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Unzulässige Schlankheitsmittel – hohes gesundheitliches Risiko für Verbraucher!
Die Ansichten über „Schönheit“ variieren je nach Kulturkreis und Zeitraum. Üppige Körperformen waren oftmals ein Zeichen von Wohlstand und somit auch das vorherrschende
Schönheitsideal (1). Zumindest in westlichen Kulturkreisen des späten 20. Jahrhunderts ist
der Begriff „Schönheit“ hingegen zunehmend mit einem schlanken Körperbau assoziiert. In
Zeiten von reichlichem Nahrungsangebot und abnehmender körperlicher Betätigung ist dieses Schlankheitsideal allerdings für einen großen Personenkreis in weite Ferne gerückt. Was
liegt näher, als mithilfe bunter Pillen und Tabletten schnell und ohne große Mühe und Anstrengung sein Wunschgewicht zu erreichen?
Die Nachfrage nach Schlankheitsmitteln ist groß und so verwundert es wenig, dass sich
auch entsprechend viele Anbieter auf diesem Sektor tummeln. Gesundheitliche Risiken sind
absehbar. In den Laboratorien der amtlichen Lebensmittelüberwachung werden entsprechende Untersuchungen durchgeführt.
In der Arzneimitteluntersuchungsstelle des damaligen Chemischen Untersuchungsamtes
Mainz tauchten bereits im Jahr 1995 die ersten „Schlankheitskapseln“ zur Untersuchung und
Begutachtung auf. Angaben zu Inhaltsstoffen fehlten auf den Packungen. Damals gab der
verschreibende Arzt telefonisch bereitwillig Auskunft, dass seine Kapseln „keine Schilddrüsenhormone“ enthielten und somit unbedenklich seien. Der Verfasser des Artikels war wohl
eine der letzten Personen, welcher dieser Arzt Auskunft über dessen Schlankheitskapseln
gab, bevor dieser untertauchte. Denn der damalige analytische Befund der Proben war erschreckend: in den Kapseln fand sich ein wilder Cocktail von etlichen stark wirksamen Arzneistoffen. Neben Amphetaminderivaten wie Phentermin und Fenfluramin fanden sich Diuretika (Hydrochlorothiazid, Triamteren), Antidiabetika (Metformin) und Tranquilizer (Bromazepam). In den damaligen „Schlankheits-Skandal“ waren weitere Ärzte und Apotheker verwickelt. Wenigstens 4 Personen bezahlten ihren Wunsch nach schnellem Idealgewicht mit ihrem Leben (2).
Danach war es zumindest im Landesuntersuchungsamt Rheinland-Pfalz (LUA) über einige
Jahre ruhig, was „Schlankheitsmittel“ anging. Dies änderte sich im Jahr 2005, als eine besorgte Mutter ihrer Tochter einige Kapseln abnahm, welche diese in der Schule von Mitschülerinnen erhalten hatte. Eine Apothekerin, die von der Mutter ins Vertrauen gezogen wurde,
war irritiert von etlichen Warnhinweisen in der zugehörigen Packungsbeilage, welche nicht
zu dem angeblichen rein pflanzlichen und harmlosen Kapselinhalt passten. Sie schickte das
Erzeugnis daher zur Arzneimitteluntersuchungsstelle des LUA. Bei der Analytik stellte sich
heraus, dass die Schlankheitskapseln mit dem Namen „Lida“ den hochwirksamen Stoff Sibutramin enthielten. Sibutramin war damals als Appetitzügler auch in einem verschreibungspflichtigen Arzneimittel (Reductil) enthalten und galt – wegen der gefährlichen Nebenwirkungen – als Mittel der letzten Wahl zur Behandlung von krankhafter Fettleibigkeit. Eine wesentliche Anwendungs-Voraussetzung des legalen Arzneimittels war die engmaschige Kontrolle
der behandelten Personen durch den jeweiligen Arzt. Lida enthielt annähernd die doppelte
Menge an Sibutramin im Vergleich zur höchsten Dosis in Reductil, obwohl auf den Faltschachteln ausschließlich „chinesische Pflanzen“ als Inhaltsstoffe angegeben waren.
Das ganze Ausmaß dieses „neuen Schlankheitsmittel-Skandals“ zeigte sich im Verlauf der
folgenden Jahre. Während 1995 noch etwa 125000 Lida-Kapseln vom Zoll beschlagnahmt
wurden, stieg diese Zahl 1 Jahr später bereits auf über eine Million an (3).
Zugelassene Arzneimittel mit dem Wirkstoff Sibutramin wurden im Jahr 2010 zuerst in der
EU und im Jahresverlauf dann auch in den USA vom Markt genommen, da das NutzenRisiko als negativ eingestuft wurde (3). Wer glaubte, dass damit auch das Bewusstsein in
der Bevölkerung sensibilisiert würde und Sibutramin enthaltende Erzeugnisse vom Markt
verschwinden würden, wurde eines Besseren belehrt.
