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REPORTAGE Marlin Cup 16 boote 2/09 Hochseetaugliche Sportanglerboote fristen hierzulande eher ein Schattendasein. Auf den Kanaren ist das anders. Dort gehen zwischen Mai und September teils bis hundert meist perfekt ausgerüstete dicke Pötte auf die Jagd nach einer kapitalen Raubfischart namens Marlin. N Auch bei „schwerer See“: Hoffen auf einen Biss. Die kleinen Bilder oben zeigen, dass eine Beute wie ein Marlin die ganze Kraft des Anglers erfordert, unten die engagierte Angelgemeinschaft. ach fast fünf Stunden auf See passiert es endlich.„Maschine stopp!“, schreit Vincente Guerra seinem Bruder Antonio vom Achterdeck aus zu. Blitzschnell bringt der 43-Jährige die Kupplung seiner überdimensionalen Angelrolle auf die Position „manuell“. Der Grund: Ein kapitaler Biss hatte kurz zuvor mit lautem Surren den automatischen Abspulmodus ausgelöst. Ein Blauer Marlin,schätzungsweise fast 250 Kilo schwer, hängt am anderen Ende der Leine und kämpft mit aller Kraft um sein Leben.Jetzt kommt alles darauf an,nur keine Fehler zu machen. Weder beim Drill, dem intervallartigen Einholen der Angelsehne,noch beim Manövrieren mit dem Boot. Mit bis zu 40 Kilo zerrt der schwertfischartige Meeresbewohner an der geflochtenen gelben HightechSehne. boote 2/09 17 REPORTAGE Skipper Antonio hat seine 10,80 Meter lange Bénéteau Antares in langsame Rückwärtsfahrt gebracht, immer bemüht, die Schiffsbewegungen dem Bewegungsdrang der Beute anzupassen.Vincente,durchstählter, braun gebrannter Sportlertyp, hat die nur 1,70 Meter lange, dafür aber aus achtzehn Lagen Karbon gebackene Rute jetzt im Fußhalter des „Fighting Chair“ verankert und reißt mit Ganz oben: Eilig geht’s hinaus. Mitte links: Pascual Duran aus Barcelona ist stets dabei. Links: typische Convertibles mit Tower. 18 boote 2/09 seinem muskulösen linken Oberarm am Rohr, sobald er spürt, dass der Zug darauf etwas nachlässt.Den rechten Arm braucht er für die Rolle, denn trotz eines für Hobbyangler gigantisch anmutenden Hebels ist jede Aufholumdrehung bei diesem dicken Brocken hier Schwerstarbeit.Deshalb springt ihm sicherheitshalber auch Miguel, unser dritter Sportangler an Bord, bei, indem er den Spezialsitz von hinten mit seinem ganzen Körpergewicht niederhält. Miguel hat aber noch einen anderen Job. Schließlich sind wir hier draußen vor der Ostküste Fuerteventuras nicht auf einem Privatangeltrip, son- So fängt man große Fische: An Bord der „Gran Valle“ befinden sich amerikanische Edelruten im Wert von mehreren Tausend Euro. dern beim „Marlin Cup Marina Rubicon“, einem offiziellen Sportangelwettkampf, der für die nationale spanische Meisterschaft zählt und der deshalb ganz bestimmten Wettkampfregeln unterliegt.Diese besagen zuallererst: „Möglichst kein toter Fang!“ Früher wurden die gefangenen und getöteten Fische wie bei einer Großwildjagd nach Ende des Wettkampfs im Hafen ausgestellt und ihr Fleisch entweder verschenkt oder für wohltätige Zwecke versteigert.Mittlerweile ist die Spezies der Segel- oder Speerfische, zu der Marline gehören, immer seltener. Deshalb befolgt der spanische Ableger der interna- tionalen „Billfish Foundation“ seit 2008 neue Regelungen.Diese schreiben vor, die Beute so nahe ans Boot zu pullen, dass ein Foto gemacht werden kann. Anhand der Fotos identifiziert dann später ein Wettkampfgericht,um welche Marlinart es sich