Körperinszenierungen im japanischen Film - Büchner

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Körperinszenierungen im japanischen Film - Büchner
Einleitung: Shintai – sôma – corpus.
Körperinszenierungen zwischen den
Kulturen. Kulturelle Präfigurationen des
Films
Kayo Adachi-Rabe und Andreas Becker
Die Reisenden III
Das Titelphoto dieses Bandes zeigt einen Schatten, der auf einer amorphen Fläche zu schweben scheint. Es ist ein Schatten ohne erkennbaren Körper, ein Schatten an sich. Blasen, es könnten auch Augen oder
Kugeln sein, sind auf dem Bild verteilt. Wir erkennen das Dargestellte beinahe. Die Photographie bildet den Realraum nicht ab, sondern
spiegelt ihn in uneindeutig zueinander stehende Teilbereiche. Das Bild
hat etwas Bedrohliches, weil der Schatten aus dem Bild herauszutreten
scheint und sich seine Konturen auflösen. Die Gegenständlichkeit und
damit die Eingeordnetheit auch unseres Beobachter-Körpers in sinnhafte Strukturen des Bildraums ist in Frage gestellt. Wir sehen eine chiffrierte Zwischenwelt an der Grenze von Wahrnehmung und Phantasie.
Und diese Grenze wird im Akt des Schauens variiert. Das Abgebildete
ist nicht gegenständlich-körperlich auflösbar, genauso wenig wie wir als
Betrachter in den Schichten des Bildes verortbar sind.
Nanaé Suzukis Arbeiten sind Installationen, die sich in der Alltagswelt ergeben bzw. in dieser arrangiert und dann aufgenommen werden.
Das Photo von 2002 trägt den Titel Die Reisenden III und erinnert an
Krieg und Zerstörung. Und meint man nicht, aus einer Assoziation
heraus, es könnte hier Berlin dargestellt sein? Suzuki nahm tatsächlich
eine Postkarte vom historischen Berlin, von der noch nicht zerstörten
Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche. Diese Postkarte platzierte sie hinter
einem mit Wasser gefüllten Gefäß, es scheint beim näheren Betrachten
ein Goldfischglas gewesen zu sein, und photographierte das im Wasser ge-
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Kayo Adachi-Rabe und Andreas Becker
spiegelte und optisch verzerrte Postkartenmotiv, also ein Bild des Bildes.
Der mysteriöse Schatten ist die Silhouette der in Berlin lebenden Künstlerin beim Photographieren, ein Selbstporträt.
Das filmische Bild als technische Form der
Leib-Imagination
Diese Körperbild-Bild-Konstellation, die sich in Suzukis Photo ausdrückt, ist für das Thema Körperinszenierung und -darstellung ganz
wesentlich. Unser Körper ist in seinem Selbstbild von den Medien beeinfluss- und inszenierbar. Er tritt im ästhetischen Inszenieren wie im
Rezipieren in das Bild ein. Das Schauen von Bildern und Filmen verändert damit die Körperlichkeit des Beobachters, indem dessen Körpergefühl in die Koordinaten des bildhaft erzeugten Imaginationsraums
hinausprojiziert wird. Vivian Sobchack hat diese Besonderheit der filmischen Körperlichkeit wie der Bilderfahrung folgendermaßen beschrieben (Sobchack 1992: 9):
Thus, the film experience is a system of communication based on bodily
perception as a vehicle of conscious expression. It entails the visible, audible,
kinetic aspects of sensible experience to make sense visibly, audibly, and
haptically. The film experience not only represents and reflects upon the prior
direct perceptual experience of the filmmaker by means of the modes and
structures of direct and reflective perceptual experience, but also presents the
direct and reflective experience of a perceptual and expressive existence as
the film.
Marcus Stiglegger entwickelt seine Körpertheorie als »Seduktionstheorie
des Films« (Stiglegger 2013: 35). In Global Bodies. Mediale Repräsentationen des Körpers hat er zusammen mit Ivo Ritzer in Fortführung von
Hans Beltings Thesen sehr verdichtet eine Theorie des Bild-Körpers beschrieben (Stiglegger 2012: 10):
Der rezipierende Körper wiederum entkörperlicht zunächst die objektive
Repräsentation, bis er sie dann selbst als ›organisches‹ Medium neu verkörpert. Diese sekundäre Animation separiert imaginativ zwischen Medium
und Repräsentation, um einen virtuellen Körper zweiter Ordnung herzustellen. Das Medium fungiert daher weder als bloßer Mittler zwischen Repräsentation und wahrnehmendem Subjekt noch im Sinne von Marshall
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McLuhan als substitutiv-prothesenhafte »Ausweitung seines natürlichen
Körpers« [...]. Trägermedium und Rezeptionskörper vertauschen vielmehr
ihre Rollen im Perzeptionsakt, wobei die Repräsentation zwischen Medium
und Körper ›wandert‹.
Der Film repräsentiert nicht nur die körperliche Erfahrung, sondern
ist eine eigenständige bildhaft-technische Form der Leib-Imagination.
Gleichzeitig bedeutet aber unser (Zuschauer-)Körper einen widerständigen Rest, der sich den Bild- und Imaginationswelten entziehen könne, weil dieser – so glaubt man – jederzeit den Immersionsbezug zum
Bild aufkündigen kann, etwa durch Abwendung der Aufmerksamkeit,
durch Schließen der Augen, Zuhalten der Ohren. Physischer Leib und
Imaginationsleib sind eigentümlich ineinander verschränkt und wirken
ineinander nach, beeinflussen sich fortwährend.
Kulturelle Basisnarrative und deren Übersetzbarkeit
Die Voraussetzung aller medialen Darstellung sind tradierte Erzählformen, kulturelle Prämissen, ästhetische Grundannahmen und kulturell
vorgeprägte Erwartungen. Das Medium des Films nimmt dieses Erbe
kulturell spezifischer Bild- und Erzähltraditionen auf und stellt es in
einen globalen Rezeptions- und Produktionsraum. Durch das Kino verschwinden die kulturellen Grenzen nicht, sondern sie werden nurmehr
global ausgestellt. Die kulturelle Spezifik zeigt sich nicht nur in der Sprache, in den Gesten, den Umgangsformen und dem Schauspiel, sondern
auch in der Weise, wie das Bild den Bildraum erzeugt. Die im Film
erlebte alterne Körperlichkeit ist auch die eines kulturellen Alter Egos, die
Körperbilder sind kulturweltlich geprägt.1
Kaum eine Kinematographie kennt solch einen experimentellen
und freien Umgang mit Körperlichkeit wie die Japanische. Diese NichtFestgestelltheit des Körpers lässt sich sicherlich historisch herleiten,
aus kulturellen Darstellungstraditionen (Nō, Kyōgen, Kabuki, Bunraku-Performances), man kann auf unterschiedliche Glaubenssysteme
(Buddhismus, Shintōismus) und deren Körperkonzept, den Gedanken
1 Siehe dazu die Ausführungen von K. Ludwig Pfeiffer (2010), Shingo Shimada (1994)
sowie grundlegend Ruth Bendict (2014).
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der Wiedergeburt und vieles mehr verweisen. Sie lässt sich aber ganz
konkret auch in den ästhetischen Praxen, Filmen und Kunstwerken
nachweisen. Die hier veröffentlichten Aufsätze führen einen interkulturellen Dialog mit dem Ziel, die unterschiedlichen kulturellen Differenzierungen und ästhetischen Eigenarten zu explizieren, übertrag- und
verstehbar zu machen.
Der japanische Begriff shintai lässt sich mit Körper, aber auch mit
Leib übersetzen. Am ehesten bietet der aus dem Altgriechischen stammende Terminus sōma eine Vermittlungsmöglichkeit, weil sōma ein auch
im heutigen Europa immer noch fungierendes Konzept ist. Der Begriff
shintai lässt sich leichter mit sōma übersetzen als in den Lateinischen
Begriff des corpus oder den deutschen Terminus Körper, eben weil die
semantische Differenz von Leib und Körper offen gehalten ist. Die Übersetzung und Übersetzbarkeit solcher prägenden Begriffskonzepte wäre
eine noch zu leistende Aufgabe, die hier nur exemplarisch über das ästhetische Feld erfolgen kann. Ein interkulturell-komparatives Wörterbuch nach dem Vorbild des Grimm’schen Wörterbuchs, mit analogen
Verwendungsformen von Bildern und deren ›Familienähnlichkeit‹, wäre
noch zu schreiben, ebenso eine Zusammenstellung homologer Körperinszenierungen und deren Darstellung in den Medien. Erst eine komparative Perspektive kann diese feinen Unterschiede überhaupt thematisierbar machen. Diese liegen in der Sprache, der Bildkultur, den
kulturellen Prämissen und Ordnungen – und für jede dieser Kategorie
ist der Aufwand der Übertragung ein anderer.
Yasuo Yuasas shintai-ron und die Prämissen der
Körperlichkeit in der japanischen Kultur
Wie der japanische Philosoph Yasuo Yuasa (1925–2005) in seinem
Buch shintai-ron (übersetzt als The Body. Toward an Eastern Mind-Body
Theory, 1987) mit Max Weber’scher Präzision ausführt, lassen sich die
Unterschiede des japanischen gegenüber dem westlichen Körperkonzept
auf differierende kulturelle Prämissen und andere kulturelle (Rahmen-)
Ordnungen zurückführen. Diese Ordnungen können allerdings in Philosopheme übersetzt und als solche kulturell transferiert werden. Ganz
wesentlich für die japanische Kultur ist nach Yuasa, dass in dieser die
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Körperlichkeit als (kollektives) Zwischensein von Mensch und Mensch
(japanisch ningen) verstanden wird (im Englischen als betweenness übersetzt, im Japanischen auch als aidagara beschrieben; Yuasa 1987: 37),
dies steht im Gegensatz zur modernen westlichen Auffassung des Körpers als etwas Individuellem (wörtlich also etwas Unteilbarem). Als weiteres Merkmal wird von Yuasa die Kultivierung des Körpers angeführt
(Englisch personal cultivation, Japanisch shugyō; Yuasa 1987: 85). Yuasa
leitet dieses aus der buddhistischen Klosterkultur und deren kairitsuKonzept ab und beschreibt deren Genese als historischen Übertragungsprozess aus der indischen und chinesischen Kultur. Unter kairitsu lassen
sich verschiedene in Klöstern geregelte Praxen und Ordnungen verstehen, die allerdings in den Alltag einströmen (und dort nicht immer als
solche bewusst sind). Auch die Künste seien in Japan nicht primär für
ein Publikum gedacht, sondern würden als Übungsfeld, als ästhetische
Praxis und Schulung des Geistes begriffen. Mit Yuasas Thesen könnte
man die hohe Artifizialität des japanischen Films, die bis in die Gegenwart hinein ungebrochen andauernde Detailverliebtheit, der es nicht
nur um die Darstellung und Aufführung geht, sondern die sich selbst
in ihrem Vollzug des Ästhetischen genügt, verstehen. Ähnlich wie Max
Weber dies in Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus beschrieb (Weber 2004), können so bestimmte Merkmale als kulturelle
›Tugenden‹ verstanden werden.
