowie in Organen und Fettgeweben, wobei folgende PBDEKongenere untersucht wurden: BDE 173, 182, 183, 184, 191 (HeptaBDE), BDE 196, 197,
203 (OctaBDE), BDE 206, 207, 208 (NonaBDE) und BDE 209 (DekaBDE). Deca-, Nonaund OctaBDE konnten in allen Proben nachgewiesen werden, die Gehalte der HeptaBDE
dagegen lagen mit Ausnahme von Fettgewebe in allen Proben unterhalb der Bestimmungsgrenze. Prinzipiell war in allen Matrizes mit Ausnahme der Milch BDE 209 das dominierende
Kongener. Die sechs unterschiedlichen Fettgewebe wiesen ähnliche PBDE-Gehalte und Profile auf. Die in Herz, Niere, Leber und Muskel nachgewiesenen PBDE-Gehalte waren
generell niedriger. Es konnte gezeigt werden, dass ein Ausscheiden der PBDE über die Milch
nur sehr langsam stattfindet. Bei einem Vergleich der PBDE-Gehalte in Fettgewebe und
103
Milchfett konnten im Fettgewebe 9-80fach höhere Gehalte als im Milchfett festgestellt
werden, wobei diese Unterschiede in den Gehalten bei PBDE mit höherem Bromierungsgrad
stärker ausgeprägt waren. Hierfür könnte einerseits der durch steigende Molekülgröße
erschwerte Transfer durch Membranen verantwortlich sein, andererseits könnte dies auch auf
die bei den höher bromierten PBDE stärker ausgeprägte Wasserunlöslichkeit zurückzuführen
sein. Futtermittel und Fettgewebe wiesen deutliche Unterschiede im PBDE-Profil auf. Das
PBDE-Mengenverhältnis von Fettgewebe zu Futtermittel war für die einzelnen PBDEKongenere sehr unterschiedlich und variierte über mehr als zwei Größenordnungen von 0,9
für BDE 209 über 99 für BDE 197 bis hin zu ca. 300 für BDE 182, wobei die Gehalte an BDE
182 in den Futtermittelproben unterhalb der Bestimmungsgrenze lagen. Für die Kongenere
BDE 207, BDE 196, BDE 197 und möglicherweise auch BDE 182 konnte gezeigt werden,
dass diese Kongenere im Fettgewebe akkumulieren. Als Ursache für die Anreicherung dieser
Kongenere wird eine metabolische Debromierung von BDE 209 im tierischen Organismus
vermutet.
Für die Auswertung der tri- bis hexabromierten PBDE desselben Fütterungsversuchs
(Kierkegaard et al., 2009) wurden die Kongenere BDE 28, 47, 49, 66, 85, 99, 100, 153 und
154 untersucht. Der Summengehalt der genannten PBDE lag für alle drei Arten von
Futtermitteln (Silage, Konzentrat und Mineralfuttermittel) im Bereich von 0,29 bis 0,51 µg/kg
Trockenmasse. Dominierende Kongenere im Futtermittel waren BDE 47 und BDE 99. Das
PBDE-Muster der Silage war dem Muster von Luftproben, die in geographischer Nähe des
Versuchsortes gezogen wurden, sehr ähnlich. Dies lässt eine Kontamination des Futtermittels
über Deposition aus der Luft vermuten. Es konnte im Rahmen der Untersuchungen
festgestellt werden, dass nur etwa ein Prozent der Körperlast in der Leber nachzuweisen war,
die Hauptmenge der niederbromierten PBDE wurde in fettreichen Geweben abgelagert. Die
auf Fett bezogenen PBDE-Gehalte in der Milch lagen für die meisten Kongenere in einer
ähnlichen Größenordnung wie die Konzentrationen in den Fettgeweben. Die nachgewiesenen
Summengehalte der untersuchten PBDE lagen dabei im Bereich von 1,1 bis 2,6 µg/kg Fett.
Dies weist auf das Vorliegen eines Verteilungsgleichgewichts zwischen Gewebe und Milch
hin.
Für die beiden BDE mit den am stärksten ausgeprägten hydrophoben Eigenschaften (BDE
153 und 154) wurden in der Milch etwa 50% niedrigere Gehalte als im Fettgewebe nachgewiesen. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass für hydrophobere BDE kein Gleichgewicht in der Milch erreicht werden kann. Noch deutlich stärker ausgeprägt ist dieser Effekt
bei den hepta- bis dekabromierten BDE. Im Gegensatz zu höher bromierten BDE konnte für
tri- bis hexabromierte BDE eine Anreicherung in der Milch nachgewiesen werden. Die Carryover-Raten in der Milch lagen im Bereich von 0,15 bis 0,35, wobei für BDE 28 noch deutlich
geringere Raten ermittelt wurden. Damit liegen die Carry-over-Raten deutlich niedriger als
bei PCB (PCB 118: 1,09) und in vergleichbarer Höhe wie bei den tetra- bis hexachlorierten
PCDD/F (0,1 bis 0,65).
104
PBDE-Fütterungsversuch mit Legehennen
Von einer belgischen Arbeitsgruppe wurde ein PBDE-Fütterungsversuch mit Legehennen
durchgeführt (Pirard und DePauw, 2007). Der Fütterungsversuch erfolgte mit insgesamt 16
Legehennen in zwei Versuchsgruppen. In Versuchsgruppe 1 (9 Tiere) wurden die Legehennen
mit unkontaminiertem kommerziellen Futter und zusätzlich mit einem Dioxin-kontaminiertem
Öl aus der Metallverarbeitung gefüttert. Die Tiere der Versuchsgruppe 2 (7 Tiere) erhielten
das gleiche Futter wie Gruppe 1 und zusätzlich eine PentaBDE-Formulierung. Dies resultierte
in einer PBDE-Summenkonzentration (Summe aus BDE 47, 99, 100, 153, 154 und 183) des
Futtermittels von 3,4 mg/kg Frischmasse. Die Fütterung erfolgte über einen Zeitraum von
insgesamt 14 Wochen. Eine Abklingphase wurde nicht an den Fütterungsversuch angeschlossen. Die Versuche zeigen, dass in den Eiern bei Dioxinen nach etwa vier bis sechs
Wochen ein Steady-State erreicht wurde. Bei PBDE erfolgte in den ersten fünf Wochen ein
starker Anstieg der Gehalte in den Eiern (bis 24 mg/kg Fett). Im späteren Versuchsverlauf
(Versuchswochen 10 bis 12) erfolgte eine Abnahme des PBDE-Summengehaltes auf etwa 3
mg/kg Fett. Als Ursache für diese Abnahme der Gehalte wird eine Aktivierung von
metabolisierenden Enzymen vermutet.
Die Aussagekraft des Fütterungsversuchs leidet jedoch unter der Tatsache, dass die
Legehennen der zweiten Versuchsgruppe in den Wochen 7 bis 9 keine Eier legten. Zudem
wurden sehr hohe PBDE-Konzentrationen eingesetzt, nur eine Konzentration gefüttert und
auf eine Abklingphase verzichtet. Die in diesem Fütterungsversuch ermittelten Biokonzentrationsfaktoren, ermittelt aus dem Quotienten aus Konzentration im Abdominalfett [µg/kg Fett]
und Konzentration im Futter [µg/kg Frischmasse], lagen im Bereich von 0,6 (für BDE 99) bis
2,2 (für BDE 154).
Schlussfolgerungen
Bislang existieren nur sehr wenige Untersuchungen zum Carry over von PBDE von
Futtermitteln in Lebensmittel tierischer Herkunft. Die Carry over Gruppe kommt daher in
ihrem Votum vom April 2010 (BMELV, 2010) zu dem Schluss, dass gezielte
Fütterungsversuche zum Übergang von PBDE aus Futtermitteln in vom Tier stammende
Lebensmittel durchgeführt werden sollten, um verlässlichere Aussagen zum Carry over dieser
unerwünschten Stoffe zum erhalten. Aufgrund der sehr unterschiedlichen Eigenschaften der
einzelnen PBDE-Kongenere je nach Bromierungsgrad sollten dabei verschiedene PBDEFormulierungen zum Einsatz kommen. Es existieren jedoch Hinweise, dass PBDE sich
weniger stark im Fettgewebe von landwirtschaftlichen Nutztieren anreichern als PCB und
Dioxine.
105
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107
Mykotoxine in Futtermitteln – Vorkommen und Bewertung
S. Dänicke
Institut für Tierernährung, Friedrich-Loeffler-Institut, Braunschweig
Einleitung
Schimmelpilze gehören zum natürlichen Keimbesatz von Futtermitteln. Meist führt nur eine
übermäßige Schimmelbildung zum Futtermittelverderb, wobei dieser Verderb durch Nährstoffabbau, aber auch durch Bildung von sekundären Stoffwechselprodukten der Pilze
charakterisiert sein kann. Wirken sich diese sekundären Stoffwechselprodukte nachteilig auf
Tiergesundheit und Leistung aus, so sind sie als Mykotoxine anzusprechen.
Pilze der Gattung Fusarium werden klassisch den so genannten Feldpilzen zugeordnet, da sie
überwiegend auf lebenden Pflanzen wachsen und ihre Toxine (z.B. Deoxynivalenol [DON],
Zearalenon [ZEN]; Tab. 1) bilden. Demgegenüber sind viele Arten der Gattungen Penicillium
und Aspergillus durch eine saprophytische Lebensweise charakterisiert, d.h., sie wachsen
hauptsächlich auf abgestorbenem Pflanzenmaterial. Daher bilden diese Pilze ihre Toxine im
Futtermittellager (hauptsächlich Silagen und Konzentratfuttermittel bei unsachgemäßer
Lagerung; z.B. Ochratoxin A, Mycophenolsäure, Citrinin; Tab. 1), während die Toxinbildung
durch Feldpilze zum Zeitpunkt der Ernte im Wesentlichen abgeschlossen ist. Da ein großer
Teil der bereits auf dem Feld gebildeten Mykotoxine den Silierungsprozess unbeschadet
übersteht, sind in Silagen neben typischen Vertretern der Lagerpilze auch Toxine der
Feldpilze anzutreffen.
Bewertung
Entsprechend der Unterschiede in den chemischen Strukturen sind auch die Wirkmechanismen und Angriffspunkte der einzelnen Mykotoxine im tierischen Organismus recht
verschieden (siehe Tab. 1). Dies erschwert die Abschätzung des toxischen Potentials eines
Futtermittels oder einer Ration, das sich ohnehin schon aus der Anwesenheit einer Reihe von
verschiedenen Mykotoxinen ergibt, zusätzlich. Hinzu kommen auch mögliche
Wechselwirkungen zwischen den Mykotoxinen, welche summarisch den gesamten Effekt
beim Tier bewirken und denen prinzipiell additiver, synergistischer aber auch antagonistischer Charakter zukommen kann.
Von den mehreren hundert gegenwärtig bekannten Mykotoxinen kommt aber nur einigen eine
praktische Bedeutung zu, da sie in Konzentrationen vorkommen können, die toxikologisch
bedeutsam sind. Dazu zählen insbesondere die Mykotoxine DON und ZEN, die durch
verschiedene Fusarium-Arten gebildet werden (Tab. 1) und in Konzentrationen vorkommen
können, die eine nachgewiesene nachteilige Wirkung beim Tier haben.
108
Tab. 1. Wirkmechanismen und pathophysiologische Effekte von einigen Mykotoxinen sowie deren
Bedeutung in der Fütterung (nach verschiedenen Quellen)
Mykotoxine
Wirkmechanismen und
pathophysiologische Effekte
Prädisponierte
Futtermittel
Zearalenon (ZEN)
Östrogen-ähnlich, Störungen im
Reproduktionsgeschehen
Proteinsynthese-hemmend;
immunmodulierend,
verzehrsdepressiv, zytotoxisch,
dermatotoxisch, hepatotoxisch
Proteinsynthese-hemmend;
immunmodulierend,
verzehrsdepressiv
Störungen im SphingolipidStoffwechsel; hauptsächlich in Leber,
Lungen (porcines pulmonales
Ödemsyndrom) und Gehirn (equine
Leukoencephalomalazie)
DNA- und Proteinadduktbildung,
carcinogen, cytototoxisch,
hepatotoxisch
Mais, Weizen
T-2 Toxin
Deoxynivalenol
(DON)
Fumonisine (FUM)
Aflatoxin B1
Lolitrem B
Ochratoxin A
(OTA)
Citrinin
Roquefortin C
Mycophenolsäure
Monacoline
Betroffene landwirtschaftliche
Nutztiere1
Schwein > Wdk.
> Huhn
Schwein > Wdk.
~ Huhn
Relevanz 2
Mais, Weizen
Schwein > Wdk.
~ Huhn
++
Mais
Pferd ~ Schwein
> Wdk. ~ Huhn
- (?)
Wdk., Schwein,
Geflügel
- (weltweit:
++)
Wdk., Pferd
Schwein >
Geflügel > Wdk.
-(?)
+
Schwein, Wdk.
?
Wdk.
?
Wdk.
?
Wdk.
?
Hafer, Gerste,
Mais, Weizen
Erdnüsse,
Baumwollsaat,
Mais,
Sonnenblumenkerne,
Sojabohnen
Neurotoxisch
Weidegräser
Proteinsynthese-hemmend, Förderung Mais, Roggen,
der Lipid-Peroxidation;
Weizen, Triticale,
immunmodulierend, Nieren und Leber Gerste; häufig mit
als primäre Zielorgane
Citrinin cokontaminiert
Verminderung der selektiven
Mais, Roggen,
Membranpermeabilität, Nieren und
Weizen, Triticale,
Leber als primäre Zielorgane,
Gerste; Mais- und
Polydipsie, Polyurie
Grassilagen
Hemmung von P450-Cytochromen;
Mais- und
antibiotisch, neurotoxisch
Grassilagen
Hemmung der
Mais- und
Lymphozytenproliferation,
Grassilagen
immunsuppressiv, antibiotisch
Hemmung der Sterolsynthese
Mais- und
Grassilagen
++
+
1
Nicht aufgeführte Tierarten sind weniger empfindlich oder es liegen nur ungenügende experimentelle Daten zur Toxizität
vor; 2 Relevanz unter praktischen Fütterungsbedingungen der BRD:"++ "große Bedeutung, "+" bedeutungsvoll," -" geringe
Bedeutung, "?" Bedeutung noch nicht hinreichend geklärt. Wdk. - Wiederkäuer
Dabei hängt die nachteilige Wirkung wiederum von der tierartspezifischen Empfindlichkeit
ab. Es ist auffällig, dass insbesondere das Schwein gegenüber ZEN und DON sehr
empfindlich mit den in Tab. 1 genannten Symptomen reagiert, was sich in den niedrigsten
Orientierungswerten für kritische Konzentrationen dieser Toxine in Ergänzungs- und
Alleinfuttermitteln äußert (Tab. 2). Die Einhaltung dieser Werte soll sicherstellen, dass es
unter üblichen Produktionsbedingungen nicht zu nachteiligen Wirkungen bei den berücksichtigten Tierarten kommt. Darüber hinaus wurden Orientierungswerte für Ochratoxin A
(OTA) und Fumonisine (FUM) empfohlen (Tab. 2). Neben Orientierungswerten für
109
Alleinfuttermittel, die für die tatsächliche Exposition der Tiere von besonderer Bedeutung
sind, wurden auch Orientierungswerte für Futtermittelausgangserzeugnisse herausgegeben.
Tab. 2. Empfehlung der Kommission der Europäischen Union für Richtwerte (Orientierungswerte)
von Mykotoxinen in zur Verfütterung an Tiere bestimmten Erzeugnissen
Mykotoxin
Zur Fütterung bestimmte Erzeugnisse
Futtermittelausgangserzeugnisse (*)
Getreide und Getreideerzeugnisse (**) außer
Maisnebenprodukte
Maisnebenprodukte
Ergänzungs- und Alleinfuttermittel außer:
Ergänzungs- und Alleinfuttermittel für Schweine
Ergänzungs- und Alleinfuttermittel für Kälber (< 4
Monate), Lämmer und Ziegenlämmer
Zearalenon
Futtermittelausgangserzeugnisse (*)
Getreide und Getreideerzeugnisse (**) außer
Maisnebenprodukte
Maisnebenprodukte
Ergänzungs- und Mischfuttermittel
Ergänzungs- und Alleinfuttermittel für Ferkel und
Jungsauen
Ergänzungs- und Alleinfuttermittel für Sauen und
Mastschweine
Ergänzungs- und Alleinfuttermittel für Kälber,
Milchkühe, Schafe (einschließlich Lämmer) und
Ziegen (einschließlich Ziegenlämmer)
Ochratoxin A
Futtermittelausgangserzeugnisse (*)
Getreide und Getreideerzeugnisse (**)
Ergänzungs- und Alleinfuttermittel
Ergänzungs- und Alleinfuttermittel für Schweine
Ergänzungs- und Alleinfuttermittel für Geflügel
Fumonisin B1 + B2 Futtermittelausgangserzeugnisse (*)
Mais und Maiserzeugnisse (***)
Ergänzungs- und Alleinfuttermittel für:
Schweine, Pferde (Equidae), Kaninchen und
Heimtiere
Fische
Geflügel, Kälber (< 4 Monate), Lämmer und
Ziegenlämmer
Wiederkäuer (> 4 Monate) und Nerze
Richtwert in mg/kg (ppm) für
ein Futtermittel mit einem
Feuchtegehalt von 12 %
Deoxynivalenol
8
12
5
0,9
2
2
3
0,1
0,25
0,5
0,25
0,05
0,1
60
5
10
20
50
(*) Bei Getreide und Getreideerzeugnissen, die unmittelbar an Tiere verfüttert werden, ist auf Folgendes zu achten: Ihre Verwendung in einer
Tagesration sollte nicht dazu führen, dass das Tier einer höheren Menge an diesen Mykotoxinen ausgesetzt ist als bei einer entsprechenden
Exposition, wenn in einer Tagesration nur die Alleinfuttermittel verwendet werden. (**) Der Begriff „Getreide und Getreideerzeugnisse“
umfasst nicht nur die unter der Überschrift 1 „Getreidekörner, deren Erzeugnisse und Nebenerzeugnisse“ des nicht ausschließlichen
Verzeichnisses der wichtigsten Futtermittel-Ausgangserzeugnisse in Teil B des Anhangs zur Richtlinie 96/25/EG des Rates vom 29. April
1996 über den Verkehr mit Futtermittelausgangserzeugnissen (ABl. L 125 vom 23.5.1996, S. 35) aufgeführten
Futtermittelausgangserzeugnisse, sondern auch andere aus Getreide gewonnene Futtermittelausgangserzeugnisse, vor allem
Getreidegrünfutter und -raufutter.
(***) Der Begriff „Mais und Maiserzeugnisse“ umfasst nicht nur die aus Mais gewonnenen Futtermittelausgangserzeugnisse, die unter der
Überschrift 1 „Getreidekörner, deren Erzeugnisse und Nebenerzeugnisse“ des nicht ausschließlichen Verzeichnisses der wichtigsten
Futtermittelausgangserzeugnisse in Teil B des Anhangs zur Richtlinie 96/25/EG aufgeführt sind, sondern auch andere aus Mais gewonnene
Futtermittelausgangserzeugnisse, vor allem Maisgrünfutter und -raufutter.
Quelle: Empfehlung der Kommission vom 17. August 2006 betreffend das Vorhandensein von Deoxynivalenol, Zearalenon, Ochratroxin A,
T-2- und HT-2-Toxin sowie von Fumonisinen in zur Verfütterung an Tiere bestimmten Erzeugnissen (Text von Bedeutung für den EWR)
(2006/576/EG) Amtsblatt der Europäischen Union L 229/7 (23.8.2006)
110
Während sich die Festlegung der Orientierungswerte für Ergänzungs- und Alleinfuttermittel
nach der tierartspezifischen Empfindlichkeit bzw. der Bedeutung des Toxins am Carry overGeschehen richtete, fand bei der Etablierung der Orientierungswerte für Futtermittelausgangserzeugnisse das Getreide sowie Mais als bedeutende Eintragsquellen von DON, ZEN und
Fumonisinen besondere Berücksichtigung.
Die in Tab. 2 mitgeteilten Orientierungswerte wurden von der Kommission der Europäischen
Union auf der Grundlage der Abschätzung des Risikos, das von verschiedenen Mykotoxinen
für landwirtschaftliche Nutztiere sowie den Verbraucher ausgeht, durch den KontaminantenAusschuss der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) in einem ersten
Schritt des Risikomanagements für Mykotoxine auf Europäischer Ebene im Jahre 2006
etabliert.
Zu den Mykotoxinen, für die noch zu wenige Daten zum Vorkommen in Futtermitteln
vorlagen, um eine adäquate Risikoabschätzung vornehmen zu können, zählten insbesondere
das T-2 und das HT-2 Toxin. Zwischenzeitlich hat sich die EFSA auch zum Risiko, das von
Futtermitteln, die mit T-2 und HT-2 Toxin kontaminiert sind, ausgeht, geäußert, so dass mit
einer Etablierung von Orientierungswerten auch für diese Toxine zu rechnen ist.
Vorkommen in Getreide und Mischfuttermitteln für Schweine
Ausgehend von der Empfehlung der Kommission der Europäischen Union im Jahr 2006 zu
den Orientierungswerten für kritische Konzentrationen von DON, ZEN, OTA und FUM für
Futtermittelausgangserzeugnisse sowie Ergänzungs- und Alleinfuttermitteln wurden die EUMitgliedsstaaten aufgefordert, Futtermittel auf das gleichzeitige Vorkommen dieser, sowie
weiterer Mykotoxine zu untersuchen.
Entsprechend dieser Forderung wurde das Nationale Kontrollprogramm bezüglich des
Vorkommens von Mykotoxinen in Futtermitteln ausgerichtet (Abb. 1 und 2). Betrachtet man
aus dem Spektrum der untersuchten Futtermittel risikoorientiert die Futtermittelausgangserzeugnisse sowie die Ergänzungs- und Mischfuttermittel für Schweine, dann fällt auf,
dass insbesondere Mais einen vergleichsweise höheren Anteil von Proben aufweist, die
positiv für DON, ZEN und FUM detektiert wurden. Ergänzungs- und Mischfuttermittel
hingegen wiesen einen deutlich geringeren Anteil positiver Befunde auf (Abb. 1), der für
DON und ZEN etwa zwischen 20 und 40 % und für FUM sogar noch deutlich unter 15 % lag.
Einschränkend muss hinzugefügt werden, dass ein direkter Vergleich zwischen den Toxinen
aufgrund unterschiedlicher analytischer Bestimmungsgrenzen nur bedingt möglich ist.
Vergleicht man nun die absolut gemessenen Konzentrationen dieser Mykotoxine der
Futtermittelausgangserzeugnisse (Mais und Getreide) mit den entsprechenden Orientierungswerten in Tab. 2, dann wird deutlich, dass selbst die maximal gemessenen Konzentrationen in
keinem Fall die entsprechenden Orientierungswerte erreichten (Abb. 2), wenngleich der
"Ausschöpfungsgrad" für DON und ZEN höher war als bei OTA und den FUM. Diese
Ergebnisse lassen die Vermutung zu, dass die Orientierungswerte für Futtermittelaus-
111
gangserzeugnisse offensichtlich zu hoch bemessen sind, als dass durch dieses Instrument eine
Prävention der Toxinbildung im Sinne einer Risikominimierung erreicht werden könnte.
Betrachtet man hingegen die Ergänzungs- und Mischfuttermittel für Schweine, dann wurden
die jeweiligen Orientierungswerte durch die maximal detektierten Konzentrationen teilweise
überschritten, wohingegen Konzentrationen, die durch das 90. Perzentil eingeschlossen sind,
in keinem Fall die Orientierungswerte erreichten. Dies macht deutlich, dass Überschreitungen
des Orientierungswertes im Einzelfall auftreten können, aber für die Grundgesamtheit der
Ergänzungs- und Mischfuttermittel für Schweine kein Risiko besteht. Einschränkend gilt
diese Aussage nur für das betreffende Untersuchungsjahr 2008.
(a)
159
23
19
37
Getreide
Ferkel
Sauen
Mastschweine
351
83
379
43
33
85
26
18
41
Sauen
47
32
Ferkel
24
36
Getreide
Mais
120
Deoxynivalenol
Mastschweine
71
72
Mais
100%
80%
60%
40%
20%
0%
Zearalenon
6
23
5
9
14
Getreide
Ferkel
Sauen
Mastschweine
Ochratoxin A
107
37
231
44
32
85
4
5
1
7
Mastschweine
102
Sauen
34
Ferkel
55
Getreide
441
Mais
81
Mais
(b)
100%
80%
60%
40%
20%
0%
Fumonisine B1 + B2
Abb. 1. Ergebnisse des Nationalen Kontrollprogramms bezüglich des Vorkommens von
Deoxynivalenol und Zearalenon (a) sowie Ochratoxin A und Fumonisin B1 + B2 (b) in
Getreidekörnern und Mischfuttermitteln für Schweine für das Jahr 2008, dargestellt als
Häufigkeit und Zahl von Proben mit Konzentrationen, die geringer (█)oder höher ( ) als die
Bestimmungsgrenzen waren (BVL, 2008)
Deoxynivalenol [mg/kg]
112
12.0
12
(a)
10
8.0
8
6
4
2
5.2
4.4
3.7
2.4
0.5
0
Mais
0.0
Getreide
0.9
0.2
Ferkel
0.9
0.0 0.4 0.2
0.5 0.9
0.0
Sauen
Mastschweine
3.0
3.0
Zearalenon [mg/kg]
0.9
0.5
0.0
(b)
2.5
2.0
2.0
1.5
1.1
1.0
0.5
0.5
0.4
0.3
0.0
0.0
0.0
0.0
Mais
Getreide
0.25
0.0 0.1 0.0 0.1
0.0 0.1 0.0 0.1
Ferkel
Sauen
0.0
0.0
0.3
Mastschweine
0.25
Ochratoxin A [mg/kg]
0.25
(c)
0.20
0.15
0.09
0.10
0.05
0.05
0.00
0.01
0.00
0.0
0.00
Mais
0.0
Getreide
0.05
0.000.01 0.0
0.02
0.0
0.00
Ferkel
Sauen
0.05
0.00
0.05
0.0
Mastschweine
60.0
Fumonisine [mg/kg]
60
(d)
50
40
30
20
6.2
10
0
0.0
1.2
Mais
0.0
3.2
0.0
Getreide
0.0 0.9 0.1
Ferkel
5.0
5.0
0.0 0.1 0.0
Sauen
0.0 0.9 0.0
5.0
Mastschweine
Abb. 2. Ergebnisse des Nationalen Kontrollprogramms bezüglich des Vorkommens von
Deoxynivalenol (a), Zearalenon (b), Ochratoxin A (c) und Fumonisin B1+B2 (d) in
Getreidekörnern und Mischfuttermitteln für Schweine für das Jahr 2008, dargestellt als
Konzentrationen: Maximum (█ ); Median ( ); 90th Perzentil ( ); Orientierungswert (siehe
Tab. 2, ) (BVL, 2008).
113
Vorkommen in Stroh und Bedeutung von Stroh als Expositionsquelle für das Schwein
Stroh kommt als Einstreumaterial sowie als Strukturkomponente in Futterrationen zum Einsatz.
