Inhalt - Michael Imhof Verlag
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Inhalt Stammbaum der Windsors seit 1714 9 Voraussetzungen in England Staatskirche und Erbstreitigkeiten 10 Heinrich VIII. und die Gründung der Kirche von England Das Erbe Heinrichs VIII. Der englische Bürgerkrieg 1642–49 Die „Glorreiche Revolution“ Die Erbfolgeregelung im „Act of Settlement“ Die Welfen Adelsgeschlecht mit langer Tradition Die Welfen im Mittelalter Das Fürstentum Calenberg Das Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg (Hannover) 10 15 19 25 32 38 38 41 42 Sophie von Hannover Erste Thronerbin in England aus dem Haus der Welfen 48 Georg I. Erster Welfe auf dem britischen Thron 58 Georg II. Zweiter Welfe auf dem britischen Thron 68 Georg III. Erster in England geborener Welfe auf dem britischen Thron 78 Georg IV. Der verschwendungssüchtige König 86 Wilhelm IV. Der „Matrosenkönig“ 92 I7 Das Haus Sachsen-Coburg und Gotha „Andere mögen Krieg führen, Du glückliches Coburg heirate!“ 100 Viktoria Großmutter Europas, Königin und indische Kaiserin 110 Viktorias Kinder Von der deutschen Kaiserin Viktoria bis zu Beatrice als Gemahlin eines deutschen Prinzen 126 Viktoria (1840–1901) – älteste Tochter und deutsche „Kaiserin Friedrich“ Eduard VII. (1841–1910) – Nachfolger Viktorias als britischer König Alice (1843–78) – Großherzogin von Hessen und bei Rhein Alfred (1844–1900) – Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha Helena (1846–1923) – Pinzessin von Schleswig-HolsteinSonderburg-Augustenburg Louise (1848–1939) – englische Herzogin Arthur (1850–1942) – verheiratet mit einer Großnichte des deutschen Kaisers Leopold (1853–84) – verheiratet mit einer deutschen Prinzessin Beatrice (1857–1944) – verheiratet mit einem deutschen Prinzen und Ur-Großmutter des spanischen Königs Juan Carlos 8 I 128 131 131 134 138 140 142 144 146 Eduard VII. Der Lebemann auf dem Thron 148 Georg V. Der Bruch mit der deutschen Familie 154 Eduard VIII. Der König für zehn Monate 160 Georg VI. König während des Zweiten Weltkriegs 162 Elisabeth II. Zwischen Tradition und Moderne 168 Michael Imhof und Hartmut Ellrich Das Haus Windsor und seine deutsche Herkunft DIE Royals aus HannovER unD sacHsEn-cobuRg & gotHa MIcHaEl IMHof vERlag Voraussetzungen in England Staatskirche und Erbstreitigkeiten D Papst Clemens VII., Gemälde von Sebastiano del Piombo, um 1531 as britische Haus Windsor nannte sich – vom Haus Sachsen-Coburg und Gotha herrührend – bis 1917 „Haus Sachsen-Coburg-Gotha“ bzw. „SaxeCoburg and Gotha“. Aufgrund des innenpolitischen Drucks im Ersten Weltkrieg, seiner deutschen Abstammung und der Verwandtschaft mit der königlichen Familie des Deutschen Kaiserreichs änderte König Georg V. am 17. Juli 1917 die deutsche Bezeichnung des Hauses in den heutigen Namen „Windsor“ nach der Kleinstadt westlich von London, in der das berühmte Windsor Castle steht – die Residenz der englischen königlichen Familie. Die monarchischen Beziehungen zwischen Deutschland und England begannen bereits vor 300 Jahren, da von 1714 bis 1837 das Kurfürstentum Hannover und das Königreich Großbritannien durch einen König in Personalunion miteinander verbunden waren. Damals war das Haus Hannover, das englisch „House of Hanover“ genannt wird, dem Haus Stuart mit dem Anspruch auf den Königsthron von England gefolgt. Wie es dazu kam, erläutert die folgende Einführung. HEINRICH VIII. UND DIE GRüNDUNG DER KIRCHE VoN ENGLAND Heinrich VIII., Gemälde von Hans Holbein d. J. (1498–1543), ThyssenBornemisza-Museum in Madrid 10 I E inen wichtigen Aspekt der englischen Königsherrschaft nimmt die Stellung des Königs bzw. der Königin als oberhaupt der Anglikanischen Staatskirche – der „Kirche von England“ („Church of England“) – ein. Die „Kirche von England“ entstand zwar während der Reformationszeit, ist jedoch nicht das Ergebnis der Kritik an der Stellung des Papstes und der römisch-katholischen Kirche, sondern war eine persönliche Entscheidung König Heinrichs VIII., der sich von der römischen Kirche abwandte, nachdem sich Papst Clemens VII. geweigert hatte, dessen Ehe mit Katharina von Aragón aufzuheben. König Heinrich VIII. (1491–1547), der seit 1509 England und ab 1541 zusätzlich über Irland regierte, war ein gebildeter Herrscher, der in jungen Jahren Gedichte verfasste, Musik komponierte und mit Humanisten korrespondierte. Als junger Mann eine charismatische und sehr sportliche Persönlichkeit, verkam er im Laufe seines Lebens zu einem fettleibigen und chronisch kranken Diktator, dessen Entscheidungen gegen Ende seines Lebens von geistiger Umnachtung zeugen. Hintergrund dieser Persönlichkeitsentwicklung war der Heinrich über Jahre versagte Wunsch nach einem männlichen Thronfolger. Heinrichs erste Frau war die aus dem spanischen Königshaus