Keine Chance für Mozart. Fürsterzbischof Hieronymus
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Keine Chance für Mozart. Fürsterzbischof Hieronymus
Keine Chance für Mozart Fürsterzbischof Hieronymus Colloredo und sein letzter Hofkapellmeister Luigi Gatti (1740–1817) Symposiumsbericht Veröffentlichungen zur Salzburger Musikgeschichte • Band 10 zugleich Musicologica Transalpina • Band 2 zugleich Schriftenreihe des Archivs der Erzdiözese Salzburg • Band 12 Herausgeber: Eva Neumayr und Lars E. Laubhold Projektleitung (FWF P 23195): Ernst Hintermaier Redaktion des italienischen Beitrags, Register und wissenschaftliche Mitarbeit: Alessandro Lattanzi Umschlaggestaltung unter Verwendung der Aquarell-Gouachen »Der Erzbischof« (Colloredo) und »Ein Kapellmeister« (wahrscheinlich Gatti) aus der Kuenburg-Sammlung, Salzburg ca. 1782−1790 (Privatbesitz). Redazione, grafica e layout: Ugo Giani © 2013 Libreria Musicale Italiana srl, via di Arsina 296/f, 55100 Lucca [email protected] www.lim.it Tutti i diritti sono riservati. Nessuna parte di questa pubblicazione potrà essere riprodotta, archiviata in sistemi di ricerca e trasmessa in qualunque forma elettronica, meccanica, fotocopiata, registrata o altro senza il permesso dell’editore, dell’autore e del curatore. isbn 978-88-7096-758-6 Keine Chance für Mozart Fürsterzbischof Hieronymus Colloredo und sein letzter Hofkapellmeister Luigi Gatti (1740–1817) Symposiumsbericht Herausgegeben von Eva Neumayr und Lars E. Laubhold unter der Projektleitung von Ernst Hintermaier Wissenschaftliche Mitarbeit: Alessandro Lattanzi Libreria Musicale Italiana Inhaltsverzeichnis Vorwort VII Keine Chance für Mozart homas Mitterecker Vom Barock zur Auklärung. Das Erzstit Salzburg unter Hieronymus Graf Colloredo 1772–1803 3 Ernst Hintermaier Luigi (Maria Baldassare) Gatti (1740−1817). Salzburgs letzter Hokapellmeister 23 Andrea Gottdang Keine Chance für Kunst? Bildtheologie und Barockkritik in Salzburg zur Zeit Colloredos 69 Michael Malkiewicz 18 Duette für den Erzbischof. Hafeneder – Haydn/Mozart – Gatti 93 Lars E. Laubhold Luigi Gatti, Hieronymus Colloredo und die Salzburger Trompetenmusik ihrer Zeit 117 Giuliano Tonini Musiche e musicisti della cappella di corte salisburghese a Bolzano nel Settecento 145 Irene Brandenburg Luigi Gatti und die Sänger der Salzburger Hofmusik zur Zeit Colloredos 179 Adriana De Feo – homas Hochradner Giuseppe Francesco Lolli. Prügelknabe und Wegbereiter? 201 ∙ Inhaltsverzeichnis ∙ Anja Morgenstern Das Verhältnis von Leopold Mozart und Fürsterzbischof Hieronymus Colloredo. Neue Quellenfunde zu Mozarts Tätigkeiten als Vizekapellmeister 223 Milada Jonášová Neue Archivfunde zu Michael Haydn, Luigi Gatti und zur Salzburger Kopistenpraxis im frühen 19. Jahrhundert 259 Christoph Grosspietsch Mozart aus Gattis Händen? Geplante Frühdrucke nach Salzburger Quellen 297 Alessandro Lattanzi Luigi Gatti and Anton heodor Colloredo, Archbishop of Olomouc 343 Luca Aversano he works for violin and orchestra by Luigi Gatti 359 Ulrich Leisinger Die Vesperkompositionen von Luigi Gatti. Ein Zwischenbericht 373 Eva Neumayr Die Requiemkompositionen Luigi Gattis (1740–1817) 387 Petrus Eder OSB Luigi Gattis Rupertusmesse für das Erzstitsjubiläum 1782 419 Keine Chance für Gatti? Musikforschung und Musikpraxis im Schatten der Großen. Podiumsdiskussion 447 Die Autoren 475 Register 481 ∙ VI ∙ Vorwort »Keine Chance für Mozart …« … unter diesem Motto fand im März 2011 ein von der RISM Arbeitsgruppe