Vor allem für Schweine, die besonders empfindlich auf eine Reihe von Mykotoxinen reagieren
(Tab. 1) und die mehr als 10 % der täglichen Gesamtration als Stroh aus der Einstreu aufnehmen
können, wird Stroh als zusätzliche orale Mykotoxin-Expositionsquelle vermutet. Eine quantitative Expositionsabschätzung fehlte ebenso wie Angaben zur Bioverfügbarkeit der mit dem
Stroh aufgenommenen Mykotoxine.
Ziel eines bundesweiten Screenings auf der Grundlage des Strohaufkommens der Bundesländer
von insgesamt 201 Strohproben der Erntejahre 2007 und 2008 (Abb. 3) war es, das Vorkommen
und die Variation von DON und anderen Trichothecenen, ZEN und OTA besser abschätzen zu
können sowie die Bioverfügbarkeit von DON aus Weizenstroh im Vergleich zu der aus
zellwandärmeren Weizenkörnern beim Schwein zu bestimmen.
Abb. 3. Strohaufkommen und Probenverteilung des bundesweiten Screenings von Stroh auf
verschiedene Mykotoxine der Erntejahre 2007 und 2008
Tab. 3. Mittlere Konzentration von DON, weiteren Trichothecenen sowie von ZEN in
Strohproben aus dem bundesweiten Screening in Abhängigkeit vom Erntejahr (Sondermann,
2011)
Mittelwert (µg/kg)*
Maximum (µg/kg)
Toxin
2007
2008
2007
2008
Nivalenol
80 a
149 b
2486
2473
1163 a
873 a
23269
9035
15-Acetyl-DON
79 b
35 a
2437
1834
HT-2 Toxin
28 a
49 b
413
674
T-2 Toxin
11 a
22 a
110
214
ZEN
56 b
29 a
524
767
DON
(a, b = kennzeichen signifikante Unterschiede (p < 0,05)
* Proben unterhalb der Nachweisgrenzen = halbe Nachweisgrenze)
Mittelwert (µg/kg)*
Toxin
Weizen
Gerste
DON
1446 b
789 a
Nivalenol
80
149
2486
2473
1163 a
873 a
23269
9035
15-Acetyl-DON
79 b
35 a
2437
1834
HT-2 Toxin
28 a
49 b
413
674
T-2 Toxin
11 a
22 a
110
214
DON
114
Tab.
von DON,29weiteren
Trichothecenen
sowie von ZEN in
a
524
767
ZEN 4. Mittlere Konzentration
56 b
Strohproben aus dem bundesweiten Screening in Abhängigkeit von der Strohart (Sondermann,
( , = kennzeichen signifikante Unterschiede (p < 0,05)
2011)
* Proben unterhalb der Nachweisgrenzen = halbe Nachweisgrenze)
a b
Mittelwert (µg/kg)*
Toxin
Weizen
Gerste
DON
1446 b
789 a
15-Acetyl-DON
122 b
18 a
HT-2 Toxin
23a
61 b
T-2 Toxin
11 a
26 b
ZEN
52 b
19 a
(a, b
= kennzeichen signifikante Unterschiede (p < 0,05)
* Proben unterhalb der Nachweisgrenzen = halbe Nachweisgrenze)
Die DON-Konzentrationen der Screening-Proben (83 % positive Proben) variierten in
Abhängigkeit von Erntejahr (Tab. 3) und Strohart (Tab. 4) zwischen 0,016 und 23,27 mg/kg,
wobei die mittlere Konzentration 1,23 mg/kg betrug [Diese Konzentrationsangaben, wie auch
alle folgenden, beziehen sich auf den futtermittelrechtlich üblichen Basis-Trockenmassegehalt
von 88 %]. ZEN war in 46 % der 201 Proben nachweisbar, wobei eine mittlere Konzentration
von 0,089 mg/kg bei einem Schwankungsbereich von 0,007 bis 0,767 mg/kg gemessen wurde.
OTA wurde lediglich in einer einzelnen Probe im Spurenbereich von 0,0015 mg/kg
festgestellt. Neben DON wurden weitere Typ B-Trichothecene, wie Nivalenol sowie 3- und
15-Acetyl-DON als auch die Typ A-Trichothecene Scirpentriol, 15-Monoacetoxyscirpenol,
4,15-Diacetoxyscirpenol, T-2-Toxin, HT-2-Toxin, T-2-Tetraol, T-2-Triol und Fusarenon-X in
unterschiedlichen Konzentrationen und Häufigkeiten detektiert .
Die Strohproben enthielten im Mittel 3 Toxine; allerdings wurde auch das gleichzeitige
Vorkommen von bis zu 10 Toxinen festgestellt. Unterschiedliche Gehalte und Vorkommen
der einzelnen Mykotoxine sind dabei insbesondere bedingt durch Strohart, Erntejahr,
Anbauregion, Vorfrucht und Bodenbearbeitung.
Die Untersuchungen zur Bioverfügbarkeit von DON aus Weizenstroh zeigten keine
Unterschiede zur DON-Verfügbarkeit aus Weizenkörnern (Abb. 4). Daher kann davon
ausgegangen werden, dass der Anteil des Strohs an der DON-Exposition von Schweinen
allein vom Grad der DON-Gehalte im Stroh sowie der tatsächlichen Menge an aufgenommenem Stroh abhängt.
Dosis korrigierte DON-PlasmaKonzentration [(ng/ml)/(µg/kg)]
115
0,4
0,3
0,2
0,1
0,0
00
2
4
6
8
10
12
14
16
18
20
22
24
Zeit (h)
Abb. 4. 8 Mittlere Verläufe der um die Dosis korrigierten DON-Plasma-Konzentrationen
nach oraler Exposition mit DON-kontaminiertem Weizenstroh (
), -körnern (
) und kaff (
) über 24 Stunden (Rohweder et. al., 2012)
20
Strohaufnahme
(% der Futteraufnahme)
18
Strohaufnahme
(Barneveld 2005)
16
14
12
Maximalwert
vom bundesweiten
Screening
(23,27 mg/kg)
10
Mittelwert
vom bundesweiten
Screening
(1,23 mg/kg)
8
6
DON-Gehalt
der GesamtAufnahme
(mg/kg)
4
2
0
0
2
4
6
8
10
12
14
16
18
DON-Gehalt im Stroh (mg/kg)
20
22
24
> 0,9
< 0,9
Abb. 5. Kombinationen von Strohaufnahme und DON-Kontaminationsniveau, die zu einer
Überschreitung des Orientierungswertes von DON für Alleinfuttermittel für Schweine (Tab.
2) führen (Rohweder, 2012)
Wird für eine Risikoabschätzung eine mittlere DON-Konzentration von 1,23 mg/kg Stroh
sowie eine maximale Strohaufnahme von 14 % der Gesamttagesration für das Schwein unterstellt (van Barnevelt, 2005), so ergibt sich durch den Anteil des Strohverzehrs eine DONKonzentration von 0,17 mg/kg an der gesamten Tagesration. Bei Zugrundelegung der
maximal ermittelten DON-Konzentration von 23,27 mg/kg errechnet sich eine entsprechende
DON-Konzentration von 3,28 mg/kg. Daher wäre im Maximalfall ein Überschreiten des
Richtwertes für die DON-Konzentration in der täglichen Ration für Schweine von 0,9 mg/kg
(Tab. 2) einzig durch den Verzehr von Stroh gegeben, wobei zu berücksichtigen ist, dass im
Mittel deutlich weniger Stroh von Schweinen freiwillig aufgenommen wird. Ferner ist zu
116
beachten, dass der Richtwert für Stroh als Einzelfuttermittel 8 mg/kg beträgt (Tab. 2). Über
die unterschiedlichen Kombinationen zwischen Strohkontamination und Strohaufnahme im
Hinblick auf den Richtwert von 0,9 mg/kg in der Tagesration gibt Abb. 5 Aufschluss.
Für ZEN lassen sich ähnliche Risikoabschätzungen vornehmen. Die ZEN-Gehalte in der
täglichen Ration für Schweine überschreiten bei mittleren Gehalten (ermittelter Mittelwert
von 0,089 mg/kg) und der genannten maximalen Strohaufnahme die Richtwerte von
0,1 mg/kg für Jungsauen bzw. von 0,25 mg/kg für Zuchtsauen und Mastschweine (Tab. 2)
nicht. Unter Berücksichtigung der maximal ermittelten ZEN-Konzentration von 0,767 mg/kg
Stroh erreicht die Tagesration eine Konzentration von 0,11 mg/kg; damit würde der Richtwert
Deoxynivalenol (mg/kg T)
für Jungsauen allein durch den Strohanteil überschritten.
120
100
Spelzen
80
Stroh
60
Korn
40
20
0
0
Zearalenon (µg/kg T)
(a)
Spindeln
2
9
16
23
30
37
44
51
58
700
600
500
400
300
200
100
0
(b)
16
23
30
37
44
51
58
Tage nach Inokulation
Abb. 6. Entwicklung der DON (a) sowie ZEN (b) -Konzentrationen in verschiedenen
Fraktionen von Weizenpflanzen nach künstlicher Inokulation des Weizens mit Fusarium
culmorum in die Blüte (Matthäus et al. 2004; Brinkmeyer et al., 2006)
Insgesamt kann geschlussfolgert werden, dass Stroh im Vergleich zu anderen Getreidefuttermitteln nicht als eine besonders prädisponierte Quelle für die untersuchten Mykotoxine
anzusehen ist. Dies stimmt auch mit den Ergebnissen eines Feldversuches überein, nach dem
die Fraktionen "Körner" und "Stroh" eine vergleichbare DON-Kontaminationsdynamik im
Verlauf der Getreideentwicklung aufwiesen, während Spelzen und Spindeln deutlich höher
117
kontaminiert waren. Im Vergleich dazu ist die ZEN-Konzentration im Stroh höher als in den
Körnern, wenngleich auch hier die Spelzen und Spindeln durch deutlich erhöhte
Konzentrationen auffallen.
Das potenzielle Risiko für landwirtschaftliche Nutztiere, insbesondere für das Schwein, hängt
neben den Gehalten im Stroh auch von der tatsächlichen Strohaufnahme aus der Ration bzw.
aus der Einstreu ab. Die Mykotoxin-Exposition über die tägliche Gesamtration sollte daher
unter Berücksichtigung des Strohs als Rationsbestandteil oder als Einstreu bewertet und durch
geeignete Maßnahmen so gering wie möglich gehalten werden. Darüber hinaus trägt die
Verwendung von hygienisch einwandfreiem Stroh mit geringen Mykotoxinkonzentrationen
auch zu einer Verringerung einer potenziellen und schwer abschätzbaren zusätzlichen
inhalativen Exposition über oberflächlich dem Stroh anhaftende kontaminierte Stäube bei.
Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
Unter den Produktionsbedingungen der BRD kommt insbesondere den Mykotoxinen DON
und ZEN eine herausragende Bedeutung zu, da sie in Konzentrationen vorkommen können,
die vor allem beim Schwein zu einer Beeinträchtigung der Gesundheit und der Leistung
führen. Diese tierartspezifische Empfindlichkeit kommt auch in den niedrigsten Orientierungswerten für kritische Konzentrationen dieser Mykotoxine in Alleinfuttermitteln zum
Ausdruck (Tab. 2). Aus dem Vorkommen dieser Toxine in Ergänzungs- und Alleinfuttermitteln für Schweine geht hervor, dass diese Orientierungswerte gelegentlich überschritten
werden. Zusätzlich aus der Einstreu aufgenommene Mykotoxine sind in ihrem Beitrag zur
gesamten Exposition des Schweins ähnlich einzuschätzen wie Getreidekörner, da ihr
Kontaminationsniveau in etwa dem der Körner entspricht.
Das Nationale Kontrollprogramm zum Vorkommen von Mykotoxinen in Futtermittelausgangserzeugnissen zeigt, dass Mais häufiger mit DON und ZEN kontaminiert ist, so dass
präventive Maßnahmen insbesondere diese Futterpflanze im Fokus haben sollten (siehe auch
Oldenburg und Rodemann in diesem Band).
Literatur
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119
Minimierungsstrategien für Mykotoxine bei Anbau,
Ernte und Verarbeitung
E. Oldenburg und B. Rodemann
Julius Kühn-Institut, Braunschweig
C. Schwake-Anduschus und K. Münzing
Max Rubner-Institut, Detmold
Einleitung
Ein Befall von Kulturpflanzen mit pilzlichen Schaderregern kann bereits während des
Aufwuchses im Feld zur Bildung von Mykotoxinen im infizierten Gewebe führen und die
Qualität von Ernteprodukten beeinträchtigen. Im Getreide- und Maisanbau sind Pilze der
Gattung Fusarium aufgrund der häufig gebildeten Fusariumtoxine, insbesondere
Deoxynivalenol (DON), Zearalenon und Fumonisine, von großer Bedeutung (Placinta et al.
1999, Logrieco et al. 2002). Da diese Toxine aufgrund ihrer Toxikologie die Gesundheit und
Leistungsfähigkeit von Tier und Mensch beeinträchtigen können (Bennett und Klich 2003),
wurden in der EU für diese Stoffe Richtwerte für den Futtermittelbereich (Empfehlung der
Kommission 2006/576/EG) sowie Höchstmengen für den Lebensmittelbereich (Verordnungen der Kommission 2006/1881/EG und 2007/1126/EG) im Sinne eines vorbeugenden
Verbraucherschutzes erlassen.
Um eine nachhaltige Produktion von einwandfreien und gesunden Futter- und Lebensmitteln
sicherzustellen, sind Strategien zur Minimierung von Mykotoxinen in allen Bereichen der
Futter- und Lebensmittelkette anzuwenden (Empfehlung der Kommission 2006/583/EG).
Während des Anbaus im Feld bestimmen eine Vielzahl von witterungsspezifischen,
pflanzenbaulichen und anbautechnischen Faktoren das Fusarium-Infektionsrisiko und damit
auch das Toxin-Kontaminationsrisiko von Getreide und Mais (Abb.1)
120
Abb. 1: Einfluss und Zusammenwirken verschiedener Faktoren auf den Fusarium- Befall von
Getreide und Mais (modifiziert nach Bartels und Rodemann, 2003)
Für einen Fusarienbefall der Pflanzen ist zunächst das vom Boden ausgehende Infektionspotential oder Ausgangsinokulum von Bedeutung. Der Infektionsdruck geht insbesondere von
Pflanzenresten von Getreide und Mais aus, die mit Fusarien bereits infiziert wurden und damit
potentielle Infektionsquellen für die nachfolgenden Kulturpflanzen darstellen. Das
Zusammenspiel zwischen Ausgangsinokulum und Witterung entscheidet in der Folge über die
Stärke des Infektionsrisikos für die Pflanze. Frühjahrsbedingungen, die die Entwicklung der
Schaderreger auf den Pflanzenresten fördern, erhöhen das Befallsrisiko während des
Aufwuchses der Pflanzen. Zum Zeitpunkt der Blüte von Weizen gelten Witterungsbedingungen mit Temperaturen > 18 °C und täglichen Niederschlägen von mindestens 3-5
mm Regen als besonders infektionsbegünstigend.
Beim Weizen führt die Infektion zunächst zum Befall einzelner Ährchen, die nachfolgend
ausbleichen. Je nach Infektionszeitpunkt und Infektionsintensität wächst der Pilz bis zur
Spindel und in die unterhalb der Infektionsstelle liegenden Kornanlagen. So entsteht dann das
typische Schadbild der Partiellen Taubährigkeit.
Beim Mais erfolgt die Primärinfektion der weiblichen Blüte meist über die Narbenfäden an
der Kolbenspitze. Danach wächst der Pilz zunächst durch die Spindel in Richtung auf die
Kolbenbasis und infiziert nachfolgend die sich entwickelnden Körner (Oldenburg und Ellner,
2010).
Da in das Witterungsgeschehen nicht steuernd eingegriffen werden kann, kommt pflanzenbaulichen, anbau- und erntetechnischen sowie konservierungs- und lagerungstechnischen
Maßnahmen, die risikomindernd wirken und in der Entscheidungskompetenz der Landwirtschaft liegen, eine wesentliche Bedeutung zu. Diese Maßnahmen sollten situationsbedingt
und standortgerecht aufeinander abgestimmt werden, um ein Zusammentreffen von mehreren
infektions- und kontaminationsbegünstigenden Faktoren so weit wie möglich zu vermeiden.
121
Fruchtfolge
Aufgrund der Bedeutung des Fusarium-Inokulumpotentials für das Infektionsrisiko kommt
der Fruchtfolgegestaltung eine wichtige Stellung zu. In engen Fruchtfolgen mit hohem Anteil
an Getreide und Mais folgen Feldfrüchte unmittelbar aufeinander, die bevorzugt von Fusarien
befallen werden. Als besonders infektionsfördernd gilt der Mais als Vorfrucht vor Weizen
aufgrund des hohen Infektionsdrucks, der von den Stoppeln ausgehen kann (Bartels und
Rodemann, 2003). Risikomindernd wirken daher erweiterte Fruchtfolgen, in denen der
Maisanteil reduziert und/oder der Anteil an Sommerungen und Blattfrüchten erhöht ist.
Sortenresistenz
Im Rahmen einer integrierten Bekämpfungsstrategie kommt der Sortenresistenz gegenüber
Fusarium-Krankheiten und damit auch der Minimierung von Mykotoxinen eine besondere
Bedeutung zu. In wissenschaftlichen Untersuchungen wurde sowohl beim Weizen (Abb. 2)
als auch beim Mais (Abb. 3) ein enger positiver Zusammenhang zwischen dem Fusariumbefall der betroffenen pflanzlichen Organe und den DON-Gehalten in den Körnern
festgestellt. Somit ist die Befallsbonitur bzw. der Befallsgrad des Weizens mit Fusarium in
der Ähre bzw. des Maises mit Fusarium am Kolben ein Gradmesser für die Belastung mit
Mykotoxinen.
Abb. 2: Korrelation zwischen dem Fusarium-Ährenbefall (visuelle Befallsbonitur) und dem
Deoxynivalenol-Gehalt in Winterweizen-Körnern (Rodemann und Bartels, 2007)
122
Abb. 3: Korrelation zwischen dem Fusarium-Kolbenbefall (visuelle Befallsbonitur) und dem
Deoxynivalenol-Gehalt in Maiskörnern (Oldenburg und Ellner, 2011)
Vollständig resistente Genotypen sind bisher weder bei Getreide noch beim Mais verfügbar.
Umfangreiche Bewertungen der Resistenz von Weizensorten ergaben deutliche Unterschiede
in der Anfälligkeit gegenüber Fusarien (Abb. 4) und führten zur Klassifizierung der Sorten in
unterschiedliche Befallseinstufungen durch das Bundessortenamt (BSA).
Abb. 4: Zusammenhang zwischen der BSA-Sorteneinstufung und dem Fusarium-Ährenbefall
sowie dem DON-Gehalt in Weizenkörnern (Rodemann und Mielke, 2007)
Als mittel bis hoch anfällig gelten Weizensorten der BSA-Einstufung ≥ 5. Als wenig anfällig
werden Weizensorten mit BSA-Einstufung 2-3 bewertet, die ca. 20% des derzeit zugelassenen
Sortimentes stellen, darunter auch ertragreiche Sorten. Weizensorten mit guter Widerstands-
123
fähigkeit gegenüber Fusarium sollten insbesondere an Standorten mit hoher Niederschlagsneigung zum Zeitpunkt der Getreideblüte, bei Anwendung von konservierender Bodenbearbeitung, bei Mais als Vorfrucht von Getreide sowie bei engen Getreidefruchtfolgen gewählt
werden.
Beim Mais wurden bisher nur Sortencharakterisierungen bezüglich der Anfälligkeit gegenüber der Stängelfäule, die auch von Fusarien verursacht wird, vom Bundessortenamt vorgenommen. Ein Zusammenhang zwischen der Fusarium-Stängelfäule und der Kolbenfusariose
besteht jedoch aufgrund der unterschiedlichen Infektionswege nicht. Daher wären SortenBewertungen bezüglich der Kolbenfusariose-Anfälligkeit im Hinblick auf eine erweiterte
Einschätzung des Mykotoxinrisikos beim Mais wünschenswert.
Bodenbearbeitung
Die Überdauerung der Erreger erfolgt in der vegetationsfreien Zeit an Ernterückständen auf
der Bodenoberfläche. Während des Aufwuchses der Folgefrucht stellen verbliebene
Ernterückstände der Vorfrucht eine ständige potentielle Infektionsquelle dar. Je mehr
infektiöses Pflanzenmaterial auf der Oberfläche verbleibt, desto höher ist die Infektionsgefahr. Deshalb geht von konservierenden Bodenbearbeitungsverfahren ein potentiell höheres
Risiko aus als von wendender Bodenbearbeitung (Weinert et al., 2008, Oldenburg et al.,
2008). Die Beseitigung von Ernterückständen von der Bodenoberfläche gelingt am sichersten
durch eine saubere Pflugfurche. Jedoch kann auch nach der Pflugbearbeitung in Folgejahren
unverottetes Pflanzenmaterial wieder an die Bodenoberfläche gelangen und das Infektionsgeschehen erneut in Gang setzen. Deshalb wird rotteförderndes Häckseln und gleichmäßiges
Verteilen von Mais- und Getreiderückständen generell vor wendender und nicht wendender
Bodenbearbeitung empfohlen. Bei Anwendung von konservierenden Bodenbearbeitungsverfahren sollte auf ein gleichmäßiges Einarbeiten von Mais- und Getreideresten in die
Krume geachtet werden, um Verottungsvorgänge zu beschleunigen. Mit der Wahl von
Weizen- (Oldenburg et al., 2007) als auch Maissorten mit geringer Anfälligkeit gegenüber
Fusarium kann der erhöhten Infektionsgefahr bei Anwendung von konservierenden Bodenbearbeitungsverfahren effizient entgegengewirkt werden (Abb. 5 und 6). Auf eine Direktsaat
sollte bei engen Getreide-Fruchtfolgen incl. Mais grundsätzlich verzichtet werden.
124
Abb. 5: Einfluss der Fusarium-Anfälligkeit von Weizensorten und der Bodenbearbeitung auf
den Deoxynivalenol-Gehalt von Weizenkörnern (Oldenburg, 2009)
Abb. 6: Einfluss der Stängelfäule-Anfälligkeit von Maissorten und der Bodenbearbeitung auf
den Deoxynivalenol-Gehalt von Silomais (Oldenburg et al., 2009)
Chemischer Pflanzenschutz
Da chemische Pflanzenschutzmaßnahmen nicht voll wirksam sind, sollten Pflanzenschutzstrategien im Rahmen integrierter Konzepte nachhaltig sowie unter Berücksichtigung
von standortspezifischen Riskofaktoren und wetterspezifischen Prognosemodellen angewandt
und auf das notwendige Maß entsprechend der Richtlinie 2009/128/EG begrenzt werden. Im
Getreideanbau sind in Deutschland Fungizide gegen Ährenfusarium zugelassen. Wichtig ist
die zeitnahe Applikation der Pflanzenschutzmittel zum Infektionszeitpunkt in der Blüte, um
125
Befallsreduzierungen von 60-70% zu erreichen (Bartels und Rodemann, 2003). Im Maisanbau
sind fungizide Beizmittel zur Bekämpfung von samenbürtigem Fusarium-Befall sowie
Auflaufkrankheiten und Insektizide gegen den Maiszünsler zugelassen, der mit seinen
Fraßschäden Eintrittspforten für Fusarien in pflanzliches Gewebe eröffnet und somit
infektionsfördernd wirkt.
Ernte, Trocknung, Lagerung
Die Ernte sollte im Getreide- und Maisanbau zum optimalen nutzungsspezifischen Reifezeitpunkt durchgeführt werden, da Ernteverzögerungen zu einem Fortschreiten des Befalls
sowie der Mykotoxinanreicherung führen können.
Nach der Getreideernte müssen eventuell notwendige Trocknungsmaßnahmen ohne
Zeitverzögerung erfolgen, um Feuchtegehalte des Erntegutes unter 14% sicherzustellen. Zur
Vermeidung einer Rückbefeuchtung des Ernteguts sollte während der Lagerung mittels
Kühlung und Belüftung die relative Luftfeuchtigkeit < 75% und Temperaturen unter 20°C
gehalten werden.
Bei der Feuchtkonservierung von Mais zur Erzeugung von Maissilagen oder Corn-Cob-Mix
ist auf eine konsequente Minimierung des Lufteinflusses bei der Silobefüllung, der SilageLagerung sowie der Futter-Entnahme zu achten. Dies wird insbesondere sichergestellt durch
eine optimale Verdichtung des Erntegutes bei der Silofüllung, eine luftdichte Abdeckung der
Silos sowie eine zügige Silage-Entnahme bei Verfütterung.
Vor der Getreideverarbeitung
Nach Anbau und Ernte folgen weitere Behandlungen, um das Getreide in den Status der
Lager-, Vermarktungs- und Verarbeitungsfähigkeit zu überführen. Dazu zählen auch die
Maßnahmen zur Minimierung von Mykotoxinen.
Im Bereich der futter- und lebensmittelverantwortlichen Unternehmen beginnen die
Minimierungsstrategien mit der Festlegung der Rohstoffanforderungen, der Rohstoffbewertung und der hierauf basierenden betrieblichen Maßnahmen und Entscheidungsprozesse
für den Kauf und die Qualitätslenkung (Abb. 7). Die Schwierigkeit für die Betriebe liegt
darin, Problempartien rechtzeitig zu erkennen und nur solche Ware zu akzeptieren, die mit
dem vorhandenen Reinigungsdiagramm in den Zustand der gesundheitlichen Unbedenklichkeit gebracht werden können. Dazu muss in der Getreideannahme gutes, technischorganisatorisches Potenzial und vor allem Erfahrungswissen vorhanden sein.
126
• Informationsvernetzung nutzen: Pflanzenschutzdienst, Züchter und Wissenschaft:
 woerst – case-Anbau: befallslagen- und vorfruchtorientiert,
 Informationen zur Befallslage: 14 Tage vor der Ernte,
• techn.-organisatorische Maßnahmen im Betrieb einleiten:
 Erstentscheidung: Sichtkontrolle vor Getreideannahme,
 Probenahme: handelsüblich und problem-orientiert,
 Mykotoxin-Schnelltest anwenden (z.B. Dip stick-screening Teststreifen),
 Indikatoren für Pilzschädigungen beachten: optisch, sensorisch, hL- und TK-Gewicht,
Leichtgut, Kleinkorn, Laborsiebe auf 2,5 mm umstellen,
 Basishygiene und Qualitätslenkung in der Getreideannahme durchführen (HACCP-Prinzip),
 Getreide-Reinigungsdiagramm ist dem Schwarzbesatzaufkommen anzupassen,
 Unterschreitung gesetzlicher Toleranzwerte: Freigabe bei Handelsüblichkeit,
 Überschreitung der Grenzwerte: Rückgabe der Ware oder Schwarzbesatz herausreinigen,
 Rückstellmuster zur Absicherung: nur bei sachgerechter Beprobung und Aufbewahrung.
