lass uns immer aufbrechen und nie ankommen eine verzettelung

Transcription

lass uns immer aufbrechen und nie ankommen eine verzettelung
Projektdossier von Corsin Gaudenz
lass uns immer aufbrechen und nie ankommen
eine verzettelung
lass uns immer aufbrechen und nie ankommen
eine verzettelung
das bin ich von vorn
das bin ich von hinten
Ein Theaterprojekt von/mit/über/zu und gegen Hans Jürgen von der Wense
Wense träumte zeitlebens von einem All-Buch, das seine Fragmente, Übertragungen
und Lieder enthalten sollte. Daneben beschäftigte er sich nebst Meteorologie, Ethnologie, Geschichte, Geologie und Heimatforschung mit Musikgeschichte, Maschinenbautechnik und Astronomie. Überdies setzt sich seine Verzettelung in den unzähligen
Wohnorten fort: Wense blieb heimatlos, begriff er sich doch als Bewohner des Himmelskörpers Erde.
lass uns immer aufbrechen und nie ankommen
eine verzettelung
Hans Jürgen von der Wense
Kurzbiographie: *1894 †1966
Nachlass: 30.000 beidseitig beschriebene
Blätter, 40 Tagebücher, 5000 bis 6000 Briefe
und mehrere tausend Fotografien. sowie diverse Kompositionen
Nachlass zugänglich seit: 2009
Zahl übersetzter Sprachen: 100
Kilometer zu Fuss: 42.000
Veröffentlichungen zu Lebzeiten: 50 Seiten
Veröffentlichungen posthum: 5
„Epidot“, „Blumen blühen auf Befehl“ „Geschichte einer Jugend“, „Wanderjahre“ (Verlag
Matthes & Seitz, ediert von Dieter Heim), sowie 2005 die Briefsammlung „Von Aas bis Zylinder“ (Verlag Zweitausendeins, Frankfurt/M).
„Seine Bedeutung wird heute weit unterschätzt. Das ist nicht verwunderlich. Denn er
war weniger ein Schöpfer, als ein Dämpfer. Sein Beitrag zur Geschichte der abendländischen Kultur kommt in der Nichtexistenz von Werken zum Ausdruck. Werken,
die durch sein mutiges, opferbereites Dazwischentreten niemals entstanden sind. Es
ist demnach kein Wunder, dass die Nachwelt, die ja gewohnt ist, die grossen Geister
nach ihrem Schaffen und nicht nach ihrem Unterlassen zu werten, seiner selten, wenn
überhaupt nie gedenkt.“ W. Hildesheimer
lass uns immer aufbrechen und nie ankommen
eine verzettelung
Abstract
Das Projekt „lass uns immer aufbrechen und nie ankommen. eine verzettelung“ ist
ein Theaterstück zum Wenseanischen Kosmos. Der Sonderling Wense, der zeitlebens von einem All-Buch träumte, hinterliess ein riesiges, unvollendetes Werk,
ein barockes Gebilde, das er in immer neuen Ordnungsverfahren umgeschichtet
und mit Anmerkungen versehen hat, bestehend aus Exzerpten, Notaten, Betrachtungen, Reflexionen über Geschichte, Geografie, Landeskunde, Geologie, Astronomie, Genealogie und Wetterkunde.
Das Team um Corsin Gaudenz begibt sich auf Inventarisierungsreise und zeigt
einen Theaterabend, der die Prozesse dieses nicht abgeschlossenes Werkes erzählt und erlebbar macht. Das Theater ist der Ort, wo diese Viel- und Mehrschichtigkeit möglich ist.
Die Arbeit entsteht bewusst in Kooperation mit der Roten Fabrik für die Rote Fabrik und rückt Wenses „Werk“ ins Zentrum. Wir bedienen uns sowohl der Struktur
dieses offenen Werkes, sowie den mehrere tausend Seiten umfassenden Materialien aus Wenses „Dinge“-Mappen.
In der Kreuzung, in der Art und Weise wie Wense Dinge sieht, diese verknüpft,
forscht, erzählt, erkenne ich ein subversives Potential, den Mut zum Anderssein.
Wense ist in diesem Sinne sehr schweizerisch: es ist die feine Art an humorvoller
Kritik, die indirekt verläuft. So wie er das tut, erinnert er an Robert Walser.
Eine Produktion von Corsin Gaudenz in Koproduktion mit der Roten Fabrik Zürich.
„Heute träumte mir, ich sei eine kleine Erbse mitten im Atlantischen Ozean.
Ich erhob mich aus den Wellen und sagte: ‚Mit mir fängt die Landbildung an!‘.
