Erzbischof Colloredo und sein Kataster
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Erzbischof Colloredo und sein Kataster
Erzbischof Colloredo und sein Kataster Eine Steuerreform am Ende des Erzstifts Salzburg Erzbischof Colloredo und sein Kataster Eine Steuerreform am Ende des Erzstifts Salzburg Erzbischof Colloredo und sein Kataster Eine Steuerreform am Ende des Erzstifts Salzburg erzbischof hieronymus Colloredo – landesherr impressum SCHRIFTENREIHE DES SALZBURGER LANDESARCHIVS Nr. 19 Impressum: Herausgeber: Salzburger Landesarchiv Redaktion: Mag. Gerda Dohle, Salzburger Landesarchiv Lektorat: Jacqueline Kowanda, Salzburger Landesarchiv Fotos: Salzburger Landesarchiv; Archiv der Erzdiözese Salzburg, Privat Umschlaggestaltung: Entwurf Nikolaus Pfeiffer, Salzburger Landesarchiv; Ausführung Karl-Günter Baumgartner Satz und Grafik: Hausgrafik, Land Salzburg Druck: Hausdruckerei, Land Salzburg Erschienen im Juni 2012 ISBN 978-3-9503422-0-8 erzbischof hieronymus Colloredo inhaltsverzeichnis – landesherr Inhaltsverzeichnis Vorwort ��������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 3 Hieronymus Colloredo – Landesherr ��������������������������������������������������������������������������� 5 Ulrike Engelsberger Die Wahl des Erzbischofs im Kapitelsaal ����������������������������������������������������������������� 23 Ulrike Engelsberger Der Hieronymuskataster ����������������������������������������������������������������������������������������������� 33 Oskar Dohle Das Kartenwerk zum Hieronymuskataster – Versuch einer Rekonstruktion anhand eines “Neufundes” ������������������������������� 59 Oskar Dohle Hieronymus Colloredo – Kirchenfürst ����������������������������������������������������������������������� 63 Thomas Mitterecker Zeittafel zu Erzbischof Hieronymus Franz de Paula Josef Graf Colloredo von Wallsee und Mels (1732–1812) ������������������������������������������� 71 Gerda Dohle Verwendete Literatur ������������������������������������������������������������������������������������������������������� 77 1 erzbischof hieronymus Colloredo – landesherr 2 erzbischof hieronymus Colloredo – landesherr VORWORT Vorwort Unter Erzbischof Hieronymus Graf Colloredo (1772–1803/1812) erlebte das Erzstift Salzburg eine letzte, kurze Blüte, bevor es in den Wirren der Koalitionskriege für immer seine Selbständigkeit als unabhängiges geistliches Fürstentum verlor. Daran konnten auch die an der Aufklärung orientierten Reformbemühungen des Erzbischofs nichts ändern. In diesem Zusammenhang kommt seiner Doppelfunktion als „Landesherr und Kirchenfürst“ besondere Bedeutung zu. Dies war auch der Grund, dass das Archiv der Erzdiözese Salzburg (AES) und das Salzburger Landesarchiv (SLA) im Sommer und Herbst 2012 anlässlich des 200. Todesjahres eine kleine Doppelausstellung mit dem Titel „Erzbischof Hieronymus Colloredo. Kirchenfürst und Landesherr“ 1 veranstaltete. desherr war, über seine wirtschaftlichen Reformbemühungen hinaus. Trotz seines scheinbaren Scheiterns hat Erzbischof Hieronymus Graf Colloredo in seiner Amtszeit auf vielen Gebieten die Grundlage für Entwicklungen gelegt, die langfristige Wirkung zeigten und oftmals erst Jahrzehnte später realisiert werden sollten. Dies anhand seiner Bemühungen für ein modernes und damit gerechteres Steuerwesen genauer darzustellen, soll hier versucht werden. Salzburg, 20. Mai 2012, am 200. Todestag von Erzbischof Hieronymus Graf Colloredo Ziel der vorliegenden Publikation kann es nicht sein, das Wirken von Erzbischof Colloredo in allen seinen Facetten darzustellen. Es soll vielmehr versucht werden, gleichsam eine „Bedienungsanleitung“ für die Benützung des Hieronymuskatasters als landes- und regionalgeschichtlich zentrale historische Quelle zu liefern. Die beiden Aufsätze, die sich auch auf neue, bislang unveröffentlichte Archivfunde stützen, ermöglichen den Blick auf einige Aspekte des Wirkens dieses letzten Erzbischofs, der gleichzeitig weltlicher Lan- 1 Die Doppelausstellung fand vom 27. Juni bis zum 28. Dezember 2012 statt, wobei im Archiv der Erzdiözese Salzburg der „Kirchenfürst“ und im Salzburger Landesarchiv der „Landesherr“ thematisch im Mittelpunkt stand. 3 4 erzbischof hieronymus Colloredo – landesherr Ulrike Engelsberger Hieronymus Colloredo – Landesherr Nachdem Erzbischof Siegmund III. Graf 1762 erlangte er mit tatkräftiger UnterSchrattenbach am 16. Dezember 1771 stützung Maria Theresias von Österreich verstorben war, wurde Hieronymus Graf das Salzburger Eigenbistum Gurk, das er Colloredo am 14. März 1772 vom Salzbis zu seiner Wahl zum Erzbischof von burger Domkapitel zu dessen NachfolSalzburg innehatte. ger gewählt. 2 Hieronymus ColloDie Wahl Hieronymus Graf Colredo wurde am 31. Mai 1732 loredos zum Salzburger Erzin Wien geboren. Er war bischof war ein Erfolg für Sohn von Rudolf Josef die österreichische Politik. Graf Colloredo von Mit besonderem diploWallsee und Mels, matischem Geschick der zum Reichsvibetrieb sie die Stimzekanzler und spämenvergabe der ter zum ReichsDomkapitulare für konferenzminister den österreichiavancierte und schen Favoriten 1763 den Reichsgegenüber dem fürstentitel erhielt. von Bayern ProVorgesehen für tegierten. Und so die geistliche Laufunterlag der von der bahn, studierte Salzburger BevölkeHieronymus Colrung bereits als neuer loredo an der SapiErzbischof angesehene enza in Rom nicht nur Domdechant Ferdinand das geistliche Recht, Christoph Graf von Zeil und sondern absolvierte auch Trauchburg. Obwohl Hierodas weltliche Jusstudium. 3 nymus Colloredo auf In noch jungen Jahren wurden ihm Kanoni- Abb. 1: Erzbischof Hieronymus Graf Collo- Grund seiner familiären kate in Passau, Olo- redo von Wallsee und Mels (1732–1812, reg. Herkunft eng mit dem mouz (Olmütz) und 1772–1803), Künstler unbekannt. (SLA, Hof in Wien verbunden war, wurde er nicht zur Salzburg übertragen. Kunstinventar 58; Reproduktion: SLA) 2 vgl. Kap.: U. Engelsberger, Die Wahl des Erzbischofs im Kapitelsaal, ab S. 23. 3 Roswitha Juffinger, Zum Kunstverständnis von Fürsterzbischof Hieronymus Graf Colloredo-Wallsee – eine Annäherung. In: Roswitha Juffinger (Hrsg.), Zentrum der Macht. Die Kunstsammlungen der Salzburger Fürsterzbischöfe. Gemälde/Graphik/Kunstgewerbe, Bd. 2. Salzburg 2011, S. 605–638, hier S. 607. 5 erzbischof hieronymus Colloredo – landesherr willfährigen Marionette des habsburgischen Österreich. Er war zwar um eine ausgewogene Beziehung bemüht, doch wenn es erforderlich war, suchte er als Metropolit und Landesherr mit Diplomatie und geschicktem Verhandeln die Interessen von Kirche und Land Salzburg zu wahren. fen hatte, nicht von Erfolg gekürt, so wirkten dennoch manche seiner vorausschauenden Entscheidungen über die Zeit seiner Herrschaft hinaus, oder sie wurden später von den nachfolgenden Regenten Salzburgs wieder aufgegriffen. Seine oft rigorosen Einführungen von Reformen in kirchlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Bereichen blieben nicht ohne Widerstand und riefen vielfach Ablehnung beim Volke hervor. Colloredos fast 31 Jahre dauernde Regierung als Landesherr des Erzstifts Salzburg war geprägt von seinen Ideen und Reformen im Sinne der Aufklärung, den Nöten und Wirren der Koalitionskriege und der Säkularisierung des geistlichen Reichsfürstentums Salzburg. Als Motto wählte er für sich den Spruch „Providum imperium felix“ (Glücklich ist eine voraussehende Regierung).4 Waren auch manche seiner landesherrlichen Maßnahmen, die er zur Förderung des finanziellen und wirtschaftlichen Abb. 2: Kammerherrenschlüssel mit dem Wappen Aufschwungs sei- von Fürsterzbischof Hieronymus Colloredo. (SLA, nes Landes ergrif- Kunstinventar 113 und 114; Foto: SLA) Nach dem feierlichen Einzug am 29. April 1772 vom Schloss Freisaal in seine künftige Residenzstadt Salzburg als symbolisches Zeichen seines Herrschaftsantrittes 5 widmete sich der neue Landesherr des geistlichen Reichsfürstentums Salzburg unverzüglich seinen Regierungsgeschäften. Ein vordringliches Bedürfnis Colloredos war die Sanierung des Staatshaushaltes. Das Erzstift war ihm von seinen Vorgängern durch Misswirtschaft, barocke 4 Alfred Stefan Weiß, Hieronymus Graf Colloredo (1732–1812) – geistlicher und weltlicher Herrscher. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde (in Hinkunft: MGSL) 114 (2004), S. 225-250; ders., Fürsterzbischof Hieronymus Graf Colloredo und sein Kampf gegen die „Feinde“ der Aufklärung. In: Gerhard Ammerer/Alfred Stefan Weiß (Hrsg.), Die Säkularisation Salzburgs 1803. Voraussetzungen – Ereignisse – Folgen. Protokoll der Salzburger Tagung vom 19.-21. Juni 2003 (Wissenschaft und Religion. Veröffentlichungen des Internationalen Forschungszentrums für Grundfragen der Wissenschaften Salzburg, Bd. 11). Frankfurt-Berlin 2005, S. 120-141. 5 Michael Rainer, Die Inszenierung der Herrschaft. Zur Darstellung des fürsterzbischöflichen Einzugs in Schloss Freisaal. In: Ronald Gobiet, Freisaal. Das Schloss im Spiegel der Geschichte (Salzburger Beiträge zur Kunst- und Denkmalpflege, Bd. V). Salzburg 2012, S. 131-136. 6 erzbischof hieronymus Colloredo – landesherr Lebensweise, Kriegszahlungen an Österreich sowie durch Missernten verursachte teure Getreideeinkäufe aus dem Ausland hoch verschuldet hinterlassen worden. Sukzessive nahm er Organisationsverbesserungen und Sparmaßnahmen bei seiner Hofhaltung vor, unter anderem beschränkte er die Personenzahl der Offizierstafel, hob die Mahlzeiten zu hohen Feiertagen sowie die Brotund Weindeputate für die Räte und hohen Bediensteten auf und ordnete die Aufsicht über Küche, Keller, Zehrgaden und Garderobe an. 6 Finanzpolitisch denkend reformierte er auch das Finanz- und Steuersystem, was ihm den offenen Widerstand der Salzburger Landschaft und der Bevölkerung einbrachte. Das Domkapitel reichte sogar eine Klage beim Reichshofrat in Wien unter anderem wegen Verfassungsbruchs ein. Der Prozess endete schließlich mit dem Vergleich der Kontrahenten. Für die Bevölkerung sehr belastend waren seine Erhöhungen der Kopfsteuer, Steuern auf Getreide sowie auf alkoholische Getränke. Anstelle der Vermögenssteuer führte Colloredo eine bisher neue Variante der Steuereinnahmen, die Grundsteuer, ein. Ihren schriftlichen Niederschlag fand diese im sogenannten Hieronymuskataster. 7 Mit den Steuerreformen gelang es ihm bereits in den 1780er Jahren, den Staatssäckel zu füllen und in den folgenden Jahren weitere Gewinne zu erzielen. Gegen Ende des Jahrhunderts machten zwei Faktoren diese Erfolge aber wieder zunichte. Zum einen war dies seine nach merkantilistischen Grundsätzen geführte Anlagepolitik. Anstatt die erwirtschafteten Finanzen innerhalb des eigenen Landes zu investieren, legte er sowohl sein Eigenkapital als auch die Kameralgelder, Stiftungskapitalien und Fonds gewinnbringend auf der Wiener Stadtbank an. Dies hatte auch eine Signalwirkung für die vermögenden Bürger, die nun ebenfalls ihre Gelder nach Wien transferierten. Somit entging dem eigenen Land ein nicht unbeträchtlicher Teil an Investitionskapital. Als 1798 die Wiener Stadtbank in eine ernsthafte Krise kam und 1811 Österreich den Staatsbankrott erklären musste, ging Salzburg das angelegte Kapital endgültig verloren. Zum anderen wirkten sich wesentlich direkter als die verfehlte Anlagepolitik die hohen finanziellen Aufwendungen Salzburgs im Zusammenhang mit den Koalitionskriegen auf die angespannte Lage des Staatsbudgets aus. 8 1810 beurteilte Collore- 6 Joseph Ernst Ritter von Koch-Sternfeld, Die letzten dreissig Jahre des Hochstifts und Fürstenthums Salzburg. Ein Beytrag zur teutschen Staats- Kirchen- und Landesgeschichte. o.O. 1816, S. 254-256; Judas Thaddäus Zauner/Corbinian Gärtner, Neue Chronik von Salzburg, Bd. 11/1. Salzburg 1826, S. 349-351; Hans Widmann, Neuntes Werk: Geschichte Salzburgs, Bd. 3, hrsg. v. Armin Tille (Allgemeine Staatengeschichte. Abt. 3: Deutsche Landesgeschichte, hrsg. v. K. Lamprecht). Gotha 1914, S. 462 f. 7 vgl. Kap.: Oskar Dohle, Der Hieronymuskataster, ab S. 33. 8 Christian Dirninger, Die Salzburger Grundsteuerreform 1778 als Beispiel einer erfolgreichen Steuerreform in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts. In: Fritz Neumark (Hrsg.), Studien zur Entwicklung der ökonomischen Theorie II (Schriften des Vereins für Socialpolitik, Gesellschaft für Wirtschaft und Sozialwissenschaften, N.F. Bd. 115/II). Berlin 1982, S. 149-156; ders., Aspekte regionaler Distribution in der staatlichen Finanzwirtschaft des Erzstifts Salzburg in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts. In: N. Bulst/J. Hook/F. Irsigler, Bevölkerung, Wirtschaft und Gesellschaft. Stadt-Land-Beziehungen in Deutschland und Frankreich 14. bis 19. Jahrhundert. Trier 1983, S. 191-229; ders., Staatliche Finanzwirtschaft im Erzstift Salzburg. In: Heinz Dopsch/Hans Spatzenegger, Geschichte Salzburgs. Stadt und Land. Neuzeit bis zum Ende des geistlichen Fürstentums (1803), Bd. II/1. Salzburg ²1995, S. 537-576; ders., 1803 und die wirtschaftlichen Folgen. In: Gerhard Ammerer/Alfred Stefan Weiß (Hrsg.), Die Säkularisation Salzburgs 1803. Voraussetzungen – Ereignisse – Folgen. Protokoll der Salzburger Tagung vom 19.-21. Juni 2003 (Wissenschaft und Religion. Veröffentlichungen des Internationalen Forschungszentrums für Grundfragen der Wissenschaften Salzburg, Bd. 11). Frankfurt-Berlin 2005, S. 159-168. 7 erzbischof hieronymus Colloredo – landesherr dos Zeitgenosse und Chronist, Joseph Ernst Ritter von Koch-Sternfeld, die Ende des 18. Jahrhunderts in Salzburg betriebene Finanzund Wirtschaftspolitik mit folgenden Worten: „Nicht die Zeit, sondern das System hat Salzburg um den Ruhm und die Mittel einer beglückten Staatswirtschaft gebracht. Die Kraft ist im Ocean des Geldes untergegangen. Gute Hauswirthe sind nicht immer reele Staatswirthe.“ 9 Die Finanzpolitik Colloredos war nicht gerade förderlich für seine Anstrengungen, die steigende Armut im Erzstift einzudämmen. Obwohl Hieronymus Colloredo zunächst der zunehmenden Zahl an ausländischen Bettlern, Landstreichern und Arbeitslosen mit dem herkömmlichen Mittel der Vertreibung aus dem Lande entgegentrat, die Versorgung der Armen am Lande durch das traditionelle Einlegerwesen gesichert sah, strebte er gleichzeitig im Sinne aufklärerischer Reformen nach dem Beispiel Österreichs die Schaffung von Fürsorgeeinrichtungen im städtischen Bereich an. Nicht zuletzt zeugen aber auch die Einsetzung von Armenkommissionen, Beratungen zur Errichtung eines Armeninstitutes, die erstmalige Einführung eines staatlichen Pensionssystems überhaupt, das den Arbeitern beim hochfürstlichen Salz-, Berg- und Münzwesen und deren Familien galt, 10 die gesetzlichen Vorgaben im Bereich der Gesundheitsfürsorge sowie die Einführung der Pockenschutzimpfung von seinen Bemühungen, das Armenproblem zu lösen. Dabei sah Hieronymus Colloredo die Finanzierung seiner Reformen in der Armen- und Gesundheitsfürsorge nicht als eine staatliche Aufgabe an, sondern er bürdete die finanzielle Bestreitung den privaten Bürgern auf. 11 Auch auf die in Salzburg bedeutendsten Wirtschaftszweige, das Bergbau- und Salzwesen, suchte Hieronymus lenkend einzuwirken. Um den Niedergang des seit Anfang des 14. Jahrhunderts betriebenen Goldabbaus im Gasteinertal, der zur Mitte des 16. Jahrhunderts zu seiner Blüte aufgestiegen war, aufzuhalten, ließ er am Radhausberg in Böckstein ein Berghaus errichten, das 1785 fertiggestellt worden war und 1985 durch eine Lawine zerstört worden ist. Die zweite wichtige Einnahmequelle Salzburgs war seit dem 12. Jahrhundert die Gewinnung und der Handel mit dem Salz auf dem Dürrnberg. Ab dem 16. Jahrhundert brachten die zunehmende Konkurrenz österreichischer und steirischer Salinen, der Verlust der böhmischen Absatzmärkte sowie der 1612 gegen Bayern verlorene Salzkrieg einen wirtschaftlichen Rückschlag in den Staatseinnahmen. Um dem entgegenzuwirken und damit eine noch größere Verarmung 9 Koch-Sternfeld, Die letzten dreissig Jahre (wie Anm. 6), S. 286 f. 10 Judas Thaddäus Zauner (Hrsg.), Sammlung der wichtigsten Salzburgischen Landesgesetze seit dem Jahre 1790 bis zum Schluße der hochfürstlichen Erzbischöflichen Regierung. Salzburg 1805, S. 63-74. 