Schneider, A., C. Scheungraber, H. Ikenberg
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Schneider, A., C. Scheungraber, H. Ikenberg
Zervixkarzinom und HPV Bedeutung der HPV-Testung für die Praxis Achim Schneider, Cornelia Scheungraber, Hans Ikenberg Der Stellenwert der HPV-Diagnostik wird in den gynäkologischen Fachzeitschriften mit zunehmender Intensität diskutiert. Es vergeht kein Monat, in dem das Pro und Kontra der HPV-Diagnostik nicht Thema ist. In der folgenden Übersicht werden daher die Problemstellung, die wissenschaftliche Datenlage, die berufsund gesundheitspolitischen Aspekte und der Ausblick in die Prävention des Zervixkarzinoms erörtert. Etwa 50 % der Frauen in Deutschland unterziehen sich regelmäßig einer zytologischen Krebsvorsorge. Trotzdem ist auch für diese Frauen das Risiko, an Gebärmutterhalskrebs zu erkranken, nicht gleich null. Die Hälfte der Frauen, bei denen ein Gebärmutterhalskrebs diagnostiziert wird, hat in den Jahren vor der Diagnosestellung an der Vorsorgeuntersuchung teilgenommen. Zudem wird auf die Diagnose eines auffälligen Abstriches oftmals nicht adäquat reagiert. Eine kolposkopische Evaluierung bei zytologischer Diagnose PAP III D ist nicht Standard, und durch zytologische Kontrollen kann die Diagnose einer schwergradigen Präkanzerose oder eines Karzinoms verschleppt werden (5). Rund 6.000 Frauen erkranken jährlich in Deutschland an Gebärmutterhalskrebs, etwa 2.400 sterben daran. Eine Änderung des gegenwärtigen Systems erscheint notwendig. Datenlage Humane Papillomviren sind weltweit als der zentrale Faktor für die Entstehung des Zervixkarzinoms gesichert. Zahlreiche In-vitro- und Invivo-Studien wiesen inzwischen nach, dass die HR-HPV-Onkogene (HR = high risk) E6 und E7 tumorigen sind. Die Assoziation von HPV mit Adenokarzinomen der Zervix ist fast genauso stark wie bei Plattenepithelkarzinomen. Daher eignet sich der HPV-Nachweis auch zur Beurtei- lung von auffälligen/pathologischen Abstrichen aus dem Zervikalkanal. Von wesentlicher Bedeutung sind die Viruspersistenz und die Menge der HPV-DNA pro Zelle. Mehrmaliger Nachweis von HR-HPV hat einen weit höheren prädiktiven Wert für eine Progression oder ein Auftreten einer höhergradigen Läsion als ein einmaliger Nachweis. In der Mehrzahl entsprechender Untersuchungen war eine höhere Kopienzahl viraler DNA ebenfalls mit einem höheren Progressionspotenzial verbunden. HPV ist zwar ein notwendiger, jedoch kein hinreichender Faktor für die Entstehung des Zervixkarzinoms. Endogene und exogene Kofaktoren sind unerlässlich. Eine Immunsuppression ist von besonderer Bedeutung. Aber auch genetische Wirtsfaktoren (z.B. HLA-Status und Veränderungen in Tumorsuppressorgenen) sind bedeuten- Screening Verfahren Sensiti- Negativer vität Vorhersage(%) wert (%) HPV-Test 89,4 99,6 Zytologie 20,0 97,5 Kolposkopie 13,3 97,3 Tab. 1: Sensitivität und negativer Vorhersagewert der Screeningverfahren (7). de Faktoren – wenn auch weniger klar definiert. Bei den exogenen Faktoren ist eine unabhängige Rolle gesichert für das Rauchen, eine Chlamydieninfektion, die langjährige Einnahme von Sexualsteroiden und eine hohe Parität. Screening Der Nachweis von HR-HPV im Rahmen des Screenings zur Erkennung von CIN II oder III oder invasivem Karzinom ist signifikant empfindlicher als die einmalige zytologische Untersuchung (89 vs. 20 % nach 7, s. Tab. 1; 68 vs. 27 % nach 6). Dafür liegt die Falsch-positiv-Rate des HRHPV-Nachweises signifikant höher (5,16 vs. 0,27 %) (7). Die hohe