„Im Anfang schuf Gott …“ – was bedeutet das?
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„Im Anfang schuf Gott …“ – was bedeutet das?
„Im Anfang schuf Gott …“ – was bedeutet das? Lesehinweise zu den biblischen Schöpfungstexten im Spannungsfeld von Kreationismus, Darwinismus und intelligent Design Manfred Oeming 1. Der Kreationismus als weltweite Bewegung Kreationismus ist eine vor allem aus den USA nach Europa herüberkommende Anschauung von der Entstehung der Welt. „Die Behauptungen von Charles Darwin stimmen nicht“ – so lautet die Grundüberzeugung der Kreationisten wie auch der Vertreter des intelligent design, die sich jedoch ansonsten in ein weites Spektrum ausfalten. Für Vertreter des intelligent design ist der Gedanke wesentlich, dass es zwar eine Evolution gegeben habe, dass diese aber nicht nach dem blinden Zufall abgelaufen sei, sondern nach einem sinnvollen, göttlichen Plan. Das Prinzip des brutalen Konkurrenzkampfs der Arten ums nackte Überleben, das „survival of the fittest“, ist nicht der Schlüssel zur Realität des Lebens und erklärt nicht die Tatsachen. Darwin hat Unrecht, wenn er die zunehmend perfektionierte Anpassung an die jeweiligen Lebensräume, die Selektion des an bestimmte ökologische Nischen am besten Angepassten zum Grundsatz einer umfassenden Weltanschauung machen will. Die unglaublichen Komplizierten Gesetzmäßigkeiten und Funktionszusammenhänge des Universums und des Lebens könnten nur durch eine überragende Intelligenz und Macht als Ursache erklärt werden. Die Vertreter des Kreationismus (vom lateinischen creatio = [göttliche] Schöpfung) gehen in ihrer Absetzung von Darwin noch sehr viel weiter. Gott hat die Welt und alle ihre Ordnungen in einem wunderbaren Schöpfungsakt, der creatio prima, aus dem Nichtsein ins Dasein gerufen. Die Gattungen haben sich nicht kontinuierlich und allmählich über Jahrmillionen aus einfachen Anfangsformen heraus entwickelt. Am radikalsten legen die so genannten „JungeErde-Kreationisten“ die Schöpfungsgeschichte aus. Sie glauben, die Erde sei erst 6.000 Jahre alt und in den biblischen sieben Tagen von Gott erschaffen worden. Die von Darwin postulierte Evolution hat es nicht gegeben! Alle heute lebenden Tierarten haben sich seit dem Zeitpunkt ihrer Entstehung nicht verändert. Die Schöpfung liegt – so zumindest einige Kreationisten – noch nicht lange zurück, erst etwa 10.000 Jahre. Der Mensch stammt also auch nicht vom Affen ab. In Wahrheit ist der Darwinismus eine wertzersetzende, die Autorität der Tradition untergrabende, gefährliche Irrlehre. Die Welt darf nicht nach dem Prinzip funktionieren, dass sich der Stärkste auf Kosten der Schwachen durchsetzt, und tut es auch nicht. Für diese Mischungen aus naturhistorischen und ethischen Überzeugung berufen sich die intelligent designer wie die Kreationisten nachhaltig auf die Bibel. Der biblische Schöpfungsbericht erzähle doch, dass Gott in einem sehr kurzen Zeitraum von sieben Tagen die Erde erschaffen hat, zwar in Stufen, aber eben innerhalb kurzer Frist und mit qualitativen Sprüngen. Es wird dabei vorausgesetzt, dass der biblische Text einen zuverlässigen Tatsachenbericht liefere, der bis in die Einzelheiten historisch belastbar sei, wobei die sieben Tage auch sieben Jahrtausende meinen können, denn vor Gott sind nach Ps 90,4 „tausend Jahre wie ein Tag“. Viele naturwissenschaftlich geschulte Zeitgenossen können es nicht glauben: In Europa zumindest hat sich der Darwinismus doch schon durch den Schulunterricht als Abiturwissen so selbstverständlich etabliert, dass andere Modelle der Weltenstehung als nicht akzeptabler Rückfall in eine vorwissenschaftliche Denkweise erscheinen.1 Erst recht scheint die Kurzzeit1 Vgl. Ulrich Kutschera, Streitpunkt Evolution. Darwinismus und intelligentes Design, Berlin. Münster, 2. Aufl. 2007; ders., Evolutionsbiologie, Stuttgart, 3. Aufl. 2008, der dafür eintritt, dass die Naturwissenschaften den Chronologie der Erdgeschichte absurd. Plötzlich aber gibt es gegen den vermeintlich unaufhaltsamen Gang der Geistesgeschichte in eine religionslose Zeit hinein auch und gerade in den großen Industrienationen in USA, in Asien und auch in Europa eine regelrechte Bewegung, die sich vor allem auf die Heiligen Schriften berufen. „In der Bibel steht geschrieben: die Erschaffung der Welt basiert auf dem Handeln eines intelligenten Designers, dessen Aktivitäten wir erkennen können“ Es werden höchstrichterliche Prozesse angestrengt, Tagungen zur Widerlegung des Darwinismus kommen (wieder) in Mode, Stoffpläne von Schulen (zumal von Privatschulen) werden in Frage gestellt, indem neben der atheistischen Evolutionstheorie das Recht auf alternative Erklärungen im Biologieunterricht behandelt werden muss. Bei dieser Bildungs-Debatte, die in Deutschland medienwirksam in Hessen geführt wurde, spielt eine bestimmte Lektüre der Bibel eine wichtige Rolle, und es ist verständlich, dass in diesem Zusammenhang ein Alttestamentler gebeten wird, über ein angemessenes Verständnis der Heiligen Schriften nachzudenken. Dieser nicht ganz leichten Aufgabe will ich mich im Folgenden stellen. Ich empfinde diese Aufgabe deswegen als nicht als ganz leicht, weil ich mich zwei Seiten verpflichtet fühle – denjenigen, die der Bibel sehr viel zutrauen, und denjenigen, die der Biologie und Geologie sehr viel zutrauen – und weil ich daher den jeweiligen Wahrheitsgehalt fair beschreiben möchte, mich aber auch gegen beide Seiten kritisch abgrenzen muss. Jede Wissenschaft muss sich immer auch ihrer Grenzen bewusst sein. Ich taste mich in der Bibelauslegung also auch in systematisch-theologische Grundlagenfragen und in das komplexe Gebiet de Verhältnisbestimmung von Glauben und Naturwissenschaft hinein.2 Wenn man das Verstehen der Bibel, das sich bei jedem einzelnen Menschen herausbildet, entwicklungspsychologisch analysiert, kann man drei Lesarten der Bibel unterscheiden: 1. die kindlich-naive Lesart: Man nimmt die Erzählungen der Bibel als Mitteilung über historische Fakten; es hat sich alles so zugetragen, wie es erzählt wird, auch wenn die Gesetze der Natur dabei vollkommen außer Kraft gesetzt werden. 2. der aufgeklärte, erwachsene Zugang: wesentliche Inhalte können nicht stimmen und werden von den Naturwissenschaften und den historischen Disziplinen nicht bestätigt. Gewaltige Wunder wie Sintflut oder Auszug aus Ägypten haben keine archäologischen Spuren hinterlassen und können so, wie sie in der Welt der biblischen Erzählungen vorgestellt werden, nicht wirklich geschehen sein. Ist dann alles nur Fiktion? 3. die „zweite Naivität“ (Paul Ricoeur)3: auch wenn man die wissenschaftlichen Probleme und kritischen Anfragen kennt, dann muss man sich hüten, im Stile pubertärer junger Erwachsener alles abzuschütteln, was man ererbt hat, sondern muss doch versuchen, den Sinn der Texte als Texte zu erfassen, der auf einer anderen Ebene liegt, als die kindlichnaive Lektüre meinte.4 Andere Zugangsweisen ergeben sich durch Integration z.B. von politischen, psychologischen oder philosophischen Kategorien. Solche Zugangsweisen zu erhellen und ihre jeweiligen Stärken und Schwächen abwägend zu würdigen, ist die Aufgabe der Biblischen Hermeneutik.5 Darwinismus als Tatsache erwiesen hätten und dass nahezu alle naturwissenschaftlichen Intelligenzträger (98%) sich als ungläubig betrachten. Daher werde der Darwinismus letztlich die Religion austreiben. 