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16. Bundestreffen der Bundesgemeinschaft der Studierenden der Gehörlosen- und Schwerhörigenpädagogik
VON PATRICIA HEINSTEIN
Vom 20. bis 22. Juni 2003 fand in
München das 16. Bundestreffen
der Bundesgemeinschaft der Studierenden der Gehörlosen- und
Schwerhörigenpädagogik (BSGS)
statt. Das Thema war diesmal „Besondere Bedingungen Hörgeschädigter in der Arbeitswelt und dafür erforderliche Kompetenzen“.
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ie Bundesgemeinschaft der
Studierenden der Gehörlosen- und Schwerhörigenpädagogik (BSGS) wurde im Juni 1996
gegründet. Sie setzt sich zusammen
aus Studierenden aus den fünf Städten Hamburg, Berlin, Köln, Heidelberg und München – an den dortigen Universitäten wird der Studiengang Hörgeschädigtenpädagogik
angeboten. Ziel der BSGS ist es, die
Studienangebote in den einzelnen
Hochschulen zu verbessern und
sich über die Gemeinsamkeiten
und Unterschiede des Studiengangs
in den verschiedenen Bundesländern auszutauschen. Dabei ist
die Verbesserung des Angebots an
DGS-Kursen in den einzelnen
Hochschulen eines der Hauptanliegen der BSGS. Seit November 1996
ist die BSGS Mitglied der Deutschen
Gesellschaft zur Förderung der Gehörlosen und Schwerhörigen e.V.
(DG).
Jedes Semester findet an einer
der fünf Hochschulen ein bundesweites Treffen mit gehörlosen,
schwerhörigen und hörenden Studierenden der Hörgeschädigtenpädagogik und verwandter Fächer in
Form einer Tagung statt. Die Themen sollen den Studierenden Infor-
mationen in Bereichen zugänglich
machen, die im Studium keine oder
eine zu geringe Rolle spielen. Insbesondere kommen dabei Themen
zur Sprache, die über das Arbeitsfeld
Schule hinausgehen.
B
ei der Organisation des 16.
Bundestreffens in München
gab es bereits im Vorfeld große Schwierigkeiten. Seit Jahren werden die Treffen vom Bundesministerium für Familie, Senioren und Jugend aus den Mitteln des Kinderund Jugendplans gefördert. Zum
ersten Mal in der Geschichte der
BSGS gab es beim Münchner Treffen für diese Finanzierung keine Zusage. In kürzester Zeit mussten die
Teilnehmer verständigt werden,
dass sie die für Studenten nicht un-
erheblichen Fahrtkosten selbst zu
tragen hätten. Außerdem musste
das Angebot an Vorträgen und
Workshops eingeschränkt werden,
um Dolmetscherkosten zu sparen.
Die Teilnehmerzahl blieb dann aufgrund der Fahrtkosten auch weit
hinter den letzten Treffen zurück.
Während die Teilnehmerzahl bisher immer um die 100 lag, wobei
etwa 50 bis 70 Studierende aus den
jeweils anderen Städten anreisten,
lag die Gesamtzahl diesmal nur bei
40 bis 50 Teilnehmern, von denen
etwas über 20 aus den anderen Städten nach München gereist waren.
Glücklicherweise wurde dann
die Finanzierung in letzter Minute
doch noch zugesagt, so dass die
BSGS nicht auf den dennoch entstandenen Kosten sitzen blieb.
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rotz dieser Schwierigkeiten
kam am Freitag, den 20. Juni,
eine zwar kleine, aber engagierte Gruppe von Studierenden zu-
sammen, um sich mit den Arbeitsbedingungen Hörgeschädigter und
den damit verbundenen gesetzlichen Bestimmungen, Unterstützungsmöglichkeiten und Hilfsmit-
Da der Zuschuss
aus Bonn erst in
letzter Minute
kam, fiel die
Teilnehmerzahl
sehr viel geringer
aus als üblich
Beitrag aus: DAS ZEICHEN 65/2003 • Zeitschrift für Sprache und Kultur Gehörloser (www.sign-lang.uni-hamburg.de/signum/zeichen/)
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Geldbetrag zur Verfügung gestellt,
mit dem er seine Arbeitsassistenz
bezahlt. Der Hörgeschädigte wird
dann zum Arbeitgeber für die Arbeitsassistenz. Auch die Möglichkeit, Dienste wie Telesign oder Telelink als Arbeitsassistenz zu nutzen,
wurden angesprochen. Schließlich
wurden noch die Probleme bei der
Umsetzung dieser Regelungen diskutiert. Ein Problem ist beispielsweise, dass Dolmetscherkosten im
Allgemeinen den für die Arbeitsassistenz genehmigten Betrag übersteigen, ein anderes, dass es nicht
genügend Dolmetscher gibt oder
dass es Arbeitgeber gibt, die den Einsatz einer Arbeitsassistenz ablehnen. Für die hörgeschädigten Studenten ist allerdings das größte Problem, dass das SGB IX für sie nicht
gilt und sie sich weiterhin auf anderen Wegen ihre Dolmetschereinsätze erkämpfen müssen.