11 Alfred Stefan Weiß, Das Armen- und Schulwesen am Ende des geistlichen Reichsfürstentums Salzburg. In: Salzburg Archiv, Bd. 23 (1997), S. 209-239; ders., „Providum imperium felix.“ Glücklich ist eine voraussehende Regierung. Aspekte der Armen- und Gesundheitsfürsorge im Zeitalter der Aufklärung dargestellt anhand Salzburger Quellen ca. 1770–1803 (Kulturgeschichte der namenlosen Mehrheit, Bd. 1). Wien 1997; ders., „Providum imperium felix.“ Glücklich ist eine voraussehende Regierung. Aspekte der Sozialfürsorge im Zeitalter der Aufklärung dargestellt anhand Salzburger Quellen (ca. 1770–1803). Diss. Univ. Salzburg 1993. 8 erzbischof hieronymus Colloredo – landesherr Jahre 1989 endete eine jahrtausendealte Salzgewinnung im Land Salzburg. Von volkswirtschaftlichem Gedankengut getragen, setzte Hieronymus Colloredo Initiativen zur Trockenlegung von sumpfigen Wiesen zur Schaffung landwirtschaftlich nutzbarer Flächen. Dadurch sollten unter anderem die landwirtschaftlichen Erträge gesteigert werden, um die Hungersnot im Land bekämpfen zu können. Dass allerdings der Abb. 3: Das „Colloredo Sudhaus“, heute Schifferplatz 3 in Hallein, soziale Aspekt nicht allein Fassadenschnitt. (SLA, KuR K.9; Reproduktion: SLA) ausschlaggebend war und auch finanzieller Nutzen für die Staatskasse gezogen werden sollte, der Dürrnberger Bergleute und Halleiner zeigen die Verkäufe der trockengelegten Salinenarbeiter zu verhindern, setzte sich Gründe im Haarmoos und im Weitmoos Hieronymus Colloredo für die Stärkung im heute in Bayern liegenden ehemalider Salzproduktion ein. 1796 veranlasste gen salzburgischen Pfleggericht Laufen. 13 er den Bau eines „modernen“ Sudhauses, das neben den bereits bestehenden Ein weiteres gewaltiges Unterfangen, das Sudhäusern die Salzproduktion in Hallein Colloredo anordnete, war die Regulierung heben sollte. Das „Colloredo Sudhaus“ der Salzach im Pinzgau und der Gasteiner nahm 1799 seinen Betrieb auf. Da die Ache sowie die Trockenlegung der verAnlage allerdings eine technische Fehlkonmoosten Gründe entlang dieser beiden struktion war und keine günstigen SudFlüsse. Unmittelbarer Anlass dafür waren ergebnisse erbrachte, wurde der Betrieb die verheerenden Überschwemmungen bereits 1803 wieder eingestellt. 12 Das der Salzach im Oberpinzgau und der Gas„Colloredo Sudhaus“ war das letzte neu teiner Ache im Jahre 1790. 14 Nachdem gebaute Sudhaus, bevor 1854 bis 1862 die sich Colloredo persönlich vor Ort von den Salinenanlage auf der Pernerinsel errichtet gegebenen Situationen ein Bild gemacht wurde. Mit der Einstellung des Salzabbaus hatte, wurden unverzüglich im folgenden und der Schließung der Saline in Hallein im Jahr die Regulierungs- und Meliorations- 12 Thomas Hellmuth/Ewald Hiebl, Zeit des Umbruchs. Salzproduktion und Salzarbeiterschaft im 19. Jahrhundert. In: Salz. Katalog zur Salzburger Landesausstellung, hrsg. v. Salzburger Landesausstellungen. Salzburg 1994, S. 248-263, hier S. 256. 13 SLA, GA XXXV Generale 1774-08-15; OU 1778 XI 14; GHK LV 5 g. 14 SLA, GA XXXV Generale 1790-11-30. 9 erzbischof hieronymus Colloredo – landesherr maßnahmen im Gasteinertal begonnen. Die Arbeiten an der Oberen Salzach wurden 1794 aufgenommen. Bereits 1773 wurden zur Verbesserung der Salzachschifffahrt die Stromschnellen an der Salzach im Bereich des heutigen Oberndorf erischen Herrschaft wurde die Regulierung von Teilstrecken der Salzach wieder fortgesetzt. Im 19. Jahrhundert folgten im Pinzgau umfangreiche flussbauliche Eingriffe entlang der Salzach, wobei der stark mäandernde Flussverlauf begra- Abb. 4: Die mäandernde Salzach bei Piesendorf, Ausschnitt aus: „Plan über die Versumpfungen im Pinzgau-Thale von Wald über Mittersill, Niedersill, Bruck bis Gries nebst Darstellung der zur Austrocknung derselben projectierten Regulierung der Salzach und der durch die Versumpfungen anzulegenden Entwässerungs-Kanäle“; Entwurf: Wolfgang Hagenauer, k. k. Bauinspektor, 1816. (SLA, KuR O.134; Reproduktion: SLA) durch Sprengung entschärft. Fehlende finanzielle Mittel, die folgenden kriegerischen Ereignisse und die politischen Umwälzungen, die Europa und auch Salzburg an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert erfassten, brachten aber die Projekte zum Erliegen. Erst unter der bay- digt wurde. 15 Die Arbeiten an der Gasteiner Ache wurden 1827 wieder in Angriff genommen. 16 Auf Hieronymus Colloredo ist auch zurückzuführen, dass sich Badgastein im 19. Jahrhundert von einem rückständigen 15 Heinz Wiesbauer/Heinz Dopsch, salzach macht geschichte (Salzburg Studien. Forschungen zu Geschichte, Kunst und Kultur, hrsg. v. Verein „Freunde der Salzburger Geschichte“, Bd. 7). Salzburg 2007, S. 110, 134, 151 f. 16 Sebastian Hinterseer, Bad Hofgastein und die Geschichte Gasteins. Salzburg 1977, S. 577-579. 10 erzbischof hieronymus Colloredo – landesherr Badeort mit primitiven hölzernen Badeanlagen und veralteten Gasthäusern zu einem vielbesuchten Weltbad und zu einem Ort, in dem Europas große Politik gemacht wurde, 17 entwickeln konnte. Hieronymus Colloredo kannte die modern ausgestatteten Badeorte Karlovy Vary (Karlsbad), das belgische Spa, das er 1786 zur Kur besucht, und Bad Ems, wo er sich als Tagungsteilnehmer am Emser Kongress aufgehalten hatte. Diese dürften für Hieronymus Colloredo den Ausschlag gegeben haben, sich im Wildbad in Gastein, wo er mehrmals zur Kur gewesen war, eine großzügige, zeitgemäße und für die Kurgäste angenehme Badeanlage zu schaffen. Ursprünglich wollte er, dass diese neu zu errichtende Badeanlage, bestehend aus einem fürstlichen Schloss mit Nebengebäuden und zwei Gasthäusern, umgeben von einem Park, auch für die Öffentlichkeit zugänglich sein sollte. Da er aber für seine Pläne bei den Besitzern der ansässigen Tavernen keine finanzielle Unterstützung fand, entschloss er sich, nur für den Eigenbedarf ein Badeschloss zu bauen. Abb. 5: Situationsplan vom Badeschloss in Badgastein mit Gartenanlage, nicht ausgeführter Entwurf von Hofmaurermeister Johann Georg Laschensky. (SLA, BA X.2.2; Reproduktion: SLA) 17 Heinrich Zimburg, Das Badeschloß in Badgastein. Sonderabdruck aus: Badgasteiner Badeblatt, Nr. 20, 21, 22 (1962); Ulrike Engelsberger, Wildbad Gastein. In: Die Alpen als Heilungs- und Erholungsraum (Schriftenreihe der Arbeitsgemeinschaft Alpenländer, hrsg. v. Kommission III Kultur). Bozen 1994, S. 157-175, hier S. 163 f. 11 erzbischof hieronymus Colloredo – landesherr Obwohl sich Hieronymus Colloredo für die sparsamere Variante aus der Vielzahl der ihm von Hofmaurermeister Johann Georg Laschensky, Kameral- und Landschaftsarchitekten Louis Grenier und vom hochfürstlichen Bauverwalter Wolfgang 18 Hagenauer vorgelegten Bauentwürfe entschieden hatte, legte er mit dem nach dreijähriger Bauzeit im Herbst 1794 fertiggestellten Badeschloss, das außerdem der erste Steinbau im Wildbad Gastein war, den Grundstein für den Aufschwung des Kurortes. 1807 wurde das Badeschloss zur öffentlichen Benutzung freigegeben. Im 19. Jahrhundert erfolgten Vergrößerungsund Adaptierungsumbauten. Obwohl das Gebäude heute unter Denkmalschutz steht, scheint das zurzeit leer stehende Haus dem Verfall preisgegeben zu sein. Angeregt durch die josephinischen Kirchenreformen Kaiser Josephs II., insbesonders von der Idee der Verkleinerung der Pfarrsprengel zur Verbesserung der unmittelbaren seelsorglichen Betreuung der Bevölkerung, nahm Hieronymus Colloredo in seiner Funktion als weltlicher Landesherr dies als Vorbild für seine Vorstellung von der idealen Größe der Verwaltungsbezirke auf dem Lande. Diesem Ideal nicht entsprochen hatte der Pfleggerichtssitz im Schloss Moosham, der für die Verwaltung des gesamten Lungaues zuständig war. Daher beschloss Hieronymus Colloredo, dieses Pfleggericht aufzulösen und an dessen Stelle zwei neue und dadurch für die Lungauer Bevölkerung leichter erreichbare Amtssitze in St. Michael und in Tamsweg einzurichten. 1790 wurde das Vorhaben umgesetzt. In St. Michael ließ er eigens ein neues Pfleggerichtsgebäude errichten, 19 in Tamsweg wurde das aufgelassene Kapuzinerkloster als Pfleghaus adaptiert. 20 Hingegen darf die Auflösung des Landgerichtes Wagrain zu Ende des Jahres 1801 und dessen Integrierung in das Landgericht St. Johann 21 als erforderliche Rationalisierungsmaßnahme infolge der durch die Kriegswirren entstandenen prekären finanziellen Lage betrachtet werden. Bereits 1773 hatte Hieronymus Colloredo im Landgericht Abtenau für die Errichtung eines neuen Verwaltungsgebäudes an Stelle des baufälligen alten gesorgt. 22 Ebenfalls wieder aufgebaut wurde 1785 das dem großen Stadtbrand 1781 zum Opfer gefallene Pfleggerichtsgebäude in Radstadt. 23 In den Jahren 1789 bis 1793 erfuhr das erzbischöfliche Residenzgebäude seine letzte große Umgestaltung. Colloredo ließ an der Südwestecke einen Bau errichten, der heute als Toskanatrakt bekannt ist. Dieser war als Nutzbau für die Unterbringung von Amtsräumen und Wohnungen für seine Hofbediensteten vorgesehen und nicht als Prunkbau zum Zweck der architekto- 18 SLA, BA X.2.0 – BA X.2.4.1. 19 Jürgen Kornprobst unter Mitarbeit v. Ulrike Engelsberger/Fritz Koller/Hubert Schopf, Die Gerichtsgebäude im Lande Salzburg. In: MGSL 144 (2004), S. 403-420, hier S. 418. 20 Kornprobst, Gerichtsgebäude (wie Anm. 19), S. 420; Klaus Heitzmann, Die Verwaltung in Markt und Land. In: Klaus Heitzmann/Anton Heitzmann/Josefine Heitzmann, Tamsweg. Die Geschichte eines Marktes und seiner Landgemeinden. Tamsweg 2008, S. 46-109, hier S. 49. 21 Gottfried Steinbacher, Gerichtswesen. In: Marktgemeinde Wagrain (Hrsg.), Wakhrein. Die alte Hofmark. Ortschronik Wagrain, Bd. 1.Wagrain 1993, S. 129-142, hier S. 138.22 Kornprobst, Gerichtsgebäude (wie Anm. 19), S. 408. 23 Kornprobst, Gerichtsgebäude (wie Anm. 19), S. 411. 12 erzbischof hieronymus Colloredo – landesherr nischen Selbstdarstellung des Fürsten, wie dies seine Vorgänger praktiziert hatten. Zur Umsetzung dieses Bauvorhabens mussten desolate Hofhäuser an der Ecke der heutigen Churfürststraße/Sigmund-HaffnerGasse abgerissen werden, ebenso auch Teile der Gartenanlage in der sogenannten Dietrichsruh aus der Zeit Erzbischof Wolf Dietrichs. Wie die neuesten Forschungen zur Bautätigkeit Colloredos an der Residenz aufgezeigt haben, hat er den Abbruch des Langhauses der Franziskanerkirche sowie der Riesenpilaster in der Dietrichsruh mit den dahinterliegenden Zimmern für eine Abb. 6: Karte der Salzburger Land- und Pfleggerichte und die auswärtigen Besitzungen von Joseph Jakob Fürstaller, zwischen 1772 und 1775. (SLA, KuR D.49; Reproduktion: SLA) 13 erzbischof hieronymus Colloredo – landesherr Erweiterung des geplanten Traktbaues nie in Betracht gezogen. Somit konnte die tradierte Meinung, Hieronymus Colloredo habe aus Desinteresse und aus Gründen drohender Säkularisierungsansprüche den Bau vorzeitig eingestellt, sodass deshalb das Langhaus und die sogenannte „Steinerne Verlegenheit“ in der Dietrichsruh erhalten geblieben wären, revidiert werden. 24 Der dem Geist der Aufklärung aufgeschlossene Hieronymus Colloredo brachte Salzburg eine enorme geistig-kulturelle Erneuerung. Durch die Förderung der Wissenschaften und Publizistik zog er viele gelehrte Vertreter der Aufklärung nach Salzburg, sodass sich Salzburg in den letzten Jahrzehnten vor seiner Säkularisierung zu einem Zentrum der Aufklärung im süddeutschen Raum entwickelt hatte. 1783 siedelte sich der deutsche Weltpriester Lorenz Huebner in Salzburg an, der bereits ab 1784 die „Salzburger Zeitung“ mit der wöchentlichen Beilage, Abb. 7: Ansicht der Stadt Salzburg mit der Festung, aufgenommen vom Kapuzinerberg, 1791, Zeichner: August Franz Heinrich Naumann, Stecher: Anton Amon. (SLA, KuR F.27.3; Reproduktion: SLA) 24 Imma Walderdorff, Umbau der Residenz unter Fürsterzbischof Hieronymus Graf von Colloredo-Wallsee. In: Roswitha Juffinger (Hrsg.), Zentrum der Macht. Die Salzburger Residenz 1668–1803, Bd. 1. Salzburg 2011, S. 153-173; dies., Die fürsterzbischöfliche Residenz in Salzburg unter Fürsterzbischof Hieronymus Graf Colloredo (1772–1803/1812): Kunst im Dienste der Aufklärung. phil. Diss. Univ. Wien 2010, S. 63-107. 14 erzbischof hieronymus Colloredo – landesherr dem „IntelligenzSalzburg internatioblatt“, herausgab. nal wirkenden WisAb 1788 erschien senschaftler und seine Zeitschrift Gelehrten machen „Oberdeutsche zu können, seien allgemeine Littenoch einige aus raturzeitung“, in ihrer Reihe angeder theologische, führt: der Minephilosophische, raloge und Monnaturwissenschafttanist Caspar M. liche sowie lanSchroll, der Refordeskundliche Themer des Salzburmen behandelt ger Schulwesens wurden. Huebund Begründer der ner verfasste auch Lehrerbildungsaneine fünfbändige stalt Franz Michael Beschreibung von Vierthaler, der aus Stadt und Land Mainz stammende Salzburg. Aus der Leibarzt Colloredos Hand des Histound Reformer des rikers und Staats- Abb. 8: Barbara Krafft (1764–1825): Porträt von Medizinalwesens mannes Johann Karl Maria Ehrenbert Freiherr von Moll, vor 1804. Johann Jakob HarFranz T h a d - (SLA, Kunstinventar 172; Reproduktion: SLA) tenkeil, der Staatsdäus von Kleinrechtslehrer Konmayrn stammt „Juvavia“, das Hauptwerk rad Hartleben, die Philosophen Augustin zur Salzburger Staats- und KirchengeSchelle und Bernhard Stöger, die Historischichte. Über die Grenzen Salzburgs ker Judas Thaddäus Zauner und Corbinian hinaus bekannt war der Naturforscher Gärtner, der Orientalist Pater Alois Sandund im hohen Staatsdienst stehende Karl bichler und viele mehr. 25 Maria Ehrenbert Freiherr von Moll. Seine umfangreichen Sammlungen an MineraBisher war die Meinung vertreten worlien, Pflanzen, Insekten und Kupferstichen den, dass der von der Vernunft der Aufsowie seine über 80.000 Bücher umfasklärung geleitete und sparsame bis geizige sende Bibliothek fand die AufmerksamErzbischof keinen Sinn für bildende Kunst keit von Alexander von Humboldt. Um aufgebracht hätte. Nunmehr beweisen sich ein Bild von der Bandbreite der in die vor kurzem durchgeführten Untersu- 25 Ludwig Hammermayer, Die Aufklärung in Salzburg (ca. 1715–1803). In: Heinz Dopsch/Hans Spatzenegger, Geschichte Salzburgs. Stadt und Land. Neuzeit bis zum Ende des geistlichen Fürstentums (1803), Bd. II/1. Salzburg ²1995, S. 357452; Thomas Weidenholzer, Aufklärung und Säkularisierung in Salzburg um 1800 – Ambivalenzen des Fortschritts. In: Gerhard Ammerer/Alfred Stefan Weiß (Hrsg.), Die Säkularisation Salzburgs 1803. Voraussetzungen – Ereignisse – Folgen. Protokoll der Salzburger Tagung vom 19.-21. Juni 2003 (Wissenschaft und Religion. Veröffentlichungen des Internationalen Forschungszentrums für Grundfragen der Wissenschaften Salzburg, Bd. 11). Frankfurt-Berlin 2005, S. 56-83. 15 erzbischof hieronymus Colloredo – landesherr chungen über Colloredos Gemäldesammlung, dass dieser nicht nur Interesse an der Kunst zeigte, sondern sich hier auch persönlich durch Ankauf und Kunstaufträge einbrachte. Hieronymus Colloredo begnügte sich nicht mit dem Bilderbestand seiner Vorgänger, sondern ergänzte diesen mit Gemälden zeitgenössischer Maler wie Albert Christoph Dies und Nicola Bonvicini. Der überwiegende Anteil von Colloredos Auftragswerken stammte vom Hofmaler und Galerieinspektor Andreas Nesselthaler, der im Auftrag Colloredos im Stil der neu aufgekommenen Maltechnik, der Enkaustik, das sogenannte „Enkaustische Kabinett“ ausgestaltete. Colloredo hatte eigens zur repräsentativen Aufhängung seiner Gemäldesammlung im 3. Obergeschoß der Residenz die Einrichtung einer neuen Bildergalerie angeordnet. Von dieser 279 Gemälde umfassenden Sammlung konnte rund ein Viertel der Bilder als Ankauf Colloredos identifiziert werden. Neben den Gemälden besaß er eine umfangreiche Sammlung an Zeichnungen, Druckgrafiken und Büchern mit kostbaren Illustrationen. Nach seiner Flucht 1800 haben die Franzosen und die nachfolgenden Regenten Salzburgs auf seine Sammlungen zugegriffen, sodass sie nicht mehr als Ganzes erhalten sind. 26 Auch die auf Veranlassung Colloredos erfolgte Gründung einer Zeichenschule im Ritzerbogen- haus nach dem Vorbild der Wiener Kunstakademie im Jahre 1784 zeigt, dass er den schönen Künsten zugetan war. 27 Das Theaterleben in Salzburg, das bis dahin vornehmlich an der Benediktineruniversität gepflegt wurde, bereicherte Hieronymus Colloredo mit der Errichtung eines bürgerlichen „Comödienhauses“, das nicht allein dem Fürsten und seinen Gästen vorbehalten war, sondern es konnten auch die Bürger die regelmäßig stattfindenden Theater- und Opernaufführungen sowie Bälle gegen Bezahlung eines Eintrittes besuchen. 