Ich will ein Kung Fu-Meister werden
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Ich will ein Kung Fu-Meister werden
»Ich will ein Kung Fu-Meister werden« Kampfsportschule »Weiße Krabbe« im Industriegebiet - Meister Schindler lernte einst von Chinesen K a r b e n . »Natürlich möchte ich ein Kung Fu-Meister werden.« Raphael Netzbandt hat ein klares Ziel vor Augen, obwohl er erst im Jahre 2000 mit dem Kampfsport anfing. Barfuß, gelbes T-Shirt mit einer Krabbe und chinesischen Schriftzeichen, schwarze Stoffhose und ein roter Gürtel um die Hüften. »Der Sport hat mich ruhiger werden lassen.« Und man mag es ihm glauben. Während im Fitnessraum hinter ihm Menschen an schwerem Auch wenn Kung Fu offiziell eine Kampfsportart ist - gekämpft werde eigentlich nicht. »Sobald der Gegner im Gesicht getroffen wird, ist man disqualifiziert«, erklärt Peter Schindler. Doch in den Räumen des Fitnessstudios »Fit and Fun« wird er nur »Meister« genannt. Bis es zu dieser Bezeichnung kam, war es ein langer Weg, beginnt Schindler im schwarzen T-Shirt mit chinesischen Schriftzeichen zu erzählen. »1962 war das. Mit elf Jahren bin ich zum Kung Fu gekommen.« Auch er habe einst, wie Raphael Netzbandt heute, das Ziel gehabt, Meister zu werden. »Doch diese Ausbildung dauert bis zu zehn Jahre.« Eine Begegnung habe sein Leben verändert: Er traf amerikanische Chinesen, die bereit waren, ihm, einem Weißen, Kung Fu beizubringen. »Normalerweise unterrichten Chinesen nur andere Chinesen«, erinnert sich Schindler etwas stolz. Während der Anwärterzeit hätte er sich gut verhalten müssen. »Das läuft ähnlich ab wie im Lions-Club oder bei den Freimaurern.« Doch irgendwann sei der Tag gekommen, an dem ihm die höchste Würde des Kung Fu verliehen wurde: Er wurde zu einem Meister. Auf diesen Tag wartet auch Netzbandt. Wie je- Gerät schwitzen und auf große Bildschirme starren, während sie kräftig in die Pedale treten, redet Netzbandt in aller Ruhe über den Sport, der sein Leben verändert habe. Jedes Wort scheint von ihm vorher genau überdacht worden zu sein, während hinter ihm die Menschen vor Anstrengung stöhnen. Seit kurzem hat die Kung Fu-Schule »Weiße Krabbe« wieder im Industriegebiet eine Heimat gefunden. stetig«, freut sich der Meister. 600 Mitglieder eine Zahl, über die ein Chinese wohl nur lachen kann. In seinem Land sind 100 Millionen - soviele Einwohner hat noch nicht einmal ganz Deutschland - in Kung Fu-Vereinen organisiert. »Kung Fu und Tai Chi, beides verwandte Kampfsportarten, sind dort Volkssport. Noch viel mehr als bei uns der Fußball.« Gerne stelle sich auch der Chinese auf eine Wiese in der Millionenhauptstadt Peking und übe »Tigerkralle« und »Tiger überwacht sein Areal«. Und das bis ins hohe Alter. »Die Chinesen haben eben eine andere Mentalität wie wir«, seufzt Schindler. Vor allem eine ganz andere als die Deutschen. »Die Klatschen doch, wenn einer so richtig was auf die Birne bekommt«, sagt Schindler. Viele kämen dann beim ersten Kung Fu-Training nicht klar, weil sie mit einem ähnlichen Sport wie Boxen gerechnet hätten. »So gibt es eine ganz natürliche Auslese. Viele kommen nach dem ersten Training nicht mehr wieder.« Denn wer ein guter und starker Kämpfer im Kung Fu sein will, kann vor allem eines: sich kontrollieren und den Schlag kurz vor dem Gesicht abstoppen. Kung Fu ist Zentimeterarbeit. Zurzeit wird im Kino wieder gerne gekämpft und geprügelt. Vielleicht daher der Trend zum Kung Fu und anderen Kampfsportarten? »Die Zeiten sind vorbei. In den 70er-Jahren war das noch so. Da sahen die Menschen abends Bruce Lee auf der Leinwand und sind am nächsten Morgen in die Kung Fu-Schulen gelaufen, um sich anzumelden.« Inzwischen habe sich die Lage etwas normalisiert. Nur wenige aus jener Zeit seien heute Meister. »Inzwischen sind sich die Menschen etwas klarer darüber, was Kung Fu eigentlich bedeutet.« Über diese Bedeutung ist sich Netzbandt seit sieben Jahren ebenfalls im Klaren. »Ich kann mit Menschen nun aktiv umgehen. Habe ein ganz neues Selbstbewusstsein entwickelt und ich habe die Gesundheit als das höchste Gut entdeckt.« Außerdem liebe er inzwischen die Pünktlichkeit. »Ich leite Kung FuTrainings. In diesen zwei Jahren bin ich kein einziges Mal nicht erschienen.« Vor den Praktizierenden des Kung Fu, dessen Geschichte 3000 Jahre zurückreicht, hatte einst schon Mao, der Herrscher Chinas, Angst. Was tat er da? Er machte Turnen zum Volkssport und unterdrückte die über 2000 Stile des Kung Fu. Viele Meister gingen ins Ausland, nach Hongkong, Taiwan oder in die USA. Solch ein ausgewanderter Meister brachte einst in den 60er-Jahren Schindler, einem weißen Nicht-Chinesen, das meisterliche Kämpfen bei. Netzbandt verabschiedet sich bis zum nächsten Dienstagabend, an dem er natürlich wieder mit seinem Meister trainieren will. Egal, was passiert. Denn schließlich heißt Kung Fu überDen Faustschlag nur wenige Zentimeter vor dem Kopf abstoppen - das ist die Kunst des Kung Fu. setzt nichts anderes als »harte Arbeit«. Mona Jaeger Meister Peter Schindler (links) mit seinem Schüler Raphael Netzbandt. (Foto: Jaeger) de Woche trainiert er an diesem regnerischen Dienstagabend. Im Schneidersitz auf dem Boden sitzend sprechen er und sein Gegner einige formelhafte Sätze. »Das ist die Abgrüßung. Kung Fu ist doch ein höflicher Sport.« Doch die Abgrüßung am Ende eines jeden Kampfes hat auch noch einen anderen Zweck: Sie drückt den Respekt vor dem Gegner aus. An diesem Abend ist nur ein Gegner im Spiegelsaal des Fitnessstudios. Die Ferienzeit schlägt selbst beim Kung Fu zu. Insgesamt habe die Kung Fu-Gemeinde in Karben aber 600 Mitglieder. Und 80 Prozent davon seien Kinder, so Schindler. »Sie haben einfach Spaß an den Bewegungen.« In diesem Moment setzt Netzbandt zur »Tigerkralle« an. Wie die Tatze eines Tigers spreizt er seine Finger. Bereit zum Kampf. Alle Figuren im Kung Fu hätten solche Tiernamen. »Und das gefällt Kindern natürlich sehr gut.« Und die weiße Krabbe im Namen der Schule? »Die Krabbe weicht im Kampf immer aus. Genau wie der Kung Fü-Kämpf er. Zudem schützt sie sich durch ihren Panzer. Und die Farbe weiß ist in China die Farbe des Westens.« Und des Friedens natürlich. 600 Mitglieder - »und die Gemeinde wächst