Wie ist das mit der Mundart?

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Wie ist das mit der Mundart?
Badische Heimat 63 (1983)
M u n d a rt
—
M undartlyrik
Wie ist das mit der Mundart?
K urt Bräutigam, Freiburg
„Jede Provinz liebt ihren D ialekt:
denn er ist doch eigentlich das
Element, in welchem die Seele
ihren A tem schöpft. “
Goethe,
Dichtung und W ahrheit II,
6. Buch
Es ist zu r Z eit „in“, sich m it M undart zu be­
schäftigen, m an könnte geradezu von einem
M undart-B oom sprechen. M undartdichter —
berufene und w eniger berufene — haben
K onjunktur, A nthologien w erden veröffent­
licht, Z eitungen bringen Beiträge in M und­
art, V ereine zu r Pflege des heim atlichen D ia­
lekts m it ihren Z eitschriften m achen von sich
reden. D abei kann m an ein deutliches SüdN ord-G efälle feststellen, denn der alem anni­
sche und schwäbische Sprachraum ist, neben
dem bairisch-oesterreichischen, besonders
aktiv. D och läßt in letzter Zeit auch der
nordbadische R aum m it rheinfränkischer
und ostfränkischer D ichtung m ehr und m ehr
von sich hören. Ü ber die G ründe zu einer
solchen M undartbew egung w urde vielfach
nachgedacht. Viele K om ponenten laufen zu ­
samm en. D a ist ein bißchen N ostalgie, wie
sie sich etw a auch in der V orliebe für A nti­
quitäten ausdrückt. D a ist w ohl auch eine
A rt von O pposition gegen die verw altete und
abgenutzte N orm ensprache (H ochdeutsch),
wie sie schon einm al in der L iteratur des N a ­
turalism us (H olz, Schlaf, H auptm ann) auf­
trat m it ausgiebiger V erw endung von M und­
art auf der Bühne. D iese „K ontrastsprache“,
w ie m an sie genannt hat, w ird gestützt aus
dem Bedürfnis nach entkram pfter, gelocker­
ter K onversation und K om m unikation ab­
seits von D uden und Siebs1). D as w äre also
auf der Ebene der L iteratur dasselbe, was w ir
M annem er1)m einen, w enn w ir sagen: Redde,
w ie ääm de Schnaw w l gewachse is. D abei
spielt die G ruppenbildung eine Rolle, das Be­
dürfnis, in einer angem essenen bergenden
und überschaubaren sozialen G em einschaft
zu stehen. D enn M undart ist, geographisch
und ethnisch gesehen, die Sprache einer
Landschaft, eines Stammes. Ihre Funktion
ist, wie die jeder Sprache, neben der reinen
K om m unikation eine soziale, näm lich die
E ingliederung des einzelnen in die gesell­
schaftliche G ruppe, aber auch die Selbstfin­
dung der Persönlichkeit durch sprachlichen
A ustausch. Isolation führt zu r Sprachlosig­
keit und dam it zum Identitätsverlust, zum
K aspar-H auser-Syndrom . A uch em otionale
Aspekte sind in E rw ägung gezogen w orden
für die H inw endung zu r M undart. Etw a die
A nhänglichkeit gegenüber der H eim at, ein
A rgum ent, das freilich in der V ergangenheit
durch ideologischen M ißbrauch („Blut und
B oden“, „T reue zu r Scholle“ u.ä.) arg in
V erruf geraten ist. Gleichw ohl sollte man
sich seiner Liebe zu r H eim at ebensow enig
schäm en wie seiner A nhänglichkeit an den
H eim atdialekt. V erzeichnet doch sogar der
neueste badisch-w ürttem bergische Lehrplan
für die siebte Realschulklasse „Liebe zu V olk
und H eim at“ als Erziehungsinhalt. Das
schließt doch w ohl auch die M undart ein.
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D abei ist freilich ein U nterschied zu m achen
zw ischen dem lebendigen G ebrauch der an­
gestam m ten M und art und ihrer akadem i­
schen, m anchm al schon fast m usealen Pflege.
W elchen Stellenw ert nim m t nun aber die ge­
nuine und noch rein und unverfälscht ge­
sprochene M und art ein in dem D reischritt
M und art — U m gangssprache — H ochspra­
che (Schriftsprache)?3) M undart ist zuerst
einm al gesprochene Sprache, gesprochen in
einer überschaubaren G ruppe von der Fam i­
lie bis zur Siedlungs- und R egionalgem ein­
schaft. M undart ist die älteste Sprachform ,
ein Stam m esidiom , das sich freilich nicht
m ehr m it den heutigen Stam m esgrenzen zu
decken braucht. Es gibt auch im M ittelalter
schon eine gewisse H ochsprache, eine D ich­
tersprache, die die V erbreitung einzelner
W erke förderte. A ber selbst die W erke unse­
rer m ittelalterlichen Klassiker zeigen Spuren
ihrer sprachlichen H erkunft. U nd die alt­
hochdeutschen literarischen Belege benennt
die W issenschaft gelegentlich nach ihrem
D ialekt, d. h. nach der erkennbaren Stam ­
m essprache, z.B. „Fränkisches G ebet“, „Bai­
rische Beichte“, oder aber m an setzt die
M und art in K lam m ern, wie „D as Ludw igs­
lied (rheinfränkisch)“. Ü brigens m öchten
m anche Forscher die L iteratursprache des
M ittelalters eher als U m gangssprache w er­
ten.4) D ie alten D ialekte haben sich nach der
V ölkerw anderung ungefähr in ihren heuti­
gen G ebieten festgesetzt, w obei im Laufe der
Geschichte viele historische Ereignisse, vor
allem w echselnde H errschafts- und Reli­
gionsverhältnisse eingew irkt haben. So fin­
den sich z.B. im ländlichen G ebiet von
M annheim nördlich und südlich des N eckars
verschiedene Lautform en gleicher W örter:
D er Fluß w ar einst G renze zw ischen den Bis­
tüm ern Speyer und W orm s. Im übrigen gibt
es keine scharfen M undartgrenzen, eher
G renzzonen, in denen sich E igenheiten der
benachbarten D ialekte überschneiden. N u r
der V ollständigkeit halber sei hier angedeu­
tet, daß trotz der oben erw ähnten m ittel­
hochdeutschen D ichtersprache über die D ia­
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lekte hinw eg die heutige Einheitssprache
(H ochsprache, Schriftsprache) sich erst spät
entw ickelt hat. Sie w urde w esentlich durch
M artin L uther m itgeprägt, der sich auf die
Sprache der M eißner K anzlei stützte und d a­
m it das m itteldeutsche Idiom durchsetzte ge­
genüber dem dam als konkurrierenden ober­
deutschen der kaiserlichen Kanzlei.
Viele A ufsätze und A bhandlungen — auch
diese hier — reden über die M undart. W er
aber spricht sie heute noch unverfälscht und
spontan als eigentliche „M uttersprache“ ? Es
sind E rhebungen gem acht w orden über den
A nteil an M undartsprechern in den verschie­
denen V olksschichten5). D er Anteil derer,
die sich bei der U m frage als M undartspre­
cher verstanden, geht selbst bei älteren Leu­
ten und bei A rbeitern kaum über 60% hin­
aus, lediglich die landw irtschaftlichen Berufe
sind m it 83% angegeben. Entsprechend sind
D ö rfer m it 76% und Klein- und M ittelstädte
m it rund 60% vertreten. D a diese E rhebung
aber schon 1966 durchgeführt w urde, ist an­
zunehm en, daß sich die Zahlen seitdem zu ­
ungunsten der M undart verändert haben.
Ü brigens zeigt die Tabelle auch das schon
erw ähnte S üd-N ord-G efälle: Bayern nennt
71, R hein-M ain/S üdw est (was ist w ohl dar­
unter zu verstehen?) 67 und „der N orden"
46 P rozent Einw ohner, die einen D ialekt
sprechen können. D abei ist nicht sicher, ob
die Befragten auch w irklich ihre M undart
gebrauchen. Ich habe bei eigenen U ntersu­
chungen in M annheim festgestellt, daß m an­
cher angibt, M undart zu sprechen, der in
W irklichkeit die U m gangssprache benützt.
Gew iß, m an hört einem Sachsen, einem Bay­
ern, einem Schwaben oder einem Pfälzer
seine H erk unft an, selbst w enn er hoch­
deutsch spricht (oder zu sprechen meint).
K langfärbung, M elodie und Sprechdynam ik
sind unverkennbar, dazu fallen im m er w ieder
mal einige typische idiom atische W endu n­
gen. In jedem Falle sind diese sogenannten
„konstitutiven F aktoren“, also die innere
Form , beständiger als der W ortschatz, der
sich — wie in jeder Sprache — natürlich auch
in den D ialekten von G eneration zu G enera­
tion verändert. Eine international vereinbarte
Lautschrift erlaubt es, den W ortschatz laut­
lich annähernd im D ruck festzulegen. So
w erden die Lexeme (W ortschatzeinheiten) in
zahlreichen großen und auch kleineren
M undart-W örterbüchern festgehalten, und
ihr V erbreitungsgebiet w ird in Sprachatlan­
ten aufgezeichnet.6) A ber erst der Einsatz des
T onbandgeräts m acht es in unseren T agen
m öglich, die lebendige M undart auch in ih­
rer L autung festzuhalten. So entstehen zu ­
verlässige M undartarchive, die der F or­
schung authentisches M aterial an die H and
geben.
D azu w ar es aber auch höchste Z eit, denn
die unverfälschte M und art schw indet von
G eneration zu G eneration. D as zeigt sich in
den w irtschaftlichen und industriellen Bal­
lungszentren — für Baden sei der R aum
M annheim -L udw igshafen genannt — deutli­
cher als auf dem „flachen L and“, und von
diesen Z entren gehen sogar nivellierende
Einflüsse auf das U m land aus. D ie enorm e
Fluktuation, der Z ustrom von A rbeitneh­
m ern in die Städte, bringt das m it sich.
Glücklicherw eise hat das U m land aber noch
größeren B eharrungsw illen und hält eher an
seiner M undart fest als die Städte. D ie U m ­
w andlung der Sozialstruktur seit dem vori­
gen Jahrhundert, die vielzitierte M obilität,
die Freizügigkeit des Bürgers sind w esentli­
che G ründe für die A ufw eichung der M und­
art. B innenw anderungen gab es natürlich
auch früher schon, z. B. die der H andw erks­
burschen, ebenso G ruppenw anderungen
durch Kriegsw irren. Es ist aber anzunehm en,
daß dam als die Z ugew anderten sich voll der
neuen U m gebung und ihrer M und art ange­
paßt haben.7) D as trifft w ohl auch noch auf
die W anderbew egungen am E nde des letzten
Jahrhunderts (etw a von den O stgebieten in
den K ohlenpott) zu, die sich heute fast nur
noch in den Fam iliennam en verrät. E rst die
brutale U m siedlung im zw eiten W eltkrieg
und die M assenvertreibung von etw a zw ölf
M illionen D eutschen aus den O stgebieten
nach dem K rieg haben die M und artland­
schaft entscheidend verändert. N icht so sehr
dadurch, daß die H eim atvertriebenen in ih­
rer neuen U m gebung ihre Sprache form end
hätten einfließen lassen (einzelne W örter
w urden im m erhin beigesteuert); aber ihre
geographische und ethnische E ntw urzelung
brachte auch den V erlust der eigentlichen
„M uttersprache“, des H eim atdialekts mit
sich. Spätestens in der jetzt heranw achsenden dritten G eneration ist die Bindung an die
alte H eim at sam t ihrer M und art verlorenge­
gangen. D ie V erteilung der Flüchtlings­
ström e über das ganze Bundesgebiet hinw eg
spaltete zudem die großen G ruppen in
K leinstgruppen, w inzige Inseln in frem der
U m gebung.
A nders w ar das übrigens bei den M assen­
w anderungen früherer Zeiten, als politisch
oder religiös unterdrückte G roßgruppen ausw anderten, etw a nach A m erika oder auf den
Balkan. Sie blieben zusam m en und bew ahr­
ten so ihre M uttersprache als wertvollstes
K ulturgut. D er Sprachforscher findet in je­
nen deutschen Sprachinseln einen Stand der
M undart an, der bei uns längst verschw un­
den ist. N u r M undart, die durch äußere Ein­
flüsse nicht m ehr rein und unverfälscht ge­
sprochen w ird, ist zum Absterben verurteilt:
D ie N eubürger unserer T age gerieten in den
andersartigen Sprachkreis der M itschüler,
der A rbeitskollegen, der V ereinskam eraden.
G ew iß tun H eim atvereine, T rachten- und
Sangesgruppen ihr m öglichstes, um die
M und art der M inderheit zu stützen. A ber sie
gehen unw eigerlich den W eg ins M useale,
w enn die ehedem gesunden W urzeln erst
völlig verdo rrt sind.
W as hier bei den H eim atvertriebenen im
kleinen und durch die U m stände beschleu­
nigt geschieht, ist auf die D auer auch das
schleichende Schicksal aller noch lebendigen
M undarten. D ie Einflüsse von außen sind be­
drohlich. Z w ar bem ühen sich die M assenm e­
dien, denen m an ja gerade einen sprachnivellierenden Einfluß zuschreibt, m it zahlreichen
M undartsendungen dem augenblicklichen
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T rend R echnung zu tragen: Bairisch und
Schwäbisch, Alem annisch und Pfälzisch,
Hessisch und Kölsch (und das nicht nur zur
Z eit des K arnevals), natürlich auch Platt tö ­
nen regelm äßig aus R adio und Fernsehgerät.