1893 wurde das „Hoftheater“ durch den Neubau des „Stadttheaters“, dem heutigen Landestheater, ersetzt. Hieronymus Colloredo hat also als Liebhaber des Theaters dafür gesorgt, dass Salzburg seit 1775 eine feste Bühne besitzt. 28 Hieronymus Colloredo, der selbst Violine spielte und gelegentlich sogar bei Gesellschaften auftrat und Kompositionsaufträge vergab, beschäftigte an seinem Hof eine Reihe von Musikern, die heute wegen ihres hohen musikalischen Schaffens in der Musikwelt zu den bekanntesten und wohl auch zu den meist gespielten Komponisten zählen. So wirkte 1763 Johann Michael Haydn (1737–1806) zunächst als Konzertmeister 29, 1782 folgte er Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791) als 26 Imma Walderdorff, Die Gemäldesammlung von Fürsterzbischof Hieronymus Graf von Colloredo-Wallsee. In: Roswitha Juffinger (Hrsg.), Zentrum der Macht. Die Salzburger Residenz 1668–1803, Bd. 1. Salzburg 2011, S. 187-309; Juffinger, Zum Kunstverständnis (wie Anm. 3), S. 605-638. 27 Christoph Brandhuber, Colloredos Malerakademie und die Graphiksammlung der Universitätsbibliothek. In: Roswitha Juffinger (Hrsg.), Zentrum der Macht. Die Kunstsammlungen der Salzburger Fürsterzbischöfe. Gemälde/ Graphik/Kunstgewerbe, Bd. 2. Salzburg 2011, S. 651-669. 28 Gisela Prossnitz, Vom fürsterzbischöflichen Hoftheater zum Stadttheater (1775–1893) – Theaterleben im 19. Jahrhundert in Salzburg. In: Rudolph Angermüller (Red.), Bürgerliche Musikkultur im 19. Jahrhundert in Salzburg. Salzburg 1981, S. 130-143. 29 SLA, HK Generaleinnehmer- und Hofzahlamt 1807/12 Lit. E. 16 erzbischof hieronymus Colloredo – landesherr Hoforganist nach. 1782 berief Hieronymus Colloredo den italienische Opern und geistliche Musik komponierenden Liugi Gatti (1740–1817) nach Salzburg. Bei der Bestellung Gattis zum Kapellmeister zog Hieronymus Colloredo den Italiener seinem Vizekapellmeister Leopold Mozart (1719–1787) vor, der ebenfalls dieses Amt angestrebt hatte. 30 Bekannt ist, dass das Verhältnis zwischen Hieronymus Colloredo und Wolfgang Amadeus Mozart nicht das allerbeste war. Mozart, der mit Unterbrechungen zwölf Jahre im Dienst des Salzburger Hofes stand, reichte 1781 seine Entlassung ein und wirkte bis zu seinem Tod 1791 in Wien als freischaffender Musiker und Komponist. 31 Als im Ersten Koalitionskrieg die französischen Truppen Anfang August 1796 und später nochmals im April 1797 den Grenzen des Erzstifts und der Residenzstadt Salzburg gefährlich nahe rückten, traf Colloredo für eine eventuelle Flucht Vorkehrungen zu seiner eigenen Sicherheit und zum Erhalt der wichtigsten Staatspapiere, Finanzen (Gold, Silber, Gehälter), Kunstschätze und vieles andere mehr. Als Zufluchtsorte für sich fasste er 1796 die salzburgische Herrschaft Deutschlandsberg in der Steiermark 32 oder das Palais Attems in Graz ins Auge, 1797 zog er als Alternativen die Stadt Linz oder das Palais Colloredo-Mansfeld in Prag näher in Betracht. Die wichtigsten Archivalien und das übrige oben Angeführte sollte der Domherr Graf Attems in sein Palais nach Graz bringen. Als aber die Franzosen am 24. August bei Amberg geschlagen und ihre Truppen bei Würzburg und München zum Rückzug gezwungen worden waren, ließ Hieronymus Colloredo den attem‘schen Tross, der bereits Radstadt erreicht hatte, wieder zurückholen. Man wiegte sich wieder in Sicherheit, und es wurde überschwänglich gefeiert. Doch den Franzosen gelangen Erfolge im Süden (Triest, Görz, Krain, Kärnten und Teile von Tirol), und sie rückten nun von dort nach Norden und somit auch in Richtung Salzburg vor. In dieser Situation wollte der Wiener Hofkriegsrat, dass die Bewohner der Gebirgsgaue bewaffnet werden sollten. Doch Colloredo war dagegen, da er im Falle einer Niederlage größere Grausamkeiten an der Bevölkerung befürchtete. Im Zweiten Koalitionskrieg wurde 1800 das Erzstift Salzburg endgültig von den Kriegs- 30 Zur Salzburger Hofmusik siehe: Ernst Hintermaier, Die Salzburger Hofkapelle von 1700 bis 1806. Organisation und Personal. phil. Diss. Univ. Salzburg 1972, S. 131-144, S. 166-169, S. 290-298; Manfred Hermann Schmid/Petrus Eder OSB, Leopold Mozart – Wolfgang Mozart – Michael Haydn. In: Jürg Stenzl/Ernst Hintermaier/Gerhard Walterskirchen (Hrsg.), Salzburger Musikgeschichte. Vom Mittelalter bis ins 21. Jahrhundert. Salzburg 2005, S. 255-331. 31 SLA, GA XXV M 26. 32 SLA, Ausländische Deputation 14.07: Befehl an Franz Jud, den Verwalter der salzburgischen Herrschaft Landsberg, im Falle einer notwendigen Abreise aus Salzburg für Erzbischof Hieronymus Colloredo eine geeignete Unterkunft im Schloss oder Markt (Deutsch)Landsberg vorzubereiten, 9. August 1796. 33 Gilda Pasetzky, Das Erzbistum Salzburg und das revolutionäre Frankreich (1789–1803) (Europäische Hochschulschriften, Reihe III, Geschichte und ihre Hilfswissenschaften, Bd. 680). Frankfurt/Main-Berlin u.a. 1994; Thomas Josef Mitterecker, Das Erzstift Salzburg im Zweiten Koalitionskrieg (Europäische Hochschulschriften, Reihe III, Geschichte und ihre Hilfswissenschaften, Bd. 914). Frankfurt/Main-Berlin u.a. 2000. 17 erzbischof hieronymus Colloredo – landesherr schen Frankreich und Österreich. Vom 12. bis 14. Dezember 1800 fanden auf den Feldern um Wals umfangreiche Gefechte statt – die Österreichischen Truppen wurden schließlich in der sogenannten „Schlacht auf dem Walserfeld“ entscheidend geschlagen. Somit war der Weg in die Stadt Salzburg frei, der damit aber auch eine langwierige und wahrscheinlich verlustreiche Belagerung erspart blieb. Es folgte eine 14 Wochen dauernde französische Besetzung Salzburgs, die dem Land und seiner Bevölkerung die bedrückend hohe Belastung an Zahlung von Kriegskontribution und Besatzungskosten in der Höhe von mehr als 6 Millionen Gulden aufbürdete. Zusätzlich vergrößerten die Zwangseinquartierungen und Plünderungen die Not der Bevölkerung. Zudem wurden wertvolle Kunstschätze verschleppt. 34 Abb. 9: Porträt von Leibkammerdiener Johann Ulrich Angerbauer (1730–1827), der Erzbischof Hieronymus Colloredo im Jahre 1800 bei seiner Flucht nach Wien begleitete. Künstler: Andreas Nesselthaler. (SLA, Graphik XV.25; Reproduktion: SLA) wirren erfasst. 33 Es wurde zum Kriegsschauplatz in der Auseinandersetzung zwi- Erzbischof Hieronymus Colloredo aber flüchtete bereits am 10. Dezember, also einige Tage vor der Schlacht, aus Salzburg und reiste mit seinem Kammerherrn, Johann Ulrich Angerbauer 35, in einer einfachen Postkutsche über Graz und Brünn nach Wien, von wo er nie mehr nach Salzburg zurückkehren sollte. Für die Regierungsgeschäfte des Erzstifts Salzburg während seiner Abwesenheit setzte er eine Statthalterschaft unter der 34 Zur Schlacht auf den Walser Feldern: Kurt A. Mitterer, Der Lieferinger Franzosenhügel – die Schlacht vor Salzburg im Jahr 1800. In: Verein Stadtteilmuseum Salzburg-Liefering (Hrsg.), Der Lieferinger Kulturwanderweg. Salzburg 2006, S. 151-153; Friederike Zaisberger, Salzburg in napoleonischer Zeit und die Verschleppung seiner Kunstschätze. In: Die Alpenländer zur Zeit Napoleons. Arge Alpenländer, Historikertagung in Hall/Tirol 1984. Innsbruck 1985, S. 82-121; Ingonda Hannesschläger, Die „geraubten“ Salzburger Kunstschätze. In: Gerhard Ammerer/Alfred Stefan Weiß (Hrsg.), Die Säkularisation Salzburgs 1803. Voraussetzungen – Ereignisse – Folgen. Protokoll der Salzburger Tagung vom 19.-21. Juni 2003 (Wissenschaft und Religion. Veröffentlichungen des Internationalen Forschungszentrums für Grundfragen der Wissenschaften Salzburg, Bd. 11). Frankfurt-Berlin 2005, S. 242-281. 35 SLA, Frankkartei: Johann Ulrich Angerbauer; Graphik XV.25. 36 SLA, GA XXXV Generale 1796-08-30; GA XXXV Generale 1800-12-10. 18 erzbischof hieronymus Colloredo – landesherr Leitung des Bischofs von Chiemsee, Sigmund Christoph Graf zu Zeil und Trauchburg, ein. 36 Doch die Säkularisierung des Erzstifts Salzburg war nicht mehr aufzuhalten, denn zum einen galten geistliche Reichsfürstentümer zu der Zeit bereits als überholte Staatsformen, die keine Existenzberechtigung mehr hätten. Zum anderen waren für Salzburg die Würfel bereits am 17. Oktober 1797 im Friedensvertrag von Campo Formio gefallen, in dem in einem geheimen Artikel festgehalten war, dass sich die französische Republik dahingehend verwenden werde, dass Kaiser Franz II. das Erzstift Salzburg erhalten sollte. Aber erst im Frieden von Lunéville 1801 erfolgte die formelle Säkularisierung Salzburgs. Im Reichsdeputationshaupt- Abb. 10: Abdankungspatent von Erzbischof Hieronymus Colloredo vom 11. Februar 1803. (SLA, Graphik IV.46.01; Reproduktion: SLA) 19 erzbischof hieronymus Colloredo – landesherr schluss, der 1802 in Regensburg verabschiedet wurde, wird Salzburg mit der Fürstpropstei Berchtesgaden, dem Fürstbistum Eichstätt und Teilen des Bistums Passau dem Großherzog Ferdinand III. von Toskana als Kurfürstentum zugesprochen. Am 11. Februar 1803 dankt Hieronymus Colloredo als Landesherr endgültig ab 37, und noch am selben Tag nimmt Großherzog Ferdinand von Toskana durch das Besitzergreifungspatent offiziell Salzburg in Besitz 38. Hieronymus Colloredo bleibt aber bis zu seinem Tode Erzbischof von Salzburg. Er starb am 20. Mai 1812 in Wien und wurde seinem Wunsch entsprechend im Stephansdom beigesetzt. 2003 erfolgte seine Überführung in den Dom nach Salzburg. 37 SLA, Graphik IV.46.01, Abdankungspatent vom 11. Februar 1803. 38 SLA, Graphik IV.46.10, Besitzergreifungspatent vom 11. Februar 1803. 20 erzbischof hieronymus Colloredo – landesherr Abb. 11: Kolorierter Kupferstich vom „Grabmaal des Erzbischofs Hieronymus in der Stephans=Kirche in Wien“, Zeichner: Carl Peter Goebel, Stecher: Franz Seraph Güntherr. (SLA, Graphik XV.18; Reproduktion: SLA) 21 erzbischof hieronymus Colloredo – landesherr 22 erzbischof hieronymus Colloredo – wahl Ulrike Engelsberger Die Wahl des Erzbischofs im Kapitelsaal Als am 16. Dezember 1771 Fürsterzbischof Siegmund III. Graf Schrattenbach in Salzburg starb, begann im Geheimen ein reges Treiben unter den österreichischen und bayerischen Parteien, um ihren Kandidaten bei der bevorstehenden Wahl des neuen Erzbischofs durchzusetzen und dadurch ihre Einflussmöglichkeiten zu verstärken. So wandte sich Colloredos Vater Rudolf Josef Graf Colloredo direkt an Kaiser Joseph II., um „bei dem Römischen Hofe eine Declaration zu erwirken, dass die Bischöfe von Gurk, Seckau, Lavant und Chiemsee in Absicht auf das Erzbistum Salzburg als eligibiles (Wählbare) zu halten seien“ 39. Der Kaiser handelte sofort und versuchte über seinen Legaten in Rom das „Breve Eligibilitatis“ für den Bischof von Gurk auf das Erzbistum Salzburg zu erreichen. Papst Clemens XIV. reagierte und schrieb an die Salzburger Domherren sehr diplomatisch, dass es ihr gutes Recht sei, ihren zukünftigen Bischof selbst auszuwählen. Sollten sie sich aber für einen der vier Suffraganbischöfe entscheiden, dürften sie sich seiner Akzeptanz sicher sein. Für die bayerischen Interessen agierte der Hofratspräsident August Graf von Törring zu Jettenbach. Da er aber dabei ziemlich direkt auf sein Ziel lossteuerte, sorgte dies gleich zu Beginn für Spannungen unter den Domherren. Abb. 12: Außenansicht vom Kapitelhaus, Kapitelgasse 4, in dem sich im 1. Stock der ehemalige Kapitelsaal befunden hat. (Foto: SLA) 39 Günter Schusta, Das gekrönte Österreich. Wien 2006, S. 93. 23 erzbischof hieronymus Colloredo – wahl Abb. 13: Skizze vom Kapitelsaal, der Kapelle und der „Wahlzelle“, die dem Originalwahlprotokoll beigebunden ist. (SLA, Domkapitelprotokolle, Rapulare Protocolli Sedi Vacantiae Anno 1771/72; Reproduktion: SLA) 24 erzbischof hieronymus Colloredo – wahl Abb. 14: Plan des ehemaligen Kapitelsaals nach der Adaptierung zum Senatssitzungssaal für die Universität Salzburg. (Quelle: Bundesimmobiliengesellschaft mbH) 25 erzbischof hieronymus Colloredo – wahl Die Wahl der Erzbischöfe erfolgte im Kapitelsaal. Doch Genaueres über diesen Saal und dessen Inneneinrichtung konnte erst durch das Sitzungsprotokoll „Rapulare Protocolli Sedis Vacantiae Anno 1771/72, Protokoll XXXVII vom 9. März 1772, Schema des Kapitular=Zimmer bey dem Wahl=Act ddo. 9. Merz 1772“ 40, das im Zuge der Vorbereitung für die Ausstellung „Erzbischof Hieronymus Colloredo – Kirchenfürst und Landesherr“ im Salzburger Landesarchiv entdeckt wurde, eruiert werden. Es wurde lange darüber gerätselt, wo sich der Kapitelsaal überhaupt befunden haben mag. Christian Walderdorff vermutete 1984, dass jene drei Säle, die damals noch durch Zwischenwände, die man aber inzwischen im Rahmen der Sanierung und Adaptierung für die Unterbringung der Salzburger Altstadt-Universität entfernt hatte, getrennt waren, zusammen den Kapitelsaal ausmachten. 41 Ulrich Salzmann schloss sich dieser Vermutung an 42, während Claudia Nitschke dies wiederum bezweifelte 43. Der nun aufgefundene Plan bestätigt, dass Walderdorff Recht hatte. Der Kapitelsaal befand sich also im ersten Stock des ehemaligen Kapitelhauses, dem heutigen Haus Kapitelgasse 4, in dem die Universität Salzburg untergebracht ist. Heute wird er als Senatssitzungssaal genützt. Er sah zur Zeit, als Colloredo zum Erzbischof gewählt wurde, demzufolge aus: Betrat man den Kapitelsaal, stand in der linken Ecke ein Kachelofen, mit dem der gesamte Raum beheizt wurde. Geradeaus diente ein Schirm als Sichtschutz. Dahinter war ein riesiger ovaler Sitzungstisch, dessen Enden auf beiden Seiten abgeschnitten waren. An der linken Längsseite waren zehn, an der rechten elf und an der oberen abgeschnittenen Tischkante zwei Stühle aufgestellt, die allesamt wie auch der Tisch mit rotem Samt bedeckt waren. Auf einem kleinen Tisch auf der rechten Seite fanden der Prokurator und der Notar ihre Plätze. Am rechten hinteren Ende des Saales nahmen an einem rechteckigen Tisch zwei Testes (Zeugen), drei Scrutatoren (Einsammler der geheimen Stimmzettel) und zwei Assistenten ihren Platz ein. In der Mitte vor der Wand gegenüber der Eingangstür stand ein Altar mit einem Kruzifix, sechs Leuchtern, einem Evangelienbuch und einem Kelch für die Stimmzettel. An einem kleinen ovalen Tisch, links neben dem Altar, saßen der Syndicus und Aktuar des Domkapitels. Von dort führte eine Tür in die „Wahlzelle“, in deren Mitte ein Tisch mit der Scrutiniaschachtel (Wahlurne) stand. Die Kapelle im Kapitelhaus konnte nach dem aufgefundenen Plan nicht direkt vom Kapitelsaal aus betreten werden. An der rechten Wand der Kapelle befand sich eine Kanzel, gegenüber 40 SLA, Domkapitelprotokolle, Rapulare Protocolli Sedis Vacantiae Anno 1771/72. 41 SLA, HS 630: Christian Walderdorff, Zur Baugeschichte der Domdechantei, des Firmianischen und des Salmischen Kanonikalhofes sowie des Kapitelhauses in Salzburg. Salzburg 1984, S. 34. 42 Ulrich Salzmann, Von Baugeschichte und Bewohnern dreier Kapitelhäuser. Paläste, in denen Geschichte gemacht wurde. In: Eberhard Zwink (Hrsg.), Finanzlandesdirektion Salzburg (Baudokumentation Universität und Ersatzbauten, Bd. 8). Salzburg 1987, S. 45-95, hier S. 51. 43 Claudia Nitschke, Die Kapitelhäuser. Kunsthistorische Betrachtungen und Quellenstudien. In: Roland Floimair (Hrsg.), Kapitelhäuser Altstadt-Universität (Baudokumentation Universitäten und Ersatzbauten, Bd. 12). Salzburg 1995, S. 15-29, hier S. 21. 