Buddhistische Körperkonzepte
Die Grundidee des Buddhismus besteht ganz wesentlich darin, die
Buddhaschaft zu erlangen (jap. sokushin-jōbutsu). Das heißt, durch
Kultivierungspraxen und Übungen wie etwa der Meditation in diesem
Körper Buddha zu werden, wie Ryōsuke Ōhashi (1944–) zeigt.2 Buddha
ist ein Mensch wie jeder andere, der sich aber auf eine solche Weise übte,
dass er Erleuchtung erlangte. An Stelle des christlichen Gebots du sollst
nicht trete daher im Buddhismus ein ich werde nicht, wie Yuasa herausgearbeitet hat: »Moral practice arises, not out of the constraint ›Thou
shalt not...‹, but is, instead, a positive, willed attitude of ›I will not,‹ that
2Siehe dazu Ōhashi (1994: 61). Yasuo Yuasa beschreibt dies auch am Beispiel von Kūkais
Philosophie (Yuasa 1987: 148f.)
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is, a resolve ›to become such a person who does not...‹« (Yuasa 1987: 92)
Die kulturellen Unterschiede zwischen Christentum und Buddhismus
treten in solcherart Motiven und Formen der Kultivierung auf, sie verschwinden scheinbar, wenn man die konkrete Gesellschaft betrachtet.
In beiden Kulturen wird – empirisch-faktisch betrachtet – gleich nach
›Geboten‹ gehandelt, diese sind aber aus vollkommen anderen Motiven
und gesellschaftlichen Praxen introduziert.
Yuasa weist auf die grundlegenden Körperkonzepte im Buddhismus,
etwa auf die Trikayā-Lehre, hin (Yuasa 1987: 132–133):
The theory that the Buddha has three bodies (trikāya). The first is the incarnate body (nirmana-kāya), the Buddha as appearing in the flesh in order
to teach all salient beings. The second is the reward body (samogha-kāya),
the Buddha as enjoying the results (rewards) of his past cultivation. [...]
The third buddha body is the dharma body (dharma-kāya), the ultimate,
absolute Buddha. It is the true body itself without matter or form; it might
even be called a cosmic body.3
Das Problem Leib und Seele (erste These Yuasas)
Yuasa findet den entscheidenden Unterschied zwischen der europäischen
und der japanischen Auffassung des Körpers darin, dass die europäische
Kultur dahin tendiere, Leib und Seele getrennt voneinander zu behandeln, während die japanische Kultur diese eher in einer Einheit verstehe.
(Yuasa: 24–25; vgl. Kotō 2005: 200ff.)
Das japanische shintai besteht aus den Zeichen mi (eine andere Leseart von shin) und tai. Mi allein umfasst verschiedene Nuancen wie die
mentale, emotionale und spirituelle Situation sowie die soziale Position
des Inhabers, während das tai ein bloßes Gefäß von mi ist. (Kotō 2005:
204) Das traditionelle Verständnis des Körpers in Japan lässt sich mit
dem Wort des Zen-Mönchs Eisai (1141–1215) als shinshin ichinyo, ›die
Einheit des Geistes und des Körpers‹ charakterisieren. Dieser Begriff
bezeichnet den Zustand, in dem man einen Höhepunkt der inneren
Erfahrung in der Meditation erreicht. Das gleiche gilt auch als Ziel der
Bühnen- und Kampfkunst, wobei sie auch als eine Form der Meditation
ausgeübt werden. Durch harte körperliche Übung soll ein Zustand der
3Siehe dazu auch John Snellings Ausführungen in Buddhismus (Snelling 1991: 115f.)
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Einheit zwischen Leib und Seele erzielt werden.4 In dieser Kultur des
shugyō (körperliches und geistiges Trainieren) ist der Leib nicht von der
Seele trennbar. (Yuasa 1987: 24–27) Die japanischen Filme veranschaulichen beispielhaft diese kulturell bedingte ›körperliche‹ (und zugleich
›mentale‹) Auseinandersetzung im Leben.
Körper in der Zeit und im Raum (zweite These Yuasas)
Yuasa stellt noch eine weitere These auf, dass die europäische Körpervorstellung an die Zeit und die japanische vielmehr an den Raum gebunden
sei. Augustinus zufolge beinhaltet die Seele (anima) eines Menschen
sein Wesen als Ebenbild Gottes (imago dei). Da der Mensch gleichzeitig
ein fleischliches Wesen (corpus) ist, kann seine Liebe nur als Begierde
(cupiditas) für die anderen Menschen gelten. Um die Liebe zu Gott
zu verwirklichen, soll man seine Seele bekehren. Der Geist müsse sich
vom fleischlichen Körper trennen, der sich im realen Raum befinde. Bei
den modernen Philosophen wie René Descartes, Immanuel Kant und
Martin Heidegger nimmt der Wahrnehmende eine zentrale Position ein.
Henri Bergson verleiht dem zeitlichen Kontinuum des Seins eine stärke
Gewichtung. (Yuasa 1987: 42–45)
Die modernen Philosophen Japans hingegen entfalten ihre an den
Raum gebundene Seinstheorie, die die traditionelle Denkweise zum
Körper reflektiert. Yuasa hebt vor allem Tetsurō Watsujis (1889–1960)
Denkweise hervor, der die Körperlichkeit des Menschen als Zwischensein
von Mensch zu Mensch (ningen, aidagara) versteht. Demnach ist der
menschliche Körper in der Beziehung zu den Mitmenschen mit der Gesellschaft und der sozialen Struktur konkret verortet. Dieser Denkansatz
bietet eine interessante Perspektive zur Analyse der Körperanordnung in
der Bildästhetik, Dramaturgie und im sozialen Kontext.
Auch Kitarō Nishida (1870–1945) ist ein wichtiger Protagonist für
die These der verräumlichten Körperlichkeit bei Yuasa. Nishida definiert
den Ort, in dem eine reine, subjektive Erfahrung stattfindet, als »Ort
des wahren Nichts« (Nishida 1999: 121). Dieser existiert im Inneren
des wahrnehmenden Subjekts und spiegelt dessen Erfahrung wider, wo4Einen Bericht über einen Aufenthalt im Eiheiji-Tempel Dōgens mit sehr anschaulichen
Eindrücken bietet Kaoru Nonomura (2008).
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durch dessen Dasein selbst aber ausgelöscht wird. In dieser Vision bildet
das wahrnehmende Subjekt kein Zentrum der Wahrnehmung mehr. Es
ist nicht so, dass jemand hört und sieht, sondern der Wahrnehmende
wird zum Phänomen dessen, was er erlebt.
Subjektkonstitution. Subjekt/Objekt
Die oben genannten beiden Thesen Yuasas führen zu einem Spezifikum
des japanischen Verständnisses des Körpers, das mit der Subjektkonstitution zu tun hat. In seiner Analyse der altertümlichen Lieder stellt
Watsuji fest, dass die Japaner in der früheren Zeit keine Unterschiede
zwischen Objekt und Subjekt sowie zwischen Seele und Leib machten,
für »die Menschen des Altertums gehörten die Dinge, die sinnlich wahrgenommen wurden, gleich zur Seele.«; »There is in their love a subtle
harmony between body and mind, and in their appreciation of nature
a peaceful embrace with nature.« (Zitat bei Yuasa 1987: 46; Watsuji
1961–63: 257) Auch Nishida spricht in seiner Theorie des Ortes von
einer Vereinigung des Ichs mit der Welt, wobei sich das Subjekt im Objekt seiner Wahrnehmung auflöst.
Sergej M. Eisenstein und Andrej Tarkowskij, die im japanischen
Kurzgedicht haiku ein Vorbild der Filmkunst sehen, thematisieren ebenjene Elemente, auf die Watsuji und Nishida hinweisen. Eisenstein bezeichnet das im haiku dargestellte Phänomen als »Indifferenz der Wahrnehmung« (Eisenstein 1984: 193). Dadurch präsentiere der Dichter
Tarkowskij zufolge die »Unwiederholbarkeit« und den »ewige[n] Sinn«
des eingefangenen Augenblicks. (Tarkowskij 1984: 122) Die Indifferenz
zwischen Subjekt und Objekt und die damit verbundene Expansion der
Gefühls- und Wahrnehmungswelt eines Menschen sind Aspekte, die für
ein Verständnis des Körpers im japanischen Film wesentlich sind.
Das Verschwinden des Körpers des wahrnehmenden Subjekts, das
Nishida beschreibt, stellt in ambivalenter Weise ein Ziel der performativen Kunst Japans dar, die zunächst eine intensive physische Präsenz
voraussetzt. Die Vorstellung eines abwesenden Subjekts bildet auch die
Prämisse des filmischen Mediums, das aus einer durch die transparenten
›Körper‹ der Kamera und dem Mikrophon konstruierten Illusion eines
Wahrnehmungsfeldes besteht. In der Filmphänomenologie wird diese
»Subjektkonstitution« des Films mit Edmund Husserls Ansatz zur Kin-
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ästhese, nämlich der Bewegungsempfindung eines menschlichen Körpers,
verglichen. (Sobchack 1992: XV) Nishidas Körperauffassung stimmt
exakt mit diesem Denkmodell überein, setzt aber im Unterschied zu
Husserl eine grundlegende Absence des Körpers voraus. Die Filme, die
im vorliegenden Band behandelt werden, zeigen kreative Experimente,
die Kommunikation zwischen den transparenten Körpern des Films und
der Zuschauers darzustellen. Eine interkulturelle Phänomenologie der
kinematographischen Leiblichkeit und der Leibauffassung wie Inszenierung müsste im Sinne einer »leibhaftige[n] Andersheit« (Waldenfels
1999: 171 sowie ders. 1997: 66ff.) erst entwickelt werden, in Anlehnung
an eine Phänomenologie des Fremden wie sie Bernhard Waldenfels entwirft, oder wie dies Iris Marion Young (2005) am Beispiel des weiblichen Körpers unternimmt.
Sôma. Der antike Körper
Konzepte von Körperlichkeit in Griechenland.