In der angeregten Diskussion
wurde den Lehramtskandidaten unter den Zuhörern klar, dass sie später als Lehrer ihren Schülern einen
Gefallen tun können, wenn sie sie
auf den für die Wahrnehmung der
Möglichkeiten des SGB IX anfallen-
den Papierkrieg und die organisatorischen Probleme vorbereiten, die
sich aus ihrer Rolle als Arbeitgeber
für die Arbeitsassistenz ergeben.
Der Freitag endete für die Teilnehmer auf dem Tollwoodfestival
in München, wo sie den Tag mit einem Bummel durch die Stände mit
internationalem Kunsthandwerk
und im Festzelt bei Speis und Trank
ausklingen ließen.
A
m Samstag gab es für alle, die
bis dahin ausgeschlafen hatten, um 10.00 Uhr erst einmal Frühstück. Um 11.00 Uhr ging
es dann weiter mit dem nächsten
Vortrag. Burkard Hochmuth, einer
der Gründer der BSGS und jetzt
Chef des Gehörloseninstituts Bayern (GIB) stellte die Arbeit des Instituts vor, mit dessen Hilfe die Bestimmungen des SGB IX in Bayern
umgesetzt werden sollen. Er stellte
die beiden Ausbildungsgänge des
GIB zum Gebärdensprachdolmetscher und zum Gebärdensprachdozenten vor. Er berichtete von den
bisherigen Erfolgen und den Problemen bei beiden Ausbildungsgängen.
Beitrag aus: DAS ZEICHEN 65/2003 • Zeitschrift für Sprache und Kultur Gehörloser (www.sign-lang.uni-hamburg.de/signum/zeichen/)
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Diskutiert wurde nicht nur in
den Veranstaltungen
teln auseinander zu setzen. Unter
den Teilnehmern war umstritten,
ob das Thema für zukünftige Gehörlosen- und Schwerhörigenlehrer relevant sei, doch konnten die
meisten Teilnehmer überzeugt werden, dass ein Lehrer nach Möglichkeit wissen sollte, was für Bedingungen seine Schüler in ihrem späteren Berufsleben vorfinden werden, da er seine Schüler auf diese
Bedingungen vorbereiten sollte.
Zunächst wurden die Teilnehmer von der Vorsitzenden Jule Hildmann und der Infobeauftragten aus
München, Patricia Heinstein, begrüßt. Anschließend wurden, wie
bei den Treffen üblich, die Neuigkeiten aus den fünf Städten ausgetauscht.
Den Einführungsvortrag hielt
Cornelia von Pappenheim, die Beauftragte für Öffentlichkeitsarbeit
beim Gehörlosenverein München
und Umland. Sie stellte den Teilnehmern die Bestimmungen des
Sozialgesetzbuchs IX und das Bundesgleichstellungsgesetz vor. Sie begann ihren Vortrag mit den Inhalten des Sozialgesetzbuchs IX und
der Geschichte, wie es zustande gekommen ist. Mit viel Geduld erklärte sie die Rolle der verschiedenen
Reha-Träger, der Integrationsämter
und der Servicestellen. Für die meisten Zuhörer war das völliges Neuland und es fiel schwer, die verschiedenen Stellen und Ämter auseinander zu halten.
