Das vergessene Jubiläum

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Das vergessene Jubiläum
WELTMUSIK
W 1  SONNA BEND /S O NNT A G , 3 . / 4 . M A I 2 0 0 8
TAZ TH EMA, D IE VER LAGSB EILAGE D E R T AGE SZE IT UNG, E -MAIL : ANZE IGE N@T AZ. DE , FAX : 030 - 2 5 1 06 94
A
ls Madonna beim „LiveEarth“-Spektakel im vergangenen Juli auf die
Bühne des Wembley-Stadions trat, hatte sie eine Überraschung mitgebracht: Der ukrainischstämmige Gitarrist Eugene
Hütz und ein bärtiger Geiger von
der New Yorker „Gipsy-Punk“Band Gogol Bordello kamen mit
ihr, um ihren Hit „La Isla Bonita“
in eine wilde Balkanserenade zu
verwandeln. Es war einer dieser
Momente, die noch Wochen später auf YouTube Furore machen
und mit hunderten von Kommentaren bedacht werden. Er
zeigte, dass Madonna die Zeichen der Zeit zu lesen vermag.
Denn Balkanmusik liegt derzeit
fraglos im Trend.
Wenn jemand heute wissen
will, wo er mehr Musik von Gogol
Bordello und verwandten Kapellen finden kann, braucht er nur
in den nächsten Plattenladen zu
gehen und in der Weltmusik-Abteilung im Osteuropa-Regal zu
stöbern: Dort wird er fündig. Das
war nicht immer so einfach.
Denn der Begriff wurde erst vor
rund zwanzig Jahren erfunden,
um Musikstilen aus aller Welt
den Weg in die Plattenläden zu
bahnen. Aus diesem Grund trafen sich 1987 in einem Pub in
London eine Handvoll Konzertveranstalter, Musikjournalisten
und Labelchefs: Sie suchten einen Begriff, der es ihnen erleichtern sollte, so unterschiedliche
Dinge wie bulgarische Frauenchöre, Soukous-Musik aus dem
Kongo oder Dangdut-Pop aus Indonesien unter die Leute zu bringen. So kam das Wort von der
„Weltmusik“ in die Welt.
Dieser Sammelbegriff ist immer umstritten gewesen, selbst
ein Szenepapst wie David Byrne
hadert mit ihm. Doch die Schublade hat sich als ungemein praktisch erwiesen, um ganz unterschiedliche Musikstile zu popularisieren. Wer hätte gedacht,
dass portugiesischer Fado und
kubanischer Son, aber auch Blasmusik vom Balkan oder Afrobeat
aus Nigeria plötzlich wieder so
ein Comeback erleben, von DJs in
den Mixer geworfen und weltweit ein neues, urbanes Publikum finden würden? In ihren jeweiligen Heimatländern waren
sie schließlich schon abgeschrieben, galten als angestaubt und
hoffnungslos altmodisch.
Eigentlich gäbe es deshalb etwas zu feiern: Zwanzig Jahre
Weltmusik, das ist eine Erfolgsgeschichte. Nicht nur, weil lokale
Stars wie Cesaria Evora, Youssou
N’Dour oder der Buena Vista Social Club dadurch international
Karriere gemacht haben. Oder,
weil inzwischen jede Metropole
ihre Tango-, Salsa- oder Balkanszene hat. Sondern auch, weil aus
der urbanen Vermischung der
Genres ständig neue Hybride
entstehen; Elektro-Tango, Flamenco-Funk, Afro-House, LatinHiphop, Orient-Pop, MestizoRock oder eben Gipsy-Punk, um
nur einige zu nennen.
Die Entdeckung lokaler Popstile, das Revival und Recycling
traditioneller Musiken sowie die
lokale Adaption globaler Musiktrends, das war – neben der Ausdifferenzierung elektronischer
Musik in ihre diversen Spielar-
taz Verlags- und Vertriebs GmbH
Kochstr. 18, 10969 Berlin
V.i.S.d.P.: Bascha Mika
Redaktion: Daniel Bax
Ätsch! Madonna hat sich den Gipsy-Punker Eugene Hütz von Gogol Bordello geschnappt, um auf der Balkanwelle zu surfen
FO TO : DDP
Das vergessene Jubiläum
Vor 20 Jahren wurde der Begriff „Weltmusik“ erfunden, um Musikstilen aus aller Welt den Weg zu
einem urbanen Publikum zu ebnen. Daraus wurde einer der wichtigsten Trends der letzten Dekaden
ten – vielleicht die wichtigste Bewegung, die die musikalische
Entwicklung der letzten Dekaden geprägt hat. Offenbar gibt es
ein Bedürfnis nach Geschichte,
Tradition und, ja, auch Exotik –
auch das Revival des Roots-Reggae muss man in diesem Zusammenhang sehen. Im Rückgriff
auf die musikalische Vielfalt der
Welt und „exotische“ Moden der
Vergangenheit dürfte – neben
der weiteren technologischen
Entwicklung – deshalb auch der
Schlüssel zu den musikalischen
Trends der Zukunft liegen.
Einen Vorgeschmack auf diese
Entwicklung gab es vor zwanzig
Jahren. Damals, 1988, stürmte
eine Sängerin aus Israel namens
Ofra Haza mit der Popversion eines jemenitischen Volkslieds an
die Spitze der Charts, und der
Lambada aus Brasilien avancierte für eine Saison zum Modetanz.
Es folgte ein Griot-Sänger aus
Mali namens Mory Kanté, dessen
technoid aufgepumptes „Yeké
Yeké“ zu einer frühen Ravehymne aufstieg: auch so ein Hybrid,
bei dem elektronische Innovation und die Rückbesinnung auf
das Erbe afrikanischer Griots
Hand in Hand gingen. Pop ist
eben ein gefräßiges Monster, das
sich alles einverleibt, was es in
die Hände bekommt.
Dass die deutsche Musikpresse das runde Jubiläum verschlafen hat, ist allerdings symptomatisch: Was allzu sehr nach
Weltmusik aussieht, wird geflissentlich ignoriert und fällt unter
verschärften Folkloreverdacht.
Auch im Radio und im Fernsehen sieht es, von ein paar Nischen abgesehen, nicht viel besser aus. Das liegt nicht nur am
Fremdeln mit allem Fremden. Es
liegt auch an der Segregation der
Szenen, die in Deutschland besonders ausgeprägt ist. Ein Festival wie im dänischen Roskilde,
wie das Sziget in Budapest oder
praktisch alle Festivals in Frankreich, wo Rockbands und Hiphop-Acts einträchtig neben afrikanischen Musikern, BalkanTrompetern oder Salsabands
aufspielen, das gibt es hierzulande einfach nicht.
Doch allmählich kommt Bewegung in die Fronten. Der
Trend zur Vermischung lässt sich
schließlich nicht mehr ignorieren, wenn sich britische Musiker
wie Damon Albarn oder Björk
und US-Bands wie Vampire
Weekend in Afrika nach Inspiration umsehen, eine Band wie Calexiko mit Mariachi-Trompetern
antritt oder sich ein Indie-Held
wie Beirut aus Balkan-Traditionals bedient. Oder eben Madonna den Zigeunertanz übt.
Klar, das hat mit der Globalisierung zu tun. Als Paul Simon in
den Achtzigerjahren nach Südafrika fuhr, um dort sein „Graceland“-Album aufzunehmen, Peter Gabriel seinen Fans einen
afrikanischen Freund namens
Youssou N’Dour präsentierte
oder David Byrne mit der Salsasängerin Celia Cruz im Duett
sang, da ging es ihnen allen noch
darum, diese Musik bekannter
zu machen. David Byrne und Peter Gabriel gründeten zu diesem
Zweck sogar eigene Plattenfirmen. Inzwischen hat sich die
„Weltmusik“-Sparte etabliert, zugleich finden neue, hybride Musiktrends aus allen Ecken der
Welt dank YouTube, MySpace &
Co schnell weltweit ein wachsendes Nischenpublikum. Ob Reggaeton, Baile-Funk, japanischer
Manga-Pop oder der Siegeszug
des Bollywood-Kinos – die Tribalisierung der Szenen schreitet
unaufhaltsam voran, und die
Grenzen zwischen „hier“ und
„dort“ verschwimmen. Von althergebrachten
Vorstellungen
von „Tradition“ und „Authentizität“ muss man sich da wohl verabschieden. Aber so gesehen, hat
die Weltmusik nicht nur eine
Vergangenheit. Sie hat auch noch
eine glanzvolle Zukunft vor sich.
Ach ja, und Madonna? Sie
wählte Eugene Hütz von Gogol
Bordello als Hauptdarsteller für
ihren Film „Filth and Wisdom“ –
ihr Regiedebüt, das sie im Frühjahr schon mal auf der Berlinale
vorstellte. Sie hätte ihn auch für
ihr neues Album „Hard Candy“
engagieren sollen: Dann wäre es
vielleicht etwas aufregender geraten als der matte R -’n’-B-Abklatsch, den sie mit Hilfe von
Starproduzenten wie Timbaland
und Pharell Williams sowie Justin Timberlake als Duettpartner
abgeliefert hat.
DANIEL BAX
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W 2 DIE TAGESZEITU N G  3./ 4. MAI 20 0 8
weltmusik
Hüter des Garifuna-Erbes am Strand von Belize: Hier wurden ihre Vorfahren vor 200 Jahren an Land gespült
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FO TO : CU MBA NCHA
Soul der schwarzen Karibik
Vom Schiffbruch verweht: Die Kultur des Garifuna-Volks in Mittelamerika erlebt derzeit ein Revival.