In diversen Internet-Foren diskutieren Anwender/innen zwar über Gefahren von Sibutramin,
gleichzeitig wird aber auch die „fantastische“ Wirkung propagiert und es häufen sich die Anfragen, wo man noch Sibutramin enthaltende Präparate kaufen könne (4). Eine hohe Nachfrage führt i.d.R. auch zu einem entsprechenden Angebot: seit „Lida“ kommen jedes Jahr
etliche neue Sibutramin enthaltende „Schlankheitsmittel“ auf den Markt. Die Hersteller variieren zuweilen ihre Rezepturen, teilweise wird neben Sibutramin noch Phenolphthalein nachgewiesen (ein in Deutschland seit dem Jahr 2000 verbotenes Abführmittel, welches im Verdacht steht, Krebs auszulösen und durch die abführende Wirkung eine schnelle „AbnehmWirkung“ vortäuschen soll). Zuweilen wird Sibutramin durch ähnlich wirksame Stoffe wie
Desmethylsibutramin oder Rimonabant ersetzt.
Teilweise wurden bei amtlichen Untersuchungen desselben Erzeugnisses mit unterschiedlichen Chargennummern unterschiedliche Wirkstoffe gefunden. Fast alle Erzeugnisse haben
die Gemeinsamkeit, dass als Inhaltsstoffe lediglich völlig harmlose Stoffe deklariert sind,
dennoch eine hohe Wirksamkeit versprochen wird und meist aus asiatischer Produktion
stammen. Bei der Wahl der Produktnamen lassen die Hersteller durchaus Phantasie walten:
„Fat Napalm Bomb“, „Super Slim“, „Japan Hokkeido“ und „Mexico Red Pepper“ sind eine
kleine Auswahl der in der Arzneimitteluntersuchungsstelle analysierten Produkte. Eine laufend aktualisierte Auflistung bisher im LUA beurteilter Präparate ist unter
http://lua.rlp.de/lexikon/lexikon-s/schlankmacher/ zu finden.
Der behördliche Kampf gegen die Verbreitung von Sibutramin enthaltenden Erzeugnissen
kommt einem Kampf gegen die Hydra aus der griechischen Mythologie gleich: Sobald vor
einem Erzeugnis gewarnt wird, tauchen zeitnah mindestens zwei neue am Markt auf. Dennoch leistet diese Arbeit einen wichtigen Beitrag zum Verbraucherschutz, da es sicherlich
viele Anwender/innen gibt, denen die Gefahren die von diesen Erzeugnissen ausgehen
noch nicht bewusst sind. Angesichts von mindestens 31 Todesopfern (5), selbst bei Anwendung von Sibutramin unter ärztlicher Anwendung, ist das gesundheitliche Risiko von nicht
deklariertem Sibutramin in „Schlankheitskapseln“ als sehr hoch einzustufen. Das Landesuntersuchungsamt Rheinland-Pfalz warnt daher auch konsequent bei jedem Neufund die Öffentlichkeit. Erfreuliche Reaktion einer bekannten Internet-Handelsplattform ist die umgehende Löschung solcher Präparate, sofern sie auf diesem Wege angeboten werden. Funde
Sibutramin enthaltender Präparate haben auch strafrechtliche Konsequenzen. Gegen etliche
Inverkehrbringer wurden bereits Gerichtsverfahren eingeleitet und mit Geld- und Haftstrafen
abgeschlossen.
Fazit
Es ist zu erwarten, dass auch in Zukunft ständig „neue“ Schlankheitsmittel auf den Markt
kommen und insbesondere über das Internet beworben und vertrieben werden. Gemeinsam
mit Arzneimittelüberwachungs- und Zollbehörden überprüfen Lebensmittelchemiker/-innen
der amtlichen Lebensmittelkontrolle auch in Zukunft regelmäßig verdächtige Erzeugnisse. Im
Sinne des Verbraucherschutzes werden im Falle von Verstößen gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften entsprechende Maßnahmen ergriffen.
Eine verlässliche amtliche Kontrolle auf hohem wissenschaftlichem Niveau erfordert
fachkundiges Personal und Labore mit moderner Analysentechnik. Damit der
Verbraucherschutz in Deutschland weiterhin einen hohen Stellenwert besitzt, wehrt sich der
BLC gegen Einsparungen am falschen Ende und fordert die Bereitstellung einer
ausreichenden personellen und apparativen Ausstattung.
Lebensmittelchemiker/-innen in Lebensmitteluntersuchung und -überwachung sind:
• Experten in Sachen Lebensmittel, einschließlich Wein sowie für Kosmetika und
Bedarfsgegenstände, Lebensmittelrecht und -analytik
• kompetente Berater der Verwaltung, der Politik und der Verbraucher
1)
2)
3)
4)
5)
http://de.wikipedia.org/wiki/Sch%C3%B6nheitsideal
http://www.focus.de/politik/deutschland/diaet-skandal-der-schlaf-derbehoerden_aid_155214.html
http://de.wikipedia.org/wiki/Sibutramin
http://forum.gofeminin.de/forum/dietetique/__f13856_dietetique-Suche-Tabletten-mitSibutramin.html
http://www.der-arzneimittelbrief.de/de/Artikel.aspx?SN=6232
Veröffentlicht: April 2014
Geschrieben von: Landesverband Rheinland-Pfalz
V.i.S.d.P.:
Bundesverband der Lebensmittelchemiker/-innen im Öffentlichen Dienst e.V. (BLC)
c/o Dr. Detmar Lehmann, Triftstr. 3, 34314 Espenau, [email protected]