Übersetzungsversuche
Eine mögliche Übersetzung japanischer Körperkonzepte in westliche
Vorstellungswelten der Moderne ist der Umweg über die griechische
Philosophie, das antike, vorchristliche Denken bzw. dessen Rekonstruktion. Die griechische Antike ist Europa historisch so weit entfernt
wie die japanische Kultur geographisch, beide weisen höchste Grade
der Fremdheit auf. Es kann daher auch nicht um eine Abbildung des
einen auf das andere Konzept gehen, sondern darum, Differenzierungen
und Denkbarkeiten kulturell zu aktualisieren und zu erweitern. Gleichsam bilden Kulturen Gewebe von Zusammenhängen, Verweisungen und
Narrativen, deren Muster manchmal einander ähneln. Was das shugyōKonzept bedeutet, lässt sich eher verstehen, wenn man es analogisierend
zu dem Gymnastik-Konzept5 in Griechenland oder den panhellenischen
5Den »Uebungen des Leibes«, wie Johann Heinrich Krause in seiner historischen Studie
Die Gymnastik und Agonistik der Hellenen von 1841 den Begriff übersetzt (Krause 1971:
1).
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Spielen6 in Bezug setzt. Die Grade der Fremdheit unterscheiden sich und
dies erleichtert die kulturelle Übersetzung.
Panhellenische Spiele, idealer Körper. Dôgen (Übung,
Meditation), kata
In der griechischen Antike gab es einen charakteristischen Körperkult,
der sich in einer Wechselwirkung zwischen der bildenden Kunst und
dem Sport entwickelte, und der auch mit den philosophischen Diskursen und naturwissenschaftlichen Analysen verbunden war. In den
Olympischen Spielen wetteiferten die Athleten in verschiedenen Disziplinen wie Diskuswerfen, Weitsprung, Speerwerfen, Stadionlauf und Ringkampf, welche eine hohe Leistung und Ästhetik des Physischen zugleich
beanspruchten. Die Körper der Sportler stellten die perfekten Ebenbilder Gottes dar und dienten als Modell für die Malerei und Skulptur. Die
idealisierte Körperdarstellung der Antike mit anatomischer Genauigkeit
prägte die europäische Kunst.
In Ostasien gab es seit frühen Zeiten vergleichbare Arten der körperlichen Übungen, in denen Körper und Geist in ihrer Wechselwirkung
trainiert werden sollten. Der chinesische, daoistische Philosoph Zhuangzi (370–287 v. Chr.), der die japanische Geisteswelt stark beeinflusste, empfiehlt, Leib und Seele zu vergessen, um besondere körperliche
Leistungen zu erzielen. Ein guter Schwimmer zum Beispiel denke nicht
an das Wasser bzw. nicht daran, dass sein Körper sich im Wasser befinde. Oder man solle sich in einen Zustand wie dem des Betrunkenseins
hinein versetzen und sich dadurch selbst vergessen, um so etwa körper6Zu den panhellenischen Spielen schreibt Swaddling (2004: 14–15): »Die Olympischen
Spiele waren die ältesten der vier panhellenischen oder nationalen Sportfeste, die den
periodos (›Umlauf‹) bildeten. Die anderen drei waren die Pythischen Spiele in Delphi, die
Isthmischen Spiele in Korinth und die Spiele in Nemea.« In Griechenland bestimmte der
Mondkalender das Datum der Spiele (Swaddling 2004: 16): »Die Olympischen Spiele
fanden alle vier Jahre statt und richteten sich nach dem griechischen Kalender, der auf dem
Mondjahr beruhte. Das Fest wurde immer so gelegt, dass der Haupttag der Spiele auf den
zweiten oder dritten Vollmond nach der Sommersonnenwende fiel.« Dieser Mondkalender ist auch in Japan über Jahrhunderte der bestimmende und auch prägt auch heute noch
das Datum der Feste mit. (Coulmas 2000: 95–119)
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licher Gefahr zu entrinnen. (Yasuda 2014: 47–50, siehe auch Dschuang
Dsï 2004: 254, Buch XIX-4) Im hier gemeinten Prinzip der Selbstentleerung im Daoismus besteht eine Parallele zu Nishida. Zhuangzis
Denken beeinflusste die zen-buddhistische Lehre der Meditation, die
ihrerseits die japanische Kunst und die Philosophie prägte.
Dōgens (1200–1253) zen-buddhistische Lehre ähnelt der von Zhuangzi. Sein Konzept shinjin totsuraku (oder shinshin datsuraku, wörtlich
›das Abfallen von Leib und Seele‹) erzielt einen Zustand, durch Meditation Leib und Seele vollkommen zu verlassen. Dabei zieht er den Körper
dem Geist vor: Man solle einfach solange sitzen, bis man von seinem
Leib und seiner Seele erlöst werde. (Yuasa 1989: 117–118; Dōgen 2006:
38–39) Dōgens Haltung, zunächst die körperlich ausführbare Form
(kata) zu erlernen, um dadurch schließlich den Sinn der Meditation zu
begreifen, bildet eine Grundlage für zahlreiche Sportarten und performativen Künste Japans einschließlich der des Films.
Dōgen liefert ein Muster für die körperliche Übung, für die konkrete, praktische Anweisungen gegeben werden, für deren Vervollkommnung aber eine mentale Erlösung notwendig ist. Als ein Beispiel kann
man den Tee-Weg (sadō) nehmen. In den theoretischen Schriften zur
Teezeremonie wie Nanbōroku (um 1593) von (vermutlich) Sōkei Nanbō
(Hg. Hisamatsu 1977) werden lediglich die Gegenstände wie Utensilien,
Architektur, Teesorten, Speisen sachlich beschrieben, oder der Sinn des
Teekochens in einer hoch geistigen Art und Weise erläutert. Wenn man
aber den Tee-Weg praktiziert, erlebt man diese elegante Hofkultur wie
einen Kampf mit dem eigenen Körper. Man übt unendlich, wie man die
Tür öffnet, sich verbeugt, geht, sitzt, Tücher faltet und wieder entfaltet,
die Tasse aufhebt und Tee schlürft usw, bis diese Bewegungsfolge einen
automatisierten, harmonischen Fluss bildet. Wie Hiroshi Teshigahara,
der einen Film über den Teemeister Rikyū (1989) drehte, sagt, ist die
Teezeremonie, in der vielfältige Handlungen mit den Gegenständen,
Körpern und Räumen stattfinden, ästhetisch gesehen nichts anderes
als ein Film. (Teshigahara 1991: 55ff.) Die Körperlichkeit im Tee-Weg
findet ihren Widerhall in den japanischen Filmen mit einer intensiven
Stilisierung, die die Alltagsgestik reflektiert. Sowohl das Schauspiel als
auch elementare Filmtechniken, wie die Kameraführung, der Schnitt,
die Produktion, die Animation usf., welche besondere handwerkliche
Beherrschung zur Vervollkommnung eines Stils erfordern, erinnern
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Kayo Adachi-Rabe und Andreas Becker
an die kata-Übungen, bei der eine Form einstudiert wird, bis sie entschwindet.
Gorin no sho (Das Buch der fünf Ringe, 1643–1645; Miyamoto
2007) von Musashi Miyamoto (1584–1645) veranschaulicht äußerst
analytisch und detailliert die Technik des Schwertkampfs, wie man das
Schwert hält, dem Gegner gegenüber steht, fortschreitet und angreift,
vom einfachsten bis zum höchsten Niveau. Dabei beschreibt er das bei
den Kämpfern auftretende schwankende Gleichgewicht von Körper und
Seele in einer sehr anschaulichen Art und Weise. Auch die sinnlichen
Empfindungen wie Geschwindigkeit bzw. Langsamkeit wie den Zeitlupen-Effekt, der bei den fortgeschrittenen Schwertkämpfern erlebt wird,
werden wie die ekstatische Erfahrung bei Zhuangzi und Dōgen dargestellt. Schließlich definiert er das Ziel der Übung des Schwertkampfs
dadurch, einen Zustand der Leere zu erreichen, worauf auch Zhuangzi,
Dōgen und Nishida gleichsam hinweisen. Miyamotos physische Ästhetik und metaphysische Konzeption bieten eine Reihe von hervorragenden Veranschaulichungen zum jidaigeki und auch zu den Filmen
mit Gewaltdarstellungen.
Das Dispositiv des Films kann aus zen-buddhistischer Sicht sehr
leicht zur Metapher werden, indem die weiße Leinwand als leere Fläche
verstanden wird. Diese Leere im Bildraum erscheint so als eine eigene
Qualität. Hiroshi Sugimoto hat dies in der Serie Theaters durch Langzeitbelichtungen von Kinosälen ganz anschaulich gemacht. (Sugimoto/
Matsumoto 2007: 76–107) Auch Shunryū Suzuki greift diese Metapher
auf, indem er das Alltagsleben mit einem Kinobesuch vergleicht und die
Leinwand als Verbindung desselben versteht: »Our everyday life is like
a movie playing on the wide screen. Most people are interested in the
picture on the screen without realizing there is a screen. [...] But when
you are practicing [Zen], you realize that your mind is like a screen.«
(Suzuki 2003: 50, siehe dazu auch Becker 2014)
Einleitung21
Komödie, Tragödie und Satyrspiel und mögliche
Analogien zum Nô-Spiel und Kyôgen
Wenn auch das Nō-Theater keine Katharsis des Zuschauers anstrebt,
kein Publikumstheater ist und die Handlung nicht tragisch angelegt
ist, so sind doch strukturelle Ähnlichkeiten zu Theaterformen der griechischen Antike unabweisbar. Da ist zum einen der Bezug zum Glauben
und zum (Götter-)Fest, in Griechenland den Dionysien, in Japan zu
den Tempelfesten. (Kindermann 1966: 26–28) Beide Ereignisse finden
unter freiem Himmel statt, an sakralen Orten. An der Architektur der
Nō-Bühne, die an die eines shintōistischen Schreins erinnert, lässt sich
dies ganz offensichtlich auch innerhalb der Theater am Dach, den drei
die Bühne säumenden Kiefern und dem Bühnenaufbau noch erkennen.
(Ōhashi 1994: 23–24) Zu besonderen Anlässen öffnen in Japan bestimmte Schreine auch heute noch ihre Areale für das Nō und Kyōgen,
»die schönsten Darbietungen finden noch immer in Tempeln während
des Gottesdienstes statt, so im Meiji-Jingu von Tōkyō, im Kasuga Taisha
von Nara, im Nishi Honganji von Kyōto, in Sasayama oder im ShintōTempel der Insel Miyashima, um nur einige Beispiele unter den berühmtesten Aufführungen zu nennen«, wie Denis Gontard (1987: 27)
schreibt. Der kosmische Bezug des Amphi-Theaters wird schon durch
dessen räumliche Ausrichtung und durch die Wahl des Ortes offensichtlich, dargestellt wird auch im Spiel der Zusammenhang von »Göttermacht und menschlicher Konstellation« (Kindermann 1966: 39). Beide
Bühnentypen haben als Freilichttheater keinen Vorhang, »Nō in der
Landschaft ist mehr noch als sonst ein Theater der fünf Sinne. Im Freien
kann es sogar die Natur sein, die das Nō definiert [...]«, schreibt Helene
Varopoulou (2009: 159).7 In beiden Theaterformen treten Schauspieler
maskiert auf, in beiden singt ein Chor, spielt eine Flöte.8 Hinzu kommt
das betont tänzerische Element und die Schauspielerorientierung beider
Theaterformen, auch die scharfe Trennung der Komödien- und Tragödien-Darstellern (Kindermann 1966: 49, 87) findet in der Trennung der
Kyōgen- und Nō-Schulen ihre Entsprechung. Zur Praxis der Tragödien7Zur Veranschaulichung des griechischen Theaters siehe auch Kindermann (1966: 16f.)
sowie Green/Handley (1999).
