Sarah Kirsch: Drachensteigen
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Sarah Kirsch: Drachensteigen
GDR Bulletin Volume 6 Issue 3 Fall Article 17 1980 Sarah Kirsch: Drachensteigen Lisa Kahn Texas Southern University Follow this and additional works at: http://newprairiepress.org/gdr This work is licensed under a Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 License. Recommended Citation Kahn, Lisa (1980) "Sarah Kirsch: Drachensteigen," GDR Bulletin: Vol. 6: Iss. 3. http://dx.doi.org/10.4148/gdrb.v6i3.541 This Review is brought to you for free and open access by New Prairie Press. It has been accepted for inclusion in GDR Bulletin by an authorized administrator of New Prairie Press. For more information, please contact [email protected]. 'Gerade in ihren "Alte-Leute-Geschichten" Kahn: Sarah Kirsch:"Die Drachensteigen römischen Männer scharwenzeln vorüber, zielt der Erzählgestus der Beate Morgenstern spucken hübsche Wasserstrahlen in Marmorbekauf die individuelle Befindlichkeit der ken und die ganz scharfen Carabinieri - warrrn Alten und der heranrückenden Generationen, fällt mir das Militär immer noch ein - halten auf ihr geschichtlich gewachsenes Verhältnis Wache mit Federhüten und rauchen; alles anders wie auf ihr gegenseitiges Verständnis als als in Preussen, selbst die Uhrzeit, und der Frage der Ethik der sozialistischen GesellMond liegt quer ach wie danke ich meinem schaft. Die notwendige Erfahrung der vorletzten Staat, daß er mich hierher kataälteren Generation darf nicht verlorengehen, nultierte." (bankbillett,"S. 26) denn sie wird für Heute und Morgen unabdingbar Fast alle Gedichte und Prosa-Pnssagen sind gebraucht. Der hier formulierte Lebensin der ersten Person sing., einige in der anspruch, nicht allein zu sein, sondern sich ersten Person p l . , sodaß der Leser versucht dem Nächsten aufzuschließen, nicht sinnlos i s t , das lyrische Ich mit dem der Autorin zu Lebens7eit zu verschleudern, sondern immer identifizieren, was umso näher l i e g t , da schon wieder die Möglichkeiten von Humanitätsdie Anordnung der Gedichte den deutlichen gewinn zu erproben, i s t auch von produktiven Schnitt zwischen Ost und West (DDR und Italien) Elementen des Pietismus der Herrnhuter erkennen läßt. "Mein Kind, das als Geisel in Brüdergemeine, in deren geistigen Umkreis Berlin-Mitte geblieben war," i s t eben Kirschs die Autorin aufwuchs, gespeist worden. Die Sohn (V.', S. 11), wie er auch der Ritter de verinnerlichte Frömmigkeit der Herrnhuter Fleur Rouge i s t (De Fleur Rouge J'S. 9 ) . Also wird genutzt zum Aufschließen innerer Lebenseine sehr private, eine benennende Lyriksammwirklichkeit; der rege Brudersinn und die lung, in der sich auch naiv-bezaubernde, weil praktische Nächstenliebe erheischen den völlig unreflektiert wirkende, Leibesgedichte Respekt vor dem Leben des anderen wie die befinden: "Ich lebe in Saus und Braus, du Anregung, tiefer über menschliche Qualitäten spazierst/In meinem Kopf den ganzen/Verrüknachzudenken und sie auch dort aufzusuchen, kten Sommer. Schwanzsterne ziehn/Und von wo ihre Äußerung gehemmt i s t . Menschlichkeit denen Kometen strahln mir die Augen," (ü"etzt" wird also nicht im Raum des Unverwirklichten S. 45) und "...ich hab/D^s Schreibzeug aufm aufgesucht. Es geht der Autorin um die Küchentisch und lebe und lebe/Und lebe immer Ausstattung ihrer Zeitgenossen mit Zuversicht noch und mein Geliebter/Hat Locken und Kleider um den Verweis auf die Lösbarkeit der aus Samt und Seide und schöne/Achtfüssige mene^' iiichen Probleme durch den Menschen. Hunde, die bringen/Mir