Kapitel 4: Triggerpunkt Stosswellentherapie TST

Transcription

Kapitel 4: Triggerpunkt Stosswellentherapie TST
TST - TRIGGER STOSSWELLEN THERAPIE
Kapitel 4: Triggerpunkt Stosswellentherapie
TST - TRIGGER STOSSWELLEN THERAPIE
Ergebnisse dreier prospektiver Studien
an Patienten mit Nacken- Schultergürtel-, Schulter- Arm- Schmerzen,
Lumbalgie und Lumboischialgie
W. Bauermeister
In drei prospektiven Fallserienstudien wurde die Wirksamkeit der Trigger- Stosswellen- Therapie TST® bei Triggerpunkt bedingten Nacken- Schultergürtel- und
Schulter- Arm Schmerzen, Lumbalgie und Lumboischialgie untersucht.
Einleitung
Triggerpunkte sind Ausdruck einer neuro- muskulären Erkrankung, die sich mit dem
Begriff: Myofasziales- Triggerpunkt- Syndrom [MTS] beschreiben lässt. Es ist durch
regionale Schmerzen, Empfindungs- und Funktionsstörungen des Bewegungsapparates gekennzeichnet, die in der Anfangsphase erst nach einer ungewohnten Belastung auftreten. Später, in der Phase der Chronifizierung, verursachen schon die
normalen Belastungen des Alltags, Stress und sogar Wetterwechsel Beschwerden.
In der Endphase kommt es zu Dauerschmerzen, minimaler körperlicher Belastbarkeit, einer zunehmenden sozialen Isolation und reaktiven Depression. Diese Entwicklung läuft parallel mit einer sich ständig ausbreitenden Dysfunktion an den
motorische Endplatten der Muskelfasern. Dort vermutet man eine übermäßige Freisetzung von Acetylcholin und eine Kontraktur der Sarkomere [1]. Eine Anhäufung
dieser kontrakten Sarkomere wird als Triggerpunkt- Komplex bezeichnet [Abb. 1],
319
TST - TRIGGER STOSSWELLEN THERAPIE
und diese führen zu einer Verkürzung des gesamten Muskels. Elektrophysiologisch
lässt sich im EMG ein pathologisches Endplattengeräusch [EPN] nachweisen und die
histologische Untersuchung der Muskelbiopsie zeigt die Kontraktur der Sarkomere[2,3] [Abb. 2]. Nach der Energiekrisen- Hypothese werden durch eine begleitende
Vasokonstriktion sensibilisierende Substanzen freigesetzt, welche auf die Nozizeptoren wirken und zu einer Herabsetzung der Schmerzschwelle führt und möglicherweise auf der Ebene des Rückenmarks zu einer Bildung "pathologischer Synapsen"
führt. Es entwickelt sich ein pathologisches Schmerzübertragungssystem mit dem
Resultat, dass es zu einer Fehllokalisation der eigentlichen Schmerzquelle - dem
muskulären Triggerpunkt kommt [4].
Entsprechend ihrer klinischen Wirkung lassen sich zwei Typen von Triggerpunkten
unterscheiden: aktive und latente
Triggerpunkte. Aktive Trigger verkürzen den
Muskel und verursachen Übertragungs- Phänomene wie z.B. Schmerzen in einem
anderen Körperbereich. Latente Trigger verursachen ebenso wie aktive Trigger eine
Verkürzung der Muskelstruktur aber sie lösen keine Übertragungs- Phänomene aus
unter denen der Patienten aktuell leidet. Beide Trigger Arten lassen sich in der
Finger- Palpation zugänglichen Muskeln als ein exquisit schmerzhafter Knoten in
einem verhärteten Muskelstrang ertasten.
Druckanwendung auf diese Knoten löst beim aktiven Trigger
die aktuellen Be-
schwerden des Patienten aus. Bei Druckanwendung auf einen latenten Trigger
werden keine, oder dem Patienten nicht bekannte oder früher bestehende Beschwerden als Übertragungsphänomen ausgelöst.
320
TST - TRIGGER STOSSWELLEN THERAPIE
Abb. 1 Triggerpunkt -Komplex
Der Triggerpunkt- Komplex liegt in der Endplatten Zone und werden als zentrale
Triggerpunkte bezeichnet.
Abb. 2 Triggerpunkt Histologie
Längsschnitt durch den M. gracilis eines Hundes. Im umrandeten Bereich finden
sich ca. 100 Sarkomere, die einen Knoten bilden. Die Sarkomere auf beiden Seiten
des Knotens erscheinen kompensatorisch verlängert.