8Im Nō werden folgende Instrumente gespielt: »ōtsuzumi (large hand drum), kotsuzumi
(small hand drum), fue (flute), and taiko (large drum)« (Kodama 2000: 145). Dazu singt
oft der Nō-Chor (jiutai) (ebd. 2000: 137).
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Kayo Adachi-Rabe und Andreas Becker
aufführung schreibt Kindermann (1966: 49): »Monologisch-lyrische
Partien – man nannte sie ›Monodien‹ – wurden zu Flöten- oder Kitharabegleitung gesungen. Ebenfalls gesungen wurden Duette und Wechselgesänge zwischen einem Schauspieler und dem Chor (›Kommoi‹).« Die
Verwendung von Masken führt unweigerlich zu einer starken Typisierung und Typen-Charakterisierung der Rollen (Kindermann 1966: 53).
Wie Tom Grigull in seiner Studie Japanische Larven und Masken
(1966) zeigt, sind »Wechselwirkungen der alten Maskenkulturen Griechenlands und Roms mit asiatischen Masken nachweisbar« (Grigull
2013: 12). An anderer Stelle dieser Studie schreibt Grigull: »Der Polytheismus und das in ihm verwurzelte Larven-und Masken-Verständnis
ist eine gemeinsame Schnittmenge der antiken griechischen und römischen Kultur und der des alten und auch des modernen Japan.« (Grigull
2013: 2)9
Man müsste die Frage der körperlichen Verwandlung durch das Intonieren näher untersuchen, denn auch die Nō-Larve ist »›persona‹, die
Maske, durch die die Stimme der Hauptperson hindurchtönt« (Ōhashi 1999: 102). Das Aufsetzen der Maske bewirkt eine Verschiebung,
die Megumi Sakabe folgendermaßen fasst: »what sees itself, and also,
maybe, what sees itself as an other« (Sakabe 1999: 244).10 Hans-Thies
9Ob man dabei so weit gehen soll, die Ähnlichkeiten ontologisieren zu wollen, also diese
aus konkreten Wechselbeziehungen zwischen den Kulturen zu erklären, wie dies Ōyama
(1966: 90) macht, sei dahingestellt. Weil es an Quellen fehlt, bleibt dies notwendig spekulativ. Aber die ästhetischen Ähnlichkeiten an sich bleiben davon unberührt: »Ich gehe von
der Annahme aus, daß japanische Masken von hellenistischer Herkunft sind, weil erstens
japanische Masken den griechischen und römischen Komödienmasken sehr ähnlich sind,
zweitens viele japanische Masken lateinische Namen führen, drittens japanische Komödien, z.B. Nō-Possen, mit den griechischen und römischen Komödien und Schwänken
gemeinsame Stücke haben.« (Ōyama 1966: i) Wie Erika Fischer-Lichte am Beispiel der
jüngeren sehr erfolgreichen Aufführungen antiker Tragödien in Japan zeigt, wurden diese
»nach der Öffnung Japans zuerst zu Beginn des 20. Jahrhunderts ins Japanische übersetzt.«
(Fischer-Lichte 2009: 205) Zur Aufführung des Nō in Griechenland und den Wechselwirkungen durch den Nō-Schauspieler Hisao Kanze siehe ebd.: 206f.
10Kindermann erwähnt in seiner Theatergeschichte die Maskentypisierung des Pollux, der
in seinem Maskenkatalog »sechs Masken für Greise und reifere Männer, acht Masken
für Jünglinge, drei für Diener und elf für weibliche Personen« unterschied (Kindermann
1966: 57). Kodama (2000: 151) beschreibt für das Nō zwar insgesamt eine Vielfalt von
60 Masken, diese lassen sich jedoch, wie die griechischen Masken auch, in ganz ähnliche
Untertypen wie etwa Frauen, Männer, Greise (in den verschiedenen Lebensaltern) fassen.
Im Nō treten dann auch Dämonen, Monster, Götter, Hexen und Zauberer auf (siehe dazu
auch Perzyński 2005).
Einleitung23
Lehmanns Beschreibung der Körperlichkeit in der griechischen Tragödie scheint uns für die zukünftige Analyse ein möglicher Anknüpfungspunkt (Lehmann 1991: 41):
Zwischen der stummen Körperlichkeit und dem Bereich der Signifikation,
der Sprache, stellt die Stimme etwas wie ein Scharnier dar. Ihr Timbre, ihre
Bindung an die Physis färbt das Intelligible um und verweist in allem Bedeuten auf den möglichen Nicht-Sinn, das Schwinden der Sinnhaftigkeit
in der schieren Präsenz des Physischen, seiner Verfallenheit. Das intelligible
Register wird durchsetzt von der Realität des Körpers, der zwischen Lust
und Qual oszilliert, nicht zwischen logischer Bejahung und Verneinung.11
In der antiken Tragödie erhalten die Requisiten eine wichtige Bedeutung,
»Herakles trat nie ohne Keule, Hermes nie ohne Heroldstab, Athene nie
ohne Aigis, Poseidon nie ohne Dreizack auf. Die Bacchantinnen trugen
stets eine ›Nebris‹ (das Fell eines Hirschkalbes) und den Thyrsosstab.«
(Kindermann 1966: 59–60) Eine ähnlich wichtige Funktion haben die
Requisiten (tsukurimono) auch im Nō-Spiel, auch der Fächer und seine
Bewegung sind von zentraler Bedeutung.
Wie sich in Japan Nō-Spiele mit Kyōgen-Spielen abwechseln und
mehrere Tage dauern konnten (und können), so alterierten in Griechenland an verschiedenen Tagen Komödie mit Tragödie, abgeschlossen
wurden die Agone bekanntlich mit einem Satyrspiel.12 Egon Friedells
11Demgegenüber steht die moderne Form der dramatischen Tragödie, in der der Schauspieler keine Maske mehr trägt, Hans-Thies Lehmann hat dies folgendermaßen gefasst:
»Die Maske und das allgemein gehaltene Kostüm implizierten in der Antike das Nichterscheinen des konkreten lebendigen Spielerkörpers (anders als im Gymnasium). Sie ließen
den Spieler nicht als physische Individualität erscheinen, das Theaterspiel involvierte entsprechend das Publikum nicht über die Identifikation des einzelnen Zuschauers mit der
persönlich aufgefassten Heldengestalt, sondern über den dargestellten Vorgang [...]. Demgegenüber entsteht in der dramatischen Tragödie eine neue Funktion des Schauspielers,
der jetzt die Maske abwirft und als konkret sinnlicher, spielender, fechtender, trinkender,
tötender und sprechender Körper auf der Bühne erscheint. Das dramatische Theater eröffnet zugleich mit dieser neuen Dimension der Körperlichkeit eine tiefreichende Verschiebung des Blicksystems, nach dem Theater funktioniert. Denn eine neue Art und Weise
des Zuschauens entsteht diesem sichtbaren Körper und Antlitz des Schauspielers gegenüber.« (Lehmann 2013: 261)
12Zum Ablauf siehe Fritz Grafs Text Die kultischen Wurzeln des antiken Schauspiels (Graf
1998), Kindermann schreibt dazu: »vor dem Peloponnesischen Krieg gab man am ersten
Theater-Tag fünf Komödien und an den drei folgenden Tagen je eine Tetralogie, bestehend aus drei Tragödien und einem Satyrspiel. Während und nach dem Peloponnesischen
Krieg verringerte man die Zahl der Komödien auf drei und reduzierte auch die Zahl der
Theater-Tage auf drei.« (Kindermann 1966: 28) Allgemein zur Tragödie und Komödie
24
Kayo Adachi-Rabe und Andreas Becker
Beschreibung der griechischen Tragödie in seiner Kulturgeschichte Griechenlands gilt auch für das Nō-Spiel: »Was die perspektivische Kunst
eines Shakespeare und Ibsen in die Tiefenwirkung eines einzigen Bildes
zusammenfaßt, war hier auf zwei verschiedene Genres verteilt.« (Friedell
1949: 238) Auch die Form des Zwiegesprächs, die Friedell als ästhetisches
Merkmal ausmacht, ließe sich für das Nō-Spiel wie auch für das Kyōgen
nachweisen. (Friedell 1949: 239) Ebenso sind Ähnlichkeiten in der Darstellung der Figuren offensichtlich. »Die antiken Theaterfiguren haben
aber überhaupt kein Vorleben«, schreibt Friedell, »ebensowenig haben
sie eine Peripetie, sie können sich nicht wandeln und ›läutern‹« (Friedell
1949: 242), was »gezeigt wird, ist eine Katastrophe unter Masken, die von
Anfang an dasteht; es gibt kein Vorher und kein Nachhher« (Friedell
1949: 242). Diese A-Temporalität des Handlungsraums der Protagonisten ist auch ein irritierendes Kennzeichen der Nō-Spiele. Selbst die
Vermutung Friedells, die Bewegungen seien »offenbar auch in leidenschaftlichen Momenten stets getragen und hieratisch« gewesen und »wie
in Zeitlupe aufgenommen« (beide Zitate Friedell 1949: 236) ist ein ästhetisches Grundmerkmal dieser Form des japanischen Theaters.
Viele weitere Leitvorstellungen ließen sich anführen, so etwa die
Schauspieltheorie Zeamis (ca. 1363–1443).
Zeami
Zeami liefert eine Theorie des Nō-Theaters, die die Körperlichkeit des
Schauspielers aus verschiedenen Perspektiven definiert. Prägend ist vor
allem seine Charakterisierung der Altersstufe des Schauspielers durch
eine Parallelstellung zur Blüte. Mit zwölf und dreizehn Jahren zum Beispiel entwickelt man noch keine wirkliche Blüte, sondern bloß eine
»Blüte der Zeit« (Zeami 1961: 33), nämlich das Junge und Frische seiner
Kunst. Wenn man ein wahrer Meister ist, bleibt die Blüte, auch wenn er
über 50 Jahre alt ist und auf der Bühne am besten so gut wie nichts mehr
siehe Aristoteles Poetik (Aristoteles 1994). Zum Nō-Programm schreibt Kodama: »In the
nō program (called bangumi) of the Edo period, it was standard to present a play in each
of the above five categories in the order given. It is now rare for five plays to be presented.