Abb. 7: Handlungsempfehlungen zur Mykotoxinminimierung: Wahrscheinlichkeiten und
Schadensumfang prüfen, problemorientiert handeln
Insbesondere die mechanische Reinigung des Getreides ist ein wichtiger Schritt zur
Dekontamination des Getreides von Mykotoxinen (Münzing, 2010). Mittels Staub- und
Leichtgutabscheider werden z. B. pilz- und fusarienbelastete Körner aufgrund ihrer gegenüber
gesunden Körnern geringeren Dichte effektiv abgetrennt (Abb. 8). So finden sich im
Reinigungsabgang in dem sogenannten Schwarzbesatz unerwünschte Stoffe, die bis zu 80 %
der Mykotoxine aufweisen können. Durch die Abreinigung enthält das Grundgetreide nur
noch 20 % der unerwünschten Stoffe.
127
Abb.8: Mechanische Reinigung des Rohgetreides (Quelle: Münzing, MRI)
Neben der Leichtgutabtrennung setzen Handel und Mühlen verbreitet Auslesesysteme ein, die
zusätzlich verfärbte Körner (z.B. Mutterkorn) auf Grund ihrer Kontraste oder Farbe aussortieren. Leichtgutausleser, Rundkorn- und Langkorn-Trieure und Luftabscheidesysteme
sorgen dann für eine weitere Reduzierung von unerwünschten Stoffen. Da bei hoch belasteten
Problempartien die Reinigungsabgänge übermäßig hohe Gehalte an Mykotoxinen aufweisen,
sollten diese nicht der Futtermittelherstellung zugeführt werden. Aber auch für die
Zweckbestimmung Lebensmittel können Körner, deren Erscheinungsbilder einwandfrei sind,
oft noch Gehalte an Mykotoxinen aufweisen.
Während der Verarbeitung zu Mahlprodukten
Weitere Ansätze für die Qualitätssicherung in Verarbeitungsbetrieben ergeben sich aus dem
Verteilungsprofil der Mykotoxine innerhalb des Getreidekornes. So sind beispielsweise
Fusarium-Toxine in Getreidekörnern in höheren Konzentrationen in den äußeren Schichten
zu finden als im Korninnern. Aus diesem Grund kann z.B. bei Hafer durch das Entspelzen
eine Abreicherung der T-2/HT-2-Gehalte um über 90 % erreicht werden (SchwakeAnduschus et al., 2010). Durch eine Abtrennung der Schale bei Weizen und Roggen können
ebenfalls Reduktionen von Deoxynivalenol (DON)-Gehalten von 20 bis zu 40 % erzielt
werden, je nach Partie und Ausgangswert an DON (Abb. 9). Zusätzlich können durch
Scheuern und Schälen (sogenanntes Peelen) Mykotoxin-Gehalte weiter reduziert werden
(Münzing und Schwake-Anduschus, 2010).
128
Abb. 9: Schälung des Grundgetreides (Quelle: Münzing, MRI)
Die Minderung der Mykotoxinrisiken für Brotgetreide führt jedoch gleichzeitig zur
Mykotoxinanreicherung in der Kleie. So sind in der Schälkleie höhere Toxin-Gehalte zu
finden als in den entsprechenden Einzelkörnern. Kleie sollte somit vor der Verwendung als
Speise- oder Futtermittel auf die angegebenen Mykotoxin-Höchstmengen (Verordnung der
Kommission 2006/1881/EG) bzw. Mykotoxin-Richtwerte (Empfehlung der Kommission
2006/576/EG) und Orientierungswerte (im Rahmen des § 3 des Futtermittelgesetzbuches)
geprüft werden. Dem Markt stehen schnelle, einfache und auch kostenüberschaubare Systeme
zur quantitativen Mykotoxinbestimmung zur Verfügung, die auch von ungeschultem Personal
sicher angewendet werden können (Schwake-Anduschus und Zimmer, 2011). Gegebenenfalls
ist belastete Kleie nur noch als Rohstoff für die Energiegewinnung (Verbrennung, Biogas)
geeignet oder ordnungsgemäß zu entsorgen (z.B. kommunale Müllverbrennung).
Da die Getreidekörner während des Mahlprozesses in einzelne Fraktionen zerlegt werden,
erhält man spezielle Mahlpassagen mit sehr unterschiedlicher Mykotoxinbelastung
(Franzmann et al., 2011). Hieraus ergeben sich weitere Lenkungsinstrumente zur Reduzierung
des Mykotoxingehaltes der Mehle. Orientierende Mahlversuche mit Weizen und Roggen
zeigen, dass nach dem Separieren der Mahlfraktionen durch Dichteunterschiede die feineren
und helleren Schrot- und Grießpassagen geringere Mykotoxin-Gehalte aufweisen, als die
gröberen und mineralstoffreichen dunkleren Produkte (Kleie und Nachmehle). Auch hier ist je
nach Kontaminationsgrad vor einem sorglosen Umgang mit den mykotoxinangereicherten
Fraktionen für Futterzecke zu warnen.
129
Folgerung
Mit den aufgezeigten Maßnahmen in der pflanzlichen Produktion, bei der Ernte, der Konservierung und Lagerung sowie den technischen Möglichkeiten der Nacherntebehandlung,
Ausleseverfahren und Verarbeitungsprozesse stehen vielfältige Handlungsoptionen zur
Verfügung, um Mykotoxinkontaminationen in der Futter- und Lebensmittelkette nachhaltig
zu minimieren und somit den Schutz des Verbrauchers vor Mykotoxinen zu gewährleisten.
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131
Cadmium im System Boden-Pflanze und
Prognose des Cadmiumhaushaltes von Landschaften
D. Julich und S. Gäth
Justus-Liebig-Universität Gießen
1
Cadmium im System Boden-Pflanze
Cadmium ist ein nicht essentielles Schwermetall und hat daher, ebenso wie Hg und Pb, ab
einem bestimmten Schwellenwert eine toxische Wirkung auf Lebewesen. Es kann in
Organismen aufgenommen werden und sich dadurch in der Nahrungskette anreichern. Bei
Pflanzen zeigt sich die toxische Wirkung von Cd durch verringertes Wachstum sowie
unspezifische Chlorosen und Nekrosen, die durch verminderte Aufnahme an essentiellen
Kationen bedingt sein können. Beim Mensch kann Cadmium die sogenannte Itai-ItaiKrankheit hervorrufen, außerdem Funktionsstörungen der Nieren, Bluthochdruck und
Lungenemphyseme (Aufnahme über Atemwege). Eine cancerogene Wirkung wird vermutet
(SCHEFFER & SCHACHTSCHABEL 2002).
Unter natürlichen Bedingungen sorbiert Cadmium in der Regel stark an die Bodenmatrix.
Dadurch liegen die mittleren Cd-Gehalte in unbelasteten Böden in der Regel unter 0,5 mg kg-1
und damit im Bereich der Gehalte der kontinentalen Erdkruste (SCHEFFER &
SCHACHTSCHABEL 2002). Unterschiedliche geologische Ausgangsmaterialien können jedoch
auch höhere Cd-Gehalte im Boden zur Folge haben. Anthropogen bedingte Anreicherungen
der Gehalte im Boden sind beispielsweise in der näheren Umgebung von Cd-emittierenden
Betrieben, verkehrsreichen Straßen sowie in Auenböden und Flusssedimenten zu finden.
Auch landwirtschaftlich genutzte Böden können erhöhte Cd-Gehalte aufweisen.
Haupteintragspfade stellen hier neben der atmosphärischen Deposition eingebrachte
Düngemittel, insbesondere Phosphatdünger, dar (DE MEEÛS et al. 2002, DE TEMMERMANN et
al. 2003, REINER et al. 1996). Klärschlämme und Wirtschaftsdünger enthalten meist
vergleichsweise geringe Cd-Gehalte (UBA 2007), wobei bei allen Düngemitteln große
Schwankungsbreiten auftreten können.
1.1
Verfügbarkeit von Cadmium im Boden
Die Verfügbarkeit von Schwermetallen für Pflanzen und Tiere im Boden ist von
verschiedenen Bodeneigenschaften sowie von den Organismen selbst abhängig. Eine saure
Bodenreaktion, geringe Kationenaustauschkapazitäten (z.B. durch geringe Ton-, Corg- und
Sesquioxidgehalte) und hohe Schwermetallgesamtgehalte im Boden erhöhen die Schwer-
132
metallverfügbarkeit. Sie hängt des Weiteren von der Ionenstärke der Begleitionen in der
Bodenlösung, dem Gehalt an gelösten Komplexbildnern sowie vom Redoxpotenzial der
Bodenlösung ab (SCHUG 2000). Cadmium wird im neutralen bis alkalischen pH-Bereich
vorwiegend spezifisch adsorbiert, während mit sinkendem pH-Wert (ab pH 6,5) die
unspezifische Adsorption zunimmt. Unspezifisch adsorbiertes Cadmium ist leicht
austauschbar durch Erdalkaliionen und wird somit pflanzenverfügbar. Die Bindung von
Cadmium an die organische Substanz des Bodens und die Bildung löslicher metallorganischer
Komplexe nimmt bei landwirtschaftlich genutzten Böden in der Regel eine untergeordnete
Rolle ein (SCHEFFER & SCHACHTSCHABEL 2002). Einen bedeutenden Einfluss auf die CdLöslichkeit haben Alkali- und Erdalkali-Ionen in der Bodenlösung, die mit zunehmender
Konzentration die Cd-Desorption erhöhen. Im Boden vorliegende Chlorid- und SulfatAnionen beeinflussen außerdem die Verfügbarkeit von Cadmium durch Bildung löslicher
Komplexe, was die Cd-Adsorption im Boden herabsetzt. In Ackerböden kann eine Düngung
mit Cl-haltigen Salzen (KCl) demnach eine Mobilisierung von Cadmium zur Folge haben.
Die Bindungsfähigkeit von Schwermetallen im Boden lässt sich über Sorptionsversuche
darstellen. Dabei wird die sich in einem Gleichgewichts-ähnlichen Zustand einstellende
Bodenlösungskonzentration für verschiedene Zugabemengen eines Schwermetalls ermittelt
und der Konzentration in der Festphase gegenübergestellt. Der Verlauf der Sorption bei
steigenden Lösungskonzentrationen kann über Funktionen, wie die Isotherme nach
Freundlich, beschrieben werden. Über solche Transferfunktionen wird die quantitative
Beschreibung der Sorptionskapazität eines Bodens bezüglich eines Schwermetalls sowie der
Verfügbarkeit bei bekannter Festphasenkonzentration möglich. Die zusätzliche Anwendung
von Extraktionsverfahren erlaubt die Abschätzung unterschiedlich gebundener
Schwermetallfraktionen vom Gesamtgehalt bis hin zur leicht löslichen Fraktion durch die
Anwendung verschiedener Extraktionsmittel.
1.2
Cadmium in Pflanzen
Die Aufnahme von Cadmium in Pflanzen erfolgt vorwiegend aus dem Boden und ist neben
der Cd-Verfügbarkeit im Boden stark von der Pflanzenart abhängig. Die Cd-Gehalte in
Pflanzen liegen meist unter 0,5 mg kg-1 TS, können aber beispielsweise bei Spinat, Grünkohl
und Sellerieknollen deutlich höher sein. Die Höchstgehalte von Cadmium in Lebensmitteln
werden durch die EG-Verordnung 466/2001 festgesetzt. Für Weizengetreide, Reis und
Wurzelgemüse gilt beispielweise ein Höchstgehalt von 0,2 mg kg-1; für andere Getreidearten,
Sojabohnen und Blattgemüse wurden 0,1 mg kg-1 festgelegt. Die Cd-Aufnahme durch
Pflanzen kann durch die Festlegung der gelösten Bodenkonzentrationen, z.B. durch
Aufkalkung (Bildung von CdCO3) oder hohe Phosphatgaben, reduziert werden. Eine
ausreichende Versorgung mit Mangan, Zink und Kupfer bewirkt ebenso eine verminderte
133
Aufnahme von Cadmium durch Pflanzen (HORAK & PUSCHENREITER 1999, LAUGHLIN &
SINGH 1999).
2
Prognose des Cadmiumhaushaltes von Oberböden
2.1
Schwermetallbilanzierung von Oberböden
Die Bilanzierung des Schwermetallhaushaltes von Standorten und Landschaften verfolgt das
Ziel, die Entwicklung von Schwermetallgehalten und -flüssen in Abhängigkeit der natürlichen
Gegebenheiten sowie anthropogener Einflüsse zu prognostizieren. Bilanzierungsansätze für
verschiedene Skalenebenen wurden unter anderem von KÜHNEN UND GOLDBACH (2004),
REINER et al. (1996), MALBURG-GRAF (2003) und FREIERMUTH (2006) vorgestellt. Diejenigen
Bilanzansätze, die über eine bloße Darstellung der Schwermetallein- und -austräge eines
Systems hinausgehen und damit den Anspruch der Prognose des Schwermetallstatus von
Standorten oder Regionen haben, basieren in der Regel auf Pedotransferfunktionen. Über
solche Transferfunktionen lassen sich die Elementgehalte einer Schwermetallfraktion aus den
Gehalten einer anderen bekannten Fraktion (z.B. Gesamtgehalte) berechnen. SCHÜTZE et al.
(2003) verwendeten Pedotransferfunktionen zur Risikoabschätzung der Cadmium-Belastung
für Mensch und Umwelt infolge der Anwendung Cd-haltiger Düngemittel. Die erweiterten
Freundlich-Isothermen, welche die sorptionsbestimmenden Bodeneigenschaften in die
Berechnungen einbeziehen, sind ein weit verbreiteter Ansatz zur Beschreibung der Verteilung
sorbierter und gelöster Schwermetallkonzentrationen im Boden und wurden in zahlreichen
Studien als geeignet bewertet (FILIUS 1993, STRECK 1993, INGWERSEN 2001, TIKTAK et al.
1998, KELLER UND SCHULIN 2003).
Das im Rahmen des SFB 299 („Landnutzungskonzepte für periphere Regionen“) entwickelte
Schwermetallbilanzmodell ATOMIS (Assessment Tool for Metals in Soils, REIHER 2008)
basiert ebenfalls auf Pedotransferfunktionen und prognostiziert den Schwermetallhaushalt von
Oberböden in Abhängigkeit der Landnutzung und des Bewirtschaftungssystems. Zum
derzeitigen Entwicklungsstand ist das Modell für die Elemente Nickel, Kupfer, Zink und
Cadmium parametrisiert. Auf der Eintragsseite berücksichtigt ATOMIS die Schwermetallzufuhr über organische und mineralische Düngemittel sowie die atmosphärische Deposition.
Prinzipiell können auch Schwermetalleinträge über Pflanzenschutzmittel (PSM)
berücksichtigt werden. Da Cd-haltige PSM in Deutschland jedoch verboten sind, tritt das
Element allenfalls als Verunreinigung auf und ist für eine Bilanzierung der Gesamtein- und austräge vernachlässigbar (UBA 2007). Der Schwermetallaustrag erfolgt im Modell über
Auswaschung der in der Bodenlösung vorliegenden Schwermetallfraktion mit dem
Sickerwasser und deren Entzug durch Pflanzen (Transpirationssog). Dabei werden die
Bodenlösungskonzentrationen standortspezifisch über zwei Pedotransferfunktionen aus den
Gesamtgehalten abgeleitet. In einem ersten Schritt wird über einen Regressionsansatz die
134
potenziell austauschbare Schwermetallfraktion aus den Gesamtkonzentrationen im Boden
ermittelt (Gl. 1). Mit der zweiten Gleichung (Gl. 2), der erweiterten Freundlich-Isotherme,
werden aus den potenziell austauschbaren Schwermetallgehalten die Bodenlösungsgehalte
bestimmt.
log Csorb = a + b log H+ + c log Corg + d log Ton + e log Ctot
(Gl. 1)
log Clsg = (log Csorb - β0 - βH+ log [H+] - βKAK * log [KAKpot])* m-1
(Gl. 2)
mit: Csorb
Ctot
Clsg
a
b
c
d
e
H+
Corg
Ton
β0
βH+
βKAK
m
KAKpot
– organisch sorbierter Schwermetallgehalt [mg kg-1]
– Schwermetallgesamtgehalt [mg kg-1]
– Schwermetallkonzentration in Bodenlösung [µg L-1]
– intrinsischer Parameter
– Regressionskoeffizient für H+-Konzentration
– Regressionskoeffizient für Corg-Gehalt
– Regressionskoeffizient für Tongehalt
– Regressionskoeffizient für Schwermetallgesamtgehalt
– Protonenkonzentration [mol H+ L-1]
– organischer Kohlenstoffgehalt [Gew.-%]
– Tongehalt [Gew.-%]
– intrinsischer Parameter
– Regressionskoeffizient für H+-Konzentration
– Regressionskoeffizient für Kationenaustauschkapazität
– Regressionskoeffizient für Schwermetall-Lösungskonzentration
– potenzielle Kationenaustauschkapazität [cmolc kg-1]
Gleichung 1 wurde im Rahmen der Arbeiten im SFB 299 über Regressionsanalysen aus den
gemessenen Gesamtgehalten (Königswasser-extrahierbar) und potenziell pflanzenverfügbaren
Schwermetallgehalten (EDTA-extrahierbar) abgeleitet und parametrisiert (HORN 2003,
REIHER 2008). Die erweiterte Freundlich-Sorptionsisotherme (Gl. 2) zur Berechnung der
Bodenlösungskonzentrationen basiert auf Sorptionsversuchen. Die Koeffizienten dieser
Gleichung wurden ebenfalls durch Regressionsanalysen bestimmt.
135
Tab. 1: Parameter der Transferfunktion (Gl. 1 und 2) zur Ableitung der Lösungskonzentrationen auf Basis von Extraktions- und Sorptionsversuchen (*** p ≤ 0,001 d.h.
höchst signifikant bei  = 0,1 %)
a
-0,639***
0
2,138E-04***
b
-0,044***
H+
-0,634***
c
0,220***
CECp
1,265***
m
0,886***
0,945***
d
e
0,995***
R²adj
0,848***
R²adj
n
582
n
2687
Die Datengrundlage zur Ableitung der in ATOMIS integrierten Pedotransferfunktionen für
Cadmium soll im Folgenden dargestellt werden.
2.2
Datengrundlage SFB 299
Die Bodenprobendatenbank des SFB 299 enthält 1132 Einzelproben, für die
sorptionsspezifische Bodeneigenschaften sowie die Schwermetallgehalte aus Sorptions- und
Extraktionsversuchen untersucht wurden. Aufgrund der historischen Entwicklung des Probenkollektivs wurden die genannten Versuche nicht an jeder einzelnen vorhandenen Probe
durchgeführt, was die jeweils eingehenden Probensätze zur Ableitung von Transferfunktionen
reduzierte.
Bodeneigenschaften
Insgesamt umfasst die Bodenprobendatenbank eine Vielzahl an Proben unterschiedlicher
Standorte und damit unterschiedliche Bodeneigenschaften sowie Landnutzungen. Des
Weiteren führt die Einbeziehung von Ober- und Unterböden zu einer hohen Variabilität der
Bodeneigenschaften. Die Standorte unterlagen vor allem den Landnutzungen Acker, Wald
und Grünland (Abb. 1). Nur je 2 % der Proben stammen von Siedlungs- oder Brachflächen.
Die unterschiedlichen Landnutzungen der einzelnen Standorte beeinflussen wesentliche
sorptionsbestimmenden Bodeneigenschaften wie den pH-Wert, den Corg- Gehalt und die
Kationenaustauschkapazität.
136
Siedlung 2%
Grünland 23%
Wald 34%
Brache 2%
Acker 39%
n = 1132
Abb. 1: Landnutzungsverteilung der Böden der SFB-Bodenprobendatenbank
In Abb. 2 sind die Verteilungen wichtiger sorptionsbestimmender Bodeneigenschaften
dargestellt. Die pH-Werte decken mit Werten von 2,8 bis 8,0 ein weites Spektrum typischer
Boden-pH-Werte Mitteleuropas ab, ebenso die potenziellen Kationenaustauschkapazität
(KAKp). Dabei muss berücksichtigt werden, dass die Werte für KAKp über eine
Transferfunktion nach Krogh et al. (2000) aus dem Corg- und dem Tongehalt berechnet
wurden. Die Tongehalte der Standorte erreichen bis 70 %, wobei der Median bei 21 % liegt.
Abb. 2: Verteilung der pH-Werte (CaCl2), der Corg-Gehalte, der Tongehalte und der
potenziellen Austauschkapazität (berechnet nach Krogh et al. 2000) der Böden der SFBBodenprobendatenbank
Die Korngrößenverteilung wurde für 1035 der insgesamt 1132 Proben ermittelt. Entsprechend
der Einteilung nach AG BODEN (2005) wurden 138 Böden der Hauptbodenart Sand, 352
Böden dem Schluff, Böden dem 400 Lehm und Proben dem 145 Ton zugeordnet (Abb. 3).
137
Abb. 3: Korngrößenverteilung der Böden der SFB-Bodenprobendatenbank (n = 1035)
Cadmium-Gehalte verschiedener Fraktionen im Boden
Zur Untersuchung der einzelnen Cadmium-Fraktionen im Boden wurden die Cd-Gehalte im
Königswasseraufschluss (Gesamtgehalte), im EDTA-Extrakt (potenziell pflanzenverfügbare
Gehalte) sowie im Ca(NO3)2- und NH4NO3-Extrakt (leicht lösliche Konzentrationen)
bestimmt.
Abb. 4 zeigt die Ergebnisse der Cd-Messungen mittels ICP-MS. Bei allen Fraktionen traten
infolge der Heterogenität der Proben der Bodendatenbank sehr große Wertebereiche auf. Die
Gesamtgehalte lagen von wenigen Ausnahmen abgesehen im Bereich der Vorsorgewerte der
BBodSchV (1999) und darunter. 72 % der beprobten Böden wiesen sogar Werte unterhalb des
geringsten Vorsorgewertes für Cadmium (0,4 mg kg-1) auf.
Die EDTA-extrahierbaren Cd-Gehalte schöpfen die Gesamtgehalte (bezogen auf den Median)
zu ca. 53 % aus, dass heißt ein hoher Anteil von Cadmium liegt in potenziell
pflanzenverfügbarer Form im Boden vor. Bei Betrachtung ausschließlich der Ackerstandorte
liegt dieser Anteil mit etwa 67 % noch höher (Wald: 44 %, Grünland: 42 %, Siedlung: 31 %).
138
Abb. 4: Cd-Gehalte im Königswasseraufschluss, EDTA-Extrakt (0,025 M), Ca(NO3)2Extrakt (0,01 M) und NH4NO3-Extrakt (1 M) der Böden der SFBBodenprobendatenbank
Die Cd-Gehalte der leicht löslichen Fraktion waren deutlich geringer als die Gesamt- und
EDTA-Gehalte. Die mit Ca(NO3)2 extrahierbaren Konzentrationen haben im Median einen
Anteil von etwa 6 % an den Gesamtgehalten; die mit NH4NO3 extrahierbaren Gehalte
schöpfen die Gesamtgehalte zu 7 % aus. Werden die Ergebnisse der löslichen Fraktion auf die
EDTA-extrahierbaren Gehalte bezogen ergeben sich etwas höhere Anteile von 16 % bei
Ca(NO3)2 und 14 % bei NH4NO3.
Die Löslichkeit von Cadmium im Boden hängt stark vom pH-Wert ab. Abb. 5 zeigt diese
Abhängigkeit für die Böden der Bodenprobendatenbank für die NH4NO3-extrahierbaren
Konzentrationen. Ab pH-Werten < 6 nimmt der unspezifisch adsorbierte Cd-Anteil am
Gesamtgehalt exponentiell zu (rechtes Diagramm).
139
Abb. 5: Cd-Bodenlösungskonzentrationen (NH4NO3-extrahierbar) Clsg (links) und Anteil
der NH4NO3-extrahierbaren Cd-Gehalte am Cd-Gesamtgehalt Clsg/Ctot (rechts) in
Abhängigkeit vom pH-Wert der Böden der SFB-Bodenprobendatenbank
2.3
Validierung von ATOMIS
Das Modell ATOMIS wurde anhand von Messdaten aus einer intensiv ackerbaulich genutzten
Region (Wetterau/Hessen) validiert und die Unsicherheit der Modellergebnisse abgeschätzt.
Es wurden 24 Ackerstandorte untersucht, die durch hohe Schwermetalleinträge über
Klärschlämme und weitere Düngemittel wie Schweine-Wirtschaftsdünger und verschiedene
Mineraldünger geprägt sind. Die auf den Standorten gemessenen Cadmiumgehalte im
Oberboden (siehe Abschnitt 2.2) wurden mit den durch ATOMIS simulierten Werten
verglichen, um die Modelleffizient festzustellen. Die Gegenüberstellung der gemessenen mit
den prognostizierten Schwermetallgehalten zeigte, dass ATOMIS die verschiedenen
Cadmium-Fraktionen im Boden gut prognostizieren kann. Die Unsicherheiten bei der
Berechnung der Gesamtgehalte von Cadmium waren mit Variationskoeffizienten von < 15 %
gering. Die eingetragenen Cd-Frachten in den Boden der untersuchten Ackerstandorte
betrugen zwischen 1,6 und 3,4 g ha-1 a-1. Die berechneten Cd-Austräge mit dem Sickerwasser
und über Pflanzenentzug lagen im Bereich von 0,2 bis 6,0 g ha-1 a-1 und waren damit
vergleichbar mit Ergebnissen anderer Untersuchungen zum Schwermetallaustrag aus dem
Boden (z.B. UBA 2001, KTBL 2005). Die zulässigen zusätzlichen Frachten nach BBodSchV
(1999) wurden demnach nicht überschritten. Der durchschnittliche Cd-Bilanzüberschuss
(Eintrag – Austrag) des Oberbodens war deutlich geringer als das von SCHÜTZE et al. (2003)
festgestellte Saldo von 7 g ha-1 a-1 für Acker- und Grünlandflächen in Deutschland (bei
pflanzenbedarfsgerechter Düngung). Ursachen für die vergleichsweise geringen CdBilanzüberschüsse der im Rahmen der Modellvalidierung untersuchten Standorte liegen zum
140
einen auf der Eintragsseite in den Cd-Gehalten der eingesetzten Düngemittel. Der Anteil
cadmiumhaltiger Mineraldünger (NP, NPK) war deutlich geringer als der Anteil organischer
(Wirtschaftsdünger, Klärschlamm) sowie überwiegend Stickstoff-haltiger Mineraldünger
(Kalkammonsalpeter), welche vergleichsweise geringe Cd-Gehalte aufweisen. Weiterhin
konnte durch die Simulationen mit ATOMIS festgestellt werden, dass der pH-Wert eine sehr
sensitive Größe bei der Berechnung löslicher Cd-Gehalte im Boden ist. Bei Ackerflächen mit
schwach saurer Bodenreaktion (pH < 6,5) berechnete das Modell erhöhte Cd-Lösungskonzentration und daraufhin einen erhöhten Cd-Austrag aus dem Boden, was in einer
ausgeglichenen, auf einigen Standorten einer leicht negativen, Cd-Bilanz resultierte.