Falsch-positiv-Rate wird durch den natürlichen Ablauf der Infektion erklärt: Viele junge Frauen werden mit Beginn der sexuellen Aktivität durch genitale humane Papillomviren infiziert. Innerhalb eines Jahres lässt sich jedoch bei etwa 80 % der Infizierten HPV nicht mehr nachweisen, die Infektion hat somit keinen Krankheitswert. Daher ist im Rahmen des Screenings bei jungen Frauen der fehlende HR-HPV-Nachweis wichtiger einzustufen als der positive HR-HPV-Nachweis: Bei negativem HR-HPV-Nachweis ist das Vorliegen einer schwergradigen Krebsvorstufe oder eines Karzinoms extrem selten. Zudem sinkt die Nachweisrate bei Wiederholung der HPV-Untersuchung um mehr als 50 % ab, sodass durch wiederholte Untersuchung die Größe der zu untersuchenden Kohorte eingeschränkt werden kann (unveröffentlichte Daten). DIAGNOSTIK + THERAPIE HPV-TESTUNG Der HR-HPV-Nachweis ist kosteneffektiv: In einem Simulationsmodell wurde die Kosteneffektivität von 18 verschiedenen Strategien einer Kombination aus Zytologie und HPVNachweis evaluiert (3). Im amerikanischen Gesundheitssystem ist durch eine Kombination von HPV und Zytologie in einem Zwei-Jahres-Abstand FRAUENARZT ■ 43 (2002) ■ Nr. 10 1165 DIAGNOSTIK + THERAPIE eine höhere Kosteneffektivität zu erreichen als mit der zytologischen Untersuchung allein. Triage bei einem atypischen zytologischen Befund Der Nachweis von HR-HPV-Typen kann zur Entscheidung über das weitere Vorgehen bei Frauen eingesetzt werden, bei denen ein zytologischer Abstrich unklarer Wertigkeit diagnostiziert wurde (PAP II oder PAP III; s. Abb. 1). Die Sensitivität für die Identifizierung von Frauen mit zervi- Vorgehen bei atypischem zytologischen Befund PAP-Gruppe IIW oder III HR-HPV Nachweis + – Kolposkopie Kontrolle nach 1 Jahr Auch der positive Vorhersagewert des HR-HPV-Nachweises ist signifikant höher: 19,6 vs. 16,5 %. Für das amerikanische Gesundheitssystem wurde gezeigt, dass der Nachweis von HRHPV bei Frauen mit zytologisch unklaren Veränderungen kosteneffizienter ist als eine wiederholte zytologische Untersuchung (4). Zudem zeigte eine Computer-basierte Modellanalyse, dass zur Abklärung von Frauen mit der Diagnose ASCUS (äquivalent zur PAP-Gruppe IIw oder III) der Reflex HPV-Nachweis das kosteneffektivste Vorgehen ist (2). In einer deutschen Studie konnten 85 % der PAP-IIW-Befunde durch fehlenden HPV-Nachweis vor überflüssiger Abklärung bewahrt werden (persönliche Mitteilung). Leichtgradige Dysplasie, CIN I Abb. 1: Anhand des Nachweises von HR-HPV kann über das weitere Vorgehen bei atypischen zytologischen Befunden entschieden werden. Vorgehen bei leichtgradiger Dysplasie PAP-Gruppe IIID falls Kolposkopie Kolposkopie nicht möglich HR-HPV-Nachweis + Kolposkopie – Kontrolle in 6 Monaten Abb. 2: Leichtgradige Dysplasie: Ist keine kolposkopische Expertise vorhanden oder nicht die gesamte Transformationszone einsehbar, liefert der HR-HPV-Nachweis wichtige Informationen. 1166 kaler intraepithelialer Neoplasie (CIN) II. oder III. Grades oder Karzinom liegt bei 96 % verglichen mit 85 % für die wiederholte zytologische Untersuchung unter optimalen Bedingungen (8; s. Tab. 2). FRAUENARZT ■ 43 (2002) ■ Nr. 10 Für die zytologische Diagnose PAPGruppe IIID gilt die Regel: Kolposkopie und gegebenenfalls histologische Abklärung. Da bei 30,2 % dieser Frauen histologisch eine schwergradige Präkanzerose und bei 1 % ein Karzinom nachgewiesen wird (5), macht der HPV-Nachweis nur Sinn, wenn keine kolposkopische Expertise verfügbar ist (s. Abb. 2). Bis