Danach stellte Frau von Pappenheim die unterschiedlichen
Möglichkeiten zum Einsatz einer
Arbeitsassistenz vor. Sie erklärte,
dass eine Arbeitsassistenz sowohl
ein Dolmetscher als auch eine
Schreib- oder Telefonkraft sein
kann. Der Hörgeschädigte bekommt dabei einen bestimmten
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Anschließend entführte Sebastian Braumandl, Geschäftsführer
der E.D.Pfau Know How GmbH, die
Teilnehmer in die Welt der Technik. Er stellte unterschiedliche technische Geräte vor, die den Hörgeschädigten und ihren hörenden
Mitarbeitern und Vorgesetzten das
Leben erleichtern, wie zum Beispiel verschiedene Signalanlagen,
Schreibtelefone und Vibrationsmelder.
Nach einer einstündigen Mittagspause hatten die Teilnehmer
die Möglichkeit, zwei Workshops
zu besuchen. Im ersten Workshop
konnten die Studierenden sich die
im Vortrag angesprochenen technischen Geräte von Sebastian Braumandl vorführen lassen und sie
selbst ausprobieren. Gerade für die
Hörenden war es ein Erlebnis der
besonderen Art, mal über Schreiboder Bildtelefon zu telefonieren,
oder per Vibrationsmelder ‚zum
Chef‘ gerufen zu werden.
Im anderen Workshop bot sich
die Möglichkeit, sich mit gehörlosen Arbeitnehmern über deren Erfahrungen im Berufsleben auszutauschen. Nach einer Stunde wechselten die beiden Gruppen, so dass
jeder Teilnehmer beide Workshops
mitmachen konnte.
Wer danach noch nicht völlig
erschöpft war, setzte sich noch mit
den Infobeauftragten aus den Städten und den Vorsitzenden (die trotz
völliger Erschöpfung noch eine
Weile durchhalten mussten) zusammen, um über die Zukunft der
BSGS zu diskutieren. Besonders die
unsichere Finanzierung zukünftiger Treffen war das Thema
dieser Besprechung.
Am Abend gab es die schon
traditionelle BSGS-Party.
Dank des schönen Wetters
konnte die Party im Freien
in Form eines Grillfests auf
dem Gelände der Studentenstadt Freimann in München stattfinden. Hier bot
sich wieder die Möglichkeit
zu einem intensiven Austausch mit den Studierenden der anderen Hochschulen. Wer sich einmal ein
Bild über alle denkbaren
Wege der menschlichen
Kommunikation verschaffen möchte, ist bei den
BSGS-Partys gut aufgehoben. Während Gehörlose
und hörende Gehörlosenpädagogikstudenten aus höheren
Semestern sich mehr oder weniger
mühelos in Gebärden austauschen,
versuchen die mutigeren Anfänger,
sich pantomimisch mit den Gehörlosen zu verständigen, während die
weniger mutigen dann doch mit
hörenden Gesprächspartnern vorlieb nehmen. Auch bieten diese Par-
tys die Möglichkeit, dass sich Studierende aller Semester austauschen können, da von Examenskandidaten bis zu Studienanfängern alles vertreten ist.
Am Sonntag fand das Abschlussplenum statt. Im Rahmen
dieses Plenums wurden auch die
neuen Vorsitzenden gewählt. Die
erste Vorsitzende Jule Hildmann
aus Heidelberg wurde wiedergewählt. Das Amt der zweiten Vorsitzenden erhielt Claudia Armbruster
aus Berlin.
Am Sonntagmittag ging die Tagung zu Ende. Es blieb noch etwas
Zeit für die Teilnehmer, um im Englischen Garten die Sonne zu genießen, bis schließlich eine Gruppe
nach der anderen den Heimweg antrat.
Das nächste Treffen findet vom
28. bis 30. November 2003 in Heidelberg statt. Das Thema wird „Beratung mit Hörgeschädigten“ sein.
Dabei soll es sowohl um den Beratungsbedarf und die verschiedenen
Beratungsmöglichkeiten als auch
um spezielle Gesprächstechniken
gehen.
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Foto li.:
Jule Hildmann
(re.) wurde als
1. Vorsitzende
des BSGS wiedergewählt
Verfasserin
Patricia Heinstein,
[email protected]
Beitrag aus: DAS ZEICHEN 65/2003 • Zeitschrift für Sprache und Kultur Gehörloser (www.sign-lang.uni-hamburg.de/signum/zeichen/)