Süddeutsche Zeitung vom 10.02.2005

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Süddeutsche Zeitung vom 10.02.2005
Selbstverteidigung, Körperbeherrschung und Ausdauertraining
Mit Fußtritten zu Lebensenergie
TSV Ebersberg präsentiert die vietnamesisch-chinesische Kampfsportart Qwan Ki Do
Ebersberg - Auiiiijaaa – die Frau im schwarzen Kampfanzug kräht
wie ein Hahn, dem man jede Feder einzeln ausrupft. Sie ist umzingelt
von zwei Männern, die größer und muskelbepackter sind als sie. Was
soll sie als Unterlegene anrichten, in diesem ungleichen Kampf? Mit
wippenden Schritten tänzelt die Frau auf und ab. Ihr Pferdeschwanz
hüpft. Dann geht ein Ruck durch ihren Körper, sie fliegt durch die
Luft, tritt zu, immer wieder. Ihre Schläge knallen wie Peitschenhiebe.
Was folgt, sieht federleicht aus. Sie packt beide Männer – und legt sie
aufs Kreuz.
Die Zuschauer auf den Rängen applaudieren. Gerade haben sie eine
Szene gesehen, die an Action-Filme mit Bruce Lee erinnert.
Kampfkunst in höchster Vollendung; an diesem Sonntagvormittag
sind die martia lischen Vorstöße und Hiebe nur ein Pausenfüller beim
Jugendfußballturnier des TSV Ebersberg. Zehn Sportler aus
Nordrhein-Westfalen waren in die Dr.-Wintrich-Halle gekommen,
um die exotische Sportart Qwan Ki Do vorzustellen.
Foto: Christian Endt
Die vietnamesisch-chinesische Kampfkunst hat ihren Ursprung im Kung-Fu. Der Gründer, Großmeister Pham Xuan Tong, brachte
die Kampfkunst aus Vietnam nach Frankreich. Von dort verbreitete der diplomierte Sportlehrer seine Methode in nun mehr als 30
Länder. Qwan Ki Do dient der Selbstverteidigung. Mit den Übungen lernen die Kampfsportler ihren Körper zu beherrschen; sie
trainieren Kraft und Ausdauer. Neben Hand-, Fuß- und Sprungtechniken gehören auch Waffen wie Schwerter, Stöcke, Messer und
Lanzen zum Trainingsprogramm. Qwan Ki Do wird als Weg der inneren Lebensenergie beschrieben. Ziel ist es, die körperliche
Kraft in Einklang mit der geistigen Energie zu bringen.
In Süddeutschland ist diese Stilrichtung des Kung Fu unbekannt. Noch.
Salvatore Cappella möchte das ändern. Der 30-jährige Mailänder, ehemaliger
Kämpfer im italienischen Nationalkader, ist vor kurzem in den Landkreis
gezogen und hat sich an den TSV Ebersberg gewandt. Der Verein zeigte sich
sehr interessiert an dem knapp 1,65 Meter großen Mann und seiner
Leidenschaft – und nimmt Qwan Ki Do ins Programm auf. Schon fünfjährige
Mädchen und Buben können bei Salvatore Cappella künftig richtiges Fallen
lernen; mit Purze lbäumen und Hechtsprüngen werden sie anfangen und danach
üben, sich mit Füßen und Händen zu verteidigen.
Foto: Christian Endt
Zum Beispiel die vier Fußballbuben. Zweimal nur hatten die Zehnjährigen mit dem Mailänder trainiert. Das Publikum beim
Jugendfußballturnier mochte es kaum glauben, als der Ebersberger Nachwuchs dem erwachsenen und somit größeren Gegner ein Bein
stellte und ihn mit ein paar Fußtritten und Faustschlägen in die Flucht schlug. Dafür ernteten sie ebenso viel Applaus wie die großen
Kollegen aus Nordrhein-Westfalen, die ihre Schwerter zogen und mit Stöcken und Messern auf ihre Angreifer losgingen – wie Bruce
Lee im Todesduell der Tigerkralle. Am Schluss halfen sie den Besiegten auf und verbeugten sich vor ihnen. Auch das gehört zu der
Sportart, die scheinbar Unterlegene zu wahren Siegern macht.
Daniela Gorgs
Süddeutsche Zeitung
Ebersberger SZ