Das Garifuna Women’s Project und sein Album „Umalali“ bilden die Speerspitze dieser Bewegung
VON KNUT HENKEL
Im Licht der aufgehenden Sonne
steht Sofia Blanco auf einem
schmalen Steg im Hafen von
Dangriga: eine Szene, wie einer
kitschigen Postkarte entsprungen. Die 54-jährige Sängerin hält
Ausschau – sie erwartet eine kleine Flottille von Fischerbooten,
die in den Hafen der Kleinstadt
im Süden von Belize einlaufen
sollen. Leise summt sie eine Melodie vor sich hin. „Es ist ein altes
Fischerlied, das die Frauen früher sangen, wenn die Männer in
die Kanus stiegen und zum Fischen hinausfuhren“, erklärt
Sofia Blanco. Das schwermütigswingende Stück stimmt Sofia
Blanco heute noch an, wenn sie
ihren Mann Gregorio morgens
zum Boot begleitet.
„Fischfang und Ackerbau, davon leben wir Garifuna traditionell“, erklärt die Frau, die selbst
aus Guatemala stammt. Die Garifuna sind eine kleine Minderheit
in Mittelamerika. Woher die
schwarzen Kariben, wie sie auch
genannt werden, ursprünglich
stammen, ist umstritten. Neben
vielen Mythen und Legenden ist
die St.-Vincent-These die glaubwürdigste Variante. Danach sollen 1635 vor der Küste der gleichnamigen Karibikinsel zwei Sklavenschiffe gesunken sein. Dort
ansässige karibische Stämme
nahmen die Überlebenden des
Unglücks auf, vermischten sich
mit ihnen und entwickelten eine
eigene Kultur, bis sie von der britischen Kolonialmacht von der
Insel vertrieben wurden.
„Damals begann unsere Odyssee, die uns über die Küsten Mittelamerikas verstreute“, glaubt
auch Desere Diego, eine Freundin von Sofia Blanco. Vom Kleinstaat Belize, der im Süden der
mexikanischen Halbinsel Yucatán liegt, die Karibikküste entlang bis nach Panama hat sich
das kaum 300.000 Menschen
zählende Volk auf fünf Staaten
verteilt. Einige sind, wie Desere
Diego, in Belize zu Hause. Sofia
Blanco dagegen lebt mit ihrem
Mann in Guatemala – in der
Küstenstadt Livingstone, wo um
1802 die Garifuna in ihren Kanus
gelandet sein sollen.
„Am 26. November haben die
ersten Familien dort ihren Fuß
auf den Strand gesetzt“, ist Sofia
Blanco überzeugt. In Dangriga,
wo sie am heutigen Tag zu Gast
ist, wird dagegen der 19. November als „Garifuna Settlement
Day“ gefeiert. Schon sind am
Horizont die ersten mit Palmwedeln und den großblättrigen
Cassavapflanzen geschmückten
Boote am Horizont zu sehen,
während am Ufer polyrhythmische Trommelschläge erklingen. Die ganze Stadt
scheint am Ufer versammelt
zu sein. Rumgläser und Bierflaschen machen die Runde,
das Stimmengewirr übertönt
die Rhythmen der Trommeln.
Fotohandys werden gezückt, um
den Regenbogen festzuhalten,
der sich am Himmel abzeichnet.
Als die Boote den natürlichen
Hafen von Dangriga, die Flussmündung, erreicht haben, hört
man auch von dort die Trommelwirbel. Sofia Blanco und ihre
Freundinnen Desere Diego und
Chella Torres wiegen ihre Hüften
im Takt. Nur Desere Diego
stammt aus Dangriga, der heimlichen Hauptstadt der Garifuna.
Chella Torres dagegen ist in Honduras geboren und später ausgewandert. Was sie verbindet, sind
die gemeinsame Sprache, das
Igñeri – ein Dialekt, der aus indigenen, europäischen und afrikanischen Sprachen geboren
wurde –, und natürlich die Musik
und die Rituale der Garifuna.
Die Kultur der Garifuna ist
längst zum Weltkulturerbe erklärt und in die berühmte
Unesco-Liste
aufgenommen
worden. Doch ihre Sprache, das
Igñeri, droht zwischen Englisch
und Spanisch, den dominanten
Sprachen der Region, zerrieben
zu werden. „Viele Kinder lernen
ihre Muttersprache kaum noch“,
beklagt Sofia Blanco. Dem Untergang ihrer Kultur will sie jedoch
nicht tatenlos zu sehen. So bilden die Garifuna-Frauen die
Speerspitze einer Bewegung, die
ihr Erbe bewahren möchte.
Zum Garifuna Settlement Day
schlängelt sich ein langer Prozessionszug im Rhythmus der
Trommeln durch die Straßen
von Dangriga zur Kirche. Im Zentrum der Zeremonie stehen die
Insignien der Garifuna-Kultur:
die schwarz-gelb-weiße Flagge,
die Cassavapflanze und die beiden Trommeln, Primeiro und
Segundo genannt.
Von Belize bis Panama hat
sich das Volk der Garifuna
die Karibikküste entlang
auf fünf Staaten verstreut
Nicht nur in Belize, auch in
Honduras und Guatemala feiert
die Garifuna-Kultur ein Revival.
Den ersten Schritt, um den Soul
der schwarzen Kariben einer
breiteren Öffentlichkeit bekannt
zu machen, unternahm der Garifuna-Botschafter und Musiker
Andy Palacio. Mit dem Garifuna
Collective scharte er die besten
Musiker dieser Minderheit um
sich und nahm, unter der Ägide
des Musikproduzenten Ivan Duran, das Album „Wátina“ auf. Der
Titel bedeutet so viel wie „Wir
sind hier“ und war der klingende
Appell, diese Minderheit und
ihre Kultur endlich wahrzunehmen: ein musikalischer Weckruf.
Dafür gab es einen der wichtigsten Weltmusikpreise, den Womex Award, und viel internationale Aufmerksamkeit dazu.
Völlig überraschend erlag im
Januar der Garifuna-Mentor
Andy Palacio mit nur 47 Jahren
einem Herzinfarkt. So kann er
jetzt nicht mehr miterleben, wie
sein Traum in die zweite Etappe
geht. Denn mit den Frauen um
Sofia Blanco nahm Ivan Duran
im vergangenen Jahr „Umalali“
auf: ein Album, das beste Chancen hat, noch mehr Zuhörer für
die Balladen der Garifuna zu begeistern.
Jahrelang hatte Ivan Duran,
als Sohn spanischer Eltern in
Mexiko geboren und in Belize
aufgewachsen, die passenden
Stimmen für sein Projekt gesucht und war mit seinem Rekorder durch ganz Mittelamerika
gereist. „Als er die Frauen dann
beisammenhatte, haben wir nur
einige Kilometer weiter von hier
in einer kleinen Hütte ihren Gesang aufgenommen“, erinnert
sich der Musiker Rolando Sosa,
der seit Jahren mit Duran im Studio arbeitet.
„Um unsere Stimmen haben die beiden ein Kleid geschneidert, das mir sehr gut
gefällt“, fügt Desere Diego lachend hinzu. Für die 32-jährige Hausfrau, die sonst eher bei
religiösen Feierlichkeiten die
Stimme erhebt, wie auch für Sofia Blanco und Chella Torres war
es die erste Studioerfahrung ihres Lebens. Bald folgten die ersten Auftritte in Belize, um nun
„Umalali“ vorzustellen.
„Hier in Dangriga standen wir
noch im November mit Andy
Palacio erstmals auf der Bühne“,
erinnert sich Desere Diego an die
Begeisterung eines durchweg
jungen Publikums, das viele
ihrer Songs mitsingen konnte.
Ein Zeichen dafür, dass sich der
Wunsch des Garifuna-Propheten
erfüllen könnte. Denn Andy
Palacio warb für die Wiederentdeckung der Garifuna-Roots,
kämpfte für einen bilingualen
Unterricht und sah die Musik als
wichtigstes Medium kultureller
Bewusstwerdung. Auf seinen
Spuren wandeln nun Sofia Blanco und das Umalali-„Garifuna
Women’s Project“.
Umalali: The Garifuna Women’s Project
(Cumbancha/Exil). Deutschlandtour:
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weltmusik
E- M A I L : A N Z E I G E N @ T A Z . D E
S ONNABE ND/SONNT AG, 3. /4 . MAI 2008  DIE T AGE SZE IT UNG W 3
„Kokain heizt den Krieg an“
20 JAHRE AFRICA FESTIVAL WÜRZBURG
Seit seinem Hit „La Camisa Negra“ ist Kolumbiens Rockstar Juanes auch in Deutschland ein Begriff.
Ein Gespräch über Ruhm, den Linksrutsch in Lateinamerika und Argumente für die Drogenfreigabe
INTERVIEW ZONYA DENGI
taz: Juanes, seit zehn Jahren leben Sie in den USA, doch Ihr
neues Album ist in Ihrer Heimatstadt Medellín entstanden.
Warum?
Juanes: Weil es meine Heimatstadt ist. Ich bin dort geboren,
aufgewachsen, habe Familie und
Freunde dort. Und es ist eine
wunderschöne Stadt.
Medellín hat auch den Ruf,
eine sehr gefährliche Stadt zu
sein. Stimmt das nicht?
Das ist leider das Image, das die
meisten Leute von Kolumbien
haben. Natürlich hatten wir unsere Probleme vor allem in den
Achtzigerjahren, wegen der Drogenkartelle. Aber seither hat sich
einiges geändert, auch in Medellín. Es gibt zwar immer noch
Probleme mit dem Drogenhandel – die ganze Welt konsumiert
Kokain, das ist unser Problem.
Aber insgesamt sind die Menschen optimistisch.
