Electra gründete sich im Dunkeln - Vogtland

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Electra gründete sich im Dunkeln - Vogtland
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Electra gründete sich im Dunkeln
Dresden – Bei der Suche nach einem geeigneten Bandnamen tappten fünf Dresdner
Musiker 1969 zunächst im Dunkeln. „Irgendeiner kam dann auf die Idee, einen
Sternatlas zu Rate zu ziehen.
Da haben wir im Dunklen mit dem Finger auf eine Buchseite getippt“, erinnert sich der 64 Jahre
alte Flötist und Saxofonist Bernd Aust. Zumindest kam man der Sache so näher. Der Stern
Elektra liegt 400 Lichtjahre von der Sonne entfernt. „Wir haben ihn kleingeschrieben und mit c
– das waren nach damaligen Gesichtspunkten zwei Kardinalfehler. Damit kämpfen wir bis zum
heutigen Tag.“
Die Gruppe electra blieb in der ostdeutschen Rockszene aber nicht nur wegen ihrer
Schreibweise eine Besonderheit. Als erste brachte sie 1976 ein Album mit Klassik-Adaptionen
auf den Markt. Klassik-Hits wie Mozarts „Türkischer Marsch“, „In der Halle des Bergkönigs“
von Edvard Grieg oder der „Säbeltanz“ von Aram Chatschaturjan erklangen nun mit E-Gitarre,
Keyboard und dem markanten Flötenspiel von Aust. „Wir hatten schon bei unserer Gründung
auf Pink Floyd, Jethro Tull und Emerson, Lake & Palmer geschaut – alles Bands, die nicht
unbedingt für musikalischen Tageserfolg stehen“, sagt Aust.
Der Bandchef sieht für diese Ausrichtung auch einen geografischen Hintergrund und nennt
andere Gruppen aus Dresden und dem Umland: „Innerhalb des Ostrocks gab es eine feine
Differenzierung. Es gab die Musikerkollegen, die in Gebieten wohnte, wo Musik aus dem
Westradio zum täglichen Umgang gehörten. Wir im „Tal der Ahnungslosen“ – Lift, Stern Combo
Meißen und electra – waren stilistisch ein wenig anders und kannten Westmusik quasi nur vom
Hörensagen oder Schallplatten.“
Außerdem ermöglichte eine solide Ausbildung an der Dresdner Musikhochschule den
electra-Mannen stilistische Vielfalt. Ungewöhnlich schnell wurde electra populär. „Wir hatten
nicht die Welt, aber wir hatten die DDR. Wenn wir eine Platte 100 000 Mal verkauften, war das
für unsere Verhältnisse viel, aber dann entstand die Frage: Was kommt jetzt.“ Später folgte
auch der Westen, wo electra zunächst ein Insider-Tipp blieb.
„Wir haben einmal in Trier ein umjubeltes Konzert vor 22 Journalisten und 11 Zuschauern
gegeben“, lacht der Bandleader. Das Jahr 1979 markiert ein Meilenstein – die Uraufführung der
Rocksuite „Die Sixtinische Madonna“ zu Ehren des gleichnamigen Gemäldes von Raffael. So
etwas hatte es in der DDR bislang nicht gegeben, im Westen standen Bands wie Yes oder das
große elctra- Vorbild Jethro Tull für den „Artrock“.
Heute spielt electra noch etwa zwei Dutzend Konzerte pro Jahr. „Wir sind nun ein
semiprofessionelles Ensemble“, meint Aust, der als Konzertveranstalter agiert. dpa