A program today generally consists of two or three nō plays along with one kyōgen piece.«
(Kodama 2000: 129)
Einleitung25
tun soll. (Zeami 1961: 37) Diese zeitlich orientierte Schauspieltheorie
eröffnet einen wichtigen Bezug zur Filmanalyse.
Zur Frauendarstellung gibt Zeami die Anweisung, dass man nicht
die Gestik der Frauen imitieren, sondern sich gänzlich auf die Essenz
der Weiblichkeit konzentrieren soll. Eine Methode dafür sei, die überflüssige Kraft aus dem Körper zu löschen, um das Gewicht auf die innere
Empfindung zu verlagern. (taishin shariki, Zeami 1974: 126, siehe auch
Kanze 2001: 94) Zeami empfiehlt, dass man den Geist hundertprozentig, aber den Körper nur zu siebzig Prozent betätigen soll (dōjūbunshin,
dōshichibunshin). In der Differenz der Kräfte der beiden Dimensionen
besteht eine Tiefenwirkung des Schauspiels und des Tanzes. (Zeami
1974: 84, 85) Die Reduktion des körperlichen Ausdrucks ist ein Kennzeichen für eine charakteristische Stilrichtung der japanischen Filme.
Eine weitere, zentrale Lehre Zeamis besteht darin, dass der Schauspieler sich selbst aus einer Entfernung heraus betrachten soll. (riken
no ken, Zeami 1974: 88) Er soll versuchen, sich selbst zu verlassen und
sich mit dem Blick des Zuschauers zu identifizieren, sodass er auch die
für ihn nicht sichtbaren Seiten seines Körpers auffasst, und eine harmonische, elegante Gestalt als Ganzes realisiert. Die Distanzierung vom
handelnden Körper ist ein markanter Drehstil bei Yasujirō Ozu und
Akira Kurosawa, die vom Nō und Kabuki stark beeinflusst wurden.
Der zeitgenössische Theaterkritiker Tamotsu Watanabe definiert
das gemeinsame Prinzip der japanischen performativen Kunst vom
Nō-Theater bis zum Butō-Tanz dadurch, dass beide einen illusionären
Körper erzeugten. Durch die höchste Stilisierung wird die Bewegung
eines Nō-Schauspielers in eine imaginäre Schönheit transformiert. Sein
illusionärer Körper verbreitet dessen Wirkung aus ihm hinaus zum
Publikum, sodass dieses in eine vielfältige imaginäre Sinneswelt eingeführt wird. Dies wirke, wie Watanabe seinen Eindruck beschreibt, als
ob der Umriss des Körpers eines Tänzers schmelzen würde, um sich in
die Umgebung aufzulösen. (Watanabe 2014: 196ff.) Diese Vorstellung
stimmt wiederum mit den Visionen des entleerten Subjekts bei Zhuangzi, Dōgen und Nishida überein.
Das Nō-Theater ist eine Kunstform, die eine magische Transformation zwischen den Geschlechtern sowie zwischen den Lebenden und
Toten verwirklicht. Das Konzept eines imaginären Körpers setzt sich in
den zeitgenössischen Filmen fort, in denen der Körper sich freizügig
26
Kayo Adachi-Rabe und Andreas Becker
verwandelt, neu definiert und expandiert, um uns das Leiden und die
Sinnesfreude vital zu vermitteln.13
Mono no aware und splanchnizomai. Japanische und europäische
Formen der Affektion
Der japanische Philologe Norinaga Motoori (1730–1801) definiert im
18. Jahrhundert das Essenzielle der ästhetischen Empfindung in der
japanischen Literatur als mono no aware, als das ›Herzzerreißende der
Dinge‹. Gemeint ist damit eine kontemplative emotionale Situation, in
der man die Vergänglichkeit der Dinge spürt und diese als solche mit
einem Gefühl der Melancholie akzeptiert. Motoori sieht den Ursprung
des Wortes aware, das Herzzerreißende, im wortlosen Seufzer. Das unaussprechbare Gefühl der Menschen zu den Dingen, gegenüber denen
er machtlos ist, wird also als Atem ausgedrückt. (Yasuda 2014: 203ff.;
Motoori 1937: 490) Man kann das Atmen auch als eine in der japanischen Kunst zentrale körperliche Tätigkeit verstehen, in der wiederum
ein Einfluss des Daoismus zu finden ist.
Der Nō-Schauspieler Noboru Yasuda findet eine Entsprechung für
das aware im griechischen Wort splanchnizomai. (Yasuda 2014: 190ff.)
Dieses bedeutet das tiefste Mitleid, das das innere Organ erschüttert,
und wurde in der Bibel verwendet, um das Gemüt Jesu vor dem leidenden Menschen auszudrücken. Damit weist Yasuda auf den Unterschied
zwischen der körperlichen Empfindung eines Gefühls bei den Europäern und den Asiaten hin. Bei ersteren ereigne sich dieses im Leib des
Fühlenden und bei letzteren trete es aus dem Leib hinaus in die Umwelt
heraus und verschmelze mit dieser. Hier sieht man wieder die Entsprechung mit Nishidas Denkmodell des entschwundenen Subjekts. Das
Leid und das Mitleid eines Menschen soll nicht als Schmerz, sondern als
Atmen ausgedrückt werden, das ihn mit der Welt vereint.
Yasudas These verbindet sich mit einem gänzlich anderen Aspekt zum
Schmerz. Inazō Nitobe (1862–1933) versucht in seiner Schrift Bushidō
das seppuku als einen ehrenhaften Akt mit einer »anatomischen Überzeugung« zu rechtfertigen. Dabei definiert er den Unterleib als Teil des
13Wie auch in den anderen Theaterformen spielen männliche Darsteller weibliche Figuren
(onnagata), insofern findet hier eine Theatralisierung des Leiblichen statt. Siehe dazu wie
dem Aspekt des Androgynen auch Robertson (1992).
Einleitung27
menschlichen Körpers, in dem die Seele wohnt. Er geht davon aus, dass
diese Empfindung auch in der Bibel festgelegt ist. Bei Moses beispielsweise sehnen sich die Eingeweide Josephs ›nach seinem Bruder‹. David
fleht darum, der Herr möge seine Eingeweide nicht vergessen. (Nitobe
2006: 94) Scheinbar meint Nitobe hier auch den Begriff splanchnizomai.
Nachfolgend beschreibt er einige ›vorbildliche‹, brutale Szenen des harakiri im Detail, in denen der jenige, der seinen eigenen Leib aufschlitzt
und anschließend enthauptet wird, seine Schmerzen kaum zum Ausdruck bringt.
Diese Basisnarrative setzen sich dann in den Künsten, auch den
modernen, mehr oder minder explizit fort. Die heutigen transnationalen Filmproduktionen lassen diese kulturellen Imaginationsformen
keineswegs verschwinden, sondern stellen sie in einen vielschichtigen
Interferenzraum kultureller Vorstellungsmuster, die eine Reflexion umso
notwendiger werden lassen.
Schmerz, Tod und Vanitas in der Antike, im Christentum
und im Buddhismus
Interessanterweise weist die Seelenlehre Platons, wie sie etwa im Phaidon
entwickelt wird, eine große Nähe zur buddhistischen Vorstellung auf.
In dem berühmten Dialog, der die Vollstreckung von Sokrates Todesurteil durch Trinken des Schierlingsbechers beschreibt, wird ausgiebig
über die Frage, welche Stellung die Seele gegenüber dem Körper habe,
gesprochen. Der Tod wird als »Lösung und Trennung der Seele von dem
Leib« (Platon 1959: 37/67d) verstanden. Damit beginnt die Wanderung
der Seele durch die Unterwelt, bei Platon sicherlich eher als individuelle
Reinkarnation denn als Wiedergeburt gedacht. (Platon 1959: 55/72e
f.) Die Seelen derer, die schlecht handelten, irren an solchen Orten hinund her, »indem sie für das frühere Leben Buße zahlen, weil es ja schlecht
gewesen ist« (Platon 1959: 89/81e). In dem Dialog findet sich auch eine
ausführliche Topik der Unterwelt und eine Diskussion der Frage, welche
Seelenläufe es gibt und wo sich die Seelen aufhalten: »es werden alle
Menschen nach dem Tod, nachdem ja schon im Leben ein jeder einem
Daimon zugeteilt gewesen ist, von ihm zu einem Platz geführt, ihr wißt
28
Kayo Adachi-Rabe und Andreas Becker
davon, wo die Versammelten sich dem Gerichte unterwerfen. Und dann
beginnt der Weg zum Hades.« (Platon 1959: 171/107d)14
Diese Vorstellung ist nahe bei der buddhistischen Höllenvorstellung
(jigoku) und der des karma und sie ließe sich ganz konkret in der Handlung von Nō-Spielen wie auch von Spielfilmen finden.
Das körperliche Leiden wird im Christentum durch die Passion
Christi eingehend dargestellt. Auch dem Buddhismus liegt das Bild
Buddhas als körperlich und seelisch leidendem, asketischem Mönch zugrunde und liefert grauenvollere Bilder der Hölle und Orte der Folter
für Sündige als bei Dante. Zugleich findet die metaphysische buddhistische Lehre der Vergänglichkeit eine weite Verbreitung und tiefe Verwurzelung in Japan. Das resignierende Seufzen und das mitführende
Verschmelzen des empfindenden Subjekts mit der Objektwelt herrscht
zumindest in der offiziellen schönen Kunst und Literatur vor. Die
buddhistische Vorstellung der Vergänglichkeit, dass alles Seiende und
Formbildende unwiderrufbar vergehe, lässt sich als ein Basiskonzept
der Subjektlosigkeit in der japanischen performativen Kunst verstehen.
Japanische Filme thematisieren grundsätzlich und sehr oft die Themen
Mitfühlen, Schmerz, Leiden und Sterben in den verschiedensten Formen. Deren konkrete ästhetische Umsetzung ist ein Hauptgegenstand
unseres Bandes.
Darstellungen von Sexualität im antiken Griechenland und Japan
Vergleicht man die Darstellungen von Sexualität auf Schalen im antiken
Griechenland mit dem Farbholzschnitt (ukiyo-e) in Japan, so fällt auf,
dass beide Kunstformen die Körper flächig und schematisch-typisiert
zeigen und für den heutigen Betrachter anstößige Szenen höchst filigran und kunstvoll inszenieren.15 Allgemein wird behauptet, dass mit Se14Im Neoplatonismus wird dieses Konzept Platons, etwa in den Chaldaeischen Orakeln,
noch ausgearbeitet. Wie Helmut Seng ausarbeitet, finden sich dann bei Marcobius und
Synesios differenzierte Vorstellungen einer kosmologischen Einordnung der Seelenwanderung, eines ›seelischen Pneumas‹ (Seng 2006: 127) sowie die Idee, der Leib als die Bekleidung der Seele (Seng 2006: 129).