2.4
Prognose des Cadmiumhaushaltes von Landschaften
Szenarienrechnungen sowohl für einzelne Standorte als auch auf regionaler Ebene haben
gezeigt, dass das Schwermetallbilanzmodells ATOMIS ein geeignetes Modell zur Prognose
der Cadmiumgehalte und -flüsse von Oberböden ist. In Abhängigkeit der Standortbedingungen und des Bewirtschaftungssystems kann die Nachhaltigkeit von verschiedenen
Landnutzungsoptionen hinsichtlich des Risikos von Cadmiumanreicherungen bewertet
werden. Insbesondere die Effekte unterschiedlicher Düngestrategien (Wirtschaftsdünger,
Klärschlamm, Mineraldünger, etc.) auf den Schwermetallhaushalt lassen sich gut durch das
Modell abbilden. Beispielsweise konnten Szenarienanalysen zeigen, dass Cadmium auf
solchen Flächen angereichert wird, die überwiegend mit mineralischen Phosphordüngern
gedüngt werden. In Abhängigkeit sorptionsbestimmender Eigenschaften (s.o.) können erhöhte
Cd-Gesamtgehalte im Boden wiederum zu erhöhten Konzentrationen in der Bodenlösung
führen, was eine Verlagerung mit dem Sickerwasser oder die Aufnahme in Pflanzen und
damit eine Anreicherung in der Nahrungskette wahrscheinlich macht.
Des Weiteren können die berechneten Schwermetallgehalte und -frachten im Modell mit
Nachhaltigkeitskriterien (z.B. Vorsorgewerte der BBodSchV) verglichen werden, was die
Prognose von Grenzwertüberschreitungen bzw. der Dauer bis eine Überschreitung eintritt,
erlaubt.
3.
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142
143
Cadmium in der Lebensmittelkette
H.Schafft
Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Berlin
Cadmium (Cd) ist ein Schwermetall, das sowohl aus natürlichen Quellen – durch vulkanische
Emissionen und durch die Verwitterung von Gestein – als auch aus der Industrie sowie beim
Einsatz von Düngemittel in der Landwirtschaft in die Umwelt gelangt. Cd findet sich in der
Luft, im Boden und im Wasser. Die Konzentrationen sind regional sehr unterschiedlich. Cd
kann sich in Pflanzen und Tieren anreichern und wird so vom Menschen über verschiedene
Lebensmittel aufgenommen. Der Weg des Cadmiums spiegelt die Kreisläufe unerwünschter
Stoffe in der Lebensmittelkette wider: Vom Boden und durch Düngemittel in die Pflanzen,
die zu Lebens- oder Futtermitteln verarbeitet werden, vom Futtermittel zum Tier, das
wiederum zu Lebensmitteln verarbeitet wird, und schließlich über das Lebensmittel bis zum
Menschen.
Cadmium wirkt in erster Linie toxisch auf die Nieren, kann aber auch eine Demineralisierung
der Knochen verursachen und ist als krebserregend für den Menschen eingestuft worden.
Dabei ist unstrittig, dass die Effekte an der Niere die Basis zur Ableitung von gesundheitsbezogenen Grenzwerten darstellen und dass Beta-2-Mikroglobulin ein brauchbarer Parameter
ist, um die Nierentoxizität zu beschreiben.
Am Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) wurde im Jahr 2009 ein Forschungsvorhaben
zur gesundheitlichen Bewertung der lebensmittelbedingten Belastung des Verbrauchers in
Deutschland durch die umweltbedingte Kontamination von Lebensmitteln abgeschlossen.
Diese nationale Risikobewertung erfolgte i) auf der Grundlage eines neuen von der
Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) abgeleiteten toxikologischen
Grenzwertes für Cadmium, ii) den im Lebensmittel-Monitoring über Jahre erhobenen
Analyseergebnissen über die Cadmiumbelastung von Lebensmitteln sowie iii) den aktuell für
Erwachsene erhobenen Ernährungsgewohnheiten, bei denen bundesweit rund 20.000
Personen zwischen 14 und 80 Jahren zu ihrem Lebensmittelverzehr befragt wurden
(Nationale Verzehrsstudie, NVS II, des Max-Rubner-Institutes, MRI).
Hauptquelle für die Exposition der nicht rauchenden Bevölkerung gegenüber Cadmium sind
Lebensmittel. Getreide und Getreideprodukte, Gemüse, Nüsse und Hülsenfrüchte sowie
Fleischprodukte tragen am meisten zur menschlichen Exposition bei, während auf der anderen
Seite Innereien, Meeresfrüchte, Wildpilze und Ölsaaten, aber auch dunkle Schokolade die
höchsten Cadmiumgehalte aufweisen. Fleisch, Eier und Milch sind vergleichsweise gering
144
belastet. Die Ernährungsgewohnheiten der Verbraucher sind somit ausschlaggebend für die
Exposition gegenüber Cadmium.
Bei durchschnittlichem Konsum aller Lebensmittel schöpft der Verbraucher die von der
EFSA abgeleitete tolerierbare wöchentliche Aufnahmemenge für Cadmium zu 58 % aus.
Bestimmte Gruppen wie Jugendliche und Verbraucher mit besonderen Ernährungsgewohnheiten, wie hohem Konsum von Gemüse und Getreide liegen darüber. Diese sogenannten
Vielverzehrer schöpfen die tolerierbare Aufnahmemenge zu 94 % durch den Lebensmittelverzehr aus. Grundsätzlich gilt: Nicht die hoch belasteten Lebensmittel tragen hauptsächlich
zur Exposition des Verbrauchers bei, sondern die hoch verzehrten bzw. häufig in großen
Mengen verzehrten Lebensmittel. Im Falle von Cadmium sind dies insbesondere Getreide,
Getreideerzeugnisse sowie Gemüse.
Die Neubewertung der Cadmiumaufnahme über Lebensmittel durch das BfR berücksichtigte
eine jüngst vorgenommene Neubewertung der tolerierbaren wöchentlichen Aufnahmemenge
(TWI) von Cadmium durch die EFSA. Diese hat im Jahr 2009 den bisher für eine
gesundheitliche Bewertung herangezogenen Grenzwert für die tolerierbare wöchentliche
Aufnahmemenge (TWI, Tolerable Weekly Intake) in Höhe von 7 Mikrogramm (µg) pro kg
Körpergewicht (KG) unter Berücksichtigung neuer Daten überprüft und als Ergebnis den
TWI auf einen Wert von 2,5 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht gesenkt.
Eine periodisch vorgenommene Neubewertung gesundheitsbezogener Grenzwerte ist üblich
und spiegelt Fortschritte in der Toxikologie wider. Allerdings sehen sich sowohl Risikobewerter als auch Risikomanager im Falle des Cadmiums gegenwärtig einer völlig neuen
Situation gegenüber. Kurze Zeit nach der Festlegung des neuen Wertes für den TWI durch die
EFSA veröffentlichte der Gemeinsame FAO/WHO-Sachverständigenausschuss für
Lebensmittelzusatzstoffe (JECFA; Joint FAO/WHO Expert Committee on Food Additives)
ebenfalls Ergebnisse einer Neubewertung des bisher für die gesundheitliche Bewertung
herangezogenen Grenzwertes (TWI) für Cd in Höhe von 7 µg/kg KG und Woche. Die
Kalkulationen des JECFA resultierten in einem Wert für die tolerierbare wöchentliche
Aufnahme von 5,8 µg/kg KG.
Bemerkenswert bei diesem Vorgang ist, dass die Neubewertung des TWI durch die EFSA
- mit Ausnahme einer wissenschaftlichen Studie - auf der gleichen Datenbasis beruhte, die
auch für die Ableitung der Bewertung des JECFA herangezogen worden war. Ursächlich lässt
sich die Diskrepanz zwischen dem Wert der EFSA und demjenigen des JECFA darauf
zurückführen, dass die einzelnen Studien im Rahmen der jeweils vorgenommenen Metaanalyse unterschiedlich gewichtet worden sind. Darüber hinaus wurde von der EFSA ein
anderes (neueres, moderneres) mathematisch-statistisches Modell zur Kalkulation des TWI
145
angewendet. Im Ergebnis sind insbesondere die Risikomanager jetzt mit einer Situation
konfrontiert, dass für das Schwermetall Cadmium zwei unterschiedliche gesundheitsbezogene
Grenzwerte existieren: 2,5 µg/kg KG pro Woche (EFSA) und 5,8 µg/kg KG und Woche
(JECFA).
Gesundheitsbezogene Grenzwerte sind keine Höchstgehalte im rechtlichen Sinne und werden
folglich nicht in Gesetzen oder Verordnungen niedergelegt. Es handelt sich vielmehr um
toxikologisch begründete Expositionsgrenzwerte, die von internationalen wissenschaftlichen
Gremien abgeleitet werden. Damit 95 % der Bevölkerung mit Erreichen des 50. Lebensjahres
unterhalb eines als kritisch eingeschätzten Wertes von 1 Mikrogramm Cadmium pro Gramm
Creatinin (im Urin) bleiben, sollte nach Auffassung der EFSA die tägliche Cadmiumaufnahme nicht über 0,36 µg/kg Körpergewicht liegen, was einer wöchentlichen Aufnahme
von Cd mit der Nahrung von 2,52 µg/kg Körpergewicht entspricht.
Aus Sicht des gesundheitlichen Verbraucherschutzes ist die Tatsache von Bedeutung, dass
weder aus den neuen Bewertungen der EFSA noch aus der Neubewertung des TWI durch den
JECFA für den Verbraucher in Deutschland eine Veränderung seiner gesundheitlichen
Risikolage resultiert. Weder hat sich die Exposition des Verbrauchers gegenüber Cadmium
erhöht, noch wurden die neuen Werte für den TWI auf Grund bisher unbekannter toxischer
Wirkungen abgeleitet. Somit ergibt sich auch kein Anlass für die Vermutung, dass sich das
gesundheitliche Risiko für den Verbraucher geändert haben könnte. Weder hat sich die
Schwermetallkonzentration auf den landwirtschaftlich genutzten Flächen geändert, noch
haben sich die Konzentrationen an Cadmium in den Futter- und Lebensmitteln drastisch
verändert; geändert hat sich aber die gesundheitliche Bewertung des Schwermetalls
Cadmiums. Die wissenschaftliche Herangehensweise bei der Bewertung gesundheitliche
Risiken hat sich geändert; die angewandte Methodik ist verfeinert worden und die Bewertung
adverser Effekte ist strenger geworden.
Allerdings ist zu erwarten, dass die Existenz von zwei sich in ihrer Höhe deutlich
unterscheidenden TWI-Werten für Cadmium zukünftig zu ernsthaften Konflikten bei den
Diskussionen über die Festlegung von Höchstgehalten in Lebensmitteln (und Futtermitteln)
führen wird. Gegenwärtig werden vor allem Möglichkeiten diskutiert, die Cadmiumgehalte in
Lebensmitteln generell zu reduzieren, um auf diese Weise die Exposition des Verbrauchers
gegenüber Cd zu verringern. Hier bietet sich zum Beispiel ein verstärkter Einsatz
cadmiumarmer Düngemittel an oder die Züchtung von Pflanzensorten, die weniger Cadmium
anreichern. Allerdings können auf Grund des verbreiteten natürlichen Vorkommens von
Cadmium im Boden und der jahrelangen Einträge durch Industrie und Bergbau, aber auch
durch Unzulänglichkeiten in der Landnutzung, solche Minimierungsstrategien nur langfristig
erfolgreich sein.
146
Literatur:
EFSA (European Food Safty Authority, 2009). Scientific Opinion: Cadmium in food,
Scientific Opinion of the Panel on Contaminants in the Food Chain.
http://www.efsa.europa.eu/EFSA/efsa_locale-1178620753812_1211902396126.htm,
abgerufen am 08.04.2009.
JECFA (Joint FAO/WHO Expert Committee on Food Additives, 2001). Evaluation of certain
food additives and contaminants - Seventy-third report of the Joint FAO/WHO Expert
Committee on Food Additives. 5. Contaminants; WHO Technical Report Series 960,
Genf, 2010: 149-162.
147
Bewertung von Nitrat und Nitrit in Futtermitteln
H. Schenkel
Landesanstalt für Landwirtschaftliche Chemie, Universität Stuttgart - Hohenheim
Nitrat und Nitrit sind zwei wichtige Verbindungen im Stickstoffkreislauf und spielen bei der
Stickstoffernährung der Pflanze eine wichtige Rolle (Knittel et al., 2012).
Nitrit und Nitrat wird in unterschiedlichen Konzentrationen und auf unterschiedlichen Wegen
über Futter und Tränkwasser von den landwirtschaftlichen Nutztieren aufgenommen.
Während der Passage durch den Verdauungstrakt wird es zum Teil umgewandelt und weist
im Intermediärstoffwechsel ein unterschiedliches Verhalten auf (Cockburn et al., 2010).
Hintergrund ist eine unterschiedliche Bedeutung der Methämoglobin-Reduktase bei den
verschiedenen Tierarten bzw. die bakterielle Reduktase im Pansen der Wiederkäuer.
Beim Wiederkäuer wird in der Regel das Nitrat über Nitrit zu Ammoniak reduziert, welches
bei ausreichender Energieversorgung zur bakteriellen Proteinsynthese herangezogen werden
kann. Ist dieser Prozess durch sehr hohe Nitratanflutung limitiert, kann es vermehrt zur Nitritabsorption kommen. Beim Schwein ist die Nitratreduktion zu Nitrit nur schwach ausgeprägt
und v. a. auf den Enddarmbereich beschränkt. Ob es bei E.coli Infektionen zu erhöhten
Umwandlungsraten bereits im Dünndarm kommt ist unklar. Unklar ist weiterhin, ob eine
Nitrosaminbildung in nennenswertem Umfang stattfindet Nitrit weist bekanntermaßen eine
höhere Toxizität als Nitrat auf (El Bahri et al., 1997). Erste Kenntnisse einer NitratIntoxikation liegen bereits seit 1895 vor (Mayo, 1895).
Gehalte in Futtermitteln
Informationen über Nitritgehalte in Futtermitteln liegen bislang in der Literatur nur in
begrenztem Umfang vor. Der erwähnten Stellungnahme der EFSA (2009) liegen lediglich 94
Ergebnisse zugrunde, von denen sich alleine 60 auf Fischmehl und Fischfutter beziehen.
In Grünland- und Ackerfutterbeständen weisen einzelne Nutzpflanzen und vor allem
Unkräuter ein sehr unterschiedliches Nitratakkumulationsvermögen auf, wobei z. T. ausgeprägte Einflüsse vom Vegetationsstadium sowie vom Pflanzenteil bestehen (Schmid, 1977;
Wiesner, 1985 Spolders, 2006). Bekannt ist der mögliche Nitrat-/Nitriteintrag in die Ration
durch Zwischenfrüchte (Kemp et al., 1977, Gruber, 2006). Die Werte von Zimmermann und
Lengerken (1979) für Mais, Ölrettich und Raps liegen deutlich über den geregelten Einzelfutterwerten. Überdüngung und ungünstige Standortfaktoren können zu einer erheblichen
148
Nitratakkumulation führen (Schmidt, 1977; Roth-Maier, 1984; Wiesner, 1985, Spolders,
2006).
Im Kolbenanteil von Maispflanzen und in Gräsern besteht ein inverses Verhältnis zwischen
Stärke- und Nitratgehalt (Wiesner, 1985).
Im Allgemeinen wird das durch die Pflanzen aufgenommene Nitrat durch eine Nitratreduktase, die durch Nitrat induziert wird, relativ rasch in Nitrit und anschließend über
Stickoxid und Hydroxylamin zu Ammonium umgewandelt. Dieses kann dann zur Aminosäuresynthese herangezogen werden (assimilatorische Nitratreduktion). Ist diese Aminosäuresynthese limitiert, erfolgt im Allgemeinen eine Anreicherung von Nitrat und nicht von
Nitrit in der Pflanze (Wiesner, 1985). Ähnliche Prozesse laufen im Pansen ab. Das aufgenommene Nitrat wird zu Nitrit und weiter zu Ammonium reduziert, welches zur mikrobiellen
Proteinsynthese herangezogen werden kann (Roth-Maier, 1984).
Im Grünfutter kann es zu erheblichen Veränderungen der Nitritgehalte kommen. Zwischenlagerung und insbesondere Erwärmung des Grüngutes kann zu einem starken Anstieg der
Nitritkonzentration führen (Weissbach und Ohff, 1978)
Nitrit kann aber auch in verschiedenen Nebenerzeugnissen, die als Futtermittel eingesetzt
werden, auftreten. In wie weit hier mikrobielle Umsetzungen beteilig sind bzw. Nitrit bei der
Behandlung des Ausgangserzeugnisses zugesetzt wird, bedarf häufig noch einer detaillierten
Klärung (Waterlander et al., 2011). Ein Beispiel für letzteren Prozess ist die Zugabe von
Nitrat bei der Käseherstellung (Luf, 2002) und dem Übergang von Nitrat in Molkeprodukte,
die zur Verfütterung anstehen, wobei eine Reduktion zu Nitrit möglich ist (Schnitzmeier,
2003). Im Allgemeinen enthalten Milch und Milchprodukte sehr niedrige Nitritgehalte. Eine
Ausnahme stellen aus den o. g. Gründen einige Käsesorten dar (Luf, 2002). In einigen
Chargen von Hüttenkäse lagen die Gehalte über dem futtermittelrechtlich geregelten
Höchstwert (Luf, 2002).
Nitrit als Futtermittelzusatzstoff
Natriumnitrit ist in einer Reihe von Siliermitteln, meist in Kombination mit organischen
Säuren (Benzoat, Sorbat u.a.), enthalten und hemmt v. a. die Entwicklung von Clostridien
(Weißbach, 2011; Bundesarbeitskreis, 2012). Das zugesetzte Nitrit wird in Feuchtsilagen
mehr oder weniger vollständig während des Silierprozesses abgebaut (Knicky und Spörndy,
2009). Trockene Silagen zeigen insbesondere für Nitrat einen anderen Verlauf. Trotzdem
kann noch ein bestimmter Restgehalt vorhanden sein. Dies dürfte die Ursache sein warum in
der Verordnung (EU) Nr. 575/2011 Silagen von einer Höchstwertsetzung ausgenommen sind.
149
Ein anderer Aspekt, der in letzter Zeit häufiger diskutiert wird, ist der Einsatz relativ hoher
Mengen von Nitrat zur Reduktion der Methanemission bei Wiederkäuern (van Zijederveld et
al., 2011; Hulshof et al., 2012).
Andere Nitritquellen
Eine sehr wesentliche Quelle für eine zusätzliche Nitritaufnahme kann das Tränkwasser sein.
In den Modellrechnungen zu Nitritaufnahme der EFSA (2009, Cockburn et al., 2010) werden
die EU-Vorgaben für Trinkwasser für den menschlichen Gebrauch unterstellt (NN, 1998). In
Tränkwasser aus eigenen Brunnen oder Oberflächenwasser kann der Nitritgehalt jedoch
wesentlich höher liegen (Birnbreier und Hilliger, 1993). Da Rinder etwa das Drei- bis
Vierfache der Trockenmasseaufnahme an Wasser zu sich nehmen, sollte nach Vorschlag der
EPA (1972) die tolerierte Nitrat-Konzentration im Wasser etwa ein Viertel von der im Futter
sein (Birnbreier und Hilliger, 1993).
Berichte über verschiedene Intoxikationen zeigen, dass eine Nitritbelastung auch auf zusätzliche Quellen wie die Aufnahme von Mineraldünger oder nitrit-/nitrathaltigem Abwasser
zurückzuführen ist. Ein Beispiel ist hier die Intoxikation durch Tropfwasser aus einem
Luftwäscher im Stall (Große Beilage et al, 2002) oder aus verschmutztem oder stark
veralgtem Wasser bei Schweinen (Hoorens und Thonen, 1961). Diese Quellen werden
verständlicherweise nicht durch die futtermittelrechtlichen Regelungen erfasst.
Einige Eintragspfade sind in der Tabelle 1 zusammengefasst.
Tabelle 1: Eintragspfade für Nitrat/Nitrit für die Aufnahme durch landwirtschaftliche
Nutztiere
-
Pflanze (Aufnahme aus dem Boden): Düngung, Standortfaktoren, Pflanzenfaktoren
-
Mikrobielle Umsetzungen während der Behandlung/Herstellung
-
Zusatzstoffe / Verarbeitungshilfsstoffe
z. B. zum Ausgangsprodukt (Milch)
z. B. zum Futtermittel (Siliermittel)
-
Tränkwasser
Zusätzliche Eintragsquellen: Düngemittel, Sickersaft, Kondenswasser Luftwäscher
150
Das Verhältnis von Nitrat zu Nitrit in Futtermitteln ist nicht konstant und die Umwandlungsrate hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, so dass eine alleinige futtermittelrechtliche Regelung von Nitrit wie noch darzustellen ist nicht unproblematisch ist.
Rechtliche Regelungen
Mit der Verordnung (EU) Nr. 574/2011 (NN, 2011 a) wurden für Nitrit in Futtermitteln die
folgenden Höchstmengen festgelegt (Tabelle 2). Grundlage hierfür war insbesondere eine
umfangreiche Stellungnahme der EFSA (2009).
Tabelle 2: Höchstgehalte für Nitrit (berechnet als Natriumnitrit) gemäß Verordnung (EU)
Nr. 574/2011
Zur Tierernährung bestimmte Erzeugnisse
Futtermittelausgangserzeugnisse
Ausgenommen
- Fischmehl
- Silagefutter
- Erzeugnisse und Nebenerzeugnisse
aus Zuckerrüben und Zuckerrohr
sowie der Stärkeerzeugung
Alleinfuttermittel
Ausgenommen
- Alleinfutter für Hunde und Katzen
mit einem Feuchtegehalt über 20 %
Höchstgehalt in mg/kg, bezogen auf ein
Futtermittel mit einem Feuchtegehalt von
12 %
15
30
-
15
-
Diese Regelungen werfen eine Reihe von Fragen auf, die an dieser Stelle nicht detailliert
besprochen werden können. Hier sei auf eine weitere Publikation verwiesen (Schenkel, 2013
in Vorbereitung). Außer der Ausnahmeregelung für Feuchtfutter für Hunde und Katzen finden
sich keine tierspezifischen Regelungen obwohl bekannt ist, dass ausgeprägte tierartliche und
altersbedingte Unterschiede in der Empfindlichkeit bestehen. Es ist ein Alleinfutterwert
vorgegeben, andererseits besteht eine Reihe von Ausnahmen für verschiedene
Einzelfuttermittel. Dies bringt für den Tierhalter das Problem mit sich, dass er sich um
Analysenwerte für solche Futtermittel bemühen muss, um gegebenenfalls die Höchstwerte für
die Tagesration einzuhalten. Es ist offen in wieweit hier zusätzlich die Nitritwerte im
Tränkwasser einzurechnen sind, die nicht unerheblich sein können. Wie bereits erwähnt sind
die Nitrat- und Nitritkonzentrationen im Futter eng mit einander verbunden. In den meisten
Fällen in der Praxis sind Nitratintoxikationen beschrieben ohne Informationen zum
Nitritgehalt. Es stellt sich die Frage, ob hier nicht eine kombinierte Regelung ähnlich der
Höchstwertregelung im Trinkwasser möglich gewesen wäre (NN, 2011b). Insgesamt ergibt
sich jetzt eine Situation, dass die futtermittelrechtlichen Regelungen auf Nitrit ausgerichtet
151
sind, die lebensmittelrechtlichen Regelungen, mit Ausnahme der Regelungen für Nitrit als
Zusatzstoff, das Nitrat fokussieren (Spinat, Salat, Beikost für Säuglinge), während die
Trinkwasserregelungen Nitrit und Nitrat einbeziehen, ähnlich wie die Empfehlungen für das
Tränkwasser.
Grundlage dieser Regelungen waren Literaturauswertungen zur toxischen Wirkung des
Nitrits, insbesondere die Bildung von Methämoglobin (Tab 3).
Tabelle 3: Abgeleitete LOAL- und geschätzte NOAL – Dosen aus einer Literaturauswertung
zur Toxizität von Nitrit und Nitrat bei Landwirtschaftlichen Nutztieren (EFSA ,2009)
Eine kritische Durchsicht (Schenkel, 2013) dieser Werte zeigt, dass eine Reihe von Werten
aus Nitratbelastungsversuchen abgeleitet wurden, einige Versuche nicht als Dosis-Wirkungsversuche angelegt waren, die eine sichere Ableitung der „Grenzdosen“ ermöglichen. Ferner
fällt auf, dass zwischen den abgeleiteten NOAL-Dosen und den in der Verordnung geregelten
Höchstwerten eine sehr hohe Sicherheitsspanne eingerechnet ist.
Insgesamt lässt sich die Situation folgendermaßen zusammenfassen:
Nitrit ist in unterschiedlichen Gehalten in den meisten Futtermitteln vorhanden, sowie im
Lebensmittel – als auch im Futtermittelbereich als Konservierungsmittel bzw. als Silierzusatz
unter definierten Bedingungen zugelassen.
Die bislang publizierten Methoden zur Nitritbestimmung reichen offenbar nicht aus um in
allen Futtermittelmatrices Nitrit mit ausreichender Sicherheit zu bestimmen.
152
Die derzeit vorliegenden Regelungen über Höchstgehalte
-
-
basieren auf einem sehr begrenzten Datenmaterial
sind in Relation zu den NOEL-Dosen sehr niedrig angesetzt und dürften in grundfutterbetonten Rationen überschritten werden, wenn der Alleinfutterwert zugrunde
gelegt wird
sind durch die Ausnahmeregelungen für eine Reihe von Futtermittel hinsichtlich des
Alleinfutterwertes schwer zu vollziehen
viele Futtermittelbedingte Intoxikationen gehen von einem erhöhten Nitratgehalt aus.
Da das Verhältnis Nitrat/Nitrit nicht konstant ist, ist eine alleinige Regelung des Nitritgehaltes problematisch
Literatur:
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153
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nach
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5
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Völkenrode, Sonderheft 294, S.56 – 60
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Zimmermann, K., von Lengerken, J. (1979): Zur Nitrat- und Nitritanalytik in Futtermitteln. 3.
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Sulfanilsäure/1-Naphtylamin sowie Nitrit mit Resorcin/Zirkonium (IV) – oxidchlorid.
Nahrung 23, 929-934
154
Antibiotika in Getreide
C. Schwake-Anduschus, G. Langenkämper, M.G. Lindhauer
Max Rubner-Institut MRI (MRI), Detmold
Anlässlich des Europäischen Antibiotikatages, am 18. November 2008, wurde von dem
Bundesministerium für Gesundheit, dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft
und Verbraucherschutz und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung die
„Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie DART“ gegründet. Zentrales Ziel der gemeinsamen
Strategie ist die Reduzierung und Verminderung von Antibiotika-Resistenzen in Deutschland.
Als wichtige Risikomanagementmaßnahme zur Bewertung der Antibiotikaresistenz-Situation
wurde für Tierärzte die Erfassung und Mitteilungspflicht der Abgabemengen an
antimikrobiellen Tierarzneimitteln eingeführt (elektr. Bundesanzeiger vom 22.11.2010).
Zukünftig werden Abgabemengen über das Internetportal des Bundesamtes für
Verbraucherschutz und Lebensmittel zum 1. November eines jeden Jahres veröffentlicht.
Antibiotika gehören zu einer therapeutisch sehr wertvollen und vielverwendeten Gruppe von
Arzneimitteln, die Bakterien entweder zerstören oder sie an der Vermehrung hindern, und
damit zur Genesung des Patienten beitragen. Es gibt Hinweise darauf, dass der Verbrauch von
Antibiotika in der Human- und Veterinärmedizin jährlich stetig ansteigt. Mit vermehrter
Verwendung antimikrobieller Stoffe nimmt aber auch die Wahrscheinlichkeit der
Resistenzbildung grundsätzlich zu.
