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4 BADEN-WÜRTTEMBERGISCHE THEATERTAGE SAMSTAG, 22. JUNI 2013 THE ATERTAG E AM WO C HE NE ND E PFORZHEIMER ZEITUNG NUMMER 142 Abrechnung mit der Familie ■ SAMSTAG, 22. Juni: » 11.00 Uhr Tag der Jugendclubs im CCP. .......................................................................................... » 11.00 Uhr Vortrag „Internationale Theaterverflechtungen“ von Christel Weiler im CCP. .......................................................................................... » 18.00 Uhr „Tintenherz – Stage Enter“ (Theater Pforzheim) Projekt nach dem Roman von Cornelia Funke in der Pforzheim Galerie. Ausverkauft. .......................................................................................... » 19.30 Uhr „Verrücktes Blut“ (Badisches Staatstheater Karlsruhe) von Nurkan Erpulat und Jens Hillje im Großen Haus des Theaters Pforzheim. Einführung zum Stück um 19.00 Uhr im Foyer Publikumsgespräch 15 Minuten nach der Vorstellung im Foyer. Es sind noch Restkarten verfügbar. .......................................................................................... www.theatertage-bw.de JO URNA L Die Blassportgruppe macht mächtig Druck PFORZHEIM. Einen besonderen Leckerbissen für alle Fans von kraftvollen Sounds, witzigen Texten und ungewöhnlicher gibt es heute Abend im Spiegelzelt auf dem Waisenhausplatz: Die Blassportgruppe, die als Marching Band in Retro-Fußball-Trikots daherkommt und eine tolle Show abzieht, steht ab 20.30 Uhr auf der Bühne. Auf ihrem Programm stehen Cover-Stücke wie eigene Songs, neben Michael Jackson ist Johannes Brahms zu hören wie eine Bearbeitung der Deutschlandhymne im 11/8-Takt. Einzuordnen ist ihr Repertoire grob zwischen Jazz und Pop mit Ausflügen in Rock und Heavy Metal, dargeboten als frische Mixtur aus Comedy und Kleinkunst. Gegründet wurde die Brassband im Jahre 2004 von zwei Studenten der Musikhochschule Mannheim. Seitdem ist die zehnköpfige Truppe bereits mehrfach auf Deutschlandtour unterwegs gewesen präsentiert jetzt ihr neues Bühnen-Programm „Back in Blech“. Der Eintritt ist frei. pm Die Blassportgruppe. FOTO: GROTELOH Nein, Jugendtheater spielt keineswegs in der zweiten Liga. Wenn Buch, dramaturgische Umsetzung und die schauspielerische Leistung stimmen, wie beim FestivalBeitrag „Verschwunden“ der Jungen Württembergischen Landesbühne Esslingen im CongressCentrum, dann muss es den Vergleich mit dem sogenannten Erwachsenentheater zu keiner Zeit scheuen. Und wenn es eine Produktion schafft, dass quirlige Teenager schlagartig zu andächtigen Zuschauern werden, dann darf man sie als erstklassig bezeichnen. Kindsentführungen sind Verbrechen, die für die Beteiligten kaum schlimmer sein könnten. Außerdem bleiben sie lange im Gedächtnis – und zwar unabhän- Annegret Taube spielt die junge Grete, hier im Gespräch mit ihrem Vater (Tobias Strobel). FOTO: WLB gig davon, ob sie ungeklärt bleiben, wie im Fall der in Portugal verschwundenen, damals dreijährigen Madeleine Beth McCann. Oder, ob sie als gelöst gelten und medial ausgeschlachtet werden wie die Entführungsgeschichte der Natascha Kampusch. Charles Ways 70-minütiger Einakter „Verschwunden“ gibt nach und nach preis, dass die Drahtzieher der Entführung der jungen Grete (Annegret Taube, 26) die eigenen Eltern sind. Armut, Alkohol, Verwahrlosung und vor allem Habgier führt die WLB-Inszenierung von Regisseurin Laura Huonker und Dramaturg Matthias Göttfert als Motive von Stiefmutter (Franziska Theiner, 27) und Vater (Tobias Strobel, 34) an. Ways Stück liegt die Entführung der zum Tatzeitpunkt neunjährigen Shannon Matthews in Großbritannien zugrunde. Mit Bravour spielt Hanif Jeremy Idris (27) die Rolle von Gretes Bruder - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - Wenn Kinder entführt werden: Junge Bühne Esslingen greift ein brisantes Thema auf - Natascha Heimes glänzt mit ihrem Spiel als Poil de Carotte, während Kirsten Potthoff als Mutter mitunter etwas zu übertrieben agiert. Und auch Poil de Carottes Geschwister Ernestine (Maria Thomas) und Felix (Lars Fabian) sind – wenn auch bewusst in ihren Rollen so angelegt – in ihrem Spiel etwas zu aufdringlich. In dem nach der Romanvorlage Renards von Regisseurin Katharina Kreuzhage und den Akteuren gemeinsam in einer langen Probenzeit entwickelten Stück geht es laut Kreuzhage nicht darum, Mit- - Aufdringliches Spiel FOTO: DIEMER leid für Poil de Carotte zu entwickeln, vielmehr versuche das Stück Konflikte einer Familie zu analysieren – mit dem Ergebnis, dass ein außergewöhnlich stark berührendes Kindheitspsychogramm entsteht, das am Ende zu einer Abrechnung mit der Familie – und dem Abschied – von ihr führt. Das Publikum hat das 55-minütige Stück lange und von vielen szenischen Wiederholungen geprägte Inszenierung weitgehend positiv, aber auch intensiv er- und durchlebt, wie bei dem Publikumsgespräch im Anschluss der Aufführung deutlich wurde. Dies hatte zuvor auch schon der Beifall belegt, der die fünf Darsteller nach ihrem Abgang noch fünfmal ins Rampenlicht lockte. Ralf Recklies - I ch ersetze in dieser Familie das Dienstmädchen“, sagt Poil de Carotte, gespielt von Natascha Heimes, keck am Bühnenrand stehend. Und erntet bereits wenige Minuten nach Beginn der Aufführung des Stückes „Muttersohn/Poil de Carotte“ nach einem Roman des französischen Schriftstellers Jules Renard (1864–1910) denn, dass ich sie liebe?“, fragt der Herr des Hauses und lässt das vermeintlich traute Familiengefüge endgültig zusammenbrechen. - RALF RECKLIES | PFORZHEIM Geschwistern an Zuneigung nicht mangelt. Poil de Carotte lässt die seelischen Grausamkeiten der Mutter lange über sich ergehen, durchlebt im Traum aber Fantasien, die den Tod der Mutter zur Folge haben. Eines Tages widersetzt sich der Junge den Befehlen seiner Mutter. Als die ihn zum Butter holen in die Mühle schickt, sagt er Nein und lässt sich auch durch allerlei Schikanen und Drohungen nicht umstimmen. Er schildert sein Leid dem Vater (Max Rohland), der eigentlich ohne große innere Beteiligung am Familienleben teilnimmt und erklärt ihm, das weder er seine Mutter, noch sie ihn liebe. Und das Familienoberhaupt macht unmissverständlich klar: „Ja, denkst Du - Abrechnung mit der trauten Familie, die keine Familie ist. ■ die ersten Lacher. Als Heimes wenige Momente später verkündet, dass sie „der Mann des Vertrauens für den Transport von Dingen in den Keller“ sei, müssen viele der Besucher erneut herzhaft lachen. Der von Natascha Heimes gespielte Junge ist aber, wie sein Vater Monsieur Lepic, eher eine tragische Figur in diesem am Donnerstagabend im Großen Haus des Pforzheimer Theaters gezeigten Stücks des Stadttheaters Aalen. Denn spaßig ist das Leben des „Karottenkopfs“ wahrlich nicht. Seine Mutter (Kirsten Potthoff) hat ihr drittes Kind zum schwarzen Schaf, Sündenbock und Prügelknaben auserkoren. Deshalb erfährt der Bub von Madame Lepic nur wenig Wärme und Liebe, während es den älteren - Das Theater der Stadt Aalen zeigt Renards „Poil de Carotte“. ■ - SONNTAG, 23. Juni: » 15.00 Uhr „Lysistrata“ (Württembergische Landesbühne Esslingen) von Heiner Kondschak im Großen Haus des Theaters Pforzheim. Publikumsgespräch 15 Minuten nach der Vorstellung im Foyer Es sind noch Karten verfügbar. » ab 19.00 Uhr Abschlussparty mit DJ im Spiegelzelt auf dem Waisenhausplatz. Eintritt frei. ■ Berührendes Kindheitspsychogramm: Schwester Ernestine gespielt von Maria Thomas (von links), Vater (Max Rohland), Mutter (Kirsten