A ndererseits fördern die M assenm edien mit
vielerlei Sondersendungen auch m anche M o­
deström ungen wie T eenager- und D iscospra­
che, diese natürlich vor allem unter den jun­
gen Leuten.
Alle die genannten Einflüsse von der sich ste­
tig w andelnden Sozialstruktur über die M as­
senw anderungen zu M edien und Sonder­
sprachen, nicht zu vergessen den Zustrom
anglo-am erikanischer W örter nach 1945, eb­
nen den W eg von der M und art zu r U m ­
gangssprache. D ie bereits erw ähnten konsti­
tutiven Sprachfaktoren (K langfärbung, M e­
lodie, R hythm us, B etonung, A rtikulation
usw.) w erden im w esentlichen beibehalten,
aber im W ortschatz und (m eist restringier­
ten) Satzbau nähert sich der Sprecher der
H ochsprache. Es ist für unsere B etrachtung
unw esentlich, ob m an die U m gangssprache
als „abgesunkene“ H ochsprache oder als
„aufgew erteten“ D ialekt betrachtet. In kei­
nem Falle ist sie eine A rt von „H albm und­
art“, wie sie z. B. Jah r für Jah r in den großen
M ainzer N arrensitzungen geboten w ird. Es
ist kaum anzunehm en, daß ein hochdeutsch
Sprechender sich, um verständlich zu w er­
den, auf eine M undart zubew egt, die er gar
nicht beherrscht. E her doch w ird der M und­
artsprecher sich bem ühen, der jew eiligen Si­
tuation gerecht zu w erden, also sich m ög­
lichst auf dem W ege zu r H ochsprache hin
verständlich zu m achen, w obei ihm freilich
seine angestam m te M und art in die Q uere
kom m t. In jedem Falle ist festzustellen, daß
die U m gangssprache an Boden gew innt.8)
Auch dieser P rozeß vollzieht sich in den g ro ­
ßen Städten deutlicher und rascher als in
ländlichen G ebieten.9) U nd vor allem in den
Städten gibt es neben der soziologischen
auch noch eine erstaunliche psychologische
Schwelle, die die M undartsprecher hem m t.
Es ist eine gewisse Scheu, M und art zu spre­
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chen (vor allem außerhalb der bergenden
G ruppe), weil m an sie als sozial abw ertend,
als nicht „fein“ ansieht oder weil m an sie als
ästhetisch m inderw ertig em pfindet. So kann
eine nach den höheren Sprossen der sozialen
Stufenleiter schielende M annheim erin zu ih­
rem M undart sprechenden Buben sagen:
„Redd doch nit so wiescht!“ — w obei sie wohl
m ehr den W ortschatz m eint als die ja auch
ihr durchaus geläufige innere Struktur. Diese
M utter schiebt also die K om m unikations­
ebene quasi um eine Stufe höher hinauf zur
U m gangssprache. D ie verschiedenen D efini­
tionen der U m gangssprache können für un­
sere B etrachtung unberücksichtigt bleiben,
zum al sich die Sprachw issenschaftler da
nicht ganz einig sind.10) Es bleibt aber festzu­
stellen, daß in letzter Z eit die U ntersuchun­
gen zu r U m gangssprache die zu r M undart
an Zahl übertreffen. D abei zeigt sich auch
diese Zw ischenstufe zw ischen M undart und
H ochsprache als ein soziologisches P häno­
m en: Bildung, Beruf, U m w elt prägen auch
diese Sprachform , Schule und V erw altungs­
instanzen tun ein übriges, den B ürger zu ei­
ner „gem äßigten“ Sprache zu führen. Es ist
selbst an kleineren Schulen üblich, die Spra­
che der A B C -Schützen abzuschleifen, aus
pädagogischen G ründen, wie man sagt, und
m ancher kleine M undartsprecher hat P ro­
bleme bei A ufnahm eprüfungen in w eiterfüh­
rende Schulen. Bei alledem bleibt die M und­
art zum indest außerhalb der G ruppe auf der
Strecke, und die Familie w ird zu r Fluchtburg
der M undartsprecher. W ie lange w ird der
A nsturm der U m gangssprache abzuw ehren
sein? In den Städten ist die Z eit der K apitula­
tion abzusehen. H offen w ir auf das „flache
L and“.
M an hat — wie schon erw ähnt — neuerdings
die soziologische K om ponente der M und art­
forschung besonders betont.11) D er D ialekt
w urde bei geringerer „kom m unikativer
Reichw eite“ den sozial niedrigeren Schich­
ten, die H ochsprache und eben auch die
U m gangssprache bei größerer Reichw eite
den gehobeneren Schichten zugewiesen. Die
Frankfurter Schule (Institut für Sozialfor­
schung) ging darin sehr w eit, w ie folgender
Satz von T h eo d o r W . A dorno über „die D ia­
lekte der A rbeiter“ zeigt: „D ie proletarische
Sprache ist vom H u nger dikiert. D er Arme
kaut die W orte, um an ihnen sich sattzuessen
. . . E r nim m t den M und voll, der nichts zu
beißen hat.“12) In diesem N egativklischee ist
die innere Z uw endung zu r eigenen M undart
als persönlichkeitsbildendes Elem ent völlig
ausgeklam m ert. Ein ähnlich negativer Blick­
w inkel sieht die „Sprache der U nterschicht“
lediglich im Z usam m enhang m it der T rivial­
literatur. G ew iß ist der M undart der Zugang
zu r hohen L iteratur erschw ert, w obei neben
der sprachlichen D ivergenz auch der U n ter­
schied im Lebensbereich mitspielen mag.
A ber beide G rößen sind doch w ohl w eniger
W erte an sich als aus einer festgelegten E rw artungshaltung heraus erzeugte V oreinge­
nom m enheiten. Z udem ist die E ignung für
höhere — ich m öchte hier lieber sagen: ernste
— L iteratur bei den einzelnen D ialekten ganz
verschieden. Solche Z uw eisungen zu be­
stim m ten V olksschichten oder L iteraturkate­
gorien können nicht uneingeschränkt gelten.
A uch w enn man das sogenannte H o n o ratio ­
renschw äbisch, das gerade von „gut bürgerli­
chen Schichten“ gesprochen w ird (man
denke nur an den alten „Papa H euss“), nur
als H albm undart gelten lassen m öchte, ähn­
lich w ie das w eitverbreitete „H on o ratio ren ­
platt“ im N o rd en, so engen beide Idiom e
doch die Schichtentheorie ein. V o r allem
aber ist die A ltersstufung neben der sozialen
Schicht ein w esentliches K riterium für die
V erw endung der M undart. So sprechen z.B.
von den über Sechzigjährigen im niederdeut­
schen Sprachgebiet noch gute 80% platt, und
der Schw und geht bis zu etw a 37% bei den
Schulkindern und gar 17% im V orschulal­
ter.13) In unseren Breiten w erden die V erhält­
nisse nicht viel günstiger liegen. Es w äre fest­
zustellen, in w elcher sozialen G ruppe die
letzten rettenden B ollw erke für die V o r­
schulkinder zu finden sind: In der Familie?
Im K indergarten? In der Spielgem einschaft?
Sprache, und hier insbesondere der D ialekt,
ist ja nicht nur eine A rt Ausweis für die Z u­
gehörigkeit zu einer G ruppe, nicht nur das
M ittel zu r K om m unikation innerhalb dieser
G ruppe, sondern sie prägt und konserviert
selbst auch G em einschaften, schafft also
H eim at und G eborgenheit. Es ist dabei eine
W echselw irkung festzustellen: M undart
schließt die G ruppe zusam m en, die Z ugehö­
rigkeit zu r G ruppe festigt aber auch die Be­
reitschaft zu r M undart. Es ist sicher, daß der
sogenannte restringierte C ode (einge­
schränkter U m fang des W ortschatzes, ein­
fach reihender Satzbau, w eitgehendes rituali­
siertes Sprachverhalten), wie er die M undart
charakterisiert, die praktischen und alltäg­
lichen K om m unikationsbedürfnisse der
M undartsprecher völlig abdeckt. D ie Fam i­
lie, lokale und regionale D ialektgruppen,
dazu H andw erker m it H ilfe ihrer Fachspra­
che finden in dem konkret-zupackenden und
differenzierten W ortschatz der M undart die
ihnen adäquate A usdrucksform . D enn die
M undart ist m it konkreten Begriffen reicher
ausgestattet als die H ochsprache. U nd eben
das ist ihre Stärke: ein deftiger W ortschatz,
kraftvoll zupackende R edew endungen, kei­
nerlei Scheu vor T abus, vor allem aber diffe­
renzierende A nschaulichkeit. So gibt es in
der m ir geläufigen M annheim er (also rhein­
fränkischen) M und art über 40 W örter für
das W ortfeld „schlagen“. Ich habe im bäuer­
lichen U m land gegen ein D utzend Bezeich­
nungen für verschiedene A rten von K örben
aufgenom m en, und die Zahl kerniger
Schim pfw örter ist Legion.14) W arum gerade
Schim pfw örter als K riterium ? N un, ob in
Bayern oder in der Pfalz, im Schwäbischen
oder in Berlin — in den Schim pfkanonaden
w ird die urw üchsige K raft und Bildhaftig­
keit, die Lebendigkeit und Beweglichkeit der
M und art und, dam it verbunden, der Stam m esart am deutlichsten. D er ungehem m te
W ortschw all gibt ja doch tiefe Einblicke in
das w ahre Ich des Sprechers. Indessen ist der
V erlust an alten M undartw örtern (natürlich
auch Schim pfw örtern) allgem ein.15) N icht
319
nur, daß m it den Sachen auch ihre N am en
aussterben — das geschieht natürlich auch in
der H ochsprache; unsere K onsum gesell­
schaft gibt auch durchaus gängigen W aren
und G egenständen genorm te, d.h. hochdeut­
sche N am en, die auf den V erpackungen auf­
gedruckt sind. A uf diese W eise versteht jeder
K unde und jeder V erkäufer — auch der „her­
geloffene“ —, was gem eint ist. Es gibt da
A usnahm en: W er in Bayern — natürlich auch
in M ünchen — beim B äcker ein Weckle oder
ein B rötchen verlangt, w ird w ohl seltsam an­
geschaut. E r sollte schon das einheim ische
W o rt Semmel gebrauchen. W o aber ist der
M annheim er weiße Kees, der ostfränkische
K lum pe und der alem annische Bibeli(s)käs
geblieben? N atürlich kann m an ihn noch
kaufen, aber auf der V erpackung steht „Spei­
sequark“, und so w ird er verlangt und auch
benannt. U nd ebenso aus dem N o rd en her­
unter kam die Sahne statt des guten alten
Rahm s. Ich vermisse heute in m einer H ei­
m atm undart W örter, die unsere Eltern noch
gebrauchten. W er von den Jüngeren kennt
heute noch das Waschlafoor, jene tragbare
W aschschüssel aus Email, bei „besseren Leu­
ten “ auch aus zerbrechlichem G ut. W er sagt
noch K a tzu ff zum M etzger, Schbell zur
Stecknadel oder Bell zu r Pappel? W elche
M annheim er H ausfrau kennt noch die
Moggdoddlsupp? U nd zum indest in der S tadt­
m undart sind W örter wie Hudsch für Fohlen,
schdrief für streng, schlaffln für tauen oder
Nehds für N ähfaden heute unbekannt. D ie
Liste ließe sich beliebig verlängern. U nd ähn­
liches gilt für alle Stadtm undarten und in ge­
ringerem U m fang auch für das Land. N un ist
es natürlich nicht so, daß die M und art nur
W ö rter verliert. Sie gew innt auch neue dazu
und schleift sie ein. D a w ar zum Beispiel der
Einfluß der M etropolen, vor allem von Ber­
lin, das als alte R eichshauptstadt eine starke
Strahlungskraft besaß. D och hat es, wie auch
andere Städte (M ünchen, W ien, auch O rte
des Ruhrgebiets) w ohl noch m ehr Einfluß
gehabt auf die U m gangssprache. Viele W ö r­
terbücher und A bhandlungen geben da nä­
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here A uskunft.16) A uch M odew örter berei­
chern den D ialekt. W ie jede zivilisatorische
W andlung in der Geschichte hat auch die
nach 1945 bei uns eingetretene eine M enge
von frem den W örtern hereingeschw em m t,
diesm al in der H auptsache am erikanische.
D a hat sich z.B . bei den T eenagern eine
G ruppensprache entw ickelt, die bis in die
M undart hineinreicht: Fan, super, Tw en,
T eenager; und m anches englische W o rt w ird
in der M und art ungeniert ausgesprochen,
wie es dasteht. A ber die T eenagersprache hat
auch viele deutsche M odew örter. E rst k ü rz­
lich habe ich in einem M annheim er Bus ein
junges M ädchen zu ihrer Begleiterin (ver­
m utlich über ein verpaßtes R endezvous) sa­
gen hören: Der bett awer doch aa echt kumme
gekennt! N u n, vielleicht hatte der Säumige
kän Bock druff. A llerdings sind solche Son­
dersprachen nicht auf eine G egend be­
schränkt, sondern über das ganze deutsche
Sprachgebiet verbreitet, höchstens regional
eingefärbt.17) D agegen w irkt sich der durch
neue T echnologien entstandene W ortschatz
kaum auf die M undart aus, eher auf die U m ­
gangssprache. Es sind allenfalls G ebiete wie
K leidung, K osm etik, Sport u. ä., deren W o rt­
schatz von M undartsprechern aufgenom m en
und bis zu einem gewissen G rade w ohl auch
assimiliert wird.