stammende Katharina von Aragón (1485–1536). Diese hatte kein einfaches Leben. Das Unglück, das sie immer wieder traf, und die Demütigungen, denen sie ausgesetzt war, verschafften ihr Sympathien beim englischen Volk. Als sie gerade einmal drei Jahre alt war, beschlossen ihre Eltern, Ferdinand II. von Aragón und Isabella I. von Kastilien, sie mit dem nur wenig jüngeren Arthur Tudor (1486–1502), dem Sohn des englischen Königs Heinrich VII., dem Begründer der Tudor-Dynastie, zu verheiraten. Als beide ihren 15. Geburtstag erreicht hatten, vollzogen sie I 11 „Act of Settlement“ – Urkunde mit dem Bildnis Wilhelms III. von Oranien, seit 1672 Statthalter der Niederlande und ab 1689 in Personalunion König von England, Schottland und Irland, unterzeichnet 1701, Niedersächsisches Landesarchiv Hannover (NLA Hannover Cal. Or. 63 Nr. 1) Mit dem „Act of Settlement“ (zu deutsch „Grundordnung“) schuf das englische Parlament 1701 eine neue Grundlage für die Thronfolge im Königreich England, die eine 123-jährige Personalunion (1714–1837) zwischen Hannover und Großbritannien begründete. Die Urkunde ist für die Geschichte von großer Bedeutung, da sie die Welfenfamilie zu den Herrschern über ein Weltreich machte. Darüber hinaus wurden im „Act of Settlement“ die Rechte des englischen Parlaments erweitert. Im Detail sind folgende Bestimmungen im „Act of Settlement“ festgelegt: Von der Thronfolge sind alle Personen ausgeschlossen, die katholisch sind oder einen katholischen Ehepartner heiraten oder geheiratet haben. Sollte ein bereits amtierender Monarch zur katholischen Kirche übertreten, wären seine Untertanen nicht mehr an ihren Treueeid gebunden. Gleichzeitig würde automatisch dem nächsten erbberechtigten Protestanten die Königswürde zufallen. Prinzipiell gilt, dass der englische Monarch Mitglied der Anglikanischen Kirche sein muss. Englands Beteiligung an der Verteidigung fremder, vom König in Personalunion regierter Länder war von der Zustimmung des Parlaments abhängig. Jeder Reise des Königs außerhalb Großbritanniens und Irlands hatte das Parlament zuzustimmen. Der Einfluss des Königs auf das Parlament wurde verringert. So war es dem Herrscher nicht mehr möglich, Klagen des Unterhauses gegen einen Minister abzuwehren. Personen, die ein von der Krone bezahltes Amt ausübten, konnten kein Mitglied des Unterhauses mehr werden. Auch konnte der König keine Richter mehr absetzen, wie dies Jakob II. 1688 tat, der zwei Drittel der Richter, die nicht seine Politik unterstützen, durch getreue Kandidaten austauschte. Der hannoversche Kurfürst Georg Ludwig ließ 1714, als er zur Krönung nach London reiste, insgesamt sechs prachtvolle, großformatige Urkunden, die seine Familie zwischen 1701 bis 1712 von englischen Sondergesandtschaften überbracht bekam und mit denen die Beschlüsse des Londoner Parlaments zur welfischen Thronfolge in England rechtskräftig wurden, in Hannover zurück. Darunter befindet sich die hier abgebildete Prunkurkunde. I 35 Die Welfen Adelsgeschlecht mit langer Tradition D ie Welfen gehören zu den bekanntesten adelsgeschlechtern und sind neben den Kapetingern das älteste noch existierende Hochadelsgeschlecht Europas. DIE WElfEn I IM MIttElaltER hre Herkunft lässt sich archivalisch bis ins 8. Jahrhundert zurückverfolgen. als ein stammvater gilt der fränkische adelige Ruthard († vor dem 31. august 790), der nach der niederschlagung des alemannischen Herzogtums durch die Karolinger das alemannengebiet nördlich des bodensees für das frankenreich neu organisierte und mehrere Klöster gründete, darunter 748/49 das Kloster arnulfsau, das wenig später nach schwarzach am Rhein (südlich von Rastatt) verlegt wurde. namensgeber des Hauses ist graf Welf I., der für das Jahr 819 belegt ist. Er muss dem karolingischen Kaiserhaus nahegestanden haben und sehr einflussreich gewesen sein, da seine töchter Judith (795/807–843) und Hemma (808–876) mit den Kaisern ludwig dem frommen (778–840) und ludwig dem Deutschen (um 806–876) verheiratet waren. Dadurch sind die Welfen mit dem karolingischen Herrscherhaus verwandt. 1056 gründete Welf Iv., der 1070 zusätzlich zum Herzog von bayern ernannt wurde, als grablege das benediktinerkloster Weingarten bei Ravensburg. Die Welfen gehörten zu diesem Zeitpunkt bereits zu einem der mächtigs- Stammbaum der Welfen, Handschrift aus dem Kloster Weingarten, letztes Jahrzehnt des 12. Jahrhunderts, Hochschul- und Landesbibliothek in Fulda, Handschrift D 11, fol. 13v. Der Stammbaum ist die älteste erhaltene Darstellung eines Adelsgeschlechts. Die Handschrift entstand vermutlich in der alten welfischen Grablege, dem Kloster Weingarten. Oben rechts ist die Welfin Judith, Mutter Friedrich Barbarossas, dargestellt. 