321
TST - TRIGGER STOSSWELLEN THERAPIE
Einschlusskriterien
Es wurden Patienten mit chronischen, therapieresistenten Schmerzen aufgenommen, bei denen sich aktive Trigger als Schmerzursache nachweisen ließen.
Ausschlusskriterien
Patienten mit Fibromyalgie, Tumorerkrankungen, Bandscheibenvorfällen mit neurologischen
Ausfallerscheinungen,
peripheren
Nervenläsionen
oder
anderen
schweren Erkrankungen wurden ausgeschlossen.
Abbruchkriterien
Alle Patienten wurden informiert, dass sich nach ca. 6 Behandlungen erste Behandlungserfolge einstellen würden. Patienten, die vor der 6. Behandlung, bei noch
nicht eingetretenem Behandlungserfolg abbrachen, wurden deshalb nicht in die
Studie mit aufgenommen.
Auswahl des Patientenkollektivs
Es wurden für jede Gruppe jeweils 20 Patienten aus einem größeren Gesamtkollektiv nach dem Zufallsprinzip ausgewählt.
Beurteilungskriterien für die Reaktion auf die Behandlungen
Das Beurteilungskriterium Schmerz wurde von den Patienten auf der 100 mm Visuellen Analogskala (VAS) gemessen. Vor der ersten Behandlung wurde der VAS PRE
dokumentiert, am Ende der Behandlung der VAS POST. In einer telefonischen
Nachbefragung wurde der VAS FU erhoben.
322
TST - TRIGGER STOSSWELLEN THERAPIE
Triggerpunkt- Diagnostik
Als erster Untersuchungsschritt wurde der Bewegungsradius [Range of Motion
ROM] der Gelenke gemessen. Eine Einschränkung der Beweglichkeit oder eine
Rechts/Links Differenz lässt vermuten, dass MTrPs in den Muskeln, die bei der Untersuchung gedehnt werden - die Antagonisten - über eine Muskelverkürzung den
Bewegungsradius einschränken. Es wurde die Rotation Lateralflexion, Flexion und
Extension der Halswirbelsäule, Innen- und Außenrotation und Abduktion der
Schulter, Rotation, Lateralflexion der LWS, Innen- und Außenrotation der Hüfte
untersucht. Die für die Einschränkung der Beweglichkeit [ROM] verantwortlichen
Muskelgruppen wurde auf Trigger spezifische Merkmalen hin untersucht: Straffes
Muskelfaserbündel [Taut band TB], exquisit schmerzhafte Knoten innerhalb des TB,
Auslösung des Patienten spezifischen Beschwerdemuster [Referred Pain RP]durch
Druck - Stimulation mit dem TRIGGOsan Schlüssel auf die MTrPs. In tief liegenden,
oder sehr großen Muskeln können die TB's und die MTrPs nicht ertastet werden. In
diesen Muskeln beschränkte sich die Diagnostik auf die Auslösung des RP durch
Druckanwendung mit dem TRIGGOsan Schlüssel [5].
Behandlung
Die durch die Triggerpunkt Diagnostik gefundenen Muskeln wurden mit ballistisch
erzeugten Stosswellen (EMS Swiss DolorClast®) behandelt. Die Anzahl der Impulse
pro Behandlung richtete sich nach dem Behandlungseffekt wie gesteigerte Beweglichkeit und Abnahme des Schmerzes. Die Behandlungsintensität wurde so gewählt,
dass keine Lokalanästhesie notwendig war.
323
TST - TRIGGER STOSSWELLEN THERAPIE
Ergebnisse
Eine Zusammenfassung der Ergebnisse ist in Tabelle 1 dargestellt.
HWS
SCH
LWS
n=20
n=20
n=20
Mittelwert
Mittelwert
Mittelwert
1
VAS PRE
8,40
7,1
7,0
2
VAS POST
3,65
2,27
2,65
4
VAS FU
4,73
1,81
2,81
n=15
n=8
n=16
56.6
68,0
62,1
43,7
74,5
59.8
3
5
VAS PRE/VAS POST
Veränderung in %
VAS POST/VAS FU
Veränderung in %
6
Tage FU
135
187
112
8
Gesamtimpulse
30400
13162
27250
7
Behandlungszahl
6,80
4,45
6,1
9
Impulse/Behandlung
4470
2957
4467
11
Behandlungszeitraum Tage
71
39
64
10
Beschwerdedauer Monate
103
30
76
12
Alter Jahre
51,55
55,45
54,2
Tabelle 1
HWS/Schultergürtel
Für die Beurteilung des Behandlungseffektes wurde der Vergleich VAS PRE (Diagramm 1) /VAS POST (Diagramm 2) (herangezogen. Es zeigte sich einer Befindlichkeitsverbesserung von ca. 56,6%. Ein Follow up [FU] (Diagramm 3) wurde an 15
Patienten dieser Gruppe durchgeführt.