Es ist in dieser kurzen B etrachtung schon
m ehrfach auf den U nterschied zw ischen der
M undart in den Städten und der auf dem
Lande hingewiesen w orden. H ier ist das P ro­
blem der Stadtm undart angesprochen, bes­
ser: der Stadtm undarten, denn innerhalb
großer Städte gibt es, je nach sozialer Struk­
tu r der betreffenden W ohngegend, durchaus
unterschiedliche Sprechw eisen.18) D ie Städte
als kulturelle und w irtschaftliche M ittel­
punkte der R egion können zw ar, w ir wiesen
schon darauf hin, die Sprache des U m lands
beeinflussen. A ber die Stadtm undart ist selbst
im W andel begriffen, und zw ar nicht nur
durch die bereits erw ähnten Einw irkungen
(Flüchtlinge, sozialer W andel usw.), sondern
neuerdings durch das völlig ungelöste P ro ­
blem der G astarbeiter. N icht allein, daß die
seltsame „L ehrm ethode“ des sogenannten
„foreigner talk“ m it seiner radebrechenden
Satzbildung („du H unger?“ ; „ich auch schon
T ürkei!“ u.a.) dem Frem den keine echten
Sprachkenntnisse verm itteln; gravierender ist
das Problem bei den K indern. D ie jungen
A usländer lernen sehr rasch die M undart
(oder doch U m gangssprache) ihrer deut­
schen Schul- und Spielkam eraden. A ber sie
w erden dabei ihrer eigentlichen M utterspra­
che entfrem det: Sie bleiben Frem de im G ast­
land und w erden Frem de in ihrer H eim at. Es
ist erfreulich, daß auch die Sprachw issen­
schaft sich neuerdings dieser Frage an ­
nim m t.19)
M und art ist, der N am e sagt es, eine „Sprech­
sprache“. W ie jede Sprache drängt sie aber
auch zu r schriftlichen D arstellung, sagen wir
ruhig, zu r literarischen A usprägung. Eine ei­
gentliche M undartdichtung gibt es erst seit
R ousseau (R ückkehr zum natürlichen und
einfachen Leben!) und seit dem Sturm und
D rang. Es gab auch schon in B arockdram en
M undartszenen, aber sie dienten als K on­
trast zu r „vornehm en“ H ochsprache und zur
V erspottung des „niederen V olks“. Es w ar
ein W agnis, als A ndreas G ryphius m it seinem
„Scherzspiel“ (Bauernschw ank) „D ie geliebte
D o rnrose“ (1661) seine B auern (schlesische)
M und art sprechen ließ. M it dem Sturm und
D rang und m it der R om antik w ird die
V olkssprache allm ählich literaturfähig, w enn
auch vorerst nur zögernd wie bei dem Pfäl­
zer M aler M üller, der m it A nklängen O rts­
kolorit in seinen Idyllen schafft (z. B. „ Was
ist’s dann vor H olz?“ in der „Schafschur“).
A uch da gibt es übrigens ein landschaftliches
G efälle: Im bairischen Sprachraum w aren
und sind M undartdichtungen häufiger als
w eiter nach N orden hin. N icht jede M undart
scheint in gleicher W eise für die D ichtung
geeignet zu sein. Sicher aber ist es der ale­
m annische D ialekt, der ja auch in der
Schweiz und im Elsaß gesprochen w ird. M an
könnte den Schw eizer N achbarn ohnehin
neidisch sein, die ihr Schw yzerdütsch durch
alle Schichten der Bevölkerung hindurch
m ündlich wie schriftlich ehren und pflegen.
So hat sich in jüngster Z eit dort auch eine
beachtensw erte lyrische D ichtung entw ikkelt.20) Dasselbe gilt für das Elsaß, w o der
K am pf um die bodenständige alem annische
M uttersprache nicht nur als Selbstbestäti­
gung, sondern durchaus auch als W eg zu ei­
ner „Menschhaitssproch“ em pfunden w ird.21)
K ehren w ir nach Baden zurück. D a gilt „un­
ser unschätzbarer H ebel“ noch heute als
D ichter hohen Ranges und galt das schon
dem begeisterten G oethe, von dem dieses
Lob stam m t. Aus dem alem annischen Teil
Badens kom m t auch heute noch (oder w ie­
der?) eine Fülle beachtlicher Lyrik. Es w äre
ungerecht, einige N am en herauszugreifen, es
soll aber auf die verdienstvolle A rbeit der
M uettersproch-G sellschaft in Freiburg hin­
gewiesen w erden, die auch eine alem anni­
sche A nthologie herausgebracht hat.22) M an
hat trotz K arl G ottfried N adler, Franz
v. Kobell (der auch in bairischer M undart
dichtete) und M ax B arack der pfälzischen
(rheinfränkischen) M und art die E ignung für
ernste D ichtung abgesprochen. Sie tauge
eher für lustige G eschichten und A nekdoten.
N un haben die genannten älteren V ertreter
zw ar heitere G edichte geschrieben, aber es
w aren zum eist recht ernst gem einte Porträts
ihrer Zeitgenossen. N euerdings nun w ird das
N egativklischee m angelnder L iteraturfähig­
keit des Pfälzischen überzeugend w iderlegt
durch eine Reihe von guten G edichten, die in
V eröffentlichungen und Lesungen ihr Publi­
kum finden.23) A uch im G ebiet zw ischen
Pfälzisch und Alem annisch, im R aum K arls­
ruhe-Pforzheim , haben sich in den letzten
Jahren einige L yriker einen N am en ge­
m acht.24) Einen A bw ehrkam pf gegen das in
A m tsstuben und Schulen vordringende
Schwäbisch (bzw. H onoratiorenschw äbisch)
führen die D ichter im H ohenlohischen m it
seiner ostfränkischen M undart, die auch in
Schwäbisch H all zu H ause ist, tro tz des am t­
lichen O rtsnam ens.25) Ein Blick zu unseren
schw äbischen N achbarn sei zum Schluß er­
321
laubt, zum al das Schwäbische da und dort
am R ande unseres badischen Gebiets Einfluß
genom m en hat. A uch hier hört m an die kli­
scheehafte M einung, daß das Schwäbische
nur „auf das Feld des Idyllischen, des Behä­
big-G em ütlichen, des K om ischen be­
schränkt“ sein soll.26) Sicher ist im Schw a­
benlande das Behäbige zu finden, wie bei uns
in der Pfalz die hum orvollen Pelzer Schbrisch.
A ber wie schw äbische Lyrik heute aussehen
kann, läßt sich schw arz auf w eiß nachlesen:
D ie „G esellschaft zu r Förderung der M und­
art in W ürttem berg“ bietet in ihrer Z eit­
schrift „schw ädds“ lesensw erte Beispiele
neuer M undartdichtung. W ie sehr und wie
zu U nrecht ein D ialekt von außen her nega­
tiv abgestem pelt w erden kann, das zeigt die
M und art der Sachsen, das Lieblingsopfer der
K abarettisten und C onferenciers, w enn es
gilt, m öglichst noch durch Ü bertreibung bil­
lige Effekte zu haschen. Aus dem M unde der
Sachsen klingt ihre Sprache gem ütlich und
bieder, dazu ist dieser pfiffige V olksstam m in
der Lage, sich sam t seinem D ialekt „auf die
Schippe zu nehm en“. Im O h r und nun gar im
M unde Frem der w irkt jeder D ialekt eigenar­
tig, w enn nicht gar komisch. D em Sprecher
aber ist er M uttersprache.
Z iehen w ir Bilanz. M und art ist lebendige
Sprache und als solche dem W andel unter­
w orfen. W ir sprechen nicht m ehr den glei­
chen D ialekt wie unsere G roßeltern; der
Schw und an ländlich besiedelten und genutz­
ten G egenden als natürlicher N ährboden der
M und art wie auch der Sog von W irtschaft
und V erw altung zu den großen Städten hin
lassen die M un d art schrum pfen. D as gilt vor
allem für den Bereich großer Städte, doch
bleibt das Land davon nicht unberührt.27) So­
zialer W andel und M obilität zw ingen den,
der Schritt halten will, zu K onzessionen, das
heißt in unserem Falle zu r Zw eisprachigkeit,
dam it aber auch zur sprachlichen U nsicher­
heit gegenüber seinem genuinen D ialekt: E r
322
bedient sich einer gängigen V erkehrssprache,
der U m gangssprache, die nun m ehr und
m ehr an die Stelle der M und art tritt. Diese
E ntw icklung könnte m anchen Freund der
M undart traurig stim m en; denn die M undart
ist nun eben einmal die vertraute Sprache des
heim ischen U m kreises, ein Stück G eborgen­
heit. Je w eiter die A usw anderer früherer Z ei­
ten von der alten H eim at entfernt w aren und
je frem der sich ihre neue U m gebung gab, de­
sto härter käm pften sie um ihren m itgebrach­
ten D ialekt. A ber w enn auch unsere M und­
arten unter dem Einfluß der m odernen G e­
sellschaftsstruktur allm ählich an B oden ver­
lieren, so sollten w ir doch nicht vergessen,
daß sie der sie überw uchernden U m gangs­
sprache als N ährboden im m er w ieder neue
Lebensström e zufließen läßt. Es ist den er­
w ähnten H eim at- und Sprachgesellschaften
nicht hoch genug anzurechnen, daß sie
durch ihre B em ühungen das Z urückw eichen
der M undarten zum indest verlangsam en, da
und d o rt sogar aufhalten. D enn sie reden
nicht nur über die M undart, sie pflegen sie
auch in W o rt und Schrift und zeigen dam it
ihren sozialen Stellenwert. Es ist sicher ein
zu hartes U rteil, w enn gelegentlich von ei­
nem K ritiker der M undarteuphorie gesagt
w urde, M undart schreibe nur der, der nicht
M und art spricht.28) U nd den verbreiteten
Zweifel an der L iteraturfähigkeit der M und­
art29) w iderlegt die stattliche Reihe „klassi­
scher“ wie auch die oben erw ähnte neuere
D ialektdichtung. M ehr und m ehr auch treten
neben die noch im m er gebotenen traditionel­
len H eim at- und Alltagsgedichte aktuelle
und problem geladene V erse, auch reimlose.
So w ird auch im Schrifttum ein Stück ange­
stam m tes V olksgut bew ahrt, das dem einzel­
nen kreative M öglichkeiten im vertrauten
Sprachraum bietet. U nd alle Freunde der
M und art m uß ein Ergebnis des A liensbacher
Instituts für D em oskopie von 1981 zuver­
sichtlich stim m en, in dem es heißt: „M undart
w ird hoffähig!“
Anmerkungen
3) Theodor Siebs, Deutsche Bühnenaussprache.
1. Aufl. 1898, 19. Aufl. 1969.
2) Verfasser ist M annheimer und bevorzugt des­
halb M annheimer Dialektbeispiele. Übrigens
möchte sich diese Betrachtung in der Hauptsache
auf Baden beschränken.
3) Das W ort M undart findet sich zuerst bei Philipp
v. Zesen (1640); von Joachim Heinrich Campe
(18. Jh.) stammt das W ort Umgangssprache, das
W ahrig als „Sprache des täglichen Lebens“ inter­
pretiert, und das W ort Schriftsprache kam erst
Ende des 18. Jahrhunderts auf, während „hoch­
deutsch“ schon Ende des 15. Jh.s belegt ist.
4) Vgl. dazu H ugo Moser, M undart und H och­
sprache im neuzeitlichen Deutsch. In: Der
Deutschunterricht 1956, H eft 2, S. 40 f.
5) Vgl. W erner König, dtv-Atlas zur deutschen
Sprache. M ünchen 41981, S. 134 u.ö.
6) Für unsere Betrachtung sind interessant: Badi­
sches W örterbuch (Ochs/Baur), das die alemanni­
schen und die fränkischen Dialekte innerhalb Ba­
dens zusammenfaßt (z. Zt. bis Buchstabe K);
Schweizer Idiotikon (Stalder); Schwäbisches W ör­
terbuch (Fischer); Pfälzisches W örterbuch (Christ­
mann/K räm er); Südhessisches W örterbuch
(Mulch); W örterbuch der elsässischen M undarten
(M artin/Lienhart). Dazu Deutscher Sprachatlas
(W rede/M artin/M itzka) und Deutscher W ortat­
las (M itzka/Schm itt, für Einzelwörter). Daneben
gibt es eine große Anzahl von örtlichen W örterbü­
chern in unserem Raum, z.B. H. Schmitt, Weinheimer W ortschatz; K. Bräutigam, So werd bei
uns geredd (Mannheim); H. Baum, Alemannisches
Taschenwörterbuch; A. Müller, Freiburger Mundart-ABC und viele, viele andere. Zahlreich sind
auch Dissertationen über örtliche und regionale
Dialekte.
7) Welche Schwierigkeiten M undartsprecher in
fremder sprachlicher Umgebung haben können,
zeigt das Beispiel Schillers, der mit seiner schwäbi­
schen Aussprache vor dem Theaterausschuß in
Mannheim beinahe seinen „Fiesco“ um den Erfolg
gebracht hätte.
8) Vgl. zu diesem Komplex W. Henzen, Schrift­
sprache und M undarten, ein Überblick über ihr
Verhältnis und ihre Zwischenstufen im Deutschen
(1954). — Friedrich M aurer, Schriftsprache und
Mundart. In: Der Deutschunterricht 1956/2,
S-40 f. — Wilhelm E. Süskind, M undart, Um­
gangssprache und Hochsprache in ihrem Lebens­
recht und gegenseitigen Verhältnis. In: Der
Deutschunterricht 1951/4—5, S. 22 ff. Süskind be­
zeichnet die Umgangssprache als „unvollständig“,
so daß sie leichter M odewörter und Neuschöpfun­
gen aufnimmt als die Mundart. — F. J. Beranek,
Die Umgangssprache und ihre Erforschung. In:
Muttersprache 1950, S. 65 ff.