38 I ten adelsgeschlechter im Heiligen Römischen Reich. Deshalb standen sie in unmittelbarer Konkurrenz mit den staufern um die Königsherrschaft. Ihren Einfluss konnten sie nachfolgend durch ihre Heiratspolitik vergrößern. Heinrich der stolze (1102 oder 1108–1139) regierte ab 1137 als Herzog von sachsen über große teile norddeutschlands. 1138 war er sogar Kandidat für die Wahl zum römischdeutschen König. um einen ausgleich zwischen staufern und Welfen zu schaffen, war zuvor Heinrichs schwester mit friedrich von staufen, Herzog von schwaben, verheiratet worden, aus deren Ehe der spätere Kaiser friedrich barbarossa hervorging. Der sohn von Heinrich dem stolzen war Heinrich der löwe (um 1129/35–1195), der als Herzog von sachsen wesentlich zur Königskrönung seines vetters friedrich barbarossa beigetragen hatte und deshalb 1156 zusätzlich mit dem Herzogtum bayern belohnt wurde. als sein Machtzentrum baute Heinrich der löwe die stadt braunschweig repräsentativ aus, indem er den neubau der stiftskirche st. blasius und die benachbarte burg Dankwarderode in auftrag gab. Die beziehungen zwischen Heinrich und Kaiser friedrich barbarossa waren jedoch seit 1176 belastet. Daraus folgten 1180 die verhängung der Reichsacht gegen Heinrich den löwen und die Zerschlagung des Herzogtums, eine mehrjährige verbannung auf seine mütterlicherseits ererbten Eigengüter und der verlust des Herzogtums bayern, das an die Wittelsbacher fiel, die es bis 1918 regierten. oben: Krönungsbild aus dem Evangeliar Heinrichs des Löwen, Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel, Cod. Guelf. 105 Noviss. 2°, fol. 171v. unten: Stammesherzogtum Sachsen kurz vor der Zerschlagung um 1180. Neben dem Herzogtum Sachsen regierte Heinrich der Löwe auch über Teile Süddeutschlands als Herzog von Bayern (Abb. Umzeichnung aus: Eduard Rothert: Kartenmaterial in Karten und Skizzen aus der Entwicklung der größeren deutschen Staaten, Band VI des „Historischen Kartenwerkes“, Düsseldorf 1902) I 39 Georg I. Georg I., Herrscherporträt von Joachim Kayser, 1715, Oberlandesgericht Celle links: Georg I. als König von England, Kupferstich von François Chereau (1680–1729) nach Sir Godfrey Kneller (1646– 1723), um 1714 rechts: Sophie Dorothea von BraunschweigLüneburg, Schabkunstblatt von Christoph Weigel (1654–1725) 58 I g eorg I. ludwig (englisch george louis; 28. Mai 1660 – 11. Juni 1727) war ab 1714 als georg I. der erste Welfe auf dem Königsthron in großbritannien und Irland. Er begründete die Königsdynastie des Hauses Hannover, das in Hannover bis 1866 und in großbritannien bis 1901 regierte. Den aufstieg verdankte georg keinen besonderen eigenen leistungen, sondern dem schon mehrfach genannten englischen Parlamentsbeschluss von 1701, der das thronfolgerecht mit dem „act of settlement“ neu zugunsten von sophie von Hannover und ihren Erben regelte. Eine der voraussetzungen für dieses Privileg war der evangelisch-lutherische glaube, zu dem sich georg ludwig bekannte. vordringlich für die festlegung der thronfolge war die verhin- Erster Welfe auf dem britischen Thron derung eines römisch-katholischen britischen Königs nach dem tod von Königin anne und die findung eines blutsverwandten protestantischen thronfolgers, um keine ansprüche der römisch-katholischen stuarts zuzulassen. als König von großbritannien tat sich georg I. schon aufgrund der sprachlichen voraussetzungen schwer. Er sprach bevorzugt Deutsch und französisch. letzlich führte die geringe traditionelle bindung an England dazu, dass die Monarchie ihre ansprüche teilweise an das Parlament abgab. Während georgs I. Regierungszeit bildete sich somit das künftige englische Parteiensystem mit einem Premierminister an der spitze heraus. Robert Walpole (1676–1745) war ab 1721 faktisch und seit 1730 auch formell der erste Premierminister großbritanniens. Das Haus SachsenCoburg und Gotha „Andere mögen Krieg führen, Du glückliches Coburg heirate!“ n icht Kriege, sondern eine seit 1796 betriebene offensive Heiratspolitik, verbanden im laufe des 19. Jahrhunderts die mächtigen europäischen Dynastien – von coburg ausgehend – miteinander. Das Motto „andere mögen Krieg führen, Du glückliches coburg heirate!