In der Tiermedizin werden nur eine geringe Anzahl an Stoffen und Stoffmischungen zur
Behandlung von Infektionen eingesetzt und es sind in diesem Bereich auch nur wenige
Neuentwicklungen zu erwarten (Germap 2008; Germap 2010). Umso entscheidender ist es,
dass die Wirkstoffe nicht durch zunehmende Resistenzentwicklungen unwirksam werden. Zu
der am häufigsten angewendeten Gruppe gehören die Tetracycline mit den Wirkstoffen:
Chlortetracyclin, Doxycyclin, Oxytetracyclin und Tetracyclin. Nach Schätzungen des
Veterinärpanel der Gesellschaft für Konsumforschung machen die Tetracycline bis zu 50%
der gesamten Verbrauchsmenge in der Tiermedizin in Deutschland aus (Schneidereit 2005).
Diese Angaben wurden inzwischen durch die erfassten Abgabemengen von Antibiotika
bestätigt (DIMDI 2012). Im Jahr 2011 sind in Deutschland insgesamt 1.734 Tonnen
Antibiotika von Unternehmen an Tierärzte abgegeben worden. Darunter bilden Tetracycline
mit insgesamt 576 Tonnen die größte Gruppe gefolgt von Aminopenicillinen mit 505 Tonnen.
Antibiotika werden im Organismus nicht vollständig abgebaut. Vielmehr gelangen bis zu 80%
der verabreichten Wirkstoffe und ihre Abbauprodukte (Metabolite) über Ausscheidungen
wieder in die Umwelt (Sedlak 2001). Mit den Ausscheidungen von Mensch und Tier gelangen
die antibiotisch wirksamen Substanzen sowie deren Abbauprodukte in Kläranlagen,
Biogasanlagen oder in Wirtschaftsdünger. Durch die Verwendung von Gülle, Klärschlamm
155
oder Rückstände aus Fermentern als Wirtschaftsdünger wird ein Eintrag der Arzneimittel in
oder auf den Boden wahrscheinlich. In verschiedenen Gülleuntersuchungen wurden beispielsweise Gehalte von 1 bis 200 mg/kg Tetracycline festgestellt. Auch in Rückständen aus der
Biogasproduktion konnten Tetracyclin-Gehalte in Konzentrationen von 0,1 bis 1,4 mg/kg
nachgewiesen werden (Eberhardt und Scheffknecht, 2007). Untersuchungen von Bodenproben zeigen ebenfalls deutliche Gehalte an antibiotisch wirksamen Rückständen. Zu dem
wird auf deren langjährige Persistenz im Boden und ihre geringe Verlagerungsneigung
hingewiesen (Umweltbundesamt 2004). Damit gelangen die Antibiotika prinzipiell auch in
den Wurzelraum von Nutzpflanzen.
Verschiedene Studien belegen, dass Arzneimittel prinzipiell durch Pflanzen aufgenommen
werden und unterschiedliche Wirkungen hervorrufen (Boxall et al. 2006, Kumar et al. 2007,
Schwake-Anduschus 2009). In einzelnen Untersuchungen wurden auch im Getreidekorn
Arzneimittelgehalte festgestellt (Freitag et al. 2008). Um den Weg der Antibiotika bis in das
Getreidekorn weiter untersuchen zu können, wurden am MRI Experimente mit Pflanzen unter
kontrollierten Bedingungen durchgeführt. Getreide wurde in einer Wachstumskammer bis zur
Kornreife kultiviert und dabei während einer definierten Entwicklungsperiode der Nährlösung
Chlortetracyclin in zwei verschiedenen Konzentrationsstufen zugesetzt. Die geernteten
Körner, sowie ausgewählte Proben aus der nationalen Weizen- und Roggenernte der Jahre
2008 bis 2010, wurden mit Hilfe der LC-MS/MS analysiert.
Die Ergebnisse der Aufnahmeexperimente in der Wachstumskammer zeigen, dass
Chlortetracyclin (und seine Metabolite) bis in das Getreidekorn transportiert wird. Je höher
die Konzentration an Chlortetracyclin in der Nährlösung war, umso höhere Gehalte wurden in
den Getreidekörnern festgestellt. Sowohl in dem Getreide aus den WachstumskammerVersuchen als auch in realen Ernteproben wurden bis zu ~ 5 µg/kg Tetracycline festgestellt.
In 31 (48%) Weizen und Roggen Proben von insgesamt 64 Proben der Ernten 2009 und 2010
aus Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen wurden Konzentrationen von 0,1 bis 5 µg/kg
analysiert. Nach fünfzehn Monaten Lagerung war eine Reduktion der Gehalte um 95 %
feststellbar.
Ob und gegebenenfalls welche Relevanz diese Befunde für den Verbraucherschutz haben,
kann erst beantwortet werden, wenn die vorhandene Datenbasis durch weitere
Untersuchungen ausgebaut wird. Wissenschaftlich bewiesen ist allerdings eine zunehmende
Resistenzbildung auch bei geringen Antibiotika-Gehalten.
156
Literatur:
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nregister.html?nn=1401276 (2.11.2012).
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Chemotherapie e.V., Infektiologie Freiburg, Verlag Antiinfectives Intelligence
Gesellschaft für klinisch-mikrobiologische Forschung und Kommunikation mbH,
Rheinbach, ISBN 978-3-00-025097-2
Germap (2010) Antibiotika-Resistenz und -Verbrauch, Herausgeber Bundesamt für
Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, Paul-Ehrlich-Gesellschaft für
Chemotherapie e.V., Infektiologie Freiburg, Verlag Antiinfectives Intelligence
Gesellschaft für klinisch-mikrobiologische Forschung und Kommunikation mbH,
Rheinbach, ISBN 978-3-00-031622-7.
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Verhalten von Tetrazyklinen und anderen Veterinärantibiotika in Wirtschaftsdünger
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157
Pflanzenschutzmittelrückstände in Futtermitteln
K. Hohgardt
Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), Braunschweig
1.
Einleitung
Das Carry over Geschehen stellt einen wichtigen Beitrag im Rahmen der Risikobewertung
sowohl für den Verbraucher als auch für das Lebensmittel liefernde Tier dar.
Bei dem Thema "Pflanzenschutzmittelrückstände in Futtermitteln" drängen sich mehrere
Fragen auf:
 Wie kommen Rückstände von Wirkstoffen aus Pflanzenschutzmitteln in die Futtermittel?
 Sind diese Rückstände von Interesse?
 Kenne ich die Höhe der Rückstände?
 Reicht das Wissen aus?
Die erste Frage ist noch relativ einfach zu beantworten. Der Schutz der Kulturpflanzen ist ein
im Pflanzenschutzgesetz festgelegtes Ziel. Das Gesetz sieht die Anwendung chemischer
Pflanzenschutzmittel vor, soweit diese auf das notwendige Maß beschränkt wird. Da es
keinen Wirkstoff gibt, der nach der Anwendung und Entfaltung seiner Wirkung in
Kohlendioxid und Wasser zerfällt, sind Rückstände in den behandelten Pflanzen, unabhängig
von ihrer Verwendung als Lebens- und/oder Futtermittel, unvermeidlich.
Die übrigen Fragen bedürfen jedoch einer vertieften Betrachtung. Neben dem bereits
genannten Pflanzenschutzgesetz spielen in diesem Zusammenhang auch die Verordnungen
(EG) Nr. 396/2005 und 1107/2009 sowie die Verordnungen (EU) Nr. 544/2011 und 545/2011
eine Rolle.
Das bestehende Recht sah bisher nur Untersuchungen zu Wirkstoffen vor. Die Verordnung
(EG) Nr. 1107/2009 stellt diesen Wirkstoffen die bisher als Beistoffe betrachteten Safener2
und Synergisten3 gleich, allerdings erst, nachdem sich die Mitgliedstaaten auf die
Datenanforderungen geeinigt haben. In Deutschland wurden bisher beide Stoffgruppen wie
Wirkstoffe behandelt. Für die übrigen Beistoffe existieren nur rudimentäre
2
Stoffe oder Zubereitungen, die einem Pflanzenschutzmittel beigefügt werden, um die phytotoxische Wirkung des
Pflanzenschutzmittels auf bestimmte Pflanzen zu unterdrücken oder zu verringern, werden Safener genannt.
3
Stoffe oder Zubereitungen, die keine oder nur eine schwache Wirkung als Pflanzenschutzmittel aufweisen, aber
die Wirkung des Wirkstoffs/der Wirkstoffe in einem Pflanzenschutzmittel verstärken, werden Synergisten genannt.
158
Datenanforderungen. Darüber hinaus gehende Daten können nur im begründeten Einzelfall
angefordert werden.
An dieser Stelle sei auch vermerkt, das der Begriff Futtermittel hier nicht der Definition des
Futtermittelrechts folgt. Die Regelungen, die hier betrachtet werden, umfassen landwirtschaftliche Rohprodukte, die in der Form, in der sie geerntet werden, als Alleinfuttermittel
oder in Form eines Mischfuttermittels in den Handel kommen. Die in vielen Fällen
verwendeten verarbeiteten Erzeugnisse werden ebenfalls betrachtet.
2
Ziele
Untersuchungen zu Rückständen von Wirkstoffen in Pflanzenschutzmitteln verfolgen bei
Futtermitteln mehrere Ziele. Hier sind zu nennen
Aufzählung Vergiftungen bei den Lebensmittel liefernden Tieren (Tiergesundheit)
 Leistung der Lebensmittel liefernden Tiere (Tiergesundheit)
 Schutz der Verbraucher (Verbraucherschutz)
2.1
Tiergesundheit
Rückstände von Pflanzenschutzmitteln in Futtermitteln können einerseits zu Vergiftungen bei
den landwirtschaftlichen Nutztieren führen. Andererseits können sie auch die Leistungsfähigkeit der landwirtschaftlichen Nutztiere beeinträchtigen. Beides ist unerwünscht. Die
Verordnung (EG) Nr. 396/2005 stellt aus diesem Grund die Tiergesundheit dem Schutz der
Verbraucher gleich.
Die Frage der Vergiftungen baut auf den an tierexperimentellen Studien zur (Human-)
Toxikologie gewonnenen Erkenntnissen der Antragsteller auf. Hier liegt eine breite Palette an
Tierstudien vor, die sowohl akute Wirkungen als auch Langzeitwirkungen abdecken. Im
Wesentlichen werden diese Versuche mit Nagetieren durchgeführt. Hinzu kommen in
Einzelfällen Untersuchungen an Vögeln, Hunden und anderen Tierarten. Das Ziel dieser
Untersuchungen ist die Feststellung von Dosierungen, bei denen Effekte auftreten.
Soweit für Futtermittel relevant, werden Untersuchungen an Wiederkäuern und Hühnern
durchgeführt. Hierbei kann festgehalten werden, dass die Toxikologie sehr gut in der Lage ist,
die Dosierungen in diesen Versuchen so abzuschätzen, dass es zu keinen Vergiftungen der
Tiere kommt. So ist aus der langjährigen Erfahrung nicht bekannt, dass eine Studie zum
Metabolismus abgebrochen werden musste. Fütterungsstudien zeigten in sehr seltenen Fällen
Effekte in der höchsten Dosierung. Dass daraufhin eine Fütterungsstudie abgebrochen werden
muss – zumindest in der höchsten Dosierung – ist äußerst selten der Fall.
159
Zu bedenken ist auch, dass die Antragsteller bei allen Tierversuchen nicht nur
pflanzenschutzrechtliche Bestimmungen sondern auch tierschutzrechtliche Vorgaben
beachten müssen.
Ob es bei landwirtschaftlichen Nutztieren in der Praxis jemals zu Vergiftungen gekommen ist,
ist nicht bekannt. Während Vergiftungen beim Menschen nach § 16e Chemikaliengesetz an
das Bundesinstitut für Risikobewertung und Schäden an Bienen an das Julius-Kühn-Institut
(§ 33 Pflanzenschutzgesetz) zu melden sind, gibt es eine analoge bundeseinheitliche Meldepflicht bei landwirtschaftlichen Nutztieren bzw. bei Wirbeltieren nicht.
Schadensfälle bei Haus- und Wirbeltieren werden von den amtlichen Dienststellen für
Pflanzenschutz der Länder bearbeitet, oder, wenn es sich um vorsätzliche Vergiftungen
handelt, von den zuständigen Strafverfolgungsbehörden. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) sammelt entsprechende Informationen und wertet
sie aus4. Da keine Meldepflicht für Wirbeltiervergiftungen, die in Zusammenhang mit
Pflanzenschutzmitteln (PSM) gebracht werden, besteht, erhält das BVL von vielen Fällen
keine Kenntnis und die berichteten Daten sind nicht repräsentativ.
2.2 Leistung der Tiere
Hierzu kann festgestellt werden, dass diese Frage bisher nicht ausreichend berücksichtigt
wird, obwohl die Frage, wenn auch vielleicht nicht vollständig, so doch in Ansätzen
beantwortet werden könnte. Voraussetzung wäre, dass die hierfür notwendigen Parameter
benannt werden und in der Versuchsphase erhoben werden. Derzeit können jedoch nur Milchund Legeleistung der Kontrollgruppe und der dosierten Gruppen verglichen werden. Weitere
Parameter könnten dann während der Akklimationsphase und im Verlauf der Durchführung
der Fütterungsstudie erfasst werden. Ein Vergleich dieser Daten könnte die gewünschten
Informationen liefern. Im Einzelfall wäre über die Erfassung von Daten einer historischen
Kontrollgruppe nachzudenken, wie dies bei Studien zur (Human-)Toxkologie im Einzelfall
auch erfolgt.
Zu diskutieren sind die Fragen, ob
 die Erfassung der zu benennenden Parameter auch über das Versuchsende erfolgen muss,
um die Reversibilität der beobachteten Effekte zu dokumentieren und
 ob längerfristige Kontrolldaten benötigt werden.
4
http://www.bvl.bund.de/DE/04_Pflanzenschutzmittel/01_Aufgaben/09_GesundheitNaturhaushalt/03_HausWildtier
vergiftungen/psm_HausWildtiervergiftungen_node.html
160
2.3 Verbraucherschutz
In der Vergangenheit lag das Hauptaugenmerk bei der Frage von Rückständen in Futtermitteln auf der Frage der Rückstände in Lebensmittel tierischer Herkunft. Dies ist auch heute
natürlich eine wichtige Fragestellung. Die Rückstände können durch Carry-over-Prozesse aus
Futtermitteln in Lebensmittel tierischer Herkunft gelangen. Diese Rückstände tragen dann
neben Rückständen aus pflanzlichen Lebensmitteln und ggf. anderen Quellen zur Aufnahme
von Rückständen mit der Nahrung der Verbraucher bei.
Rückstände in einzelnen Erzeugnissen könnten akut toxische Wirkungen beim Verbraucher
entfalten und die Summe der Rückstände in der Nahrung könnte langfristig zu unerwünschten
Effekten beim Verbraucher führen. Diese Fragen werden durch die vorzulegenden Versuche
abgeklärt.
3
Rückstandsverhalten
Neben einem vollständigen Datensatz an tierexperimentellen Studien zur (Human-)
Toxikologie sind Rückstandsanalysenmethoden und Angaben zum Rückstandsverhalten
vorzulegen. Auf die beiden letztgenannten Punkte soll im Folgenden näher eingegangen
werden. Um den Umfang der vorzulegenden Ergebnisse nicht zu groß werden zu lassen,
werden manche Parameter nur modellhaft untersucht, z. B. durch Zusammenfassen von
Erzeugnissen zu Gruppen oder Extrapolation von Ergebnissen.
Die Datenanforderungen für Wirkstoff und Mittel sind in den Verordnungen (EU)
Nr. 544/2011 und 545/2011 aufgeführt. Diese werden durch eine Reihe von Leitlinien
untersetzt, von denen einige benannt werden.
3.1
Rückstandsanalysenmethoden
Die Rückstandsanalysenmethoden müssen die Bestimmung des reinen Wirkstoffs und/oder
der relevanten Metabolite ermöglichen. Bei den Rückstandsanalysenmethoden für
Überwachungszwecke handelt es sich in der Regel um Multimethoden, die mit allgemein
gebräuchlichen Geräten durchgeführt werden können.
Für die Zulassung muss die Rückstandsanalysenmethode für die Überwachung in der Regel
durch eine zweite Methode abgesichert werden. Außerdem ist eine unabhängige
Methodenvalidierung durch den Antragsteller durchzuführen. Allerdings bleibt diese
Validierung hinter den Erfordernissen der Lebens- und Futtermittelüberwachung zurück.
161
Eine Rückstandsanalysenmethode für die Überwachung muss nicht für jedes Erzeugnis
validiert werden. Vielmehr reicht es aus, diese Methoden für verschiedene Matrixgruppen zu
validieren. Diese sind:
 Trockene Erzeugnisse (hoher Protein-/Stärkegehalt, z. B. Getreide, Hülsenfrüchte)
 Erzeugnisse mit hohem Wassergehalt (z. B. Äpfel, Tomaten, Kopfkohl)
 Erzeugnisse mit hohem Ölgehalt (z. B. Avocadofrüchte, Oliven, Rapssamen)
 Erzeugnisse mit hohem Säuregehalt (z. B. Orangen, Trauben)
 Erzeugnisse, die schwierig zu analysieren sind (z. B. Gewürze, Hopfen, Tee)
Sofern für Lebensmittel tierischer Herkunft Rückstandshöchstgehalte über dem Standardwert
der Verordnung (EG) Nr. 396/2005 von 0,01 mg/kg festgelegt werden sollen, sind
Rückstandsanalysenmethoden für die Matrices Milch, Eier, Fleisch (Rind oder Geflügel), Fett
und Leber/Niere vorzulegen.
Weitere Einzelheiten können dem Dokument SANCO/825/00, derzeit rev. 8.1 entnommen
werden.
Die Rückstandsanalysenmethoden müssen die Bestimmung
des reinen Wirkstoffs und/oder
der relevanten Metabolite
ermöglichen. Worauf im Einzelfall zu analysieren ist, hängt von den Ergebnissen der
durchzuführenden Metabolismusuntersuchungen ab.
3.2 Rückstandsverhalten
Bei der Prüfung des Rückstandsverhaltens gilt grundsätzlich, dass die vorzulegenden Daten
sich nach dem Umfang der beantragten Anwendungen richten. Es sind Daten sowohl zur Art
der Rückstände (Metabolismus) als auch zur Höhe der Rückstände vorzulegen. Betroffen sind
die behandelten Pflanze, nachgebaute Kulturen, verarbeitete Erzeugnisse und
landwirtschaftliche Nutztiere. Untersuchungen zum Metabolismus sind mit radioaktiv
markierten Substanzen (in der Regel 14C-Markierung) durchzuführen.
3.2.1 Metabolismus
Der Metabolismus wird an Pflanzen, nachgebauten Pflanzen, verarbeiteten Erzeugnissen und
an landwirtschaftlichen Nutztieren untersucht.
Metabolismus in behandelten Pflanzen
Soweit möglich sollen Untersuchungen zum Metabolismus auch Aussagen zur Aufnahme
über Blattoberflächen, Früchte oder Wurzeln, sowie über die Verteilung innerhalb der Pflanze
162
ermöglichen. Neben der im Vordergrund stehenden Aussage zu Abbauprozessen und der
Bildung von Metaboliten müssen auch nicht-extrahierbare Rückstände bestimmt werden.
Wirkstoffe von Pflanzenschutzmitteln werden in mehrstufigen Prozessen metabolisiert. Freie
primäre Metabolite werden im weiteren Verlauf an Pflanzeninhaltsstoffe konjugiert oder
können kovalent an unlösliche Bestandteile gebunden werden, so dass nicht-extrahierbare
Rückstände entstehen. Die wasserlöslichen Konjugate werden innerhalb der Pflanzen
gespeichert. Ein Totalabbau der Wirkstoffe zu CO2 und Wasser ist in Pflanzen nur von
untergeordneter Bedeutung.
Um eine Bilanzierung und die Identifikation unbekannter Substanzen zu ermöglichen, müssen
Tests mit geeignet radioaktiv markierten Wirkstoffen (14C, 35S, 32P o. a.) in einer Position, die
eine weitestgehend vollständige Verfolgung des Abbaus erlaubt, durchgeführt werden.
Umfassende Daten werden vorzugsweise in einem Testsystem mit vollständigen Pflanzen im
Labor, in der Klimakammer oder im Freiland ermittelt. Diese Versuche stellen den
überwiegenden Teil der Versuche dar, da aus ihnen die gewünschten Ergebnisse vollständig
ableitbar sind. Daneben können weitere Versuche durchgeführt werden. Zur schnellen
qualitativen Aufklärung primärer Metabolisierungsschritte eignen sich Versuche mit
Pflanzenteilen oder Pflanzengewebe. Durch eine sterile Kultivierung der Testpflanzen können
externe Einflüsse auf die Metabolisierung ausgeschlossen werden. Versuche mit Zellkulturen
sind geeignet, qualitative Aussagen zu Abbaureaktionen abzuleiten und sie können für die
Produktion größerer Mengen von Metaboliten eingesetzt werden. Durch den Einsatz isolierter
Enzymsysteme können Basisdaten für ein verbessertes Verständnis der Metabolisierungsvorgänge erarbeitet werden.
Je nach beabsichtigtem Anwendungsgebiet sind Metabolismusstudien für Pflanzen an bis zu
drei von fünf in einer Leitlinie definierten Kategorien vorzulegen. Diese sind
R
Wurzelkulturen (z. B. Kartoffeln, Rüben)
L
Blattkulturen (z. B. Blattgemüse, Hopfen)
P/O Hülsenfrüchte und Ölsaaten
F
Fruchtkulturen (z. B. Trauben, Kernobst)
C
Getreidekulturen (neben Getreide auch Gräser und andere Futterpflanzen)
Wenn bei entsprechend großem Anwendungsumfang der Metabolismus in den gewählten drei
Kulturgruppen nicht vergleichbar ist, müssen auch die verbleibenden beiden Gruppen
untersucht werden. Die Vergleichbarkeit bezieht sich insbesondere auf qualitative Aspekte.
Eine vollständige quantitative Vergleichbarkeit ist selten gegeben.
Zu untersuchen sind immer alle relevanten Pflanzenteile, also bei Getreide nicht nur das Korn
sondern auch Grünmasse und Stroh.
163
Metabolismus in nachgebauten Kulturen
Rückstände in Nachbaukulturen können nur dann auftreten, wenn die aus der Primärkultur in
den Boden gelangten Rückstände (Wirkstoff oder Metabolite des Bodens) eine hinreichende
Persistenz aufweisen und somit zum Zeitpunkt der Aussaat/Pflanzung der Nachbaukultur in
entsprechender Konzentration im Boden vorliegen. Rückstände im Boden liegen entweder
nach Unterpflügen belasteter Pflanzen oder Pflanzenteile der behandelten Primärkultur oder
als Anteil eines Mittels, das bei der Anwendung in der Primärkultur direkt auf den Boden
gelangt, vor. Eine weitere Voraussetzung ist, dass die Rückstände im Boden durch die
nachgebaute Kultur über deren Wurzelsystem aufgenommen und in der Pflanze verteilt
werden können.
Dauerkulturen (z. B. Kernobst) werden an dieser Stelle nicht betrachtet.
In der Regel werden diese Versuche bisher nach einem Studiendesign der amerikanischen
Zulassungsbehörde EPA (Environmental Protection Agency) durchgeführt. Der radioaktiv
markierte Wirkstoff wird jeweils in einfacher praxisüblicher Aufwandmenge direkt auf den
Boden appliziert. Die Dauer der Alterung unter aeroben Bedingungen vor der Aussaat/Pflanzung der Nachbaukultur beträgt im worst case Fall (Simulation des Unterpflügens
der Primärkultur) ca. 30 Tage. Weitere Untersuchungen werden nach Alterung von ca. 120
Tagen (Kulturdauer Gemüseanbau) und 360 Tagen (Kulturdauer Ackerbaukulturen)
durchgeführt. Als Nachbaukulturen sind repräsentative Vertreter aus wenigstens drei Kulturgruppen zu wählen, in der Regel eine Wurzelkultur, eine Blattkultur und eine Getreideart.
Auch hier gilt, dass alle relevanten Pflanzenteile zu untersuchen sind.
Metabolismus in verarbeiteten Erzeugnissen
Versuche sind nur dort durchzuführen, wo Anwendungen in Kulturen erfolgen, bei denen
Erzeugnisse einer Verarbeitung unterliegen und bei denen Rückstände in diesen Erzeugnissen
bestimmbar sind. Dabei sind neben dem Wirkstoff auch in der behandelten Pflanze
auftretende Metabolite zu berücksichtigen.
Da es zum einen praktisch unmöglich ist, mit gewachsenen radioaktivmarkierten Rückständen
Verarbeitungsprozesse (in einer Produktionsanlage) durchzuführen und zum anderen der
Hauptprozess bei der Verarbeitung die Hydrolyse darstellt, hat man sich geeinigt, in diesem
Fall Hydrolysestudien als Modellversuche durchzuführen. Diese Versuche werden bei drei
unterschiedlichen Bedingungen durchgeführt, die verschiedene Prozesse repräsentieren.
164
Tabelle 1: Parameter für Hydrolysestudien und die sie repräsentierende Prozesse.
Temperatur (°C)
Dauer (min)
pH
Repräsentierter Prozess
90
20
4
pasteurisieren
100
60
5
backen, kochen, brauen
120
20
6
sterilisieren
In der Regel reichen drei Versuche unter den genannten Bedingungen aus. Einzig die
Ölgewinnung mit ihren extremen Temperaturbedingungen ist nicht ausreichend dargestellt.
Metabolismus in landwirtschaftlichen Nutztieren
Versuche sind nur dort durchzuführen, wo Anwendungen in Kulturen erfolgen, bei denen
Erzeugnisse verfüttert werden und eine Berechnung zeigt, dass Rückstände oberhalb von 0,1
mg/kg (Trockengewicht) im Futter zu erwarten sind. Dabei sind neben dem Wirkstoff auch in
der behandelten Pflanze auftretende Metabolite zu berücksichtigen. Kann der Wirkstoff in der
Pflanze nicht mehr detektiert werden, soll die Studie mit dem Hauptmetaboliten durchgeführt
werden.
Versuche werden an Wiederkäuern, in der Regel Milchziegen, und Geflügel, in der Regel
Legehennen, durchgeführt. Zeigt ein Vergleich des Metabolismus in der Ratte (Daten werden
im Bereich der Toxikologie erhoben) und in der Milchziege Differenzen (qualitativer Art) auf,
wird auch eine Studien an Schweinen notwendig. Die verabreichte radioaktiv markierte
Menge an Substanz sollte in der Größenordnung der im Futter erwarteten Rückstände liegen,
mindestens jedoch 10 mg/kg Futtermittel betragen.
Untersucht werden Milch, Eier, Fleisch/Fett und Innereien, in manchen Fällen auch darüber
hinausgehende Matrizes.