beim Fang handelt. Miguel muss deshalb einen Moment lang Vincente allein lassen und in den Salon sprinten, um eine kleine Einmalknipse vom Kartentisch zu holen. Außerdem muss er mitten im Getümmel auch noch per Seefunk Kontakt zur Wettkampfleitung an Land aufnehmen,um zu klären,welchen der fünf vornummerierten Brief- Neue Regeln: fangen und fotografieren, aber nicht töten umschläge er beim Foto-Shooting vor den Fisch halten soll. Die hübsch mit Sponsorlogos verzierten Umschläge dienen als zusätzliche Sicherheit, um Manipulationen beim Kampf um die hohen Geld- und Sachpreise auszuschließen. Immerhin geht es um einen Hauptpreis von 30 000 Euro. Den gewinnt diejenige maximal sechs Personen starke Crew,die es an zwei Tagen schafft, mindestens fünf Blaue Marline zu fangen. Ein sinnigerweise weißes Saab-Cabrio winkt hingegen als zweithöchster Preis für den Fang von fünf Weißen Marlinen, einer sehr viel kleineren Unterart. Sollte keines der insgesamt 51 gestarteten Boote das schaffen, winkt als Sonderpreis noch eine Reise ins Marlin-Paradies Mexiko, wo alljährlich Ende Mai in Cabo de San Lucas die Weltmeisterschaften stattfinden. Das, was die „Alde Baran“-Crew aus Las Palmas gerade am Haken hat, ist deshalb der Traum aller, die seit neun Uhr morgens vor den boote 2/09 19 REPORTAGE Laut Greenpeace sind von den großen Fischen, zu denen auch der Marlin gehört, seit Beginn der industriellen Fischerei in den 1950er-Jahren 90 % der Bestände vernichtet. „Cup“-Marline hingegen werden nah ans Boot gepullt und fotografiert. Das war’s dann auch. 20 boote 2/09 Von links nach rechts:Titos Angelkumpel Juan Montenegro. – Shimano baut nicht nur Fahrradzubehör. – Tito Mesa auf seiner 50er-Bertram. FOTO: ISTOCKPHOTO/CHRIS PENDLETON Samt Haken und Plastikköder entkommt die Beute im Ozean gentümlichen Flossenkamm auf dem Rücken aus dem Meer steigen und sofort wieder dorthin zurückklatschen. Das alles hat nur Sekunden gedauert, aber gereicht,um auch mich ins Fangfieber zu versetzen. Ich male mir schon aus, wie das Ungetüm sich wohl in Bootsnähe benehmen würde,als Vincente plötzlich am Heck steht und einen langen spanischen Fluch ausstößt. Die Rute hat er jetzt wie einen Speer gereckt, er sieht in dieser Pose aus wie ein altertümlicher Krieger. Plastikköder,Haken und Beute sind in den Tiefen des Atlantiks östlich Fuerteventuras verschwunden, die 80-pounds-Leine gerissen. Warum, wieso? Das werden wir wohl nie erfahren! „Ich hätte auch diese Sehne vor dem Turnier austauschen müssen“, sagt Antonio, bringt die Convertible wieder auf Kurs und informiert die Wettkampfleitung lapidar mit „Fang um 13.38 Uhr verloren“. Dann machen wir mit der Bénéteau wieder das, was wir nach der kurzen,schnellen Ausfahrt aus „Marina Rubicon“ bereits seit den Morgenstunden getan haben: Wir ziehen mit fünf bis sechs Meilen Speed vier Schnüre hinter uns her, die teilweise an „Outriggers“ genannten Teleskopauslegern befestigt sind. Einige der bunten Plastikköder sieht man vom für Fishermans oder Convertibles charakteristischen hohen Steuerstand aus übers Wasser rutschen. Die grellbunten stets ausgefransten Kunstköder hängen in Abständen zwischen 20 und 40 Metern hinter dem Boot. Zwei der bis zu 40 Euro teuren Stücke hat Antonio so eingestellt, dass sie in einigen Metern Tiefe laufen. „Die Marline jagen hauptsächlich zwischen null und 30 Metern Wassertiefe“, weiß der studierte