zu 50 % der zytologisch auffälligen Befunde können durch HPV-Negativität entkräftet werden. Wurde eine leichtgradige Dysplasie histologisch gesichert, kann das Risiko einer Progredienz durch einen wiederholten HR-HPV-Nachweis mit hoher Zuverlässigkeit – bei jedoch geringer Spezifität – vorausgesagt werden. Auch hier gilt, dass der fehlende HR-HPV-Nachweis bei einmaliger oder wiederholter Untersuchung auf eine Regression von leichtgradigen Präkanzerosen hinweist. Verschiedene Progressionsmarker stehen zur Atypischer Befund: Triage Verfahren Sensiti- Positiver vität Vorhersage(%) wert (%) HPV-Test 95,9 19,6 Zytologie 85,0 16,5 Tab. 2: Sensitivität und positiver Vorhersagewert von HPV-Tests bei der Triage (8). Auswahl (s. Tab. 3). Die klinische Wertigkeit dieser Marker ist aber bisher nicht gezeigt. Der Nachweis von HR-HPV zeigt bei Zustand nach Konisation die Persistenz oder ein Rezidiv von CIN zuverlässiger an als die zytologische Untersuchung. HPV-Nachweis Humane Papillomviren lassen sich weiterhin nicht einfach in Kultur vermehren. Antigene stehen nur begrenzt zur Verfügung. Außerdem sind serologische Testverfahren zwar für epidemiologische Untersuchungen wertvoll, erlauben aber keine verlässliche Aussage über den individuellen HPV-Status. Standard der HPV-Diagnostik ist daher nach wie vor der HPV-DNANachweis. Hierfür stehen verschiedene Methoden zur Verfügung. Als HPV-Nachweissystem kann für die Routine der Hybrid-Capture-II-Test eingesetzt werden. Zudem verfügen Progressionsmarker bei CIN I ■ wiederholter Nachweis von HR-HPV-DNA ■ Integration von HR-HPV-DNA ■ erhöhter Virusload von HR-HPV ■ Varianten von HR-HPV ■ Genvarianten (Prädisposition) Tab. 3: Der HR-HPV-Nachweis ist ein wichtiger Progressionsmarker bei CIN I. DIAGNOSTIK + THERAPIE verschiedene Labors über die Möglichkeit, HR-HPV mittels PCR-basierter Verfahren nachzuweisen. Beide Methoden sind valide, andere Methoden nur von eingeschränkter Wertigkeit. Die Übereinstimmungsrate zwischen Hybrid-Capture-II-Test und PCR-Verfahren liegt bei 80–90 % (9). Für eine HPV-Testung im Routineeinsatz erscheint gegenwärtig der Hybrid-Capture-II-Test am besten geeignet. Dies ist das Ergebnis einer umfangreichen Analyse, die im Auftrag des englischen National Health Service durchgeführt wurde. Theoretisch gleichwertig sind zwei Consensus-PCR-Systeme (MY09/ 11 und GP5+/6+). Für eine praktische Anwendung ergeben sich (bei ähnlicher Sensitivität, Spezifität und Reproduzierbarkeit) Vorteile für das NichtPCR-System HC-II. Hier besteht die größte Robustheit gegenüber Variationen bei Probenentnahme und Lagerung; außerdem sind die Interlaborvarianzen am geringsten. Zudem ist hier die Sensitivität für alle nachgewiesenen HPV-Typen gleich, und der Cut-off-Wert ist so eingestellt, dass minimale Infektionen fraglicher Wertigkeit nicht erfasst werden. Nachteile des HC-II-Verfahrens sind eine mögliche Kreuzreaktion zwischen den HR-Proben und LR-HPVs (LR = low risk) bei hoher Kopienzahl und das Fehlen einiger selten vorkommender HPV-Typen im HR-Probencocktail. Der HC-II-Test hat als bisher einziger auch eine Zulassung der amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA für den Routineeinsatz erhalten. Das System wurde und wird in mehreren umfangreichen Screeningund Triage-Studien eingesetzt. Der Test unterscheidet gegenwärtig 13 Hochrisiko- von fünf NiedrigrisikoHPV-Typen. Neue Perspektiven Eine verbesserte Version des HC-IIHPV-Tests mit erhöhter Spezifität und einer teilweisen Automatisierung