“ trat mit der coburger fürstenhochzeit von 1894 besonders vor augen, als die kleine, bis 1920 thüringische Residenzstadt für kurze Zeit zur bühne Herzog Ernst I. von Sachsen-Coburg und Gotha, Lithografie von Franz Hanf staengl (1804–77), 1841 100 I der Weltpolitik wurde. Weniger die Hochzeit selbst als vielmehr die illustre gästeschar um Königin viktoria (1819–1901) als ‚schwiegermutter Europas’ war charakteristisch für die mannigfaltigen familiären und dynastischen beziehungen des Herzogshauses in alle Himmelsrichtungen Europas. so entstammten die Königshäuser von belgien, Portugal, großbritannien und bulgarien in direkter männlicher linie dem Herzogtum, während sich coburger Prinzessinnen an der seite regierender deutscher fürsten wiederfanden und die nachkommen von coburger Prinzen und Prinzessinnen in Kaiser- und Königshäuser Europas einheirateten, darunter das deutsche, russische und habsburgische Kaiserhaus sowie die Königshäuser von schweden, griechenland, spanien und norwegen. schließlich pflegte man enge verwandtschaftliche verbindungen nach Italien und Dänemark sowie zum französischen Haus orléans. Den eigentlichen auftakt zu zahlreichen dieser skizzierten dynastischen verbindungen bildete das Jahr 1826, als unter der Regierung von Herzog Ernst I. (1784–1844) das Doppelherzogtum sachsen-coburg und gotha entstanden war. Das territorium umfasste nur rund 120 000 Einwohner und Einnahmen von etwa einer Million gulden. Mit diesem Doppelherzogtum vereinte Ernst zwei weiterhin Ansichtskartenmotive aus Coburg um 1900: Burg (oben) und Theater (unten) I 101 Viktoria Großmutter Europas, Königin und indische Kaiserin Seite 111: Viktoria als Königin mit herrschaftlichen Attributen auf dem Königsthron, lebensgroßes Herrschaftsbildnis kurz nach ihrer Krönung von Sir George Hayter (1792–1871), Gemälde von 1840 nach einem Vorbild aus dem Jahr 1838, Royal Collection Trust © Her Majesty Queen Elizabeth II 2014 folgende Doppelseite: Krönung Viktorias in der Westminster Abbey in London am 28. Juni 1838, großformaties Gemälde (2,5 x 3,8 Meter) von Sir George Hayter (1792– 1871), 1839, Royal Collection Trust © Her Majesty Queen Elizabeth II 2014 (Marie Louise) Victoire von Sachsen-CoburgSaalfeld mit ihrer Tochter, der späteren Königin Viktoria, Gemälde von Henry Bone (1755–1834), 1824/25 110 I n ach Wilhelms Iv. tod am 20. Juni 1837 wurde – da er keine legitimen Erben hinterließ – seine 18-jährige nichte viktoria, die einzige tochter seines jüngeren bruders Eduard augustus, Königin von großbritannien und Irland. Da für die thronfolge in Hannover das welfische Erbrecht galt, das die weibliche thronfolge ausschloss, wenn im Mannesstamm der braunschweig-Wolfenbütteler Welfen ein Erbe existiert, wurde Wilhelms bruder und somit viktorias onkel Ernst august (1771– 1851) 1837 König von Hannover. Damit endete nach 123 Jahren die Personalunion der Könige von großbritannien und Hannover. Zugleich begann mit viktorias sohn Eduard vII. im vereinigten Königreich großbritannien und Irland die Herrschaft des Hauses sachsen-coburg und gotha, das seitdem den britischen König beziehungsweise die Königin stellt. Königin viktoria (24. Mai 1819 – 22. Januar 1901) regierte von 1837 bis 1901 über großbritannien und Irland und somit 63 Jahre und sieben Monate – länger als jeder andere britische Monarch vor ihr. von 1877 bis zu ihrem lebensende war sie zudem Kaiserin von Indien. Damit herrschte sie über ein Drittel der Weltbevölkerung! viktoria hatte zahlreiche nachkommen von großer bedeutung. sie erhielt deshalb den beinamen „großmutter Europas“. sie ist beispielsweise ururgroßmutter der britischen Königin Elisabeth II. und von deren Prinzgemahl Prinz Philip. Ihre Regentschaft bildet eine blütezeit großbritanniens, die nach ihr „viktorianisches Zeitalter“ genannt wird. beispiellos waren die wirtschaftlichen und kulturellen Erfolge der Weltmacht. Zugleich befand sich das britische Weltreich auf seinem Höhepunkt. KInDHEIt K önigin viktoria wurde am 24. Mai 1819 als alexandrina viktoria im londoner Kensington-Palast geboren. sie war das einzige Kind des Herzogs Eduard augustus von Kent (1767–1820) – vierter sohn von König georg III. – und der in coburg geborenen Prinzessin Marie louise victoire (englisch Mary louise victoria, 1786–1861) aus dem Hause sachsen-coburg-saalfeld. Eduard von Kent und victoire von sachsencoburg-saalfeld heirateten am 29. Mai 1818 Viktoria, Princess Royal, spätere deutsche Kaiserin, Gemälde von Franz Xaver Winterhalter (1805–73), 1857, Royal Collection Trust © Her Majesty Queen Elizabeth II 2014 Engagement ging weit über das eines vertrauten hinaus. über albert sagte er einmal, dass er ihn wie einen sohn liebe. nur so sind seine Erziehungsansätze wirklich erklärbar! vIKtoRIa (1840–1901) – ältEstE tocHtER unD DEutscHE „KaIsERIn fRIEDRIcH“ E Preußisches und später deutsches Kronprinzenpaar: Friedrich III. und Viktoria, Doppelporträt im Oval, Kreidelithogra fie von F. Sala & Co., um 1858 128 I in überaus umfangreicher briefwechsel zwischen Mutter und tochter dokumentiert ein sehr inniges verhältnis der ältesten tochter Königin viktorias zu ihrer gleichnamigen 1840 geborenen tochter. viktoria adelaide Mary louisa von großbritannien und Irland (1840–1901) heiratete 1858 den Preußen friedrich III., der 99 tage Deutscher Kaiser und König von Preußen war. sie wurde damit Königin von Preußen und deutsche Kaiserin und wurde nach dem tod ihres Mannes