Ergebnis der Metabolismusuntersuchungen
Neben anderen Zielen dienen die Ergebnisse der beschriebenen Metabolismusuntersuchungen
der Ableitung von Rückstandsdefinitionen. Für die Entscheidung, ob Metabolite mit in die
Rückstandsdefinition einbezogen werden sollen und wenn ja, welche, kann man grob drei
Kriterien heranziehen:
 die Anwesenheit in signifikanten Mengen,
 ihre Toxizität,
 die Frage, ob diese mit Routineanalysenmethoden erfasst werden können (Validierung
durch den Antragsteller).
165
Inzwischen ist es gängige Praxis, zwei Rückstandsdefinitionen abzuleiten:
 Rückstandsdefinition für Überwachungszwecke – für die Festsetzung von Rückstandshöchstgehalten (Basis bildet hier das Markerkonzept, um die Rückstandsanalytik einfach
zu halten)
 Rückstandsdefinition für die Risikobewertung – dem Schutz der Verbraucher (Basis
hierfür bilden toxikologisch relevante Verbindungen)
Dieses Konzept wird angewandt auf Erzeugnisse pflanzlicher und tierischer Herkunft. Die
beiden Definitionen unterscheiden sich nicht, wenn keine relevanten toxischen Verbindungen
zu berücksichtigen sind. Veröffentlich zugänglich ist allerdings nur die Rückstandsdefinition
für Überwachungszwecke in der Verordnung (EG) Nr. 396/2005. Für dort nicht benannte
Wirkstoffe ist für die Überwachung und Überprüfung der Einhaltung des Standardwertes von
0,01 mg/kg immer davon auszugehen, dass sich die Rückstandsdefinition ausschließlich auf
den Wirkstoff bezieht.
Aus dem zuvor Gesagten wird ersichtlich, dass die Rückstandsdefinition Einfluss auf den
Umfang der durchzuführenden analytischen Arbeiten bei Rückstandsversuchen hat, da die
Antragstellerin beide Definitionen bedienen muss.
3.2.2 Rückstandsverhalten
Zum Bereich des Rückstandsverhaltens gehören Untersuchungen zur Stabilität der Rückstände in Proben während der Lagerung bis zur Analyse, Rückstandsuntersuchungen an
Pflanzen, Rückstände in Nachbaukulturen, die Höhe der Rückstände bei der industriellen
Verarbeitung bzw. der Zubereitung im Haushalt und Fütterungsversuche an landwirtschaftlichen Nutztieren.
Stabilität der Rückstände während der Lagerung
Da Proben nicht unmittelbar nach der Probennahme analysiert werden, kommt der Stabilität
von Rückständen in Proben eine größere Bedeutung zu. Es wird davon ausgegangen, das
Rückstände in tiefgefrorenen Proben über 30 Tage lang stabil sind, vorausgesetzt die
Substanz ist nicht flüchtig oder labil. Bei Metabolismusuntersuchungen wird die Stabilität bei
radioaktiv markierten Substanzen mit 6 Monaten angenommen.
Bei längerer Lagerdauer sind daher Studien zur Lagerstabilität notwendig. Proben mit
gewachsenen Rückständen oder mit den interessierenden Substanzen versetzte Proben werden
dazu tiefgefroren und in Intervallen analysiert. Eine Differenz – Abnahme der Rückstände –
von bis zu 30% gegenüber dem Rückstand zu Beginn der Studie wird akzeptiert. Darüber
hinausgehende Differenzen werden als Abbau interpretiert, mit der Folge, dass der
Antragsteller seine Proben rechtzeitig nach der Probennahme analysieren muss.
166
Rückstandsuntersuchungen an Pflanzen
Nach der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln sind Rückstände auf/in Pflanzen
unvermeidlich. Ihre Höhe ist von unterschiedlichen Faktoren wie physikalisch-chemischen
Eigenschaften der verwendeten Wirkstoffe, Eigenschaften der behandelten Pflanze, Anwendungsmodalitäten abhängig. Um die von den Rückständen in Lebens- und/oder Futtermitteln
ausgehenden Risiken für Mensch und Tier sachgerecht abschätzen zu können, sind
Rückstandsversuche notwendig, bei denen die Höhe der unvermeidlichen Rückstände
bestimmt wird.
Zielen von Rückstandsversuchen sind
 die Quantifizierung des höchsten möglichen Rückstandes in einer behandelten Kultur
zum Zeitpunkt der Ernte bzw. bei der Auslagerung bei einer Vorratsschutzmassnahme.
Das Pflanzenschutzmittel wird dabei entsprechend der Guten Landwirtschaftlichen Praxis
angewendet.
und
 die Bestimmung die Abbaurate des Rückstandes, sofern dies möglich ist.
Für die Durchführung von Rückstandsversuchen ist Europa in eine nördliche und eine
südliche Rückstandszone eingeteilt. Je Rückstandszone sind im Freiland 4 oder 8 Versuche
durchzuführen. Die Anzahl ist abhängig von der verzehrten Menge des Erzeugnisses und der
relevanten Produktionsfläche und/oder der Produktionsmenge. Anwendungen unter Glas und
im Vorratsschutz werden als eine Rückstandszone in Europa betrachtet. Es sind nicht für jede
Kultur Rückstandsversuche durchzuführen. Vielmehr sind unter bestimmten Umständen die
Ergebnisse von einer Kultur auf eine andere extrapolierbar.
Bei der Anwendung des Pflanzenschutzmittels sind insbesondere die Faktoren
Pflanzenschutzmittelaufwand, Wasseraufwand, Zahl und Abstand der Anwendungen und
Zeitpunkt der Anwendung zu berücksichtigen. Weiterhin sind das Ansetzen der Spritzflüssigkeit, die Ausbringung des Pflanzenschutzmittels und weitere Pflanzenschutzmaßnahmen Faktoren, die zu beachten sind. Augenmerk ist auf die Auswahl der Standorte, die
Standortbedingungen und den Kultur- und Anbaubedingungen wie Sortenwahl und
Anwendungsbereich zu legen.
Eine große Fehlerquelle bei der Versuchsdurchführung stellt die Probennahme dar. Hierzu
gibt es dementsprechend detaillierte Regeln.
Rückstände in Nachbaukulturen
Auch bei diesen Versuchen wird zurzeit gerne auf das Studiendesign der amerikanischen
Zulassungsbehörde EPA zurück gegriffen. Die Versuche unterscheiden sich nicht sehr von
167
den Metabolismusuntersuchungen. Die Testsubstanz ist hier nicht radioaktiv markiert und die
Versuche finden im Freiland an zwei unterschiedlichen Standorten statt. Ansonsten sind die
Nachbauintervalle und die anzubauenden Pflanzen vergleichbar.
Sollten die Ergebnisse für eine Risikoabschätzung nicht ausreichen, muss über Nachbauversuche unter definierten Bedingungen nachgedacht werden, die die Erfordernisse des
Wirkstoffs, der beabsichtigten Anwendungen und des Verbraucherschutzes berücksichtigen.
Höhe der Rückstände bei der industriellen Verarbeitung bzw. der Zubereitung im Haushalt
Die Versuche zur Höhe der Rückstände bei der Verarbeitung werden in Versuchen im Laboroder Technikumsmaßstab durchgeführt. Sie bilden damit die vielfältigen Möglichkeiten der
Prozessführung in der Wirklichkeit nur unzureichend ab. Andererseits ist es nicht möglich, in
einen laufenden Verarbeitungsprozess ein mit Rückständen belastetes Erzeugnis einzubringen, über das erst noch Erkenntnisse zum sicheren Umgang gewonnen werden sollen.
Bei den Versuchen sollen alle für die Ernährung von Mensch und Tier wichtigen Erzeugnisse
untersucht werden. Nach Möglichkeit sollen Prozesse untersucht werden und dann die
Ergebnisse der Verarbeitung eines pflanzlichen Rohprodukts auf andere pflanzliche
Rohprodukte, die diesen Prozess durchlaufen, extrapoliert werden.
Fütterungsversuche an landwirtschaftlichen Nutztieren
Versuche sind auch in diesem Versuchsdesign nur dort durchzuführen, wo Anwendungen in
Kulturen erfolgen, bei denen Erzeugnisse verfüttert werden und Untersuchungen zum
Metabolismus zeigen, dass Rückstände in verzehrbaren Erzeugnissen zu erwarten sind. Dabei
sind neben dem Wirkstoff auch in der behandelten Pflanze auftretende relevante Metabolite
zu berücksichtigen. Auch hier gilt wieder. Kann der Wirkstoff in der Pflanze nicht mehr
detektiert werden, soll die Studie mit dem Hauptmetaboliten durchgeführt werden.
Versuche werden an Wiederkäuern, in der Regel Milchkühen, und Geflügel, in der Regel
Legehennen, durchgeführt. Wenn sich der Metabolismus in Schweinen signifikant von dem in
Wiederkäuern unterscheidet, sind auch Fütterungsstudien an Schweinen notwendig.
Untersuchungen werden immer an 4 Gruppen durchgeführt. Eine Gruppe bildet die
Kontrollgruppe. Die anderen drei Gruppen erhalten die Substanz in Höhe der errechneten
Rückstände im Futtermittel, der fünf- und zehnfachen Dosierung. Verabreicht werden die
Substanzen über 28 Tage. Ggf. schließt sich noch eine Phase ohne weitere Verfütterung der
Substanz an.
Milch, Eier, Fleisch/Fett und Innereien werden auf Rückstände untersucht.
168
Ergebnis der Rückstandsuntersuchungen
Die Ergebnisse dienen der Ableitung von Wartezeiten und Wiederbetretungsfristen (z. B. für
nachfolgende Pflegearbeiten aber auch für Tiere), so weit notwendig, Festlegung von
Auflagen zum Schutz der Verbraucher – auch durch Einschränkung der Verfütterung – und
für Vorschläge für Rückstandshöchstgehalte (RHG). Die Bewertung der angeführten
Versuche ermöglicht es, verschiedene Werte vorzuschlagen

RHG für Erzeugnisse pflanzlicher Herkunft,

RHG für Erzeugnisse tierischer Herkunft,

Transferfaktoren (auch Verarbeitungsfaktoren),

Werte für die Risikobewertung
Der durch eine Verordnung der Europäischen Kommission festgesetzte Rückstandshöchstgehalt deckt immer die Erfordernisse der Überwachung ab. In einigen Fällen deckt der
RHG auch die Risikobewertung ab – immer dann, wenn die Rückstandsdefinition für Überwachungszwecke mit jener für die Risikobewertung in Übereinstimmung ist. In vielen Fällen
ist dies jedoch nur indirekt der Fall. Aufgrund der Prüfanforderungen und der Bewertung ist
sichergestellt, dass bei Einhaltung des RHG auch der Verbraucher geschützt ist. Dies ergibt
sich daraus, dass ein RHG nur festgesetzt werden kann, wenn Rückstände in der genannten
Höhe keine unannehmbaren Effekte auf die Gesundheit von Mensch und Tier haben.
Obwohl die Verordnung (EG) Nr. 396/2005 auch einen Anhang mit Verarbeitungsfaktoren
vorsieht, ist dieser Anhang bisher noch nicht mit Daten gefüllt. Öffentlich zugängliche
Verarbeitungsfaktoren wurden bisher nur vom Bundesinstitut für Risikobewertung
zusammengestellt und im Internet veröffentlicht5.
Auch wenn die Verordnung (EG) Nr. 396/2005 nur Futtermittel durch Festsetzung von
Rückstandshöchstgehalten regelt, die auch als Lebensmittel Verwendung finden, wird durch
die Prüfung sichergestellt, dass die Höhe der Rückstände auch für reine Futtermittel (z. B.
Luzerne) oder Futtermittel aus verarbeiteten Erzeugnissen (z. B. Melasse) bekannt ist. Diese
Daten werden beim Verzehr der landwirtschaftlichen Nutztiere berücksichtigt. Somit ist
sichergestellt, dass kein Verbraucherrisiko besteht und die landwirtschaftlichen Nutztiere
geschützt sind.
3.2.3 Ausblick
Es ist geplant, zum 1. Januar 2014 neue Datenanforderungen in Kraft zusetzen. Bisher sind
diese noch nicht verabschiedet. Einige Punkte, die sich ändern werden, sind nachfolgend
beispielhaft genannt:
5
http://www.bfr.bund.de/cm/343/bfr-datensammlung-zu-verarbeitungsfaktoren-fuer-pflanzenschutzmittelrueckstaende.zip
169




Daten zur Art der Rückstände (Metabolismus) in Fischen,
Daten zur Höhe der Rückstände in Fischen,
Daten zur Höhe der Rückstände im Honig und
Verwendung von OECD Leitlinien, soweit solche vorhanden sind.
Zudem wird es durch die neuen Datenanforderungen in einigen Punkten zu geänderten
Randbedingungen für die Durchführung der Versuche kommen.
Zwar arbeitet die Europäische Kommission schon seit einiger Zeit an der Ergänzung des
Anhang I (Gruppen 11 (Fische, Fischerzeugnisse, Schalentiere Muscheln) und 12 (ausschließlich als Futtermittelverwendete Erzeugnisse)) und der Erstellung des Anhang VI (Verarbeitungsfaktoren) der Verordnung (EG) Nr. 396/2005, jedoch ist die Vorlage eines konkreten
Vorschlages noch nicht absehbar.
4
Ergebnisse
Die zuvor beschriebenen Anforderungen an die Antragsteller und die daraus resultierenden
Ergebnisse, einschließlich der festgesetzten Rückstandshöchstgehalte, decken den Bereich bis
zum Futtermittelbetrieb ab. Diese Ergebnisse sind auf jeden Fall wichtig für die
Rückverfolgbarkeit. Nach dem Futtermittelbetrieb greifen ggf. weiterführende Regelungen,
z. B. die Futtermittelverordnung.
Die Ergebnisse der amtlichen Futtermittelüberwachung der Bundesländer werden in
zusammengefasster Form vom Bundesministerium für Ernährung. Landwirtschaft und
Verbraucherschutz veröffentlicht. Die nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick über die
Ergebnisse der Jahre 2008 bis 2010.
170
Tabelle 2:Anzahl der Einzelbestimmungen auf Rückstände an Schädlingsbekämpfungsmitteln
(außer Schädlingsbekämpfungsmitteln nach Anlage 5 FMV)6
Anzahl der Bestimmungen
Beanstandungen Anzahl
2008
2009
2010
2008
2009
2010
37808
25647
23052
10
3
7*
bearbeiteten Futtermitteln
15265
11483
18958
9
2
31**
gesamt
530773
37130
42010
19
5
38
Schädlingsbekämpfungsmittel
gemäß Anlage 5a FMV in
unbearbeiteten Futtermitteln
Schädlingsbekämpfungsmittel
gemäß Anlage 5a FMV in
Die Beanstandungen in 2010 verteilen sich wie folgt:
* Schädlingsbekämpfungsmittel gemäß Anlage 5a FMV in unbearbeiteten Futtermitteln
o 5 Ölsaatenproben (1x Deltamethrin, 2x Pirimiphos-methyl, 1x Spiroxamin,
1x Sulfotep)
o 2 Getreideproben (Dichlorvos, Triticonazol)
** Schädlingsbekämpfungsmittel gemäß Anlage 5a FMV in bearbeiteten Futtermittel
o 6 Einzelfuttermittel- und 4 Mischfuttermittelproben:
4x Carbaryl, 4x Chlorpyriphos, 4x Cypermethrin, 1x Deltamethrin, 1x lambdaCyhalothrin, 1x Procymidon, 4x Diflubenzuron, 4x Fenpropathin, 4x Imidacloprid,
4x Dichlorvos
Bei den bearbeiteten Futtermitteln sind zwei Punkte zu beachten.
1.
Der Wirkstoff Dichlorvos ist in der Europäischen Union nicht genehmigt. Die
Rückstandshöchstgehalte wurde auf 0,01 mg/kg festgesetzt. Eine Überschreitung
2.
6
dieses Wertes führt zu einer Beanstandung. Da die Herkunft der Probe und die Höhe
der Rückstände nicht bekannt sind, kann nicht gesagt werden, ob es sich um eine
Fehlanwendung innerhalb der Europäischen Union, eine möglicherweise erlaubte
Anwendung in einem Staat außerhalb der Europäischen Union unter Missachtung der
in der Europäischen Union gelten Rückstandshöchstgehalte oder um eine unabsichtliche Verschleppung von z. B. Getreidestäuben handelt.
Wie bereits oben erwähnt, sind bisher Verarbeitungsfaktoren nicht rechtsverbindlich
von der Europäischen Union veröffentlicht. Die Basis der genannten Beanstandungen
Quelle: Jahresstatistik 2010 über die amtliche Futtermittelüberwachung in der Bundesrepublik Deutschland mit
Erläuterungen (http://www.bmelv.de/futtermittel)
171
ist nicht bekannt. Daher entziehen sich die gemachten Angaben auch einer weitergehenden Bewertung.
Die vorliegenden Ergebnisse aus der amtlichen Futtermittelüberwachung geben derzeit keine
Hinweise darauf, dass die verwendeten Modelle falsch sind. Allerdings kann davon ausgegangen werden, dass es weiteren Verbesserungsbedarf gibt, was sich an den relativ hohen
Beanstandungsquote bei verarbeiteten Futtermitteln im Vergleich zur Rohware anzudeuten
scheint. Das Minimum ist hier eine Veröffentlichung von Verarbeitungsfaktoren.
5
Literatur
Gesetz zum Schutz vor gefährlichen Stoffen (Chemikaliengesetz – ChemG) in der Fassung
der Bekanntmachung vom 2. Juli 2008 (BGBl. I S. 1146), das zuletzt durch Artikel 5
Absatz 39 des Gesetzes vom 24. Februar 2012 (BGBl. I S. 212) geändert worden ist.
Im Internet unter http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/chemg/gesamt.pdf.
Pflanzenschutzgesetz – alte Fassung
Gesetz zum Schutz der Kulturpflanzen (Pflanzenschutzgesetz - PflSchG) in der Fassung der
Bekanntmachung vom 14. Mai 1998 (BGBl. I S. 971, 1527, 3512), das zuletzt durch
Artikel 14 des Gesetzes vom 9. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1934) geändert worden
ist.
und
Pflanzenschutzgesetz – neue Fassung
Gesetz zum Schutz der Kulturpflanzen (Pflanzenschutzgesetz - PflSchG) vom 6. Februar
2012 (BGBl. I S. 148, 1281) im Internet unter http://www.gesetze-iminternet.de/bundesrecht/pflschg_2012/gesamt.pdf.
Guidance document on pesticide residue analytical methods, SANCO Dokument 825/00 rev.
8.1, 16/11/2011. Im Internet unter
http://ec.europa.eu/food/plant/pesticides/guidance_documents/mrls_en.htm
Analytical methods
Guidelines for the generation of data concerning residues as provided in Annex II part A,
section 6 and Annex III, part A, section 8 of Directive 91/414/EEC concerning the
placing of plant protection products on the market mit folgenden Teilen
 7028/VI/95: Appendix A - Metabolism and distribution in plants
 7029/VI/95: Appendix B - General reccomendations for the design, preparation
and realization of residue trials
 7524/VI/95: Appendix C - Testing of plant protection products in rotational crops
 7525/VI/95: Appendix D - Comparability, extrapolation, group tolerances and data
requirements
 7035/VI/95: Appendix E -Processing studies
 7030/VI/95: Appendix F -Metabolism and distribution in domestic animals
 7031/VI/95: Appendix G - Livestock feeding studies
 7032/VI/95: Appendix H - Storage stability of residue samples
 7039/VI/95: Appendix I - Calculation of Maximum Residue Levels and Safety
Intervals e.g. Pre-harvest Intervals.
In der jeweils aktuellen Fassung im Internet unter
http://ec.europa.eu/food/plant/pesticides/guidance_documents/mrls_en.htm
Guidelines for residue data under Directive 91/414/EEC and Regulation EC 396/2005
172
Verordnung (EG) Nr. 396/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Februar
2005 über Höchstgehalte an Pestizidrückständen in oder auf Lebens- und Futtermitteln
pflanzlichen und tierischen Ursprungs und zur Änderung der Richtlinie 91/414/EWG
des Rates. ABl. L 70 vom 16.3.2005, S. 1 – 16.
Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.
Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur
Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates. ABl. L 309 vom
24.11.2009, S. 1.
Verordnung (EU) Nr. 544/2011 der Kommission vom 10. Juni 2011 zur Durchführung der
Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates
hinsichtlich der Datenanforderungen für Wirkstoffe. ABl. L 155 vom 11.6.2011, S. 1.
Verordnung (EU) Nr. 545/2011 der Kommission vom 10. Juni 2011 zur Durchführung der
Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates
hinsichtlich der Datenanforderungen für Pflanzenschutzmittel. ABl. Nr. L 155 vom
11.6.2011, S. 67.
173
Radionuklide in der Nahrungskette
R. Scheu
Radioaktive Nuklide können natürlichen Ursprungs sein wie z. B. die Nuklide der Uran- und
Thorium-Zerfallsreihen sowie Kalium-40 (K-40) oder anthropogene Nuklide aus der Kernoder Kernwaffentechnik. In dieser Arbeit wird ausschließlich auf die künstlichen Radionuklide eingegangen. Quellen hierfür sind vor allem Rückstände von Atombombenexplosionen oder das Inventar von Kernkraftreaktoren zur Energiegewinnung. In den 50er
und 60er Jahren waren vor allem die Testexplosionen in der Atmosphäre die Quelle von
radioaktiven Nukliden in der Umwelt. Nach dem internationalen Verbot von atmosphärischen
Versuchen war der Eintrag von Radionukliden in die Umwelt bis Ende April/ Anfang Mai
1986 mit dem Unfall in Tschernobyl sehr gering, da nur noch die Reste aus der Stratosphäre
im Laufe der Zeit auf dem Boden abgelagert wurden. Mit dem Unfall von Tschernobyl und
Anfang Mai dem von Fukushima kamen erstmals große Mengen an Aktivität aus der zivilen
Nutzung in die Atmosphäre und kontaminierten größere Bodenflächen.
Quellen der Radionuklide
Prinzipiell gibt es große Unterschiede in der Art der Freisetzung zwischen einer Atombombenexplosion und einem Unfall in einem Kernkraftwerk. Bei einer Bombenexplosion
werden innerhalb kürzester Zeit sämtliche Spaltnuklide freigesetzt, wobei sehr hohe
Temperaturen von über Millionen Grad alles Material verdampfen lassen. Als Folge dieser
hohen Temperaturen wird alles freigesetzte Material bis in die Stratosphäre transportiert,
wobei der typische Pilz der Explosion das sichtbare Zeichen ist. Als Folge dieser Verteilung
bis in die Stratosphäre werden mit dem Jetstream die Nuklide weltweit verteilt. Eine gewisse
Verteilung erfolgt durch die Strömungsverhältnisse in der Atmosphäre. So bleiben große
Teile in der Erdhälfte, in der die Explosion stattfand. Da die meisten Explosionen auf der
Nordhälfte der Erdkugel stattfanden, waren hier auch größere Depositionen zu beobachten.
Die Südhalbkugel blieb jedoch nicht unbeteiligt, da auch einige Explosionen in Australien
durchgeführt wurden.
Im Gegensatz hierzu folgen Unfälle in Reaktoren einem anderen Szenario. In Tschernobyl
wurde durch einen katastrophalen Bedienungsfehler die Kernspaltung nicht wie geplant
heruntergefahren sondern im Gegenteil stieg die Leistungsabgabe des Reaktors bis zu einer
nicht beherrschbaren Größe. Als Folge hiervon ereignete sich eine Explosion, die den
Reaktordeckel absprengte und sämtliche Versuche, den Reaktor durch Kühlung zu
stabilisieren, unmöglich machte. Die relativ hohe Temperatur im Reaktorkern und die
174
Tatsache, dass es sich bei diesem Reaktortyp um einen graphitmoderierten handelte, führte zu
einem Graphitbrand in der Anlage. Im Gegensatz zu den Atombombenexplosionen blieben
große Teile der freigesetzten Aktivitäten in der unteren Atmosphäre und wurden durch die
meteorologischen Bedingungen in der Umwelt verteilt. Da zur Zeit der Explosion nördliche
Winde herrschten, wurde die erste Wolke nach Norden mit Ziel Nordschweden und Finnland
transportiert, in den folgenden Tagen des Brandes drehte der Wind nach Süden und
transportierte die Aktivität über Ungarn und Österreich nach Süddeutschland und weiter nach
Norden. Ein Teil der Luftmassen über Ungarn wurde Richtung Griechenland und Türkei
verfrachtet. Eine Zusammenfassung des Unfalls in Tschernobyl ist in dem SSK-Bericht
- Band 7 – „Auswirkungen des Reaktorunfalls in Tschernobyl auf die Bundesrepublik
Deutschland“ (SSK-1987) veröffentlicht.
Im Gegensatz zu Tschernobyl war der Unfall in Fukushima ursächlich auf eine Naturkatastrophe zurückzuführen. Nach dem schweren Erdbeben schalteten sich die Reaktoren
planmäßig per Schnellabschaltung ab, da aber die externe Stromversorgung der Reaktoren
zusammengebrochen war, sprangen die Notstromdiesel an, um die Stromversorgung zu übernehmen. Der Tsunami als Folge des Erdbebens war jedoch so hoch, dass er alle Schutzdämme
überrollte und die Räume mit den Notstromdieseln überflutete, was zum Ausfall der
Generatoren und folglich zum Versagen der Nachkühlung der Reaktoren führte. Der Ausfall
der Kühlung ließ die Temperatur in den Reaktoren so hoch werden, dass eine Kernschmelze
der Brennstäbe einsetzte. Eine weitere Folge war die chemische Reaktion der Brennstoffhüllrohre mit Wasser unter Bildung von Wasserstoff, was in den Folgetagen nach dem
Tsunami die Wasserstoffexplosionen in den Reaktorgebäuden und deren Zerstörung
verursachte. Nach ersten Abschätzungen betrug die freigesetzte Aktivität in Fukushima ca.
10 % der in Tschernobyl entwichenen (GRS-2011, KUCZERA-2011).
Für die Nahrungskette relevante Radionuklide
Bei der Kernspaltung in Reaktoren entstehen neben den Spaltprodukten auch sogenannte
Korrosionsnuklide und Nuklide durch Neutroneneinfang des Urans. Der größte Teil der bei
der Kernspaltung entstehenden Spaltprodukte hat ein Atomgewicht von ca. 90 und ca. 135,
was in der Summe in etwa dem Atomgewicht des spaltbaren Urans entspricht. Bei den
Korrosionsnukliden handelt es sich um radioaktive Isotope wie z.B. Kobalt-60, die durch die
intensive Neutronenstrahlung aus dem Material des Druckgefäßes entstehen. Durch
Neutroneneinfang des Urans entstehen auch verschiedene Plutonium-Isotope. In SSK-1987,
S. 18 ist das Kerninventar des Reaktors in Tschernobyl am 6. Mai 1986 mit Halbwertszeit und
freigesetztem Prozentsatz aufgeführt. In der Tabelle 1 ist ein Auszug der Tabelle mit den für
die Nahrungskette relevanten Nukliden aufgeführt.