26 erzbischof hieronymus Colloredo – wahl der die Stühle für die Domherren, ungefähr halbkreisförmig aufgestellt waren. Dem Kapitel, aus dem der neue Erzbischof gewählt werden sollte, gehörten folgende Domherren an: Dompropst Virgil Graf Firmian Domdechant Ferdinand Christoph Graf Zeil Bischof von Chiemsee Franz Karl Graf von Friedberg und Trauchburg Bischof von Passau Leopold Ernst Graf Firmian Leopold Anton Graf Podstatzky Franz Karl Hannibal Graf Dietrichstein Peter Virgil Graf Thun Franz Xaver Graf Breuner Josef Gottfried Graf Saurau Bischof von Gurk Hieronymus Graf Colloredo Bischof von Seckau Joseph Philipp Graf Spaur Bischof von Lavant Joseph Franz Anton Graf Auersperg Ferdinand Maria Fürst Lobkowitz Ignaz Joseph Graf Spaur Joseph Graf Attems Carl Joseph Graf Daun Franz Carl Joseph Graf Firmian Vinzenz Joseph Graf Schrattenbach Anton Willibald Graf Wolfegg Friedrich Vigili Josef Graf Lodron Die Wahl selbst ging dann so vor sich: Jeder Domherr hatte eine Kandidatenliste. Mit dieser ging er in die „Wahlzelle“ und schnitt dort den Namen seines Kandidaten heraus, ging zurück in den Kapitelsaal und warf den Zettel vor den Augen aller Anwesenden in den Kelch auf dem Altar. Alle Zettel wurden dann in die ScrutiniaSchachtel geworfen und durchmischt. Danach wurden die Zettel einzeln herausgenommen und vorgelesen. 1. Wahltag: 9. März 1772 (Montag) Nachdem die davor genannten Domherren am 9. März im Dom an einem Hochamt, das der Abt Beda von St. Peter zelebrierte, teilgenommen und sich den Beistand des Heiligen Geistes erbeten hatten, gingen sie zum Kapitelhaus. Dort erinnerte sie der Sonntagsprediger und Kapuzinerpater Primus in einer Predigt an ihre Pflicht, ohne Nebenabsichten den zu wählen, den sie für den Würdigsten hielten. Danach begaben sie sich in die Stuba Capitulari, den Kapitelsaal, zum ersten Wahlgang. Die Auszählung der Stimmen brachte aber nicht den erwarteten Zweikampf, sondern gleich drei Kandidaten erhielten den gleich hohen Stimmenanteil. Sebastian Graf Lodron Joseph Philip Graf Strassoldo Gandolf Ernst Graf Künburg 44 44 Zu den Biografien der Domherren siehe: J. Riedl, Salzburg‘s Domherren von 1514–1806. In: MGSL 7 (1867), S. 122-224. 27 erzbischof hieronymus Colloredo – wahl Abb. 15: Erste Seite vom Originalwahlprotokoll über die Wahl Hieronymus Graf Colloredos zum Erzbischof, 9. März 1772. (SLA, Domkapitelprotokolle, Rapulare Protocolli Sedi Vacantiae Anno 1771/72; Reproduktion: SLA) 28 erzbischof hieronymus Colloredo – wahl Die abgegebenen Stimmen waren im ersten Wahlgang so verteilt: Graf Zeil, Domdechant Graf Firmian, Bischof von Passau Graf Colloredo, Bischof von Gurk Graf Spaur, Bischof von Seckau Graf Auersperg, Bischof von Lavant Graf von Saurau 5 2 5 3 3 5 23 Da auch im zweiten Wahlgang kein Kandidat die erforderliche Stimmenmehrheit erhielt und die Zeit bereits auf 12.45 Uhr vorgerückt war, wurde beschlossen, am nächsten Morgen wieder um 8.00 Uhr zusammenzukommen, um mit göttlichem Beistand die nächsten Wahlgänge durchzuführen. Es gab an diesem Tag also nur zwei Wahlgänge, während an den nächsten drei Wahltagen immer drei Wahlgänge stattfanden. Nur am letzten Wahltag stand der Sieger bereits nach dem ersten Wahlgang fest. 2. Wahltag: 10. März 1772 (Dienstag) Alle Domkapitulare mit Ausnahme des Bischofs von Seckau, Graf Spaur, der sich an diesem Morgen und den folgenden Tagen wegen Unpässlichkeit entschuldigen und durch eine nicht näher genannte Person vertreten ließ, waren anwesend. Sie feierten zuerst in der Kapitel-Kapelle die heilige Messe, danach nahm jeder wieder im Kapitelsaal seinen Platz ein. Doch konnte an diesem Tag nicht gleich mit dem ersten Wahlgang begonnen werden. Aus Wien war nämlich ein Schreiben gekommen, in dem ersucht wurde, dass die Domherren ihre Meinung zu bestimmten Fragen bezüglich des Passwesens kundtun mögen. Erst nachdem sie Antworten auf diese Fragen gefunden hatten, konnten sie sich wie- der ihrer eigentlichen Aufgabe, der Wahl des Erzbischofs, zuwenden. Nach der Anrufung des Heiligen Geistes (Veni Sancte Spiritus) und der Überprüfung der Wahlordnung schritt man zum ersten Wahlgang, der folgendes Ergebnis brachte: Graf Zeil, Domdechant Graf Firmian, Bischof von Passau Graf von Saurau Graf Colloredo, Bischof von Gurk Graf Spaur, Bischof von Seckau Graf Auersperg, Bischof von Lavant 8 2 7 2 2 2 23 Nachdem die beiden nächsten Wahlgänge zu genau dem gleichen Ergebnis geführt hatten, wurde einstimmig beschlossen, mit den weiteren Wahlgängen erst am nächsten Tag fortzufahren. 3. Wahltag: 11. März 1772 (Mittwoch) Nach dem heiligen Messopfer und der abermaligen Anrufung des Heiligen Geistes wurden ab 8.00 Uhr die nächsten drei Wahlgänge durchgeführt. Da aber alle drei Wahlgänge zu dem völlig gleichen Ergebnis geführt hatten, wie bereits am ersten Wahltag (9. März) abgestimmt worden war, und eine erfolgreiche Wahl des Erzbischofs für diesen Tag daher nicht mehr zu erwarten war, beschloss man, am nächsten Tag keine Wahl durchzuführen, sondern statt dessen in der Domkirche um den göttlichen Beistand öffentlich zu beten. 4. Wahltag: 13. März 1772 (Freitag) Dieser Tag wurde um 8.00 Uhr wieder mit der Messfeier und der Überprüfung aller For- 29 erzbischof hieronymus Colloredo – wahl malitäten begonnen. Bei allen drei Wahlgängen kam es wieder zu gleichen Ergebnissen: Graf Zeil, Domdechant Graf Firmian, Bischof von Passau Graf von Saurau Graf Colloredo, Bischof von Gurk Graf Spaur, Bischof von Seckau Graf Auersperg, Bischof von Lavant 7 1 4 7 2 2 23 zeitig gegen den Papst und den Kaiser agieren könne ... In aller Form begrüßte er daraufhin Colloredo als den neuen Erzbischof und huldigte ihm demonstrativ.“ 45 Und somit war die Wahl am nächsten Tag nur mehr eine reine Formsache. 5. Wahltag: 14. März 1772 (Samstag) Die Domherren trafen sich an diesem Tag erst um 9.00 Uhr. Wie gewöhnlich wurde Dieser Tag zeigte einerseits, dass der wieder zuerst die hl. Messe gefeiert und zukünftige Erzbischof zwar einer jener darauf geachtet, dass alles vorschriftsmäßig beiden Kandidaten mit den meisten Stimabläuft. Danach wurde zur letzten Abstimmen sein werde, dass aber andererseits mung geschritten. In dieser entfielen auf Coldie Fronten so verhärtet waren, dass ein loredo 22 Stimmen, und eine Stimme bekam weiterer Wahlgang an diesem Tage nichts bringen würde. Diese Uneinigkeit unter den Domherren nützte Graf Hartig mit einem klugen Schachzug aus. Er lud aus Anlass des Geburtstages des Kaisers einige Gäste und darunter auch die Domherren zu sich ein. „Und hier gelang es ihm tatsächlich, im Verein mit dem Passauer Bischof, den Domdechanten und Liebling des Volkes auf die Seite Colloredos zu ziehen. Dem Grafen Zeil wurde offenbar klar gemacht, Abb. 16: Der ehemalige Kapitelsaal wird heute als Senatssitzungssaal der dass er nicht gleich- Universität Salzburg genutzt. (Foto: SLA) 45 Schusta, Österreich (wie Anm. 39), S. 95. 30 erzbischof hieronymus Colloredo – wahl Bischof Firmian von Passau. Somit war Colloredo mit überwältigender Stimmenmehrheit zum neuen Erzbischof und somit auch zum Landesherrn von Salzburg gewählt worden. Als Landesherr regierte er in Salzburg bis 1803, als Erzbischof leitete er das Erzbistum weiter bis zu seinem Tod im Jahre 1812. Ergänzend muss doch darauf hingewiesen werden, dass sich das Originalprotokoll über die Wahl des Erzbischofs Colloredo in einem Punkt widerspricht. Es führt nämlich genau an, wie viele Wahlgänge (Scrutinia) an jedem Wahltag durchgeführt worden sind. Zählt man diese zusammen, so kommt man auf die Zahl 12. Doch am 14. März, dem letzten Wahltag, steht im Protokoll, dass Colloredo im 13. (!) und letzten Wahlgang zum Erzbischof gewählt worden ist. Dabei ist aber auszuschließen, dass am ersten Wahltag nicht – wie angeführt – zwei, sondern drei Scrutinien vorgenommen worden sind, wie Joseph Ernst Ritter von KochSternfeld 46, Georg Abdon Pichler 47 und Günter Schusta 48 schreiben, da der Autor des Originalprotokolls ausdrücklich festhält, dass am ersten Wahltag nur zwei Wahlgänge durchgeführt worden sind und der zweite Wahltag mit dem dritten Scrutinium begonnen hat. 46 Koch-Sternfeld, Die letzten dreissig Jahre (wie Anm. 6), S. 41-43. 47 Georg Abdon Pichler, Salzburg‘s Landes- Geschichte. Salzburg 1861, S. 625. 48 Schusta, Österreich (wie Anm. 39), S. 95. 31 erzbischof hieronymus Colloredo – wahl 32 erzbischof hieronymus Colloredo – Kataster Oskar Dohle Der Hieronymuskataster 49 Unter Kataster versteht man die Erfassung aller Steuerpflichtigen und ihres Besitzes in einem bestimmten Bezirk zum Zweck einer möglichst gerechten Verteilung der Steuerlast. 50 Hinterfragt kann in diesem Sinn die „gerechte Verteilung der Steuerlast“ werden, denn hinter Allem steht letztlich auch das Ziel der Obrigkeit bzw. des Landesherrn, das Steuerwesen möglichst effizient zu gestalten, um daraus den größtmöglichen Ertrag zu erzielen. Wichtig ist, dass die sogenannte „Regulierung des Steuerwesens“ im Erzstift Salzburg außerhalb des Wirkungsbereiches der Urbarverwaltung steht und damit alle Grundherrschaften betraf. Kataster in den habsburgischen Ländern als Vorbild für Salzburg Die fortschreitende Entwicklung zu einem modernen Staatswesen brachte eine Steigerung der Verwaltungskosten mit sich, die dazu führte, dass in ganz Europa ab der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts Bestrebungen zu einer Reform und Modernisierung des Steuerwesens einsetzten. Die allgemein herrschenden wirtschaftlichen und fiskalischen Probleme der europäischen Staaten waren nicht nur auf die immensen Kosten der verschiedenen Kriege zurückzuführen, sondern wohl auch auf das ineffiziente, in der Regel noch auf das Mittelalter zurückgehende System von Steuern und Abgaben. Die Umstellung von einer personenbezogenen „Kopfsteuer“ zu einem liegenschaftsbezogenen Steuersystem sollte sowohl mehr Steuergerechtigkeit bringen als auch den Ertrag steigern. Zudem sollte damit der Einfluss der Stände gegenüber der nunmehr erstarkenden zentralen Staatsgewalt zurückgedrängt werden. Am 7. September 1718 erließ Kaiser Karl VI. (1711–1740) für das Herzogtum Mailand ein Patent, in dem die Schaffung eines zeitgemäßen Steuersystems auf Grundlage eines Grundkatasters angeordnet wurde. 51 49 Bei der vorliegenden Darstellung des Hieronymuskatasters handelt es sich grundsätzlich um einen überarbeiteten Auszug aus folgender Publikation: Oskar Dohle, Hieronymuskataster und Franciszäischer Kataster – zwei Schlüsselquellen zur regionalen Geschichte des Landes Salzburg. In: MGSL 145 (2005), S. 33-36. 50 Definition nach: Fritz Koller, Das Salzburger Landesarchiv (Schriftenreihe des Salzburger Landesarchivs, Nr. 4). Salzburg 1987, S. 172. 51 Josef Zeger, Triangulierung für Katasterzwecke. In: Die historische Entwicklung der staatlichen Vermessungsarbeiten (Grundlagenvermessungen) in Österreich, Bd. 2. Wien 1993, S. 7 ff. 33 erzbischof hieronymus Colloredo – Kataster Der daraus entstehende „Mailänder Kataster“ („Censimento milanese“) trat allerdings erst mit 1. Jänner 1760 in Kraft – er wurde zum Vorbild für die meisten europäischen Katasterwerke. Das fortschrittliche Steuersystem der Lombardei setzte sich vorerst in den anderen Gebieten der Habsburger-Monarchie nicht durch, da die damals noch herrschenden sozialen Verhältnisse zwischen Grundherren und Untertanen, wie beispielsweise die de jure noch weit verbreitete Leibeigenschaft, dies verhinderte. Erleichtert wurde die Einführung des Katasters in der Lombardei auch dadurch, dass das Herzogtum Mailand im Vergleich mit anderen habsburgischen Ländern ein vergleichsweise kleines Gebiet umfasste. Die prekäre Finanzlage des Staates, die durch die Erbfolgekriege am Beginn ihrer Regierungszeit noch verschärft wurde, zwang Maria Theresia (1740–1780) zu energischen Reformschritten. Am 26. Juli 1748 wurde eine allgemeine „Steuerrectification“ angekündigt, die erstmals eine allgemeine Steuerpflicht für Grundherren und Bauern enthielt. Allerdings beschränkte sich diese frühe Reform noch auf die Verbesserung der in den einzelnen Ländern bestehenden, recht unterschiedlichen Grundsteuersysteme. Man begnügte sich zudem mit einer „Steuerfassion“, also einer Selbsteinschätzung durch die jeweiligen Steuerpflichtigen – eine einheitliche Vermessung und Bestimmung der Ertragsfähigkeit unterblieb. Äußere Merkmale, 52 Zeger, Triangulierung (wie Anm. 51), S. 18 ff. 34 wie die Menge des ausgesäten Getreides, dienten als Grundlage für die Festlegung der Abgaben, ohne auf die naturräumlichen Realitäten Rücksicht zu nehmen. 1756 war diese „Steuerrectification“ abgeschlossen. Kaiser Joseph II. (1780–1790) setzte das Reformwerk seiner Mutter fort und regte im November 1783 eine Neuregelung der Grundsteuer an. Im „Josephinischen Grundsteuerpatent“ vom 20. April 1784 wurde erstmals in Europa das Prinzip der allgemeinen und gleichen Besteuerung eingeführt. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die Festlegung des Ertrages von Grund und Boden nun nicht mehr ausschließlich durch den Steuerpflichtigen selbst erfolgte, sondern, dass eigene Kommissionen eingesetzt wurden, um diese Angaben kritisch zu überprüfen. Zudem sollte die „Steuerfassion“ beim zuständigen Gericht oder in der jeweiligen Pfarre zur Einsicht aufliegen, damit „ein Besitzer den anderen kontroliren könne“. 52 Die Vermessung aller Grundstücke der nunmehrigen Steuer- bzw. „Katastralgemeinden“, deren genaue Grenzen zuvor festzulegen waren, stellte die Voraussetzung für die Neuordnung des Steuerwesens dar. Obwohl diese Vermessungen nicht wie geplant in einem halben Jahr abgeschlossen werden konnten, trat der „Josephinische Kataster“ schon am 1. November 1789 in Kraft. Wichtig ist der Umstand, dass es im Zuge der Arbeiten für den „Josephinischen Kataster“ noch zu keiner Triangulierung als erzbischof hieronymus Colloredo – Kataster Vermessungsgrundlage kam, da die Größe der jeweiligen Grundstücke mit Mess-Stricken, Maßbändern, Messketten, etc. ermittelt wurde. 53 Eine kartografische Umsetzung wäre schon alleine aus diesem Grund auf große Schwierigkeiten gestoßen, da es nur zu Einzelvermessungen von Grundstücken kam, die in der Regel zueinander nicht in Bezug gesetzt wurden. Die Anfertigung genauer „Katastralmappen“ für die habsburgischen Länder war vorgesehen – der „Josephinische Kataster“ besteht daher nur aus tabellarischen Zusammenstellungen ohne Planmaterial. Dies ist umso erstaunlicher, da auf dem Gebiet der Kartografie 1764–1787 die „Erste Landesaufnahme“ („Josephinische Landesaufnahme“) durchgeführt wurde. Sie hatte jedoch kein allgemeines Kartenwerk als Ergebnis, sondern wurde aus militärischen Überlegungen streng geheim gehalten und fand ihren Niederschlag nur in zwei handgezeichneten, kolorierten Landkarten. Als Maßstab diente das sogenannte „einfache Militärmaß“, nämlich ein Zoll gleich 400 Klafter (zu 72 Zoll) oder 1:28.800. 54 Nur in wenigen, militärisch besonders sensiblen Grenzregionen fand eine Verbindung zwischen der „ökonomischen Aufnahme“ im Zuge der Erstellung des Katasters und der „Ersten Landesaufnahme“ statt. Eine Ausnahme bildet allerdings das „Erzherzogtum Österreich ob der Enns“ (Oberösterreich), wo auf Grundlage der Ersten Landesaufnahme in dreifacher Verkleinerung eine gestochene Landkarte im Maßstab 1:86.400 hergestellt wurde. 55 Der Hieronymuskataster im Salzburger Landesarchiv In diesem gesamteuropäischen Kontext sollte das nach Erzbischof Hieronymus Graf Colloredo benannte Katasterwerk nicht als isoliertes Einzelunternehmen betrachtet werden, sondern es stellt vielmehr das Salzburger Pendant zu jenen Bemühungen zur Umstellung des Steuersystems dar, die in Österreich im 18. Jahrhundert unternommen wurden. Bereits kurz nach seinem Amtsantritt erkannte der neue Erzbischof, dass die Konsolidierung der Staatsfinanzen zu den vordringlichsten Aufgaben seiner Regierung gehören würde. Das Domkapitel sprach sich in diesem Zusammenhang neben anderen, begleitenden Maßnahmen für die Einführung eines gleichen Steuerfußes und die Trennung von ordentlichen und außerordentlichen Steuern aus. 56 Erzbischof Colloredo glaubte anfangs noch, dass er mit einer Reform der „Kopfsteuer“ die größte Steuergerechtigkeit bei maximalen Einkünften erzielen könnte. 