auch „Kaiserin friedrich“ genannt. Die kleine königliche Prinzessin – offiziell „Princess Royal“ genannt – kam am 21. november 1840 zur Welt. für die Mutter war es zunächst eine Enttäuschung, lediglich ein Mädchen geboren zu haben. Doch war die in ihren augen lästige dynastische Pflicht erst einmal erledigt. viktoria erhielt zur unterscheidung von ihrer Mutter den Kosenamen „vicky“. Königin viktoria zeichnete sich zwar zeitlebens durch keine allzu große Kinderliebe aus, doch herzlos war sie deshalb nicht. aus sorge um ihr Kind versuchten sie und ihr Prinzge- mahl, die kleine Prinzessin von den Einflüssen des Hofes fernzuhalten. Das führte sehr schnell dazu, dass gerüchte in umlauf kamen, die Prinzessin sei blind, taub und stumm. Doch nichts davon stimmte! noch war nicht die Zeit gekommen, in der die Königin jedes ihrer Kinder vom favorisierten und gefragtesten europäischen Porträtmaler franz Xaver Winterhalter in szene setzen und die bilder von den britischen lithografen in hoher auflage presse- und öffentlichkeitswirksam verbreiten ließ. Dennoch öffneten die königlichen Eltern ihren gästen das Kinderzimmer und präsentierten ihre tochter, die sich als temperamentvolles, aufgewecktes und hübsches Kind mit schneller auffassungsgabe herausstellte. bei unterforderung und langeweile bekam sie Zornausbrüche. Heute würde man sie als hochbegabt bezeichnen! sie brachte sich selbst das lesen bei und wurde vom 14. bis 17. lebensjahr von ihrem vater unterrichtet. sie liebte es zu zeichnen, was sie bis ins hohe alter tat. sie hielt sich gerne in der freien natur auf und liebte gärten und gärtnern wie ihr vater albert. Mit zehn Jahren lernte sie ihren späteren Ehemann kennen, der sie in den folgejahren häufiger besuchte. nach bekanntwerden der verlobung kritisierte die „times“, dass die Kronprinzessin damit einer „minoren europäischen Dynastie ausgeliefert“ würde, denn das blatt hatte die Möglichkeit einer späteren deutschen Kaiserin noch nicht in betracht ziehen können, stattdessen nur das Haus Preußen im blick. folglich ein klarer abstieg aus den augen britanniens! Davon unbeirrt heiratete viktoria am 25. Januar 1858 in london im alter von gerade 17 Jahren den gutaussehenden preußischen Kronprinzen friedrich. Die feierlichkeiten fanden im londoner st. James’s Palast statt. Die brautleute waren auch politisch auf einer Wellenlänge, dachten liberal und führten eine glückliche Ehe. Zwischen 1859 und 1872 bekam viktoria mit steter Regelmäßigkeit alle zwei Jahre ein Kind. Die geburt des ältesten sohnes Wilhelm (II.) am 27. Januar 1859 war besonders schmerzvoll, da das Kind mit geburtsschäden zur Welt kam: lähmung des linken armes und Alice-Denkmal auf dem Wilhelminenplatz in Darmstadt von 1902 frauenrechtlerin und schriftstellerin luise büchner (1821–77), in Darmstadt den Kranken- und armenpflegeverein, der den namen der nachmaligen großherzogin erhielt. aus diesem überkonfessionellen alice-verein für Krankenpflege ging die freie alice-schwes ternschaft hervor. 1872 fand auf alices Einladung in Darmstadt die erste „generalversammlung deutscher frauen- und Erwerbsvereine“ statt. Ein wichtiges thema bildete dort die frauenerwerbsarbeit bei der Post, dem telegraphendienst und der Eisenbahn. nach dem tödlichen fenstersturz ihres jüngsten sohnes friedrich (1870–73) – er starb infolge der Hämophilie an inneren blutungen – übersetzte alice octavia Hills abhandlung „on the Homes of the london Poor“ ins Deutsche. In ihrer stellung zum preußischen Ministerpräsidenten otto von bismarck hatte alice vor dem Deutschen Krieg von 1866 eine Weile geschwankt. Ihre Hoffnung auf die preußische führung in Deutschland blieb davon jedoch unberührt, im gegenteil: Zusammen mit ihrem Ehemann ludwig begann sich vor 1870 der Darmstädter Hof zum sammelpunkt der deutschen Einigungsbestrebungen zu entwickeln. 1877 wurde alice an der seite ludwigs Iv. großherzogin von Hessen. Ihren Plan zur Errichtung einer Künstlerkolonie in Darmstadt konnte sie bereits nicht mehr umsetzen, denn ihre Kinder erkrankten 1878 an der Diphterie. Erst 1891 gelang es Emil adolf bering (1854– 1917) zwei an der Diphterie erkrankte Kinder durch ein gegengift zu heilen, dessen großproduktion (Diphterieheilserum) ab 1894 für alice und ihre familie zu spät kam. an den folgen der tückischen Infektionserkrankung verstarb alice am 14. Dezember 1878 in Darmstadt. Es war zugleich der todestag ihres vaters albert. Ihre letzte Ruhe erhielt sie im Mausoleum der großherzoglichen familie auf der Rosenhöhe in Darmstadt. am 12. september 1902 wurde ihr zu Ehren das von ihrem ältesten sohn großherzog Ernst ludwig (1868–1937) initiierte und von ihm in auftrag gegebene alice-Denkmal auf dem Darmstädter Wilhelminenplatz eingeweiht. Das in form eines obelisken errichtete