dieses Systems ist in Vorbereitung. Neue PCR-Systeme wie LineProbeAs- 1168 FRAUENARZT ■ 43 (2002) ■ Nr. 10 says (Consensus-PCR mit reverser Hybridisierung mit typenspezifischen Proben) oder die Realtime-PCR zur Quantifizierung der HPV-DNA sind bereits entwickelt. Eine Selbsttestung auf HPV ist bereits jetzt eine realistische Option. Mehrere Studien haben gezeigt, dass im Gegensatz zur Zytologie eine Entnahme einer HPV-Probe durch die Frauen selbst eine ähnliche Sensitivität hat wie die Abnahme eines zytologischen Abstrichs durch medizinisches Personal. Auch therapeutisch stehen neue Perspektiven vor der Tür. Entgegen früheren Annahmen sind humane Papillomviren sehr wohl immunogen. Bei den HPV-Impfungen sind viel versprechende Entwicklungen im Gange. Eine prophylaktische (Schutz-)Impfung wird mittels so genannter VLP (virusähnlicher Partikel) angestrebt. Erste Studien beim Menschen haben begonnen. Die Ergebnisse sind – entsprechend der Entwicklungszeit von CIN – erst in einigen Jahren zu erwarten. Für therapeutische Impfungen bei Genitalwarzen, CIN und Zervixkarzinom gibt es fast 50 experimentelle Ansätze, von denen viele in Tierversuchen schon Wirksamkeit zeigten. Beim Menschen sind in Deutschland die ersten beiden Studien angelaufen, deren Ergebnisse in ein bis zwei Jahren zu erwarten sind. Die lokale Anwendung von Immunmodulatoren als Adjuvans ist ein weiterer interessanter Ansatz. Patientengespräch Wesentlich bei jeder Anwendung der HPV-Diagnostik ist das Gespräch mit den Patientinnen durch Ärztinnen und Ärzte. Die Bezeichnung „Hochrisiko“-HPV ist bei mit der Krebsentstehung verbundenen Viren psychologisch unglücklich. Es ist daher entscheidend, zu vermitteln, dass auch eine Infektion mit HR-HPV nur das Vorliegen eines Risikofaktors und keine Erkrankung bedeutet. Auf Grund der langen Latenzen bei der Progres- sion zum Karzinom bleibt immer genug Zeit für eine risikoadaptierte organschonende Intervention. Ein großes Problem stellt hierbei in Deutschland der Mangel an Kapazitäten in der qualifizierten Kolposkopie dar. Obwohl Teil der Ausbildung und selbstverständlicher Teil der gynäkologischen Untersuchung, dass sie bei Kassenpatientinnen nicht eigens vergütet wird (oder eben genau deshalb), besteht ein extremer Mangel an Kolposkopie-Spezialisten/Spezialistinnen und Spezialsprechstunden. Ein zentrales Anliegen ist die Qualifizierung und Zertifizierung in der Kolposkopie, begleitet von einer leistungsadäquaten Vergütung, wie dies in den USA der Fall ist. Bei einer Screening-Untersuchung jenseits des 30. Lebensjahres ist nur 5 % HPV-HR-Positivität zu erwarten – eine Rate, die sich durch weitere Verbesserungen der Tests auf 3 % reduzieren lässt. Bei Wiederholung des Tests reduziert sich dies nochmals auf die Hälfte. So ist nur bei jeder 50. bis 100. Frau eine kolposkopische Untersuchung notwendig. Die hierfür notwendigen Kapazitäten bereitzustellen ist möglich. Das Argument, der Nachweis einer HR-HPV-Positivität sei nur eine unnötige Belastung, da sich keine diagnostischen oder therapeutischen Konsequenzen ergäben, ist bereits heute nicht zutreffend. Mit der bevorstehenden Einführung von HPVspezifischen Vakzinen gilt dies noch weniger. Wesentlich ist die Feststellung „negativ ist negativ“. HPV-Negativität bedeutet eine fast 100-prozentige Sicherheit, in den nächsten Jahren nicht an einem Zervixkarzinom oder einer hochgradigen Vorstufe zu erkranken. Zu prüfen, ob diese Schutzzeit sogar bis zu zehn Jahren beträgt, ist Gegenstand