53 Oskar Regele, Beiträge zur Geschichte der staatlichen Landesaufnahme und Kartographie in Österreich bis zum Jahre 1918. Wien 1955, S. 19. 54 Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen (Hrsg.), Die Entwicklung der amtlichen Kartographie in Österreich seit 1764. Wien o.J., S. III/IV. 55 Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen (Hrsg.), Die amtliche Kartographie Österreichs. Wien 1970, S. 12 f. 56 Johann Rupert Katschthaler, Die Steuerreform des Erzbischofs Hieronymus Colloredo (1772 bis 1803) im Erzstift Salzburg. phil. Diss. Univ. Innsbruck 1958, S. 63. 35 erzbischof hieronymus Colloredo – Kataster Bei den Landständen regte sich Widerstand gegen die Einführung eines neuen, einheitlichen Steuerfußes, der bis spätestens 1777 in Kraft treten sollte, da sie zusätzliche Belastungen befürchteten. Am 30. Dezember 1773 ersuchte der Erzbischof in einem geheimen Dekret um Vorschläge für die Besetzung einer Kommission, die als „Spezialsteuerregulierungskommission“ am 9. April 1774 erstmals zusammentrat – der erste Schritt zur letzten großen Reform des Steuerwesens im Erzstift. 57 Bereits wenige Wochen später, am 28. April 1774, sprach sich dieses siebenköpfige Gremium mit der denkbar knappsten Mehrheit von 4:3 Stimmen in einer ersten Empfehlung für die Einführung einer Grundsteuer auf Basis einer geometrischen Vermessung des Erzstifts aus. Grund und Boden sollten nach Grundstücksgröße und Ertrag besteuert werden. Mit der Forderung nach einer geometrischen Bodenvermessung ging man in Salzburg über die österreichischen Maßnahmen hinaus, denn es sollten somit auch vermessungstechnisch die genauen Grundlagen für ein reformiertes Steuersystem geschaffen werden. Die übrigen drei Mitglieder der Steuerreformkommission befürworteten zwar grundsätzlich ebenfalls eine Steuer auf Grund und Boden, glaubten aber mit unabhängigen Schätzungen der individuellen Besitzungen, ohne genaue Vermessung, das Auslangen zu finden. Diese Meinungsverschiedenheiten veranlassten den Erzbischof dazu, fünf „Pfleger“ (Vorsteher von „Pfleggerichten“) um eine Stellungnahme in die- ser Angelegenheit zu ersuchen – auch diese sprachen sich für eine Grundsteuer nach vorhergehender Vermessung aus. Am 17. August 1774 erteilte Hieronymus Colloredo den Befehl zum Beginn der geometrischen Aufnahme des Erzstifts, wobei vorerst im Pfleggericht Staufenegg Probevermessungen durchgeführt wurden, um die Kosten und den Zeitaufwand für das Gesamtprojekt abschätzen zu können. Nachdem die Steuerreformkommission am 23. März 1775 eine Instruktion für die „Feldmesser“ beschlossen hatte, begannen im Frühjahr dieses Jahres dann ebenfalls im Pfleggericht Staufenegg die eigentlichen Vermessungsarbeiten als Grundlage für den neuen Kataster. Die Vermessungsarbeiten gingen recht schleppend voran, zumal die „Landschaft“ auf Grund fehlender finanzieller Mittel immer wieder das Vermessungspersonal reduzierte. Die Steuerreformkommission erkannte recht bald, dass sich beim vorhandenen Personal die Aufnahme aller Pfleggerichte über mehrere Jahrzehnte hinziehen würde. Aus diesem Grund wandte sich die Kommission am 1. August 1776 an den Erzbischof und regte als Zwischenlösung die Einhebung 58 einer „Interimalsteuer“ an. Zu diesem Zweck sollten in allen Gerichten die Güter und Realitäten beschrieben werden. Diese insgesamt elf Punkte umfassende Steuerbeschreibung sollte nach den Vorstellungen der Reformkommission auch den Schuldenstand des jeweiligen Gutes beinhalten. Dies lehnte Erzbischof Colloredo in seinem Dekret vom 57 Zur Entstehung des Hieronymuskatasters; vgl.: Katschthaler, Steuerreform (wie Anm. 56), S. 69 ff. 58 Katschthaler, Steuerreform (wie Anm. 56), S. 72 ff. 36 erzbischof hieronymus Colloredo – Kataster 17. August 1776 jedoch mit dem Hinweis auf die Schwierigkeiten der genauen Erhebung der Schulden ab, denn er befürchtete, dass daraus wieder neue Ungerechtigkeiten bei der Steuerleistung entstehen würden. Daraufhin änderte die Kommission ihren Vorschlag und erarbeitete die Grundlagen für die durchzuführende Beschreibung der Güter, der Real- und Personalgewerbe sowie des steuerpflichtigen Kapitals. Um die Erhebungen der Berechnungsgrundlagen für die Einhebung der „Interimalsteuer“ zu vereinfachen und vor allem zu beschleunigen, wurden gedruckte Formulare versandt, und mit Befehl vom 29. Oktober 1776 alle pfleg- und landgerichtlichen Amtsträger angewiesen, diese für alle Grundherrschaften auszufüllen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass nunmehr erstmals eine Erhebung aller Grundherrschaften des Erzstifts stattfand. a.) Die sogenannten „Konzeptbände“ des Hieronymuskatasters Die als „Konzeptbände“ 59 bezeichneten, gebundenen Erhebungen als Grundlagen für die Berechnung der Höhe der „Interimalsteuer“ sowie die Beschwerden der Abgabepflichtigen gegen einzelne Berechnungen sind im Salzburger Landesarchiv vollständig erhalten. Sie wurden nach Gerichten geordnet und umfassen insgesamt 83 Bände. Auf Grund der mannigfaltigen, zusätzlichen Informationen geht der Quellenwert dieser Archivalien weit über die bloße Nennung der Besitzer einer Liegenschaft bzw. eines Gewerbes hinaus. Im Unterschied zu den Steuerbüchern des Hieronymuskatasters sind auch die Bücher von den Gerichten westlich von Salzach und Saalach im Landesarchiv vorhanden, die seit 1816 nicht mehr zu Salzburg gehören. Die Gliederung entspricht jener der Land- und Pfleggerichte und ihren Unterteilungen, wobei die verwendeten Begriffe hiefür regional variieren. 60 Die kleinsten territorialen Einheiten, die sich vornehmlich an der Pfarrorganisation orientieren, werden je nach Gegend unterschiedlich als „Hauptmannschaft“, „Obmannschaft“, „Rieget“, „Rott“ („Roth“) oder „Viertel“ bezeichnet. Ein oder mehrere dieser kleinsten Teile bilden ein „Amt“, eine „Kreuztracht“, eine „Schranne“ oder eine „Zeche“, wobei nicht bei allen Gerichten jede dieser Gliederungshierarchien vorhanden ist – ein Umstand, der die Orientierung im Hieronymuskataster nicht gerade erleichtert. Deshalb verfügt das Salzburger Landesarchiv über eine Kartei, in der alle Güter des Hieronymuskatasters, den Gerichten und ihren Unterabteilungen folgend, alphabetisch verzeichnet sind. Somit kann ein Gut, wenn dessen (Vulgo)-Name und seine geografische Zuordnung bekannt sind, im Hieronymuskataster gefunden werden. Dies ermöglicht eine Identifizierung der Grundherrschaft. Durch die erwähnten Besitzerwechsel ist somit für den Bereich der Hofgeschichten ein Anknüpfungspunkt zu den betreffenden „Urbaren“ und „Anlaitlibellen“ gegeben. 59 Im „Repertorium des Bestandes der Speicher 1A-2B“ werden diese Bände als „Güterbeschreibungen für Hieronymuskataster“ bezeichnet. 60 Im Repertorium 11-02 „Hieronymuskataster“ sowie in einer im Benützersaal einsehbaren eigenen Datei werden die Gerichte und ihre Unterteilungen detailliert aufgeführt. Dies ermöglicht einen raschen Überblick über die einzelnen Einheiten und ihre recht unterschiedlich benannten Untergliederungen sowie deren geografische Zuordnung im lokalen Kontext. 37 erzbischof hieronymus Colloredo – Kataster Im Folgenden wird am Beispiel des „Pfleggerichts Mattsee“ der Aufbau der einzelnen Teile des Hieronymuskatasters exemplarisch dargestellt. Grundsätzlich ist dieses Gericht in die Ämter „Mattsee“, „Schleedorf“, „Obertrum“, „Berndorf“, „Seeham“ und in das heute zu Oberösterreich gehörige „Lochen“ eingeteilt. Diese gliedern sich wiederum in zwei bis vier „Obmannschaften“. Eine Ausnahme bildet das „Amt Mattsee“, das auf Grund seiner Lage am See und der wirtschaftlichen Bedeutung neben zwei „Obmannschaften“ auch noch „Hausstätten und Fischer“ umfasst. 1.) Die „Beschreibung“ der Güter Der erste Teil 61 beinhaltet die „Beschreibungen“ der Güter, des Gewerbes und des Kapitalvermögens, wobei es sich hier nur um eine Erhebung des Ist-Zustandes im Jahr 1776, also vor der durchzuführenden Steuerreform handelt. Beschreibung der „Gütter und annexa“: Von wirtschaftsgeschichtlichem Interesse sind die Angaben über den Viehbestand eines Hofes, da diese in den Urbaren nicht Abb. 17: Güterbeschreibung im Pfleggericht Mattsee (SLA, Konzeptbände für den Hieronymuskataster, Bd. 53, fol. 31r; Foto: SLA) 61 Auf die vor der Steuerbeschreibung beigebundenen amtlichen Schriftstücke, die zur Durchführung der Erhebungen bzw. der Tätigkeit der Kommissare nötig waren, wird hier nicht näher eingegangen. 38 erzbischof hieronymus Colloredo – Kataster vorkommen. Die mit roter Tinte eingetragenen Nummern in der Steuertabelle bilden auch das Ordnungsprinzip der „Peräquationsprotokolle“. Daher entsprechen sie auch den „Peräquations-Nummern“ in den Steuerbüchern des Hieronymuskatasters und erleichtern es damit, eine Verbindung zu den vergleichsweise detaillierten Angaben in den „Konzeptbänden“ herzustellen. „Gütter und annexa“ 1.) Name des Gutes, Hauses, Stucks, Zehend, Gewerbs und dessen Eigenschaften: Unter Gut wurde in diesem Zusammenhang nicht nur ein Lehen oder ein Hof verstanden, sondern auch einzelne Grundstücke. Unter „Eigenschaft“ verstand man die Art bzw. den Rechtstitel auf Grund dessen jemand einen Besitz an Grund und Boden innehatte. 2.) Grundherrschaft: 3.) Name des Besitzers samt dem Ankunftstitel: Unter „Ankunftstitel“ verstand man die Art und Weise, wie jemand in den Besitz einer Liegenschaft kam, z. B. durch Kauf, Übergabe, Tausch oder Schenkung. Die Eintragungen in dieser Rubrik reichen bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts zurück. 4.) Hauptgut oder Zulehen: 5.) Veranlaithungs-Fall bis 1730, bis 1745, von 1770–1776: Dies ist die Höhe der in den angegebenen Jah- ren zu entrichtenden Anlaiten 62. Im Bereich der hofurbarischen Liegenschaften dienten die Weihsteuern als Bemessungsgrundlage. 63 6.) Vieh-Stand (Stuck) Pferd, Rind-Vieh, Klein-Vieh: 7.) Steuer-Buch Folium: 8.) Steuer-Capital: Jene jährlichen Steuern, die auf Grund der eigenen Angaben des Steuerpflichtigen über den Ertrag des Gutes entrichtet wurden. Die oftmals gravierenden Unterschiede zu den Abgaben im „Veranlaithungs-Fall“ zeigen die Notwendigkeit dieser Gütererhebung als Vorbereitung einer Steuerreform besonders deutlich. 9.) Sonderbare Anmerkungen: Diese Rubrik diente für zusätzliche Eintragungen zur näheren Beschreibung der finanziellen Lage des Steuerpflichtigen. 62 Bei Besitzerwechsel sind 5 % des Wertes eines Gutes an den Grundherrn an Abgaben zu entrichten. 63 Beim Amtsantritt eines neuen Erzbischofs sind 2,5 % des Wertes eines Gutes an Abgaben zu entrichten. 39 erzbischof hieronymus Colloredo – Kataster Beschreibung der Real- und Personalge werbe: Das für die Beschreibung der „Gewerb und Gerechtsame“ verwendete Formular umfasste die nachfolgend beschriebenen sieben Rubriken. Bedeutsam ist der Umstand, dass hier im Gegensatz zu „Peräquationsprotokollen“ die Real- und Personalgewerbe noch nicht getrennt aufgelistet werden. Real- und Personalgewerbe 1.) Namen des Steuergebers: 2.) dessen Eigenschaften: Tätigkeit und Beruf des Steuerpflichtigen 3.) Gewerb oder Gerechtsame: Art des Gewerbes 4.) Anschlag oder Capital: Tatsächlicher (Verkehrs-)Wert des Gewerbes 5.) Steuer-Buch Folium: 6.) Steuerbahres Capital: Steuerbemessungsgrundlage (hier 50 % des „Anschlags“) 7.) Besondere Anmerkungen: zusätzliche Eintragungen zur näheren Beschreibung der finanziellen Lage des Steuerpflichtigen. 40 Bei „Anschlag oder Capital“ befindet sich oftmals der Verweis, dass die Steuer für das Gewerbe bereits bei der zugehörigen Liegenschaft verzeichnet ist. In diesem Fall fehlt eine genaue Angabe der Steuerhöhe. Mittels der fortlaufenden Folium-Nummer im „Steuer-Buch“, nach der die Beschreibung der „Gütter und annexa“ geordnet ist, kann die zum jeweiligen Gewerbe gehörige steuerpflichtige Liegenschaft jedoch rasch identifiziert werden. Die Rubrik „Besondere Anmerkungen“ enthält häufig wertvolle regional- und wirtschaftsgeschichtliche Informationen. Beschreibung der steuerpflichtigen Vermögen: Die Rubriken der Tabelle entsprechen in diesem Fall jenen bei der Beschreibung der Real- und Personalgewerbe. Von historischem Interesse sind auch hier die Eintragungen unter „Besondere Anmerkungen“, welche die Art und die Herkunft des zu versteuernden Vermögens angeben. erzbischof hieronymus Colloredo – Kataster Abb. 18: Beschreibung der Real- und Personalgewerbe im Pfleggericht Mattsee (SLA, Konzeptbände für den Hieronymuskataster, Bd. 53, fol. 266r; Foto: SLA) 41 erzbischof hieronymus Colloredo – Kataster Abb. 19: Beschreibung der Vermögenssteuer im Pfleggericht Mattsee (SLA, Konzeptbände für den Hieronymuskataster, Bd. 53, fol. 306r; Foto: SLA) 42 erzbischof hieronymus Colloredo – Kataster 2.) Die „Steuer-Peräquations protokolle“ Zur „Steuerausgleichung“ („Steuerperäquation“) wurden Kommissare bestimmt, die ab September 1777 die Gerichte des Erzstifts bereisten. Im Zuge der Durchführung der „Peräquation“ wurden in Zusammenarbeit mit den örtlichen Pflegern Protokolle angelegt, die dann als Grundlage zur Berechnung der tatsächlichen Abgabehöhe dienten. 64 Bereits im Dezember 1777 waren die Erhebungen abgeschlossen, und die Kommissare kehrten nach Salzburg zurück, wo eine abschließende Überprüfung der Protokolle stattfand. Die Ermittlung der nötigen Angaben konnten aus dem Grund so rasch durchgeführt werden, weil die „Steuerbe- schreibungen“, die im vorangegangenen Jahr angelegt wurden, bereits die wichtigsten Berechnungsgrundlagen enthielten. Protokoll I: „Das rustical Peräquations Protokoll“ 65 Das „Protocoll Nro. I“ erfasst die landwirtschaftlichen Güter, wobei die darauf lastenden Schulden bzw. die Abgaben an den Grundherrn für die Berechnung der „Peräquations-Summa“ nicht berücksichtigt wurden. Auch für dieses Protokoll wurde ein Vordruck verwendet, der fünf Rubriken umfasste. Protokoll I: “rustical Peräquations Protokoll” 1.) Numerus der Steuer-Tabell: Bezug zur gleichen, fortlaufenden Nummer in der Steuerbeschreibung von 1776. Ankauf von sogenannten „Kuh- und Pferdegräsern“ jedoch abgezogen. 2.) Letzter Anlaitbarer Anschlag: ebenfalls aus der Steuerbeschreibung von 1776. 4.) Peräquations-Summa oder Bestimmung des Real-Vermögens: Von den Kommissaren berechneter Wert des Gutes. 3.) Ausschlag nach dem Viehstand: Auf Grund der Angaben in der Steuerbeschreibung von 1776 ermittelten die Kommissare den Wert des Viehbestandes. Erlöse aus dem Verkauf von Grünfutter wurden zum Wert des Viehbestandes dazugerechnet, Kosten für den 5.) Anmerkung: Diese zusätzlichen Angaben oder Verweise auf andere Protokolle sind von besonderer Bedeutung im Bereich der „Realgewerbe“ (Protokoll III) und der „Zulehen“ (Protokoll V), da diese noch einmal separat angeführt werden. 64 Eine genaue Darstellung der Berechnungsgrundlage für die Peräquation würde den Rahmen der vorliegenden Untersuchung sprengen. In diesem Zusammenhang sei abermals auf die recht detaillierte Dissertation des nachmaligen Landeshauptmannes von Salzburg, Dr. Johann Katschthaler, verwiesen (S. 127-135). 65 Katschthaler, Steuerreform (wie Anm. 56), S. 136. 43 erzbischof hieronymus Colloredo – Kataster Abb. 20: „Peräquationsprotocoll Nro. I“ (Rustikale) im Pfleggericht Mattsee (SLA, Konzeptbände für den Hieronymuskataster, Bd. 53, fol. 357r; Foto: SLA) 44 erzbischof hieronymus Colloredo – Kataster Protokoll II: „Das Häuser Peräquations Protokoll“ Das „Protocoll Nro. II“ diente zur Ermittlung des „Peräquationsanschlages“ für Häuser. Wiederum kam ein Vordruck, diesmal mit nur vier Rubriken, zur Anwendung. Protokoll II: “Häuser Peräquations Protokoll” 1.) Numerus der Steuer-Tabell: Bezug zur gleichen, fortlaufenden Nummer in der Steuerbeschreibung von 1776. 2.) Letzter Laudemial- oder WerthsAnschlag: Diese Angabe ist der Steuerbeschreibung von 1776 entnommen und entspricht jenem (Verkehrs-)Wert des Hauses, der zur Berechnung der letzten Anlaite herangezogen wurde. 