und mit Jugendstilornamenten geschmückte Denkmal wurde vom bildhauer ludwig Habich (1872–1949), dem Münchener bildhauer franz Rank und dem architekten und Darmstädter Regierungsbaumeister adolf Zeller geschaffen. Habich hatte die Darmstädter Künstlerkolonie mitbegründet. alfRED (1844–1900) – HERZog von sacHsEncobuRg unD gotHa a Zar Nikolaus II. mit seiner Gattin Alix von Hessen-Darmstadt (Tochter von Alice) und vier (von fünf) gemeinsamen Kindern, Foto von 1901 134 I lfred Ernest albert war das vierte Kind von Königin viktoria und Prinzgemahl albert – zugleich der zweite sohn des Paares. anders als seine geschwister wurde er am 6. august 1844 nicht im buckingham-Palast, sondern als einziges Kind in Windsor castle geboren. Wie seine geschwister erhielt der als temperamentvoll, unerschrocken und risikofreudig geschilderte alfred eine sorgfältige Erziehung und ausbil- dung. sein schlafraum glich einer schiffskajüte, da er von klein auf an schiffen und seeschlachten, aber auch an der großen weiten Welt Interesse zeigte. In seinen gedanken reiste er bereits auf globen und landkarten weit über großbritanniens grenzen hinaus. als zweitgeborener sohn sollte er seinem onkel Ernst II., bruder seines vaters albert, als Herzog von sachsen-coburg und gotha nachfolgen, da dessen Ehe mit Prinzessin alexandrine von baden (1820–1904) kinderlos geblieben war. vater albert bereitete den Prinzen daher gut auf seine Rolle in thüringen vor. Ernst erhielt in abständen nachrichten über die schulischen fortschritte des königlichen Zöglings. lieber wäre es Ernst II. gewesen, wenn alfred von vornherein seine ausbildung zumindest teilweise in Deutschland erfahren hätte. Er erhielt aber ab 1852 eine ausbildung bei der königlichen Marine. 1893 erreichte er in der Royal navy als großadmiral den höchsten Dienstgrad. Die Kriegsmarine war es auch, die ihn, nicht zuletzt in seiner Eigenschaft als Mitglied des Königshauses, durch die Welt führte. bereits 1862 wählte ihn das griechische Parlament zum neuen König. Da hatte König otto, der bruder König ludwigs I. von bay- Die Königskinder Alfred und Alice mit dem Säugling Helena, Aquarell von Franz Xaver Winterhalter (1805–73), 1847, Royal Collection Trust © Her Majesty Queen Elizabeth II 2014 Alfred, 1852, Lithografie von Thomas Fairland (um 1804–52) nach einem Gemälde von Franz Xaver Winterhalter (1805–73) I 135 Georg V. Georg V. als Kind, Foto von 1870 g eorg v. (englisch george; 3. Juni 1865 – 20. Januar 1936) trat ab 1910 die nachfolge seines vaters Der Bruch mit der deutschen Familie als König des vereinigten Königreichs von großbritannien und Irland (seit 1927 nordirland) und als Kaiser von Indien an. Der in london geborene „Prince george frederick Ernest albert“ war der erste britische König seit 1714, der ein akzentfreies Englisch ohne deutschen Einschlag sprach. In seine Regierungszeit fiel der Erste Weltkrieg (1914–18), mit dem die aufs engste verwandten Deutschen aus dem Haus sachsen-coburg und gotha zu militärischen feinden wurden. Dabei war georg v. cousin sowohl des deutschen Kaisers Wilhelm II. als auch des russischen Zaren nikolaus II., mit dem eine äußerlich große ähnlichkeit bestand. georg v. war es, der aus dem deutschen fürstenhaus sachsen-coburg und gotha das britische Haus Windsor machte! Er änderte den titel „Haus sachsen-coburg-gotha“ beziehungsweise „saxe-coburg and gotha“ aufgrund des innenpolitischen Drucks im Ersten Weltkrieg, seiner deutschen abstammung und der verwandtschaft mit der königlichen familie des Deutschen Kaiserreichs am 17. Juli 1917 in den heutigen namen „Windsor“ um, benannt nach der Kleinstadt westlich von london mit dem berühmten Windsor castle. DIE ZEIt D als KRonPRInZ er am 3. Juni 1865 als george frederick Ernest albert von sachsencoburg und gotha geborene spätere König georg v. war bei seiner geburt nur der zweitälteste sohn von Eduard vII. für ihn stand nicht der thron, sondern eine Marinekarriere im blickpunkt der ausbildung, und so wurde er von seinen Eltern auf eine mehr- 154 I Vier Generationen – Königin Viktoria, Eduard VII., Georg V. und dessen Sohn, der spätere Eduard VIII., Foto um 1900 I 155 Georg VI. König während des Zweiten Weltkriegs v öllig unerwartet wurde der zweitgeborene sohn georgs v. 1936 auf den englischen thron berufen. als georg vI. (englisch george, 14. Dezember 1895 – 6. februar 1952) ging der vater der heutigen Königin Elisabeth II. in die geschichtsbücher ein. geboren wurde er am 14. Dezember 1895 in york cottage auf dem gelände von sandringham House in der grafschaft norfolk. Es war der 34. todestag seines urgroßvaters Prinzgemahl albert. Drei Monate später wurde der Junge daher als albert frederick arthur george getauft, gerufen wurde er liebevoll „bertie“. von seiner noch immer