Salzburg am Archiv der Erzdiözese Salzburg veranstaltetes musikwissenschaftliches Symposium statt, in dessen Zentrum die Musik in Salzburg im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts stand − und zwar bewusst nicht vorrangig jene Wolfgang Amadé Mozarts. Dass vielmehr die unbekannte Salzburger Musikgeschichte näher beleuchtet werden sollte, entsprang u. a. den Erkenntnissen des vom österreichischen Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) geförderten Forschungsprojektes »Das Musikrepertoire der Metropolitankirche zu Salzburg« (P 20309), im Rahmen dessen u. a. die vollständige Katalogisierung der bis zur Gründung des Dommusikverein und Mozarteum im Jahr 1841 entstandenen Musikalien des Bestandes »Dommusikarchiv« (A-Sd) am Archiv der Erzdiözese Salzburg vorgesehen war und die bis zum Frühjahr 2012 im Nachfolgeprojekt »Kirchenmusik am Neuen Dom zu Salzburg im Spiegel der Quellen« (P 23195) weitgehend abgeschlossen werden konnte. Die sich daraus ergebenden Erkenntnisse machten auf anschauliche Weise bewusst, dass der Anteil Mozarts am Musikleben seiner Geburtsstadt entgegen heutiger allgemeiner Wahrnehmung quantitativ bescheiden und in ihrer unmittelbaren Wirkung begrenzt war. Dass Mozarts Abgang aus Salzburg seine Heimat nicht in den musikkulturellen Abgrund stürzte, ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, die aber von der Musikgeschichtsschreibung bisher nicht ausreichend reflektiert wurde und von der Lokalgeschichtsschreibung nicht wahrgenommen werden will. Der Anstoß zur Abhaltung gleich zweier Symposien ging von dem italienischen Musikforscher Alessandro Lattanzi im Zuge seiner Bemühungen um eine wissenschaftliche Aufarbeitung von Leben und Werk des letzten Salzburger Hofkapellmeisters Luigi Gatti (1740–1817) aus. Gatti war während seiner ersten Lebenshälfte als Kirchenmusiker und erfolg- ∙ Vorwort ∙ reicher Komponist von Opern und Instrumentalmusik vor allem in Mantua tätig, bevor er 1782 das Amt des Hofkapellmeisters in Salzburg antrat. Daher haben wir die Anregung zur Kooperation mit mantuanischen Institutionen gerne aufgegriffen und als Schwesterveranstaltung zu dem im Oktober 2010 am Conservatorio »Lucio Campiani« in Mantua organisierten Convegno Luigi Gatti (1740–1817). La musica a Mantova e a Salisburgo nel Settecento im März 2011 am Archiv der Erzdiözese Salzburg das internationale musikwissenschaftliche Symposium Keine Chance für Mozart. Fürsterzbischof Hieronymus Colloredo und seine Hofkapellmeister abgehalten. Im Zentrum des Symposiums standen Fürsterzbischof Hieronymus Colloredos führende Musiker und unter diesen insbesondere Luigi Gatti, dessen umfangreiches Werk heute weitgehend der Vergessenheit anheimgefallen ist. Daher war es den Veranstaltern auch ein Anliegen, Gattis Musik einem interessierten Hörerkreis klingend näher zu bringen. Dies gelang mit geistlichen und kammermusikalischen Werken in zwei Konzerten sowie durch die Wiederaufführung der großen, anlässlich des 1200-Jahr-Jubiläums des Erzstiftes Salzburg im Jahr 1782 komponierten Missa Sti Ruperti durch die Salzburger Dommusik im Rahmen der Domliturgie, zu der Gatti von 1782 bis zu seinem Lebensende maßgeblich beigetragen hatte.1 Das Programm des Kammerkonzertes wurde anschließend vom ORF Salzburg aufgenommen und zum 200. Todestag Hieronymus Colloredos am 20. Mai 2012 als CD präsentiert.2 Mit dem hier vorgelegten Symposiumsbericht soll ein Beitrag zur wissenschaftlichen Erschließung einer noch wenig erforschten