Gottesdienst - AG Eine Welt Gruppen

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Gottesdienst - AG Eine Welt Gruppen
Amt für Mission, Ökumene und kirchliche Weltverantwortung (MÖWe)
in der Ev. Kirche von Westfalen - Regionalstelle 3: Südliches Westfalen
Pfarrer Martin Ahlhaus - Kampweg 2 - 58566 Kierspe-Rönsahl
Tel.: 02269-927621 - Mail: [email protected]
20.01.2016
Gottesdienst während der Jahrestagung Entwicklungspolitik 2016 „Menschen auf der Flucht“
08.-10.01.2016; Haus Villigst, Schwerte
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Lied:
Gott gab uns Atem, damit wir leben; Evangelisches Gesangbuch (EG) 432,1-3
Begrüßung
Gedanken zum Foto des Tagungsflyers: Syrische Flüchtlingskinder in einem Zeltcamp bei Tripoli, Libanon
Lied:
Meine engen Grenzen, meine kurze Sicht; EG 600, 1-4
Gebet und Stille
Lied:
Lass uns in deinem Namen, Herr; EG 658, 1-3
Lesung:
Matthäus 2, 13-23 (Einheitsübersetzung)
Lied:
Vertraut den neuen Wegen, auf die der Herr uns weist; EG 395, 1
Lesung:
Francis Cabrel, Afrikanische Reise
Lied: Vertraut den neuen Wegen, und wandert in die Zeit; EG 395, 2
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Verkündigung - Auslegung
Nahezu 2000 Jahre trennen die beiden Lesungen, die wir noch im Ohr bzw. vor Augen haben. Die erste verbinden wir mit Weihnachten und der Menschwerdung Gottes – die zweite sehen wir immer noch und immer wieder in den Nachrichten und Berichten über Lesbos, Lampedusa und Ceuta. Doch so weit voneinander die Lesungen auch entstanden sind und einander fremd bleiben, schildern sie doch beide Wege aus der Gefahr, die Flucht
vor Tod und Verfolgung, das unfreiwillige Vertrieben Sein aus der Heimat und das hastige Getrieben Sein zu
neuen Ufern und sicheren Orten.
Die erste Lesung schenkt uns Matthäus zum Fest der Heiligen Drei Könige oder Epiphanias vor wenigen Tagen –
und holt uns damit ruckartig von der allzu verklärten, verkitschten Weihnachtsromantik und besinnlichen Feiertagsstimmung zurück auf den Boden der Tatsachen – und in die rauhe Wirklichkeit vor 2000 Jahren: auch damals
war die Welt alles andere als heil. So als ob der Befehl des Augustus zur Volkszählung in Judäa nicht schon genug
Unheil angestiftet hätte und alle Welt in helle Aufregung und ein schwangeres Ehepaar auf die beschwerliche
Reise nach Bethlehem gezwungen hätte, so folgt kurze Zeit nach der Geburt in Viehstall und Futterkrippe der
erneute Aufbruch und erzwungene Weg ins Ungewisse: Jesus, Maria und Josef müssen vor den Todesschergen
und marodierenden Soldaten des Herodes fliehen und brechen mitten in der Nacht mit nicht mehr, als was sie
am Leibe tragen, auf – auf eine unsichere Reise, auf in eine ungewisse Zukunft.
Also ob die Welt und in ihr die Menschen in 2000 Jahren nichts Gescheites gelernt hätten, gleichen die Geschehnisse von damals den Bildern von heute – und auf erschreckende, ernüchternde Weise nimmt die zweite Lesung
die Gedanken der Fliehenden auf und fasst die Gefühle der Geflüchteten in Worte. Francis Cabrel, der französische Chansonnier hat diese Zeilen vor einiger Zeit geschrieben und drückt in ihnen aus, was Menschen auf der
Flucht wohl zu allen Zeiten beschäftigt: Was lasse ich alles zurück – Familie, Freunde, Hab und Gut, Schule und
Arbeit, mein ganzes bisheriges Leben!? Und wofür das alles? Was erwartet mich? Besseres als Not und Tod oder
nur neue Schikane, Verfolgung, Demütigung? Werden sie schießen an der Grenze oder uns die Hand reichen, die
Schranke heben, das Tor öffnen? Welche Welt erwartet mich, wenn ich die lebensgefährliche Reise durch die
Sahara und übers Meer wirklich überstehe? So viele Fragen in diesem Lied und so viele Pünktchen, Pünktchen,
Pünktchen – so viel Ungewisses, Unsicheres, Ungeklärtes – und zugleich so viel Hoffnung, Mut und Wagemut:
Wir werden sehen, Inschallah. Gott wird es wissen, Gott wird es lenken, Gott wird es schenken: In Scha Allah!