15Nun gibt es auch in der christlichen Kultur Darstellungen von Sexualität, aber der Unterschied der antiken und der frühen japanischen Darstellungen ist, dass diese in der Antike
öffentlich ausgestellt wurden und man diese Darstellungen offensichtlich nicht tabuisierte
oder sich für diese schämte, man denke hier auch etwa an die Phallos-Umzüge (Aristoteles
Einleitung29
xualität und ihrer Darstellung im vormodernen Japan viel freizügiger als
in den westlichen Ländern umgegangen wurde. So wie die griechische
enthält die japanische Mythologie, die im Kojiki (Aufzeichnung alter
Geschehnisse, aus dem Jahr 712) aufgezeichnet wurde, explizite sexuelle
Handlungen zwischen den Göttern. Die körperliche Vereinigung der
Geschlechter ist mit naiver Offenheit und Direktheit beschrieben. Der
Liebesakt verbindet sich mit der Schaffung eines Landes und mit der
Fruchtbarkeit der Erde, »die ganze verschlungene japanische Kosmogonie ist von Sexualität geprägt.« (Unbek. 1969: 8)
In der samurai-Kultur gab es offensichtlich immer eine Art Harem
(ōoku) und eine homosexuelle Kultur. Der ukiyo-e widerspiegelt die
Freizügigkeit der Gesellschaft und die Reife der Kunst der Erotik der
Edo-Zeit. Erst in der politischen Reform der Meiji-Zeit, in der die Regierung versuchte, den westlichen Lebensstil einzuführen, kam breiten
Schichten der Bevölkerung zu Bewusstsein, dass die Nacktheit etwas Beschämendes sei. Das Verbot des gemeinsamen öffentlichen Badens von
Mann und Frau und die Einführung der westlichen Unterwäsche sollen
1994: 15). Zur Sexualität im antiken Griechenland siehe auch Richard Sennetts Studie
Fleisch und Stein (Sennett 1996: 60–65), zum Adonisfest der Frauen siehe ebd. 1996: 96–
101. Weiter heißt es über die Funktion der Nacktheit (ebd. 1996: 43): »Für die Athener
der Antike bestätigte die Selbstdarstellung die eigene Würde als Staatsbürger. Die athenische Demokratie legte großen Wert darauf, daß ihre Bürger anderen ihre Gedanken in
derselben Weise offenlegten wie die Männer ihre Körper entblößten.« Vgl. auch Michel
Foucaults Analysen des griechischen Umgangs mit Sexualität (Foucault 1986b: 48–123),
er fasst dies folgendermaßen zusammen (ebd. 1986b: 122): »Schematisch könnte man
sagen, daß die Moralreflexion der Antike über die Lüste nicht auf eine Kodifizierung der
Akte und nicht auf eine Hermeneutik des Subjekts abzielt, sondern auf eine Stilisierung
der Haltung und eine Ästhetik der Existenz.« Elke Hartmann diskutiert in ihrem Text
Hetären im klassischen Athen einige Beispiele: »Eine Kalpis aus Brüssel [...] zeigt zwei
Paare, die auf einer gemeinsamen Matratze am Boden lagern. Während der junge Mann
links im Bild der nackten Frau, die neben ihm niederkniet, in die Augen schaut und sich
anschickt, ihre Genitalien zu berühren, ist das zweite Paar bereits in heftiger Umarmung
begriffen und wird nur teilweise vom gemeinsamen Mantel bedeckt. Alle Personen sind
mit Namensbeischriften versehen.« (Hartmann 2000: 380) Hartmann fragt nach dem
Ursprung dieser Darstellung: »Zwar wissen wir nicht, wie die erotischen Begegnungen
anlässlich der Symposien genau gestaltet wurden, doch wird von Personen, die vor aller
Augen sexuellen Verkehr praktizieren, in den literarischen Quellen stets abwertend gesprochen [...]. Denkbar wäre daher auch, dass die drastischen Bilder darauf verweisen, wie
leicht jemand unter dem Einfluss des Weines alle geltenden Grundsätze der Besonnenheit
und des Maßhaltens vergessen kann; sie erinnern den Trinkenden daran, dass auch in ihm
unberechenbare Kräfte schlummern, die nur allzu leicht freigesetzt werden können. Sie
warnen ihn davor, jedes schamhafte Verhalten zu vernachlässigen.« (ebd. 381–382)
30
Kayo Adachi-Rabe und Andreas Becker
unmittelbarer Anlass dafür gewesen sein. (Yasuda 2014: 16–21) Die
Kontrolle der Sexualität wurde seitdem viel strenger als in den westlichen Ländern. In der Kinoindustrie entstand einerseits eine reichhaltige
Kultur der sogenannten pink-movies, aber die offizielle Zensur ist andererseits heute noch nicht gänzlich aufgehoben. (Nornes 2014) Ōshima
Nagisa und Kōji Wakamatsu waren Autoren, die sich kompromisslos
mit dieser mentalen und physischen Unterdrückung auseinandersetzten. Auch Shōhei Imamura, Shūji Terayama, Shinya Tsukamoto und
Takashi Miike, die die Fleischlichkeit und Triebhaftigkeit des Menschen
konsequent thematisieren, beziehen sich auf die verlorene Sinnlichkeit
der früheren Kultur und problematisieren den obsessiven Umgang mit
dem Geschlecht bei Zeitgenossen.
Konkrete Alltagsphänomene alterner Körperlichkeit in
der japanischen Gesellschaft
Die Körperkonzepte der Alltagswelt färben, wie wir sahen, auch auf die
ästhetischen ab bzw. werden von diesen erst gebildet. Aus dem Sinngeflecht der Kultur heraus formen sich auch filmische Körperbilder, die
wir imaginativ nachvollziehen, indem wir schauen, die sich in unser
Körperkonzept selbst einschreiben und es formen, verstärken, verändern
und ergänzen.
Die japanische Gesellschaft weist auch soziologisch Eigenarten auf,
die sich in westlichen Gesellschaften nicht beobachten lassen. Man
braucht in Tōkyō nur mit dem Zug zu fahren und ist abends von Kurzschläfern umgeben, inemuri ist der japanische Begriff dafür (Steger
2007). Die Stille wird gepflegt, selbst in Flughafen-Korridoren, die
mit schallschluckenden Teppichen ausgelegt sind wie der in Haneda
(Tōkyō). Direkt in die Augen angeblickt wird sich nicht, Blicke werden
nicht erwidert wie im Westen. Der Alltagsraum als solcher wird nicht
vom Visuellen dominiert und als Blickraum aufgefasst, stattdessen ist
man ruhig, das Klingeln von Mobiltelephonen in U-Bahnen wird als
zu vermeidende Störung empfunden und ist sozial verpönt. Diese Umgangsformen finden nicht nur ästhetisch Widerhall, sie werden selbstverständlich auch als filmische Motivfelder thematisiert.
Einleitung31
Die Begrüßungsriten, der totale Rückzug in die Wohnung, hikikomori, der Tod durch Überarbeiten, karōshi, der seppukku, die ausbleibende Panik, selbst bei der Dreifach-Katastrophe 2011, dem TōhokuErdbeben, dem Tsunami und dem Fukushima-Super-GAU16. Das alles
sind vom Körper aus zu beschreibende Phänomene, die vielfach im Film
thematisch werden und die filmische Imaginationswelt in ihrer Struktur
prägen. Dabei verlaufen auch die Grenzen zwischen Imaginationswelt
und Alltagswelt anders als in westlichen Kulturen.
Corpus. Kulturelle Basisnarrative und Prämissen in
christlichen und christianisierten Kulturen
Die Besonderheiten der japanischen Körpervorstellung treten besonders deutlich durch Kontrastierung gegenüber der christlichen Lehre
und dem corpus Christi hervor. Die christliche Religion ist, anders als
Buddhismus und Shintōismus, eine Buchreligion. Damit ist bereits eine
Grundhaltung dem Körperlichen gegenüber gesetzt, die sich als Repräsentationsstruktur in mannigfachen Schattierungen findet. Der Leib
wird nicht als konkreter verstanden, sondern symbolisch aufgeladen,
was sich bereits im Kreuz darstellt, an dem Jesus Christus, der Erlöser,
starb, und das zum Symbol der Christenheit wurde. Die Idee der Trinität beruht ebenso ganz wesentlich auf der (sakralen) Repräsentierbarkeit
der Körpers. Zahlreiche Rituale, das Abendmahl (Eucharistie) und die
damit verbundene Transsubstantiationslehre, das Sakrament sind weitere Beispiele hierfür. Wie Josef Wohlmuth zeigt, ist der gesamte Kontext dieser Übertragung des Leibes Christi (etwa in der Hostie) als eine
»eucharistische Präsenz« (Wohlmuth 1975: 37) zu verstehen, was dann,
wie seine Ausführung nahelegen, diese in den Bereich des Ästhetischen
rückt (ebd.: 37):
16Zur Erdbebenkatastrophe, dem Tsunami und dem Atomunfall in Fukushima 2011 seien
hier nur exemplarisch Atsushi Funahashis als Langzeit-Filmprojekt angelegte Dokumentararbeiten Nuclear Nation. The Fukushima Refugees Story (Futaba kara tōku hanarete, 2012)
sowie Nuclear Nation II (Futaba kara toku hanarete dainibu, 2015), Sion Sonos Spielfilm
Land of Hope (Kibō no kuni, 2012), Kaoru Ikeyas Roots (Senzo ni naru, 2013) und Kō
Sakais und Ryūsuke Hamaguchis Voices from the Waves (Nami no koe, 2013) erwähnt.
32
Kayo Adachi-Rabe und Andreas Becker
Spricht man von der Gegenwart Christi in der Eucharistie, so darf man
nicht zuerst seine leibliche Anwesenheit unter den Zeichen denken, sondern
muß seine Anwesenheit in der Eucharistie feiernden Gemeinde vor Augen
haben. Schon ehe die Gestalten konsekriert sind, beginnt die Eucharistiefeier mit einer »praesentia realis«, d.h. einer wirklichen Gegenwart des Herrn
unter uns, einer Gegenwart, die sich dann in der Feier in den Zeichen des
Wortes und des Brotes intensiviert.