Doch der Bürgerkrieg mit der
Farc-Guerilla hält an …
Auch das hängt mit dem Drogenhandel zusammen. Die Paramilitärs wie die Milizen, sie haben
alle einen Sponsor. All das Geld,
das sie haben, stammt aus Drogengeschäften. Natürlich gibt es
auch eine politische Dimension
des Konflikts: Sie fordern Territorium und politische Mitspracherechte. Aber sie töten Menschen
und finanzieren sich aus dem
Drogenhandel. Das Ganze ist
ziemlich kompliziert.
Was ist Ihre Meinung dazu?
Die einzige Lösung, die ich sehe,
ist, den Drogenhandel zu legalisieren. Nur um diesem Krieg das
Wasser abzugraben, damit sich
die Mafia auflöst.
Wie kann das aussehen?
Ich bin nicht für eine totale Freigabe. Aber man könnte mit Marihuana anfangen, das wäre ein
guter Start. Marihuana ist nicht
schädlicher, als Zigaretten zu
rauchen oder Whisky zu trinken.
Nur gilt Marihuana nicht als so
gesellschaftsfähig wie Alkohol
und Nikotin. Bei Alkohol hat
man immerhin die Chance, über
die Gefahren aufzuklären. Bei
illegalen Drogen dagegen hat
man keine Kontrolle.
Diese Ansicht ist weder in
den USA noch in Kolumbien
mehrheitsfähig.
Natürlich – weil sie von dem gegenwärtigen System profitieren.
Das macht mich pessimistisch.
Denn wenn du mit jungen Leuten in Kolumbien sprichst, dann
denken alle wie ich. Alle haben
nach 50 Jahren genug von der Situation. Was hält denn diesen
Krieg am Leben? Die Drogen. Dabei gibt es längst andere Ansätze.
In Kalifornien oder in Holland
kann man Marihuana auf Rezept
in Drogerien kaufen. Das strikte
Verbot bringt die Leute nur dazu,
sich gegenseitig umzubringen.
Es gibt doch gute Argumente,
die für ein Verbot sprechen. Gerade im Showgeschäft kann
Gib mir die Hand, Gringo! Juanes in Kumpelpose
FOT O: UN I VE R SAL
In Lateinamerika ist Juanes, 35, schon lange ein Idol. Weil er sich gegen Landminen und für Aidsprojekte einsetzt, gilt er als nachdenklicher Künstlertyp. Mit
dem Album „La Vida Es Un Ratico“ kommt er im Sommer nach Deutschland.
man ja sehen, wohin Drogenmissbrauch führen kann. Sind
Sie trotzdem für die Freigabe?
Ich bin der Ansicht, dass Leute,
die ein Drogen- oder Suchtproblem haben, medizinische Hilfe
brauchen und nicht ins Gefängnis gehören. Und Drogen sind ja
auch nicht allein ein Problem im
Musikbiz, sondern ein breites soziales Problem. Jemand wie Robbie Willliams würde auch Kokain
schnupfen, wenn er Fußballspieler oder Journalist wäre. Es ist
eine Sucht, und dagegen hilft nur
Aufklärung.
Stars wie Britney Spears oder
Amy Winehouse haben jüngst
spektakuläre Drogenabstürze
hingelegt. Warum ist das in
Ihrer Branche so verbreitet?
Wenn du Drogen nimmst, fehlt
dir etwas – wahrscheinlich Liebe.
Das hat vielleicht auch etwas mit
der Erziehung zu tun, mit dem
familiären Hintergrund.
Liegt es nicht auch am Stress,
dem man als Musiker ausgesetzt ist? Ständig soll man kreativ sein, auf Tournee gehen. Verliert man da nicht die Bodenhaftung?
Mag sein. Aber ich habe meine
Familie, zwei Töchter, meine
Frau, und ich liebe die Musik –
das reicht mir. Ich bin Gott dankbar, dass er mir die Chancen gegeben hat, die ich hatte. Klar, ich
trinke auch mal gerne Wein oder
Whisky. Aber Exzesse sind nicht
meine Sache. Natürlich kenne
ich Leute im Musikgeschäft, die
das tun. Aber das muss jeder für
sich selbst entscheiden.
Sie tragen ein Kreuz um den
Hals. Sind Sie religiös?
Ja. Aber ich glaube auf meine
eigene Weise an Gott. Ich gehe
nicht in die Kirche und brauche
sie nicht als Institution. Aber ich
respektiere sie, weil meine Familie katholisch ist.
Sie sind als Musiker auch viel
unterwegs. Wie halten Sie sich
geistig gesund?
Ich treibe viel Sport, stehe morgens um fünf auf und gehe ins
Fitnessstudio: das ist meine Droge, sonst würde ich verrückt werden. Außerdem lese ich viel.
Was lesen Sie zurzeit?
Ein Buch von William Ury, das ist
ein Anthropologe und Konfliktforscher. Er schreibt über die Bedeutung einer dritten Person für
die Mediation von Konflikten.
Das lese ich im Augenblick.
Einer Ihrer Songs handelt
vom Problem der Landminen.
Haben Sie sich schon immer für
solche Themen interessiert?
Oder kommt das erst durch die
sozialen Verpflichtungen, die
Ihr Ruhm mit sich bringt?
Eigentlich war ich schon immer
sozial engagiert. Aber jetzt bin
ich stärker mit solchen Themen
befasst und kenne auch die Statistiken. Sehen Sie, in Kolumbien
werden täglich drei Menschen
Opfer von Minen – die meisten
von ihnen sind Kinder. Mir
scheint es, als ob sich niemand
darum schert. Wenn ich einen
Song darüber mache, ändert das
wahrscheinlich auch nichts.
Aber es ist wenigstens eine Möglichkeit, auf das Problem aufmerksam zu machen.
Als Star Ihrer Größenordnung wird man bestimmt häufig gebeten, sich für wohltätige
Zwecke zu engagieren, oder?
Ja, ständig. In Lateinamerika gibt
es derzeit ein ganz tolles Projekt,
das sich Alas nennt: dort engagieren sich viele Künstler, Intellektuelle und reiche Sponsoren.
Nach dem Erdbeben in Peru haben wir Geld gesammelt. Und
auch nach dem Hochwasser in
Mexiko wurde ich gefragt, ob ich
dort auftreten könnte. Sooft es
geht, versuche ich, meine Musik
und meinen Einfluss positiv
nutzbar zu machen.
Welches ist Ihrer Meinung
nach das größte Problem in Lateinamerika?
Die soziale Ungleichheit. Viele
Menschen besitzen nichts, einige
wenige haben alles. Das zieht
viele Probleme mit der Bildung
oder der Ernährung nach sich.
In den letzten Jahren erlebt
Lateinamerika einen politischen Linksrutsch. Steht die
soziale Frage dadurch nicht im
Mittelpunkt der Agenda?
Ich glaube, es wird lange dauern,
bis man Ergebnisse sieht. Aber
die Richtung stimmt. Ob Brasilien oder Argentinien, die Leute
sind froh, dass sich etwas ändert,
auch wenn der Wandel eine Weile
brauchen wird. In Venezuela ist
die Lage speziell: Das Land ist
sehr polarisiert. Und auch in Kolumbien ist es etwas anders.
Durch den Konflikt dort unterscheidet sich die Situation sehr
vom übrigen Lateinamerika.
Das Drogenproblem in Kolumbien haben Sie noch nie
in einem Song angesprochen.
Warum nicht?
Es ist nicht leicht, darüber einen
Song zu schreiben. Vielleicht finde ich eines Tages einen Weg.
In Deutschland verstehen die
meisten ja nicht, worum es in
Ihren Songs geht. Ist das frustrierend?
Ja, ziemlich – zumindest habe
ich es am Anfang so empfunden.
Aber mittlerweile denke ich, es
hat auch sein Gutes: Die Leute
singen die Songs phonetisch mit,
tanzen dazu und lassen sich auf
die Musik ein – das ist großartig.
Stört es Sie, dass Musik aus
Lateinamerika in Europa auf so
viele Klischees trifft?
Klar: Viele Leute glauben, diese
Musik wäre ein einheitliches
Genre. Du musst tanzen, lächeln,
es geht um Sommerhitze – aber
so einfach ist das nicht. Ich glaube aber, solche Klischees sind
normal. Viele denken ja auch,
dass Deutsche nur Bier trinken,
und alle Spanier Toreros sind.
Tour: 4. 6. Berlin, 5. 6. Köln,
22. 7. Stuttgart, 23. 7. München
Weil sie keinen Veranstalter finden konnten, der ihre afrikanische Lieblingsband für ein Konzert nach Würzburg laden wollte, gründete Stefan
Oschmann mit einem Freund flugs ein eigenes Festival. Zwanzig Jahre
später ist das „Africa Festival“ in Würzburg nicht nur das dienstälteste
seiner Art, sondern auch das größte in Europa. Zum Jubiläum befragte
man die Fans nach ihren Favoriten. Auf diese Weise ist ein Programm
zusammengekommen, das sich wie ein „Who is Who“ der afrikanischen
Musikszene liest. So werden sich auf der Mainwiese in Würzburg verdiente Helden wie der Mbalax-Superstar Youssou N’Dour aus dem Senegal, Disco-Queen Angelique Kidjo aus Benin, der Jazz-Trompeter
Hugh Masekela aus Südafrika und der Soul-Makossa-Man Manu Dibango auf der Bühne drängeln. Gespannt sein darf man auch auf Newcomer wie die Touareg-Band Toumast, den Songwriter Neco Novellas aus
Mosambik, Mpho und Zvimba mit ihrem Topwnship-Jive aus Kapstadt
sowie die franko-nigerianische Songwriterin Asa (Foto). Darüber hinaus
wird es vom 22. bis 25. Mai eine Filmreihe, ein Kinderprogramm, einen
Basar, Podiumsdebatten sowie DJ-Partys geben.