Epoche der Salzburger Musikgeschichte geleistet werden. Thomas Mittereckers Überblick über die politisch-ökonomischen Verhältnisse im Erzstift Salzburg unter Hieronymus Colloredos Regentschaft steckt den historischen Rahmen ab, in dem die musikgeschichtlichen Entwicklungen dieser Jahre zu sehen sind. Colloredos insbesondere durch seine spätaufklärerische Reformtätigkeit geprägtes Verhältnis zu den Künsten wird in zwei kultur1. Konzert der Stiftsmusik St. Peter unter Armin Kircher am 4.3.2011 in der Kajetanerkirche; Kammerkonzert des Ensemble Scaramouche am 5.3.2011 im Kardinal-Schwarzenberg-Haus; Hochamt am 6.3.2011 im Dom zu Salzburg mit dem Salzburger Domchor sowie Solisten und Orchester der Dommusik unter Domkapellmeister János Czifra. 2. ORF-CD Keine Chance für Mozart … Salzburger Kammermusik um 1800. Gatti − Haydn − Mozart, © 2012 ORF, CD 3136. Ausführende: Werner Neugebauer, Christoph Ehrenfellner (Violinen), Firmian Lermer, Herbert Lindsberger (Violen), Detlef Mielke (Violoncello), Herwig Neugebauer (Kontrabass), Markus Deuter (Oboe), Markus Springer (Klarinette). ∙ VIII ∙ ∙ Vorwort ∙ historisch orientierten Studien nachgespürt: Während Andrea Gottdangs Beitrag das gängige Klischee vom kunstfeindlichen Aufklärer unter dem Aspekt der Funktionalität sakraler Kunst hinterfragt, ortet Lars E. Laubhold in den unter Colloredos Regierung zu beobachtenden stilistischen Veränderungen in geistlicher Musik mit Trompeten und Pauken eine Abkehr vom Prinzip barocker Repräsentationsmusik, die sich als Teilaspekt der Reformbestrebungen auffassen lässt. Eine Kontextualisierung von Luigi Gattis Leben und (vorwiegend Salzburger) Schaffen vor dem Hintergrund des ungleich bekannteren Lebenslaufs Wolfgang Amadé Mozarts nimmt Ernst Hintermaier vor. Diesen Überblick vertiefend, nimmt Alessandro Lattanzi in seiner biographischen Detailstudie die Beziehungen Luigi Gattis zu Hieronymus Colloredos Cousin Bischof Anton Theodor Colloredo von Waldsee-Mels, die letztlich ausschlaggebend für Gattis Ernennung zum Salzburger Hofkapellmeister gewesen sind, in den Blick. Eine Reihe von Beiträgen befasst sich mit einzelnen Werken oder Werkgruppen vorwiegend Luigi Gattis. Neben weltlich-instrumentalen Gattungen wie Gattis Werken für Violine und Orchester (Luca Aversano) oder 18 Duetten für Violine und Viola, die von vier Salzburger Komponisten für Fürsterzbischof Colloredo geschrieben wurden (Michael Malkiewicz), wird auch das geistliche Schaffen in unterschiedlichen Ansätzen beleuchtet: in einer Überblicksdarstellung von Gattis Vespermusiken durch Ulrich Leisinger, im analytischen Vergleich der zum Erzstiftsjubiläum von 1782 verfassten Messen Luigi Gattis und Michael Haydns durch Petrus Eder sowie in Eva Neumayrs stark auf quellenkritische und aufführungsgeschichtliche Aspekte ausgerichteten Beitrag zu Gattis Requiem-Vertonungen. Den Kirchensonaten Giuseppe Lollis widmen sich Thomas Hochradner und Adriana De Feo in einem gemeinsamen Beitrag. Vorwiegend Fragen der musikalischen Organisation sind der Beitrag Irene Brandenburgs über das Sängerpersonal an Colloredos Hofkapelle sowie Anja Morgensterns Studie zu den administrativen Aufgaben, die Leopold Mozart als Vizekapellmeister des Salzburger Hofs wahrnahm, gewidmet. Neue Erkenntnisse zu Fragen der Mozartüberlieferung im Zusammenspiel Leipziger Verleger mit Salzburger Gewährsleuten konnten Milada Jonášová und Christoph Großpietsch präsentieren. Giuliano Tonini berichtet über zahlreiche Bezüge zwischen