zur Zeit laufender Langzeitstudien. Wichtig ist es auch, klarzustellen, dass eine HPV-Infektion zwar ganz Ebenso wesentlich ist es, zu betonen, dass HR-HPV-Positivität keine Erkrankung ist, sondern nur das Vorliegen eines Risikofaktors bedeutet. Es ist kontraindiziert, nur wegen HRHPV-Positivität einen therapeutischen Eingriff oder gar eine Hysterektomie zu indizieren. Die Unsicherheit oder Angst wegen auffälliger zytologischer Befunde darf nicht durch HPV-Pseudokrankheit ersetzt oder gar verstärkt werden. Bei allen diesen Frauen mit abnormen zytologischen Befunden ist eine korrekte histopathologische Diagnose und situationsadäquate Therapie möglich. Voraussetzung ist die Fähigkeit zur qualifizierten Kolposkopie. Die Expertise für eine Beratung der Frau und die Entscheidung über situationsadäquate Diagnostik und Therapie zu erwerben ist eine Herausforderung für jede Frauenärztin und jeden Frauenarzt. kunde 167–668 Zellen evaluiert werden. Es lag daher auf der Hand, das menschliche Auge durch automatisierte Analysesysteme zu unterstützen oder zu ersetzen. Nicht zuletzt wegen der hohen Kosten haben sich aber in der zytologischen Routinediagnostik Automatisierungskonzepte bisher nicht durchgesetzt. Das methodenimmanente Qualitätsproblem der zytologischen Untersuchung kann durch einen standardisierten HPV-Nachweis potenziell eliminiert werden. Ein Einsatz des HPV-Tests in der klinischen Routine ist möglich. GKV und PKV erkennen die Diagnose PAP IIW, PAP III und PAP IIID sowie „Zustand nach zervikaler intraepithelialer Neoplasie“, „Zustand nach Konisation“ und das „Vorliegen einer kolposkopischen Auffälligkeit“ als Indikationen zur HPV-Testung an (s. Tab. 4). Wesentlich erscheint nun die Schaffung einer dem Aufwand entsprechenden EBM-Abrechnungsziffer für die HR-HPV-Testung. Gegenwärtig steht hier nur eine extrem knapp bemessene globale Ziffer für „Nachweis von Nukleinsäuren mikrobieller Agenzien“ zur Verfügung. Für das Screening kann der HPV-Test als individuelle Gesundheitsleistung (IGeL) angeboten werden. Der Preis für eine Untersuchung auf HR-HPV variiert hier zwischen 50 und 400 Euro. Politik Die Diskussion über den Stellenwert der HPV-Diagnostik und die Indikation zum HPV-Nachweis wird zwischen Gynäkologen, Zytologen und Pathologen kontrovers geführt. Die zytologische Vorsorgeuntersuchung ist ein subjektives Verfahren mit schwer durchführbarer Qualitätskontrolle. Jeder Abstrich enthält zwischen 50.000 und 200.000 Zellen. Veranschlagt man für die Untersuchung einer Zelle eine Sekunde, so würde die Analyse eines Abstriches zwischen 14 und 56 Stunden dauern (1). Werden nur fünf Minuten pro Abstrich verwendet, so müssen pro Se- Wann wird der HPV-Test von der GKV erstattet? Von (allen) Kassen anerkannte Indikationen: ■ Pap IIW, III und IIID* ■ Z.n. CIN ■ Z.n. Konisation ■ kolposkopische Auffälligkeit* * Kolposkopie mit Biopsie anstatt HPV-Nachweis empfehlenswert Die Screening-Untersuchung wird von der GKV nicht akzeptiert. Tab. 4: HPV und Erstattung durch die GKV. Dabei erscheint eine Ausrichtung an der unteren Grenze des angegebenen Spielraumes gerechtfertigt und empfehlenswert. Ausblick Der Einsatz des HPV-Nachweises unter den oben genannten Indikationen, die von der GKV anerkannt sind, erscheint sinnvoll, wenn die Gynäkologin und der Gynäkologe den Befund richtig interpretieren. Der gezielte Einsatz der Kolposkopie, das Vermeiden einer Übertherapie sowie die kompetente Beratung ohne Verunsicherung sind hier wichtige Bestandteile