9) Dieter Karch hat z.B. in der Reihe PH O NA I
eine Untersuchung erscheinen lassen über „M ann­
heim — Umgangssprache“. (1975) Ferner: C. Pa­
mela Danforth, A descriptive study of an urban
Mannheim social dialect (1981). Heinz Küpper
hat ein W örterbuch der deutschen Umgangsspra­
che geschrieben (gekürzt als WB d. Alltagsspra­
che: dtv-Taschenbuch 3034/35)
10) D azu I. Radtke, Die Umgangssprache. Ein wei­
terhin ungeklärtes Problem der Sprachwissen­
schaft. In: Muttersprache 83 (1973), S. 161—171.
u )V gl. dazu dtv-Atlas, a.a.O ., S. 132f. Ferner
Hermann Bausinger, Deutsch für Deutsche. Fi­
scher-Bücherei 580, S. 32 f.
12) Theodor W. Adorno, Minima Moralia. Frank­
furt 1969, S. 129.
13) nach dtv-Atlas, a. a. O.
14) Vgl. z.B. Ebel-Meininger, 1000 W orte Pälzisch
mit pälzischem Schimpfwörterlexikon. Neustadt,
1979 — W enn Schambes schennt. RheinhessischM ainzer Schimpflexikon. Alzey 1978. Ich habe in
einem M annheimer Schimpfgedicht von 20 Versen
etwa 20 Schimpfwörter eingebaut (Muddersprooch 3, Landuff, landab. Karlsruhe 1981,
S .81).
15) Dazu u.a. Peter Assion, Der M undart eine Zu­
kunft. M uddersprooch 3, S. 68.
16) Zu diesem Problem Lutz Mackensen, Die deut­
sche Sprache in unserer Zeit. Heidelberg 1971,
S. 86 ff.
17) Zum Extrem der Jugendsprache, der Discospra­
che, vgl. W erner Metzger, Discokultur. Die ju­
gendliche Superszene. Heidelberg (Quelle &
Meyer) 1980. D ort bes. S. 116ff. Eine Untersu­
chung des Bundesinstituts für ostwissenschaftliche
und internationale Studien in Köln (Verf. W olf
Oschlies) hat übrigens ergeben, daß auch die Ju­
gend in der D D R einen Jargon verwendet, der
sich nur wenig von dem unserer Teenager unter­
scheidet. Auch dort gibt es also eine Gruppenspra­
che, die der Abgrenzung nach außen dient.
ls) Vgl. dazu Kurt Bräutigam, Die Mannheimer
M undart. Diss. Heidelberg 1934. Diese Arbeit
müßte — nach fast 50 Jahren! — auf den neuesten
Stand gebracht werden. — Zum Problem Stadt­
m undart ferner: E. Bremer, K. Gluth, U. Knoop, I.
Radtke: „Stadtsprache“. In: W. Viereck, Sprachli­
ches Handeln. München 1976
19) So z. B. das Institut für Deutsche Sprache in
Mannheim. Es ist ein Projekt geplant, das die
M annheimer Stadtmundart unter den heutigen Be­
dingungen und Verhältnissen neu untersuchen
wird.
323
20) Vgl. Dieter Fringeli (Hrsg.), Mach keini
Schprüch. Schweizer M undartlyrik des 20. Jahr­
hunderts. Zürich 1981. Darin sind über 40 Lyriker
vertreten.
21) U nter vielen anderen Dichtern wären zu nen­
nen: Raymond M atzen, Adrien Finck, Andre
Weckmann. Der M örstadt-Verlag in Kehl betreut
diese und andere Dichter des alemannischen
Sprachgebiets in seiner Reihe „Neue alemannische
M undartdichtung“.
22) S lebig W ort vu 31 M undartdichter us em Badi­
sche. Herausgeber: Muettersproch-Gsellschaft in
Freiburg. Schriftleitung: Karl Kurrus
23) Es wäre in erster Linie Rudolf Lehr (Sandhau­
sen) und sein Kreis zu nennen. Auch Elsbeth Janda
— die Elsbeth vun de Palz — tut viel für ihre H ei­
matmundart mit Vorträgen, Rezitationen und
Veröffentlichungen. — Ich möchte an dieser Stelle
doch eine Lanze brechen für den unvergessenen
Hanns Glückstein, den Meister humorvoller Ge­
dichte in M annheimer M undart.
324
24) Unter vielen anderen wären zu nennen: Gustav
F. L. Hain (Pforzheim), Rudolf Stähle (Karlsruhe)
und H arald H urst (Karlsruhe-Grötzingen).
25) Auch hier nur einige wenige Namen: Gottlob
Haag, W alter Hampele, Dieter Wieland, Manfred
Wankmüller.
26) Hermann Bausinger, a.a.O ., S. 27f.
27) Am widerstandsfähigsten zeigen sich die deut­
schen Dialekte in der Schweiz, in Oesterreich und
in Bayern. Auch das Alemannische im Schwarz­
wald ist gebietsweise noch rein erhalten.
28) So z. B. in einer Reutlinger Diskussion am 16. 2.
1981, mitgeteilt von Wilhelm König in
„Schwädds“, Zeitschrift für M undart, H eft 2, Juni
1981, S. 7
29) V or Philipp v. Zesen war tatsächlich zwischen
„Schreibart“ und „Redart“ (= Schriftsprache und
Mundart) unterschieden worden, wobei die da­
mals verpönte M undart meist mit lateinisch idioma
oder dialectus bezeichnet worden war. Das W ort
Dialekt ist noch heute beliebt.
Unsri Alemannesproch un ihri alte Hüeter
K arl Kurrus, Freiburg
So isch die Schprooch vo rauer A rt
im Herze aber fiin un zart;
si isch voll Chraft un Chindersii:
en W älderbuur im Sunneschii.
„V on rauher A rt, aber fein und z a rt“ nannte
vor m ehr als fünfzig Jahren Richard Gäng,
heute der Älteste unter uns A lem anne-Schriiber, unsere Sprache, die ihre K raft aus dem
H erzen schöpft. Fragen w ir uns zunächst,
was w ir unter dem W o rt Sprache verstehen
w ollen. Kein Lebewesen in G ottes w eiter
Schöpfung, außer dem M enschen, ist in so
hohem M aße m it G aben ausgestattet, seinen
A rtgenossen etwas m itteilen zu können. W as
w ir m it V erstand und G efühl w ahrgenom ­
men haben und was ein Leben lang als E rin­
nerung bew ahrt w urde, können w ir m it dem
„geistigen W erkzeu g“ Sprache w eitergeben.
Allein diese Erkenntnis führt uns schon d a­
hin, daß jede Sprache der M enschheit A ch­
tung und E hrfurcht verdient. T ro tzdem darf
und soll sich jeder seiner Sprache, der Spra­
che seiner M utter und seiner H eim at, er­
freuen und sie bew ahren.
D ie Sprache ist ein M erkm al für zusam m en­
gehörende M enschengruppen. Politische
G renzen oder M acht-L inien w erden mit
Hilfe der Sprache oft überschritten; w illkür­
liche G renzen können eine Sprach-K ulturG em einschaft nicht trennen. Ein treffendes
Beispiel ist hierfür der alem annische Sprachraum . D iese G egebenheit w irkt sich zw eifel­
los positiv aus, indem eine nachbarschaftliche
V erständigung in der gem einsam en Sprache
des V olkes gesunde W urzeln hat.
„An Freunde der ländlichen N atu r und
D ichtung; besonders in den D istrikten
jenes D ialektes, welche diese Idee
m it Beifall ehren und die A usführung
derselben unterstützen m ögen.“
Diese W orte finden sich bei der Em pfehlung
Johan n Peter H ebels für die erste Ausgabe
seiner Alem annischen G edichte (23. A ugust
1802). E r w ar es, der unsere alem annische
Sprache zu Ansehen brachte und in überzeu­
gender A rt m anche V orurteile zurückw eisen
konnte. N eben den Schilderungen von N atu r
und Leben hat H ebel auch den W eg geebnet,
geistig und künstlerisch hochstehende T h e­
m en in dieser Sprache darzustellen. Es bedarf
bei unserer B etrachtung über die A lem annen­
sprache und ihre H ü ter nicht des w eiteren
E rklärens, über die bahnbrechende W irkung
H ebels.
W er d W ohret gern het un w er freindschaft heischt,
brücht aü in unsre Z it d r Hebelgeist!
Herausragende alemannische Dichter in
Südbaden
W ir w ollen die B edeutung der V ielgestaltig­
keit der alem annischen D ichtung nicht ver­
kennen, in deren G esam tw erk viele M änner
und Frauen aller Teile unseres Sprachraum es
hohen Anteil haben. Einige m arkante D ich­
ter unseres Jahrhunderts seien als gültige Bei­
spiele besonders vorgestellt.
Liebi Seel, do nüm m un suach
gsundi Freud im blaue Buech!
U n derno w ürsch finde: s isch
ungfehr wie de selber bisch!
So lautet eine handschriftliche W idm ung von
Hermann Burte (1879—1960) von 1924 in
seinem w ortgew altigen Buch „M adlee.“ Ja, die
K unst des lebendigen D arstellens vom G e­
schehen bei N atu r und M ensch, in einer
überzeugenden Aussage, das w ar Burte eigen. Jeder D ichter w ird seine Zeit mit w a­
325
chen Sinnen durchleben, m it bestreiten und
m it erleiden. K einer ist dagegen gefeit, mit
den dem D ichter besonders eigenen Ideal­
vorstellungen an R ealitäten Schaden zu neh­
men. Es w ürde aber der guten Sache unserer
Sprache und der Persönlichkeit eines unserer
D ichter nicht gerecht, w ollte m an nicht aner­
kennen, w elche hohe Gabe sein wesentliches
W erk, welches m utige W agnis sein Geist,
und welche A ufrichtigkeit die Einsicht eines
Irrtum s bedeutet. E iner der besten K enner
alem annischer D ichtkunst, der Schw eizer
Professor G eorg T hürer, hat das W erk und
den M enschen Burte so beurteilt: „D as V er­
hängnis und das V ergängliche treten zurück!
D em Bleibenden aber gebührt unsere A ch­
tung, und dem Einigenden gehört unsere
Liebe.“ So dürfen w ir frohen H erzens H e r­
m ann Burte als M eister und Beispiel für alle
sehen, die sich gestaltend und erhaltend der
al^nannischen Sprache zugew andt haben.
Ihm , dem G eistes- und W ortgew altigen sei
aus dem G edicht „Letzte B itte“ gerne nocheinm al das W o rt gegeben.
Es fallt uf mi so chalt wie Schnee
ne hässige V ergunscht,
doch ständig w ird me läbig seh
m y W äse un mi C hunscht.
D ie M arkgräfler D ichterin Lina Kromer,
(1889—1977) wie H erm ann Burte m it dem
H ebelpreis ausgezeichnet, ist genauso eine
hochbegabte K ünderin des W ortes, von der
ich in einer Feierstunde auf Schloß Bürgeln
sagen d u rfte: „D er H eim at treu — und doch
den Sternen nah!“ So w aren Leben und
W erk dieser ebenso bew undernsw erten wie
einfachen Frau aus O bereggenen. Ihre V er­
öffentlichungen in alem annischer und auch
in hochdeutscher Sprache kam en aus hellw a­
chem Geist und gem ütvollem , from m en H e r­
zen. Ihre feinsinnigen W orte seien angedeu­
tet m it einer knapp gefaßten zeitlosen Aus­
sage:
Saie un ärne, s isch allewil s glich.
Saie un ärne, s m acht allewil rieh.
326
E C horn in Bode, e W o rt ins W it,
du ärnsch vo jedem , vo jedem , w enn s Zit!
M it Hubert Baum (1906—1976) denken w ir
voll D ankbarkeit an einen A lem annendich­
ter, der sich in der N achkriegszeit als Brükkenbauer zw ischen den G enerationen be­
w ährt hat. N eben seinem eigenen dichteri­
schen Schaffen hat er all die M enschen um
sich geschart, die das alem annische W ort
w eitertragen w ollten. D ichtertreffen und Le­
sungen w urden von ihm organisiert und d a­
m it in schw erer Zeit w ieder ein A nfang ge­
m acht, für die H eim at und ihre M enschen
das Lied des Besinnlichen und der Freude zu
singen. Sein Buch „Freude am alem annischen
G edicht“ brachte 1968 N achw eise m it N a ­
m en und W erken von 1803 — H ebels ale­
m annische G edichte — bis zu r G egenw art.
D ie H ebel-G edenkplakette w ar 1970 eine
redlich verdiente A nerkennung für H u bert
Baum, der zwei Jahre später m it seinem
„A lem annischen T aschenw örterbuch für Ba­
den“ m anchem jungen D ichter eine praktika­
ble H ilfe gab. W ie bei den anderen Schrift­
stellern soll hier ein kurzes G edicht ein Bei­
spiel für sein vielgestaltiges Schaffen geben.
Fang aa! G ang dra un förch di nit,
wyl G o tt allbott e H ü lf der git.
Schaff s guet! Kei W uet m acht gschickti
H änd,
doch R ueh hilft zue me guete n End.