Darauf zerschellte ich am afrikanischen Kontinent.“
lass uns immer aufbrechen und nie ankommen
eine verzettelung
Hardfacts
Spiel
Evelyne Gugolz
Alexander Schröder
Gerrit Frers
Inszenierung Bühnenbild Musik
Dramaturgie Corsin Gaudenz
Frieda Schneider
Klaas Hübner
Jan Rothenberger
Produktion Koproduktion Corsin Gaudenz
Rote Fabrik Zürich
Spielort Fabriktheater Rote Fabrik Zürich
Proben Premiere ab 5. September 2011
20. Oktober .2011 Fabriktheater. Rote Fabrik Zürich
Aufführungen
Gastspiele 5 Vorstellungen (zwischen 20. und 28. Oktober) 4., 5. November im qbus Uster
Weiter Gastpiele sind in Planung
Corsin Gaudenz Mail
Freiestrasse 23, 8610 Uster
+41 78‘ 804‘ 90‘ 48
[email protected]
Jan Rothenberger
Mail
Bülachhof 1/23, 8057 Zürich
+41 79‘ 263‘ 17‘ 74
[email protected]
„Mein Geheimwort ist die Lebensfülle, als Lebensinhalt. Das habe ich mit sieben Jahren erfahren, seitdem habe ich mich nicht weiterentwickelt.“
lass uns immer aufbrechen und nie ankommen
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Hintergründe zu Hans Jürgen von der
Wense Jürgen von der Wense ist einer
der radikalsten Flüchtlinge, den die Literarutgeschichte hervorgebracht hat. Seine
literarischen Arbeiten hat er nicht veröffentlicht, sondern abgelegt und zwar auf zirka
30.000 beidseitig beschriebenen, in 315
farbigen Mappen verwahrten, alphabetisch geordneten Blättern. Sie verblieben
unpubliziert im Zustand einer ungeheuren
Materialsammlung. Wense entzog sich
gesellschaftlichen Erwartungshaltungen,
etwa indem er sich den unerhörten Luxus
leistete, keines seiner Werke zu vollenden.
Anstelle eines Werkes tritt die endlose
Ver- und Aufschiebung. In immer neuen
Anordnungen und Verfahren wird das angesammelte Wissen und Material ergänzt,
kommentiert und neu angeordnet. Wense
hat keine reine Fiktion verfasst, sondern
Fundstücke aus Büchern, Landschaften
und seinem Alltag gesammelt, verwertet
und in sein Schaffen eingebettet. Wenses
Werk ist Prozess: die Konzepte der Speicherung und Aufbereitung ändern täglich.
Die Figur Wense schimmert nur als Spur
durch sein offengehaltenes Werk.
Wense bäckt Kekse mit Eiern des Wissens Wense sammelt, kommentiert, verwertet alles und durchstösst damit eine
scheinbare Ordnung von Wertigkeiten,
kreuzt Wissensgebiete: ein Stein in der
Landschaft, ein altchinesisches Sprichwort,
ein Lied von Schubert stehen gleichwertig
neben- und gegeneinander. Die Trennung
von Leben und Werk, Fiktion und Realität
verwischt.
Theatrale Materialansammlung Bei der
Umsetzung geht es mir weniger darum die
Lebensstationen Wenses nachzuzeichnen, sondern vielmehr darum seine Werkkonzeption herauszuschälen und durch
Übersetzung in unterschiedliche Bühnensprachen vielschichtig wahrnehmbar
zu machen. Das Stück - die performative
Annäherung - ist als Versuch zu verstehen
dem Phänomen Wense habhaft zu werden. Das Phänomen Wense besteht wesentlich aus einem permanenten Aufschub
und Entzug. So als jage man einem Gerücht hinterher. Wense ist flüchtig und das
ist sein Reiz. Musikalische, dynamische,
sprachliche, installative Momente verflechten sich mit dem Ziel einer „Innenansicht“:
Als blicke man mitten ins aufgeschnittene
Gehirn von Wense, wo eine Vielzahl von
Vorgängen und Bildern gleichzeitig stattgefunden haben müssen
Ausrichtung Die Bühne ist der Ort, wo diese Verknüpfungen möglich werden: Was
Wense ein Leben lang gemacht hat, das
möchten wir auf einen Abend kondensieren: die Gleichzeitigkeit von Ungleichzeitigem. So verwandeln wir uns für kurze Zeit
in einen Hochleistungspeicher und begeben uns auf Suche ohne Ziel und Ufer. Es
entsteht ein theatrales Gesamtkunstwerk,
das nicht nur eine Gleichberechtigung der
Darstellungsebenen aufweist, sondern
auch eine Vielzahl an implementierten
Mitteln erkennen lässt. Ein Stück, das die
Poesie, die ungheure Sprachkraft Wenses,
die überdimensionierte Sammel- und Verknüpfungsgabe zum Inhalt hat. Ich erhebe
keinen Anspruch auf eine geschlosse, lineare Stückvorlage. Die offene, prozesshafte
Herangehensweise soll im Resultat verkörpert sein.