3.) Peräquations- oder neuer Schätzungs-Anschlag: Jener Wert des Hauses, der von den Kommissaren bestimmt wurde und der häufig über jenem Wert lag, der zur Berechnung der Anlaite herangezogen wurde. 4.) Anmerkung: Zusätzliche Angaben oder Verweise auf andere Protokolle. 45 erzbischof hieronymus Colloredo – Kataster Abb. 21: „Peräquationsprotocoll Nro. II“ (Häuser) im Pfleggericht Mattsee (SLA, Konzeptbände für den Hieronymuskataster, Bd. 53, fol. 387r; Foto: SLA) 46 erzbischof hieronymus Colloredo – Kataster Protokoll III: „Das real Gewerbs Peräquations Protokoll“ Das „Protocoll Nro. III“, ein Vordruck mit vier Rubriken, diente im Zuge der Steuer- peräquation zur Ermittlung der auf Realgewerbe zu entrichtenden Abgaben. Protokoll III: “real Gewerbs Peräquations Protokoll” 1.) Numerus der Steuer-Tabell, und des Item, woraus dieses Realgewerb erbrochen worden: Bezug zur gleichen, fortlaufenden Nummer in der Beschreibung der Real- und Personalgewerbe von 1776. 2.) Letzter Anlait- oder SchätzungsAnschlag: Da ein Realgewerbe an ein Haus gebunden war, ist hier kein eigenständiger Betrag eingetragen. 3.) Peräquations- oder neuer Schätzungs-Anschlag: Hier sollten die Kommissare den Wert von Grund und Boden bzw. von jenen des Hauses vom Gewerbe getrennt betrachten. Bei den korrigierten Zahlenangaben handelt es sich um jene Werte, die auf Grund von erfolgreichen Einsprüchen reduziert wurden. 4.) Anmerkung: Zusätzliche Angaben oder Verweise auf andere Protokolle. 47 erzbischof hieronymus Colloredo – Kataster Abb. 22: „Peräquationsprotocoll Nro. III“ (Realgewerbe) im Pfleggericht Mattsee (SLA, Konzeptbände für den Hieronymuskataster, Bd. 53, fol. 393r; Foto: SLA) 48 erzbischof hieronymus Colloredo – Kataster Protokoll IV: „Personalgewerbe“ 66 3.) Die „Renner-Protokolle“ Durch die im „Protocoll Nro. IV“ vermerkte Auflistung jener Gewerbe, die nicht an ein Haus gebunden waren, gelang 1777 erstmals eine eindeutige Unterscheidung von Real- und Personalgewerbe im Erzstift Salzburg. Diese fünf „Renner-Protokolle“ sind übersichtlich gestaltete Auszüge aus den einzelnen „Steuer-Peräquationsprotokollen“. Sie ermöglichen einen raschen Überblick über die wichtigsten Berechnungsgrundlagen der Abgaben, die von einem Steuerpflichtigen zu entrichten waren. Hier wird auch der „Steuerbetrag auf 1 Termin zu 8 ß od[er] 1 fl von Hundert“, nämlich 1 % der Steuerbemessungsgrundlage („Steuer Kapital nach dem 3tl Ausschlag“) konkret angeführt. Da jährlich zwei Steuertermine fällig waren, nämlich der „Georgi Steuer-Erlag“, am 24. April, und der „Martini Steuer- und Rist-Geldserlag“, am 11. November, betrug der Gesamtprozentsatz der jährlichen Besteuerung somit 2 %. Grundsätzlich trat die neue Grundsteuerverfassung mit dem Georgi-Termin des Jahres 1778 in Kraft. 68 Auf Grund der bis zu diesem Zeitpunkt nicht erfolgten Unterscheidung zum Realgewerbe konnten vorher weder Angaben über bisherige Steuerleistungen („letzte Recognitions-Summa, oder Anschlag“) noch über deren Bemessungsgrundlage („dermaliges Steuerkapital“) gemacht werden. Protokoll V: „Zulehen Peräquations Protokoll“ Obwohl die „Zulehen“ 67 bereits im Protokoll I „Rusticale“ eingetragen sind, werden sie noch einmal eigens aufgelistet. Gerade bei jenen landwirtschaftlichen Besitzeinheiten, die an sich von der Größe und vom Ertrag her als eigene wirtschaftliche Einheit lebensfähig gewesen wären, kommt dem „Protocoll Nro. V“ im Hinblick auf eine etwaige, spätere (Erb-)Teilung besondere Bedeutung zu, war man doch bestrebt zu verhindern, dass bestehende Höfe dem Verfall preisgegeben wurden. Die Abgabenreduktionen, die auf Grund erfolgreicher Beschwerden gewährt wurden, sind jedoch nicht immer konsequent nachgetragen, sodass diese „Renner-Protokolle“ immer in Verbindung mit den „Steuerbeschreibungen“ und den „SteuerPeräquationsprotokollen“ verwendet werden sollten. 66 Dieses Protokoll wird im diesbezüglichen „Renner“ nur als „Peräquations Protokoll IV“ bezeichnet. 67 Unter „Zulehen“ versteht man ein zu einem Hof gehöriges weiteres Anwesen mit Grundstücken, das jedoch vom Inhaber des Hofes nicht bewohnt wird. Diese Situation kann beispielsweise durch die Heirat zweier Hoferben entstehen. 68 Katschthaler, Steuerreform (wie Anm. 56), S. 209. 49 erzbischof hieronymus Colloredo – Kataster Abb. 23: „Peräquationsprotocoll Nro. IV“ (Personalgewerbe) im Pfleggericht Mattsee (SLA, Konzeptbände für den Hieronymuskataster, Bd. 53, fol. 403r; Foto: SLA) 50 erzbischof hieronymus Colloredo – Kataster Abb. 24: „Peräquationsprotocoll Nro. V“ (Zulehen) im Pfleggericht Mattsee (SLA, Konzeptbände für den Hieronymuskataster, Bd. 53, fol. 426r; Foto: SLA) 51 erzbischof hieronymus Colloredo – Kataster Abb. 25: „Renner über das rustical Peräquations Protokoll“ im Pfleggericht Mattsee (SLA, Konzeptbände für den Hieronymuskataster, Bd. 53, fol. 434 v; Foto: SLA) 52 erzbischof hieronymus Colloredo – Kataster 4.) Die Protokolle der Beschwerden der Steuerpflichtigen Diese Protokolle enthalten die Beschwerden von Abgabepflichtigen gegen die in den „Peräquationsprotokollen“ erhobenen Berechnungsgrundlagen für die Festlegung der neuen Steuer. Für das Pfleggericht Mattsee 69 wird dieser letzte Teil der Konzeptbände als „Protokoll über die, von denen Steuer Contribuenten bey dem hochfürstl[ichen] Salzb[urgischen] Pfleggericht der Herrschaft Mattsee eingelegten Beschwärden“ bezeichnet. Für die ebenfalls in Form einer Tabelle geführten Beschwerdeprotokolle wurde kein Vordruck verwendet, sodass sich hier zwischen den einzelnen Pfleggerichten sowohl in der Benennung der einzelnen Rubriken als auch bei deren Anzahl geringfügige Unterschiede ergeben können, die jedoch am grundsätzlichen Aufbau nichts ändern. Für das Pfleggericht Mattsee ist folgende Einteilung in sechs Rubriken gegeben: Abb. 26: Protokoll der Beschwerden der Steuerpflichtigen im Pfleggericht Mattsee (SLA, Konzeptbände für den Hieronymuskataster, Bd. 53. fol. 434 v; Foto: SLA) 69 SLA, Konzeptbände für den Hieronymuskataster, Bd. 53, fol. 488r–542r. 53 erzbischof hieronymus Colloredo – Kataster Protokolle der Beschwerden der Steuerpflichtigen 1.) Nu[merus] Prothocolli: Bezugnahme auf die „Steuer-Peräquationsprotokolle“ I-V. 2.) Nu[merus] Peräquationis: Bezugnahme auf die Nummer des jeweiligen Steuerfalles in den „Peräquationsprotokollen“, die wiederum der fortlaufenden, mit roter Tinte eingetragenen Nummer im Steuerbeschreibungsprotokoll entspricht. 3.) Namen des Unterthans und dessen Besitzes. 5.) Gutachten deren Steuer Beamten hierüber: Stellungnahme der für die „Steuerperäquation“ zuständigen Kommissare. 6.) Darauf erfolgend höchst und hoche Resolutiones: Entscheidung der für die „Superrevision“ zuständigen Kommission, deren Kommissare bis Ende 1778 vor Ort Erhebungen durchführten und deren Ergebnisse bis spätestens 21. Jänner 1779 vorlagen. 70 4.) Beweggründe zu dessen Beschwärden: Begründung des Einspruches seitens des Beschwerdeführers. Die “Protokolle der Beschwerden der Steuerpflichtigen” in den „Konzeptbänden“ enthalten eine Vielzahl von lokalhistorisch interessanten Details, da sowohl der Beschwerdeführer seine Einwände als auch der zuständige Steuerbeamte sein diesbezügliches Gutachten zu begründen hatte. b.) Die Steuerbücher des Hieronymuskatasters Nachdem die Steuer-Superrevision Ende des Jahres 1778 abgeschlossen werden konnte, erhielten die örtlichen Gerichtsbe- amten den Auftrag zur Anlage von Steuerbüchern, 71 um die Ergebnisse dauerhaft zu sichern. Zur Beschleunigung dieser Arbeit wurden eigene Vordrucke angefertigt. Die Anlage der Steuerbücher erfolgte in doppelter Ausfertigung; ein Exemplar ging zur nochmaligen Prüfung nach Salzburg, wo der Generaleinnehmer der Landschaft nach einer abermaligen Prüfung mit seiner Unterschrift die Übereinstimmung mit den entsprechenden Vorlagen bestätigte. Das zweite Exemplar verblieb beim jeweiligen Gericht und bildete die Grundlage für die zukünftige Steuereinhebung. Der Großteil der Steuerbücher erhielt mit ihrer Ratifizie- 70 Katschthaler, Steuerreform (wie Anm. 56), S. 235-237. 71 Zu den Steuerbüchern des Hieronymuskatasters; vgl.: Katschthaler, Steuerreform (wie Anm. 56), S. 238 f. 54 erzbischof hieronymus Colloredo – Kataster rung am 3. November 1779 die Rechtsgültigkeit. Dies stellt den Abschluss der Maßnahmen zur bis dato genauesten und weitgehend vollständigen Erhebung aller steuerpflichtigen Objekte im Erzstift Salzburg dar. Im Salzburger Landesarchiv befinden sich heute nur noch die Steuerbücher – insgesamt 80 Bände – jener Gerichte, die nach 1816 bei Salzburg verblieben. Die übrigen Steuerbücher für die ehemals salzburgischen Pfleggerichte westlich von Saalach und Salzach werden im Bayerischen Hauptstaatsarchiv in München aufbewahrt. licht zudem den raschen Vergleich mit den Eintragungen in den „Konzeptbänden“, deren Einteilung innerhalb der einzelnen Gerichte beibehalten wurde. Auch bei den Steuerbüchern unterscheidet man fünf sogenannte „Protokolle“. Eine nähere Beschreibung der Inhalte in den Protokollen I-V kann hier entfallen, da sie jenen der „Konzeptbände“ entsprechen. “Protokolle” der Steuerbücher des Hieronymuskatasters Protokoll I. Das Rusticale betr[effend] Protokoll II. Die Häuser betr[effend] Protokoll III. Die Real-Gewerbe betr[effend] Protokoll IV. Die Personal-Gewerbe betr[effend] Protokoll V. Die Zulechen betr[effend] Abb. 27: Die drei Bände der Steuerbücher des Hieronymuskatasters für das Pfleggericht Mattsee (Foto: SLA) Die Gliederung folgt, wie bei den „Konzeptbänden“, den Pfleggerichten und ihren Unterteilungen. Da die „SteuerPeräquationsprotokolle“ als Grundlage herangezogen wurden, erfolgte die Ordnung der Eintragungen nach den Peräquationsnummern. Gehörten zu einem Gut mehrere steuerpflichtige Grundstücke, so erleichtert dies die Arbeit mit den vorliegenden Steuerbüchern und ermög- War beim Protokoll I für jede steuerpflichtige Liegenschaft eine Doppelseite reserviert, so ging man bei den übrigen Protokollen davon ab und trug zur Platz ersparnis bis zu vier Steuerpflichtige auf einem Doppelblatt ein. Die Verwendung von Vordrucken ermöglichte es relativ einfach, Nachträge zur Aktualisierung, beispielsweise bei Besitzerwechsel, einzutragen. Ebenfalls eingetragen wurden die verschiedenen Besitzer ab der Mitte des 18. Jahrhunderts, sodass, im Unterschied zu den „Konzeptbänden“, die nur den Ist-Zustand bei ihrer Entstehung 55 erzbischof hieronymus Colloredo – Kataster Abb. 28: Doppelseite Protokoll I (Rustikale) des Hieronymuskatasters für das Pfleggericht Mattsee (SLA, Hieronymuskataster Mattsee, Bd. 1, fol. 53; Foto: SLA) widerspiegeln, alle Besitz-Veränderungen im Zeitraum zwischen ca. 1750 und 1810 in den Steuerbüchern vermerkt sind. 72 Besonders späte Nachträge stammen aus dem Bereich der erstmals unterschiedenen Real- und Personalgewerbe. Hier dienten die Steuerbücher des Hieronymuskatasters lange über das Ende des selbständigen, geistlichen Erzstifts Salzburg hinaus, als wichtige Grundlage für die Erfassung der Steuerpflichtigen bzw. bis gegen Ende 72 Koller, Salzburger Landesarchiv (wie Anm. 50), S. 172. 56 des 19. Jahrhunderts als Rechtsgrundlage beim Nachweis des „Charakters“ eines Gewerbes. Grundsätzlich beinhalten die Eintragungen in den einzelnen Rubriken viel weniger Angaben über die steuerpflichtige Liegenschaft bzw. die Person, die ein Gewerbe zu versteuern hatte, als die „Konzeptbände“ – ein Umstand, der den historischen Quellenwert der Steuerbücher schmälert. erzbischof hieronymus Colloredo – Kataster Abb. 29: Protokoll IV (Personal-Gewerbe) des Hieronymuskatasters für das Pfleggericht Mattsee mit einem Verweis auf die Landesregierungsakten aus dem Jahr 1888 (SLA, Hieronymuskataster Mattsee, Bd. 3, fol. 1330; Foto: SLA) 57 erzbischof hieronymus Colloredo – Kataster Im Allgemeinen erwies sich die Steuerreform, die unter dem letzten Salzburger Erzbischof durchgeführt wurde, schon im ersten Jahr von der Einnahmenseite betrachtet, als recht positiv, denn von 1777 auf 1778 konnten die Einnahmen aus der Rustikalsteuer um knapp 30 % gesteigert werden. 73 Bezüglich der angestrebten Steuergerechtigkeit gab es auch weiterhin teils beträchtliche Unterschiede. Dies, obwohl vor allem durch die Berücksichtigung der äußeren Umstände, in denen sich das Steuerobjekt bzw. das Steuersubjekt gerade befand, sowie die fehlende Abzugsmöglichkeit der Schulden ein höherer Grad an Gleichmäßigkeit der Besteuerung erreicht werden konnte. Die politischen Umwälzungen in den ersten beiden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts brachten dem bald ehemaligen Erzstift Salzburg rasch wechselnde Herrschaftsverhältnisse. Den jeweiligen Machthabern blieb entweder zu wenig Zeit, um geplante Reformen umzusetzen, oder sie waren nur bestrebt, in kurzer Zeit möglichst hohe Zahlungen aus der Bevölkerung herauszupressen – für eine geordnete, langfristige Steuerpolitik bestand kein Interesse. Erst die Konsolidierung der politischen Verhältnisse nach 1816, als Salzburg, bis 1849 noch ohne Eigenständigkeit als Kreis des „Erzherzogtums Österreich ob der Enns“, endgültig ein Teil der Habsburgermonarchie wurde, schuf die Voraussetzung, um das Steuerwesen grundlegend zu reformieren. 73 Einnahmen aus der Rustikalsteuer: 1777: 186.727 Gulden, 1778: 242.058 Gulden; vgl.: Dirninger, Salzburger Grundsteuerreform 1778 (wie Anm. 8), S. 149-156. 58 erzbischof hieronymus Colloredo – kartenwerk Oskar Dohle Das Kartenwerk zum Hieronymus kataster – Versuch einer Rekonstruk tion anhand eines „Neufundes“ Am 7. April 1774 trat die Steuerkommission im Landschaftssaal zu ihrer ersten Sitzung zusammen, um grundsätzliche Fragen eines neuen Steuersystems zu erörtern. 74 Schon in ihrer ersten Relation an den Fürsterzbischof, am 28. April 1774, wurde eine geometrische Vermessung des Erzstifts angeregt. Dies sollte die Grundlage dafür sein, den Boden nach Größe, Güte und Ertrag zu besteuern. Mit diesem Vorschlag einer geometrischen Bodenvermessung ging man in Salzburg weit über die aus dem Jahr 1748 stammende „Steuerrectification“ von Maria Theresia für die habsburgischen Länder hinaus, denn für diese begnügte man sich mit einer bloßen Beschreibung der jeweiligen Güter, aber ohne Vermessung. Es sollte dort vielmehr auf Grund äußerer Merkmale, wie Größe der Aussaat oder Ertrag, die kultivierte Fläche nur erschlossen werden. 75 Am 17. August 1774 erging, wie bereits im Kapitel über den Hieronymuskataster ausgeführt, der Befehl des Erzbischofs mit der geometrischen Aufnahme des Landes zu beginnen. Im nächsten Frühjahr, am 23. März 1775, wurde eine Instruktion für die „Feldmesser“ erlassen, und im Pfleggericht Staufenegg begannen bald darauf die eigentlichen Arbeiten. Diese räumlich begrenzten Vermessungen sollten die Basis für einen grundsteuerlichen Operationsplan bilden, um die Kosten und den Zeitaufwand für eine flächendeckende Landesaufnahme einschätzen zu können. 76 Für 1776 war vorgesehen, auch im Pfleggericht Laufen mit den Vermessungen zu beginnen. Die Arbeiten gingen jedoch sehr schleppend voran, weil die „Landschaft“ auf Grund fehlender finanzieller Mittel immer wieder das zur Verfügung stehende Vermessungspersonal reduzierte. Aus diesem Grund musste man zur Einsicht gelangen, dass alleine die geometrische Aufnahme eines Gerichts mit den vorhandenen Mitteln Jahre dauern würde. Für das gesamte Erzstift hätte man demnach mehrere Jahrzehnte benötigt, also viel zu lange, um kurzfristig eine Entlastung für den Staatshaushalt durch eine Reform des Steuersystems zu bringen. Die Einhebung einer „Interimalsteuer” wurde daher, wie schon näher ausgeführt, als Übergangslösung für die Sanierung der Staatsfinanzen angesehen. 77 74 Katschthaler, Steuerreform (wie Anm. 56), S. 69. 75 Werner Gebhart, „… zur Aufmunterung der Landeskultur“. Die große francziszäische Katastervermessung und das Herzogtum Salzburg. phil. Diss. Univ. Salzburg 2011, S. 61. 