BUNTE WELTKUNDE: 15 JAHRE PUTUMAYO
Wenn es stimmt, dass viele potenzielle Kunden nicht mehr den Weg in
die CD-Läden finden, weil ihnen das Angebot dort zu unübersichtlich geworden ist, dann müssen die CDs eben zu den Kunden kommen: das ist
das Geschäftsprinzip der Firma Putumayo, die ihre Weltmusik-Compilations mit ihren kitschig-bunten Covern im Stil naiver Malerei vorzugsweise in Buchläden, Bio-Kaufhäusern und Dritte-Welt-Shops unter die
Leute bringt – dort kann man die Musik meist auch gleich hören.
Der Name Putumayo steht aber nicht nur für ein cleveres Geschäftsmodell, sondern vor allem für ein enorm gutes Händchen bei der Auswahl
der Titel ihrer Compilations, die von „Music from the Coffeelands“ über
„Euro Lounge“ bis „Arabic Groove“ für jeden Geschmack etwas zu bieten
haben. Zum Jubiläum ist der Sampler „African Party“ erschienen, daneben gibt es noch die „Playground“-Reihe für Kinder. Weniger bekannt
ist, dass Putumayo auch Solo-Künstler unter Vertrag hat, deren Karrieren es angestoßen hat: Der Songwriter Habib Koité aus Mali (Foto), dessen sanfte Balladen sich bestens ins Firmenprofil fügen, ist so ein Fall. BX
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Brüder im Geiste
Samir, Wissam und Adnan sind Söhne eines Lautenbauers aus Nazareth.
Als Trio Joubran revolutionieren die drei Palästinenser das Spiel der Oud
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Das weiße Band der Poesie: Adnan, Wissam und Samir (vorne) beim Fototermin am Strand
VON DANIEL BAX
„Wir wollen normale Musiker
sein“, sagt Samir Joubran. „Aber
das können wir erst, wenn die israelische Besatzung endet“,
glaubt er. Mit dem Trio Joubran
gönnt er sich eine kleine Flucht,
indem er dessen Instrumentalmusik nicht mit politischem Anspruch überfrachtet. „Ich will
frei sein in meiner Musik“, erklärt er dazu. „Und Musik sagt oft
mehr als viele Worte.“
Das Trio Joubran ist eine Ausnahmeerscheinung. Nicht nur,
weil es aus drei Brüdern besteht.
Sondern auch, weil es sich aus
drei Virtuosen an der Oud zusammensetzt – bislang war die
arabische Laute vor allem als Soloinstrument berühmt.
Kopf des Trios ist Samir, 35,
der älteste der drei Brüder und
Sohn eines Instrumentenbauers
aus Nazareth. Obwohl in Israel
geboren, kann er sich mit dem
Staat nicht identifizieren. „In seiner Flagge und seiner Nationalhymne komme ich nicht vor“,
stellt er fest. Deshalb bezeichnet
er sich auch nicht als „israelischer Araber“, wie er offiziell
heißt, sondern als Palästinenser.
Mit den Paradoxien hat er zu
leben gelernt: In den Neunzigerjahren hat er am Konservatorium in Kairo studiert, „als erster
und letzter Palästinenser“, denn
mit seinem israelischen Pass war
er dort nicht gern gesehen: alle
sechs Wochen musste er ausreisen, um sein Visum zu erneuern.
Sein Bruder Wissam ist zehn
Jahre jünger und ging zum Geigenbau-Studium ans renommierte Stradivari-Konservatori-
um nach Cremona, bevor es sich
seinem Bruder anschloss. Zuletzt
kam noch Adnan dazu, mit 22
Jahren das Nesthäkchen der Familie. Wie sich die drei Brüder zu
einem Trio zusammenrauften,
hat der Filmemacher Raed Andoni in seiner Dokumentation „Improvisation“ für den TV-Sender
Arte festgehalten.
In Frankreich haben die drei
Brüder inzwischen ihr Domizil
aufgeschlagen, von hier aus koordinieren sie ihre Aktivitäten.
Bislang haben sie in Frankreich
mehr Konzerte gegeben als sonst
wo, ihr Album „Majaz“ ist dort
ein Bestseller. Doch wichtiger ist
ihnen, dass sie auch in der Heimat ein Echo finden.
Das Erscheinen von „Majaz“
feierten sie daher mit einem
FO TO : SO NY/BMG
bank erlebte er den Ausbruch der
Intifada, die Ausgangssperren
und die massive Gewalt der israelischen Armee. Zur Gewaltspirale im Nahostkonflikt mag er
nur so viel sagen: „In Europa gibt
es schon drei Generationen, die
keinen Krieg mehr erlebt haben.
Wir dagegen hatten nie eine längere Zeit des Friedens. Die Gewalt ist schon in unsere Gene
übergegangen“, glaubt er und
meint damit Araber, Israelis und
Amerikaner gleichermaßen. „Es
wird Generationen brauchen,
um den Kreislauf der Gewalt zu
durchbrechen“, fürchtet er.
Dass sich ein junges Publikum
für ihre Musik begeistert, ist für
Samir Joubran der größte Erfolg.
„Als ich 15 Jahre alt war, schämte
ich mich, meiner Freundin zu sagen, dass ich Oud spiele“, erinnert er sich. „Die Mädchen in
meiner Schule haben mich ausgelacht, weil sie mich für altmodisch hielten.“ Doch sein Ansatz
ist nicht, arabische Traditionen
wie im Museum auszustellen,
sondern sie zu revolutionieren.
Samir Joubran macht keinen
Hehl daraus, dass ihn Al Di Meola, John McLaughlin und Paco de
Lucia mit ihrem Gitarren-Livealbum „Friday Night in San Francisco“ zum flirrenden Sound des
Trio Joubran inspiriert haben.
Neben arabischen Oud-Stars wie
Munir Baschir führt er aber auch
indische Musik als Vorbild an.
„Was heute geschrieben wird,
ist die Tradition von morgen“, ist
er überzeugt. Schon jetzt bietet
das Trio Joubran eine Vision für
all jene, die der Parolen in diesem Konflikt müde sind.
Ihr Ramallah-Konzert
wurde von al-Dschasira in alle arabischen
Haushalte übertragen
Freikonzert in Ramallah, im
halbautonomen
Westjordanland. Als Sponsor gewannen sie
einen lokalen Telefonanbieter,
der auch für die aufwendige Werbekampagne per Plakat und
SMS-Rundmail aufkam – Samir
Joubran war es wichtig, nicht auf
die Unterstützung einer ausländischen Organisation angewiesen zu sein, die sonst das Kulturleben sponsern. Ihr Auftritt dort
geriet zum Triumph, er wurde
von al-Dschasira sogar live in die
ganze arabische Welt übertragen.
Sechs Jahre hat Samir Joubran
selbst in Ramallah gelebt, von
1999 bis 2005, seine Ehefrau
stammt von dort. In der West-
Trio Joubran: „Majaz“ (Randana)
WEST-ÖSTLICHE VIOLINENSUITEN: CLAUDE CHALHOUB
Seine Geige hat Claude Chalhoub
durch dunkle Jahre gerettet. Im
Bürgerkrieg der Achtzigerjahre
wuchs er im christlichen Teil Beiruts auf. Der Vater betrieb einen
Friseursalon, war aber von Musik
beseelt: jedes seiner elf Kinder
bekam ein Instrument, für Claude
war die Violine vorgesehen. „Sie
wurde für mich zu einem Refugium, während um unser Haus die
Bomben niedergingen.“
Wie viele junge Leute seiner Generation war Claude Chalhoub
auf Autodidaktik angewiesen. Ein
Stipendium am Londoner Royal
College of Music katapultierte ihn
in eine andere Welt, und 1999
FOT O: HERZOG REC.
W 4
engagierte ihn Daniel Barenboim
als Primusgeiger für sein „WestEastern Divan Orchestra“. Heute
lebt Chalhoub wieder in Beirut.
Auf seinem Soloalbum „Diwan“
(Herzog Records) hält sich Chalhoub fast ausschließlich in der
Sphäre der klassischen Musik auf,
Zwiesprache hält er mit den Streichern des Gewandhausorchesters Leipzig. Gruppiert sind die
meisten seiner Kompositionen in
Suiten, die mal an Bartók und
Dvořák erinnern, dann wieder in
barockem Vokabular schwelgen.
Auch orientalische Stimmungen
sind erkennbar, aber nur subtil.
„Ich versuche nicht, meine Musik
zu multikulturalisieren“, erklärt
er. „Ich habe nun mal diesen kulturellen Hintergrund, das kommt
völlig natürlich.“ SF
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weltmusik
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SO NNABE ND/SONNT AG, 3. /4 . MAI 2008  DIE T AGE SZE IT UNG
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MUSIKALISCHE PASSAGEN ÜBERS MITTELMEER
Erinnerungen an Andalusien
In der Küche ihrer Mutter gelernt
haben will Yasmin Levy die sephardischen Balladen, die sie
heute für ein neues Publikum
aufbereitet. Dieses Liedgut geht
auf jene Juden zurück, die nach
der Rückeroberung Spaniens
durch die katholischen Könige 1492
mit den Mauren von
dort vertrieben wurden und sich, von Marokko über Saloniki
bis Istanbul, an den
damals muslimisch
beherrschten Küsten
des Mittelmeers ansiedelten.
Nur eine verschwindende
Minderheit – in Israel und der
Türkei – spricht heute noch das
altertümliche Ladino. Doch in
Wiegenliedern und liturgischen
Gesängen hat sich das Erbe aus
andalusischen Zeiten bewahrt.