Ein seit Jahrzehnten bis heute kerniger und
w eitbekannter K ünder für alem annisches
W o rt und H eim at ist Gerhard Jung
( * 1926). Seine vielen Schriften, die Lesun­
gen landauf und landab, sein aktives W irken
beim Schw arzw aldverein und m it der hei­
m atlichen V olkstanzgruppe — natürlich in
T racht! —, das alles h at ihm einen großen
Kreis von Freunden und V erehrern geschaf­
fen. D en H ebelpreis von 1974 gönnt ihm je­
der, der ihn kennt. N eben dem unerm üdli­
chen eigenen E insatz m it dem zündenden
alem annischen W ort, organisiert G erhard
Jung seit vielen Jahren die V eranstaltungen
des H ebelbundes L örrach „B egegnung mit
D ichter und W erk“, w obei auch die jüngere
D ichtergeneration zu W o rt kom m t. Seine
B egabung und sein Einfühlungsverm ögen
bringen vielgestaltig Frohes, Erlebtes, Be­
sinnliches und M ahnendes; kurzum , G er­
hard Jung schöpft aus dem V ollen, zur
Freude vieler dankbarer M enschen. D as G e­
dicht „U f de Schwelle“, das einem seiner
zahlreichen B ücher den T itel gab, lassen uns
den zeitbezogenen Geist dieses D ichters und
seinen Blick zu r Ew igkeit erkennen.
M er chöm m e allbott an e Schwelle,
w o keine w eiß, wie s w itergoht.
O b W irbel w arte, W uet un W elle,
m it Bruusch un Brüel, m it Schlag un N ot.
Loß der nit d A ngst de W eg verstelle!
Schnuuf dreim ol tief, no w og de Schritt!
D e bisch au hinter alle Schwelle
in G ottes H and. V ergiß es nit.
D ie zahlreichen V eröffentlichungen unserer
alem annischen D ichter, auf die w ir im ein­
zelnen gar nicht eingehen können, dazu die
D ichterlesungen und V orträge, zeugen von
einer H ingabe an das zeitfordernde schrift­
stellerische T un. D aß dies neben der E rfül­
lung beachtlicher B erufspflichten geschieht
ist bem erkensw ert und dankbar anzuerken­
nen.
Ein vollgültiges Beispiel hierfür gibt uns Phi­
lipp Brücker (* 1924). Z w anzig Jahre w ar
D r. B rücker O berbürgerm eister der Stadt
L ahr und deshalb m it verantw ortlicher Arbeit
und einem vollen T erm inkalender stets bela­
stet. D och sein frohes, m enschenfreundliches
W esen, seine Liebe zu r H eim at und ihrer
Sprache trieben ihn dazu, m it G eschichten
und G edichten seine D ichtergaben zu ver­
schenken. Eine gute B eobachtungsgabe läßt
ihn und dam it seine Leser oft eigenartige,
aber trotzdem liebenswerte Zeitgenossen er­
kennen. D am it w ird ein herzhaftes Schm un­
zeln gew onnen, das der Lebensw eisheit nicht
entbehrt. Einige Zeilen aus „D anzknopf“
(Kreisel) sollen dies zeigen.
D r D anzkn opf kannsch zum D anze bringe,
D o fir sin selli Rille dran.
D u bruchsch kei M usik, m uesch nit singe,
M uesch bloß e guedi G eißel han.
So geht’s au uns in usrem Lewe:
E G roß er kom m t oft so doher
U n duet schnell sinni G eißel hewe
U n geißelt uns bös vor sich her.
Doppelbegabungen: Unsere M alerpoeten
W er K unst will verschenke
m uaß vorher bedenke,
ergrinde zuam finde m it G eist un im G m iat
s recht W ort, s herzhaft Liad;
m uaß s heim elig Bild
üs em Lebe, w u gilt,
m uaß s N aturw und er mole,
aü m ol Traüm schlössli hole,
m it Pinsel un Kohle. —
W er dia K unst will gniaße
soll s H erz ufschliaße!
Als M alerpoet — für H erm ann Burte sei das­
selbe P rädikat nachgetragen — schätzen w ir
Eugen Falk-Breitenbach (1903—1979) aus
dem M olerhiisli in H ausach. V o n ihm dürfen
w ir ohne E inschränkung sagen: „N aturge­
treu sein Bild der H eim at, und w ahr sein
gläubig-frohes W o rt!“ Sein klares A uge und
die Innigkeit, m it der er das W under N atu r
betrachtet hat, führten ihm die Feder, Pinsel
und Zeichenstift; Ergebnis: grundechte T an ­
nen und Schw arzw aldhöfe und bei M otiven
aus der geistigen W elt D arstellungen mit
dem seltengew ordenen P rädikat ,E hrfurcht’.
V ier Zeilen verraten schon Vieles vom Geist
unseres M alerpoeten Eugen Falk-B reiten­
bach:
D e W ääg un Z it isch jedem gmässe,
d D ääg un d Schtunde jedem zehlt;
s M enschem aaß isch bal vergässe,
will s nu gilt uf dääre W elt.
H olzschnitte und kernige Verse in alem anni­
scher M und art sind die Stärke von Alban
327
Spitz ( * 1906). In seinem rom antischen Frauen und ihr alemannisches W ort
H eim in M insein entstanden aber auch viele
Z eichnungen und gem alte Bilder, die alle N eben der schon gew ürdigten Linä K rom er
kräftige N atürlichkeit w iedergeben. Alban hatten und haben w ir eine ganze Reihe von
Spitz hat sich auch daran gew agt, H ebels Frauen, denen das D ichten in alem annischer
K alendergeschichten ins A lem annische zu Sprache am H erzen liegt. Lin Ritter-Potika
übertragen. 1978 verlieh ihm die G em einde (1888—1981), im Elsaß geboren, w ar die
H ausen die H ebel-G edenkplakette. M it meiste Z eit ihres Lebens bei uns im Badi­
W orten, wie in H o lz geschnitten, offenbart schen. Sie schrieb geschichtsbezogene T h ea­
uns Alban Spitz Lebensw eisheiten, wie z.B. terstücke, G eschichten und vor allem ihre
„Eisasseschi H eiku.“ Diese japanische V ersin seinem „D änk d ra.“
form besteht aus siebzehn Silben in drei Z ei­
G w üüß, m ä m ueß läebe,
len. D er m arkanteste davon — ihr Leben voll­
aber au M ansch drbi bliibe,
zog sich ja zu beiden Seiten des R heines —
m ä d arf s chratze und raggere it übertriibe. w ar:
A H üüchli, ä R üüchli,
W orum tren n t uns e Rhi?
und s isch alles verbei
Ass mir zeige chenne,
und m änggs isch drno ainerlei.
wie me Brücke bäut.
50 farbig-eigenw illig und w ohlgeform t, wie
seine G edichte und G eschichten, sind die Bil­ Z u Beginn stellten w ir fest, daß die alem an­
der und T ongefäße von Bruno Epple nische Sprache „im H erze fiin un za rt“ ist.
( * 1931). M it den W erken seiner naiven M a­ W er könnte den Beweis dafür besser antrelerei holte er sich 1977, unter 56 T eilneh­ ten, als unsere D ichterfrauen. Bei Ida
m ern aus 16 L ändern, den ersten Preis in Preusch-Müller (1889—1974) finden w ir viele
G old. Sein H auptberuf: G ym nasial-Profes- tiefe G edanken über M utterliebe und dem ü­
sor in R adolfzell; seine künstlerische B eru­ tiges E rtragen von Schicksalsschlägen.
fung wie schon erw ähnt vielseitig. U n ter dem
T itel „W osches“ verm ittelt er das W issen Ai C hind — ai Freud un tausig Sorge,
über ausgefallene W orte; eine Fleißarbeit, doch „C hinder“ sin e große Schatz,
die belehrend und belustigend ankom m t. Ei­ drin lit e Sege tief verborge.
gentüm lich, er geht m it seinen Schafen A l­ Sag, M uetterherz, wievil hän Platz?
pha, Beta und G am m erle spazieren und lernt
dabei selbst N eues: „gäppe“ heißt „nach Luft Solche W orte lassen uns an H ebel denken,
schnappen.“ Sein D ichter-E rkennungszei­ der erkannte: „M uetterlieb isch zart und
chen w ird aber bleiben:
frum m .“
51 hond gseet: de M aa isch dot,
Hedwig Salm (1889-1981) hat uns Vieles
etz isch er dot, etz hom m ern dot,
geschenkt, was im „H eim atgarten“ blühte
und „Aus des H erzens Fülle“ kam. Sie hatte
hond si gseet.
die K raft des Geistes bis ins H o h e A lter be­
H o n d e R ed vum P farrer gheert,
halten, und schrieb noch m it achtzig Jahren
vum V orstand gheert, vum L ehrer gheert,
jugendfrisch
die Erlebnisse im H ochschw arz­
R ed um Red.
w ald. Ihr Sinnen galt dieser W elt und der
W ie beglückend ist es für unsere M alerpoe­ ändern.
ten, daß sie ihr herzhaftes A lem annenw ort V iel vom Ä nedrane luegt ins L ebe-n iine.
m it der K unst aus eigener H an d illustrieren S cha wie d Sunne schiine
un e W egspur bahne.
können. Es sei ihnen neidlos gegönnt.
328
T ro st chunnt wie agfloge,
d W elt w ürd neu un groß:
U frecht traisch dy Los
unterem Sterneboge.
un drüber hi w eiht vo de Berg der H eim et
O de . . .
das isch für mine Teil der schönste
Lebesgwinn.
So gingen auch die G edanken von Paula Ist es nicht m it G enugtuung zu verm erken,
H ollenweger (1900—1980), tro tz lebenslan­ daß eine Frau, die ein Loblied „D er K lang im
ger V erbundenheit m it „Rose und R ebe“, zu Stein“ auf das Freiburger M ünster schrieb, so
treu dem H eim elig-Schönen zugew andt ist?!
dem großen „G eheim nis:“
An
das E nde unserer Zeilen über die Frauen
W enn in de N ächte dunkel
mit
dem A lem annenw ort stellen w ir nocheinkei Stern am H im m el goht,
mal
einige Zeilen von Lina Kromer, aus ih­
kei helle Schii, kei G funkel,
rem
vor fünfzig Jahren geschriebenen G e­
w u suscht so tröschtli stoht,
dichtband „Im Blaue zu e:“
dno cha n i gspüre, ahne,
S isch um die Frau e heimli,
aß größri, stärchri M acht
es still verborge Liecht,
uf no vil höchri Bahne
wie d Stern am schönste schiine
uns ziehn in dunkle N ächt.
ob N äbel grau un fiecht.
U nsere D ichterin von Feldberg bei M üllheim
erhielt 1967 die H ebel-G edenkplakette.
In der Sam m lung „Sagen vom O berrhein“ D Zit isch e Bruck vum Gestert zuam Morn
hat Paula H ollenw eger ein Stück ihrer H ei­
m at-A rbeit geborgen, w orin sie vielgestaltig W enn w ir von den alten H ü tern der A lem an­
versucht, dem alem annischen G rüblergeist nensprache reden, so gehen unsere G edan­
gerecht zu w erden und dem G uten den W eg ken w eit zurück ins vergangene Jahrhundert.
Alle D ichter vergangener Jahrzehnte m it ih­
zu ebnen.
D er B atzenberg hat seine D ichterin in Liesel ren W erken aufzuzählen, ist innerhalb unse­
Meier-Küchlin ( * 1907). Selbst B auersfrau rer B etrachtung nicht m öglich. W ir müssen
kennt sie die A rbeit in Feld und R eben, w eiß uns dam it begnügen, eine Reihe von N am en
über den „B runne bim Lindebaum “, von al­ zu nennen, deren Erbe nicht vergessen w er­
ten M ühlen und vom „B urefliß“ zu berich­ den darf. M ancher G edichtband von guten
ten. All den W eindörfern in ihrer N achbar­ Freunden, seien sie schon drüben in der ande­
schaft singt sie das Lied von R eben und ren W elt, oder gottseidank noch bei uns,
W ein, und hat doch im m er ein höheres Ziel w ird oft und gerne aufgeschlagen, um diese
vor A u gen:
heim elig-besinnlichen und frohen G edanken
w
ieder in uns aufzunehm en. D abei denken
E gläubig H ärz, e stille Sinn,
w
ir
an W alter Füsslin, M aurus G erner-B euin Freid un Schm ärz bringt äs dir Gwinn.
erle, Fritz G uggenbühler, E rnst H aberstock,
Eine von unseren D ichterinnen, Gertrud H ans H auser, H erm ann L änderer, Desiere
Albrecht (* 1909), hat die Sendung der für Lutz, M ichel M aier, H ans M att-W illm att,
die V erskunst begabten Frauen im A lem an­ Emil M üller-E ttikon, E rnst N iefenthaler, R i­
nenland — w ie sie es für Ida Preusch-M üller chard N u tzinger, K arl Sättele, G ottfried
schrieb — so gesehen:
Schafbuch und Frieder W eber-B enzing. Sie
L önt m ine Blueme blüehe in der H eim et- alle verdienen D ank und A nerkennung für
sunne,
das, was sie schriftstellerisch und in sonstiger
lönt mine Lieder w urzle in mim H eim etbode, W eise für unsere alem annische H eim at getan
do isch die urchig C hraft, so tief do inn
haben.
329
Aus den einzelnen G edicht-Proben ist er­
sichtlich, wie unterschiedlich die Schreib­
weise der alem annischen T exte ist. Eine ein­
heitliche R echtschreibung w ürde die bunte
Sprachlandschaft stören oder gar zerstören.
Es bleibt deshalb jedem D ichter überlassen,
seine T exte in der Schreibweise w iederzuge­
ben, die der Lautw iedergabe (Phonetik) sei­
nes D ialektes am nächsten kom m t. Im Zw ei­
felsfalle ist A nlehnung an die Schriftsprache
zu em pfehlen.