Apotheker. Bei der Jagd an der Wasseroberfläche würden sie ähnlich Forellen ihre Beute im Sprung erhaschen und dabei zugleich verschlingen. Um ihre bis zu 750 Kilo- gramm schweren Körper überhaupt aus dem Wasser zu bekommen, müssen die Tiere vorher ungeheuer stark beschleunigen. Mit einer Geschwindigkeit bis zu 100 km/h gehören die Marline zu den schnellsten Schwimmern überhaupt, werde ich später vom amerikanischen Fischereibiologen William Boyce erfahren, der als Turnierrichter auf die Kanaren gekommen ist. „Es ist das schönste Angeln, was du dir überhaupt vorstel- len kannst“, sagt Vincente, nachdem er durch erfolgreiches Adrenalinmanagement wieder zur Ruhe gekommen ist, und fügt dann hinzu „aber ohne Fisch ist es stinklangweilig!“ Immerhin kann sich die dreiköpfige Crew auf der vergleichsweise kleinen „Alde Baran“ damit trösten, dass es außer ihnen nur neun Booten überhaupt am ersten Wettkampftag gelungen ist,etwas an den Haken zu bekommen. Davon hat über die Hälfte den FISCH UND CUP-REVIER Der Marlin ist ein kräftiger Raubfisch und gehört zu den Fächer- und Speeroder Segelfischen. Er besitzt einen torpedoförmigen Körper mit einer hohen, segelartigen ersten Rückenflosse, langen, schmalen Brustflossen und einer sichelförmigen Schwanzflosse. Bei der Verfolgung seiner Beute erreicht ein Blauer Marlin Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 100 km/h und ist damit einer der schnellsten Fische der Welt. Marline (weibliche Tiere) können bis zu 750 kg schwer werden. Sie sind in den warmen, gemäßigten, subtropischen und tropischen Zonen der Weltmeere heimisch. LANZAROTE Arrecife El Golfo Puerto Calero Marina Rubicón Punta Papagayo Straße von La Bocaina Playa Blanca I S L A D E LO S LO B O S FUERTEVENTURA 0 15 sm boote 2/09 21 KARTE: HEINZ HUCHTMANN Küsten Lanzarotes und Fuerteventuras auf Fang hoffen. Genau tausend Punkte brächte der kapitale Bursche, der sich jetzt schon fast zehn Minuten lang mehr oder weniger erfolgreich zur Wehr setzt und dabei den athletischen Vincente ganz schön ins Schwitzen bringt. „Sieh mal, dort springt er“, schreit mir Vincente zu,nickt dabei nur mit dem Kopf in die ungefähre Richtung. Tatsächlich sehe ich, etwa dreißig Meter über die Backbordheckkante gepeilt,ein blaugraues Etwas mit einem ei- REPORTAGE Jede Crew muss die Koordinaten ihrer Fangstelle per Funk melden Convertibles sind seetüchtig und bei Bedarf richtig schnell. Manche der 12 bis 26 Meter langen Boote ragen mit drei Etagen in den Himmel. Fang nach kurzem Kampf wieder verloren.„Beim Marlin Cup gibt es nie viel Fisch“, weiß Antonio. Er hatte diesmal Glück, seinen Freunden von der „Pura Vida“ gefolgt zu sein. Deren Entscheidung, Richtung „Las Tetas“ („Die Brüste“) zu fahren, brachte schon nach gut zwei Stunden den ersten Fang des Turniers.Antonio,der zunächst auf Südkurs parallel zur Küste Fuerteventuras war, schwenkte kurz entschlossen um,als er per Handy vom Fangglück der Freunde erfuhr. Nach unse- rem missglückten Fangversuch kreuzen jetzt sieben weitere Boote an der Stelle mit dem charakteristischen Namen. Sie liegt ungefähr acht Meilen vor der Ostküste Fuerteventuras. Zwei Unterwasserberge steigen hier aus tausend Metern Tiefe fast bis zur Oberfläche empor. Auf Turnieren sei das immer so, weiß Vincente. Wenn es irgendwo einen Biss gibt,eilen alle Boote,die sich in der näheren Umgebung befinden, meist in kürzester Zeit zur Fangstelle. Dafür gibt es zwei Gründe. Ers- „Schweres Wetter“ am ersten Turniertag: Eine Riviera stampft im kanarischen Starkregen voran. 