Mehr hat auch die Heilige Familie nicht, als sich Vater, Mutter, Kind auf den Weg von Bethlehem nach Ägypten
machen - dort wo ihre Vorfahren einst in Gefangenschaft und Sklaverei schufteten und Gott selbst ihnen zu Hilfe
kommen musste und sie wie durch ein Wunder vor den Fluten des Meeres wie vor den Streitwagen des Pharao
gerettet wurden. Seither hat dieses Land einen besonderen Klang und erinnert an menschliche Bosheit und Gottes Befreiung zugleich. Dahin soll die Flucht nun gehen, um das junge Lebens des Neugeborenen wie das der
Eltern vor dem Schwert zu schützen. Ob das gut geht? Gott wird es wissen, Gott wird es schenken, Inschallah!
Durch seine Boten, die auf einmal da sind und sagen: Steh auf, nimm das Kind und seine Mutter und geh! Durch
Worte und Taten, die zum Aufbruch ermuntern, zum Unterwegs Sein anhalten und zum Bleiben einladen! Durch
Zeichen und Gesten, die den Weg im Unwegsamen zeigen und den Ausweg aus der Sackgasse weisen – und
schließlich sagen: Komm zurück und bleib!
Das jedenfalls ist das Ziel der Fluchtgeschichte aus der Bibel, dass Jesus heimkehrt in das Land seiner Mütter und
Väter, dass er aufwächst in Galiläa und zu dem heranwächst, der er sein soll: Freund der Fremden und Ausgestoßenen, Beistand der Schwachen und Ohnmächtigen, Versöhner der Zerstrittenen und Entzweiten. Sein
Fluchtpunkt ist nicht Ägypten, wie der Schweizer Theologe Kurt Marti es einmal ausgedrückt hat: nein, das Kind
wird geschont für härtere Tage, sein Fluchtpunkt ist das Kreuz: dort enden seine Wege, stirbt der Menschensohn
unter Unrecht und Gewalt für die Eine Welt Gottes. Dass dieser Tod ein ganz neuer Anfang wird, steht auf einem
anderen Blatt und ist die Ansage einer neuen Zeit, in der nicht länger das Recht des Stärkeren gilt, nicht länger
Willkür und Terror das Sagen haben und Menschen lernen, in Frieden beieinander zu wohnen – Fremde und
Freunde, Einheimische und Ausländer, Frauen und Männer, du und ich.
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Den Anbruch dieser neuen Zeit glauben wir als Christinnen und Christen in der Auferweckung des Gekreuzigten,
dem Aufstand Gottes gegen Not und Tod, Verfolgung und Unterdrückung – und wissen uns schon heute beauftragt, Wege zum Frieden und zur Versöhnung zu suchen, zu finden und zu gehen.
„Glauben Sie, dass ich all diese Kilometer gemacht habe, all die Hoffnung, all diesen Mut, um mich von einem
Stacheldrahtzaun aufhalten zu lassen?“ So lässt Francis Cabrel die Fliehenden in seinem Lied fragen – und wir
möchten mit den Gefragten antworten: Nein, natürlich nicht! Wer der Hölle auf Erden so eben noch heil entkommen ist, der lässt sich auch von Stacheldraht und menschlichen Grenzen nicht aufhalten. Wer Hunger, Not
und Terror hinter sich gelassen hat, wird Wege ins Offene und Weite suchen und wagen – und hoffentlich offene
Türen, weite Herzen und wache Sinne finden, bei uns und allen Menschen, die guten Willens sind. Mögen es
Wege sein, die wie damals von Bethlehem und Ägypten von Gott gelenkt und geschenkt werden, von Engeln
gewiesen und begleitet: Wege in die Freiheit, in ein Land, das hell ist und weit. Amen.
 Lied:
Vertraut den neuen Wegen, auf die uns Gott gesandt; EG 395, 3
 Das Glaubensbekenntnis des Volkes (aus Afrika)
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Fürbitten und Kyrie-Ruf
Vater unser und Friedensgruß
Lied:
Hevenu shalom alechem – Wir wünschen Frieden euch allen; EG 433
Abschlusswort und Segen
Lied:
Ein Licht in dir geborgen; Lieder zwischen Himmel und Erde Nr. 206
Foto-/Textnachweise:
- Foto: Syrische Flüchtlingskinder in einem Zeltcamp bei Tripoli (Libanon) – Diakonie Katastrophenhilfe
- Grafik „Leiter des Grenzzauns“ und Text „Afrikanische Reise“ – missio e.V., Aachen
- Das Glaubensbekenntnis des Volkes – Quelle unbekannt
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