„R aum und Z eit“ — ein vielverwendetes
D ichterw ort — diese beiden Begriffe sollen
uns Pfeiler sein für eine Brücke, die uns vom
ausgehenden 19. Jahrhun dert bis in unsere
T age führt. W ir lassen stellvertretend für die
vielen
D ichterfreunde
Paul Sättele
(1884—1978) und Werner Richter ( * 1929)
zu uns sprechen, zwei M enschen unserer
H eim at, deren Leben fast ein halbes Jah r­
hundert auseinander liegt. A uch hieraus k ö n ­
nen w ir ersehen, wie beständig das B ekennt­
nis zu r H eim at ist. Sow ohl in besinnlichen
W orten, dem Ewigen zugetan, wie auch aus
frohem H erzen, das Leben bejahend, sind
uns die alem annischen D ichter treue Beglei­
ter durch die Z eit, auf dem W eg über die
Brücke vom G estern zum M orgen.
I ha ne feine R ote
und das isch gwiß kei Sünd,
er chunnt als guete Bote
uf Bsuech, als guete Fründ.
330
E r tu at au m änkm ol wecke
mii Geist un stupft un bohrt,
drum C hrüüsli, loß m r s schmecke,
er hilft biim D ichterw ort.
W erner R ichter
N och diim W ese, noch diim W ii,
noch em junge, starche Rhii,
noch em Land im Bluescht un Schii
stoht miin Sii.
U n dii Sproch, wie dunkli G locke,
sam tig w arm , so duet si locke
zue dir hi,
ewig zue miim Land am Rhii.
Paul Sättele
M it diesem R ückblick w urde versucht, die
H eim atdichter der gew esenen und der älte­
ren G eneration vorzustellen und ihre W erke
in E rinnerung zu rufen. Beglückend ist es,
daß die junge und neue alem annische D ich­
tung bei einer großen Z ahl von M enschen ei­
nen P latz gefunden hat, w o W urzeln, Blüten
und Reife m it G edicht und Lied den Fortbe­
stand dieses K ulturelem entes sichern werden.
G em einsam w ollen w ir das Erbe hüten und
in die Z ukunft schreiten m it dem G rundsatz:
S G uat vum Alte bhalte
un m uatig s N eui gstalte!
Neue alemannische Dichtung am Hochrhein
Versuch einer Bestandsaufnahme
Gerhard Jung, Lörrach
„ Und aus des Nebels W olkenkreis
hebt sicb’s w ie eine H and:
Der alte Hebel segnet leis
sein alemannisch L and!“
Diese V erse von Josef V ik tor von Scheffel
fielen m ir ein, als ich den A nfang für mein et­
was leichtsinnig versprochenes „W erk“
suchte. D ie V ision des alten M eisters, der da
auf dem Feldberg sitzt und seine A ugen über
das Land am H ochrhein schweifen läßt, vom
Jurariegel des R anden bis ans R heinknie mit
der stolzen „tollen“ Stadt Basel und w est­
w ärts hinauf bis nach Freiburg, der Stadt
„des W aldes, des W eines und der G otik“ und
w eiter rundum über die H ö hen des Süd­
schw arzw alds, diese V ision kam m ir im m er
w ieder in den Sinn, als ich mich m it der
„neuen“ M undartdichtung näher befaßte.
Fast körperlich spürte ich das Lächeln des
„Schutzgeistes der A lem annen“ über m einen
V ersuch. B estandsaufnahm e der neuen ale­
m annischen D ichtung am H ochrhein? D a
hast du dich in etwas eingelassen, Freund!
N u n gut, aus der B estandsaufnahm e ist nur
Stückw erk gew orden. A ber auch ein Anfang
ist nützlich. B egrenzungen sind ohnehin
nicht zu verm eiden, w enn Bestand aufge­
nom m en w ird. Das hat schon H u bert Baum
erfahren, als er 1968 seine A nthologie
„Freude am alem annischen G edicht“ schuf,
K arl K urrus ging es nicht anders, als er zehn
Jahre später für die M uettersproch das „s lebig W o rt“ zusam m enstellte. Sie w aren mir
V orbild und B egrenzung zugleich. Aller­
dings habe ich in m eine Bestandsaufnahm e
auch einige junge D ichter aufgenom m en, die
schon im „s lebig W o rt“ zu finden sind. Ich
glaubte, diese A usnahm e m achen zu dürfen,
weil es sich dabei um M enschen handelt, die
in den fünf Jahren gereift, verändert und ge­
w achsen sind wie etw a M anfred Bosch, M ar­
kus M anfred Jung, Johannes Kaiser, W olf­
gang Scheurer oder M onika Schreiber-Loch.
„Am H o chrhein“ bedeutet hier leider nur die
U ferstrecke rechts des Rheines von W aldshut
bis an den K aiserstuhl und das Stück Süd­
schw arzw ald, das eine V erbindungslinie die­
ser E ckpunkte nach N o rd en abgrenzt. N a ­
türlich w iderstrebt es m ir sehr, den R hein als
„G renze“ zu bezeichnen, für die M undart ist
er ja viel eher ein verbindendes Elem ent.
A ber die „neue“ M undartdichtung in der
Schweiz und im Elsaß einzubeziehen, w ar
schlichtw eg unm öglich. D as m uß späteren
A ufsätzen Vorbehalten bleiben.
Als „D ichterinnen und D ichter“ suchte ich
aus, w er in den letzten Jahren B ücher in
M und art verfaßt oder in W ettbew erben be­
sonders auf sich aufm erksam gem acht hat. Es
ist m ir sehr w ohl klar — vor allem aus den
alljährlichen V eranstaltungen des H ebel­
bunds L örrach „W er kann, der darf“ (Reihe:
B egegnung m it D ichter und W erk) — daß es
noch viele versteckte und w ertvolle T alente
gibt landauf und landab, die eigentlich hier
erw ähnt w erden m üßten. D ie Ausw ahl der
M undartpoeten, die nachstehend — in alpha­
betischer Reihe — m it Bild, Leben und K ost­
proben der A rbeit vorgestellt w erden, hat d a­
her viel Zufälliges und U nvollkom m enes an
sich. Sie kann und will nur ein A nfang sein,
der zw ingend nach E rgänzung und Fortfüh­
rung ruft. N ehm en Sie, liebe Leserin und lie­
ber Leser, m it diesem A nfang gütig vorlieb!
331
B Ö H L E R -M U E L L E R , Charlotte El
w ohnt seit 1948 im M arkgräflerland.
A nschrift: B ruckm atten 18, 7889 G renzachW yhlen
Die am 5. April 1924 in B uxheim /A llgäu als
neuntes Kind from m er und m usischer Eltern
geborene D ichterin m usizierte, kom ponierte,
m alte und schrieb G edichte schon in jungen
Jahren. Vieles entstand in den N achtdiensten
im K riegseinsatz zw ischen 1941 und 1945.
Als H ausfrau und M utter von vier K indern
blieb ihr lange versagt, B ücher herauszuge­
ben; V eröffentlichungen in der Presse so­
w ohl im W o hnort G renzach als auch im be­
nachbarten Basel, w oher ihr E hem ann
stam m t, oder in der Jugendheim at M em m in­
gen erschienen und erscheinen seit zw anzig
Jahren regelm äßig. Ihr N am enszeichen
C hB M stand und steht unter zahlreichen Be­
richten, B etrachtungen und G edichten.
C hB M ist außerordentlich vielseitig, ohne
dadurch ihre gerade Linie zu verlieren, den
G rundton einer frohen, lebensbejahenden
Fröm m igkeit. E r spricht aus ihren hochdeut­
schen V ersen und A phorism en ebenso wie
aus ihren G edichten und E rzählungen in der
A llgäuer M undart oder im G renzacher A le­
m annisch, das sich die „Z ugereiste“ m it A ch­
332
tung, E rnst und Liebe als M uttersprache für
M ann und K inder angeeignet hat. Es ist ihr
längst keine Frem dsprache m ehr. Ihre beson­
dere M usikalität erleichterte ihr das E infüh­
len in das W esen der alem annischen M und­
art, das spürt m an in ihren G edichten beson­
ders. C hansons und T anzschlager aus ihrer
Feder w urden verlegt und w aren schon
m ehrfach im R undfunk zu hören.
U ber ihre A rbeit sagt C harlotte B öhler-M ueller selbst: „Ich schreibe, weil mir die G edan­
ken einfallen und weil ich diese G abe als ver­
pflichtendes T alent auffasse. Es ist mein
W unsch, den M enschen dam it H offnung
und T ro st zu bringen; das Stückchen BLAU
am m anchm al grauen H im m el zu zeigen, in­
dem ich lediglich das schreibe, was andere
ebenfalls denken und fühlen, wie m ir oft ver­
sichert w ird.“
Folgende Bücher von Charlotte El Böhler-Mueller
sind bisher erschienen:
BU X H O IM ER G’SCHICHTLA U N D GEDICHTLA (1980)
M artin Verlag, W alter Berger, Buxheim/Allgäu;
SENDEPAUSE DER ERW ARTUNGEN (1981),
Aphorismen und Definitionen
M artin Verlag, W alter Berger, Buxheim/Allgäu
N IM M DR ZIT! (1982) alemannische Gedichte
Mund- und Herzensart.
P. K. Schneider Verlag, 7889 Grenzach-W yhlen 2
FÜR JED EN AUGENBLICK (1982), Glück­
wunsch, D ank und Trostgedichte, alemannisch
und Schriftdeutsch.
P. K. Schneider Verlag, Grenzach-W yhlen 2
PERLEN FÜR D IC H (1982), Aphorismen und
Lebensansichten.
P. K. Schneider Verlag, Grenzach-W yhlen 2
In einigen Anthologien und Jahrbüchern sind
Aphorismen und Gedichte von ChBM zu finden,
weitere Veröffentlichungen — unter anderem auch
mit M undartsketchen in Alemannisch — sind in
Vorbereitung.
N im m dr Z it!
A m M orge w enn im Bett verwachsch
Un zringsum liht no alls in Rueh
Bis u f es Vögeli w o singt
D no los em au e Rüngli zue!
E Plappermüüli schwätzt un schwätzt
Vo tuusig Sache wo's w ött due
Vo tuusig Sache wo's scho w eiß
Chumm, nim m dr Z it un los em zue!
D in M aa chunnt vo der A rbet heim;
H ü t het er bis do obe gnue;
Hättsch du au z ’schaffe: N im m dr Z it
Un los im zerst e Rüngli zue!
En alte Mensch — er lebt ellei —
W ird selte g ’frogt noch sinem Due;
W enn sellem ’s H erz grad übrelauft
D no nim m dr Z it un los em zue!
So denk doch au: de liebi Gott
H et g w iß bi Tag und Nacht kei Rueh
So oft D U aber an E N denksch
Luegt E R di a un lost dir zue!
333
B Ö H L E R -L O R IT Z G E R T R U D
A nschrift: Schopfheim er Straße 50,
7867 W ehr/B aden
Am 5. O k tober 1919 in W ehr am Fuße des
H otzenw alds geboren und aufgew achsen,
hatte die D ichterin schon in der Schule ihre
Liebe zum Schreiben und Fabulieren ent­
deckt. Später, als sie einen Schwerkriegsbe­
schädigten M ann und drei K inder zu versor­
gen hatte, sprudelte das B rünnlein ihrer
D ichtung m eist nur für den „H ausgebrauch“
bei Fam ilienfesten oder — was bei einer
„W ähreri“ nicht zu verw undern ist — an der
Fasnacht. Erst als dreiundsechzigjährige
G roßm utter w agte sie sich auf das D rängen
ihrer Freunde hin an die Ö ffentlichkeit.
M und art als Sprachm ittel ist ihr angeboren
und selbstverständlich. Sie will mit ihren von
H erzen kom m enden und zum H erzen re­
denden V ersen Freude oder T ro st schenken.
Lebenserfahrung und viel G em üt sprechen
aus den schlichten Aussagen, deren T hem en­
w ahl im m er im vertrauten U m kreis und Le­
benskreis bleibt. Sie ist eine echte „H eim at­
dichterin“ m it all den hohen G raden und
auch den B eschränkungen, die in diesem
W o rt stecken.
Von Gertrud Böhler-Loritz ist im Selbstverlag er­
schienen: HEB DI GUET, alemannische Gedichte
(1982).
334
Muetterschproch!
M ir Alem ann hen e Schproch,
die schmöckt noch altem Wii,
s’isch, w enn si u ff de Zunge hesch,
en Ärdguu no debii.
Eusi Alemanne-Schproch,
die schmöckt noch Buurebrot,
so härzhaft chärnig, si isch grad
us rächtem Chorn und Schrot.
It jede cha die Schproch verschtoh,
it jede mag si höre,
mängge duet in eusre Schproch
de herti Ton drin schtöre.
Die Schproch, die het is d ’M uetter g ’lehrt,
und dodruff sin mr schtolz,
bodeschtändigi Alemanne,
die sin us g ’s undem Holz.
Im L a u f vo de Johrhunderte
het mängge welle bigge
ins g ’s undi H olz e Kerbe dri,
doch keim het’s welle glügge.
M ir bliibe treu de Muetterschproch,
me wen si sorgsam pfläge,
no w ürd si eus und euse C hind
au witerhi zum Säge.
Folgende M undartbücher gibt der Dichter im
Selbstverlag ab:
UF DEN TAG W ART I (1976)
M IR H O N D N O GNUEG AM AALTE (1978)
IH R SIND M R N O E SCHÄNE GSELLSCHAFT (1980)
BO SCH M AN FRED
A nschrift: N eum attenw eg 30, 7888 Rheinfelden
Paradox
D er 1947 geborene freie Schriftsteller ist in
Bad D ürrheim im Schw arzw ald geboren,
dort und in Z ell/H arm ersbach zu r Schule
gegangen und kam als G ym nasiast nach R a­
dolfzell, das ihm w ohl die w ichtigsten Ein­
drücke für seine T ätigkeit als M undartdich­
ter mitgab. Am H ochrhein lebt er m it Frau
und K ind seit 1980.