Verloren in Tel Aviv? Dafür haben die vier Jungs von Boom Pam den Weg nach Deutschland gefunden
Kräuter der Provence
Zum 60. Geburtstag Israels stellt das bundesweite Festival „ILanD“ die Musikszene des Landes vor.
Kultbands wie Boom Pam oder das Girl-Trio HaBanot Nechama treffen dabei auf deutsche Partner
Ein beliebtes Bonmot, das IsraelBesuchern
entgegengebracht
wird, lautet: Wer nach Israel reise, der könne viele Eindrücke
sammeln und viel Neues entdecken. Am Ende aber fahre er
nach Hause mit mehr Fragen als
zuvor. Denn Israel ist ein kompliziertes, trotz seiner überschaubaren Größe bisweilen unüberschaubares Land.
Diese Verwirrung spiegelt sich
auch in der Musik von Boom
Pam. Das Quartett aus Tel Aviv
führt musikalisch zusammen,
was im richtigen Leben nicht immer zusammenpasst. Den SurfTwang aus Kalifornien bringen
sie im Gleichklang mit der traditionellen Hochzeitsmusik des
Balkans, den Jazz versöhnen sie
mit der Folklore, den Rockabilly
mit arabischen Harmonien und
einer bayerischen Tuba. Selbst
die Melancholie des Klezmer findet man auf ihrem neuen, zweiten Album mit dem Nonsens-Titel „Puerto Rican Nights“ (Essay
Records), das dieser Tage auch in
Deutschland erscheint. Bislang
hatten Boom Pam diese Musik,
die wie keine andere im Ausland
für das jüdische Erbe steht, demonstrativ ignoriert, weil sie
den touristischen Blick auf ihr
Land nicht bedienen wollten.
Boom Pam gehören zu den
Stars bei „ILanD“ – einer „Begegnung moderner Musik aus Israel
und Deutschland“, wie es die Veranstalter formulieren. Denn von
den Konflikten in Israel kann
man jeden Tag in den Zeitungen
lesen. Doch seine Musikszene ist
im Ausland fast unbekannt. Um
sie hierzulande vorzustellen, hat
man drei deutsche und israelische Bands gepaart, die stilistisch zueinander passen. So adaptieren auch die 17 Hippies, die
auf Boom Pam treffen werden,
Folklore aus West und Ost und
kreuzen sie mit der angloamerikanischen Pophistorie, um daraus etwas Neues zu schaffen.
„Postpostpostpostpostmodern“,
beschreibt Boom-Pam-Gitarrist
Uri Brauner Kinrot den Ansatz
seiner Band. Er könnte auch von
den 17 Hippies stammen.
Wenn Boom Pam den kulturellen Schmelztiegel Israel in Töne
fassen, dann zeigen die anderen
beiden israelischen Teilnehmer
an „ILanD“, dass aus dieser Verwirrung längst ein modernes,
westlich orientiertes Land gewachsen ist. Da ist zum einen das
Trio HaBanot Nechama, bestehend aus den Sängerinnen Karolina, Dana Adini und Yael Deckelbaum. Die drei waren schon zuvor als Solo-Künstlerinnen bekannt und sind noch in anderen
Bands beschäftigt (in der israelischen Musikszene hat fast jeder
gleich mehrere Engagements).
Das Frauen-Trio erinnert ein wenig an die Indigo Girls, dockt mit
seinen berückenden, virtuos ineinander verwobenen VokalHarmonien (in Englisch und Hebräisch) über akustischen Gitarren aber auch schwerelos an das
grassierende Folk-Revival an. In
Israel haben sie damit einen
Nerv getroffen: Ihr Debütalbum
Yasmin Levy: „Mano Suave“ (H. Mundi)
FOT O: E SSAY R E C.
Der gelobte Sound
VON THOMAS WINKLER
Mit ihrem am Flamenco geschulten Gesang und einer bewusst
türkisch-orientalisch gewählten
Instrumentierung haucht Yasmin Levy diesen uralten Liedern
wieder neues Leben ein. Mit ihrer Leidenschaft setzt sich die
Sängerin aus Jerusalem an die Spitze eines Revivals sephardischer Klänge, das
von Musikern in Spanien, Griechenland
und der Türkei vorangetrieben wird. Ihr
Vater, der 1976 verstarb, hatte sein Leben der
Sammlung und Archivierung
der sephardischen Überlieferungen gewidmet. Er wäre erstaunt,
könnte er sehen, welche Blüten
diese Musik heute wieder treibt.
wurde im vergangenen Jahr nach
nur drei Wochen vergoldet und
räumte anschließend alle verfügbaren Musikpreise ab.
Der Rapper Mook E wiederum
gilt als Pionier des israelischen
Hiphop. In diesem Genre spiegelt sich wie in keinem anderen
der Konflikt zwischen Juden und
Palästinensern. Denn auch die
Jugendlichen aus den von Arbeitslosigkeit geplagten arabischen Vierteln und Städten erzählen im Rap von ihrer Perspektivlosigkeit und dem Leben als Israeli zweiter Klasse. Andererseits
feiert ein israelischer HiphopStar wie Sublimal mit patriotischen Texten und protzigem Davidstern um dem Hals große
kommerzielle Erfolge.
Den Boden für den HiphopBoom bereitete Mook E einst mit
seiner Formation Shabak Samech: Als Schüler aus dem kleinen Städtchen Yavneh waren sie
in den frühen Neunzigerjahren
die Ersten, die auf Hebräisch zu
rappen versuchten. Damals kopierten Shabak Samech noch die
amerikanischen Vorbilder. Doch
mittlerweile hat Mook E einen eigenen Stil entwickelt, der vor allem auf organische, akustische
Klänge setzt, auch mal aus den
musikalischen Einflüssen der Region schöpft, bisweilen sehr rockig und dann fast schon liedermacherhaft anmutet.
Auf „Shabbat Night Fever“, einer neuen Compilation mit aktueller Popmusik aus Israel, gehört
der Beitrag von Mook E zu den
wenigen, die das multikulturelle
Erbe des Landes ausdrücklich be-
rücksichtigen: In „Shabak Music“
baut er aus Oriental-Samples ein
flotten Dance-Track. Der Reggae
von Funset, der Rap von Coolooloosh, der Dancehall der Soulico
Crew oder die Breakbeats von
The Apples dagegen orientierten
sich an internationalen Vorbildern und klingen, als hätten sie
auch sonst wo auf der Welt entstehen können. So sind es neben
Boom Pam nur der Produzent Babaganooshkain (mit „Coombah
Yeah“) oder die Band Hadag
Nachash, die arabische Harmonien nutzt, die auf „Shabbat
Night Fever“ eine Brücke schlagen zwischen Folklore und Pop,
zwischen Ost und West.
Natürlich kann man wie bei jeder Compilation über die Auswahl streiten. Auf „Shabbat
Night Fever“ vermisst man bekannte Namen wie den Songwriter David Broza oder den EthnoReggae-Star Idan Raichel. Die
Balkan-Polka-Kapelle TeaPacks,
die Israel beim letzten Eurovision Song Contest vertreten hat,
fehlt ebenso wie der Rapper Sublimal. Aber „Shabbat Night Fever“ erhebt nicht den Anspruch,
ein repräsentatives Abbild der
Musikszene zu liefern. Sie will lediglich einladen zu einer musikalischen Reise durch das moderne Israel, das komplizierteste
Land der Welt.
„ILanD“-Festival vom 29. Mai bis 1. Juni. Einzelne Bands machen in Cottbus,
Brandenburg, Köln und Leipzig Station,
in Berlin ist das Finale. Die Compilation
„Shabbat Night Fever“ (Fly Fast)
kommt am 31. 5. Infos: www.iland.de
Kennen gelernt haben sich ihre
Eltern in Israel, aufgewachsen ist
Karine Hallakoun alias „Sista K“
aber in Marseille. So kommt es,
dass sie mit ihrem Watcha Clan,
dem sie als Frontfrau vorsteht,
nicht nur aus sephardischen und
algerischen Einflüssen schöpft,
die sie einst von ihrem Vater mitbekommen hat, sondern auch aus vielen
anderen Facetten ihrer so mediterranen
wie multikulturellen
Hafenstadt.
Geprägt ist der
Sound des Watcha
Clans von den elektronischen Rhythmen des globalen Club-Undergrounds, von
Jungle, Drum ’n’ Bass und anderen Breakbeats, ergänzt um die
Farben des Maghreb und spezifische Kräuter der Provence.
Balkan in Brooklyn
Anders, als der Name vermuten
lässt, stammt die Band Balkan
Beat Box nicht aus Osteuropa,
sondern aus New York. Hinter
diesem Namen verbergen sich
der gelernte Klezmer-Klarinettist Ori Kaplan und der PunkSchlagzeuger Tamir Muskat. Beide sind in Israel aufgewachsen, kennengelernt haben sie sich
aber erst in Brooklyn.
„Nu Med“, ein Kürzel für „New Mediterranean“, haben Balkan Beat Box ihren
Bastard aus Klezmer
und Balkan-Fanfaren
mit Hiphop und Dub-Reggae getauft – was wohl heißen soll, dass
bei ihnen irgendwie alles zusammenfließt. Ihr Album „Nu Made“
enthält nun vor allem Remixe
bewährter Titel, gehört aber ab
sofort auf jede Party von Welt.
Auf „Diaspora Hi-Fi“ herrscht
ein babylonisches Sprachgewirr
aus Arabisch, Hebräisch und
Englisch, wobei der Eindruck eines orientalischen Basars überwiegt. Dabei wirft „Supreme
Clem“, der Programmierer des
Watcha Clans, beileibe nicht nur
Berbergesänge aus dem AtlasGebirge,
sondern
auch Samples von
osteuropäischen
Blaskapellen
oder
Klezmer-Bands
in
seinen Mixer.