2 Es ist erschreckend zu sehen, wie von beiden Seiten zum sehr naiv die Grenzen überschritten werden. Selbst ein Nobelpreisträger für Medizin meint, biologistisch das Wesen von Religion aufklären zu können, und bewegt sich dabei im Blick auf Religion auf dem Niveau von Konfirmandenunterricht (Harald zur Hausen, Genom und Glaube. Der unsichtbare Käfig, Heidelberg 2002), wie umgekehrt Theologen aus dem Umfeld des Kreationismus in erschreckender Anmaßung meinen, im Bereich der Naturwissenschaften Aussagen machen zu können. 3 P. Ricoeur, Hermeneutik und Psychoanalyse. Der Konflikt der Interpretationen II, München, 1974, 175-178. 4 Vgl. Johannes Hartl, Metaphorischen Theologie. Grammatik, Pragmatik und Wahrheitsgehalt religiöser Sprache, Münster 2008, 485-488. 5 Vgl. M. Oeming, Biblische Hermeneutik. Eine Einführung. Darmstadt 22007. Es ist mir noch nicht abschließend klar, ob die Thesen des Kreationismus und des „intelligent design“ zur ersten oder zur zweiten Naivität gehören. Ich möchte die Leistungskraft dieser Lesarten für das Verstehen der biblischen Schöpfungsaussagen prüfen. Gesprächspartner für die neuen alten Lesarten gibt es genug, auch auf dieser Tagung. Der christliche Kreationismus wird prominent durch „Wort und Wissen” oder durch das „Institute for Creation Research“ (ICR) in San Diego/Kalifornien vertreten. Aus letzterem Kreis zitiere ich zur Illustration aus dem Buch The Bible is a Textbook of Science von Henry M. Morris, Ph.D. wenige Sätze: „How can he trust the Bible to speak truly when it tells of salvation and heaven and eternity which he is completely unable to verify empirically he finds that data which are subject to test are fallacious? Surely if God is really omnipotent and omniscient, He is as well able to speak with full truth and perspicuity when He speaks of earthly things as when He speaks of heavenly things.“ „Wie kann er (der moderne Mensch) darauf vertrauen, dass die Bibel die Wahrheit sagt, wenn sie über Erlösung und Himmel und Ewigkeit spricht, was man empirisch ja auf keine Weise bestätigen kann, wenn sich herausstellt, dass die überprüfbaren Daten, von denen sie spricht, falsch sind? Gewiss, wenn Gott wirklich allmächtig und allwissend ist, dann kann ER sehr wohl auch mit vollständiger Wahrheit und Klarheit ebenso über irdische Dinge sprechen wie über himmlische.“ Ein Grundimpuls scheint also die Sehnsucht nach sicheren Fundamenten und vertrauenswürdiger Verbindlichkeit zu bilden. Es geht aber auch um die Absicherung von Werten durch die ewige Ordnung der Schöpfung. Solcher christlicher Kreationismus beruht nach meiner Einschätzung nicht zuletzt auf grundlegenden Ängsten gegenüber der Moderne und erst recht Postmoderne: Durch archäologische und historische Forschungen wird die Bedeutung der Bibel relativiert. Die „Heilige Schrift“ verliert ihre grundlegende Würde. Die Evolutionstheorie gefährdet somit den ganzen christlichen Glauben. Auch die Bedeutung Jesu Christi wird relativiert, die gesamte christliche Heilsvorstellung wird zerstört. Der Darwinismus stellt dann vor den status confessionis, an den Ort eines notwendigen Bekenntnisses, wo der gesamte christliche Glaube auf dem Spiel steht und an dem es eine zerstörende Häresie abzuwehren gilt. Diese Ängste teilt die christliche Apologetik mit den anderen monotheistischen Religionen. Wir finden einen ausgebauten jüdischen Kreationismus6 ebenso wie einen islamischen Kreationismus.7 Der Kreationismus erscheint in diesem Rahmen als Teil des Kulturkampfes zwischen einem wertkonservativem „Osten“ und einem wertfreien/wertelosen, dekadenten „Westen“. Dabei ist ein Faktum besonders wichtig: Die Bibel fängt mit einer Schöpfungserzählung an. Erste Worte haben (wie letzte Worte) immer herausragende Bedeutung. Die Schöpfungsgeschichte ist Anfang und Grundlage von allem, was als Offenbarung gilt, und sie muss daher wörtlich wahr sein. Andernfalls ist schnell alles unwahr und wertlos! Bei der Lektüre dieser Texte steht also sehr viel auf dem Spiel. 2. Lesehinweise zu den biblischen Schöpfungstexten 6 Nathan Aviezer, In the Beginning … Biblical Creation and Science, Hoboken/NY: Ktav 1990. = Schöpfungsgeschichte und Wissenschaft, Frankfurt am Main 2000; Aryeh Carmell / Cyril Domb (editors). Challenge: Torah Views on Science New York: Association of Orthodox Jewish Scientists, 1976. Geoffrey Cantor / Marc Swetlitz (editors). Jewish Tradition and the Challenge of Darwinism 2006; Gerald L. Schroeder, The Science of God: The Convergence of Scientific and Biblical Wisdom 1998; ders., Genesis and the Bib Bang, New York 1990 (deutsche Ausgabe: Schöpfung und Urknall, Die Übereinstimmung der modernen Naturwissenschaft mit der Bibel, München 1993); Nathan Slifkin, The Challenge of Creation: Judaisms Encounter with Science, Cosmology, and Evolution. Zoo Torah, reprint edition (2006). 7 Adnan Oktar alias Harun Yahya., 6 kg schwerer "Atlas Of Creation - Volume 1". 2007, ist ein türkischer Geologe. Sein Lexikon kommt ganz naturwissenschaftlich aufgemacht daher. Dass aber die Hauptthesen aus kulturellen Ängsten gespeist werden, wird mit einem solchen Werk sehr deutlich. Ich möchte Sie einladen, mit mir das Thema Schöpfung in der Bibel zu bedenken, und ich möchte Ihnen dazu einige Lesehilfen zu zentralen Texten anbieten. Folgende Auszüge sollen knapp angeleuchtet werden: 1. Genesis 1-2 2. Deuterojesaja 3. Hiob 4. Kohelet 4. Psalmen 5. Tritojesaja, Paulus, Offenbarung des Johannes 2.1 Genesis 1-2 Lassen Sie uns an den Texten knapp entlang gehen und mit Gen 1 beginnen. Erster Tag (Tag und Nacht) 1 Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde; 2 die Erde aber war wüst und wirr, Finsternis lag über der Urflut, und Gottes Geist schwebte über dem Wasser. 3 Gott sprach: Es werde Licht. Und es wurde Licht. 4 Gott sah, dass das Licht gut war. Gott schied das Licht von der Finsternis, 5 und Gott nannte das Licht Tag, und die Finsternis nannte er Nacht. Es wurde Abend, und es wurde Morgen: erster Tag. Zweiter Tag (Gewölbe ) 6 Dann sprach Gott: Ein Gewölbe entstehe mitten im Wasser und scheide Wasser von Wasser. 