22 boote 2/09 tens: Laut Reglement müssen die Crews ihre Position im Moment des Fangs per Funk der Wettfahrtleitung bekannt geben. Zweitens: Marline kommen häufig in Kleingruppen vor. Die vom Körperumfang her größeren Marlinweibchen werden dann von mehreren Männchen eskortiert. So besteht immer die Hoffnung, dass weiterer Fang in der Nähe ist, wenn es zu einem ersten Anhaken kommt. Bis zum späten Nachmittag ist das auf der „Alde Baran“ leider nicht mehr der Fall. Außer einem Delfin, der neugierig das Boot umkreist, haben wir keinen weiteren Kontakt mit den Meeresbewohnern. Langweilig ist es deswegen keineswegs. Schon unmittelbar nach dem Start hatte ein heftiges Unwetter mit Starkregen für Kurzweil gesorgt. Intensive Gespräche über Boote und Revier mit den liebenswürdigen Jungs aus Las Palmas lassen jetzt auch den Nachmittag nicht lang werden. Bei Bier und Bocadillos – belegten Broten,die auf keinem spanischen Ausflug fehlen dürfen – erfahre ich, dass Antonio während der Saison fast jedes zweite Wochenende mit seiner Bénéteau im gesamten kanarischen Archipel für einen Kurzurlaub unterwegs ist,um an den verschiedenen Turnieren der „Marlin-Liga“ teilzunehmen. Jetzt im September ist Hauptkampfzeit. Er selbst, sein Bruder und Miguel haben ihren Resturlaub dazu benutzt, fast Die Ruhe nach dem Sturm: friedliche Abendstimmung im Hafen der „Marina Rubicon“. REPORTAGE Viel Fisch, viel Ehr’: Der „Bordmacho“ und unverbesserliche Optimist René beim Einstellen der Fangleinen auf der „Gran Valle“. Aufgeben gilt nicht bei der Raubfischjagd. 14 Tage auf ihrem 10,80 m langen schwimmenden Zuhause zu verbringen. Mit „angeln, essen und Spaß haben“, wie es Vincente mit einem breiten Lächeln ausdrückt. Im Winter hingegen verbringt Antonio, der beruflich viel unterwegs ist, ebenfalls so manche Stunde an Bord. „Wer das Bootfahren liebt,sollte auch den Schraubenzieher mögen“, lautet dabei sein Motto. Besonders stolz ist der 45-Jährige auf seinen selbst ausgebauten oberen Steuerstand. Über die erhöhten Steuerstände der Convertibles hat er sich so seine Gedanken gemacht: Eigentlich sei es doch merkwürdig. „In den USA gilt der untere Steuerstand als Extra, in Europa ist es das Entfernen desselben. Meinen habe ich eigenhändig entfernt und den Platz als zusätzliches Staufach genutzt“, sagt er. Richtig viel Arbeit sei aber der Einbau einer wetterfesten Dachkonstruktion gewesen.Serienmäßig habe da die Bénéteau mit ihrem halb offenen Stoffverdeck nicht so viel zu bieten.„Nach der zweiten Überfahrt von Gran Canaria nach Lanzarote bei Sturm habe ich mir geschworen: So nass wirst du nie wieder!“, lacht Antonio rückblickend. Mithilfe eines Schlossers hat er sich eine praktisch vollständig dichte Kuchenbude aufs Dach gezaubert. „GFK habe ich aus Gewichtsgründen nur für die Instrumentenkonsole benutzt“,so der Das Logbuch des Marlin Cup: Hier wird von der Wettkampfleitung jedes Detail protokolliert. 