Damit knüpft der
Watcha Clan an Londoner Bands wie die
Asian Dub Foundation oder die
Elektro-Klezmer-Pioniere
von
OiVaVoi an, erfindet aber seine
ganz eigene Klangspur.
Watcha Clan: „Diaspora Hi-Fi“ (Piranha)
In den USA sind Balkan Beat
Box das Zugpferd des kleinen
Plattenlabels „JDub“, das neben
Magazinen wie Heeb und JVibe
für ein neues jüdisches Selbstverständnis steht. Zuvor hatten
sie in der Balkan-Kapelle des ukrainischen Szene-Stars und Madonna-Freunds Eugene Hütz gespielt. Dessen „Zigeuner-PunkCabaret“ war ihnen
dann wohl zu rockig,
ihr eigenes Projekt
kommt jedenfalls wesentlich
elektronischer daher. Was
nicht heißt, das man
sich nun aus dem Weg geht: Unter dem Namen „Jewish-Ukrainische-Freundschaft“ arbeiten Eugene Hütz und Tamir Muskat
noch immer zusammen.
BX
Balkan Beat Box: „Nu Made“ (Crammed)
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IM ORIENT-EXPRESS NACH KIEW UND ISTANBUL
Rock der Karpaten
Kobzar, so hießen jene Troubadoure, die im Mittelalter durch
die Karpaten zogen. Mit ihrer
Bandura, der ukrainischen Zither, trugen sie Hohelieder auf
ruhmreiche Kosakenzeiten vor.
Nach ihnen haben Haydamaky
ihr Album benannt:
ein Zeichen, dass sie
sich diesen historischen Figuren verbunden fühlen.
Nicht nur die Bandura haben Haydamaky in ihren Sound
eingebaut, auch Mandoline, Trompete, Akkordeon
und Flöte tauchen darin auf. Aus
Ska, Reggae und Rock und der
Folklore ihrer Region schaffen
sie ihre eigene Fusion.
Populär wurden Haydamaki
im Zuge der „Orange Revolution“,
weil sie ein neues Selbstbewusst-
sein zu artikulieren schienen.
Ein Faible für Outlaw-Romantik
ist unverkennbar: Sie haben sich
nach Rebellen benannt, die im 18.
Jahrhundert gegen polnische
Vorherrschaft kämpften.
Ihr Pathos erinnert ein wenig
an Bands wie System
of a Down, auch runden sie ihre slawische Ästhetik gerne
mit ein wenig Gothic-Grusel ab. Doch
es wäre falsch, sie
deshalb als Rammstein der Karpaten
abzutun: Dafür sind sie zu vielseitig. Im Vergleich zum Vorgänger „Ukraine Calling“ haben sie
auf „Kobzar“ einen Schritt nach
vorne gemacht und auch für ruhigere Töne Platz gelassen.
Haydamaky: „Kobzar“ (Eastblok)
Ambient-Trip mit Mevlana
Vor 800 Jahren wurde der Mystiker Jalaluddin Rumi, genannt
Mevlana, geboren. Er begründete
den Orden der tanzenden Derwische, die sich um ihre eigene
Achse in Trance drehen, und gilt
als einer der wichtigsten Poeten
und Philosophen jener islamischen Spielart, die man Sufismus
nennt. Sein Grab liegt
in Konya, im Süden
der Türkei, und ist
dort bis heute eine
Pilgerstätte.
Grund genug für
den Elektronik-Musiker Arkin Ilicali alias
Mercan Dede, ihm
zum Jubiläum eine Hommage zu
widmen. Das kommt nicht von
ungefähr, schließlich hat er sich
bislang schon ausgiebig auf das
spirituellen Erbe des Sufi-Meisters bezogen, seine Techno-Am-
bient-Klänge mit Motiven aus
der musikalischen Mevlana-Tradition kombiniert und sogar
Derwisch-Tänzer zu sich auf die
Bühnen gesellt.
Für „800“ hat Mercan Dede
Virtuosen an der Kanun-Zither,
der Kniegeige Kemence und der
indischen Tabla um sich geschart,
außerdem
den türkischen RapStar Ceza, während er
selbst seine Beats nur
subtil tuckern lässt.
Es soll sein letztes
Album sein: Nach 15
Jahren als Musiker
will sich Mercan
Dede künftig lieber der Malerei,
dem Gartenbau oder der Kochkunst widmen. „800“ wäre jedenfalls ein würdiger Abschied.
Mercan Dede: „800“ (Double Moon)
Nachtflug über den Balkan
Wer auch immer Lola sein mag:
die Sampler aus dem Hause „Lola’s World“ sind eine Marke. Das
gilt für die Compilation-Reihen
wie „Latin Garden“, „Harem’s Secret“ oder „Made in Persia“, die
von der Bremer DJane Gülbahar
Kültür zusammengestellt werden und oft schon in
die dritte Folgen gehen. Und das gilt für
Titel wie „Afro Club
Night“ oder jetzt die
„Balkan Club Night“Doppel-CD, für die
sich ihr Kollege Ralph
„von“ Richthofen verantwortlich zeichnet.
Seit über 25 Jahren legt Richthofen in Clubs und Diskotheken
auf, außerdem ist er als Moderator beim WDR-Radio Funkhaus
Europa zu hören. Seinen Spitznamen haben ihm US-amerikanische Musiker verpasst, mit deANZEIGEN
nen er in den Siebzigerjahren als
Produzent im Studio zusammenarbeitete, weil Richthofen damals ein rotes Fahrrad fuhr und
zur Pilotenjacke eine Nickelbrille
trug. Flugs griff er auf das „von“
als Künstlernamen zurück, als er
sich als DJ zu betätigen begann.
Glaubt man seinen
Compilations, hat der
„rote Baron“ eine Vorliebe für bollernde
Beats. Auf „The Balkan Club Night“ lädt
er zu einem ausgiebigen Nachtflug über
Osteuropa ein. Der
Sampler fährt alle
Größen der Balkanszene auf, von
Fanfare Ciocarlia bis Shantel
oder dem Slowenen Magnifico,
und stellt nur eine Bedingung:
Hauptsache, es knallt.
BX
„Balkan Club Night“ (Lola’s World)
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Red Hot Balkan Peppers
Beim Eurovision Contest in Kiew schlug eine Oma für sie auf die Pauke. Doch das war nur der Anfang.
Nun wollen Zdob Si Zdub aus Moldawien mit ihrem Album „Ethnomecanica“ den Westen erobern
VON THOMAS WINKLER
Roman Iagupov sieht aus, wie
Rockmusiker halt so aussehen
nach einem Auftritt. Wirr hängt
ihm das nasse halblange Haar
ins Gesicht, die Augen sind gerötet, der Blick ist leer. Im Hintergrund dampft pappiger Kantinenfraß vor geleerten Bierflaschen. Roman Iagupov trägt eine
Hose, die über den Oberschenkeln unnatürlich weit ist und
weiter unten eng zuläuft. Das
einzige Indiz dafür, dass Zdob Si
Zdub mehr sind als nur eine weitere Rockband.
„Unser Rock …“, stockt der
Sänger und sucht in seinem eher
rudimentären Englisch nach
dem rechten Wort, „… ist eher
ungewöhnlich.“ Das ist noch untertrieben. Denn das Sextett aus
Moldawien klingt stellenweise,
als wären die Beastie Boys auf einer Zigeunerhochzeit zu Gast:
Hiphop-Einlagen wechseln bei
ihnen mit Hirtenflöten, MetalGitarren mit Volkstanzrhythmen und Gipsy-Posaunen, traditionelle Trinklieder mit CountryPickung. Zwischendrin ein Geträller, das an bulgarische Frauenchöre erinnert, oder wehmütiger Balkangesang. Diese Mixtur
wird allmählich auch im Westen
immer populärer.
Zdob-Si-Zdub-Sprachrohr Iagupov weiß nicht so recht, wie er
die Musik seiner Band nennen
soll. 14 Jahre gibt es sie schon, gerade wurde mit dem Album „Ethnomecanica“ ein repräsentativer
Querschnitt für den westeuropäischen Markt zusammengestellt.
„Ethno-Punk oder Balkan-Wave“,
schlägt er vor. Doch dass Zdob Si
Zdub bereits auf der allerersten
„Russendisko“-Compilation des
Berliner Vorzeigeosteuropäers
Wladimir Kaminer mit einem
Song vertreten waren, hat früh
zu ihrem Ruhm beigetragen.
Noch bekannter wurde die
Band im Jahr 2005 durch einen
„verfickten Gesangswettbewerb“,
wie Iagupov sich ausdrückt:
Beim Eurovision Song Contest in
Kiew trat sie mit „Boonika Bata
Doba“ (je nach Laune des Übersetzers: „Oma schlägt die Trommel“ oder „Schlagt die Oma!“)
samt einer Rentnerin mit Rahmentrommel auf die Bühne. Am
Ende erreichten Zdob Si Zdub damit einen respektablen sechsten
Platz.
Zu diesem Zeitpunkt waren
Zdob Si Zdub zu Hause längst
Stars. Ein Status, der auch bei ihrem Auftritt in Berlin offenbar
wird. Das Publikum in der Kulturbrauerei setzt sich großenteils aus Mitgliedern osteuropäischer Exilgemeinden zusam-
Psychedelisch: Bei Zdob Si Zdub verschmelzen traditionelle Muster mit modernen Motiven
men. Mancher Text in Moldauisch, einem rumänischen Dialekt, wird Wort für Wort mitgesungen. Und in der ersten Reihe
wird eine Besucherin nicht müde, die Natioonalfahne der Republik in die Luft zu recken.