„Die Wissenschaft soll nichts sein, als Museum. Bestandesaufnahme des
Scheins. Wörterbücher, Kataloge, Texte, Urkundensammlungen, das sind die
grossen Werke.“
lass uns immer aufbrechen und nie ankommen
eine verzettelung
Lebensläufe
Corsin Gaudenz (*1980 in Hallau) ist
Künstler und Autor im Bereich Theater und
Performance. Studierte Schauspiel an der
HMT in Zürich, arbeitete als Schauspieler
und Tänzer. Ab 2006 folgte eine künstlerische Neuausrichtung: Studium an der
Universität Zürich und an der Universität
der Künste in Berlin mit Abschluss MA of
Arts. Zahlreiche Recherchen und Projekte
im Bereich Theater, Video, Text u.a. für das
Theaterspektakel/Rote Fabrik, Theatermaschine Giessen, Tanzhaus Zürich, Theater
Hebbel am Ufer (HAU). 2009 realisiert er
eine Arbeit zu Hans Jürgen von der Wense in den Uferhallen Berlin. 2008 erhält er
Lizenziatsarbeit dreht sich um den Wiener
Satiriker und Dramatiker Karl Kraus. Diverse journalistische Arbeiten. Zurzeit angestellt beim Zürcher Blogwerk-Verlag als
Online-Journalist.
Frieda Schneider (*1966 in Berlin) studierte zuerst Architektur. Nach ihrem MA
für Bühnenbild und Kostüm arbeitete sie
als Assistentin für das Team Anna Viebrock/Christoph Marthaler. Als Bühnen- (und
Kostüm-)bildnerin arbeitete sie u. a.: am
NTGent, Hotel Waldhaus Sils, der Roten
Fabrik Zürich, Theater Neumarkt, Theater
Winkelwiese, Tanzplan Berlin mit Christoph Marthaler, Chris Kondek, Erik Altorfer,
Katja Gaub und Corsin Gaudenz.
Alexander Schröder (*1965 in Stuttgart)
verlässt mit 16 Jahren sein Elternhaus
und wird Hausbesetzer in Berlin. Nach der
Schauspielausbildung an der HdK in Berlin Engagements an der Schaubühne Berlin und in Dresden (1994 - 2001). Seitdem
arbeitet er frei, unter anderem in Salzburg,
Leipzig, Hamburg und Hannover und Berlin. Er unterrichtet Schauspielstudenten in
Berlin, Dresden, Weimar, Leipzig, Salzburg
und Kairo. In Zürich war er zuletzt in Chirs
Kondeks „dead cat bounce“ in der Gessneralle Zürich zu sehen.
einen Werkbeitrag der Stadt und des Kantons Schaffhausen.
Klaas Hübner (*1979 in Obershagen) ist
Musiker und bildender Künstler. Studierte
erst Landwirtschaft an der Humboldtuniversität, bevor er an der Kunsthochschule
Weissensee, Sparte Skulptur, Kunst studierte. Musik im Bereich improvisierte analoge elektronische Musik und Klanginstallationen. Aufführungen und Ausstellungen
in Gallerien und internationale Festivals in
verschiedenen Konstellationen.
Jan Rothenberger (*1981 in Altstätten)
hat an der Universität Zürich und der Berliner Humboldt Universität Germanistik,
Wirtschaft und Philosophie studiert. Seine
Evelyn Gugolz (*1977 in Zug) arbeitete nach dem Studium an der Hochschule
für Musik und Theater (HMT) in Zürich als
freie Schauspielerin für Theater und Film
unter anderem mit Christoph Frick am
Stadttheater Bern, mit Wolfgang Küppel für
das Schlachthaustheater in Bern, mit Karin
Arnold für Freischwimmer, mit der Theatergruppe „Zamt und Zunder“, Spiegeltheater
in Zürich, sowie am Schaupiel Essen mit
Anselm Weber.
Gerrit Frers (*1982 in Westerstede) studierte an der HMT Zürich Schauspiel. Während dieser Zeit stand er unter anderem mit
FarADayCage an der Gessnerallee sowie
am Theater Neumarkt, dem Theater Basel
und dem Theatre Vidy in Lausanne auf der
Bühne. Von 2007 bis 2010 war er Ensemblemitglied des Kieler Schauspielhauses.
Seit Beginn der Spielzeit 2010/2011 wieder
in Zürich, wo er unter anderem am Theater
Winkelwiese unter der Regie von Stephan
Roppel und Hannah Steffen zu sehen war.
„Lieben sie Giraffen - ich sehr. Wenn ich heiraten könnte, nur ein Tier. Eine
Giraffe.“