„Volltrottel vom Lande“ Stärken = Schwächen Das Trio in 3D

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„Volltrottel vom Lande“ Stärken = Schwächen Das Trio in 3D
MUSIK interview
3 FRAGEN AN:
Schwarzwald Huzzlahzz
„Volltrottel vom Lande“
Ghetto trifft Schwarzwald – das ist das Credo
von Wurzlzapp und Erdöpfelmäng, dem
Rapperduo Schwarzwald Huzzlahzz aus
Ohlsbach. Ihr jüngstes Album „Cowntree
Pimpin“ preist den Schwarzwald mit Songs wie
„Cowntree tilla die“, „Badnaland Anthem“ und
„Fettberge vum Ländle“. chilli-Autorin Tanja
Bruckert hat sich mit Wurzlzapp über das
idyllische Landleben unterhalten.
chilli: In einem eurer neuen Songs heißt es:
„Ich werde steinalt im heißgeliebten Schwarzwald.“ Ist das ernst gemeint?
Wurzlzapp: ‘S Großstadtleben isch nigs für
mich. Ich hab ‘n paar Jahre in Freiburg
gewohnt, aber selbst da isch‘s mir zu stressig
und zu laut. Freiburg isch ‘ne schöne Stadt,
aber dort wohne – muss nit sein.
chilli: Also Bauern für immer?
Wurzlzapp: ‘S isch ja nich so, als ob wir
wirklich im Hühnerstall Partys feiern. Unser
„Volltrottel vom Lande“-Image isch natürlich
auch ewäng überspitzt. Ohlsbach is mit 3000
Lütt ja kein kleines Kuhdorf.
chilli: Was ist denn am Landleben so toll?
Wurzlzapp: Die Harmonie, die kauzige Lütt,
die Bauern und Dörfler – wir sind eine kleine,
eingeschweißte Familie. Wenn du die Straße
runtergoosch, choosch keine fünf Meter weit,
ohne in ein nettes Gespräch verwickelt zu
werde. Klar, manchmal nervt‘s auch. Wenn du
mal Scheiße bausch, weiß ‘s gleich ‘s ganze Dorf
oder ‘s steht an Fasnet im Narreblättle.
www.kingovkingz.de
67 CHILLI Oktober 2012
Xavas
Brockdorff Klang Labor
Gespaltene Persönlichkeit
Die Fälschung der Welt
Naidoo Records
ZickZack
Stärken = Schwächen
Das Trio in 3D
„Was wir alleine nicht schaffen, das
schaffen wir dann zusammen“, hat Xavier
Naidoo einmal im ihm eigenen Pathos
gesungen. Nicht, dass der Mannheimer
auf Solopfaden in der deutschen Musiklandschaft oder gemeinsam mit anderen
Söhnen seiner Stadt was künstlerische
Erfolge angeht schon so ziemlich alles
geschafft hätte, er hat nun mit Rapper
Kool Savas ein neues Erfolgskapitel unter
dem Namen Xavas aufgeschlagen.
Mit dem Song „Schau nicht mehr zurück“
traten sie für Baden-Württemberg bei
Stefan Raabs Bundesvision Song Contest
an, gewannen haushoch und stiegen anschließend auf Platz eins in die Albumcharts ein. Der Soulbarde Xavier und Rapkönig Savas haben für dieses Projekt ihre
musikalischen Stärken zusammengeworfen – die paradoxerweise zu den Schwächen des Projekts führen. Dabei gibt es
an ihrem gemeinsamen Wurf im Grunde
nichts zu mäkeln. Die Beats sind zwischen
knarzendem Rap und triefendem Soul
perfekt ausproduziert, Naidoo schmettert Refrains zwischen Pathos und Esoterik, und Savas rappt mit Energie und technischer Brillanz. Allein: Es ist alles sehr
erwartbar. Überraschungen gibt es keine. Ecken und Kanten finden sich ebensowenig, und wenn doch, dann stoßen
sich die beiden Künstler an ihnen, wenn
ganz am Ende ein versteckter Song über
okkulte Kindervergewaltigungen und
Ritualmorden auftaucht. Schwere Kost.
Daniel Weber
„Die Fälschung der Welt“ lautet der
bedeutungsschwere Titel dieses Albums
der Leipziger Electropopper Brockdorff
Klang Labor, die 2007 ihr Debütalbum
„Mädchenmusik“ herausbrachten und im
vergangenen Jahr mit „Festung Europa“
zu Kritikerlieblingen wurden. Der Song ist
einer von insgesamt zwölf Anspielstationen – dazu kommen noch zwei Remixe.
Auf dem Cover starrt das Trio im Kinosaal
sitzend in mehrfach geklonter Ausführung durch 3D-Brillen auf eine Leinwand.
Trio Brockdorff Klang Labor, das sind
Nadja von Brockdorff, Segej Klang und
Ekki Labor, betrachten eine Welt, die
ihnen wohl suspekt scheint – für den
Käufer ist das dank der im Paket enthaltenen 3D-Brille bestens zu erkennen.
Brockdorff Klang Labor machen melancholisch minimalistischen Electrosound
und wandeln in ihrer Lyrik zwischen Revoluzzertum und Lyrik auf der einen sowie Alltagsbeobachtung und Dadaismus
auf der anderen Seite. „Gib deinen Job
auf / Verlass das Land / Verschenk dein
Geld“, heißt es auf Sad-Eyed-Punk etwa.
„Schalt das Licht an / Escapism is over / Es
gibt keinen Ausgang / Du hast nur das
hier“, tönt es dagegen auf „Escapism is
Over“. Im Booklet werden Oscar Wilde,
Hunter S. Thompson, Michel Houellebecq und auch Kraftwerk zitiert. Musik
für die Tanzfläche oder auch für das Katerfrühstück am nächsten Morgen. Das kann
in dieser Welt nicht falsch sein.