N eben sehr vielen schriftdeutschen W erken
des sozialkritischen und politisch hellw achen
Schriftstellers treten die G edichte in Bodensee-M undart scheinbar in den H intergrund,
sie sind aber alles andere als Ausflüchte oder
gar geruhsam e R astpunkte. A uch in der
M undartdichtung käm pft M anfred Bosch ei­
nen unerbittlichen K am pf gegen die V erlo­
genheit und V erderbtheit der Gesellschaft.
D er engagierte K riegsdienstgegner schont
w eder sich noch seine U m w elt, w enn es
darum geht, der M enschlichkeit Bahn zu
brechen, D ickichte zu durchstoßen, Sümpfe
w egbar zu m achen.
F ür seine M undartdichtung erhielt M anfred
Bosch 1974 einen 2. Preis des süddeutschen
R undfunks, 1976 einen ersten Preis des ale­
m annischen G esprächskreises und 1978 den
Bodensee-Literaturpreis der Stadt U berlin­
gen.
Grad etz
wo s sovl
Arbeitslose hot
gäbs meh denn je
aazpacke
Froog i den Kerle:
W em gheersch D u ?
Seet der:
m ir selber
I glaub
etz simmer go
so w iit
Wa no it isch
kaa no werre
w a it werre kaa
bruucht au it si
un wa it sii bruucht
goht mi au nind aa
W er it woos
w anner w ill
isch mr
it grien
A ber die
wo s ganz genau
wisset
vor sellene
isch mrs
himmelangst
E tz hommer
si seil Z iit
vu dere se
emol saget:
friener isch
alls besser gsi
Siehsch:
so schnell
bisch zfride
335
BURTH THOM AS
Anschrift: T alstraße 67, L angenau, 7860
Schopfheim
Thom as Burth ist ein „Seehaas“, den es 1982
ins W iesental verschlug. D er 1934 geborene
D ichter fand über die Berufe als T extilkauf­
m ann und Lehrer an der kaufm ännischen Be­
rufsschule zum Bankfach. E r ist heute M ar­
ketingleiter einer großen Schopfheim er
Bank.
U ber seinen W erdegang als M undartdichter
sagt er selbst: „D aheim in der M undart auf­
gewachsen, setzte ich in den Jahren der be­
ruflichen W anderschaft (K aiserslautern, H ei­
denheim , Singen) alles daran, den D ialekt
aus m einer U m gangssprache zu verbannen
und durch ein einw andfreies Schriftdeutsch
zu ersetzen. Ich w ollte endlich einm al nicht
m ehr als B adenser, Schw eizer oder Schwäble
eingestuft w erden. N ach vielen Jahren —
längst w ieder daheim — äußerten nordd eut­
sche K urgäste ihre V erm utung, daß ich si­
cher nicht von hier sei, da ich ein richtiges
D eutsch spräche und sie mich deshalb ver­
stünden, was bei den anderen E inw ohnern
nicht der Fall sei. M ein Kom plex w ar über­
w unden. Ich ging der R adolfzeller M undart
wie einer Frem dsprache nach — die ich noch
gut beherrschte — und ließ mich von der U r­
336
sprünglichkeit dieser Sprache, dem herben
K lang und der V ielgestaltigkeit faszinieren.
Es reizte mich, Sprachbilder zu zeichnen mit
unkonventionellem M aterial, Stim m ungen
und R hythm en hervorzuzaubern, w o man
keine verm utet. So entstanden E rzählungen
und G edichte, die sich nicht reim en.“
T hom as Burth w urde R ezitator und H ö r­
spielsprecher, er begann Z eitungskolum nen
zu schreiben, H örspiele und Aphorism en.
D ichterlesungen landauf und landab schufen
ihm viele Freunde.
Von Thomas Burth gibt es folgende M undartbü­
cher:
KLÄNE BILDLE, Radolfzeller M undart (1976)
im Selbstverlag
GSCHW ÄTZT W IE G M O LET; Radolfzeller
M undart (1980)
Verlag Südkurier Konstanz
A verflixte Gschicht
Sisch ä verflixte Gschicht
daß de meischt vu dene
ehhes hom zahlt kriegsch
dene du ga m ix vedlehnet hosch
De Geizige
I ka des Elend it sehne
set de Geizige
und lueget schnell u f d ’Siite
Zum Lache
Sisch doch grad zum Lache
w i schnell ä saudumms Gschwätz
gar nim i so saudumm isch
wem er dodemit globt w ird
Emigrazion
Er glaubt
Geld kennt it alls si
’s Büro kennt it ’s Lebe si
de Boss kennt it ’s Oberscht si
d ’R ente kennt doch it \ Letscht si
Er glaubt ebbes anders
winers vum Gschäft her
manchmol glaube sot.
W a nem blibt
isch all Dag die Emigrazion:
hom.
D IETSC H E FRANK
A nschrift: 7842 K andern-Sitzenkirch
G eboren w urde Frank Dietsche in Berlin am
18. O k tober 1938, aber schon nach drei M o­
naten siedelte er nach G renzach über, w o er
in fast rein bäuerlicher U m gebung aufwuchs
und w urzelte. E r besuchte das H ebelgym na­
sium in L örrach und w echselte nach Basel
und Bern, w o er die M aturitätsprüfung ab­
legte. Studienjahre in Basel und M ünchen
folgten. 1967 w urde er Lehrer. E r ist verhei­
ratet und hat drei K inder. Seit 1970 w ohnt er
in Sitzenkirch. Seine besondere M usikalität
m achte ihn bald zum begehrten C horleiter.
Professor Percy G. W atkinson gab ihm A n­
stoß und Erm utigung, Lieder und Balladen
in alem annischer M und art zu schreiben und
zu vertonen. H eiterkeit und Besinnlichkeit
und viel H erzensfrische sind seinen volks­
liednahen M elodien eigen. Seine Lieder vom
„W älderm aideli vo V ogelbach“ oder von der
„Zibelew aihe“ sind überall daheim , w o ale­
m annisch gesungen wird.
338
Frank Dietsches Lieder sind enthalten in ALE­
M ANNISCH Z ’SINGE, Lieder und Chöre aus
unserer Zeit (1979), herausgegeben vom O ber­
markgräfler Sängerbund, Postfach 2112, 7850
Lörrach.
Waie-Lied
Text und Melodie von Frank Dietsche
Vorsänger
G
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WTF
1. Z i- b e - le schnätz-le ch a -n i nit,
Alle:
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( 8)
*
Am
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Satz: Percy G. Watkinson
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Ü— t5r
i mueß im - mer
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- r - *Doch wenrfsZi - be - le - wai - e git,
sei - li tue - ni
Doch wenrfsZi - be - le- wai - e git, sei - li tu e -n i
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(»)
plä - re,
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geh - re!
geh -re!
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Kehrvers
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Im Pflueg git’s gnueg, gifs gnueg!
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Pflueg,
Im Pflug,
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Im
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2. Un wenn Fritigzobe isch.
hock i in de Chare.
Denn, wer richtig hungrig isch,
mueß uf Holze* fahre.
3. Zibelewaie hebt de Muet,
stärkt der Chopf un Mage.
Schmeckt sogar de Preuße guet,
wenn si’s au nit sage.
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gnueg,
gifs gnueg.
Im
Im Pflueg git’s gnueg, gifs gnueg!
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gnueg Z i- b e - le - w a- ie!
gips Z i- b e - le - wa - ie!
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4. Zibelewaie schmeckt im Ma
un schmeckt au de Wiber.
Was me nochher höre cha,
seil verschwigi lieber.
6. Waie ohni Rebewi
seil isch’s halbe Lebe.
Schenk mer none Gläsli i
un leer nüt dernebe!
5. Hesch die ersti Waie gha,
muesch e Päusli mache.
Bschau die Maidli nebendra,
wie si fründli lache.
* Der »Pflug« ist eine bekannte
Gaststätte in Holzen, einem
D orf im Rebland. Der Name
kann entsprechend den
örtlichen Gegebenheiten
abgewandelt werden.
Lied für Vorsänger (mit Gitarre) und Chor (Männer-, Frauen- und Kinderstimmen ad libitum)
339
den 1. Preis für M undartlieder. E r gründete
dann die G ruppe „K U M G ESELLE M IN “,
die vor allem alte Lieder und T änze pflegte.
1981 erhielt er erneut einen Preis vom Land
B aden-W ürttem berg.
Im Selbstverlag hat der Künstler zwei Schallplat­
ten herausgegeben:
I WILL N IT, LP, mit M undartliedern (1980) und
C H R U TT U N TER D H U TT, LP mit M undart­
liedern (1982)
FÜH R E U LRICH
Anschrift: 1. H erderstraße 5, 7000 Stuttgart 1
2. K eltenring 101, 7800 K irchzarten-B urg
D ’Gränze cha me vergässe
Es geht eine dunkle W olk herein
Entfleucht dem W yhler Fessenheim
„U lli“, wie ihn die zahlreichen Freunde nen­ U nd hat hei W estw ind still und sacht
nen, w urde 1957 in L örrach geboren, wuchs G anz Freiburg in den H im m el bracht.
in H aagen, G renzach, L örrach und Freiburg
auf. E r studiert in Stuttgart M usik.
Vor de staatliche Landesschutzmuure
M usik ist das Lebenselem ent des jungen Gits kei H alt fü r de Rüge de suure
K ünstlers, er beherrscht nicht n u r m ehrere Er stigt in d ’H öchi, haut ab mitem W ind
ganz verschiedene Instrum ente, er dichtet Z ’H onolulu stirbt ä W ald ganz gschwind.
und kom poniert auch in einer ganz ihm eige­
nen Art. H u m o r und bitterer Ernst, Leicht­ A m M endig keit d ’Ciba Geigy ihre Drück
sinn und Schw erm ut w echseln bei ihm wie Z ’B asel in de R hii un dä Drück fließ t ewäg
Licht und Schatten einer Landschaft. E r sagt A m Friddig hän d ’M änsche in H olland scho
selbst: „A ngeregt w urde ich durch irische Chopfweh un M ageweh übercho.
und bretonische L iedersänger, die in ihrer ei­
genen Sprache (im D ialekt) sangen. Das gab D ’Gränze, diä chasch vergässe
es in Baden in diesem R ahm en nicht. An un ­ D ’Gränzstei sin lang gnueg gsässe
sere überlieferten Lieder w ollte ich m it eige­ Was des no soll
nen T exten anknüpfen und heutige Sicht Süll mitem Zoll
ausdrücken, und das in der M undart. H ier Denn s’G ift reist durs Land
ist für mich die V erbindung von H erz, K opf O hni Paß in de H and
und M und am innigsten ausgeprägt. M it H u ­ Verdirbt uns s’Wasser, d ’L uft un s’Ä sse!
m or und Ernst, m it leisen, feinen T önen und
lautem , derbem G ezeter, mit politischer M ei­
nung und privaten A nsichten m öchte ich so
recht ein Bild unserer W esensart und m einer
eigenen Person m alen.“
W ie einige andere w urde Ulli Führe in der
A ktion „Junge M und art“ des alem annischen
G esprächskreises 1976 nicht nur entdeckt,
sondern auch w esentlich gefördert. E r erhielt
340
H O F M A IE R R O L A N D
A nschrift: W aldstraße 61, 7853 Steinen
Am 20. Januar 1946 w urde er in W ehr gebo­
ren, kam später als junger Speditionskauf­
m ann ins W iesental, w o er heute als W erbe­
texter seinen Lebensunterhalt verdient. R o­
land, genannt „H ofi“ ist verheiratet und hat
einen Sohn. 1976 begann er „aus Plausch“,
M undartlieder zu schreiben und vorzu tra­
gen; seit 1978 w irkt er aktiv im V orstand der
M uettersproch-G sellschaft mit und ist im ­
m er w ieder am R adio zu hören oder im
Fernsehen dabei. N ach seinen eigenen W o r­
ten schreibt er: „Eifach w il’s m ir Spaß m acht
un andere Lüt au — un des m acht m ir nom eh
Spaß. U sserdem cha me bim Singe prim a dr
A rger vertriibe un ablade.“ U nd was will er
bewirken?: „E bizzeli Freud unter d’Lüt
bringe und au ew eng zum N ochdenke arege
— d W elt verbessere chan i doch nit (W enn s
au schön w ar, si tat sich ew eng bessere).“
R oland H ofm aier ist ein echter Barde, der
sich auf der Straße m it seiner G itarre in der
H an d genau so w ohl fühlt wie im K onzert­
saal. D urch seine ungekünstelte A rt strahlt er
Fröhlichkeit und Optim ism us aus, obgleich
m anche seiner T exte alles andere sind als
„leichte K ost“. E r hat nicht nur Lieder, son­
dern auch T heaterstücke geschrieben, die ins
Archiv für alem annische M undartspiele auf­
genom m en sind.
Veröffentlichungen:
M ÄNKM OL M EIN I, Langspielplatte mit M und­
artliedern zur Gitarre gesungen (1980),
Verlag ELRO TO N , W aldstraße 61, 7853 Steinen;
LIED /RIGS VO GESTERN U N M O RN , Lie­
derbuch, 1981, M oritz Schauenburg Verlag, 7630
Lahr;
„. . . EINEW ÄG“, Langspielplatte (1982) mit
M undartliedern zur Gitarre. Verlag ELROTO N,
W aldstraße 61, 7853 Steinen.