Stiefel und Feuer und Der Anspruch i s t in dieser Gesellschaft Flamme, was zu rauchen und dann/Kommt er erfüllbar; aber aus der Möglichkeit muß selbst." (tBrief; S. 47) Wie im obigen Gedicht immer wieder die Wirklichkeit gemacht werden. überschneiden sich Märchenhaftes und Bildhaftes häufig bei der Dichterin — z.B. der Klaus Hammer achtfüssige Hund — oder wenn sie ihrer PhanFreidrich-Schiller tasie Lauf läßt wie hier: "Das Bett hat sich/ Universität, J<gRa Weit von d<&r Wand entfernt, die Bewegung/Ist groß, in zwei Wochen/Steht es auf der Piazza ******** Navona," (Verlorenes. 46). Drachensteigen. Von Sarah Kirsch. Sicherlich i s t es gewagt, nach einem so Ebenhausen bei München: Langewiesche-Brandt. schlanken Bändchen Vermutungen über neue 1979. 49 Seiten. Trends in Kirschs Dichtung anzustellen. Es scheint mir, daß sich drei abzeichnen lassen: Drachensteigen i s t mit vierzig Gedichten und der erste in der Richtung zur Prosa (im kurzen Prosatexten ein schmaler Band im VerRückenwind gab es nur zwei Prosagedichte, im gleich zu Kirschs 1977 im gleichen Verlag vorliegenden Band zwölf), der zweite vom erschienenen Lyrikband Rückenwind (mit vierund- Moll-Klang zum Dur, der dritte von der Fülle siebzig Gedichten). Inhaltlich beschränkt zur Detailauswahl. Wie gesagt, dies sind sich die Dichterin auf ihre Welt aus persönRichtungen, Vermutungen über Richtungen. licher Trauer, persönlichem Glück. Es gibt Der T i t e l des Bandes stammt aus dem Gedicht keine Briefe an Könige, keine Beschwörungen "Der Rest des Fadens"(S. 16). Darin spricht Bettinas. Ab und zu wird über das Private sie von dem "Stern aus Papier" und meint den hinaus allgemein Gültiges ausgesagt, z.B.: Drachen. Für uns sind ihre Gedichte Sterne "Wenn ich in einem Haus bin, das keine Tür aus Papier, Stern auf Papier, aber wir möchhat,/Geh ich aus dem Fenster." ("Trennung,"S. ten sie nicht entschwinden sehen, sondern 15) oder: das d§jä-vu-Erlebnis beim Anblick noch sehr viele von dieser begabten, phandes E l Campo von Siena (Die Toscana" S. 30) tasiereichen Frau geschenkt bekommen. oder: bei den römischen Beobachtungen: Published by New Prairie Press, 1980 1 Geschlechtern und das Wandelbare und Prekäre i n Iss. zwischenmenschlichen Beziehungen, besonDie Gedichte lassen s i c h ohne weiteres GDR mitBulletin, Vol. 6 [1980], 3, Art. 17 ders i n der Sphäre des Erotischen. Die perStudenten im 3« Jahr lesen, die kurzen sogar sonale Isolation wird dabei nur selten übermit Studenten im 2. J a h r . wunden. Es b l e i b t abzuwarten, wie Löffler sich weiter L i s a Kahn entwickeln wird. Nicht a l l e s i n dem v o r l i e Texas Southern University genden Band i s t gelungen, doch findet der Leser Texte, die ihn ansprechen und sich ihm ein•»«»**** p r ä g e n . Das g i l t besonders für einige der kurzen Gedichte, wie beispielsweise dem f o l genden ( b e t i t e l t "Aktion"): "Die Hand/greift Wege, Gedichte und Geschichten. Von Hans den Stein/löst langsam sich/von ihm:/ L ö f f l e r . Edition Neue Texte. B e r l i n und schweigt." Weimar: Aufbau-Verlag. 1979. 135 S e i t e n . 