Wohlmuth spricht dann auch von einer »Zeichen-Verwandlung« (ebd.:
38) in der Konsekration, einer »Transfinalisation und Transsignifikation« (edb.: 38), also eines semiotischen Prozesses: »In Christi Auftrag
dürfen wir Brot und Wein transsubstantiieren zu dem Brot, das ewige
Gemeinschaft mit ihm und untereinander gibt, das Brot, das er selbst ist
als Speise zum ewigen Leben.« (ebd. 40)
Im Katholizismus bietet Maria neben Jesus Christus die Möglichkeit einer weiblichen Identifikationsfigur, die zugleich die Unerreichbarkeit symbolisiert. Peter Brown weist in Die Keuschheit der Engel auf eine
wichtige Funktion Marias hin: »Weil sie jede Beimischung vermieden
hatte, war Maria von Christus als Quelle seines eigenen Fleisches erwählt worden. In einer Wendung voller spätrömischer Bedeutung war
Maria eine aula pudoris, eine königliche Halle unversehrter Keuschheit.«
(Brown 1991: 361) Hier ist nicht der Ort, um die weiteren Ausprägungen und differierenden Formen von Körper- und Genderkonzepten
etwa im Katholizismus und Protestantismus näher zu beschreiben. Aber
dies wäre für das Verständnis auch der Filmkulturen wichtig, selbst dort,
wo diese Motive des Christentums nicht expliziert werden. Die religiöse
Vorstellungswelt strahlt in die des Films aus, sie bildet auch in modernen
Gesellschaften häufig die narrative und ästhetische Matrize des Films.
Bereits im Alten Testament ist eine distanzierte, moralisierende Haltung gegenüber dem eigenen wie auch dem fremden Leib inhärent.
Die Geschichte der Menschheit beginnt mit dem Sündenfall (1. Mose,
Kap. 2–3), die Entdeckung der Geschlechtlichkeit wird als Abkehr von
Gott verstanden, mitunter als vom Teufel veranlasst interpretiert (Pagels 1994: 83–85). Wie Michel Foucault detailliert für die westlichen
Gesellschaften gezeigt hat, bestimmen zahlreiche Machttechniken den
Umgang mit Sexualität, die Foucault auch als scientia sexualis beschreibt
Einleitung33
(Foucault 1986a: 67–94).17 In Japan habe sich demgegenüber, wie in
China, Indien, Rom und den arabischen Gesellschaften eine ars erotica
ausgebildet, jeweils mit anderen Formen der Weitergabe des Wissens
(»Lehrmeisterkunst«, ebd. 1986a: 75) und seiner Kontrolle. Inwiefern
hier Foucault selbst im Sinne eines exotischen Narrativs stehend argumentiert, müsste allerdings diskutiert werden.18 Dass gerade auch in
der Filmkultur die Sexualität der Anderen (meist japanischen) Kultur
immer wieder aufgegriffen wird, ist ein Faktum.19
Körperlichkeit ist auch für die Idee der Kirche bedeutend, der Gemeinde, womit auch eine Vorform der Öffentlichkeit beschrieben ist, in
der der Film selbstverständlich steht, da das Kino auch eine ›Gemeinde‹
um sich schart. Der Theologe Reinhold Bernhardt nimmt diese Frage
komparativ in den Blick (Bernhardt 2007: 160):
Die Rede von der Gemeinde als dem Leib Christi ist Ausdruck der sogenannten Christusmystik des Paulus, d.h. seiner Deutung des ChristSeins als In-Christus-Sein. Christus erscheint dabei als Kollektiv-Person,
als endzeitlicher Adam, der seine Anhänger in sich schliesst. Der geistliche
Leib des Christus praesens, der auch der eucharistische Leib Christi in der
Abendmahlsgemeinschaft ist, verleiblicht sich im sozialen Leib Christi in
der Kirche.
Reinholdt beschreibt verschiedene Auslegungsvarianten, u.a. die der kosmischen Christologie und der Auslegung Luthers, bei dem die »Heilige
17Über diese Ordnung in westlichen Gesellschaften heißt es weiter: »Polizei des Sexes: das
ist nicht das strikte Verbot, sondern die Notwendigkeit, den Sex durch nützliche und
öffentliche Diskurse zu regeln.« (Foucault 1986a: 37) Über den Westen, aus diesem heraus
sprechend, schreibt Foucault: »Wir haben zumindest eine neue Lust erfunden: die Lust an
der Wahrheit der Lust, die Lust, sie zu wissen, sie auszukleiden, sie zu enthüllen, sich vom
Blick faszinieren zu lassen, sie zu sagen, andere mit ihr zu fangen und zu fesseln, sie im
Verborgenen mitzuteilen, sie listig aufzuspüren; die spezifische Lust am wahren Diskurs
über die Lust.« (Foucault 1986a: 91)
18Auch Roland Barthes argumentiert hier ähnlich: »Der westliche Spielautomat unterhält
eine Symbolik der Penetration: Es geht darum, mit einem gut geführten ›Stoß‹ das Pinup-girl zu besitzen, das da lachend und erwartungsvoll auf der Rückentafel leuchtet. Im
Pachinko gibt es keinen Sex (in Japan – in dem Land, das ich Japan nenne – liegt die Sexualität im Sex und nicht anderswo; in den Vereinigten Staaten ist es umgekehrt: der Sex
ist überall, nur nicht in der Sexualität).« (Barthes 1981: 46)
19Umgekehrt neigen aber japanische Filmemacher nicht dazu, Europäer auf die gleiche Weise zur Projektionsfläche zu machen, imaginieren die europäische Kultur auch heute noch
sehr verhalten und kommen nur selten auf die Idee, Filmhandlungen in Europa spielen zu
lassen.
34
Kayo Adachi-Rabe und Andreas Becker
Schrift der geistliche Leib Christi« ist (Reinholdt 2007: 165), es heißt
weiter (Bernhardt 2007: 167):
Das Verständnis der Kirche als Leib Christi entscheidet sich auch daran,
ob mit »Leib Christi« der Leib des Gekreuzigten und Auferstandenen, der
noch die Wundmale an sich trägt, gemeint ist oder der kosmische Leib des
erhöhten, herrschenden Christus. Im ersten Fall wird sich die Kirche als
›ecclesia militans‹ verstehen, als Nachfolgegemeinschaft der Glaubenden,
die ihr Kreuz auf sich nehmen und dabei immer unter Anfechtung beten.
Im zweiten Fall kann sie sich zur ›ecclesia triumphans‹, zur Gemeinschaft
der Vollendeten im Reich Gottes, erklären und sich damit theologisch überhöhen.
Geraten Christen mit Heiden und der Regierung aneinander, so fliehen
sie nicht, sondern lassen diese Denkfigur der Kirche am eigenen Leib
vollziehen und werden zum Märtyrer. Im Märtyrertum schreibt sich der
Hass der nichtchristlichen Gegner in den christlichen Körper ein und
wird dann von der verbleibenden Gemeinde verehrt, wie Gillian Clark
detailliert gezeigt hat (Clark 103): »Christians insisted on remembering
and retelling how their fellow-Christians died like this, commemorating
the martyr’s ›birthday‹, natalicium, with the story of his or her arrest
and trial, imrisonment and death. These martyr-acts are another display
of violence. They relate the passio, the suffering, of the martyr, with the
precise detail of what happened to the martyr’s body.«
Diese Verachtung des Körpers kann es geben, weil die Seele ursprünglich rein ist und näher bei Gott als der Körper, wieder Yuasa:
»[...] the mind is directed toward God inside the soul, free of space and
body. The body indicates the principle of the flesh, carrying original sin
with it.« (ebd. 1987: 43) Timon Binder hat die Paradoxie, in der sich
eine solche Position bewegt, herausgearbeitet: »Einerseits kann durch
göttliches Eingreifen in den Körper vor den Folterungen geschützt werden, sodass diese entweder gar nicht stattfinden oder aber wirkungslos
bleiben, andererseits wird der Körper aber notwendigerweise gefoltert,
damit eine imitatio Christi erst möglich ist und das Martyrium erreicht
werden kann.« (Binder 2004: 82)
Einleitung35
Der medizinische Körper. Nosologisches Theater
Die christliche Weltvorstellung mit der Spaltung von Leib und Seele bildete bereits eine Voraussetzung für die moderne Medizin wie sie
im Westen entwickelt wurde und die heute in weiten Teilen der Welt
dominiert. René Descartes Meditationes, Julien Offray de La Mettries
L’homme machine von 1748 (dt. Der Mensch als Maschine) sind aber
nicht nur Beispiele für eine radikale Trennung des Körperlichen vom
Fühlenden und Denkenden, sie sind auch zugleich Formen, das Denken
ontologisch zuzuweisen, es zu wichten, so lautet bekanntlich der Titel
der zweiten Meditation Über die Natur des menschlichen Geistes: dass er
bekannter ist als der Körper (Descartes 2011: 69).20 Die Lokalisierung
der Krankheit im Körper, eine ›Errungenschaft‹ der modernen Medizin,
beruht auf ebenjener Trennung bzw. Sichtweise (Foucault 1973: 19f.),
die Klinik »ist kein Instrument zur Entdeckung einer noch unbekannten
Wahrheit, sondern eine bestimmte Methode der systematischen Präsentierung und Anordnung der schon erkannten Wahrheit. Sie ist so etwas
wie ein nosologisches Theater, dessen Schlüssel der Schüler nicht von
vornherein kennt.« (ebd.: 75)21
Wie Shingo Shimada in Grenzgänge – Fremdgänge zeigt, gab es schon
früh japanische Übersetzungen medizinischer Grundlagenwerke (Shimada 1994: 167) und im Zuge der Meiji-Reform systematisierte sich
der Transfer europäischen Denkens auch im Bereich der Medizin. Die
Auswirkung beschreibt er dann als Ersetzungsprozess einer metaphori20So heißt es bei La Mettrie: »Der Körper des Menschen ist eine Maschine, die ihre Triebfedern selbst spannt, ein lebendiger Inbegriff der ewigen Bewegung. Die zugeführte Nahrung sorgt dafür, daß sie in Gang bleibt.« (La Mettrie 1985: 26) Siehe zu Descartes auch
Foucaults Beschreibung in Die Geburt der Klinik: »Für Descartes und Malebranche war
das Sehen ein Wahrnehmen (und zwar bis in die konkretesten Erfahrungsformen hinein:
die Anatomie bei Descartes, mikroskopische Beobachtungen bei Malebranche); aber es
ging darum, die Wahrnehmung, ohne ihr den sinnlichen Körper zu nehmen, auf den
Vollzug des Geistes hin transparent zu machen [...]« (Foucault 1973: 11).
21Foucault schreibt dazu in Die Geburt der Klinik: »Hat die Krankheit ihre wesentlichen
Koordinaten auf dem Tableau, so findet sie ihre sinnliche Erscheinung im Körper. Hier
trifft sie auf einen Raum, dessen Konfiguration ganz anders ist: es ist ein Raum von Volumen und Massen.« (Foucault 1973: 26) Zur Verräumlichung siehe ebd.: 200. Mit diesem
Wandel der Sichtweise geht auch eine ›metaphysische‹ Veränderung der Auffassung des
Todes einher: »Weil der Tod in die medizinische Erfahrung epistemologisch integriert
worden ist, konnte sich die Krankheit von ihrem Status als Gegen-Natur befreien und sich
im lebenden Körper der Individuen verkörpern.« (ebd.: 207)
36
Kayo Adachi-Rabe und Andreas Becker
schen (d.h. lyrischen) Sprache durch eine metonymische (ebd. 1994: 175).