24 boote 2/09 begeisterte Freizeitbastler. Solches „Customizing“ sieht man auch auf anderen Gefährten. Meist stammen die selbst veredelten Boote aus europäischer Produktion, neben Bénéteau Antares sieht man spanische Astinors und Rodmans, daneben noch ein paar australische Rivieras. Auf amerikanischen Yachten muss meist nicht mehr viel zusätzlich an- oder umgeschraubt werden, wie mir am zweiten Wettkampftag mein neuer Skipper Tito Mesa erzählt. Der Autohändler aus Lanzarote fährt für einen Sportangler puren Luxus, nämlich eine Bertram 50.Von Rutenhalterbatterien, die an einen mittleren russischen Raketenwerfer erinnern,bis zu eigenen Kühlboxen oder Spülbecken im riesigen Heckcockpit ist hier an alles gedacht, was zum gehobenen Sportfischen dazugehört. „Auf meiner ,Gran Valle‘ habe ich nur ein paar zusätzliche Instrumente eingebaut“, sagt der 53-Jährige. Ob es mit dem neuen Riesendampfer mehr Fang gibt als gestern, wird sich heute aber erst noch zeigen müssen. Zunächst geht es mit zweimal 850 PS starken MAN-Dieseln mit Karacho und 28 Knoten aus dem Hafen. Am Turniertag zwei macht das bei strahlendem Sonnenschein richtig Spaß.Die fast 20 Boote, die mit uns zusammen die Route an die Westküste Lanzarotes nehmen, scheinen das genauso zu sehen. Immer wieder zeigen sich die Machoskipper gegenseitig das Heck beziehungsweise die Heckwelle. Nach fast fünf Meilen schneller Marschfahrt, die Tito mit dem Spruch „Sonst würden meine 20 Liter Motoröl nie warm“ kommentiert, nähern wir uns dem Zielgebiet etwa drei Meilen westlich des Dorfes El Golfo. Es liegt am Rande einer langen Lava- schleppe zu Füßen des Vulkangebirges Timanfaya, einer weltberühmten Touristenattraktion. Doch die sechsköpfige „Gran Valle“-Crew hat keine Augen für die wunderbare Vulkanlandschaft. Schließlich geht es hier um Fisch und für den Bordmacho René um noch viel mehr: nämlich um die Ehre. „Heute machen wir sie alle nass und ziehen ein paar richtig dicke Brocken raus,das wirst du noch sehen“, schreit er mir im Fahrtwind zu.Auch Tito ist zuversichtlich. Gestern habe er hier ein paar Thunfische gesehen. Mit einer bestechenden Logik erklärt er mir,warum das ein gutes Zeichen sei. „Die Thunfische fressen kleinere Fische,genau wie die Marline.Also werden auch die hier irgend- Schluss mit nass: eine völlig dichte Kuchenbude aufs Dach gezaubert wann auftauchen“, so der gemütliche Schnurrbartträger. Zunächst taucht aber erstmal ein ganz anderes Kaliber auf: ein Grindwal, der von einem rotweißen Fischerboot verfolgt wird. Auch auf fast 150 Metern Entfernung ist sein Blas bei dem exzellenten Licht gut zu erkennen. Die Fischer seien allerdings nicht hinter dem Wal her, sondern wie er hinter dem Kleinfisch,erklärt man mir.Wir scheinen an einer fischreichen Stelle angelangt. Vielleicht ein sogenannter „warm spot“. Das sind Stellen, an denen das Oberflächenwasser bis zu vier Grad wärmer als das des umgebenden Meeres ist. Die Temperaturfühler der „Gran Valle“ REPORTAGE Im „Rutenwald“: Bei über 50 teilnehmenden Yachten fällt es nicht leicht, den Überblick zu behalten. Am Steg ziehen die voll ausgerüsteten „Freizeit-Fangschiffe“ neugierige Blicke auf sich. zeigen 22,9 °C Wassertemperatur an. Tito könnte jetzt herausfinden, ob das eine Meile weiter immer noch so ist:Wie ein Bauer beim Pflügen eines Riesenfeldes fräst er immer wieder lange Rechtecke ins Tiefblau des Atlantiks.