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Der Zwergstaat Moldawien
liegt eingeklemmt zwischen der
Ukraine und Rumänien. In diesen Nachbarländern touren
Zdob Si Zdub regelmäßig: Mit
Auftritten allein in ihrer kaum
fünf Millionen Einwohner zählenden Heimat könnten sie
kaum überleben. So haben sie
sich auch in Russland mittlerweile eine Fangemeinde erspielt
und treten auch in Moskau vor
vollen Häusern auf.
Ganz so viele kommen noch
nicht, wenn Zdob Si Zdub im
Westen unterwegs sind. Gern
gebucht werden sie aber auf
großen Festivals, die sich darauf
verlassen können, dass die Band
auch ein bis dahin indifferentes
Publikum mit großer Wahrscheinlichkeit in Feierlaune versetzt. Die explosive Mischung
aus osteuropäischer Folklore
und Versatzstücken aus angloamerikanischem Funkrock hat
schließlich längst ein Mainstreampublikum erreicht. Wenn
Iagupov meint, die Musik, die er
und seine Mannen spielen, sei
ein „Experiment, ja sogar Avantgarde“, dann kommt er mit dieser Einschätzung jedenfalls einige Jahre zu spät.
Als die Band gegründet wurde, war das natürlich noch anders. Den Anstoß, so erzählt die
Legende, gab Anfang der Neunzigerjahre die Installation der allerersten Satellitenschüssel in
Strășeni, einem Vorort der moldawischen Hauptstadt Chișinău.
Mit der neuen Technik kam auch
MTV in die Rock-Diaspora, und
drei Schüler entdeckten Bands
FO TO : LA W INE
wie die Red Hot Chili Peppers,
Faith No More und Pearl Jam.
Damit war die Saat gelegt, 1994
wurde Zdob Si Zdub gegründet.
Anfänglich war der Rockeinfluss dominant – so lange, bis die
Band in Moskau im Vorprogramm von Hardcore-Bands wie
Soulfly und der Rollins Band auftreten durfte. Nur zum Spaß
stimmten sie auf ihren Gitarren
eine Hardcore-Version eines
moldawischen Volkslieds an –
und erregten Begeisterung. Da,
so Iagupov, wuchs die Erkenntnis, „dass wir uns unterscheiden
und einen eigenen Stil entwickeln mussten, um zu bestehen“.
Von Nutzen waren da die von
Volksmusik geprägte eigene
Kindheit und die Vergangenheit
Moldawiens, aus der sie seitdem
mit vollen Händen schöpfen.
Die Pluderhose, da darf man
sicher sein, wird noch eine Weile
das Markenzeichen von Zdob Si
Zdub bleiben.
Zdob Si Zdub: „Ethnomecanica“,
(Lawine/Sony BMG). Festivals: 13. 6.
Regensburg, 7. und 8. 7. Ulm, 11. 7.
Karlsruhe, 26. 7. München, 8. 8. Jena
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Pop treibt in China schillernde Blüten: Kultsängerin Sa DingDing vereint Avantgarde-Anspruch mit Tibet-Romantik
SO NNABE ND/SONNT AG, 3. /4 . MAI 2008  DIE T AGE SZE IT UNG
FOT O: WR ASSE
Frühling in Peking
Durch die Olympischen Spiele 2008 in China rückt auch die chinesische Musikszene ins Rampenlicht.
Die Sängerin Sa DingDing möchte davon profitieren – wenn da nur nicht das heikle Thema Tibet wäre
VON STEFAN FRANZEN
Musik aus dem Reich der Mitte
galt bislang als schwer zu vermarkten im Westen. Doch im
Vorfeld der Olympischen Spiele,
wo sich die Augen der Welt auf
China richten werden, wittert so
mancher chinesische Künstler
die Chance, ins Blickfeld zu geraten. Das gilt für die Sängerin Sa
DingDing, die zur jüngsten Generation chinesischer Popstars
zählt: Mit gerade mal 25 Jahren
hat sie aus Elementen der traditionellen Folklore ihres Landes
und Lounge-Elektronika schon
ihren ganz eigenen Stil entwickelt. Grund genug für ihre Plattenfirma, sie nun auch im Westen bekannt machen zu wollen.
Das allerdings hatte man sich
dann doch wohl ein wenig an-
ders vorgestellt. Denn als Sa
DingDing jüngst das erste Mal
nach London flog, um dort gleich
den World Music Award der BBC
entgegenzunehmen, waren gerade die Proteste in Lhasa eskaliert.
Die Presse stürzte sich mit Interviewanfragen auf sie, und plötzlich saß die Chinesin wie auf einem Nadelkissen. In ihren Interviews gab sie sich trotzdem
selbstbewusst und versuchte
englisch zu reden – und das heikle Thema Tibet zu umschiffen.
Genug zu erzählen gibt es bei
ihr allemal. Das fängt schon bei
ihrem Namen an: „Sa ist ein alter
mongolischer Klan-Name“, klärt
sie über ihren familiären Hintergrund auf. „Ich bin bei meiner
Großmutter in der Inneren Mongolei aufgewachsen. Es gab kein
Zeitgefühl. Dafür wurde überall
gesungen, die Lieder und der
Klang der Pferdekopfgeige tönten weit über die Grassteppe.
Seitdem bedeutet Musik für
mich vor allem eines: Freiheit.“
Diese Freiheit nahm sie sich
auch während ihrer gesanglichen Ausbildung. Im Jugendchor
fiel sie auf, weil ihre Stimme so
seltsam klang, dass sie nicht zu
den anderen Mädchen passte.
Später belegte sie Kurse in Musikphilosophie und klassischer
Gesangstechnik und entdeckte
ihre Lust an Experimenten mit
Oper, traditioneller Musik und
Pop. „I needed freedom. Freedom.“ Sie sagt es tatsächlich
zweimal, mit Nachdruck.
Kaum volljährig, bringt sie
ihre Debüt-CD heraus, die sie in
allen Altersgruppen populär
macht. Von da an ist sie regelmäßig in den chinesischen Medien
präsent und tritt in perfekt cho-
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reografierten Shows auf den
größten Bühnen des Landes auf.
Dass sie ausgesprochen apart
aussieht, sich ein exotisch-mysteriöses Image gibt und gerne
extrem ausgefallene, selbst entworfene Kleider trägt, hat ihrem
Erfolg sicher nicht geschadet.
Jüngst hat Chinas Kultautor Cai
Jun sie gar zur Titelheldin eines
Serienthrillers erkoren, der sich
bislang gut verkauft.
Mit ihrem neuen Album
„Alive“ will Sa DingDing nun
erstmals auch im Westen auf sich
aufmerksam machen. Ihr plakativer Ethnopop mit Klangtupfern aus verschiedenen chinesischen Provinzen und seinen Reminiszenzen an ihre nomadische Kindheit segelt hart am
Wind zwischen kitschig und
catchy. Geschickt sind FolkloreSchnipsel in die monströsen
Rhythmusparts eingebettet, der
Klang der Bambusflöte und der
chinesischen Wölbbrettzither gu
zheng verströmen zartes lokales
Kolorit.
Der chinesische Mandarindialekt ist nur eines der Idiome, derer sie sich bedient: Sie hat auch
ihre eigene Kunstsprache entwickelt und sich fremde Sprachen
angeeignet. So rezitiert sie im Titelstück das buddhistische 100Silben-Mantra. „Ich habe alte Bücher auf Sanskrit zur Hand genommen und gemerkt, dass
beim Lesen ein sehr natürlicher
Fluss, eine ursprüngliche Melodie entsteht“, behauptet sie. Der
Videoclip zu dem Song wurde
nahe bei Lhasa gedreht und zeigt
eine farbenprächtige Szenerie
aus dem alten Guge-Königreich:
ein unverfänglicher Tibet-Romantizismus, der momentan bei
vielen chinesischen Sängern und
Filmemachern en vogue ist und
auch bei der jungen Generation
gut ankommt: Ein leicht konsumierbarer New-Age-Mystizismus hat inzwischen auch Chinas
Mittelschichten erreicht.
Solange sich die Begeisterung
für Tibet nur an so harmlosen
Dingen wie Sprache und Folklore
festmacht, hat niemand in Peking etwas dagegen. Denn Tibets
Kultur und Religion werden in
China nicht unterdrückt, nur die
Autonomiebestrebungen
und
der Dalai Lama sind den Autoritäten ein Dorn im Auge.
Über die offizielle Position
geht Sa DingDing nicht hinaus,
wenn sie sagt: „Die tibetische
Kultur ist ein sehr wichtiger Teil
der chinesischen Kultur, denn sie
ist geheimnisvoll, charmant und
hat ihren eigenen Duft.“ Gleichwohl wolle sie gerne „eine Brücke sein zwischen Ost und West“.
Das sind akkurat abgezirkelte
Worte, so durchdacht wie ihr
Umgang mit ihrem musikalischen Material. „Weil ich so viele
verschiedene Sprachen benutze,
die viele Leute nicht verstehen,
konnte ich die Einmischung in
meine Musik auf ein Minimum
reduzieren“, sagt sie zum Thema
Zensur. Und auch über Olympia
lässt sie sich kaum ein Wort entlocken – außer, dass sie sich auf
ihren Auftritt dort freut. Den
Rest muss man, wenn man will,
zwischen den Zeilen lesen.
Sa DingDing: „Alive“ (Wrasse/Harmonia Mundi). www.sadingding.co.uk
W 7
FOLK AUS CHINA
Gong Linna ist eine stille Rebellin.