76 Katschthaler, Steuerreform (wie Anm. 56), S. 71 f. 77 vgl. S. 36 59 erzbischof hieronymus Colloredo – kartenwerk landesherr Von den konkreten Probevermessungen in Staufenegg, die bald nach dem Grundsatzbeschluss für die Einführung der „Interimalsteuer” im Herbst 1776 eingestellt worden sein dürften, sind keine gesichert identifizierten Pläne bzw. Landkarten erhalten. Im Zuge der Vorbereitung für die Ausstellung „Erzbischof Hieronymus Colloredo. Kirchenfürst und Landesherr”, die als Gemeinschaftsprojekt von Juni bis Jahresende 2012 im Archiv der Erzdiözese Salzburg (Themenbereich: „Kirchenfürst“) und Salzburger Landesarchiv (Themenbereich: „Landesherr”) stattfand, wurde ein im Bestand „Karten und Risse (KuR)” aufbewahrter Grundriss-Plan (vgl. Abb. 30) von Zell am See aus dem Jahr 1784 einer Neubewertung unterzogen. 78 Abb. 30: „Geometrischer Grundriss des Pan-Marckt Zell im Pinzgau. Abgenommen und aufgetragen von Anton Magauer 1784“ (SLA, KuR F. 22; Foto: SLA) 78 Frau Dr. Ulrike Engelsberger, die federführend für die Recherchen zur Vorbereitung des Ausstellungsteiles im Salzburger Landesarchiv verantwortlich war, sei an dieser Stelle für diesen quasi Neufund gedankt. 60 erzbischof hieronymus Colloredo – kartenwerk Die Gebäudeansichten zeigen von oben nach unten Schloss Rosenberg, die Pfarrkirche sowie das erzbischöfliche Pfleggerichtsgebäude. Das Wappen ist jenes von Erzbischof Hieronymus Colloredo. Wie dem Titel „Geometrischer Grundriss“ zu entnehmen ist, lagen dieser Ansicht von Zell am See genaue geometrische Vermessungen zugrunde. Dafür spricht auch der Umstand, dass der in der Kartenbeschriftung genannte Anton Magauer (1764– 1834), der 1780 an der Universität in Salzburg immatrikuliert war, über „einige Kenntnisse der Geometrie“ verfügte. 79 Ähnliche Vermessungen wie 1784 im Pinzgau waren wahrscheinlich auch wenige Jahre zuvor im Pfleggericht Staufenegg Abb. 31: Franciszäischer Kataster (Urmappe) von Zell am See (1830), Ausschnitt Blatt III (SLA, Urmappen des Franciszäischen Katasters; Foto: SLA) 79 SLA, Frank-Beamtenkartei zu Johann Gualbert Magauer (Vater von Anton Magauer) und SLA, AA 731/1967. 61 erzbischof hieronymus Colloredo – kartenwerk unternommen worden. Schon bei seiner vor Jahrzehnten erfolgten Inventarisierung wurde der vorliegende Plan (Originalgröße: 52,5 x 42,5 cm) auf Grund seines optischen Gesamteindrucks als „katasterähnlich“ beschrieben. 80 Tatsächlich sticht die Ähnlichkeit zu dem 1830 entstandenen Franciszäischen Kataster von Zell am See (vgl.: Abb. 31) ins Auge, sieht man von der fehlenden Nummerierung der Parzellen und der farblichen Gestaltung des Blatthintergrundes ab. Selbst die Signaturen für die Gebäude aus Holz (gelb) und die Steinbauten (rosa) sind weitgehend mit der rund ein halbes Jahrhundert jüngeren Aufnahme identisch. Dies führt zur Annahme, dass die Karten des Hieronymuskatasters vielleicht auch in einer derartigen oder ähnlichen Art gestaltet gewesen wären. Bedauerlich ist, dass bislang keine zweifelsfrei als solche identifizierbaren „katasterähnlichen“ Orts- oder Geländedarstellungen von ähnlicher Qualität vor Einführung der „Interimalsteuer“ flächendeckend für das gesamte Erzstift aus der Regierungszeit von Erzbischof Colloredo gefunden werden konnten. Nur isolierte Einzelstücke aus späteren Jahren haben sich erhalten. Verwiesen sei hier auf die von Franz Anton Langlechner zwischen 1791 und 1794 für das Pfleggericht Rauris und von 1795 bis 1798 für St. Johann 81 vorgenommenen katasterähnlichen Landesaufnahmen. Da trigonometrische Punkte genannt werden, beruhen sie ebenfalls auf präzisen Vermessungen und enthalten bereits eine Nummerierung der einzelnen Grundparzellen. 82 Diese jüngeren Blätter sind aber nur bedingt als Hinweise für die geplante Gestaltung des Katasters aus der Mitte der 1770er Jahre heranzuziehen, da sie nicht mehr in direktem Zusammenhang mit einer geplanten Steuerreform stehen – für ein derartiges tiefgreifendes Reformwerk hatte das Erzstift in den letzten Jahren der Herrschaft von Erzbischof Hieronymus Colloredo in Salzburg weder die ökonomische noch die politische Kraft. Die Hypothese, das nie realisierte Kartenwerk zum Hieronymuskataster könnte so oder ähnlich ausgesehen haben, wie der „Geometrische Grundriss des Pan-Marckt Zell im Pinzgau“ führt hinein in das breite Feld der historischen Spekulation. Ohne konkrete Funde von zeitgenössischen kartografischen Quellen über die Ergebnisse der Arbeiten als Folge des erzbischöflichen Befehls von 1774 wird man nie wissen, wie diese Karten bzw. Pläne aussehen hätten sollen, aber dennoch, sie könnten so ausgesehen haben ... 80 Die Inventarisierung und die Beurteilung „katasterähnlich“ wurde Mitte der 1970er Jahre von der späteren Landesarchivdirektorin HR Dr. Friederike Zaisberger im Zuge der Vorbereitungen für die Ausstellung „Das Vermessungswesen im Land Salzburg. Wege zur Ordnung des Raumes“ (SLA, 1976) vorgenommen. 81 SLA, KuR F. 35.5, abgedruckt in: Friederike Zaisberger, Kriegsbeute Technologietransfer: das hochfürstlich salzburgische Mappierzimmer. In: Friederike Zaisberger/Fritz Hörmann (Hrsg.), Frieden – Schützen 1809-2009. Salzburg 2009, S. 129-144, hier S. 136. 82 Friederike Zaisberger, Geschichte Salzburgs. Wien-München 1998, S. 179. 62 erzbischof hieronymus Colloredo – Kirchenfürst Thomas Mitterecker Hieronymus Colloredo – Kirchenfürst Wahl zum Salzburger Erzbischof Im Dezember 1771 fühlte sich der 74-jährige Salzburger Erzbischof Schrattenbach zunächst „unbässlich“ und erkrankte dann trotz der Pflege seiner Leibärzte schwer. Die Krankheit galt als unheilbar, und der Landesherr wurde über seinen unausweichlichen Tod informiert. Am frühen Morgen des 16. Dezember starb er an den Folgen von „Steinbeschwerungen“ 83. In der Zeit der Sedisvakanz übte das Domkapitel die Regierungsgewalt aus, das den Nachfolger des verstorbenen Fürsterzbischofs zu bestimmen hatte und dessen Vertreter bereits kurz nach dem Tod des Regenten zu einer ersten Sitzung zusammentrafen. Als Wahltag wurde der 9. März 1772 bestimmt, in der Folge wurden die Höfe in Wien sowie München hierüber in Kenntnis gesetzt. Österreich sprach sich für den Fürstbischof von Gurk, Hieronymus Graf Colloredo, aus und ließ den kaiserlichen Gesandten in dieser Hinsicht intervenieren. Da Colloredo weniger als die Hälfte der Stimmen auf sich vereinen konnte, bereitete der Wahlgesandte Adam Franz Graf Hartig bei einem abendlichen Empfang einen Meinungsumschwung vor. Im Rahmen des folgenden bereits 13. Wahlaktes erhielt Colloredo schließlich 22 von 23 Stimmen, seine eigene Stimme gab er dem Fürstbischof von Passau. Das Votum wurde von den Untertanen mit Entsetzen registriert. Die Wahl Colloredos stellte einen besonderen Erfolg der österreichischen Politik und einen Sieg der Aufklärung, deren Anhänger bereits zuvor im Domkapitel 84 und unter den Suffraganen die Mehrheit besessen hatten, dar. Zur Durchsetzung seiner Pläne sah sich Colloredo veranlasst, auch das Konsistorium, die geistliche Verwaltungsbehörde und Schaltstelle, in den kommenden Jahren personell so zu verändern, dass die Vertreter der aufgeklärten Partei gegenüber den Anhängern der konservativen Richtung die Mehrheit erlangten. Durch die Berufung des fränkischen Weltgeistlichen Johann Michael Bönike, der in Salzburg als Konsistorialrat, seit 28. August 1787 als Konsistorialkanzler und Geheimsekretär Colloredos wirkte, und der Priester Ernst Siegmund Raacher sowie Zacharias Lang konnte der fort- 83 Gerhard Ammerer, Von Franz Anton von Harrach bis Siegmund Christoph von Schrattenbach – eine Zeit des Niedergangs. In: Heinz Dopsch/Hans Spatzenegger, Geschichte Salzburgs. Stadt und Land. Neuzeit bis zum Ende des geistlichen Fürstentums (1803), Bd. II/1. Salzburg ²1995, S. 245-323, hier S. 323. 84 Gerhard Ammerer, Verfassung, Verwaltung und Gerichtsbarkeit von Matthäus Lang bis zur Säkularisation (1519– 1803) – Aspekte zur Entwicklung der neuzeitlichen Staatlichkeit, In: Heinz Dopsch/Hans Spatzenegger, Geschichte Salzburgs. Stadt und Land. Neuzeit bis zum Ende des geistlichen Fürstentums (1803), Bd. II/1. Salzburg ²1995, S. 325-374, hier S. 341. 63 erzbischof hieronymus Colloredo – Kirchenfürst Abb. 32: Konfirmationsbulle FEB Colloredos von 1772 (AES, Altbestand- Akten, 1/7/9a) Bleisiegel der päpstlichen Konfirmationsbulle mit den Köpfen der Apostel Petrus und Paulus 64 erzbischof hieronymus Colloredo – Kirchenfürst schrittliche Geist im Salzburger Konsistorium einziehen 85. Reformen als Kirchenfürst Nachdem neben Österreich auch Kurfürst Max III. Joseph von Bayern ein päpstliches Reduktionsbreve erhalten hatte, teilte Colloredo der Kurie mit, dass er sich gezwungen sehe, ein gleich lautendes Schreiben für sein Land zu erwirken, da dieses Territorium zwischen österreichischem und bayerischem Hoheitsgebiet eingekeilt sei 86. Die von der Kanzel zu verkündende Aufhebung zahlreicher Fest- und Feiertage 87 erfolgte Anfang Dezember dieses Jahres und war mit genauen Anleitungen für die verbleibenden Feste verbunden 88. Während an den abgeschafften Festtagen die verordnete Arbeit die weit verbreiteten Missbräuche zu verhindern hatte, sollten sie an den verbleibenden Feierund den aufgewerteten Sonntagen durch eine verstärkte Teilnahme an den religiösen Übungen eingeschränkt oder gänzlich unterbunden werden 89. Gegen diese Neu- ordnung und die Reduktion von bisher 95 kirchlich gebotenen Sonn- und Feiertagen auf knapp über 70 90 gab es Proteste der Gläubigen, die teilweise durch den niederen Klerus unterstützt wurden. Im Februar 1788 wurde das Kirchenvolk erneut zur Arbeit an den aufgehobenen Feiertagen mit Nachdruck aufgefordert 91, was jedoch wenig Erfolg zeitigte. Nachdem im Dezember 1772 die Reduktion der Feiertage bekannt gemacht worden war, polemisierte der Salzburger Franziskaner P. Clarentius Pschaider als Prediger heftigst dagegen. Innerhalb weniger Tage verfasste er außerdem eine Schrift mit dem Titel „Frage, ob die Abstellung der Feyertäge bey jeztmaligen Weltlauf christlich, und zu billigen seye?“. Dieses Pamphlet wurde in einer Auflage von über 1000 Stück gedruckt. Aufgrund der massiven Angriffe auf den höheren Klerus und insbesondere auf Colloredo selbst wurde das Werk verboten, Restexemplare in die Salzach geworfen. Nach der Befragung von Zeugen aus der Mayerischen Druckerei und dem Franziskanerkloster ließ Colloredo ein hartes Urteil fällen: P. Claren- 85 Peter Putzer, Die kirchlichen Reformen des EB Hieronymus Colloredo (1772–1803) im Lichte des II. Vaticanum. In: Hans Paarhammer/Alfred Rinnerthaler (Hrsg.), Scientia Canonum. Festgabe für Franz Pototschnig zum 65. Geburtstag. München 1991, S. 55-86, hier S. 58 f; zu den Ernennungen von Bönike, Raacher und Lang siehe AES, Altbestand- Akten, 11/100 Decreta propria 1778–1820, S. 12, 26, 31 u. 67. 86 Zauner/Gärtner, Chronik (wie Anm. 6), S. 370 f. 87 AES, Altbestand- Akten, 1/7/6. 88 Putzer, Die kirchlichen Reformen (wie Anm. 85), S. 65 f.; Judas Thaddäus Zauner (Hrsg.), Auszug der wichtigsten hochfürstlichen Salzburgischen Landesgesetze zum gemeinnützigen Gebrauch, Bd. 1. Salzburg 1785, S. 65-69. 89 Peter Hersche, Wider „Müssiggang“ und „Ausschweifung“. Feiertage und ihre Reduktion im katholischen Europa, namentlich im deutschsprachigen Raum zwischen 1750 und 1800. In: Innsbrucker Historische Studien 12/13 (1990), S. 97-122, hier S. 109. 90 Franz Ortner, Die katholische Kirche bis zum Ende des geistlichen Fürstentums (1803). In: Heinz Dopsch/Hans Spatzenegger (Hrsg.), Geschichte Salzburgs. Stadt und Land, Bd. II/3. Salzburg 1991, S. 1371-1428, hier S. 1427. 91 Judas Thaddäus Zauner (Hrsg.), Auszug der wichtigsten hochfürstlichen Salzburgischen Landesgesetze zum gemeinnützigen Gebrauch, Bd. 3. Salzburg 1790, S. 59-61. 65 erzbischof hieronymus Colloredo – Kirchenfürst tius wurde zu acht Jahren Haft verurteilt und den Ordensoberen übergeben. Den wohl mutigsten Schritt Colloredos in Richtung einer aufgeklärten Religionsausübung stellt die Publikation des berühmten Hirtenbriefes im Jubeljahr 1782 dar. In diesem Sendschreiben, das an die in der Seelsorge stehenden Priester und zugleich an die staatliche Verwaltung per Zirkular gerichtet war, wurde der unzeitgemäß gewordene Barockkatholizismus scharf angegriffen. Ebenso wurde die Bibellektüre und der Gesang deutscher Kirchenlieder empfohlen, das barocke Übermaß in der Marien- und Heiligenverehrung sollte begrenzt werden, auch das ausufernde Ablasswesen und andere Auswüchse wurden geächtet. Neben begeisterter Zustimmung riefen die ausführlich dargelegten Grundsätze auch einige Gegenschriften hervor, deren Verbreitung den beiden Buchhandlungen nach kurzer Zeit „bey scharfer Strafe“ verboten wurde und von deren Kritik sich der Erzbischof keineswegs beirren ließ 92. Die Anstrengungen Colloredos um Einfachheit und Schlichtheit der Religionsausübung scheiterten nicht zuletzt an seinem überhasteten Vorgehen, da er – vergleichbar zu Kaiser Joseph II. – mit seinen Untertanen zu wenig Geduld hatte und seine zahlreichen Reformen mit aggressivem Vorgehen verwirklichen wollte. Generell war die Zahl der erlassenen Verordnungen und Verbote beachtlich, allerdings blieb die praktische Durchführung sehr mangelhaft 93. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts mussten aus Rücksicht auf das Volk viele traditionelle Bräuche wieder toleriert werden, die in den ländlichen Gemeinden erneut gelebt werden durften 94. Nicht alle kirchlichen Reformen, die Erzbischof Hieronymus und sein großes Vorbild, Joseph II., umzusetzen versuchten, fanden die Zustimmung des Papstes. Im Frühjahr 1782 erfolgte daher die berühmte Reise Pius VI. nach Wien, um mit dem Kaiser über die kirchliche Reformtätigkeit zu verhandeln. Die Rückreise führte den Papst noch nach München. Obwohl Colloredo auf ein Zusammentreffen in Wien verzichtet hatte, musste er dennoch seiner Pflicht nachkommen und reiste Pius VI. entgegen. In der Nähe von Altötting erwartete Hieronymus, der aufgrund der alten Privilegien seiner Kirche den Legatenpurpur trug, das Oberhaupt der katholischen Kirche. Unter Glockengeläut und Böllerschüssen begleitete er Pius VI. bis zur berühmten Gnadenkapelle von Altötting, wo sie gemeinsam mit dem örtlichen Klerus beteten. Später empfing der Papst auch den Salzburger Oberhirten in Privataudienz, übrigens dem einzigen persönlichen Zusammentreffen, und teilte ihm seine Sorgen und Beweggründe für die beschwerliche Reise mit 95. 92 Alfred Stefan Weiß, Fürsterzbischof Hieronymus Graf Colloredo, die Säkularisation Salzburgs und der Fortbestand des Erzbistums. In: Heinz Dopsch/Peter F. Kramml/Alfred Stefan Weiß (Hrsg.), 1200 Jahre Erzbistum Salzburg. Die älteste Metropole im deutschen Sprachraum. (MGSL Erg.-Bd. 18; Salzburg Studien. Forschungen zu Geschichte, Kunst und Kultur, Bd. 1). Salzburg 1999, S. 275-294. 93 Brief eines Reisenden aus Salzburg, in: N. Goeking (Hrsg.), Journal von und für Deutschland 1784, S. 426. 94 Franz Ortner, Salzburger Kirchengeschichte. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Salzburg 1988, S. 132. 95 Zauner/Gärtner, Chronik (wie Anm. 6), S. 677; Koch-Sternfeld, Die letzten dreissig Jahre (wie Anm. 6), S. 348 f.; Franz Martin, Salzburgs Fürsten in der Barockzeit. Salzburg 41982, S. 239 f.; Ignaz Schumann von Mansegg, Geschichte des Erzbistums Salzburg. In: Personalstand der Säcular- und Regular=Geistlichkeit des Erzbisthums Salzburg auf das Jahr 1880. Salzburg 1880, Anhang, S. CCCLIX. 