4,50 M. Hans L ö f f l e r wird auch dem Leser, der s i c h s p e z i e l l für die L i t e r a t u r der DDR interess i e r t und die dortige l i t e r a r i s c h e Entwicklung wahrzunehmen bestrebt i s t , kaum bekannt s e i n . In dem Band "Auswahl 78" hat der 19^6 geborene Lyriker und Prosaist einige Gedichte v e r ö f f e n t l i c h t , und das vorliegende Werk kann a l s sein eigentliches s c h r i f t s t e l l e r i sches Debüt betrachtet werden. Beim ersten Lesen der Kurztexte, Gedichte und Geschichten fällt auf, daß einige Texte an die Keunergeschichten Brechts erinnern und diesen nachgebildet sind ("Uber das Warten," "B. und die S e l b s t m ö r d e r i n , " "B's F ä h i g k e i t z u z u h ö r e n , " usw.). Ein B e i s p i e l ("Uber den Wald") mag die Brecht-Nähe verdeutlichen: "Im t i e f s t e n Wald t r a f B. einen Mann, der wie er dort spazierenging. Als der Mann B. sah, sagte er e r f r e u t : 'Daß es so etwas noch g i b t l ' Worauf B. sagte: 'Wir s o l l t e n darauf achten, daß es den Wald noch lange g i b t . Dich und mich gibt es.' " Löffler weilt im A l l t ä g l i c h e n , zeichnet vertraute Begebenheiten auf, versucht die Gefühlswelt (seine eigene und die der anderen) zu erfassen, wirft dabei Licht auf das Unausgesprochene, das nur unter der Oberfläche Wahrzunehmende im Verhalten der Menschen zueinander, unternimmt auch Kommunikationsversuche, die jedoch meist i n Traurigkeit und A l l e i n sein münden (z.B. "Sechs Tage hinter der Traurigkeit," "Langsam v o l l z i e h t es s i c h , " " A l l e i n e " ) . F ü r Gruppensituationen hat er einen scharfen Blick (z.B. "Der Regen," "Ein Abend i n der Dorfkneipe," "In den Masuren, 1976"), doch steht dabei der einzelne im Zentrum des Interesses. Bisweilen werden auch nationale Charakteristika und i n der jüngsten Geschichte bzw. der Gegenwart begründete Probleme ins B l i c k f e l d gebracht. Dies kann mit ä ußerster Sparsamkeit ("Die Einladung") oder mit einer Fülle von Details ("Einstellung auf eine R e a l i t ä t , die mehr voraussetzt a l s nur G e w ö h n u n g " ) geschehen. Eines seiner Hauptthemen i s t die Kontaktsuche /.wischen den f http://newprairiepress.org/gdr/vol6/iss3/17 DOI: 10.4148/gdrb.v6i3.541 S i g f r i d Hoefert University of Waterloo Canada Arbeiten mit der Romantik heute. Ed. by Heide Hess, Peter Liebers. Schriftenreihe des P r ä s i d i u m s der Akademie der K ü n s t e : Sektion L i t e r a t u r und Sprachpflege, Arbeitsheft 26. B e r l i n : Akademie der Künste d« Deutschen Demokratischen Republik, 1978.i e r 165 pages. Arbeiten mit der Romantik heute represents past and present s o c i a l i s t thinking about German Romanticism. The f i r s t part of the volume contains t h i r t y - e i g h t essays, s i x of which are o r i g i n a l contributions. A second section includes "Beiträge aus dem Erbe" with pieces from Heinrich Mann, Georg L u k ä c s , Alfred K u r e l l a , F r i e d r i c h Wolf, Bertolt Brecht (but not Anna Seghers). A Quellennachweis, Auswahlbibliographie der i n der DDR erschienenen Romantik Ausgaben, and a Personenregister make t h i s an extremel y useable volume f o r anyone interested i n the current reception of Romanticism i n the GDR. For the most part the essays are quite recent. Nearly half have been p r i n t ed since 1975» Some selections are easily accessible (the Sinn und Form exchange of Kunert and Goldammer),others appeared i n smaller publications less widely available i n North American L i b r a r i e s , or were o r i g i nally Referate or Diskussionsbeiträge at professional meetings. What seems to motivate the current Romantikwelle i s a desire to broaden the notion of a l i t e r a r y heritage which i s i n keeping with the s p i r i t of socialism, yet which also allows f o r a greater expression of i n d i v i d ualism and leaves room for the i r r a t i o n a l or at least f o r the emotional. It seems to r e f l e c t simultaneously a reassessment of Classicism, especially the figure of Goethe and thus suggests a p a r a l l e l i n 2