23.10.2012, Karremann, Pädophile auf Kinderfang
Transcription
23.10.2012, Karremann, Pädophile auf Kinderfang
Manuskript Beitrag: Gefährliche Internetforen – Pädophile auf Kinderfang Sendung vom 23. Oktober 2012 von Manfred Karremann Anmoderation: Es ist schon widerlich, was Erwachsene Kindern so antun können. Pädophile und Sextäter locken in Internet-Chats von Kindern neue Opfer an. Vor allem minderjährige Mädchen. Sie werden in der Anonymität des Netzes belästigt und in Bedrängnis gebracht. Und die Täter rechnen damit, dass die Kinder die schmutzige Anmache für sich behalten. Und überreden sie dann manchmal zu einer gefährlichen Verabredung in der realen Welt. Doch die Belästiger zu belangen - unglaublicherweise so gut wie unmöglich, zeigt Manfred Karremann. Text: Vierhundert Kilometer ist Daniel gefahren. Von Leipzig nach Bremen. Dort will er sich an diesem Sonntagmorgen mit der neunjährigen Julia treffen. Heimlich, ohne Wissen der Eltern. SMS: „Meine das du alleine kommst, net das noch jemand bei dir ist“ Er hat sich in einem Internet-Chat mit dem Kind verabredet. Kino hat er versprochen, den Film „Hanni und Nanni“, ein Eis natürlich auch. Daniel wartet ungeduldig. SMS: „Da schaun wir hanni u nanni od? Wie lange brauchst du zum Kino von dir aus?“ In einem Kinderchat hatte er sich als Schüler ausgegeben. Tatsächlich ist er ein 30-jähriger Mann, der eine Neunjährige missbrauchen will. SMS: „Bitte. Hoffe das es nicht schlimm ist das ich dich ganz ausziehe also bis du nackt bist, also auch dein schlüpfer? Bekommst ja auch die filme u cola u popcorn.“ Julia ist eine Darstellerin. Die Texte bekommt sie nicht zu sehen. Alle Täter sind echt, die Chats original. Wir sind als Julia in den Kinderchats angemeldet. Die Chats beginnen oft harmlos. „lollipopei40“ nennt sich ein Chatpartner. Dann nach wenigen Minuten kommt die sexuelle Anmache. Die meisten Eltern ahnen davon nichts. O-Ton Beate Krafft-Schöning, Initiative Netkids: Eletern haben keine Kontrolle. Im Großen und Ganzen können sie sich gar nicht vorstellen, dass so was überhaupt möglich ist, dass da jemand ist, der von draußen auf mein Kind einwirkt. Die Vorstellungskraft vieler Erwachsener reicht nicht. Und es ist ja auch ein relativ neues Phänomen, dass eben Menschen über ein Medium, ohne selbst in Erscheinung treten zu müssen, hier gegen mein Kind aktiv werden. Die Kinder, die teilnehmen, werden immer jünger, sind Pädophilen auf Kinderfang schutzlos ausgeliefert, sagen uns erfahrene Internetfahnder. O-Ton Rainer Richard, Internetfahnder Polizeipräsidium München: Heute haben sie Acht-, Neun-, Zehnjährige, die in sozialen Netzwerken präsent sind, die im Chat dran teilnehmen, und man kann eigentlich nirgends sicher sein. Auch Chaträume, die speziell für Kinder empfohlen werden, bieten keine besondere Sicherheit für die Kinder, im Gegenteil, wenn ich als Pädosexueller, als Täter Opfer suche, dann weiß ich ja gleich, wo ich die eigentlich finde. „Knuddels“ ist mit 1,9 Millionen Mitgliedern einer der großen deutschen Chatanbieter. Angeblich sicher. Wir loggen uns im Raum „Unter 12“ ein – wieder als neunjährige Julia. Sofort bedrängen mehrere Männer das vermeintliche Mädchen im Kinderchatraum. Wir fragen nach bei „Knuddels“. Schriftlich heißt es unter anderem: Bei „jugendgefährdenden Inhalten“ wird der gemeldete Nutzer sofort gesperrt. Die Täter stört das kaum. Sie melden sich einfach neu an. O-Ton Rainer Richard, Internetfahnder Polizeipräsidium München: So innovativ sind natürlich die Täter auch, die denken sich ein neues Pseudonym aus, und dann geht’s weiter. Das ist eigentlich das große Manko an allen Chatdiensten - auch die für Kinder von verschiedenen Institutionen sogar empfohlen werden. Man kann für Kinder keine Chaträume empfehlen, ganz einfach deshalb, weil in keinem dieser Chaträume muss ich mich als Nutzer authentifizieren, wie es eigentlich notwendig wäre. Viele Täter wechseln auch einfach mit den Kindern in unkontrollierte Programme wie MSN, ICQ oder Skype. Spätestens