Salzburg und Bozen ∙ IX ∙ ∙ Vorwort ∙ (Südtirol), die sich in einer Reihe von Quellen zur Musik Salzburger Musiker in der Bozener Sammlung »Toggenburg« niederschlagen. Das Symposium wurde mit einer von Hannes Eichmann (ORF Salzburg) moderierten Podiumsdiskussion beschlossen. Zum Thema »Keine Chance für Gatti? – Musikforschung und Musikpraxis im Schatten der Großen« diskutierten Manfred Hermann Schmid (Tübingen) und Jürg Stenzl (Salzburg), Ulrich Leisinger (Salzburg), Wolf-Dieter Seiffert (München) sowie Alessandro Lattanzi (Pesaro). Wie sich das Verhältnis der »Großen« gegenüber sogenannten »Kleinmeistern« darstelle, was Geschichtsschreibung in Bezug auf dieses Verhältnis zu leisten habe und wieweit auch eine »Heroengeschichte« ihre Berechtigung hinsichtlich ästhetischer Gegenstände habe, die über rein akademisches Interesse hinausgehend auch der Revitalisierung im gegenwärtigen Kulturleben offen stehen, welche Chancen »Nischenprodukte« auf kommerziellen Märkten der Verlage und Radiostationen einzuräumen ist und schließlich, in wiefern auch der Forschungsbetrieb von der Größe der »Großen« überschattet ist − das waren einige der diskutierten Fragen, die sich um die offenkundige Diskrepanz zwischen einstigen und heutigen Bewertungen musikalischer Leistungen drehten. Gatti − so kam man überein − habe eine Chance, wenn auch ein kleine. Immerhin ist durch das Symposium offenbar geworden, dass − wie Manfred Hermann Schmid feststellte − Musik in Salzburg »auf einem sehr hohen Niveau« weiterging, »als hätte Mozart in dieser Stadt nie gelebt«. *** Die Herausgeber danken allen Autorinnen und Autoren sowie denen, die zur Podiumsdiskussion mit wertvollen Beiträgen zu einer regen Diskussion Anlass gegeben haben. Unser besonderer Dank gilt dem Leiter des Archivs der Erzdiözese Salzburg, Herrn Thomas Mitterecker, der die Abhaltung des Symposiums ebenso wie die Herstellung des Tagungsbandes durch die Bereitstellung infrastruktureller und personeller Ressourcen tatkräftig unterstützt hat. Allen Kolleginnen und Kollegen am Archiv, insbesondere aber Herrn Josef Kral, der sich um die Aufbereitung des für die Begleitausstellung des Symposiums und den Band verwendeten Bildmaterials verdient gemacht hat, danken wir für Ihre unterstützende Anteilnahme. Für die finanzielle Unterstützung der Drucklegung gilt unser Dank dem österreichischen Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen ∙X∙ ∙ Vorwort ∙ Forschung (FWF), dem Erzbischof-Rohracher-Studienfonds der Erzdiözese Salzburg, dem Forschungsinstitut für Salzburger Musikgeschichte und der Forschungsplattform »Salzburger Musikgeschichte«. An dieser Stelle sei aber auch nochmals jenen Institutionen gedankt, die sowohl das Symposium und die in diesem Rahmen zu hörenden Konzerte als auch die Veröffentlichung der CD unterstützt haben: Land und Stadt Salzburg, den Freunden der Salzburger Festspiele, dem Conservatorio »Lucio Campiani« (Mantua), der Erzabtei St. Peter, der Johann-Michael-Haydn-Gesellschaft, der Universität Mozarteum sowie der Stiftung Mozarteum. Für die Bereitstellung von Bildmaterial danken wir außerdem der Accademia Nazionale Virgiliana (Mantua), dem Archiv der Erzdiözese Salzburg, dem Salzburger Landesarchiv, dem Salzburg Museum sowie der Stiftung Mozarteum. Nicht zuletzt gilt unser besonderer Dank Alessandro Lattanzi (Pesaro), der das Gesamtprojekt mit Rat und Tat wissenschaftlich begleitet hat. Salzburg, Oktober 2012 Eva Neumayr, Lars E. Laubhold und Ernst Hintermaier ∙ XI ∙