7 Gott machte also das Gewölbe und schied das Wasser unterhalb des Gewölbes vom Wasser oberhalb des Gewölbes. So geschah es, 8 und Gott nannte das Gewölbe Himmel. Es wurde Abend, und es wurde Morgen: zweiter Tag. Dritter Tag (Land und Pflanzen) 9 Dann sprach Gott: Das Wasser unterhalb des Himmels sammle sich an einem Ort, damit das Trockene sichtbar werde. So geschah es. 10 Das Trockene nannte Gott Land, und das angesammelte Wasser nannte er Meer. Gott sah, daß es gut war. 11 Dann sprach Gott: Das Land lasse junges Grün wachsen, alle Arten von Pflanzen, die Samen tragen, und von Bäumen, die auf der Erde Früchte bringen mit ihrem Samen darin. So geschah es. 12 Das Land brachte junges Grün hervor, alle Arten von Pflanzen, die Samen tragen, alle Arten von Bäumen, die Früchte bringen mit ihrem Samen darin. Gott sah, dass es gut war. 13 Es wurde Abend, und es wurde Morgen: dritter Tag. Vierter Tag (Lichter) 14 Dann sprach Gott: Lichter sollen am Himmelsgewölbe sein, um Tag und Nacht zu scheiden. Sie sollen Zeichen sein und zur Bestimmung von Festzeiten, von Tagen und Jahren dienen; 15 sie sollen Lichter am Himmelsgewölbe sein, die über die Erde hin leuchten. So geschah es. 16 Gott machte die beiden großen Lichter, das größere, das über den Tag herrscht, das kleinere, das über die Nacht herrscht, auch die Sterne. 17 Gott setzte die Lichter an das Himmelsgewölbe, damit sie über die Erde hin leuchten, 18 über Tag und Nacht herrschen und das Licht von der Finsternis scheiden. Gott sah, dass es gut war. 19 Es wurde Abend, und es wurde Morgen: vierter Tag. Fünfter Tag (Wassertiere und Vögel) 20 Dann sprach Gott: Das Wasser wimmle von lebendigen Wesen, und Vögel sollen über dem Land am Himmelsgewölbe dahinfliegen. 21 Gott schuf alle Arten von großen Seetieren und anderen Lebewesen, von denen das Wasser wimmelt, und alle Arten von gefiederten Vögeln. Gott sah, dass es gut war. 22 Gott segnete sie und sprach: Seid fruchtbar, und vermehrt euch, und bevölkert das Wasser im Meer, und die Vögel sollen sich auf dem Land vermehren. 23 Es wurde Abend, und es wurde Morgen: fünfter Tag. Sechster Tag (Landtiere und Menschen) 26 Dann sprach Gott: Laßt uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich. Sie sollen herrschen über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels, über das Vieh, über die ganze Erde und über alle Kriechtiere auf dem Land. 27 Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie. 28 Gott segnete sie, und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar, und vermehrt euch, bevölkert die Erde, unterwerft sie euch, und herrscht über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf dem Land regen. 29 Dann sprach Gott: Hiermit übergebe ich euch alle Pflanzen auf der ganzen Erde, die Samen tragen, und alle Bäume mit samenhaltigen Früchten. Euch sollen sie zur Nahrung dienen. 30 Allen Tieren des Feldes, allen Vögeln des Himmels und allem, was sich auf der Erde regt, was Lebensatem in sich hat, gebe ich alle grünen Pflanzen zur Nahrung. So geschah es. 31 Gott sah alles an, was er gemacht hatte: Es war sehr gut. Es wurde Abend, und es wurde Morgen: der sechste Tag. Siebter Tag (Ruhe Gottes) 2:1 So wurden Himmel und Erde vollendet und ihr ganzes Gefüge. 2 Am siebten Tag vollendete Gott das Werk, das er geschaffen hatte, und er ruhte am siebten Tag, nachdem er sein ganzes Werk vollbracht hatte. 3 Und Gott segnete den siebten Tag und erklärte ihn für heilig; denn an ihm ruhte Gott, nachdem er das ganze Werk der Schöpfung vollendet hatte. 4 (a) Das ist die Entstehungsgeschichte von Himmel und Erde, als sie erschaffen wurden Diese berühmte Darstellung der Schöpfung hatte und hat kulturprägende Kraft; so reich sind die Bezüge, so tief die Verwurzelungen und Vernetzungen mit anderen Bereichen der Bibel und der Kultur, dass sie inhaltlich unauslotbar ist. Ich kann nur wenige Aspekte betonen: „Im Anfang schuf Gott“ – der hebräische Ausdruck Bürë´šît Bärä´ ´élöhîm ist so aber keineswegs eindeutig richtig übersetzt. Das hebräische Wort Bärä´ hat eine andere Gestalt als die späteren Erzähltempora, ein so genanntes Perfekt. Man kann diese sprachliche Besonderheit des Perfekts im Unterschied zu den nachfolgenden Narrativen, die in den deutschen Übersetzungen schlicht vorborgen bleibt, auf doppelte Weise deuten: Entweder ist das Perfekt durativ zu verstehen, d.h. es beschreibt einen andauernden Zustand, der herrschte, bevor das erste erzählbare Ereignis eintrat, oder man deutet es als eine im Hebräischen häufige Form der Überschrift, als ein so genanntes „proleptisches Summarium“, welches das Nachfolgende insgesamt wie eine Überschrift vorwegnimmt und durch eine Unterschrift in Gen 2,4 („Dies ist die Entstehungsgeschichte der Himmel und der Erde, als sie geschaffen wurden“) abgeschlossen und mit dem Nachfolgenden vernetzt wird. In beiden Fällen müsste man übersetzen: „Im Anfang des Schaffens Gottes den Himmel und die Erde – da war die Erde (dauerhaft) wüst und leer ... Aber da sprach Gott: ‚Es werde Licht!‘“ Der Ausdruck „im Anfang“ beschreibt also gar nicht den zeitlichen Uranfang, sondern einen qualitativen Neuanfang. Rein philologisch sollte klar sein, dass Gott „am Anfang“ nicht ein Tohuwabohu geschaffen hat; es geht nicht um die Frage, woher das Chaos kommt, sondern um das Bekenntnis, dass das Chaos überwunden wurde. Der Text will nicht über die geschichtliche Herkunft der „Ursuppe“ Auskunft geben, sondern will die Überwindung des schon länger andauernden Tohuwabohu durch Gottes schöpferisches Wort hervorheben. Es wäre also ein Missverständnis, aus einer streng theologischen Aussage eine naturhistorische Aussage zu machen. Der Satz beschreibt nur, was es bedeutet, wenn Gott sein Schöpfungshandeln beginnt: Vor der Schöpfung war Chaos, dann aber kommt sein „Licht“ in die Finsternis. Gott schuf den Anfang. Damit wird ein Lebensgefühl ausgedrückt. Gottes Schöpfung schenkt ein tiefes Vertrauen in die Sinnhaftigkeit des Daseins; Licht ist eine eindrückliche Metapher für eine klare, verlässliche, Leben ermöglichende Ordnung. Dieser Inhalt „es wurde Licht“ wird durch die Form der nachfolgenden Erzählung anschaulich gemacht. Der Bericht folgt einem festen Schema (das allerdings in Einzelheiten wie der Anzahl und Abfolge der Formelemente variieren kann): - Wortbericht („Und Gott sprach: »Es werde ...« V. 3a.6a.9a.14a'.20.24a; stärker abgewandelt V. 11a.12a; ergänzt um eine Zweckbestimmung V. 6b.9aß.14aßb.15a) und ein Tatbericht („Gott schied/machte/schuf“ V. 4b.7a.16-18a.21ab'.25a) Vollzugsbestätigung („Und es wurde .../geschah so“ V. 3b.7b.9b.11b.15b.24b), Billigungsformel („Und Gott sah [...], dass es gut war“ V. 4a.10b.12b.18b.21bß.25b) Tageszählung (V. 5b.8b.13.19.23). Als weiteres Element tritt bei den ersten drei Schöpfungswerken die Benennung des Geschaffenen durch Gott hinzu („Und Gott nannte ...