In ihrer Kindheit lernte sie ihrer Heimat Guiyang im Südwesten Chinas
die Lieder der verschiedenen Volksgruppen kennen, bevor sie in Peking Musik studierte. Nach ihrer
Ausbildung überwarf sie sich allerdings mit dem herkömmlichen Musikbetrieb. „Vielen Komponisten,
mit denen ich gearbeitet habe,
kam es vor allem darauf an, viel
Geld zu verdienen“, blickt sie zurück. „Das kann man in China vor
allem mit Playback-Konzerten und
musikalischen Massenspektakeln.“
Als Gong Linna einer solchen Karriere den Rücken kehrte, erklärten
ihre Familie und viele Freunde sie
für verrückt. Stattdessen reiste sie
durch ganz China, erforschte traditionelle Idiome und entwickelte einen Gesangsstil, der virtuos Elemente verschiedenster Volkskulturen aufgreift: für chinesische Verhältnisse eine unerhörte
Pioniertat, ihr Publikum rührte sie
damit zu Tränen. Gut, dass sie damit auf den deutschen China-Experten Robert Zollitsch traf. Weil
Zollitsch mit seinen kammermusikalischen Arrangements die Stereotype der Kunst- und Volksmusik
aufbricht, wird er auch in Fernost
als Erneuerer chinesischer Musik
geschätzt. Er arrangierte auch zu
Gong Linnas vielfältigen Vokaltimbres die passende Begleitung. Seit
zwei Jahren lebt Gong Linna nun in
Deutschland, in der Wahlheimat
fühlt sie sich wie zu Hause: „Ich
stamme aus der Stadt, doch die
Natur hat einen tiefen Einfluss auf
mich gehabt. Jetzt wohne ich im
Bayrischen Wald und kann dort jeden Tag in die Berge gehen.“ In
China haben Zollitsch und Gong
Linna schon einiges Aufsehen erregt, hierzulande harren sie noch
der Entdeckung. Mit ihrem hohen
Anspruch werden sie nicht zu den
Nutznießern einer „olympischen
Breitenwirkung“ werden. Durch
ihre Engagements in China wägen
sie ihre Worte mit Bedacht. „Wir
sind nicht berufen, die Situation in
Tibet zu kommentieren“, erklärt
Robert Zollitsch salomonisch. „Es
wird ja auch nicht jeder US-Musiker
nach seiner Meinung zu Guantánamo befragt. Wichtig ist, dass wir
mit unserer Musik zu einem Wandel beitragen.“ SF
Gong Linna: „Chinese Folk Songs“ (ARC); „Jing
Ye Si“ (Kuku). www.gonglinna.com
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W 8
DI E TAGE S Z EI T UNG  3 . / 4 . M A I 2 0 0 8
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Fühlen Sie den Ausschlag? „Feel the Rush“ heißt die EM-Hymne, für die Shaggy hier mit den beiden EM-Maskottchen „Trix“ und „Flix“ posiert
FO TO : DDP
Die Welt ist rund
Wem Public Viewing zur Fußball-EM nicht reicht, der kann es ja mal mit Public Listening versuchen.
Ein Überblick über die wichtigsten Open-Air-Festivals der Republik sowie die Highlights der Saison
VON DANIEL BAX
Was die Fußball-EM mit sich
bringen wird, ist noch nicht abzusehen. Sicher ist nur, dass der
Reggae-Star Shaggy mit „Feel the
Rush“ den offiziellen Song zum
Ereignis im Juni in Österreich
und der Schweiz beisteuert. Nun
ja, es gab schon Schlimmeres.
Den Auftakt zur musikalischen Freiluftsaison macht, wie
jedes Jahr, der Karneval der Kulturen (9. bis 12. Mai) an Pfingsten in Berlin; der eigentliche
Umzug findet am Sonntag statt.
Zur selben Zeit steigt in Moers
das Festival für improvisierte
Musik, als Highlight ist der
Avantgarde-Star John Zorn aus
New York angekündigt. Zwischen exotisch und experimentell klingen auch die Samúel Jón
Samúelsson Big Band aus Island
oder Avishai Cohen mit seinem
Jazz-Vocal-Projekt. Oder der Auftritt der baskischen Schwestern
Maika und Sara Gomez: Sie traktieren ein Instrument namens
Txalaparta, das einst zur Kommunikation zwischen den Dörfern im Baskenland diente.
Früh im Jahr startet das Weltnacht-Festival in Bielefeld, das
sich vom 2. Mai bis 30. August
mit 44 Konzerten über die ganze
Region erstreckt. Neben der belgischen Band Think of One und
ihrem Chaabi-Projekt stehen
hier die Amsterdam KlezmerBand und der deutsch-nigerianische Reggae-Musiker Daveman
auf dem Plan. Höhepunkt ist wie
immer der Carnival der Kulturen
am 7. Juni mit einer Parade durch
Bielefelds Innenstadt.
Zum Africa Festival in Würzburg (22. bis 25. Mai), das in diesem Jahr sein 20. Jubiläum feiert,
ist weiter vorne schon alles gesagt worden. Hier noch einmal:
Es lohnt sich! Wer dort Hugh Masekela verpasst hat, kann ihn
noch beim Masala-WeltbeatFestival in Hannover (21. Mai bis
1. Juni) erleben. Außerdem dort:
das Idan Raichel Project aus Israel, die Sängerin Lura und der
Watcha Clan aus Marseille.
Im Kulturzelt in Kassel (20.
Juni bis 3. August) geben sich das
Quadro Nuevo, die Latin-SkaBand Pantéon Rococo und die
kapverdische Sängerin Mayra
Andrade die Ehre.
Die traditionelle Summerstage des WDR-Funkhauses Europa
am Tanzbrunnen in Köln (22. Juni) steht diesmal unter dem Motto „London Crossing“: mit britischen Acts wie Mattafix, Transglobal Underground und Oi Va
Voi ist zu rechnen.
Zum Zeltival Karlsruhe (29.
Juni bis 3. August) locken das Orchestra Baobab aus dem Senegal
oder die Puppini Sisters und ihr
Varieté-Programm, während das
Stimmen-Festival in Lörrach (2.
bis 27. Juli) mit großen Namen
klotzt: die Neville Brothers, Leonard Cohen und Paul Simon werden erwartet. Daneben gibt es
die mexikanische Sängerin Lila
Downs, ein Taranta-Programm
sowie, in der „Stimmband“-Reihe, etwa die Chinesin Gong Linna
und Etta Scollo mit Italo-Chansons zu hören.
Das 18. Tanz- und Folk-Festival Rudolstadt (4. bis 6. Juli) legt
in diesem Jahr einen Schwerpunkt auf Israel, das durch Yasmin Levy und die palästinensische Sängerin Amal Murkus vertreten wird. Zudem werden die
mehr als 20 Bühnen unter anderem von der Fanfare Ciocarlia
und ihrem Aufgebot an „Gipsy
Queens & Kings“, der TouaregBand Etran Finatava, Billy Bragg
und dem englischen Folk-Projekt
„The Imagined Village“ belegt.
Der Reggae Summer Jam (4.
bis 6. Juli) in Köln erweitert mit
Shantel & dem Buvovina Club
Orkestar sowie Miss Platinum
sein Spektrum in Richtung Balkan. Neben Lokalmatadoren wie
Mono & Nikitaman und Irie Revoltés tritt hier auch Shaggy an.
Die Kulturarena in Jena präsentiert in diesem Jahr (10. Juli
bis 24. August) Altmeister wie
die US-Songrwiterin Joan Armatrading sowie Manfred Krug mit
dem „Berlin Jazz Orchestra“.
Der Yiddish Summer in Weimar (10. Juli bis 15. August) dagegen verspricht – wie immer unter der Ägide des Musikers Alan
Bern – unter dem Titel „the other
europeans“, die Verbindungslinien zwischen Klezmer- und
Roma-Musik auszuloten.
Ein neues Festival gibt es in
Berlin: „Wassermusik“ (10. bis
27. Juli) hat man sich am Haus
der Kulturen der Welt ausgedacht, um Kultur mit dem kühlen Naß zu kombinieren. Zur Premiere konzentriert man sich auf
Surf-Musik (u. a. mit Marc Ribot),
auf die Tiki-Mode, die durch Easy
Listening und Lounge-Mode ein
Revival erfahren hat (u. a. mit
Don Tiki und Waitiki), sowie auf
Lieder von Seefahrern und Fischern – hier sind Eliza Carthy
und Juana Molina angekündigt.
Warum nicht?
Vom traditionsreichen Festival Viva Afro Brasil weiß man
nur, dass es wieder nach Tübingen zurückkehren wird (18. und
19. Juli): Das Ausweichen nach
Stuttgart hat sich nicht gelohnt.
Bei Popdeurope in Berlin (26.
Juli bis 2. August) steht dagegen
schon fest, dass Massilia Sound
System aus Marseille und die
Mestizo-Band Amparanoia ihren
Abschied von der Bühne feiern
wollen. Schnief! Außerdem ist
ein lokalpatriotischer Abend mit
den Ohrbooten sowie den Bomberos de Monte Cruz angesetzt.
Zum 33. Bardentreffen (1. bis
3. August) wurde unter anderem
die Russen-Ska-Combo Apparatschik nach Nürnberg geholt, und
etwas weiter südlich zum
Chiemsee Reggae Summer (22.
bis 24. August) neben lokalen
Größen wie Culcha Candela, Patrice und Nosliw das allgegenwärtige Bucovina Club Orkestar von
Shantel, Beenie Man aus Jamaika
sowie die Otentikk Street Brothers aus Mauritius.
Und wem das noch nicht
reicht, der sollte selbst zu einem
Instrument greifen und sich
beim bundesweiten Weltmusikwettbewerb Creole bewerben,
dessen Finale vom 2. bis 4. September 2009 in Berlin steigt.
Mehr Infos unter www.creoleweltmusik.de.