Damit also wurde der Bereich des Körpers qua definitionem aus dem
traditionellen Bereich des Gedichts herausgelöst in den Bereich der Anatomie überführt. Der Bereich der Geburt, der Körpererfahrung in den
Mädchenhäusern (musume yado) wie auch den Jungenhäusern (wakamono
yado bzw. wakaishi yado), des öffentlichen Gemeinschaftsbades wurde
durch diese ›Reformen‹ weitreichend verändert (ebd. 1994: 188f.): »Das
Christentum baute eine Ordnung der Moral auf einem dichotomischen
Prinzip auf, die das menschliche Leben zu umfassen begann. Von nun
an wurde der Körper im Gegensatz zum Geist, der die Höhe des ewigen Himmels aufzusteigen vermochte, wegen seiner Geschlechtlichkeit,
Erd- und Zeitgebundenheit mit einer negativen Konnotation besetzt.«
(ebd. 1994: 193)
Ästhetische Vorprägungen und Formen
kinematographischer Körperdarstellung
Die filmische Welt konstituiert sich durch Wahrnehmung einer optisch-akustischen Anordnung. Zwar ist die Anordnung standardisiert,
jedoch ist die je konkrete Filmimagination eine Spezifische. Sie hängt
vom Wissen, den Emotionen, den Erwartungen des Zuschauers ab, ist
aber auch kulturell bedingt. Es ist offensichtlich, dass es Bereiche der
filmischen Welt gibt, die sich nur dann konkretisieren, wenn auch ein
kulturelles Vorwissen, eine kulturelle Erwartung usf. diese mitprägt.
Kulturspezifische Zonen der kinematographischen Welt bleiben denen
vorenthalten, die die Sprache sprechen, die Bildkultur ›einwohnen‹ und
die deren Besonderheiten kennen. Es ist eine Aufgabe der Film- und
Medienwissenschaft, diese Bereiche auch denen zugänglich oder zumindest ahnbar und verständlich zu machen, die über kein eigenes Wissen
der jeweiligen Kultur verfügen. Untertitel und Synchronisation übersetzen die konkret-sprachlichen Aspekte und Dialoge, die kulturellen
Traditionen und bildkulturellen Eigenarten müssen in einem umfangreichen Translations- und Interpretationsprozess darstellbar gemacht
werden. Das war uns ein Anlass, über die konkrete ästhetische Bezugnahme eher kulturspezifische Phänomene in den Blick zu nehmen und
Einleitung37
so einen Beitrag dazu zu leisten, diese Themenfelder für die Film- und
Medienwissenschaft auszuarbeiten.
Die filmwissenschaftlichen Texte, an die wir hier anknüpfen, werden
von den Autoren selbst bzw. in den Beiträgen direkt besprochen, daher
begnügen wir uns in dieser Einleitung mit einem Verweis auf die für
unsere Diskussion besonders wichtigen Arbeiten von Vivian Sobchack
(1992), Steven Shaviro (1993), Sabine Nessel und Winfried Pauleit
(2008), Marcus Stiglegger und Ivo Ritzer (2013).
Vorstellung der Beiträge
Der Band unternimmt den Versuch, die Darstellung des Körpers und die
Introduktion somatischer Erfahrung in konkreten Analysen am Beispiel
des japanischen Films nachzuzeichnen. Die Beiträge stellen Ausarbeitungen der internationalen Tagung shintai/sōma. Körperinszenierungen
im japanischen Film/Presentation of Bodies in Japanese Films dar, die im
Juli 2013 an der Goethe-Universität am Institut für Theater-, Film- und
Medienwissenschaft stattfand. Der vorliegende Band ist zweisprachig,
drei der Beiträge sind in Englisch, die anderen in Deutsch abgefasst.
Wimal Dissanayake erschließt in seinem Aufsatz »Narrative, Spectacle and Disruption: the Discourse of the Body in Takeshi Kitano’s The
Blind Swordsman (2003)« anhand von zehn Thesen, wie sich in dem
berühmten Film Kitanos Körperdarstellung vollzieht. Dabei zeigt der
Autor, wie Kitanos Film einerseits Teil eines globalen Kinos mit globalen
Konventionen ist und wie doch andererseits Spezifika der Auffassung
des Leiblichen der japanischen Kultur dargestellt werden.
Felix Lenz folgt in seinem Beitrag »Somatische Dramaturgie – Bewältigung von Endlichkeit in Der Aal (1997) und Schwarzer Regen (1989)
von Shōhei Imamura« am Beispiel zweier Filme den kulturellen Mustern
sowie den vielschichtigen Handlungsdimensionen und sondiert diese
mit Hilfe einer von Jacques Lacans Theorie inspirierten Heuristik aus.
Mario Kumekawa interpretiert in »Das Leben des Gespensts: Godzilla und die japanischen Monsterfilme« die japanischen Film-Monster
Godzilla und Mothra und die japanischen Superhelden im Kontext des
Tōhoku-Erdbebens, also der Dreifach-Katastrophe des Erdbebens, Tsunamis und der Fukushima-Katastrophe von 2011. Dabei erweisen sich
38
Kayo Adachi-Rabe und Andreas Becker
die Trümmerszenen hier wie da als ›Urlandschaften‹ der Moderne, bei
der Fiktion und Realität ineinander stürzen.
Hyunseon Lee untersucht in »Martial-Body in Akira Kurosawas
frühen Filmen« das Verhältnis zwischen dem Männerideal und der Japanizität bei dem Meisterregisseur anhand seiner jūdō-Filme. Die Analyse
geht sowohl vom ›instrumentalen und expressiven Leib des Schauspielers‹ (Helmuth Plessner) als auch von der filmästhetischen Entfaltung
der Martial-Art durch die physischen und metaphysischen Konzepte
Kurosawas aus.
Andreas Becker analysiert in »Setsuko Haras Schauspiel in den
1950er Jahren. Eine komparative Analyse ihrer Darstellung bei Yasujirō
Ozu, Mikio Naruse und Akira Kurosawa« die körperliche Präsenz der
Leinwanddiva, um deren zentrierte Position sich der filmische Raum
konfiguriert. Durch ihre filmogene Physiognomie und verfeinerte Gestik changiert die legendäre Schauspielerin zwischen heterogenen Kulturen, Regiestilen und Zeiten.
Marcos P. Centeno Martín konzentriert sich in »Transcultural
Corporeity in Taiyōzoku Cinema. Some Notes on the Contradictions
of Japaneseness in the Economic Miracle« auf die Filme Takumi Furukawas und Kō Nakahiras. Insbesondere die transkulturellen Aspekte
der Körperinszenierung des ›Halbstarken-Films‹ der späten 1950er Jahre
kommen dabei in den Blick.
Florian Mundhenke legt in »Postmoderne Körpererfahrungen: Die
Rolle von Vampirmythos und Jugendselbstmorden in Shunji Iwais
Vampire (2011)« die internationale Innovation des Vampir-Films offen.
Dabei werden über den genrespezifischen Mythos der Unsterblichkeit
wie der Todessehnsucht soziologische und ästhetische Diskurse eröffnet.
Kentarō Kawashima nimmt in »Komik des passiven Körpers. Kōji
Yamamuras Animationsfilm Kafka – Ein Landarzt (2007)« den Film
zum Anlass, Franz Kafkas Geschichte neu, nämlich mit Joseph Vogl
unter dem Aspekt des Komischen zu lesen. Die passive Körperlichkeit,
Wiederholungen und Verdopplungen beschreiben das Slapstickhafte bei
Kafka wie in Yamamuras Umsetzung.
Marcus Stiglegger erörtert in »Krisenkörper. Shinya Tsukamotos
Kino zwischen Ritual, Tradition und Utopie« die dekonstruktive Stilästhetik des postmodernen Filmkünstlers in Hinblick auf seine Inszenierung des ›performativen, ekstatischen Körpers‹. Im Kontext der
Tradition des Cyborg-Genres wird die Physis in Tsukamotos Filmen als
Einleitung39
Verwirklichung der utopischen Vorstellung der in der Krise befindlichen
Existenz unserer Zeit analysiert.
Kayo Adachi-Rabe interpretiert in »Die Physis des Apparatus – Shūji
Terayamas Experimentalfilme im Kontext der Phänomenologie und des
Zen-Buddhismus« die multimedialen Arbeiten des Künstlers als Körper-Verortungen, die philosophische Körperkonzepte mit Hilfe der filmischen Imagination konkretisieren. Terayamas vielschichtige Arbeiten
sind in der Dichtkunst, der japanischen Kultur wie auch in der Moderne
gleichermaßen verwurzelt. Die von ihm erzeugten Schattenzonen des
Filmischen stellten eben jene Überlagerungen aus.
Simon Frisch schlägt in »Kire – die japanische Ästhetik des Schnitts
und der Film« vor, die Theorie des kire von Ryōsuke Ōhashi in die Filmtheorie zu übertragen. Das universale Prinzip des Schneidens fungiere
nicht nur als Basiskonzept in der Montage und der Mise en Scène, sondern auch in weiteren grundlegenden Elementen der Filmgestaltung.
Raúl Fortes Guerrero widmet sich in »Invisibility, Ghostliness, Unreality, and Emptiness. Avatars of the Body in Nō Theatre« der Körperdarstellung im Nō-Theater. Dabei zeigt sich, wie sehr durch kata,
Masken, Kostüme und die Klassifikation der Handlung Typisierungsordnungen die Körperdarstellung prägen.
Die japanischen Namen und Begriffe sind in Hepburn-Transkription angegeben.
Danksagung
Vielen Dank an die Stiftung zur Förderung der internationalen wissenschaftlichen Beziehungen der Goethe-Universität Frankfurt am Main
und Jürgen Bereiter-Hahn für die Unterstützung der Tagung wie der
Förderung der Publikation, dem nakama-Fonds der Goethe-Universität,
der Stadt Frankfurt für die finanzielle Unterstützung der Tagung, dem
Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft der Goethe-Universität. Unser weiterer persönlicher Dank gilt Nanaé Suzuki für das Coverphoto, Chizuko Komatsu für die Kalligraphie shintai, Stefan Zeidenitz,
der während der Tagung die Vorträge simultan in das Englische übersetzte und die englischsprachigen Texte lektorierte, David Clausmeier
für die Hilfe bei der Durchführung der Tagung wie auch beim Fertig-
40
Kayo Adachi-Rabe und Andreas Becker
stellen des Manuskripts, Andreas Kirchner und dem Büchner-Verlag für
die nette Zusammenarbeit.
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