regierenden urgroßmutter Königin vikto- von links nach rechts: der spätere Georg V., der spätere Eduard VIII., der spätere Georg VI. und Eduard VII. um 1908 162 I ria erhielt er eine büste ihres Prinzgemahls als taufgeschenk. DIE ZEIt g als KRonPRInZ eorg, der bis zu seiner thronbesteigung „albert“ hieß, erhielt eine strenge viktorianische Erziehung, die dem scheuen Knaben sehr zusetzte. Die Rolle der Mutter Maria war anders als heute üblich sehr zurückhaltend, und so lag die Erziehung weitgehend in den Händen von gouvernanten und Hauslehrern, während der vater selbst eher durch strenge auffiel. Die Erziehungsmethoden beförderten nicht die begabungen des zurückhaltenden Jungen, sondern führten dazu, dass albert zu stottern begann, ein umstand, der ihm zeitlebens schwierigkeiten bereiten sollte. auch wurde der linkshänder zum Rechtshänder umerzogen. albert war damit nicht allein, sondern litt gemeinsam mit seinem älteren bruder Eduard, so dass beide von Kindheit an ein sehr enges verhältnis zueinander entwickelten. Mit der thronbesteigerung des vaters georg v. wurde Eduard zum thronfolger und Prince of Wales, während für „bertie“ feststand, dass er niemals König werden wollte. traditionsgemäß waren ihm eine militärische Karriere und der titel eines Herzogs von york vorbehalten. bei der Marine – er trat 1909 im alter von 13 Jahren bei der Royal navy ein – erwies er sich als untauglich, da er unter gesundheitlichen beschwerden litt, die eine operation nach sich zogen. allerdings absolvierte er bei der Marine seine theoretische und praktische ausbildung, die ihn 1913 zunächst auf das Kadettenschulschiff cumberland und im anschluss auf das schlachtschiff HMs collingwood führten. aufgrund seiner stellung als nummer zwei in der Reihe der thronfolger musste er sich aus direkten kriegerischen Handlungen des mittlerweile ausgebrochenen Ersten Weltkriegs heraushalten. Dennoch nahm er im sommer 1916 als beobachter an der seeschlacht im skagerrak teil. 1918 wechselte er als leutnant zur Royal air force, wo er noch vor seinem älteren bruder Eduard 1919 als erstes Mitglied der königlichen familie die Pilotenprüfung ablegte. Er begründete damit eine tradition, die die königlichen Prinzen des Hauses Windsor bis heute fortführen. Ein gutes beispiel ist Prinz andrew (* 1960), der Enkel georgs und wiederum zweitgeborene sohn von Königin Elisabeth II. In der folge studierte albert am ehrwürdigen trinity college der universität von cambridge geschichte, Jura und Wirtschaftswissenschaften. Privat liebte er eher den Rückzug in die natur, ging angeln, auf die Jagd oder spielte tennis. anlässlich eines besuchs in Deutschland traf er anfang der 1920er Jahre in bonn auf seine deutsche verwandte viktoria, schwester Kaiser Wilhelms II., im bonner Palais schaumburg, dem nachmaligen sitz des bundeskanzlers der bundesrepublik Deutschland. Mit blick auf die antideutsche stimmung in großbritannien verlief das gespräch vor ort eher frostig. Während sich viktoria nach georg v. und seiner familie erkundigte und der Hoffnung ausdruck verlieh, dass die verwandten dies- und jenseits des ärmelkanals doch wieder freunde werden mögen, erklärte albert höflich, dass das auf viele Jahre nicht möglich sein würde. offizielle auftritte waren für den stotternden Herzog eine Qual, die ihn schließlich eine sprachtherapie absolvieren ließ. Der therapeut lionel logue betreute den Herzog und späteren König und bereitete ihn auf seine ansprachen gezielt vor. Im Jahr 1923 heiratete der Herzog von york die vierte und jüngste tochter des 14. Earl of strathmore und Kinghorne, die er drei Jahre zuvor auf einem ball kennengelernt hatte. Es war Elizabeth bowes-lyon (1900–2002), die nachmalige und in großbritannien bis zuletzt höchst populäre „Queen Mum“. lady Elizabeth war eine nachfahrin König Heinrichs vII., galt jedoch vor den strengen Hausgesetzen der Windsors als bürgerliche. Dabei stammte sie aus einem der ältesten adelsgeschlechter schottlands. Die trauung erfolgte am 26. april 1923 in der Westminster abbey. am 21. april 1926 wurde die älteste tochter Elisabeth geboren, vier Jahre später, am 21. august 1930, ihre schwester Margaret Rose († 2002). Georg VI., offizielles Hofporträt um 1940 I 163 Elisabeth II. Zwischen Tradition und Moderne a Elisabeth in der AuxiliaryTerritorial-Service-Uniform, das heißt als Mitglied der Frauenabteilung des britischen Heeres während des Zweiten Weltkriegs, April 1945 168 I ls georg vI. am 6. februar 1952 starb, wurde seine älteste tochter Elisabeth mit 26 Jahren Königin und oberhaupt des commonwealth. Ihre Krönung am 2. Juni 1953 wurde zum medialen großereignis, das über 300 000 Menschen vor dem fernseher verfolgten. Es war die erste Krönung, die überhaupt im fernsehen übertragen wurde. Die ungeheure