dann scheint es keine Tabus mehr zu geben. Kinder werden im Netz Hunderttausendfach sexuell ansprochen, sagen die Fahnder. O-Ton Rainer Richard, Internetfahnder Polizeipräsidium München: Aber ich gehe mal davon aus, dass allein in der Bundesrepublik jeden Tag also Kinder im mindestens fünfstelligen Bereich entsprechend belästigt werden, und belästigt, das ist also jetzt noch relativ harmlos ausgedrückt. Die Polizei in Tuttlingen in Süddeutschland hat deshalb ein Projekt gestartet, um Tätern auf die Spur zu kommen: Die Operation Donau. Elf Beamte gaben sich zwei Wochen lang als Kinder aus, waren in einem Internetchat für Kinder und Jugendliche unterwegs. Für die Webcam der Chatpartner wurde eine Ecke des Reviers als Kinderzimmer eingerichtet. Kriminaltechniker erstellten dazu passend ein virtuelles Kind: die zwölfjährige Sabrina. Über Hundert Männer sind sofort auf das virtuelle Kind angesprungen. O-Ton Elmar Forn, Kriminalpolizei Tuttlingen: Der eine fragt jetzt zum Beispiel nach: Bist du wirklich zwölf? Der, wo ich gesagt habe, ich habe die Jogginghose an, der fragt, ob er sie mir ausziehen soll. Und der obere, der fragt jetzt immer noch, ob ich schon einen BH trage. Der fragt: Möchtest du auch, dass ich dich vernasche? Und jetzt fragt er gleich: Was hast du noch an? Ich bin erst zwölf. Und dann kommt ein na und? O-Ton Elmar Forn, Kriminalpolizei Tuttlingen: Was uns halt immer wieder erschreckt hat, war diese offensichtlich nicht vorhandene Hemmschwelle, hier als Erwachsener mit offensichtlich Kindern in Kontakt zu treten, und zwar auf eine Art und Weise, die meines Erachtens rein sexuell motiviert ist. Ein Kind sexuell anzusprechen ist in Deutschland strafbar. Auch im Internetchat. 114 Täter haben die Beamten in nur zwei Wochen identifiziert. Doch die meisten können nicht belangt werden. O-Ton Martin Landgraf, Leiter Kriminalpolizei Tuttlingen: Auffällig für uns war noch der Umstand, dass es auch eine Vielzahl von Taten gab, die wir nicht anzeigen können. Also es war so, dass wir 95 Täter auch identifizieren konnten, die aber nicht verfolgt werden konnten, da objektiv natürlich kein Kind vor dem Computer saß, sondern ein Polizeibeamter, und deswegen ist die Tat natürlich nicht vollendet. So müssen nur 19 der ermittelten 114 Täter strafrechtliche Verfolgung fürchten. Nur die, die über den Chat hinaus zum Beispiel auch noch Kinderpornografie verschickt haben. Eine Gesetzeslücke. Unhaltbar, aus Sicht der Fahnder. O-Ton Rainer Richard, Internetfahnder Polizeipräsidium München: Ich sag’s jetzt mal überspitzt, bei uns muss erst das Kind in den Brunnen gefallen sein, bis die Polizei und Justiz was dagegen machen können. Denn: Immer öfter verabreden Täter im Internet sogar Blind-Dates mit Kindern. O-Ton Rainer Richard, Internetfahnder Polizeipräsidium München: Die Chance, dass ein Kind Opfer wird, auf der Straße, ist meiner Ansicht nach ungleich geringer, als die Chance, dass über das Internet, über den Chat, der Täter sein Opfer kennen lernt, und sich dann irgendwann mal auch mit dem Opfer trifft, später, ohne dass die Eltern natürlich davon wissen. Daniel ist vierhundert Kilometer gereist, um eine Neunjährige zu missbrauchen, mit der er sich im Chat verabredet hat. SMS: „Findest du es schön, dass du mit 9 schon nen festen freund hast und das alles schon erleben kannst? Das unternehmen, anfassen u das mit dem lecken und so.“ Dieser Mann darf wieder nach Hause fahren. Denn er macht sich erst dann strafbar, wenn er ein echtes Kind trifft – und es im schlimmsten Fall zu spät ist. Abmoderation: Der geschilderte Fall wurde der Polizei übergeben. Die ermittelt. Zur Beachtung: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. Jede andere Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten unzulässig und strafbar. Insbesondere darf er weder vervielfältigt, verarbeitet oder zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. Die in den Beiträgen dargestellten Sachverhalte entsprechen dem Stand des jeweiligen Sendetermins.