Potthoff) und „Karottenkopf“ Poil de Carotte (Natascha Heimes). - » 20.00 Uhr „The Beach“ (Junges Theater Heidelberg) Live-Hörspiel ab 15 Jahren von Eike Hannemann im Podium des Theaters Pforzheim. Publikumsgespräch 15 Minuten nach der Vorstellung in der Kantine. Ausverkauft. » ab 20.30 Uhr Blassportgruppe im Spiegelzelt auf dem Waisenhausplatz. Eintritt frei. Hans. Der Schauspieler überzeugt mit hohem Einsatz und glaubwürdiger Empörung über die alkoholund geldgeilen Eltern. „Ich finde es beeindruckend, wieviele Begegnungen hier stattfinden – zwischen Künstlern und Zuschauern, Schauspielschülern und Profis oder zwischen Theaterleitern und Künstlern.“ Pfiffiges Bühnenbild Barbara Pfyffer hat aus Kühlschränken, Gefriertruhen und Waschmaschinen ein pfiffiges Bühnenbild gestaltet und Esslinger Theaterpädagogen kümmern sich um Fragen der Schüler nach der rundum gelungenen Vorstellung. Schade nur, dass „Verschwunden“ nicht mehr auf dem Spielplan der Esslinger Studiobühne am Zollberg steht – und somit bei den Theatertagen vermutlich letztmals zu sehen gewesen ist. Robin Daniel Frommer Martina Leidig, Organisationsleiterin der Theatertage Künstler erobern das Theater wie im Sturm Ausgelassene Stimmung beim Abend der Kulturen im Foyer nach Flucht aus dem Spiegelzelt „Man fühlt sich ein bisschen wie auf der Titanic“, meinte Schauspieldirektor Murat Yeginer und sprach den Gästen beim Abend der Kulturen ein wenig aus der Seele. Klassische Lieder, russische Gedichte und Trinksprüche sowie italienische Gitarrenmusik standen bis dato auf dem musikalischliterarischen Programm, durch das Yeginer zusammen mit der Vorsitzenden der Deutsch-Rumänischen Gesellschaft, Oana Krichbaum, führte. Doch mit dem nahenden Unwetter geriet das Spiegelzelt immer mehr ins Wanken. Genauso schnell, wie der Sturm heranzog, fanden die Mitarbeiter des Theaters Pforzheim eine Lösung: Die bestens besuchte Veranstaltung wurde kurzerhand ins Foyer verlegt. Mit Hilfe eilender „Schirm- Taxis“ gelangten die 43 Künstler verschiedenster Nationalitäten ins Nachbargebäude. Und wer gedacht hatte, dass die Hälfte der Zuschauer jetzt den Heimweg antreten würde, der hatte sich getäuscht: Das Foyer platzte fast aus allen Nähten, so groß war der Andrang. Schnell wurden Stühle herbeigeschafft und die Instrumente wieder ausgepackt. Virtuose Vogelstimmen Claudiu Rupa und sein Salon Ensemble Sentimental erzeugten sofort eine derart mitreißende Stimmung mit rumänischen Impressionen von Vesco D’Orio und dem temperamentvoll gespielten Stück „Die Lerche“, die ansteckte. Einfach fantastisch, wie virtuos der zweite Geiger des Südwestdeutschen Kammerorchesters dabei Stimmungsvoller Abend: Die Besucher tanzten im Foyer des Theaters. die Vogelstimmen zum Ausdruck brachte. Nicht minder begeisterten der deutsch-griechische Singkreis, das italienische Gitarrenduo Guido Gioffre und Opernsängerin FOTO: MOLNAR Öykü Sensoz mit ihrer Gänsehaut-Stimme bei George Gershwins „Summertime“, begleitet von Diethard Stephan Haupt am Klavier und Funda Sen an der Kasten- zither. Die türkische Künstlerin überzeugte auch im Duett Nr. 7 aus der Oper „Ali Baba und die 40 Räuber“ mit dem am Theater engagierten Tenor Aykan Aydin. Beide hatten außerdem sichtlich Freude, mit dem rumänischen Konzertpianisten Constantin Ionel Solomon das vielseitige Programm zu verlängern und spontan eine Arie nach der anderen aus dem Ärmel zu schütteln. Wie im Sturm hatten die Pforzheimer Künstler mit internationalen Wurzeln das Theater erobert. Ausgelassen war die Stimmung bis weit nach Mitternacht. Es wurde getanzt, gesungen und geklatscht. Ein einmalig stimmungsvoller und gemeinschaftlicher Abend, der einmal mehr die multikulturelle Vielfalt in Pforzheim zeigte. Anita Molnar