Popularität nährte die Hoffnung auf ein neuerliches, elisabethanisches Zeitalter. Das eduardianische war ja die letzte große Epoche nach der langen Herrschaft von Königin viktoria gewesen. statt aufstieg blieb am Ende aber nur der abschied von der Rolle als Weltmacht, bei der es Elisabeths II. Rolle war, der auflösung des britischen Empires mit Würde vorzustehen. KInDHEIt a unD JugEnD m 21. april 1926 wurde Elizabeth alexandra Mary in london im vornehmen stadtteil Mayfair im Haus ihres großvaters mütterlicherseits – des schottischen grafen claude bowes-lyon, 14. Earl of strathmore und Kinghorne – geboren und am 29. Mai gleichen Jahres in der Privatkapelle des buckingham-Palastes getauft. Zu den Paten gehörten unter anderem ihre Eltern Prinz albert, Herzog von york, und dessen frau Elizabeth, Prinzessin Mary als tante väterlicherseits bzw. Mary Elphinstone als tante mütterlicherseits. Der name alexandra geht auf Elisabeths urgroßmutter alexandra von Dänemark zurück, die im Jahr vor ihrer geburt gestorben war. als Kind erhielt Elisabeth den namen „lilibet“, der unter den engsten familienangehörigen bis heute in gebrauch ist. bereits als kleines Kind wurde Elisabeth als vernünftig und artig beschrieben. Winston churchill, der nachmalige englische Premier, charakterisierte sie im alter von zwei Jahren bereits als nachdenklich und zwar in einer für ein Kind ungewöhnlichen art und Weise. Im alter von zehn Jahren, als ihr vater König wurde, rückte sie an die zweite stelle der thronrangfolge, so dass genügend Zeit blieb, sie als künftige Monarchin vorzubereiten. Mit ihrer vier Jahre jüngeren schwester Margaret wurde Elisabeth zuhause unter der aufsicht ihrer Mutter und der schottischen gouvernante Marion crawford unterrichtet. Im Mittelpunkt standen geschichte, literatur, Musik und sprachen, darunter französisch, das sie fließend beherrscht. Religionsunterricht erteilte ihr der Erzbischof von canterbury. Marion crawford veröffentlichte 1950 ohne Erlaubnis des Königshauses eine biografie über die Prinzessinnen, in der sie Elisabeths faible für Hunde und Pferde und ihre verantwortungsbereitschaft hervorhob. Zu ihrer ausbildung gehörte ferner ein studium der verfassungsgeschichte und der Rechtswissenschaften. Darin wurde sie durch Henry Marten, stellvertretender schulleiter des Eton college, unterrichtet. Den Kontakt mit gleichaltrigen stellte die 1937 eigens gegründete Pfadfinderinnengruppe her, die aus Kindern von angehörigen des Hofstaates und angestellten des Palastes bestand. Zwei Jahre später verliebte sie sich in ihren künftigen Ehemann Prinz Philip von griechenland und Dänemark, den sie 1934 erstmals getroffen hatte. beide sind über die gemeinsame zweifache urgroßmutter viktoria miteinander verwandt – als cousin und cousine dritten grades. nach ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurden Pläne laut, die Königskinder außer landes zu bringen, doch niemand hatte mit der Entschlossenheit der nachmaligen Queen Mum gerechnet. sie soll gesagt haben: „Die Kinder werden nicht ohne mich gehen. Ich werde nicht ohne den König gehen. und der König wird niemals gehen.“ Die familie blieb folglich im land – ein symbol des nationalen Widerstandes. Elisabeth und Margaret lebten zunächst bis Weihnachten 1939 im schottischen schloss von balmoral, danach in sandringham House und von Mai 1940 bis zum Kriegsende in schloss Windsor. Hier führten die Prinzessinnen an Weihnachten auch komödiantische theaterstücke auf, deren Erlös dem Wollefonds der Königin zugute kam. Daraus wurden garne angekauft, die zur Herstellung von Militärbekleidung notwendig waren. am 13. oktober 1940 hielt Elisabeth in der sendung „children’s Hour“ („Kinderstunde“) der bbc ihre erste Rundfunkansprache, um sich an evakuierte Kinder ihres alters zu wenden. von februar 1945 an diente sie in der frauenabteilung des britischen Heeres. beim sogenannten auxiliary territorial service (ats), der frauenabteilung des britischen Heeres während des Zweiten Weltkriegs, leistete sie ihren Dienst als Elizabeth Windsor und wurde zur lKW-fahrerin und Mechanikerin ausgebildet. auch übernahm sie mehr und mehr aufgaben ihres bereits schwerkranken vaters. HocHZEIt 1947 heiratete Elisabeth Prinz Philip von griechenland und Dänemark (* 1921). aus der Ehe gingen vier Kinder hervor: charles (* 1948), anne (*1950), andrew (* 1960) und Edward (* 1964). bereits die verlobung war nicht unumstritten, da Philip kein vermögen besaß und, wenngleich britischer staatsbürger, deutsche Wurzeln hatte. außerdem waren seine geschwister wiederum mit deutschen adeligen verheiratet. 1947 waren dies keine guten ausgangsbedingungen für eine Ehe Philips mit der englischen Krönungsporträt Elisabeths II. mit ihrem Gemahl Philip, dem Duke of Edinburgh, Juni 1953 I 169