“ V. 5a.8a.10a). Gott erscheint in Genesis 1 als intelligenter Designer, der glasklar geordnet und streng zielgerichtet seine Schöpfung nach einem festen Plan erfolgreich herstellt. Die Welterklärung diese Textes zeichnet sich durch zwei Elemente aus: sie ist einerseits sehr abstrakt, geradezu unanschaulich. Das hebräische Wort für schaffen (bara’) kommt nur als Verbum mit Gott als Subjekt vor; es ist also ein unvergleichliches, exklusiv göttliches Schaffen ohne Analogie in der Menschlichen Kreativität. Damit wird die Unvergleichbarkeit des göttlichen Wirkens betont und damit seien prinzipielle Unanschaulichkeit eingeschärft. Andererseits wirkt der Text auffällig unaufgeregt, nüchtern, ja fast monoton, geradezu rational kühl. Es wird nicht pathetisch, schwülstig oder breit ausladend, nicht apologetisch oder polemisch von Gottes Handeln geredet, sondern sehr knapp in großer Souveränität. Schon die Weltentstehung erfolgt vor allem in der sachlichen Kategorie der Kausalität. Max Weber sprach zu Recht vom „alttestamentlichen Rationalismus“8 und von „Entzauberung der Welt, welche mit der altjüdischen Prophetie einsetzte“. Der Text scheint mit seinem Schema von den sieben Tagen gerade diesen Rhythmus von Arbeit und Ruhe in der Schöpfung selbst verankern zu wollen und ist daher als Ätiologie des Sabbat verstanden worden; sechs Tage dauert die Schöpfung nur deshalb, weil am siebten Tag Sabbat gefeiert werden soll: „Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Werke tun. Aber am siebenten Tage ist der Sabbat des HERRN, deines Gottes. Da sollst du keine Arbeit tun, auch nicht dein Sohn, deine Tochter, dein Knecht, deine Magd, dein Vieh, auch nicht dein Fremdling, der in deiner Stadt lebt. Denn in sechs Tagen hat der HERR Himmel und Erde gemacht und das Meer und alles, was darinnen ist, und ruhte am siebenten Tage. Darum segnete der HERR den Sabbattag und heiligte ihn.“ (Ex 20,9-11). Aus der Schöpfung ist also ein Kalender abzuleiten9 (der seinerseits wiederum ganz an der Geschichte Israels und dabei wieder zentral an der Geschichte des Tempels interessiert ist). Die Zahlen dürfen nicht als naturwissenschaftliche Zeitangaben missverstanden werden, sondern haben kultische Funktion. In dieser streng geordneten Welt kommt dem Menschen (als Mann und Frau gleichzeitig erschaffen und in gleicher Weise als Mann und Frau beauftragt) eine primäre Rolle zu: Er erscheint als Krone der Schöpfung. Nur gemeinsam „als Mann und Frau“ sind sie Ebenbild Gottes. Die Gottebenbildlichkeit ist im Laufe der Auslegungsgeschichte sehr unterschiedlich gedeutet worden, etwa als Vernunftbegabung, als aufrechter Gang oder als Ausdruck für Beziehungsfähigkeit. Meiner Meinung nach10 stammt der Terminus aus der Königsideologie, wobei der Königsgedanke „demokratisiert“ worden ist: Der Mensch (nicht ein Mensch) ist königlich; jeder Mensch ist vollplastisches Ebenbild Gottes, eine Statue Gottes, die seine Anwesenheit in der Welt symbolisch repräsentiert und auf eine bestimmte Funktion abhebt: dem Menschen ist die Wahrnehmung der Herrschaft Gottes über die Erde übertragen. Der Mensch ist Mandatar Gottes, er hat den Auftrag, an Gottes Stelle über die Erde zu herrschen. Der Mensch ist von Gott dazu eingesetzt, an Gottes Statt am weiteren Gang der Schöpfung mitzuwirken. Bei der creatio prima war der Mensch nicht beteiligt, wohl aber bei der creatio continua und creatio nova. Das Ziel der Schöpfung ist noch offen, eben auch durch die Integration des Menschen. Der Mensch ist „Ko-Kreator“11. 8 M. Weber, Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie, Tübingen 1920; I, 122; III, 415. Danach fand die Erschaffung der Erde fand danach vor 5876 Jahren statt. 10 Im Anschluss an W.H. Schmidt, Die Schöpfungsgeschichte der Priesterschrift. Zur Überlieferungsgeschichte von Genesis 1,1-2,4a und 2,4b-3,24 (WMANT 17),, Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verl., 21967 140-149. 11 M. Welker, Was ist Schöpfung? Zur Subtilität antiken Weltordnungsdenkens, http://www.ekd.de/download/michael_welker.pdf. 9 Im Ursprung liegt das Wesen der Dinge; daher entfalten Schöpfungsaussagen Ätiologien (= Angaben über die Ursache) der gegenwärtigen Welt- und Lebensumstände. Charakteristisch wird die Erschaffung von Himmel und Erde erzählt, nicht aber die Erschaffung der Unterwelt. Nach Gen 1f. ist die Welt sehr klar geordnet. Allein das Wort des einen Gottes ordnete das Chaos und gab ihm eine feste Struktur. Die nüchterne Beschreibung der Funktionen der Geschöpfe im Gesamtplan Gottes ( vgl. z.B. die Einordnung der Gestirne als „Lampen“ für Nacht und Tag statt als Götter Gen 1,14) trägt zur Entdämonisierung und Entmythisierung der Welt bei. Das priesterliche Weltbild wird damit geradezu Motor des wissenschaftlichen Fortschritts.12 Erstaunlicherweise folgt auf den großartigen Schöpfungsbericht mit seinem Höhepunkt im Sabbat Gottes ab Gen 2,4b direkt und unmittelbar ein zweiter Bericht, der sich in vielen Punkten fundamental vom ersten unterscheidet: Zur Zeit, als der Herr, Gott , Erde und Himmel machte, 5 gab es auf der Erde noch keine Feldsträucher und wuchsen noch keine Feldpflanzen; denn Gott, der Herr, hatte es auf die Erde noch nicht regnen lassen, und es gab noch keinen Menschen, der den Ackerboden bestellte; 6 aber Feuchtigkeit stieg aus der Erde auf und tränkte die ganze Fläche des Ackerbodens. 7 Da formte Gott, der Herr, den Menschen aus Erde vom Ackerboden und blies in seine Nase den Lebensatem. So wurde der Mensch zu einem lebendigen Wesen. 8 Dann legte Gott, der Herr, in Eden, im Osten, einen Garten an und setzte dorthin den Menschen, den er geformt hatte. 9 Gott, der Herr, ließ aus dem Ackerboden allerlei Bäume wachsen, verlockend anzusehen und mit köstlichen Früchten, in der Mitte des Gartens aber den Baum des Lebens und den Baum der Erkenntnis von Gut und Böse. … [ V. 10-14 beschreiben die Urflüsse] 15 Gott, der Herr, nahm also den Menschen und setzte ihn in den Garten von Eden, damit er ihn bebaue und hüte. 16 Dann gebot Gott, der Herr, dem Menschen: Von allen Bäumen des Gartens darfst du essen, 17 doch vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse darfst du nicht essen; denn sobald du davon ißt, wirst du sterben. 18 Dann sprach Gott, der Herr: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein bleibt. Ich will ihm eine Hilfe machen, die ihm entspricht. 19 Gott, der Herr, formte aus dem Ackerboden alle Tiere des Feldes und alle Vögel des Himmels und führte sie dem Menschen zu, um zu sehen, wie er sie benennen würde. Und wie der Mensch jedes lebendige Wesen benannte, so sollte es heißen. 20 Der Mensch gab Namen allem Vieh, den Vögeln des Himmels und allen Tieren des Feldes. Aber eine Hilfe, die dem Menschen entsprach, fand er nicht. 21 Da ließ Gott, der Herr, einen tiefen Schlaf auf den Menschen fallen, so daß er einschlief, nahm eine seiner Rippen und verschloss ihre Stelle mit Fleisch. 22 Gott, der Herr, baute aus der Rippe, die er vom Menschen genommen hatte, eine Frau und führte sie dem Menschen zu. 23 Und der Mensch sprach: Das endlich ist Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch. Frau soll sie heißen; denn vom Mann ist sie genommen. 24 Darum verlässt der Mann Vater und Mutter und bindet sich an seine Frau, und sie werden ein Fleisch. 