„Mein Sohn Antonio wäre dafür jetzt der Richtige“, seufzt Tito. Der Sohn ist angehender Meeresbiologe und selbst begeisterter Sportfischer. Und kennt sich bestens mit Lebensräumen und Verhalten von Marlinen aus. Auf einem klei- nen Vortrag am Eröffnungsabend hat er den anwesenden Sportanglern die „warm spot“Hypothese vorgetragen.Die besagt, dass im Ostatlantik in den bezeichneten Warmwasserfeldern fast immer ein höheres Nahrungsangebot besteht und Marline folglich dort am liebsten jagen. Alles graue Theorie! Heute scheinen weder eine millionenteure Yacht mit sechs an riesigen Outriggern ausgelegten Langleinen noch exzellente Revierkenntnis auszureichen, um ei- Der Imbiss fällt natürlich maritim aus: schnell gezaubertes „Thunfisch-Sushi“ an Bord der „Gran Valle“. 26 boote 2/09 nen der Könige des Meeres an den Haken zu bekommen. Fisch gibt es aber dennoch. Um Punkt 12 Uhr holt nämlich Tito ein großes Stück tiefgefrorenen Roten Thunfisch aus einer der riesigen Kühlboxen und legt es zum Auftauchen in die pralle Mittagssonne. Gegen 14 Uhr sind aus dem Eisblock Dutzende hauchzarter Sushihäppchen geworden, die Tito in einer „Spezialsoße“ mit starker Sojanote auffährt. Bei Weißbrothäppchen, eiskaltem Bier und dem Sushi lässt es sich trotz fehlenden Fangerfolgs leben. Zumal mit selbst gesammelten Kaktusfeigen noch ein wunderbarer Nachtisch folgt. Der exzellente Imbiss hebt die Kampfmoral. Nicht nur René ist weiterhin felsenfest davon überzeugt, dass in den knapp zweieinhalb verbleibenden Stunden des Turniers „noch etwas geht“. Wie die Hühner auf der Stange hängt die Mannschaft an der Reling der Flybridge. Während alle aufs Wasser starren, macht man sich gegenseitig Mut.Erinnerungen an tolle Boote und große Taten werden aus dem Gedächtnis gekramt.„Wisst ihr noch, wie wir in La Gomera an zwei Tagen fast sechs Blaue rausgeholt haben?“, fragt Tito seinen Bootsmann Juan. „Ja und Kumar mit seiner ,Viking 74‘ hatte fast nichts bekommen!“, bestätigt der mit leuchtenden Augen. Und überhaupt: Beim Juliturnier in Gomera gäbe es fast immer am meisten zu holen.Davon und von einem absoluten Megaturnier in Gran Tarajal auf Fuerteventura mit alljährlich bis zu 112 Booten hatte mir schon Vincente berichtet. Hier auf Lanzarote ist hingegen Schmalkost angesagt.Auch dicht übers Wasser fliegende Pardelas (Sturmtaucher), denen wir folgen, weil sie laut Tito „ein guter Indikator“ seien, bringen uns keinen Fang. Immerhin erfahren wir gegen 16.40 Uhr über Funk, dass es nur knapp eine halbe Meile von uns entfernt einen Biss gegeben hat. Ein vielstimmiger Radiochor auf VHF-Kanal 72 folgt dem Ereignis auf der „Pasonales“, die jetzt nach offiziellen Regeln noch bis 19.00 Uhr Zeit hat, den Fang anzulanden. Wir hingegen nähern uns schon viel früher der schräg versetzten Hafeneinfahrt von Marina Rubicon, nämlich gegen 17.15 Uhr. Fuerteventura, auf der anderen Seite der Meeresenge La Bocaina genau gegenüber gelegen,scheint im beginnenden Abendrot nur einen Steinwurf entfernt. Doch an Bord bleibt nicht viel Zeit für Panoramablicke, im Zickzack geht es um die Tankstelle herum an unseren Schwimmsteg. Es ist der „Pantalan H“, hier liegen die ganz dicken Pötte. Eigentlich wäre „ganz hohen Pötte“ passender,denn manche der 12 bis 26 Meter langen Convertibles ragen mit drei Etagen in den Abendhimmel. Ganz oben, auf dem „Tuna-Tower“, hat man Fallhöhen wie vom NEU New Zehner im Freischwimmbad. Bei den angelversessenen „Canarios“, wie sich die Bewohner des Archipels nennen, kommt derlei gut an. Ganze Großfamilien flankieren um die Boote, die zumeist amerikanischer Provenienz sind. Solche Luhrs, Bertrams, Hatteras und die schon zitierte Viking 74 eines lokalen Pizza-Magnaten als größtes Boot der Flottille sucht man sonstwo in Europa meist vergebens. Hier dagegen, wo fast jeder einen Groß- oder Urgroßvater hat, der von Schiffsplanken aus seine Familie mit Leinen oder Schleppnetz versorgte, gehören sie also hin, die rauwassertauglichen Yachten mit steiler Aufkimmung im tiefen V-Spant. Selbst die kalifornische Sportfischerlegende William Boyce ist da beeindruckt.