324
TST - TRIGGER STOSSWELLEN THERAPIE
Wobei sich eine Befindlichkeitsverbesserung von 43,7%, in einem mittleren Beobachtungszeitraum von 135 Tagen. Die Behandlungszahl lag bei 6,8 in einem Behandlungszeitraum von 71 Tagen.
Diagramm 1
Diagramm 2
Diagramm 3
Schulter
Der Vergleich VAS PRE (Diagramm 4) /VAS POST (Diagramm 5) bei 20
Patienten zeigte eine Befindlichkeitsverbesserung von ca. 68%. Ein FU
(Diagramm 6) an 8 Patienten dieser Gruppe ergab rechnerisch eine Befindlichkeitsverbesserung von ca. 74,5% auf der VAS. Die Behandlungszahl lag
bei 4,45 in einem Behandlungszeitraum von 39 Tagen.
Diagramm 4
Diagramm 5
Diagramm 6
325
TST - TRIGGER STOSSWELLEN THERAPIE
Lumbalgie/Lumboischialgie
Der Vergleich VAS PRE (Diagramm 7)/VAS POST (Diagramm 8) bei 20 Patienten
zeigte eine Befindlichkeitsverbesserung von ca. 62%. Ein FU (Diagramm 9) an 16
Patienten dieser Gruppe ergab rechnerisch eine Befindlichkeitsverbesserung von
59,8% auf der VAS. Die Behandlungszahl lag bei 6,1 in einem Behandlungszeitraum
von 64 Tagen.
Diagramm 7
Diagramm 8
Diagramm 9
Diskussion
Die vorliegenden Ergebnisse deuten darauf hin, dass durch die Anwendung der
rESWT, die Symptome des Myofaszialen Triggerpunkt Syndroms auch über einen
längeren
Zeitraum
beeinflussbar
sein
können.
Die
Ergebnisse
im
HWS/Schultergürtel- Bereich erscheinen tendenziell schlechter, wobei sich diese
Beobachtung mit der Erfahrung aus der Praxis deckt. Die Behandlungsergebnisse
könnten möglicherweise durch die Steigerung der Impulszahlen/Behandlung und
durch eine verfeinerte Diagnostik der MTrPs in schwer zugänglichen Muskeln verbessert werden. Eine kombinierte Anwendung der ballistischen Stosswellen mit
mechanischer Druckanwendung, könnte die Behandlungserfolge zusätzlich steigern.
326
TST - TRIGGER STOSSWELLEN THERAPIE
Insgesamt erscheint der Einsatz der rESWT zur Triggerpunkttherapie klinisch sinnvoll einsetzbar zu sein, allerdings kann der klinische Erfolg ebenso wenig quantifiziert werden, wie die Wertigkeit der Methode selbst. Hier sind hochwertige Studien
notwenig, um diese Frage schlüssig beantworten zu können. Bis dahin sollte die
rESWT unter kontrollierten Bedingungen angewendet werden, um weitere Anwendungsbeobachtungen durchführen zu können.
Schlussfolgerung
Diese Untersuchungen könnten die Grundlage für weitere hochwertige Studien
bilden, um einen wissenschaftlichen Nachweis der Wirksamkeit der Anwendung von
ballistischen Stosswellen zur Behandlung des Myofaszialen Triggerpunkt- Syndroms
zu erbringen. Unsere Ergebnisse rechtfertigen allerdings den klinischen Einsatz der
Methode unter kontrollierten Bedingungen.
Literatur
1.
Simons, D.G., & Stolov, W.C., (1976) Microscopic features and transient contraction of palpable
bands in canine muscle. Am J Phys Med 55: 65-88
2.
Simons D., Travell J., Simons L., Myofascial Pain and Dysfunction, Second Edition, 1999 Lippincott Williams&Wilkins
3.
Travell J., and Simons D., Handbuch der Muskel- Triggerpunkte Untere Extremität, 1. Auflage
2000 Urban & Fischer Verlag München Jena
4.
5.
Mense S, Simons DG, Russell IJ 2001 Muscle Pain: Understanding its Nature,
Diagnosis, and Treatment. Lippincott, Williams &Wilkins, Philadelphia. (Endplate hypothesis,pp.240 –259)
6.
Bauermeister W., (1999) Trigger – Osteopraktik, Physikalische Therapie in Theorie und Praxis,
20/8, 487-490
327