25 Beide, Adam und seine Frau, waren nackt, aber sie schämten sich nicht voreinander. Dieser zweite „Bericht“ hat einen ganz anderen Ton und einen ganz anderen Fokus. Die Erzählung will primär erzählen, wie und wozu der erste Mensch Adam entstand, sodann warum und wie dieser Adam zu seiner Eva kam und was das alles implizierte. Die ganze Schöpfung dreht sich um den Menschen, zunächst um das „Unikat“ Adam; die Tiere werden (entgegen der Reihenfolge in Gen 1) nach Adam aus Lehm erschaffen und sollen den vermissten Partner des Menschen darstellen, aber sie passen nicht (V. 18-21). Die Schöpfung hatte also einen Fehlschlag zu verzeichnen. Nicht alles, was Gott tut, ist wohl getan. Deshalb kommt es im „zweiten Versuch“ zur Erschaffung der Eva aus dem Gebein Adams; erst jetzt wird durch die wesensverwandte „Männin“ der Mann zu einem ganzheitlichen, glücklichen Wesen, das begeistert ausruft: „Endlich Fleisch von meinem Fleisch“. Gott entwickelt also im „trail and error“-Verfahren Strategien, um den Adam endlich in einen guten Zustand zu versetzen (V. 18). Die Existenz der Frau verleiht ihr eine mächtige Stellung; sie ist so attraktivm dass Adam alle familiären Bande aufgibt, Vater und Mutter verlässt und zu ihr 12 M. Oeming, Artikel „Weltbild“, TRE 35 (2003) 569-581. zieht, um an seiner Frau zu „kleben“, wie es ganz wörtlich übersetzt heißt. Adam hatte – chronologisch besehen - ja eigentlich gar keine Eltern, die er hätte verlassen können. Das ist aber kein peinliches Versehn des Verfassers, sondern macht klar, dass der Text eben nicht historische Tatsachen berichten will und nicht auf urzeitliche Ereignisfolgen abzielt, sondern auf gegenwärtige Realitäten. Die Macht des Eros erklärt sich aus der Schöpfung. Die Frau gilt als geradezu als das mächtigste Wesen, wie die Pagenerzählung im 3. Esra 4 erklärt, wo die Frau - nicht der König, nicht der Wein – das mächtigste Wesen auf Erden ist.13 Schöpfungsgeschichte steht hier nicht in Konkurrenz zur Naturwissenschaft; es geht um einige Grundordnungen des menschlichen Seelenlebens. Trotz des enormen emanzipatorischen Potentials des Textes ist ein zarter Anflug von Patriarchalismus nicht zu übersehen: die Frau nach dem Mann und für den Mann geschaffen. Wer also die ersten beiden Kapitel der Bibel aufmerksam liest, wird nicht umhin können, massive Differenzen innerhalb des Textes zu konstatieren: Der erste Schöpfungsbericht begründet Ordnung der Welt, die Gott Schritt für Schritt (nicht mit einem Knall) einführte; eine Art Evolution scheint hier in nuce gedacht zu sein. Jedenfalls wirkt der Text aus heutiger Perspektive noch erstaunlich modern. Der Zielpunkt der Evolution als Krone der Schöpfung ist der Mensch, der sofort und zugleich als Mann und Frau geschaffen das „Ebenbild Gottes“ bildet. Der Text zielt auf die kultisch-rituelle Heiligung des siebenten Tages als arbeitsfreiem Ruhetag. Die Naturwissenschaft seiner Zeit wird in einem recht abstrakten Schöpfungsbegriff allein durch das Wort verarbeitet. Die zeitliche Einordnung dieses Textes ergibt sich aus der Summierung dieser Aspekte und führt in die Zeit des babylonischen Exils und in einen Autorenkreis von Priestern; daher nennt man diese Darstellung mit dem Kunstwort „Priesterschrift“, die im Grundbestand vermutlich im babylonischen Exil ca. 550 v. Chr. Oder etwas später entstanden sein dürfte. Der zweite Schöpfungsbericht will „nur“ das Geheimnis der Geschlechter begründen, indem er einen Weg erzählt: Der nach Art eines Handwerkers arbeitende Schöpfer „macht“ zu erst ein Exemplar Adam allein, das aber „nicht gut“ allein sein kann; sodann gesellt im Jahwe die Tiere bei, was sich aber als Irrweg Gottes erweist, der erst durch die Erschaffung Evas und das Glück des Paares (und seiner Kinder ausgeglichen wird) Diese Schöpfungserzählung enträtselt die große Macht der Frau, evtl. mit einem Schuss Polemik gegen die Hybris des Mannes: Was ist der Mann schon ohne Frau? Hier begegnet ein recht konkreter Schöpfungsbegriff: Gott formt wie Künstler den Menschen als Gärtner und Arbeiter im Paradiesgarten. Dieser Text gehört sicher nicht zur Priesterschrift, sondern ist wohl älter. Er datiert auf Grund unterschiedlicher Argumente in die judäische Königszeit, manche datieren ihn in ihre Blütezeit unter Salomo oder kurz danach, also zwischen 950-850 v. Chr. Weil der Gottesname durch das Tetragram JHWH gebildet wird, bezeichnet man diesen Erzählfaden als „Jahwisten“. Diese beiden Schöpfungserzählungen sind von einem Redaktor zusammengestellt worden, der sich dabei viel gedacht hat. Durch die Zusammenstellung entsteht eine facettenreiche Fülle von Schöpfungsgedanken, aber auch eine spannungsvolle Unschärfe, die verhindert, dass man die Texte als Geschichte (im Sinne von history) missversteht. Die Bibel bietet sogleich zu ihrem Anfang den Lesenden etwas zu lernen. Die „Dublette“ der Schöpfungserzählungen soll gerade durch die Differenzen zeigen, dass man es nicht so genau wissen kann, wie die Welt entstand. Keiner war dabei. Die beiden Schöpfungsberichte relativieren sich gegenseitig. Die literarische Wiederholung ist eine Anleitung zum Nachdenken und eine Zwang zur erkenntnistheoretischen Selbstbegrenzung. 13 Es handelt sich um eine sehr alte Kommentierung des Gen-Textes ca. aus dem 3. Jh. V. Chr.: „14Ihr Männer! Ist nicht der König groß? Sind nicht die Menschen zahlreich? Ist nicht der Wein mächtig? Wer aber ist ihr Beherrscher? Und wer ihr Gebieter? Sind’s nicht die Frauen? … 20 Der Mensch verläßt den eigenen Vater, der ihn aufgezogen, und seine eigene Heimat, und hängt sich an seine Frau. 21 Er stirbt mit der Frau (im Herzen), und denkt nicht mehr an Vater, Mutter und Heimat. 22 Daran müsst ihr erkennen, dass die Frauen euch beherrschen.“ Die beiden Stories vermitteln aber ein bestimmtes Lebensgefühl: ein fürsorglicher Gott ist am Werk und schafft durch sein Handeln eine sinnvolle Basis und heilvolle Strukturen, auf denen der Mensch (jeder Mensch) aufbauen kann. Die Schöpfungstheologie schenkt ein Urvertrauen in die Welt und die verantwortungsvolle und verantwortungsfähige Stellung des Menschen im Kosmos. Die Impulse der Urgeschichte wirken außerhalb der Genesis in weite Bereiche der alttestamentlichen Literatur hinein, die ich hier nur kurz exemplarisch anleuchten möchte. 2.2 Deuterojesaja Etwa gleichzeitig zur Priesterschrift und vermutlich ebenfalls in Babylon predigt ein Prophet, dessen Worte - mit denen seiner Jünger - in Jes 40-55 gesammelt sind und den man mit dem Kunstwort „Deuterojesaja“ bezeichneten kann. Hier findet man die tröstende, bestärkende und Zukunft eröffnende Kraft des Schöpfungsglaubens nachhaltig entfaltet: 43:1 Und nun spricht der HERR, der dich geschaffen hat, Jakob, und dich gemacht hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein! 44:2 So spricht der HERR, der dich gemacht und von Mutterleibe an dich gebildet hat, der dir hilft: Fürchte dich nicht, mein Knecht Jakob, und Jeschurun, den ich erwählt habe! 45:5 Ich bin der HERR, und sonst keiner mehr, kein Gott ist außer mir. Ich habe dich gerüstet, obgleich du mich nicht kanntest, 6 damit man erfahre in Ost und West, daß außer mir nichts ist. Ich bin der HERR, und sonst keiner mehr, 7 der das Licht bildet und die Finsternis schafft, der Frieden wirkt und das Unheil schafft. Ich, der HERR, bin es, der das alles wirkt. 45:9 Weh dem, der mit seinem Schöpfer hadert, eine Scherbe unter irdenen Scherben! Spricht denn der Ton zu seinem Töpfer: Was machst du? und sein Werk: Du hast keine Hände! ... 