Daniel Weber
Billy Talent
Scams
Dead Silence
Add and Subtract
Warner Music
Devilduck Records
Der Saunddreck
zum Senf
Fühlbare Moshpits
Luftig, leicht, Scams
Drei Jahre lang haben Billy Talent gebraucht, um ihr viertes Album „Dead Silence“ zu produzieren, aber das Warten
hat sich gelohnt, denn die vier Kanadier
legen ein bärenstarkes Album vor. Der
Zeitplan zur Veröffentlichung ihres ersten Albums nach der Trilogie I-III war eigentlich zügiger, doch der Schlagzeuger
Aaron Solowoniuk musste an der Herzklappe operiert werden, was er komplikationslos überstanden hat. Zurück zum
Album: Billy Talent geben 14 Songs, die
nicht zuletzt wegen ihrer genialen Einfachheit absolut mitreißend sind. Bei den
meisten kann man den Moshpit förmlich
fühlen und muss sich zusammenreißen,
um nicht gleich loszuhüpfen. Es gibt wohl
kaum eine andere Band, die so geschickt
Songs komponiert.
Aufgenommen wurden Teile des Albums
im bandeigenen Studio samt Proberaum,
das die Band als die beste Investition
ihrer bisherigen Karriere bezeichnet.
Produziert wurde dieses Mal nur von Ian
D‘sa, der sich auf „Billy Talent II“ noch
als Ko-Produzent einbrachte.
Gemischt hat das Album Chris Lord-Alge, und dass der ein absoluter Könner
ist, hat er auch hier wieder bewiesen.
Das Album klingt fett und das ohne viel
Tamtam. Keine heftig verzerrten Gitarren. Keine mächtige Bassdrum. Die
Scheibe klingt luftig, leicht und vor allem offen. Und schließlich kommt Ben
Kowalewiczs Stimme so auch richtig gut
zur Geltung.
eMBe
Die vier Jungs aus Leeds in Nordengland
kommen mit ihrem zweiten Album um
die Ecke. „Add and Subtract“ ist eine
konsequente Weiterentwicklung ihres
musikalischen Treibens, das in „Rewrite
Fiction“ seinen Anfang hatte. Das Album
hat zehn Songs, die intelligenten und
stets interessanten Indie-Rock zu bieten
haben. Die vielleicht stärksten sind „Pyramids“, das etwas langsamer ist, sowie
„Lifeboats“ (von beiden gibt es YoutubeVideos) und „Be A Gentlemen“, dem Album-Opener. Aber auch „Lucky Day“ und
„Compliments“ sind ausgesprochen starke Stücke. Durchaus interessant ist übrigens der Einsatz von Bläsern und Pauken
bei „Sound And Vision“.
„Scams“ überzeugen mit der Leichtigkeit
ihrer Kompositionen und schaffen es immer wieder, sich mit quirligen Melodien
in die Ohren des Zuhörers zu spielen. Dabei verzichten sie weitestgehend auf die
extrem verzerrten Gitarrensounds, die
auch im Indie-Bereich gerne aufgenommen werden, und sie distanzieren sich
vom typisch london‘schen Indie-Rock.
Herauszustellen ist die Produktion des
Albums: Es wurde auf drei Kontinenten
fertiggestellt und klingt ausgesprochen
luftig. Keine Instrumentenmassen, die die
Songs zukleistern. Jedes einzelne Instrument hat genügend Platz, sich zu entfalten
und so die eigenständigen Kompositionen
von den vier Engländern, Andy Morgan,
Jamie MacNeal, Josh Hart und Chris Burgess gebührend zu unterstützen. eMBe
Senf ist unser täglich Brot. Jeder hat vermeintlich genug davon und gibt deswegen zu allem
und jedem gerne und überreichlich seinen
Senf dazu.
Internetforen und Fernsehtalkshows sind voll
mit Senf von Leuten, die, gefragt und sehr
gerne auch ungefragt, jedem ihren Senf auf
die Stulle schmieren, scharf, mittelscharf, süß,
zum Kotzen!
Durchgeknallte Sektierer, selbsternannte
Meinungsmacher, blöde Whistleblower, eitle
Politikfatzkes, religiöse Fanatiker, gottlose
Dummschwätzer, Senf as Senf can. Nicht ganz
zu schweigen von vertontem Senf wie dem
„Senfsong“, dem „Senf und Schinkensong“
oder – last but not worst – dem „Ketchup
Cola Majo SENF-Song“, dem Lied über
„Nasensenf“, der dumpfpatriotischen Band
Senfheads aus, na, genau, Senftenberg.
Unserer Meinung nach kann es keine zwei
Meinungen hierzu geben. Weniger Meinung,
dafür aber mehr Haltung, wenn sie wissen,
was wir meinen.
Die Geschmackspolizei gibt auch gerne und
regelmäßig ihren amtlichen Senf dazu, was
aber alles seine Ordnung hat und mit der
senfproduzierenden Industrie natürlich in
keiner Weise abgesprochen ist. Auch nicht mit
Prof. Bernd Senf, der, vermutlich ganz gleich
ob gefragt oder ungefragt, seinen Senf-Senf
vornehmlich zum Thema Geld und Finanzen der Welt ans Würstchen klebt. Nomen
est schlechtes Omen. Ein guter Kalauer zur
rechten Zeit, gewürzt mit reichlich Haltung,
ist immer noch das beste Rezept und hilft
unserer Meinung nach fast immer gegen den
täglichen OverSenf.
In diesem Sinne, wohl bekomm‘s,
meint Ihre Geschmackspolizei
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Foto: © Sven Sindt