175
Tab. 1 Auszug der Inventarnuklide Tschernobyl (Stand: 6.Mai 1986)
Element
Halbwertszeit (d)
Inventar (Bq)*
Freigesetzte %
Jod-131 (I-131)
8,05
1,3E18
20
Cäsium-134 (Cs-134)
750
1,9E17
10
Cäsium-137 (Cs-137)
11000
2,9E17
13
Strontium-90 (Sr-90)
* E17 =1*1017
10200
2,0E17
4
I-131 mit einer Halbwertszeit von 8 Tagen wird wegen seiner hohen Flüchtigkeit in relativ
hohem Anteil freigesetzt und reichert sich in der Schilddrüse an. Direkt nach dem Unfall ist
die Strahlungsaktivität des Jods sehr hoch, nimmt aber wegen der relativ kurzen Halbwertszeit (HWZ)) schnell ab. In guter Näherung kann man ansetzen, dass nach zehn Halbwertszeiten die Aktivität auf ein Tausendstel abgesunken ist. Das bedeutet, dass nach zwanzig
HWZ (160 Tage) von 1 Million Bq noch 1 Bq übriggeblieben ist. Alle Maßnahmen, die es
ermöglichen abzuwarten, verringern daher die Belastung durch Jod.
Die beiden Cäsium-Isotope verhalten sich in den Organen wie Kalium, haben also kein
besonderes Zielorgan. Wegen ihrer relativ langen HWZ von 2 bzw. 30 Jahren ist hier die
Möglichkeit des Abwartens nicht gegeben. Da jedoch praktisch alle Cäsium-Verbindungen
wasserlöslich sind, scheidet der tierische und menschliche Organismus Cäsium mit einer
biologischen HWZ von ca. 100 – 150 Tagen aus, d.h. nach dieser Zeit sind die Hälfte der
aufgenommenen Nuklide mit Urin und Faeces wieder ausgeschieden.
Strontium-90 ist ein reiner beta-Strahler und hat mit einer HWZ von 28 Jahren und einer
Anreicherung im Knochen deutlich ungünstigere Prognosen als das Cäsium. Wegen der
Anreicherung im Knochen ist die biologische Halbwertszeit des Sr-90 mit ca. 19 Jahren hoch.
Für einen Übergang in tierische Lebensmittel sind die Knochen jedoch von untergeordneter
Bedeutung, allerdings ist ein Übergang in die Milch wegen seiner nahen Verwandtschaft zu
Calcium zu beobachten. Von Vorteil ist die deutlich geringere Flüchtigkeit des Strontiums,
was sich auch aus der Freisetzungsrate in Tab.1 entnehmen lässt. Daher spielte nach dem
Unfall von Tschernobyl die Sr-90-Belastung in Deutschland nur eine untergeordnete Rolle.
In Abb.1 ist der Aktivitätsabfall der verschiedenen Nuklide in dem ersten Halbjahr nach dem
Unfall in Tschernobyl dargestellt.
176
Abb.1 Abklingen der Aktivität
Einflüsse auf die Belastung des Aufwuchses und des Bodens
Bei einem Unfall mit erheblicher Freisetzung von radioaktiven Partikeln für eine relativ kurze
Zeit spielen vor allem meteorologische Gegebenheiten eine entscheidende Rolle für die
Belastung bestimmter Regionen. So werden die Partikel durch die am Unfallort herrschenden
Windverhältnisse in bestimmte Richtungen transportiert. In Tschernobyl wurden durch
südliche Luftströmungen in den ersten Tagen die Partikel nach Norden bis Nordschweden und
Finnland verfrachtet, bis durch einen Wetterumschwung einige Tage später die bei dem
Reaktorbrand freigesetzten Teilchen erst nach Süden und dann über Süddeutschland nach
Norden bis nach Großbritannien transportiert wurden. Nähere Informationen sind hierzu in
SSK-1987 (S.19-23) beschrieben.
Erkennen lässt sich der Durchzug der radioaktiven Wolke an den Ortsdosisleistungsmessungen (ODL) des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS). Im Internet kann jederzeit für
alle Messstellen in Deutschland die aktuelle ODL eingesehen werden. Internetadresse s.
(BFS). So lange die ODL noch ansteigt, ist der Durchzug der Wolke noch nicht beendet.
Untersuchungen des Aufwuchses sind erst nach Durchzug der Wolke sinnvoll, da erst dann
die endgültige Belastung abgeschätzt werden kann. Messungen vor oder während des
Durchzuges liefern nur momentane Aktivitäten, die zur späteren Abschätzung der Belastung
der Nahrungsmittel keinen sinnvollen Beitrag leisten können.
Entscheidend für die Kontamination am Boden sind die Witterungsbedingungen während des
Durchzuges der Wolke. Herrscht schönes Wetter ohne Niederschläge, so wird nur ein
geringer Teil der vorbeiziehenden Aktivitäten durch die Pflanzen aus der untersten
Atmosphärenschicht „ausgekämmt“, während der Großteil weitertransportiert wird. Regnet es
177
allerdings während des Durchzuges der Wolke, so wird eine erheblich größere Menge an
Aktivität durch den „wash-out“ oder „rain-out“ abgelagert. Ursache hierfür sind einerseits die
radioaktiven Partikel als Kondensationskeime für Regentropfen und andererseits ein
Auswaschen der Atmosphäre durch den Regen. Diesen Effekt kann man nach jedem Regen
beobachten, wenn die Luft „frisch und klar“ erscheint.
Da die Gegebenheiten am Boden durch den unterschiedlichsten Bewuchs, der bei den
Messungen meistens nicht bekannt ist, nicht abgeschätzt werden können, wird die Belastung
der Erdoberfläche in Bq/m² angegeben, eine Maßeinheit, die nicht ohne weiteres auf die
Belastung des Aufwuchses rückschließen lässt. Von besonderer Bedeutung ist die Bedeckung
des Bodens mit Pflanzenmasse, da die Belastung des Aufwuchses durch die direkte
Beaufschlagung aus der Luft erheblich größer ist als die Aufnahme über den Boden. In der
Tab.2 sind einige Umrechnungsbeispiele von Flächenbelastung zu Konzentrationen angeführt.
Tab.2 Umrechnung Aktivität Bq/m² in Bq/kg Aufwuchs TM.
Ertrag dt/ha (TM)
5
10
20
30
40
= kg/m² (TM)
0,05
0,1
0,2
0,3
0,4
Bq/m²
Bq/kg TM Bq/kg TM Bq/kg TM Bq/kg TM Bq/kg TM
0
0
0
0
0
0
300
6000
3000
1500
1000
750
3000
60000
30000
15000
10000
7500
30000
600000
300000
150000
100000
75000
Da neben der direkten Beaufschlagung der Pflanzen durch den atmosphärischen Niederschlag
auch die Aufnahme der Radionuklide über den Boden eine Rolle spielt, soll die gleiche
Betrachtungsweise für den Boden angewandt werden. Üblicherweise werden zwischen Ackerböden und unbearbeiteten Böden wie Grün- oder Ödland und Waldböden unterschieden. Bei
den Ackerböden betrachtet man üblicherweise die oberen 30 cm bis zur Pflugtiefe als Bodenschicht, bei den unbearbeiteten die oberen 10 cm (Tab.3)
Tab.3 Umrechnung Aktivität Bq/m² in Bq/kg Boden
Tiefe 0-10 cm
Tiefe 0-30 cm
Bodendichte (kg/l)
1,2
1,2
Bodenschicht (kg/m²)
120
360
Bq/m²
Bq/kg
Bq/kg
0
0
0
1000
8,3
2,8
10000
83
28
Bei dieser Berechnung wurde davon ausgegangen, dass kein Aufwuchs auf dem Boden
vorhanden war, war dies der Fall, muss eine Abschätzung vorgenommen werden, wie groß
der Bedeckungsgrad war und dann eine Aufteilung der Belastung der Pflanzen im Vergleich
zum Boden durchgeführt werden.
178
Für die folgende Betrachtung werden einige Annahmen vorgegeben: erstens werden drei
verschiedene Bodenarten mit unterschiedlichen Transferfaktoren (TF) berücksichtigt, ein
Lehmboden mit > 35 % Ton (TF = 0,21), ein Sandboden mit > 70 % Sandanteil (TF = 0,35)
und ein organischer Boden mit > 20 % Glühverlust (TF = 1,04). Zweitens wird bei der Bodentiefe nur die Schicht von 0 – 10 cm berücksichtigt, drittens wird mit 10000 Bq/m² gerechnet
und viertens werden drei Ertragsniveaus von 10, 30 und 50 dt/ha TM berücksichtigt. Der
Transfer-Faktor ist definiert als
TF = Bq/kg TM(Pflanze) /Bq/kg TM(Boden)
Tab. 3 Vergleich der Aktivität durch die Aufnahme über den Boden gegenüber der direkten
Deposition
LehmSandOrgan. 10 dt/ha 30 dt/ha 50 dt/ha
boden
boden
Boden
Ertrag
Ertrag
Ertrag
Deposition (Bq/m²)
10000
10000
10000
10000
10000
10000
Bodendichte (kg/l)
1,3
1,2
0,5
------Boden bzw. Ertrag
130
120
50
0,1
0,3
0,5
(kg/m²)
Boden (Bq/kg)
77
83
200
------Transfer-Faktor (TF)
0,21
0,35
1,04
------Pflanzenmasse
16,2
29,1
208
100000
33333
20000
(Bq/kg TM)
Wie aus Tab.3 zu entnehmen ist, sind die zu erwartenden Aktivitäten in den Pflanzen vor
allem durch die direkte Deposition auf der Pflanze und nur zu sehr geringen Anteilen durch
die Aufnahme über den Boden beeinflusst. Dies ist von größter Bedeutung für die Abschätzung der Aufnahme über das Futter und das Fütterungsmanagement. So ist besonders
günstig, wenn zum Zeitpunkt der Deposition der Boden durch die Pflanzen gar nicht oder nur
zu sehr geringen Anteilen mit Pflanzenbewuchs bedeckt ist. Dies war z.B. nach dem Unfall
von Tschernobyl bei den Maisflächen der Fall, während die Grünlandflächen sehr kurz vor
dem ersten Schnitt zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt kontaminiert wurden. Je länger die
Zeitdauer zwischen Belastung und Ernte liegt, umso günstiger für die hieraus gewonnenen
Futtermittel. Zum einen werden durch Niederschläge bestimmte Anteile der Nuklide
abgewaschen, zum anderen verdünnt sich die Aktivität durch die nachwachsende Pflanzenmasse. In Abb. 2 wird dies durch eine Untersuchungsreihe nach dem Unfall in Tschernobyl
dargestellt (VETTER-1986).
179
Abb. 2 Abklingen der Aktivität in Grünlandaufwuchs mit der Zeit
Wie dem Diagramm zu entnehmen ist, sinkt die Aktivität im Aufwuchs im Laufe von fünf
Wochen auf ca. ein Zehntel des Ausgangswertes, nach einem halben Jahr auf rund ein
Hundertstel. Aus dieser Darstellung ist auch zu entnehmen, dass der Zeitpunkt der Kontamination Anfang Mai für den ersten Schnitt Mitte Mai sehr ungünstig war. Die Belastung des
zweiten Schnittes Mitte bis Ende Juni war schon deutlich geringer, für die folgenden Schnitte
sinkt die Belastung nochmals deutlich ab und für das folgende Jahr ist nur noch mit einer sehr
viel geringeren Belastung zu rechnen. Bei dieser Betrachtung ist selbstverständlich der
Ausgangswert der Belastung zu berücksichtigen.
Als Konsequenz aus diesen Daten sollte als erste Maßnahme nach Bekanntwerden eines Unfalls, der zu nennenswerten Belastungen führen kann, die Aufstallung der Tiere - falls nicht
durch die Jahreszeit sowieso Stallhaltung und Winterfütterung betrieben wird - und der Übergang zu unbelasteten Futterkonserven empfohlen werden, da nur hierdurch die Aufnahme von
kontaminiertem frischen Futter unterbunden werden kann. Auch für diese Maßnahme war der
Zeitpunkt des Unfalls sehr ungünstig, da die Winterfütterungsvorräte vieler Betriebe weitgehend aufgebraucht waren und neue noch nicht oder nur hochbelastet zur Verfügung
standen.
Aus Tab.3 ist auch zu entnehmen, dass die Bodenart Einfluss auf die Aktivitäten in der
Pflanze hat. So sind die armen Sandböden und die organischen Böden deutlich stärker belastet
als die tonreichen, Kalium und Cäsium gut bindenden Böden. Da Cäsium als chemisch naher
Verwandter des Kaliums dieses in kaliumarmen Milieu ersetzen kann, kann durch eine gute
Kaliumversorgung des Bodens die Aufnahme von Cäsium deutlich verringert werden. In
180
Abb. 3 ist ein Kaliumsteigerungsversuch auf Moorboden mit den Kalium- und Cäsiumgehalten im Aufwuchs dargestellt.
Abb.3 Einfluss der Kaliumversorgung auf die Cäsiumgehalte im Aufwuchs von Moorböden
Bei solchen Böden ist daher für eine längerfristige Minimierung der Aktivität im Aufwuchs
für eine optimale Kaliumdüngung der Flächen zu sorgen. Betriebe, die ohne Mineraldüngung
arbeiten, müssen mit höheren Gehalten im Futter rechnen, da häufig eine ausreichende
Kaliumversorgung durch reine organische Düngung nur schwer zu erreichen ist.
Um eine möglichst geringe Belastung der vom Tier gewonnen Lebensmittel zu erreichen,
sollen hier für Milch verschiedene Szenarien zur Minimierung durchgerechnet werden. Als
Grundlage zur Berechnung dient auch hier der Transferfaktor, der ausdrückt, mit welchem
Faktor die aufgenommene Aktivität über das Futter multipliziert werden muss, um die
Belastung der Milch zu berechnen:
Bq/l( Milch) = Bq (Gesamtration) * TF
Als TF wird von der Strahlenschutzkommission ein Wert von 0,005 für Kuhmilch angegeben
(SSK-1988), der gut mit einem mittleren Wert von 0,006 übereinstimmt, der von der LUFA
Oldenburg in einem Fütterungsversuch nach dem Unfall in Tschernobyl im Sommer 1986
durchgeführt worden war (VETTER-1986). Bei einer Gesamtaufnahme von 10000 Bq muss
also mit einer Milchbelastung von 50 Bq/l gerechnet werden.
In Tab. 4 sind vier Rationsbeispiele aufgeführt, in denen mit verschiedenen Anteilen an Grassilage 1.Schnitt, Grassilage 2. Schnitt und Maissilage gearbeitet wird. Der Anteil an Milchleistungsfutter III (6,7 MJ NEL) bleibt in allen Fällen mit 10 kg konstant und wird mit einer
minimalen Aktivität von 2 Bq/kg angenommen.
181
Tab. 4 Aktivitätsgehalte (Cs) in der Milch nach verschiedenen Futterrationen
MJ NEL
Bq/kg TM 1.Ration 2.Ration 3.Ration 4.Ration
Grassilage 1. Schnitt (kg)
6,0
1600
7
5
3
----Grassilage 2. Schnitt (kg)
5,8
200
--4
7
Maissilage (kg)
6,5
10
3
5
3
3
MLF III (kg)
6,7
2
10
10
10
10
Grassilage 1.
(Bq)
Grassilage 2.
(Bq)
Maissilage (Bq)
MLF III (Bq)
Gesamt (Bq)
Schnitt
11200
8000
4800
---
Schnitt
---
---
800
1400
30
20
11250
50
20
8070
30
20
5650
30
20
1450
56
40
28
7
Milch (Bq/l) TF = 0,005
Wie der Tab.4 entnommen werden kann, lässt sich die Belastung der Milch mit Cäsium durch
Umstellung der Futterration beträchtlich senken. Allerdings dürfen die physiologischen und
energetischen Bedürfnisse der Tiere nicht außer Acht gelassen werden.
Zusammenfassung
Nach einem Unfall mit erheblichen radiologischen Konsequenzen wird auf die für die
Nahrungskette relevanten Radionuklide Jod, Cäsium und Strontium eingegangen sowie die
Wege in die Umwelt durch die atmosphärischen Gegebenheiten. Danach werden Modellrechnungen durchgeführt, um zu erkennen wie hoch die Belastung der Futtermittel unter den
gegebenen Bedingungen zu erwarten ist. In einigen Modellrechnungen werden Rationen
zusammengestellt, die die Belastung minimieren. Zusammengefasst können folgende
Ratschläge erteilt werden:
- Tiere in den Stall bringen (falls nicht bereits Stallhaltung)
- auf Futterkonserven umstellen
- Fütterungsmanagement zur Minimierung der Belastung planen (physiologischen
bedarf beachten)
- - möglichst geringe Anteile, die kurz vor der Ernte kontaminiert worden sind
- - möglichst hohe Futteranteile, die vor der Kontamination geerntet wurden.
182
Literatur:
BFS: http://www.bfs.de/de/ion/imis/odl_messnetz.html
GRS: http://fukushima.grs.de/
KUCZERA-2011: B.Kuczera, L.Mohrbach, W.Tromm, J.Knebel, Spektrum der Wissenschaft
– August 2001 – S.76-83
SSK-1987: Veröffentlichungen der Strahlenschutzkommission –Band 7 – „Auswirkungen des
Reaktorunfalls in Tschernobyl auf die Bundesrepublik Deutschland“
SSK-1988: Bundesanzeiger Nr. 208 vom 05.11.1988
VETTER-1986: H.Vetter, H.-J.Grummer, R.Scheu, Landwirtschaftsblatt Weser-Ems Nr. 45
vom 07.11.1986, „Cäsiumaktivität in Böden, Pflanzen und Nahrungsmitteln in
Niedersachsen“
183
Übergang von Stoffen aus Kontaktmaterial in und auf Futtermittel
H. Schenkel
Landesanstalt für Landwirtschaftliche Chemie, Universität Stuttgart - Hohenheim
Die Aufnahme von Fremdkörpern durch Wiederkäuer ist keineswegs selten wie die Berichte
in der Literatur zeigen (Klee, 2007). Dies soll jedoch nicht Gegenstand der folgenden Ausführungen sein.
Es lässt sich feststellen, dass im Bereich der Lebensmittel umfangreiche Regelungen zur
Beschaffenheit von Materialien und Gegenständen bestehen, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen (z.B. VO 1935/2004, VO 10/2011). Sehr intensiv werden Fragestellungen, die
mit dieser Thematik in Zusammenhang stehen in internationalen (EFSA: Panel on food
contact materials, enzymes, flavourings and processing aids) und nationalen (BfR, Kommission für Bedarfsgegenstände) Gremien bearbeitet. Es stellt sich in diesem Zusammenhang die
Frage, ob in einzelnen Fällen eine Übertragbarkeit auf Futtermittel besteht abgesehen davon,
dass im Lebensmittelbereich andere Bezugs-, Chargen- bzw. Gebindegrößen vorhanden sind
und abweichende Technologien eingesetzt werden.
Betrachtet man den möglichen Übergang unerwünschter Stoffe auf bzw. in Lebensmittel
tierischer Herkunft, lassen sich unterschiedliche Pfade erkennen: z.B. der Übergang von
Stoffen auf das Futter und von dort in das Tier einerseits oder/und der direkte Übergang in das
Tier andererseits.
Markante Beispiele für den ersteren Bereich wären der Übergang von Stoffen aus
ungeeigneten Behältnissen, wie die Nutzung von Altreifen als Futtertrog oder
aufgeschnittener Kunststoffkanister als Tränke oder die Nutzung von Altöl oder anderen
Produkten als Holzschutzanstrich. Sehr häufig wird über die Verschmutzung von Futter im
Rahmen von Havarien durch Getriebeöl, Hydrauliköl oder Kraftstoffen berichtet.
Zusätzliche direkte Expositionspfade könnten die vielfältigen Beschäftigungsmaterialien sein,
die im Rahmen tiergerechter Haltungsverfahren den Tieren zur Verfügung gestellt werden.
Eine weitere Quellen könnten ungeeignete Einstreumaterialien darstellen sowie allgemein die
Aufnahme unerwünschter Stoffe aus Stalleinrichtungen (Korrosion) und Baumaterialien. Bei
einer Haltung im Freien sind Triebwege, Feuerstellen oder „Wasserlöcher“ Aufnahmequellen
für verschiedene Stoffe.
184
Betrachtet man mögliche Quellen detaillierter lässt sich eine Gliederung im Hinblick auf
verschiede Werkstoffe (Metalle, -legierungen, Textilien, Gummi, Papier und Karton, Kunststoffe, Filter- oder Baumaterialien) diskutieren mit denen Futtermittel bzw. Tiere in
Berührung kommen. Eine weitere Kategorie sind verschiedene (Betriebs-)mittel, die aus
Quellen in Frage kommen (Mineralöle, Treibstoffe, Farben, Beschichtungen,
Verarbeitungshilfsstoffe). Eine weitere Gliederung ist hinsichtlich der Prozesse möglich, die
evtl. zu einem Übergang beitragen. Hierbei kann es sich um Abrieb, bei entsprechender
mechanischer Beanspruchung handeln. Korrosive Prozesse spielen vor allem bei
verschiedenen Stalleinrichtungen eine Rolle. Weitere Kontaminationswege stehen in
Zusammenhang mit der Migration von Stoffen, der Trocknung, Fraktionierung sowie der
Reinigung und Desinfektion.
In diesem Zusammenhang sei nochmals auf die VO 767/2009 verwiesen. Im Anhang 1 wird
ausgeführt: Entsprechend der guten Praxis im Sinne von Artikel 4 der VO 183/2005 müssen
Einzelfuttermittel frei sein von chemischen Verunreinigungen, die sich aus ihrem Herstellungsverfahren ergeben, sowie von Verarbeitungshilfsstoffen, sofern nicht ein besonderer
Höchstgehalt im Katalog gemäß Artikel 24 festgelegt ist.
Betrachtet man den Bereich des Abriebes, so ist er vor allem bei der mechanischen Bearbeitung der Futtermittel wie Mahlen, Quetschen, Sieben, Pressen und beim Transportieren zu
beobachten (Kersten et al., 2003, Müller, 1989). Wichtige Aspekte dabei sind zum Beispiel
die Materialbeschaffenheit des Futters und die Durchsatzmengen einerseits und die Materialbeschaffenheit der beteiligten Gerätschaften sowie deren Anordnung (Prallflächen, Umlenkwinkel) sowie evtl. Vorschädigungen z.B. durch korrosive Prozesse. Feil (2011) gibt einen
interessanten Überblick zu Maßnahmen zur Verschleißminderung (Tabelle 1).
Tabelle 1: Maßnahmen zur Verringerung von Verschleiß (Feil, 2011)
 Strikte Einhaltung von Wartungs- und Reinigungsintervallen
 PU Auskleidung von beanspruchten Ablaufrohren, Umschlagbereichen
 Einsatz von Magnetabscheidern im Rohwareneingangsbereich, vor und nach der
Zerkleinerungseinrichtung und vor der Presse
 Einsatz von verstärkten Rohrumlenkungsbögen
 Auskleidung produktberührter Oberflächen, die mit aggressiven Stoffen in Kontakt
kommen (Tanks, Rohrleitungen, Hauptmischer)
 Weitgehende Vermeidung von Flüssigkeitsanteilen in Dampfleitungen und schnelle
und vollständige Kondensatabführung
 Isolierung von Dampfleitungen auch zur Korrsosionsvermeidung
185
 Verzicht auf verschleißintensive Makrokomponenten, Verarbeitung vorgereinigter
Rohwaren
Ein weiteres Beispiel ist die Migration von Stoffen insbesondere aus Verpackungsmaterial
einschließlich verschiedener Folien. Hier spielen u.a. Faktoren wie die Größe und Beschaffenheit der Kontaktflächen, Beschaffenheit und Aufbau der Trennschichten, Farben und
Beschriftungen eine Rolle. Auch die Migration aus Fugen- und Dichtungsmaterial ist zu
erwähnen.
Die AG Carry Over hat sich seit längerem mit der Problematik auseinandergesetzt und
entsprechende Stellungnahmen erarbeitet (2009, 2011). Das BfR hat 2011 ein Statusseminar
zu dieser Problematik veranstaltet. Wichtig ist, dass die Erkenntnisse in den Leitlinien gemäß
der
Futtermittelhygieneverordnung
(VO
183/2005)
Beachtung
finden
(http://ec.europa.eu/food/food/animalnutrition/feedhygiene/guide_goodpractice_en.htm) und
verstärkt in den HACCP-Konzepten der Hersteller Berücksichtigung finden (BMELV / BVL,
2012)
Literatur:
Arbeitsgruppe Carry Over unerwünschter Stoffe in Futtermitteln (2009): Stellungnahme zur
Vermeidung von Futtermittelkontamination durch Schmierstoffe
Arbeitsgruppe Carry Over unerwünschter Stoffe in Futtermitteln (2011): Stellungnahme zur
Carry Over von unerwünschten Stoffen aus Materialien und Gegenständen, die mit
Futtermitteln in Berührung kommen
BMELV/BVL (2012) Leitfaden zur Kontrolle der Anwendung des HACCP-Konzeptes.
Futtermittelhygiene Bd. 2
Feil, A. (2011): Eintrag von metallischen Materialien bei der Futtermittelverarbeitung, BfR
Statusseminar, 7.7.2011, Berlin
Kersten, J., Rohde, H.-R., Nef, E. (2003): Mischfutterherstellung, Argimedia, Bergen
Klee,
W
(2007):
Fremdkörpererkrankung.
Reticuloperitonitis
traumatica.
http://www.rinderskript.net
Müller, B.(1989) Technische Werte der Getreideverarbeitung und Futtermitteltechnik, Teil 4:
Futtermitteltechnik, Verlag M. Schäfer, Detmold
Verordnung (EG) 1935/2004 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 27. Oktober
2004 über Materialien und Gegenstände, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in
Berührung zu kommen und zur Aufhebung der Richtlinien 80/590/EWG und
89/109/EWG. Amtsbl. EU L338,4
Verordnung (EG) Nr. 183/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Januar
2005 mit Vorschriften für die Futtermittelhygiene. Amtsbl. EU L35,1
Verordnung (EU) Nr. 10/2011 der Kommission vom 14. Januar 2011 über Materialien und
Gegenstände aus Kunststoff, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung
zu kommen. Amtsbl. EU L12,1
Verordnung (EG) Nr. 767/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli
2009 über das Inverkehrbringen und die Verwendung von Futtermitteln zur Änderung
der Verordnung (EG) Nr. 1831/2003 des Europäischen Parlamentes und des Rates und
zur Aufhebung der Richtlinien 79/373/EWG des Rates, 80/511/EWG der
Kommission, 82/471/EWG des Rates, 83/228/EWG des Rates, 93/113/EG des Rates
und 96/25/EG des Rates und der Entscheidung 2004/217/EG der Kommission.
Amtsbl. EU L229,1
186
Nanotechnologie in der Nahrungskette – Potentiale und Risiken
L. Dehne, R. Schumann, A. Lampen
Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Berlin
In der Nanotechnologie geht es um die Erforschung, Bearbeitung und Produktion von
Strukturen und Materialien, die in mindestens einer Dimension kleiner als 100 Nanometer
(nm) sind. Zu Nanomaterialien werden „punktförmige“ Strukturen (Nanopartikel, Nanokapseln, Cluster oder Moleküle), „linienförmige“ Strukturen (Nanofasern, Nanoröhren,
Nanogräben) und extrem dünne Schichten gezählt. Mit Hilfe der Nanotechnologie ist es
möglich, Strukturen, Techniken und Systeme zu entwickeln, die völlig neue Eigenschaften
und Funktionen aufweisen. Zu den durch die Nanoskaligkeit bedingten Eigenschaften
gehören diejenigen Eigenschaften, die im Zusammenhang mit der großen spezifischen Oberfläche des betreffenden Materials stehen und/oder spezifische physikalisch-chemische Eigenschaften, die sich von den Eigenschaften desselben Materials in nicht nanoskaliger Form
unterscheiden. Daher wird erwartet, dass in der nahe Zukunft die Nanotechnologie auf vielen
Ebenen des Lebensmittelbereichs genutzt wird.