45:12 Ich habe die Erde gemacht und den Menschen auf ihr geschaffen. Ich bin's, dessen Hände den Himmel ausgebreitet haben und der seinem ganzen Heer geboten hat. 51:12 Ich, ich bin euer Tröster! Wer bist du denn, daß du dich vor Menschen gefürchtet hast, die doch sterben, und vor Menschenkindern, die, wie Gras vergehen, 13 und hast des HERRN vergessen, der dich gemacht hat, der den Himmel ausgebreitet und die Erde gegründet hat, und hast dich ständig gefürchtet den ganzen Tag vor dem Grimm des Bedrängers, als er sich vornahm, dich zu verderben? Wo ist nun der Grimm des Bedrängers? Durch das Exil war Israels und sein Gott eigentlich „erledigt“; ohne Tempel, ohne Königtum, ohne verheißenes Land! Was bleibt da noch? Der um 540 v. Chr. predigende Propheten(kreises) Deuterojesaja verwendet den Schöpfungsgedanken in mehreren Funktionen: a) zum Zweck der Seelsorge an Deprimierten: „Verzweifelt nicht, sondern habt Hoffnung! Ihr gehört zu Jahwe.“ b) zur Betonung der kämpferischen Auseinandersetzung Gottes mit Rahab und dem Urmeer, zugleich aber Verspottung dieser Gottheiten als Nichtse. Selbst der Untergang von Staat und Tempel ist nicht Zeichen des Scheiterns Jahwes, sondern war von Amos bis Jeremia vorausgesagt; sogar das Exil in Babylon ist Beweis dafür, dass Jahwe der wahre und einzige Gott ist. c) Wenn Gott in der Vergangenheit solches vermochte, dann wird er auch in Zukunft solches können; der Schöpfer wird der Erlöser sein. 2.3 Hiob In spätpersisch-frühgriechischer Zeit (ca. 350-250 v. Chr.) stellt sich ein hoch gebildeter Weiser der Erfahrung, dass der Gerechte, ja sogar der aller Gerechteste, Hiob, unverschuldet in schweres Leid gestoßen werden kann. Die Schöpfung kann nicht in Ordnung sein, wenn solch ein skandalöses Schicksal möglich ist. Die Welt ist ungerecht. Gott selbst gerät deswegen auf die Anklagebank: 21 Ich bin unschuldig! Ich möchte nicht mehr leben; ich verachte mein Leben. 22 Es ist eins, darum sage ich: Er bringt den Frommen um wie den Gottlosen. 23 Wenn seine Geißel plötzlich tötet, so spottet er über die Verzweiflung der Unschuldigen. 24 Er hat die Erde unter gottlose Hände gegeben, und das Antlitz ihrer Richter verhüllt er. Wenn nicht er, wer anders sollte es tun? (Hi 9,21-24) Aber die schwer zu begreifende und oft rätselhafte Schöpfung, die aller menschlichen Anschauung entzogen ist, entstand doch durch die Grenzsetzungen Gottes, deren Ziel es ist, eben jene Gottlosen herauszunehmen und ihre Macht zu brechen. 1 Und der HERR antwortete Hiob aus dem Wettersturm und sprach: ... 4 Wo warst du, als ich die Erde gründete? Sage mir's, wenn du so klug bist! 5 Weißt du, wer ihr das Maß gesetzt hat oder wer über sie die Richtschnur gezogen hat? 6 Worauf sind ihre Pfeiler eingesenkt, oder wer hat ihren Eckstein gelegt, 7 als mich die Morgensterne miteinander lobten und jauchzten alle Gottessöhne? 8 Wer hat das Meer mit Toren verschlossen, als es herausbrach wie aus dem Mutterschoß, 9 als ich's mit Wolken kleidete und in Dunkel einwickelte wie in Windeln, 10 als ich ihm seine Grenze bestimmte mit meinem Damm und setzte ihm Riegel und Tore 11 und sprach: »Bis hierher sollst du kommen und nicht weiter; hier sollen sich legen deine stolzen Wellen!«? 12 Hast du zu deiner Zeit dem Morgen geboten und der Morgenröte ihren Ort gezeigt, 13 damit sie die Ecken der Erde faßte und damit die Gottlosen herausgeschüttelt würden? 14 Sie wandelt sich wie Ton unter dem Siegel und färbt sich bunt wie ein Kleid. 15 Und den Gottlosen wird ihr Licht genommen und der erhobene Arm zerbrochen werden. Der Blick auf die schöpfung un das in ihr überquellende Leben soll Menschen im Leid trösten, indem er ihnen aufzeigt, dass die Welt eine große Weite und verborgene Ordnung hat; der Mensch bildet zwar nicht das Zentrum, um das sich alles dreht; die anderen Lebewesen haben auch ihr Lebensrecht, aber diese Einsicht soll heilsam sein: Gott ist – trotz aller zeitweiligen Unerkennbarkeit, ja sogar trotz aller Verwechselbarkeit mit dem chaotischen Unheil, doch verborgen am Werk. Schöpfungstheologie ist wieder Seelsorge an einem deprimierten Menschen, der ein falsches Selbstverständnis hatte. 3.4 Kohelet 11 Alles hat er schön gemacht zu seiner Zeit, auch hat er die Ewigkeit in ihr Herz gelegt, nur daß der Mensch das Werk nicht ergründet, das Gott getan hat, vom Anfang bis zum Ende. 12 Ich erkannte, dass es nichts Besseres bei ihnen gibt, als sich zu freuen und sich in seinem Leben gütlich zu tun. 13 Aber auch, dass jeder Mensch isst und trinkt und Gutes sieht bei all seinem Mühen, das ist eine Gabe Gottes. 14 Ich erkannte, dass alles, was Gott tut, für ewig sein wird. Es ist ihm nichts hinzuzufügen und nichts davon wegzunehmen. Und Gott hat es so gemacht, damit man sich vor ihm fürchtet. Nach dem anonymen „Prediger Salomo“, der ca. 250 v.Chr. schrieb, Kohelet (= „Versamlunsleiter“) gibt es im Ursprung eine schöne Weltordnung. Alles hat seinen Platz und seine rechte Zeit. Tragisch ist es aber, dass diese heilvollen Ordnungen dem Menschen nicht erkennbar sind, sondern allenfalls ahnbar (Koh 3,1-15). Alles – wegen der begrenzten Erkenntnisfähigkeit meist vergebliches – Mühen unter der Sonne beruht darauf, dass diese anfänglichen Schöpfungsordnungen permanent tragisch verfehlt werden. Und dennoch soll der Mensch die Schöpfungsgaben in aller Demut, aber doch fröhlich nutzen, wenn sie ihm denn zuteil werden. 3.5 Die Schöpfungstheologie in den Psalmen 4 Wenn ich sehe die Himmel, deiner Finger Werk, den Mond und die Sterne, die du bereitet hast: 5 was ist der Mensch, daß du seiner gedenkst, und des Menschen Kind, daß du dich seiner annimmst? 6 Du hast ihn wenig niedriger gemacht als Gott, mit Ehre und Herrlichkeit hast du ihn gekrönt. 7 Du hast ihn zum Herrn gemacht über deiner Hände Werk, alles hast du unter seine Füße getan: 8 Schafe und Rinder allzumal, dazu auch die wilden Tiere, 9 die Vögel unter dem Himmel und die Fische im Meer und alles, was die Meere durchzieht. 10 HERR, unser Herrscher, wie herrlich ist dein Name in allen Landen! (Psalm 8,4-10) Eigene neue Akzente findet man im Psalter: Die Betrachtung der Schöpfung drängt in Freude und Staunen über imponierende Naturgewalten hin zum hymnischen Lob Gottes. Die Autoren beschreiben ihre Gegenwart und ihr aktuelles Lebensgefühl. Sie wollen nicht eine ganz gestimmte Naturgeschichte behaupten, sondern sie vergewissern sich ihrer Stellung in der Welt. Der Mensch ist im gigantischen Kosmos so winzig und hat doch so gewaltig groß an Macht. 1 Lobe den HERRN, meine Seele ! HERR, mein Gott, du bist sehr herrlich; du bist schön und prächtig geschmückt. 2 Licht ist dein Kleid, das du anhast; du breitest aus den Himmel wie einen Teppich; 3 Du wölbest es oben mit Wasser; du fährst auf den Wolken wie auf einem Wagen und gehst auf den Fittichen des Windes; 4 der du machst Winde zu deinen Engeln und zu deinen Dienern Feuerflammen; 5 der du das Erdreich gegründet hast auf seinem Boden, daß es bleibt immer und ewiglich. 