66 erzbischof hieronymus Colloredo – Kirchenfürst Anlässlich des Papstbesuchs brachte Joseph II. auch die geplante österreichische Diözesanregulierung, die vom Schlagwort der „Kongruenz“, der Übereinstimmung von Landes- und Diözesangrenzen, geprägt war, ins Gespräch 96 und verknüpfte das seit 1778 betriebene belgisch-bayerische Tauschprojekt mit der Säkularisation des Erzstifts Salzburg. Salzburgs erzbischöfliche Würde und sein Domkapitel sollten nach Lüttich übertragen werden, und Colloredo sollte in den Herzogtümern Luxemburg und Limburg regieren. Eine zu diesem Zeitpunkt erfolgte Säkularisierung Salzburgs hätte Joseph II. große Vorteile hinsichtlich der Lösung der österreichischen Diözesanregulierung verschafft, da die Suffraganate Seckau, Gurk und Lavant ohne Rückhalt der Mutterdiözese leichte Beute gewesen wären. Ein Kompromiss für die unterschiedlichen Positionen des Kaisers einerseits und Colloredos andererseits stellte die „Konvention vom 19. April 1786“ 97 dar, die die Metropolitanrechte und andere Privilegien des Erzbischofs von Salzburg wahrte. Hierin trat Colloredo die Rechte als Bischof über alle in der Steiermark, in Kärnten und in Oberösterreich gelegenen salzburgischen Diözesangebiete ab. Dadurch gelangten die Bischöfe von Gurk, Seckau und Lavant, die bisher nur kleine salzburgische Eigenbistümer innehatten, zu zahlreichen Privilegien und wurden nominell zu Oberhirten der jeweiligen Länder. Im Gegenzug zum Verlust alter Rechte gegenüber den Suffraganbistümern konnte sich Colloredo dennoch in der zentralen Frage der Metropolitangerechtsame durchsetzen. Zur Abwehr weiterer Planungen Josephs II. hinsichtlich der Umgestaltung der Bistümer bat Salzburg nunmehr bei der päpstlichen Kurie um Bestätigung der getroffenen Konvention, welche im März 1787 der Auflassung der salzburgischen Generalvikariate in der Steiermark und in Kärnten zustimmte 98. Salzburg trat somit an das Bistum Gurk, das nunmehr beinahe ganz Kärnten umfasste, insgesamt 111 Pfarren, Vikariate, Benefizien und Kirchen ab, weiters gingen an das Bistum Lavant 25, an das Bistum Seckau 137 und an das neu errichtete josephinische Bistum Leoben 117. Die in Oberösterreich gelegenen Salzburger Pfarren wechselten zum Bistum Linz, das im Jahr 1784 gegründet worden war 99. Emser Punktationen Hieronymus Graf Colloredo vertrat auch die Macht des Metropoliten, als im Sommer 1786 in Bad Ems der sogenannte „Emser Kongress“ einberufen wurde. Diese geheime Versammlung von Deputierten der Erzbischöfe von Mainz, Köln, Trier und Salzburg hatte das Ziel, eine gemeinsame Reaktion gegen die Jurisdiktionsausübung der päpstli- 96 Alfred Stefan Weiß, „Dem Pabste brach darüber das Herz ...“ Salzburgs Beziehung zu Rom unter Erzbischof Colloredo – ein gespanntes Verhältnis? In: Hans Paarhammer/Alfred Rinnerthaler (Hrsg.), Salzburg und der Heilige Stuhl im 19. und 20. Jahrhundert. Festgabe zum 75. Geburtstag von Erzbischof Georg Eder (Veröffentlichungen des Internationalen Forschungszentrums für Grundfragen der Wissenschaften Salzburg N.F. 84). Frankfurt-Berlin u.a. 2003, S. 433-460, hier S. 453 f.; ders., Fürsterzbischof Hieronymus (wie Anm. 92), S. 283 f. 97 AES, Altbestand- Akten, 1/26/2. 98 Weiß, Fürsterzbischof Hieronymus (wie Anm. 92), S. 282 f. 99 Ortner, Salzburger Kirchengeschichte (wie Anm. 94), S. 139. 67 erzbischof hieronymus Colloredo – Kirchenfürst chen Nuntien im Reich und gegen Maßnahonalkonzils jedoch gegen den Widerstand men der römischen Kurie zu ermöglichen, die des Kaisers und des Papstes nicht verwirklials Eingriffe in die ursprünglich bischöflichen chen 103. Durch den Tod Kaiser Josephs II. am und metropolitanen Rechte wahrgenommen 20. Februar 1790 waren nunmehr andere wurden. Hieronymus gelang es über mehrere Fragen aufgrund der wichtigeren Aufgaben Jahre hinweg, sich eine hervorragende Stellung und Bedeutung unter den geistlichen Reichsfürsten zu erarbeiten, er wurde mitunter die treibende Kraft der episkopalistisch-nationalkirchlichen Bewegung in Deutschland, die sich gegen jegliche Bevormundung durch den Papst wehrte 100. Die zuvor erwähnte Koalition zwischen den vier deutschen Metropoliten und die am 25. August 1786 verabschiedete „Emser Punktation“ 101, die von den vier Erzbischöfen separat an Kaiser Joseph II. geschickt wurde, bilden die zentrale Aktivität der zuvor angedeuteten nationalkirchlichen Entwicklung. Erzbischof Colloredo, der im Juni 1786 mit Gefolge Salzburg verlassen hatte, weilte im Sommer dieses Jahres im nahe Bad Ems gelegenen Spa und später in Amsterdam und ließ sich laufend über die Zwischenergebnisse der wichtigen Zusam102 menkunft informieren . Aufgrund der fehlenden Einigkeit im Reichsepiskopat ließ sich die in der Punktation geforderte Ein- Abb. 33: Funeralwappen FEB Hieronymus Graf Colloredos (AES, berufung eines deutschen Nati- Funeralwappensammlung Wachskammer, o. Nr.) 100 Weiß, Dem Pabste (wie Anm. 96), S. 442-453; ders., Fürsterzbischof Hieronymus (wie Anm. 92), S. 281. 101 AES, Altbestand- Akten, 4/90/8-13; SLA, GA III/22 ½ (Text der Emser Punktation). 102 Weiß, Dem Pabste (wie Anm. 96), S. 448; Koch-Sternfeld, Die letzten dreissig Jahre (wie Anm. 6), S. 349-335. 103 Weiß, Fürsterzbischof Hieronymus (wie Anm. 92), S. 281. 68 erzbischof hieronymus Colloredo – Kirchenfürst des Reiches im Vorrang und verhinderten eine Erörterung der Nuntiaturfrage im Rahmen des Reichstags. Flucht und „Wiener Exil“ Colloredos weltliche Macht endete de facto bereits am 10. Dezember 1800 mit seiner Flucht vor den anrückenden Franzosen aus seiner Residenzstadt „unter Tränen sein Los beklagend und den Segen gebend“ 104. Seine Reise führte ihn über die Steiermark und Wien schließlich nach Brünn. Am 11. Februar 1803 unterzeichnete er in seinem Wiener Exil eine Verzichtserklärung auf die weltliche Herrschaft und entließ seine Untertanen aus ihren Pflichten 105. Noch am selben Tag stellte Ferdinand III. von Toskana, der neue Herrscher und Kurfürst, dem nur eine kurze Regierungszeit beschieden sein sollte, die mit seinem Siegel versehene Besitzergreifungsurkunde aus 106. Aus Achtung vor dem ehemaligen Landesherrn tastete der nunmehrige Salzburger Herzog weder die Vermögen des Domkapitels noch der Klöster an, ebenso wurde die Universität beibehalten. Mit der Ernennung Weihbischof Zeils zum Koadjutor cum spe successionis begann auch der Rückzug Colloredos von den geistlichen Geschäften, die er aufgrund mehrerer körperlicher Gebrechen ohnedies bereits seit längerer Zeit nur mehr eingeschränkt wahrnehmen konnte 107. Unbestritten bleibt sein Verdienst um die Erhaltung des Erzbistums Salzburg – dies war das letzte Ergebnis seines beständigen und beharrenden Charakters. 104 Franz Martin, Die Salzburger Chronik des Felix Adauktus Haslberger, Teil 3, Nachtrag. In: MGSL 74 (1934), S. 159-168, hier S. 164. 105 Zauner, Salzburgische Landesgesetze (wie Anm. 10), S. 334 f. 106 AES, Altbestand- Akten, 1/7/6; Allgemeine Zeitung, 22. Februar 1803, S. 110 f. 107 Erwin Gatz (Hrsg.), Colloredo Hieronymus Joseph Franz de Paula Graf (1732–1812). In: Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1785/1803 bis 1945. Ein biographisches Lexikon. Berlin 1983, S. 103. 69 erzbischof hieronymus Colloredo – Kirchenfürst 70 erzbischof hieronymus Colloredo – Zeittafel Gerda Dohle Zeittafel zu Erzbischof Hieronymus Franz de Paula Josef Graf Colloredo von Wallsee und Mels (1732–1812) 31. Mai 1732: Hieronymus Colloredo wird als fünftes von insgesamt 18 Kindern in Wien geboren (Vater: späterer Reichsvizekanzler Rudolf Josef Graf Colloredo von Wallsee und Mels; Mutter: Maria Franziska Gabriela Gräfin Starhemberg). Seine strenge Erziehung folgte den damals gültigen religiösen (katholischen) Grundsätzen. Nach Absolvierung der Gymnasialstudien am Theresianum studierte er an der Universität Wien Philosophie. Ursprünglich war er für die militärische Laufbahn vorgesehen, wegen seiner kränklichen Konstitution schlug er jedoch die geistliche Laufbahn ein (Kanonikate in Passau, Olomouz (Olmütz), Aufschwörung in Salzburg 1747). Hieronymus Colloredo beherrschte mehrere Sprachen, neben Deutsch Französisch, Italienisch, Latein und etwas Tschechisch. 28. April 1755: Abschluss des Studiums für geistliches und kirchliches Recht an der „Sapienza“ (päpstliche Universität in Rom) mit dem Doktorrat. September 1756: vollwertiger Kapitular mit Sitz und Stimmrecht im Salzburger Domkapitel. 1759: Ernennung durch den Papst zum „Auditor rotae romanae“ für die deutsche Nation. 19. Dezember 1761: Verleihung des Bistums Gurk durch Maria Theresia. 14. April 1762: Ernennung zum Gurker Bischof durch den Salzburger Fürsterzbischof Siegmund III. Christoph Graf von Schrattenbach (1753–1771). 1763: Erhebung der Familie Colloredo in den Reichsfürstenstand. Juni 1768: Umgestaltung des Konsistoriums, um die Geschäfte des Gurker Kirchensprengels unter seiner persönlichen Aufsicht durch einen Konsistorialdirektor besorgen zu lassen. Erzbischof Hieronymus Colloredo steigerte die Erträge der bistumseigenen Eisen- und Hammerwerke in besonderer Weise. Grundsätzlich konnten durch seine Wirtschaftspolitik die Einnahmen des Bistums Gurk erhöht werden. 1771: Von den Grundsätzen der Aufklärung geleitet, Bekanntgabe über die Aufhebung mehrerer Feiertage durch einen Hirtenbrief für die Diözese Gurk. Oft verbrachte Erzbischof Hieronymus Colloredo den Winter im Gurker Hof in der Kaigasse, Salzburg, mit Einladung des ansässigen Adels zu Konzerten und Bällen. 71 erzbischof hieronymus Colloredo – Zeittafel 1771: Kauf eines Landsitzes in Salzburg in der Nähe des früheren Mirabelltores. Abb. 34: Wappen von Fürsterzbischof Hieronymus Graf Colloredo (SLA, HS 1923 „HR Martin, Gemalte Wappen“; Reproduktion: SLA) 14. März 1772: Nach dem Tod von Fürst erzbischof Schrattenbach am 16.12.1771, Wahl von Hieronymus Colloredo zum Fürsterzbischof von Salzburg. 10. April 1772: Päpstliches Placet. 29. April 1772: Feierlicher Einzug von Schloss Freisaal in die Stadt Salzburg. Erzbischof Hieronymus Colloredo musizierte auf der Violine und trat auch selbst bei diversen Abendveranstaltungen auf. Er spielte auch gerne Schach und war, obwohl er selbst seinen Untertanen das Glücksspiel wiederholt untersagte und einzuschränken versuchte, dem Glücks- 72 spiel nicht abgeneigt. Erzbischof Hieronymus Colloredo besuchte Ballveranstaltungen und Theateraufführungen, führte aber grundsätzlich ein einfaches Leben und hielt strenge Diät. In seiner Regierungszeit etablierte sich Salzburg zu einem Vorreiter und Zentrum der katholischen Aufklärung im deutschen Sprach- und Kulturraum. Dadurch fanden sich verstärkt Wissenschaftler, Schriftsteller und Künstler in Salzburg ein. Den aufklärerischen Ideen Kaiser Josephs II. anhängend, führte Erzbischof Hieronymus Colloredo Reformen in den Bereichen Kirche, Kultur- und Sozialwesen sowie im Schulbereich durch. Besonders zu erwähnen ist der anlässlich des „1200-jährigen Jubiläums“ des Erzstifts Salzburg verfasste Hirtenbrief von 1782. Die durch seinen Vorgänger hervorgerufene drückende Schuldenlast versuchte er durch konsequente Sparpolitik und Steuermaßnahmen wettzumachen. 1773: Überlegung zum Bau eines „Comoe dienhauses“; trotz Kritik Adaption des alten Ballhauses (Standort heutiges Landestheater) und Umwandlung in ein „Hoftheater“, dessen Eröffnung im November 1775 stattfand. 1774: Beginn der Steuerreform im Erzstift Salzburg, Einführung des Grundsteuersystems des sogenannten „Hieronymuskatasters“. Juli 1777: Besuch von Kaiser Joseph II., der sich auf der Rückreise von Paris nach Wien befand, bei Erzbischof Hieronymus Colloredo in der Residenz in Salzburg. erzbischof hieronymus Colloredo – Zeittafel Abb. 35: Gesuch von Wolfgang Amadeus Mozart an Fürsterzbischof Hieronymus Colloredo, ihn als Hoforganisten zu dekretieren, 17.1.1779 (SLA, GA XXV M 26/19; Reproduktion: SLA) 73 erzbischof hieronymus Colloredo – Zeittafel 1781: Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Wolfgang Amadeus Mozart, der mit Unterbrechungen seit 1769 in der erzbischöflichen Hofmusik tätig gewesen war, und es damit zum endgültigen Bruch des Erzbischofs mit dem Komponisten kam. 1782: Treffen mit Papst Pius VI., der sich auf der Durchreise von Wien nach München befand, bei Altötting. Als Vertreter der katholischen Aufklärung erließ er mehrere kirchliche Verordnungen, die vor allem das Verbot von religiösen und nichtreligiösen Bräuchen zum Inhalt hatten. Ganz im Sinne von Kaiser Joseph II. löste Erzbischof Hieronymus Colloredo in seinem Erzbistum einige Klöster und Bruderschaften auf, ließ aber vermehrt Seelsorgestellen einrichten. Aktionsprogramms („Emser Punktation“, August 1786) gegen die Beschränkung der bischöflichen Gewalt durch die päpstliche Nuntiatur und die Beschneidung der Rechte auf Verleihung von Pfründen und Stiftungen. 1792–1797: 1. Koalitionskrieg 1794: Errichtung eines „Badeschlosses“ in Badgastein, wo Erzbischof Hieronymus Colloredo sich oft zur Kur aufhielt. 1799–1801: 2. Koalitionskrieg Neben Reisen im eigenen Land unternahm Erzbischof Hieronymus Colloredo auch größere bzw. länger andauernde Reisen, wie nach München, Wien, Baden, Spa, Amsterdam, Karlovy Vary (Karlsbad) und nach Wrocław (Breslau). Konvention vom 19. April 1786: Bewahrung der Salzburger Metropolitanrechte und anderer Privilegien sowie Verhinderung der im Zuge der Josephinischen Diözesanregulierungen drohenden territorialen Verluste des Erzstifts. 1786 „Emser Kongress“: Eine geheime Zusammenkunft von Deputierten der Erzbischöfe von Köln, Mainz, Trier und Salzburg führt zur Ausarbeitung eines gemeinsamen 74 10. Dezember 1800: Flucht von Erzbischof Hieronymus Colloredo vor den Franzosen zuerst nach Brno (Brünn), dann nach Wien. 11. Februar 1803: Nach der Säkularisierung des Erzstifts durch den Reichsdeputationshauptschluss Abdankung und Verzicht Hieronymus Colloredos auf alle weltlichen Herrschaftsansprüche. Er blieb aber bis zu seinem Tod geistliches Oberhaupt des Erzbistums Salzburg. erzbischof hieronymus Colloredo – Zeittafel 11. Februar 1803: Salzburg wird Kurfürstentum (Großherzog Ferdinand III. von Toskana). 1806: Erzbischof Hieronymus Colloredo konnte erfolgreich die Realisierung der Pläne von Kaiser Franz I. verhindern, Salzburg als Suffraganbistum Wien zu unterstellen – es behielt den Rang eines Erzbistums. 12. Februar 1806: Salzburg verliert seine Selbständigkeit als eigenes Kurfürstentum und kommt als Herzogtum zum Kaisertum Österreich. September 1808: Ernennung von Sigmund Christoph Graf zu Zeil und Trauchburg (1754–1814) zum Koadjutor „cum spe successionis“ des Salzburger Erzbischofs. März 1809: Die Leitung der Erzdiözese Salzburg wird an Sigmund Christoph Graf zu Zeil und Trauchburg abgegeben. 29. April 1809: Besetzung Salzburgs durch französische und bayerische Truppen. 19. September 1810: Salzburg kommt als Teil des Salzachkreises zum Königreich Bayern. November 1811: Erzbischof Hieronymus Colloredo verfasst sein Testament. Abb. 36: Grabplatte von Fürsterzbischof Hieronymus Colloredo im Wiener Stephansdom 2012 (Foto: Nikolaus Pfeiffer, Reproduktion: SLA) 2003: Überführung der sterblichen Überreste von Erzbischof Hieronymus Colloredo in die Krypta des Salzburger Doms. 20. Mai 1812: Erzbischof Hieronymus Colloredo stirbt an den Folgen eines Schlaganfalls in Wien. Er wird vorerst im Wiener Stephansdom bestattet. 75 erzbischof hieronymus Colloredo – Zeittafel Abb. 37: Grabplatte von Fürsterzbischof Hieronymus Colloredo im Salzburger Dom nach der Überführung im Jahr 2003, in der Bildmitte unten der obere Teil des Funeralwappens aus dem Jahr 1812 (Foto: Josef Kral 2003, Reproduktion: AES) 76 erzbischof hieronymus Colloredo – literatur Verwendete Literatur Ammerer Gerhard, Von Franz Anton von Harrach bis Siegmund Christoph von Schrattenbach – eine Zeit des Niedergangs. In: Heinz Dopsch/Hans Spatzenegger, Geschichte Salzburgs. Stadt und Land. Neuzeit bis zum Ende des geistlichen Fürstentums (1803), Bd. II/1. 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Trotz seines scheinbaren Scheiterns hat Erzbischof Colloredo in seiner Amtszeit auf vielen Gebieten die Grundlage für Entwicklungen gelegt, die langfristige Wirkung zeigten und oftmals erst Jahrzehnte später realisiert werden sollten. Dieses Buch soll eine „Bedienungsanleitung“ für die Benützung des Hieronymuskatasters als landes- und regionalgeschichtlich zentrale historische Quelle liefern. Die beiden Aufsätze, die sich auch auf neue, bislang unveröffentlichte Archivfunde stützen, ermöglichen den Blick auf das Wirken dieses letzten Erzbischofs, der gleichzeitig weltlicher Landesherr war.