Nanopartikel kommen natürlicherweise in Lebensmitteln vor ( z.B. in der Milch), Gegenstand
der Betrachtung sind an dieser Stelle jedoch synthetische Nanomaterialien, die wegen ihrer
besonderen Eigenschaften in verschiedenen Lebensmittelbereichen z. B. in Lebensmittelverpackungen bereits eingesetzt oder zur Anwendung vorgeschlagen werden. Dabei
stehen sowohl anorganische Nanopartikel wie z.B. Siliziumdioxid, Titannitrid oder Nanosilber als auch organische Nanopartikel wie z.B. Beta-Cyclodextrin oder Liposomen aus
Phospholipiden im Fokus von Forschung und Entwicklung. Siliziumdioxid wird schon heute
zur Beeinflussung der Barriereeigenschaften von PET-Flaschen eingesetzt, oder Titannitrid
zur Verbesserung der Maschinengängigkeit bei der Herstellung von PET-Flaschen.
Organische Verbindungen mit einer Molekülgröße im Nanometerbereich können als
Trägerstoffe für Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente oder Lebensmittelzusatzstoffe
eingesetzt werden, um die Polarität bzw. die Löslichkeit und andere Eigenschaften zu
beeinflussen. Auf diese Weise werden z.B. fettlösliche Substanzen wasserlöslich.
Hinsichtlich einer Risikoabschätzung solcher Substanzen ist zu berücksichtigen, dass sich in
Folge ihrer Modifikation die Bioverfügbarkeit oder die Verteilung im Körper verändern
können. Z.B. könnten Nahrungsergänzungsmittel (NEM), wie z.B. nanoskalig formulierte
Vitamine oder Mineralstoffe (Calcium, Magnesium und Silizium), in höheren Mengen
aufgenommen werden. Erhofft wird dadurch eine verstärkte und gezielte biologischfunktionelle Wirkung. Dies ist jedoch nicht ohne Risiko, denn für viele Mineralstoffe und
187
Vitamine gibt es Höchstmengen der täglichen Aufnahme, die möglicherweise schneller überschritten werden. Weitere potenzielle Anwendungen für Nanopartikel im Lebensmittelbereich
wären Trägerstoffe für andere Lebensmittelinhaltsstoffe wie Liposomen, Micellen oder
Vesikel. In so einer Formulierung könnten beispielsweise Carotinoide, die wasserunlöslich
und relativ schlecht resorbierbar sind, viel besser resorbiert werden. Somit könnten die
gesundheitsfördernden Effekte der Carotinoide funktionell genutzt werden. Auch hier muss
jedoch auf eine mögliche Gefahr der Überdosierung hingewiesen werden.
Es ist davon auszugehen, dass bestimmte Nanopartikel auch biologische Effekte induzieren
können. Aufgrund der bisherigen experimentellen Untersuchungen ist bekannt, dass die
biologischen Wirkungen von Nanopartikeln abhängig von den physikalischen Eigenschaften
sind. Hier sind in erster Linie die Form, das Verhältnis Größe zu Oberfläche, die elektrische
Leitfähigkeit, die Feldstärke, die Ladung, die Komposition der Nanopartikel sowie die
Kristallstruktur zu nennen. Diese Eigenschaften können wiederum die Proteinbindungsfähigkeit der Nanopartikel beeinflussen. Eine gute Untersuchung zur möglichen Toxizität
(Organtoxizität) von anorganischen Verbindungen liegt von Chen et al. (2006) für KupferNanopartikel vor. In dieser Studie wurden Mäuse mit mikroskaligem Kupfer im Vergleich zu
nanoskaligem Kupfer gefüttert. Kupfer ist ein Mikronährstoff, der bei zu hoher Aufnahme zu
Hämolysis sowie Leber- und Nierenschädigung führt. Es zeigte sich, dass bei der
Mikroformulierung (17 µm, spezifische Oberflächengröße [SSA] 3,9-102 cm2/g, 44
Partikel/µg) keinerlei Schäden an Nieren, Milz und Leber im Vergleich zu den Kontrollen
nach 48 Stunden festzustellen waren. Während auf der anderen Seite bei der NanoKupferformulierung (23 nm, SSA 2,95-105 cm2/g, 1,7 x 1010 Partikel/µg) deutliche
toxikologische Effekte an der Niere mit einer Nekrosis, an der Milz mit einer Atrophie und
einer Fibrosis und an der Leber mit deutlich erhöhten Leberenzymen festzustellen waren. Die
toxikologischen Effekte an Niere und Milz waren makro- und mikroskopisch deutlich zu
sehen. Wahrscheinlich sind die toxischen Wirkungen durch die Freisetzung der Kupferionen
verursacht. Die Daten demonstrieren, dass nicht-toxische Substanzen nicht unbedingt nichttoxisch bleiben, wenn die Partikel verkleinert werden und sich die Anzahl deutlich erhöht.
Das bedeutet, wenn physikalische Eigenschaften sich ändern, ist es erforderlich, die
biologischen Wirkungen zu untersuchen, da sich diese deutlich ändern können. Insgesamt
lässt sich feststellen, dass toxische Effekte von anorganischen Nanopartikeln (Metalloxiden)
nach oraler Aufnahme bisher noch zu wenig untersucht sind.
Nach Auffassung der EFSA sind bei der Risikobewertung von Nanopartikeln die etablierten
Paradigmen (Gefahrenidentifizierung, Gefahrencharakterisierung, Expositionsbestimmung
und Risikocharakterisierung) anzuwenden [EFSA 2009]. Die EFSA hat Empfehlungen
herausgegeben, wie Risikobewerter bei der Bewertung von Nanopartikeln in Lebensmitteln
vorgehen sollten und welche Daten zur Beurteilung notwendig sind [EFSA 2011]. Für eine
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umfassende Risikobewertung fehlen allerdings noch Daten, insbesondere zur Bioverfügbarkeit. Problematisch ist die zurzeit noch fehlende quantitative Analytik zum Nachweis der
Nanopartikel in Lebensmitteln. Ihr Aufbau ist für die Generierung und für die Beurteilung
der erforderlichen Daten essentiell.
Für Lebensmittel, die technisch hergestellte Nanomaterialien enthalten, sind wie für andere
Lebensmittel auch die allgemeinen lebensmittelrechtlichen Vorschriften, insbesondere der
Verordnung (EG) Nr. 178/2002 [EU 2002] und des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs [D 2009] maßgeblich. Demnach dürfen nur sichere Lebensmittel in den Verkehr
gebracht werden. Für technisch hergestellte nanoskalige Lebensmittelzutaten findet bereits
derzeit unter bestimmten Voraussetzungen die Verordnung (EG) Nr. 258/97 über neuartige
Lebensmittel und Lebensmittelzutaten (Novel Food-Verordnung) [EU 1997] Anwendung.
Dies gilt dann, wenn das Lebensmittel vor dem 15. Mai 1997 noch nicht in nennenswertem
Umfang in der EU für den menschlichen Verzehr verwendet worden ist und wenn durch den
Einsatz eines nicht üblichen Herstellungsverfahrens (z.B. der Nanotechnologie) bedeutende
Veränderungen der Zusammensetzung oder Struktur des Lebensmittels oder der Lebensmittelzutaten bewirkt werden, was sich auf ihren Nährwert, ihren Stoffwechsel oder auf die
Menge unerwünschter Stoffe im Lebensmittel auswirkt. Sollte eine Prüfung eines
entsprechenden synthetischen Nanomaterials durchgeführt werden, müssen wie bei anderen
neuartigen Lebensmittelzutaten Informationen zur Spezifikation, zum Herstellungsprozess,
zur Exposition sowie Ernährungsinformationen und toxikologische Informationen eingereicht
und bewertet werden. Hier orientiert sich die Prüfung und Bewertung an den Empfehlungen
des SCF und der Europäischen Kommission [Scientific Committee on Food 1997,
Europäische Kommission1997] sowie an den Kriterien, die die EFSA 2009 und 2011
erarbeitet hat.
Die 2011 gescheiterte Revision der Novel Food-Verordnung sah vor, dass technisch
hergestellte Nanomaterialien in Lebensmitteln zukünftig in jedem Fall nach einer Sicherheitsbewertung durch die EFSA genehmigt werden sollten. Eine entsprechende Regelung wird
voraussichtlich erneut von der Europäischen Kommission vorgeschlagen werden.
Referenzen
Chen Z, Meng H, Xing G, Chen C, Zhao Y, Jia G, Wang T, Yuan H, Ye C, Zhao F, Chai Z,
Zhu C, Fang X, Ma B, Wan L. Acute toxicological effects of copper nanoparticles in
vivo. Toxicol Lett. 2006 May 25;163(2):109-20.
D (2002): Gesetz zur Neuorganisation des gesundheitlichen Verbraucherschutzes und der
Lebensmittelsicherheit vom 6. August 2002. Bundesgesetzblatt Jahrgang 2002 Teil I
Nr. 57, ausgegeben zu Bonn am 14. August 2002: 3082-3104
D (2009) Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom
24. Juli 2009. Bundesgesetzblatt Jahrgang 2009 Teil I: 2205
189
EFSA (European Food Safety Authority) (2009): Scientific Opinion of the Scientific
Committee on a request from the European Commission on the Potential Risks Arising
from Nanoscience and Nanotechnologies on Food and Feed Safety. The EFSA Journal
958, 1–39.
EFSA (European Food Safety Authority) (2011): Scientific Opinion. Guidance on the risk
assessment of the application of nanoscience and nanotechnologies in the food and feed chain.
The EFSA Journal 2011, 9(5), 2140
EU (1997): Verordnung (EG) Nr. 258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.
Januar 1997 über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten.
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 43: 1-6
Europäische Kommission (1997) Empfehlung der Kommission vom 29. Juli 1997 zu den
wissenschaftlichen Aspekten und zur Darbietung der für Anträge auf Genehmigung
des Inverkehrbringens neuartiger Lebensmittel und Lebensmittelzutaten erforderlichen
Informationen sowie zur Erstellung der Berichte über die Erstprüfung gemäß der
Verordnung (EG) Nr. 258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates
(97/618/EG). Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 253: 1-36
Scientific Committee on Food (1997) Opinions on the assessment of novel foods Part I - III
http://ec.europa.eu/food/fs/sc/scf/reports/scf_reports_40.pdf und
http://ec.europa.eu/food/fs/sc/scf/reports/scf_reports_39.pdf
190
Schlusswort
Dr. Sabine Kruse
Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV)
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit den Ereignissen um Dioxine in Futterfetten zum Jahreswechsel 2010/2011 wurde wieder
deutlich, dass die Verbraucher und die Märkte sehr empfindlich auf Nachrichten über unerwünschte Stoffe in Lebensmitteln reagieren.
Den Betroffenen ist finanziell ein großer Schaden entstanden. Aber noch größer und nachhaltiger ist der Schaden im Hinblick auf das Vertrauen der Verbraucher in die Sicherheit der
Lebensmittel.
Vermeiden werden wir solche Reaktionen wohl nicht können, aber vielleicht abmildern.
Aus meiner Sicht ist es dazu vor allem wichtig, den Verbrauchern auf der Grundlage
gesicherter Fakten die Zusammenhänge besser zu erklären, ihnen die Realität der Futtermittelund Lebensmittelherstellung verständlich und transparent offenzulegen.
Hierzu haben die Referentinnen und Referenten des Workshops „Kreisläufe unerwünschter
Stoffe in der Lebensmittelkette“ einen wichtigen Beitrag geleistet, indem sie an Beispielen die
komplexen Vorgänge - ausgehend vom Boden über die Pflanzen und Tiere bis hin zum
Lebensmittel - erläutert haben. Hierfür danke ich ihnen im Namen der Veranstalter und des
Auditoriums ganz herzlich.
Die Arbeitsgruppe „Carry over unerwünschter Stoffe in Futtermitteln“ beim BMELV hat
Themen ausgewählt, mit denen sie sich in den letzten Jahren intensiv beschäftigt hat, und sie
hat Themen vorgestellt, die sie zukünftig bearbeiten wird.
Ich freue mich, dass rund 80 Vertreter aus der Wirtschaft, der Wissenschaft und der
Verwaltung der Einladung gefolgt sind, um sich zu informieren und zu diskutieren. Besonders
gefreut hat mich, dass wir auch Teilnehmer aus Österreich, der Schweiz, den Niederlanden,
Luxemburg und Slowenien im Auditorium haben. Das zeigt, dass das Thema
Futtermittelsicherheit grenzübergreifend aktuell und in den letzten Jahren auch international
mehr in den Focus gerückt ist. So wird sich eine Task Force im Codex Alimentarius
191
beginnend im Februar nächsten Jahres mit Fragen der Risikobewertung unerwünschter Stoffe
beschäftigen und Empfehlungen für den Futtermittelsektor erarbeiten.
In seinen einführenden Worten hat Herr Professor Mettenleiter die Bedeutung der
Forschungen auf dem Gebiet des Carry over unerwünschter Stoffe für die Lebensmittelsicherheit aber auch für die Tiergesundheit hervorgehoben.
Der Vorsitzende der carry over – Arbeitsgruppe, Herr Professor Schenkel, hat dies aufgegriffen und in seinem einleitenden Vortrag die Notwendigkeit von Carry over – Studien zur
Schaffung einer soliden Datenbasis für Managemententscheidungen, wie gesetzliche Regelungen, herausgestellt. Monitoring - Untersuchungen oder Feldstudien können zur Beschreibung eines Problems zwar wichtige Beiträge leisten, zur Aufklärung von Ursache und
Wirkung sind jedoch zielgerichtete Carry over–Studien unerlässlich.
Welche komplizierten Vorgänge sich dabei abspielen, hat Herr Professor Dänicke am
Beispiel des Pansens erläutert. Er hat uns gezeigt, dass sich Wirkungen und Transfer von
unerwünschten Stoffen zwischen den Tierarten erheblich unterscheiden können, und dass sich
der ruminale Metabolismus sowohl günstig, aber auch ungünstig auf das Carry over Geschehen auswirken kann.
Die Grundprinzipien und Besonderheiten der Risikobewertung in der Futtermittelkette hat
Frau Dr. Lahrssen-Wiederholt dargestellt. Sie hat auch hervorgehoben, dass angesichts der
immer komplizierter werdenden Herstellungsprozesse für Futtermittel das Wissen um die
stoffliche Zusammensetzung eine wichtige Voraussetzung dafür ist. Mehr Transparenz in
diesem Bereich und genau dokumentierte Daten könnten dazu beitragen, nicht nur einen
konkreten Einzelfall besser zu bewerten, sondern auch die Entwicklungen so zu sagen
„proaktiv“ zu verfolgen.
Herr Dr. Lüpping hat uns Risiken bei der Futtermittelherstellung vorgestellt und insbesondere auf Risiken infolge veränderter Herstellungsverfahren und neuer Ausgangsstoffe
aufmerksam gemacht. Rückstände aus dem Herstellungsprozess und insbesondere aus
Verarbeitungshilfsstoffen müssen transparent gemacht und bewertet werden.
Dies entspricht auch der Rechtslage, wonach Einzelfuttermittel technisch frei sein müssen von
chemischen Verunreinigungen, es sei denn, dass ein Höchstgehalt im Europäischen Katalog
festgelegt ist. Dafür gilt eine Frist bis zum 1. September 2012.
Ich gehe davon aus, dass die Unternehmen dazu zeitnah geeignete Unterlagen über den
Umfang, die Art und das Risiko solcher Rückstände vorlegen werden. Herr Dr. Lüpping hat
192
auch erläutert, wie wichtig eine präzise futtermittelkundliche Beschreibung von Einzelfuttermitteln ist und wie die Positivliste der Einzelfuttermittel die Transparenz im Futtermittelmarkt fördern kann. Erfreulich ist es daher, dass sich auch die Vertreter der
Kommission inzwischen offen dafür gezeigt haben, die Beschreibungen im Katalog der
Einzelfuttermittel zu verbessern und den Katalog im Hinblick auf Sicherheitsaspekte zu
erweitern.
Nicht nur aus aktuellem Anlass, sondern weil die Arbeitsgruppe sich seit Jahren damit
befasst, nahmen die Beiträge zu Dioxinen und PCB einen breiten Raum ein. Ich selbst
erinnere mich sehr genau an die Ereignisse um Dioxine in Zitruspellets 1998. Damals habe
ich mit Herrn Dr. Hecht - dem damaligen Vorsitzenden der Carry over Arbeitsgruppe - quasi
„über Nacht“ einen Vorschlag für einen Höchstgehalt für Dioxine in Zitruspellets
ausgearbeitet. Damit wurde faktisch die erste europäische Dioxinregelung für Futtermittel
geschaffen; damals 500 pg – in ng wären das heute 0,5; und das klingt schon weniger gefährlich, weil die Zahl vor dem Komma nicht so groß ist. Ich bedaure sehr, dass Herr Dr. Hecht
aus persönliche Gründen nicht an dem Workshop teilnehmen konnte. Ich wünsche Ihm aber
von dieser Stelle aus alles erdenklich Gute.
Die aktuelle Situation bei Dioxinen und PCB in Futtermitteln und Lebensmitteln tierischer
Herkunft haben uns Herr Dr. Karl, Herr Dr. Schwind und Herr Lindtner ausführlich
vermittelt. Die wichtigste Botschaft ist, dass die Dioxingehalte in Lebensmitteln in den letzten
10 Jahren deutlich gesunken sind. Im Hinblick auf die tolerierbare Aufnahme des Menschen
reicht dieser Stand jedoch noch nicht aus.
Und es bleiben noch wichtige Fragen offen. Die Eintragswege und die Akkumulationsprozesse von dioxinähnlichen PCB sind noch immer unklar. Hier brauchen wir wissenschaftliche Untersuchungen, um den Landwirten, die ihre Schafe und Rinder unter tierartgerechten
Bedingungen auf der Weide halten, Empfehlungen geben zu können, wie die lebensmittelrechtlichen Höchstgehalte in Lebern und Fleisch eingehalten werden können.
Einer weiteren interessanten Stoffgruppe, die vor einigen Jahren für besondere Aufregung
sorgte, haben sich Herr Professor Gäth und Frau Kowalczyk gewidmet. Bei den Untersuchungen zu perfuorierten Tensiden (PFC) in Lebensmitteln und Futtermitteln hat sich die
Zusammenarbeit in der Carry over - Arbeitsgruppe erneut bewährt, weil bereits gut
dokumentierte Proben kurzfristig für weitere Zwecke genutzt werden konnten. Obwohl die
Studien noch kein abschließendes Urteil erlauben, scheint für PFC nur in bestimmten
Belastungssituationen besondere Aufmerksamkeit geboten.
193
Auch Herr Dr. Jira konnte bei seinen Untersuchungen zu polybromierten Diphenylethern
auf den Probenfundus der Carry over Arbeitsgruppe zurückgreifen und ein aktuelles – wenn
auch nicht abschließendes Bild – zeichnen. Diese Schadstoffgruppe ist auch deshalb so
interessant, weil hier sehr unterschiedliche Wirkmechanismen zu betrachten sind.
Das Vorgehen bei Mykotoxinen ist aus meiner Sicht vorbildhaft. Hier wird von der Sortenwahl über Anbau, Ernte, Lagerung und Verarbeitung bis zu den Wirkungsmechanismen im
Tier intensiv an der Aufklärung in der Kette gearbeitet. Frau Dr. Kersten und Frau
Dr. Oldenburg haben darüber berichtet.
Meine Damen und Herren,
Anlass für die Gründung der Carry over –Arbeitsgruppe vor 35 Jahren waren Überlegungen
des Gesundheitsministers, Richtwerte für Schwermetalle in tierischen Erzeugnissen festzulegen.
Herr Professor Gäth und Herr Dr.Schafft haben am Beispiel „Cadmium“ gezeigt, dass
dieses Thema auf Grund neuer gesundheitlicher Bewertungen wieder in den Focus gerückt ist.
An diesem Beispiel wird aber vor allem auch deutlich, dass Minimierung möglichst weit am
Anfang der Kette ansetzen muss. Die Worte von Herrn Dr. Hecht dazu sind mir noch in guter
Erinnerung „ Es ist leicht einen Schadstoff in der Umwelt zu verteilen, nur das Einsammeln,
das ist schwer.“
Wie wichtig es ist, auch gesetzliche Regelungen auf eine solide Datenbasis zu stellen, hat uns
der Fall „Nitrit“ gezeigt, bei dem Deutschland sogar die „Notbremse“ ziehen musste, und eine
Richtlinie der EU zunächst nicht umgesetzt hat. Ich danke daher Herrn Professor Schenkel,
der uns mit seinen Recherchen, in Verbindung mit den Untersuchungen der betroffenen
Wirtschaft, die erforderlichen wissenschaftlichen Begründungen geliefert hat.
Der Beitrag von Frau Dr. Schwake–Anduschus hat einen Bereich von unerwünschten
Stoffen in Futtermitteln angerissen, dessen Bedeutung wir - vor allem vor dem Hintergrund
der zunehmenden Resistenzentwicklung gegenüber Antibiotika - noch nicht abschätzen
können. Unabhängig davon, dass hier sicher noch erheblicher Forschungsbedarf besteht, muss
der weitere Eintrag von Antibiotika in die Umwelt durch einen vernünftigen Umgang mit
Human- und Tierarzneimitteln reduziert werden. Das ist auch Ziel der Deutschen Antibiotika
Resistenzstrategie (DART), die gemeinsam vom Bundesministerium für Gesundheit, dem
Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung, den Ländern sowie weiteren Akteuren im Gesundheitswesen getragen wird.
194
Herr Dr. Hohgardt hat uns einen Einblick in die Prüfung und Zulassung von Pflanzenschutzmitteln gegeben. Dies war nicht nur im Hinblick auf die aktuelle Diskussion zu
Glyphosat erhellend, sondern auch im Hinblick darauf, dass die Kommission die Erweiterung
des Anwendungsbereichs der gesetzlichen Regelung auf wirtschaftseigene Futtermittel, wie
Gras, Heu oder Silage vorbereitet. Unabhängig davon, dass es nach wie vor schwierig sein
wird, festgestellte Gehalte an Pestizidrückständen in verarbeiteten oder gemischten
Futtermitteln rechtlich zu bewerten, scheint mir die gesundheitliche Bewertung für den
überwiegenden Teil der Wirkstoffe keinen Anlass zur Sorge zu bieten. Darüber hinaus
begrüße ich es, dass sich die Arbeitsgruppe der unübersichtlichen Menge von Tausend
Beistoffen für Pflanzenschutzmittel intensiver widmet. Der Fall „Tallowamin“ hat gezeigt,
dass hier Prüfungsbedarf besteht.
Ein Thema, von dem wir hofften, es nie wieder behandeln zu müssen, sind die Radionuklide.
Die Arbeitsgruppe hat dazu bereits in den 80er Jahren umfangreiche Arbeiten geleistet, die
auch heute noch als gesichertes Wissen bei der Bewertung der Ereignisse in Japan herangezogen werden konnten. Herr Dr. Scheu hat dieses Kapitel für uns noch einmal aufgeschlagen. Es ist ein außerordentlicher Gewinn für die Arbeitsgruppe , dass sie - wie auch in
diesem Fall - auf das langjährige Wissen engagierter Experten zurückgreifen kann.
Mit Blick auf zukünftige Arbeitsfelder der Carry over – Arbeitsgruppe hat Herr Professor
Schenkel gewissermaßen eine Stoffsammlung zum Übergang von Stoffen aus Kontaktmaterialien in Futtermittel vorgestellt. Er hat auch darauf hingewiesen, dass Tiere mit
weiteren Materialien in Kontakt kommen, diese aufnehmen und dadurch unerwünschte Stoffe
in die Lebensmittelkette gelangen können. Ein Fall in Portugal, bei dem über 70 000 Mastgeflügeltiere vernichtet wurden, weil die als Einstreu verwendeten Sägespäne extrem hoch
mit Dioxinen kontaminiert waren, hat erst in den vergangenen Wochen den Handlungsbedarf
in diesem Bereich erneut deutlich gemacht.
Das BMELV bereitet daher gegenwärtig entsprechende gesetzliche Regelungen für diesen
bisher weitgehend ungeregelten Bereich vor.
Die Nanotechnologie scheint eine interessante Herausforderung der Zukunft für die Wissenschaft zu sein. Herr Dr. Dehne berichtete über den aktuellen Erkenntnisstand. Hier gilt es
ausgehend von methodisch - analytischen Fragen bis hin zur Risikobewertung viele „weiße
Flecken“ zu bearbeiten. Im Hinblick auf Futtermittel gibt es sicher interessante Möglichkeiten
einer technischen Anwendung. Bei aller verständlichen Begeisterung für neue Chancen darf
jedoch der Aspekt der Verteilung in der Umwelt und in der Lebensmittelkette nicht vernachlässigt werden.
195
Am Ende dieses Workshops wende ich mich daher auch an die Wissenschaft, insbesondere an
die Tierernährung, sich der Forschung im Bereich der unerwünschten Stoffe, ihrer gesundheitlichen Bewertung, der Aufklärung von Eintragswegen und Akkumulationsprozessen
sowie den Minimierungsmöglichkeiten weiterhin intensiv zu widmen.
Zum Abschluss möchte allen, die am Gelingen des Workshops beteiligt waren, herzlich
danken. Mein besonderer Dank gilt Frau Fink und ihrem Team vom Präsidialbüro des vTI,
die den Workshop organisatorisch vorbereitet und begleitet haben. Mein Dank gilt auch
Professor Dänicke und seinem Institut für die Vorbereitungen vor Ort, meinen Kolleginnen
Frau Kellner und Frau Peschke, die mich in Bonn vor allem bei der Vorbereitung des
Tagungsbandes unterstützt haben.
Herzlich danken möchte ich auch Herrn Dr. Petersen und Herrn Professor Schenkel für
die Moderation der Tagung.
Und schließlich möchte ich den Mitgliedern der Carry over - Arbeitsgruppe für die engagierte
Arbeit und sachkundige Beratung des Bundesministeriums danken. Es ist inzwischen
Tradition, dass die Ergebnisse nicht nur in Stellungnahmen für das Ministerium sondern auch
in Vortragsveranstaltungen vorgestellt werden. Die Vorträge dieser Veranstaltung haben
erneut gezeigt, wie aktuell, interessant und geradezu spannend diese Themen sind. Ich
wünsche mir, dass Sie sich auch weiterhin diesen Themen widmen.
Meine Damen und Herren,
auch Ihnen möchte ich zum Schluss der Veranstaltung herzlichen Dank sagen für Ihr Interesse
und ihre Diskussionsbeiträge. Damit möchte ich die Veranstaltung schließen und wünsche
Ihnen eine gute Heimreise.