6 Mit der Tiefe deckst du es wie mit einem Kleide, und Wasser standen über den Bergen. 7 Aber von deinem Schelten flohen sie, von deinem Donner fuhren sie dahin. 8 Die Berge gingen hoch hervor, und die Täler setzten sich herunter zum Ort, den du ihnen gegründet hast. 9 Du hast eine Grenze gesetzt, darüber kommen sie nicht und dürfen nicht wiederum das Erdreich bedecken. (Ps 104,1-9) Die Psalmen kennen Reste der Vorstellung von der Schöpfung als Kampf Gottes gegen widerspenstige Elemente außerhalb Seiner. Gottes Handeln ist stets notwendig, damit das Wirkfeld der Chaosmächte sich nicht wider ausweitet. Die Schöpfung als urzeitliche Begrenzung der Unheilsmächte mündet nicht in Statik, sondern perpetuiert sich in ein notwendiges permanentes Heilshandeln Gottes (creatio continua). Der Beter weiß sich in die Lebensordnung, die Gott selbst stets verteidigt, eingebunden. 31 Die Herrlichkeit des HERRN bleibe ewiglich, der HERR freue sich seiner Werke! 32 Er schaut die Erde an, so bebt sie; er rührt die Berge an, so rauchen sie. 33 Ich will dem HERRN singen mein Leben lang und meinen Gott loben, solange ich bin. 34 Mein Reden möge ihm wohlgefallen. Ich freue mich des HERRN. Das Nachdenken über diese Heilsordnung Gottes führt den Beter in eine Gemeinschaft der Freude mit Gott. So wie sich Gott an seiner Schöpfung erfreut, so erfreut sich der in Gott geborgene Mensch seines Gottes. 2.6 Tritojesaja, Paulus, Offenbarung des Johannes Ein erstaunliches Phänomen zeigt sich in der Zukunftserwartung der Bibel. Das Neue Testament, das die alttestamentliche Schöpfungstheologie weitgehend und zustimmend übernimmt, rechnet damit, dass diese Weltordnung nur auf Zeit besteht und dass schon bald eine neue, ganz andere Ordnung anbricht, in der wir erfahren werden, was Gottes eigentliches Ziel mit der Schöpfung ist. Die Urzeit ist dabei in gewissem sinne das Muster für die Endzeit, Jedoch geht die neue Kreatura in Christus weit über das bislang besprochnen hinaus. Der weit gespannte Vorstellungskomplex der Neuschöpfung soll abschließend mit nur drei Textabschnitten wenigstens angeleuchtet werden: 7 Denn siehe, ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, daß man der vorigen nicht mehr gedenken und sie nicht mehr zu Herzen nehmen wird. 18 Freuet euch und seid fröhlich immerdar über das, was ich schaffe. Denn siehe, ich will Jerusalem zur Wonne machen und sein Volk zur Freude, 19 und ich will fröhlich sein über Jerusalem und mich freuen über mein Volk. Man soll in ihm nicht mehr hören die Stimme des Weinens noch die Stimme des Klagens. 20 Es sollen keine Kinder mehr da sein, die nur einige Tage leben, oder Alte, die ihre Jahre nicht erfüllen, sondern als Knabe gilt, wer hundert Jahre alt stirbt, und wer die hundert Jahre nicht erreicht, gilt als verflucht. (Jesaja 66,7-20) 41 Einen andern Glanz hat die Sonne, einen andern Glanz hat der Mond, einen andern Glanz haben die Sterne; denn ein Stern unterscheidet sich vom andern durch seinen Glanz. 42 So auch die Auferstehung der Toten. Es wird gesät verweslich und wird auferstehen unverweslich. 43 Es wird gesät in Niedrigkeit und wird auferstehen in Herrlichkeit. Es wird gesät in Armseligkeit und wird auferstehen in Kraft. 44 Es wird gesät ein natürlicher Leib und wird auferstehen ein geistlicher Leib. Gibt es einen natürlichen Leib, so gibt es auch einen geistlichen Leib. (1 Kor 15,41-44) 1 Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr. 2 Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann. 3 Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein; 4 und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen. (Offb 21,1-4) Der Glaube an eine zukünftige Neuschöpfung schärft den Blick für die Schwächen und Risse in der jetzigen Schöpfung. So schön und voller Möglichkeiten der Freude diese Welt auch ist, sie harrt doch auf Erlösung von Krieg, Gewalt und Blutvergießen, vor allem aber vom Tod. Das neue sein in Christus ist zwar schon jetzt ansatzweise und zeichenhaft realisiert, aber die Fülle des Seins liegt noch in der Zukunft. 3. Zehn Gedanken als vorläufige Abschlussreflexion14 a) Was unsere Textbeispiele zeigen sollten, war die Vieldimensionalität und Multiperspektivität der Rede von der Schöpfung. „Im Anfang schuf Gott“ – das bedeutet unter andrem eine Vergewisserung der guten Ordnungen und impliziert ein Einstimmen in den Sabbat-Rhythmus der Schöpfung, und in die Freude des Mannes an der Frau, ein Eintauchen in die Freude an der Fülle der Werke Gottes. Der Glauben, dass Gott am Anfang schuf, schenkt Trost in den Stunden des Verlustes von Vaterland und Tempel. Denn der, der als der Schöpfer vorgestellt wird, der wird sich auch jetzt und erst recht in Zukunft als der erweisen, der Wunder tut. Der Glaube, dass Gott im Anfang schuf, verdrängt aber keineswegs den Blick dafür, dass diese Schöpfung noch nicht vollkommen ist. Im Gegenteil. Diese Schöpfung ist etwas Vorübergehendes, das seiner Neuschöpfung harrt. b) Wird die Bibel wertlos, wenn sie kein naturwissenschaftlicher Tatsachenbericht über die Entstehung der Welt ist? Die Antwort kann nur lauten: Nein! Im Kreationismus übersieht man, dass solche Erzählungen auch symbolische Bedeutung haben wollen. Die naive positivistische Festlegung darauf, dass Sprache immer nur Mitteilung von Tatsachen ist, wirkt sich hermeneutisch verhängnisvoll aus. Zudem werden weltbildhafte Vorstellungen, die wörtlich verstanden nun wirklich eindeutig falsch und überholt sind (z.B. das Drei-EtagenWeltbild von Erde als Wohnraum der lebenden Menschen, Hölle unter der Erde als Wohnraum der verstorbenen Sünder, Himmel als Aufenthaltsort Gottes und seiner Heerschar sowie der guten Seelen oder aber die Erschaffung der Erde in sechs Tagen mit der Erschaffung des Menschen als letztem Glied der Schöpfungskette) geradezu trotzig festgehalten. Damit wird die menschliche und damit die geschichtliche Gestalt der Bibel negiert und in peinlicher Weise werden Nebensachen zu Hauptsachen hochstilisiert. c) Der Kreationismus nimmt die Bibel nur sehr selektiv wahr und entwertet damit die Schrift. Er ist genötigt, die Differenzen innerhalb der biblischen Traditionen zu überspielen oder zu relativieren. Die Bibel ernst nehmen heißt die ganze Bibel ernst nehmen. Die Bibel als ganze zeigt eindeutig ein sich wandelndes Weltbild. In den älteren Texten gibt es z.B. keine Wiederkehr aus der Scheol. Die Toten sind auf Dauer von Gott getrennt in der Unterwelt. Die Vorstellung der Auferstehung der Toten oder der Gedanke, dass die Seele nach dem Tod in den Himmel kommt und dort bei Gott ist, ist eine der Revolutionen im biblischen Weltbild im 2. Jh. v. Chr. „Im Anfang schuf Gott“ - dieser Glaube schafft nicht 14 Hilfreich sind hier Publikationen der EKD: Weltentstehung, Evolutionstheorie und Schöpfungsglaube in der Schule (EKD texte 94), Hannover 2008; Michael Beintker, Gott als Designer? Christlicher Schöpfungsglaube und naturwissenschaftliches