des ärztlichen Handelns. Gleiches gilt für den HPV-Nachweis im Rahmen des Screenings als individuelle Gesundheitsleistung: Die wissenschaftliche Datenlage zeigt, dass mit dem HPV-Nachweis eine höhergradige Präkanzerose oder ein Karzinom sicherer erkannt werden können. Auch hier ist entscheidend, dass das HPV-Ergebnis richtig interpretiert wird. Zudem kann eine Frau, die sich einem HPV-Test unterzieht, aus einem negativen HR-HPV-Ergebnis vermehrte Sicherheit gewinnen, da sie weiß, dass das Risiko für das Vorliegen und das Entwickeln eines Gebärmutterhalskrebses extrem gering ist. DIAGNOSTIK + THERAPIE überwiegend sexuell übertragen wird, aber keine klassische Geschlechtskrankheit darstellt. In Anbetracht der zum Teil extrem langen Latenz der HPV-Infektion ist eine Zuordnung zu einem bestimmten sexuellen Kontakt nicht möglich. Um Belastungen der Partnerbeziehung zu vermeiden, sollten diese Sachverhalte bei jeder HPVbezogenen Diagnostik aktiv angesprochen werden. Die Kosteneffizienz für ein Screening mit dem HR-HPV-Test unter Routinebedingungen wurde jüngst gezeigt (3). Qualitätssichernde Maßnahmen müssen noch etabliert werden, bevor der Test für den Einsatz im Screening generell empfohlen werden kann. Zudem sollten durch ein Expertengremium Leitlinien erarbeitet werden, die auch für die gesetzlichen Krankenkassen die Entscheidung für oder gegen den Einsatz des HPV-Tests im Screening transparent machen. Nicht zu vergessen ist, dass erste Impfstudien mit HPV-Vakzinen momentan durchgeführt werden und bereits mit ermutigenden Resultaten abgeschlossen wurden. Neben dem Nachweis von Sicherheit, Verträglichkeit und der Induktion spezifischer Immunantworten wurden zum Teil ku- FRAUENARZT ■ 43 (2002) ■ Nr. 10 1169 DIAGNOSTIK + THERAPIE Take Home Messages ■ Der Nachweis von HR-HPV zur Erkennung von CIN oder Zervixkarzinom ist sensitiver als die zytologische Untersuchung. ■ Bei negativem HR-HPV-Nachweis ist das Vorliegen von CIN oder Zervixkarzinom extrem selten. ■ Bei zytologisch unklaren Veränderungen ist die Triage mit Hilfe des HR-HPV-Tests kosteneffizienter als eine Wiederholung der zytologischen Untersuchung. ■ Der HR-HPV-Nachweis für die Routine sollte mit dem Hybrid Capture II oder einem PCR-basierten Verfahren erfolgen. ■ Der HR-HPV-Test zur Abklärung von PAP IIW oder III sowie zur Kontrolle nach Konisation erscheint sinnvoll und wird von der GKV bezahlt. ■ Die wissenschaftliche Datenlage rechtfertigt einen Einsatz des HRHPV-Tests im Rahmen des Screenings als individuelle Gesundheitsleistung. Die Kosteneffektivität des HPV-Nachweises wurde mit einer Modellanalyse gezeigt. ■ Das Wissen für eine adäquate Beratung und für die Entscheidung über situationsabhängige Diagnostik und Therapie der Frau zu erwerben ist eine Herausforderung für jede Frauenärztin und jeden Frauenarzt. rative Effekte erzielt. Es ist davon auszugehen, dass innerhalb der nächsten zehn Jahre prophylaktische und therapeutische Impfstoffe zur Verfügung stehen werden. Gerade bei der Frage, ob eine therapeutische Impfung notwendig ist, ist es wichtig, der Rat suchenden Frau einen HPV-Test anzubieten. Die Gemeinschaft der Gynäkologinnen und Gynäkologen ist aufgerufen, sich aktiv mit diesem Thema auseinander zu setzen und valide Strategien zu entwickeln. Literatur 1. Godfrey SE: The Pap smear, automated rescreening, and negligent nondisclosure. Am J Clin Pathol 111 (1999)14–17. 1170 FRAUENARZT ■ 43 (2002) ■ Nr. 10 2. 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