„Von „Tuna-Tower“: Fallhöhen wie vom Zehner im Schwimmbad den Booten her könnte das auch bei uns sein“, meint der 48-jährige Sunnyboy,der als Fischereibiologe bei seinen Forschungsvorhaben meist mehr Zeit im als auf dem Wasser verbringt.In einem Punkt könnten die Spanier laut Boyce aber noch etwas lernen. „Ich habe hier nur ein bis zwei Yachten gesehen, auf denen ,CircleHooks‘ benutzt wurden“, sagt der Fachmann. Sogenannte Kreishaken seien aber in den USA in der kommerziellen Langleinenfischerei mittlerweile Pflicht, weil sie im Gegensatz zu den traditionellen offeneren „J-Haken“ sich nicht im Körperinneren der Fische verhaken und dort auch nicht zu schwe- ren Verletzungen führen.„Mittlerweile benutzen selbst 90 Prozent der amerikanischen Sportfischer ,Circle-Hooks‘, weil sie sich so in den Mundwinkel der Beute setzen, dass ein Abscheren des Fangs praktisch unmöglich wird“, sagt Boyce, der gerade auf einem 80-MeilenTörn vor den Galapagosinseln die Auswirkungen des Langleinenfangs auf Thunfisch untersucht hat. Während Boyce erzählt, kommt eine deutsche Touristin an den kleinen Infostand, den die Turnierleitung im Hafenvorfeld aufgebaut hat. In brüchigem Englisch will die Dame wissen, wo denn diesmal die „großen Fische“ wären, die sie noch letztes Jahr hier habe hängen sehen. Bill antwortet der Urlauberin auf Englisch und zeigt erklärend auf eine kleine Serie von Sofortbildern, die an einer Schautafel befestigt sind. Sofortbilder statt Fischtrophäen … Ich übersetze derweil Vincente ins Spanische. Der blitzt mich eine Sekunde lang aus den grünblauen Augen an, baut sich dann in Machopose vor der blonden Frau auf, zeigt auf seinen Bizeps und sagt: „Hier hängt er immer noch, der große Fisch!“ Später macht diese Szene noch die Runde am Tisch der „Alde Baran“-Crew beim großen nächtlichen Festessen unter offenem Himmel.Und alle,die sie hören,müssen lachen. „So ist es nun mal auf einem Turnier mit jeder Menge Anglern, vielen Riesenyachten und wenigen kleinen Fotos“, meint Antonio vergnügt. Die WM in Mexiko bleibt für ihn auch diesmal ein Traum. Aber wie die meisten der fast 300 Anwesenden hier wird er im nächsten September wiederkommen. Neues Multitalent mit vielen Extras Integrierte GPS-Antenne Vorinstallierte Navionics Karten Integriertes digitales HD-Fischfindermodul* Integriertes Kabelmanagement-System Motoren-Überwachung** Die neue A-Serie beinhaltet sonnenlichttaugliche LCD-FarbDisplays. 5 verschiedene Modelle mit 3 Bildschirmgrößen sind erhältlich. Die vorinstallierte Navionics Kartografie können Sie auf Navionics Gold oder Platinum upgraden sowie Funktionen AIS/Navtex und Motoren-Überwachung integrieren. * A-Serie Modelle 50D, 57D und 70D ** Kompatibel mit NMEA2000 Motor-Instrumenten Farb-Seekartenplotter/ grafisches Echolot der A-Serie Kompakt, leistungsstark und voller Extras TEXT UND FOTOS: VOLKER J. BÜRCK www.eissing.com Emden 04921-8008-0 Hamburg 040-237808-0 Bernau 08051-964248 eMail [email protected] Lifestyle Photo: Shutterstock (Eric Geveart)