Weltverständnis, http://www.krauseschoenberg.de/gn_kreat_debatte_michael_beintker.pdf. und zementiert nicht ein bestimmtes Drei-Etagen-Weltbild. Das ist vielmehr erledigt, und zwar durch die Bibel selbst. Die Bibel - selbst als kanonische Ganzheit betrachtet - weiß selbst um die Wandelbarkeit ihres Denkens, z.B.: Ich bin Abraham, Isaak und Jakob erschienen als Gott Schaddaj; aber mit meinem Namen Jahwe habe ich mich ihnen nicht zu erkennen gegeben. (Ex 6,3) d) Kritik heißt im Kern: genau unterscheiden, differenziert Möglichkeiten und Grenzen beschreiben. Bibelkritik ist nötig, um der reichen, differenzierten und wandelbaren Vorstellungen überhaupt angesichtig zu werden. Ohne historische Einordnung (und damit auch Relativierung), ohne eine gute Portion Wissen um die Menschlichkeit der von Menschen produzierten Texte wird die Bibel ein sehr problematisches Buch. Die Bibel ist aber ihrem Wesen nach ein gefrorener Dialog unterschiedlicher Erfahrungen von Menschen mit Gott. Bei diesen Erfahrungen war Gott zweifellos entscheidend mit am Werk, aber Menschenwort und Gotteswort sind nicht ein zu eins identifizierbar. Es tut mir, leid, wenn sich Menschen. die sich ernsthaft um die Bibel bemühen, an bestimmten Punkten verrennen. Aber krampfhaft Weltbildelemente einer vergangenen Zeit zu repristinieren, verfehlt die biblische Botschaft. Missionarischer Umgang mit der Bibel, wie ich ihn mir vorstelle, sieht anders aus; ein sacrificium intellectus darf nicht gefordert werden. e) Schöpfungs“berichte“ bieten weniger Informationen über den fernen Anfang, sondern über das Lebens-Gefühl in der nahen Gegenwart und die Hoffnung auf die ferne Zukunft. Schöpfungs“berichte“ sind auch Bilder davon, welche Ordnung in Zukunft sein sollte. Es geht auch und eher um kommende „Tatsachen“. f) Das Alte und Neue Testament rechnet damit, dass die Ordnungen dieser Welt zeitlich begrenzt sind. In der Spätzeit erwarten - in Fortsetzung und Steigerung prophetischer Visionen - apokalyptische Kreise, zu denen auch Jesus und Paulus gehören, ein nahes radikales Ende der Evolution und „einen neuen Himmel und eine neue Erde“ (Jes 65,17; 66,22), in denen Gerechtigkeit wohnen werden (Apokalyptik), die Bibel schließt mit einer sprunghaften , nicht linearen Neuschöpfung der Welt (Apk 21f.). Genauso wie die Neuschöpfung chronologisch nicht am Ende der Zeit steht – in Christus steht die Neuschöpfung in der Mitte der Zeit schon jetzt da – genau so zielen Schöpfungserzählungen nicht auf den historischen Ursprungspunkt zurück, sondern viel stärker auf die Gegenwart der Leser. f) Vielleicht kann die Unterscheidung von Ontologie und Epistemologie ein Stück weiter zur Klarheit helfen: Ontologisch bin ich mit den Kreationisten und Vertretern des „intelligent design“ weitgehend einig: es gibt einen Gott, der Himmel und Erde erschaffen hat und noch erhält; der dieser Schöpfung mit Liebe begegnet und sie zum Heil führen will. Epistemologisch sehe ich aber viel klarer die Grenzen. Dieser Glaube an den umsichtigen Schöpfer artikuliert sich in unterschiedlichen geschichtlichen Situationen unterschiedlich. Glaube ist menschlich, geschichtlich, perspektivisch und gerade nicht zeitlos, ewig, absolut. g) Meines Erachtens gilt es, die ganze Weite und Breite des Zeugnisses wahrnehmen und würdigen; es geht darum, die Bibel zu gebrauchen und nicht missbrauchen. Sich um den Reichtum und die Tiefe der Schöpfungstexte bemühen, sie nicht zu einem politisch konservativen Machtinstrument degenerieren. h) Im Streit von Kreationisten und Darwinisten prallen zwei sehr unterschiedliche Rationalitäten aufeinander. Beide Seiten versuchen ihre Rationalität als die einzig mögliche Diskursform zu behaupten oder durchzusetzen. Und hier liegt m.E. der Fehler, den der Systematische Theologe Klaus Tanner im Dialog mit Evolutionstheoretikern folgendermaßen beschreibt „In der wissenschaftstheoretischen Diskussion seit der Aufklärung ist eines auch zunehmend deutlich geworden: Wir brauchen, um unser Leben als Menschen führen zu können, unterschiedliche Rationalitätsformen. Es gibt nicht die eine Vernunft, die eine Form von Rationalität, mit der alles erklärt und alles dargestellt werden kann. Wir organisieren und artikulieren unser Wissen mit Hilfe verschiedener “symbolischer Formen” (Ernst Cassirer), die sich nicht einfach entlang der Klassifizierung ‚rational – irrational‘ unterscheiden lassen. … Aufladung von Wissenschaft zur Weltanschauung provoziert Gegenreaktionen. Wer selbst das Genre wechselt und die Evolutionslehren zu Exklusivität beanspruchenden Bekenntnissen stilisiert, muss sich nicht wundern, wenn andere mit Bekenntnissen antworten. In solch einer Diskussionslage wird schnell der Sinn wissenschaftlicher Theorien wie der von religiösen Darstellungsformen verzerrt.“15 i) Schöpfungserzählungen drängen nicht auf eine exakte chronologische Festlegung von naturhistorischen Events; wir tun den biblischen Texten keinen Gefallen, wenn wir sie auf diese zeitliche Abfolgen pressen und reduzieren wollten. In den texten implizierte fundamentale Fragen der Umweltethik, der Menschenwürde oder der Probleme der Sinnfindung in einer grausam erscheinenden Welt sind viel angemessener und unendlich viel wichtiger. j) Wenn wir unserem Schöpfer gegenübertreten, wird er uns dann fragen: Weißt Du, wann ich die Schöpfung gemacht habe? Weißt du, wie ich das angestellt habe? Nein: er wird uns vielmehr fragen: Weißt, du, wozu ich die Welt geschaffen habe? Was hast du daraus gemacht? Hast Du dich an ihr gefreut und hast du mit den anvertrauten Talenten gewuchert? Und dann wird er uns über die Maßen staunend in seine neue, ganz andere Schöpfung hineinführen. Literaturhinweise zur Weiterarbeit: Der Schöpfungsglaube der Bibel ist außerordentlich intensiv verhandelt worden: Hier kann nur eine kleine Auswahl der einschlägigen Werke geboten werden. Nachhaltig zu empfehlen sind die klassischen Genesis-Kommentare von Hermann Gunkel, Gerhard von Rad und Claus Westermann. Übersichten über die Fülle des alttestamentlichen Materials bieten folgende Sammelbände: Creation: dans l'Orient ancien. Hg. von Derousseaux, Louis (Lectio divina 127), Paris: Ed. du Cerf 1987. Creation in the Old Testament. Hg. von Anderson, Bernhard (Issues in Religion and Theology 6). Philadelphia; London: Fortress Press; SPCK 1984. Creation in the biblical traditions. Hg. von Clifford, Richard J.. (Catholic biblical quarterly. Monograph series 24). Washington, DC: Cath. Biblical Assoc. of America 1992. Einzelne Studien vertiefen textliche Teilbereiche und Aspekte: Albertz, Rainer: Schöpfungsmythos und Umweltethik. In: Albertz, Rainer (Hg.), Zorn über das Unrecht. Vom Glauben, der verändern will. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verl. 1996, 65-84. Altner, Günter: Schöpfung als Prozeß-Gott im Geschehen der Welt. In: Der Allmächtige. Annäherungen an ein umstrittenes Gottesprädikat. (Biblisch-theologische Schwerpunkte 13). Göttingen: Vandenhoeck&Ruprecht 1997, 68-96. 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