341
Im W isetal
Vorspiel
Am
C
C
w o nit rieh - tig hoch-dütsch c h a ,
Am
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m ueß er sich fascht s’M uul ver - ris - se!
Kehrvers: (Alle)
1.-7. Im
m
Wi - sc-tal, do schw ät-ze m ir
’s breitsch-te
C
pp
A - le - m an-nisch;
F
s c h w ä t-z e m ir wie
im
G
Wi - se - tal. ;io
C
d ’Schnure g ’w ach-se-nisch!
2. C hunnt ein usem N orde her, no fallt em’s H öre grüsig schwer;
e mänge het scho boshaft gsait; die Sproch, di sig e Halschrankheit!
5. Z ’ Liecht go heißt, dr N ochber bsueche, im Chänsterli, do
stoht dr Chueche. Güllere heißt, dr Bode dünge; chlüddere — hinte
use singe! .
3. W enn öbber nach dr U hrzit frogt, no isch er mangmol zimli
plogt: Denn Viertel isch nit Viertel vor, des klingt zwar zimli glich
im Ohr.
6. E Schlurbe isch e alte Schueh, mit Gufe macht me d’Chleider
zue. E Tschumpel weiß nit, was er will, e Schwauderi schwatzt
meistens z’viel!
7. Die, wo jetzt nüt verstände hän, wo’s aber no gern wisse
wann, chönne alli zue m r cho — i ha ne Übersetzig do!
4. Zischtig isch e W uchetag, e Chaib ein, wo mr gar nit mag, in
d’ Chratte chömme d’ Chirsi dri, ins Chrüsli chunnt dr neue Wi!
342
Veröffentlichungen: Neben einigen schriftdeut­
schen Texten, die in der Zeitschrift „Allmende“
oder auch im Südwestfunk Raum fanden, gab
Heinz G. H uber heraus:
DITTLI GNUE, Gedichte in niederalemannischer
M undart, Deyflsgiger-Verlag (1978).
H U B E R H E IN Z G.
A nschrift: G renzstraße 32, 7551 Elchesheim Illingen
Eigentlich ist er ein „A ußenseiter“, einer, der
w eder räum lich noch sprachlich in diese
Reihe paßt. H einz G. H u ber ist näm lich
1952 in O berkirch im R enchtal geboren und
in N ußbach aufgew achsen, er hat das G ym ­
nasium in O ffenburg besucht und in Freiburg
D eutsch, G eschichte und V olkskunde stu­
diert. Seit 1980 ist er L ehrer am G ym nasium
in D urm ersheim bei K arlsruhe. A ber H einz
G. H u b er gehört in die Reihe der jungen
M undartdichter, die um ihren eigenen Stil
und die eigene Aussage ringen und der
M undartdichtung seit einigen Jahren neue
D im ensionen und G ebiete öffnen. D aher
steht er m it R echt in dieser B estandsauf­
nahm e, zugleich auch als V ertreter des N ie­
deralem annischen. Z u seiner A rbeit sagt er:
„W arum schreibe ich? Ich fühle mich nicht
als M issionar und gehe auch nicht m it ir­
gendw elchen Ideen oder Ideologien hausie­
ren. Ich schreibe zuerst für m ich, um für
mich K larheit zu schaffen, um m eine H e r­
kunft und m eine G egenw art zu begreifen.
W as nicht ausschließt, daß Selbsterkenntnis
auch oder gerade ein Stück W elterkenntnis
ist. D urch das Schreiben gew inne ich für
M om ente ein Stück Selbstsicherheit zurück,
Selbstvergewisserung ist für mich als skepti­
schen M enschen die einzige M öglichkeit zu r
G ew ißheit überhaupt.
Deheim
de w ä
verwurstelt — di
w idder zwische
de hiiser fensterläde
w inke — di
vorbei
dorfrätsche
schäbere us de w inkel
burscht rawoose
in de heef
e kueh
maucht dezwische
ich bolier
m ini maske u ff
stell s muul
u ff schwetze durch
ich lang — mer
vum kirchdurm
e scher schnäfl — mer
e blaus stick him m el us
un bäbbs —- mer
an de k ö p f
dann bini
deheim
343
JU N G M ARKUS M ANFRED
A dresse: O berm attw eg 11, 7850 Lörrach
apasse m ueß. Für mi lön sich au abschtrakti
G edanke in de M undart usdrucke, wenns au
viile ungw ohnt vorcho mag. M i Sprooch isch
dodäw ege nit allwiil liicht z verschtoh. W o rt­
form un W ortsinn vo mine G edicht sin eins
im Alige, s R echt vom Einzelm ensch gege
„V erm arktung und V erm assung“ feschtzschriibe.
M arkus M anfred Jung, gebore am 5. O k to ­
ber 54 z Zell im W isetal. M uetter: K lara
Jung, geboreni W uchner, e tüchtigi H uusfrau. V atter: G erhard Jung, L ehrer an de
Poscht un M undartdichter, V orbild in viilem.
U fgw achse z L örrach un z Stette. D o rt
V olksschuel, G ym nasium , däno W ehr- 1. Preis (Prosa) in der „aktion junge mundart“
dienscht (hintenooch verw eigret). Sit 76 Stu­ 1976
dium z Friburg (D eutsch, Sport, Skandinavistik, Philosophie) m it drei U slandssem eschter z N orw ege. Ab dem Spötlig R eferendar
fürs L ehram t Aa (Arbeitsloseaw ärter). E
Buech m it Zeichnige vom R obert K arch isch
in V orbereitig.
I schriib in de M undart, wel i sellene M uet
m ache w ott, w o m eine, si hebe nüt z sage;
wel s Alem annisch mi erschti un liebschti
Sprooch isch (N orw egisch un H ochdütsch
chan i tro tz sibejährigem Studium nit so
guet), un well i m ir un all dene e bizzeli
Selbschtvertraue geh w ott, w o sich w ien i
vom m änkm ool idiotische Z w ang zue de
H ochsprooch unterdruckt vorchöm m e. I
probir z zeige, aß d M undartdichtig nit
num m e vorgfertigti Sproochform le benutze
m ueß, sondern schöpferisch sii cha, wie jedi
Sprooch, w o no lebt un sich V erändrige
344
Rägesuur
D Nodle
vo de Tanne
naihe d W unde nümm
vom gfurchte Bode
Chettespuure
vo verschleppte Bäum
A ll liechter
grinst de W ald
un
rägesuur
Begegnig
E rotis Tuech
isch d Seel mer gsi
grad gnaiht us Sunnestaub
I häng mi Lachen
übre Hag
un frog di liis
du
magsch mi so
Doch nimmsch mer
eifach d Auge weg
un d H änd un dini W ort
ganz nackig stand i do
M i Lache
bloosts as Staub vor d Sunne
un loßt mi hilflos zruck
un u f em Hag hängt
w on i gang
mi Tuech
u f d Zacke
gschpiißt
345
KAISER JO H A N N E S
A nschrift: H auptstraße 31, 7800 Freiburg im
Brsg.
spannung verhelfen, andererseits als Identifi­
kationsangebot, insbesondere für meine G e­
neration, betrachtet w erden können. Ich ver­
stehe meine T exte als Form ulierung subjekti­
ver Problem atiken, die in der Form ulierung
w enigstens ansatzw eise analysiert sein sollen.
Ich w ünsche mir, daß sich viele junge M en­
schen darin w iederfinden und viele A ltere die
Jungen dadurch ein bißchen m ehr verstehen
lernen.
2. W arum schreibe ich in der M undart?
W eil es um meine eigenen G edanken und
G efühle geht und ich nun mal nur in m einer
eigenen Sprache diese ausdrücken kann.
W enn daneben bewiesen w ird, daß in der
M und art durchaus zeitgem äße T hem en
durchaus zeitgem äß ansprechbar sind und
andere dadurch zum D ialektsprechen erm u­
tigt w erden, kann das nur nützen.
G eboren w urde er am 28. N ovem ber 1958,
im H otzenw ald (Birndorf) und im W iesental
(Steinen) wuchs er auf, seit 1978 studiert er
in Freiburg G erm anistik und katholische
Theologie.
Im W ettbew erb des alem annischen G e­
sprächskreises „aktion junge m undart“ 1976
erhielt er einen 1. Preis für seine G edichte.
M ehrere Preise konnte er seit dieser Z eit er­
ringen, so 1977 den Scheffel-Schuipreis der
literarischen Gesellschaft K arlsruhe, 1978 ei­
nen 4. Preis der ST U T T G A R T E R N A C H ­
R IC H T E N , 1981 einen 3. Preis im W ettbe­
w erb „m undart 81“ des Landespavillons Ba­
den-W ürttem berg. G edichte von heute selte­
ner G efühlsw ärm e, ja von G efühlsstürm en
Buchhinweis: SINGE V O DIR U N ABRAXAS,
bestim m t, zarteste lyrische und starke Liebes­ Gedichte
in alemannischer M undart, M oritz
lieder stehen bei Johannes K aiser neben zeit­ Schauenburg Verlag Lahr (1980).
kritischen und nach den U rw ahrheiten des
Lebens suchenden G edichten; auch als A utor
von Jugendspielen und H örbildern hat er
schon auf sich aufm erksam gem acht.
Z ur M otivation für sein Schreiben sagt er:
1. W arum schreibe ich?
Es geht dabei in erster Linie um die V eräu ­
ßerlichung von Ideen und Em pfindungen,
die einerseits m ir selbst zu psychischer E nt­
346
Schattechind
Schwarz schwärme Vögel vor em Blau
Un Rösser über d ’A ue
’S Gras schmeckt w ie gschnitte dur de Tau,
Unter em Laub gärt erdig rauh
E Duft, riich w ie vo Fraue.
W ie wiiße, siidig liichte W ind
Verbirgt fleischigi Rinde,
Isch’s w ider cho, ufregend gschwind,
W o mi verfolgt, seil Schattechind,
Un draiht sich hinter d ’B ünde.
Un do sin d ’B ilder wider, lön
M i nüm me los im Schöne,
Die ghuuchti Hut, wo Dropfe stöhn,
Un H oor un Bei, wo gschwunge göhn,
Un Wort, w o dunkel töne.
W ie stiife, strehnig schwere W ind
Zieht furt, was fescht w ill gründe,
Isch’s w ider cho, ufregend gschwind,
W o mi verfolgt, seil Schattechind,
Un draiht sich hinter d ’B ünde.
Satt schlat de Geschmack w ie glieihig hell
D ’Gedanke us em Warte,
So luck un liedrig jedi Stell,
Sag, M aidli, bisch es du, sag schnell,
Un loß mi stoh im Garte.
KARCH ROBERT
A nschrift: Fürstensteinerstraße 36, C H -4053
Basel
sprache. M ir geht es beim Schreiben nicht in
erster Linie darum , die R ealität m öglichst
„ausgew ogen“ w iderzuspiegeln, sondern
beim Leser etwas zu provozieren (m anchm al
1949 ist er in Basel geboren, aufgew achsen ihn selber). V on einer — unausgesprochenen
aber auf der rechten Rheinseite in Riehen. — U topie (m an könnte auch sagen: einem
K arch hat eine Schriftsetzerlehre hinter sich, Ideal) ausgehend und sozusagen zurück­
m ehrere Jahre w ar er in diesem Beruf tätig. schauend auf den Ist-Z ustand, der dabei
E r soll hier als Beispiel für die junge M und­ (verdienterm aßen) meist nicht ungeschoren
artdichtung der Schweiz und zugleich als davonkom m t, das ist, glaube ich, eine m einer
V ersuch einer Brücke in die alem annische A ntriebsfedern.
R egion Basel aufgenom m en w erden. Dies ist Im übrigen hege ich m it dem Schreiben im
um so m ehr berechtigt, als K arch sehr gute D ialekt keine besonderen „sprachpflegeri­
Beziehungen zum Badischen hat und hier schen“ A m bitionen; ein D ialekt bleibt so­
auch zu ersten Erfolgen kam ; so hat er 1981 lange lebendig, als er gesprochen w ird; an­
im W ettbew erb „m und-art 81“ des Landes­ dernfalls w äre er auch auf dem Papier nicht
pavillons B aden-B aden den 1. Preis erhalten. m ehr zu retten.“
U ber G rund und B edeutung seines Schrei­
Veröffentlichungen:
bens befragt, m eint R obert K arch:
SCHM ÄRZ U N D W UET, Gedichte
„H abe 1973 begonnen, auch in M undart zu ANGST,
und Sprüche im Basler Dialekt. Autorenverlag
schreiben; zuerst Sprüche und kleine G e­ „Der Stocherkahn“ D-7033 Herrenberg.
dichte, später kam en V ersuche m it H örspie­
len und B ühnenstücken dazu. Fühle mich
trotz D ialekt nicht vorw iegend an lokale
oder regionale T hem en gebunden. So wie
m an im D ialekt über alles reden kann, so
kann m an, glaube ich, darin auch über alles
schreiben. D en U nterschied zu r H ochspra­
che sehe ich nicht im W as, sondern im W ie.
Es dünkt mich, daß m an im D ialekt oft etwas
treffender ausdrücken kann als in der H o ch ­
348
Friide
Die alti Froog
Drum bitt i di innig:
W enn scho, denn kä m p f fü r di Land
M itre ufrächte Gsinnig
Und nit mitem G w ehr in dr H and
Sage Si
w orum schriibe
^ eigentlig.
. .. .
,
Well i mi Gscbwatz
nümm aloose mag
Böses Ome?
Ig n ff
M ir läbe
ime Schpital
w o Seele amputiert
Gsundgschriibe w ird
w ar si nüm m het
Das Syschtem
brucht Mensche
miteme Loch
zm ittst in dr Bruscht
sunscht klappt’s zämme
w iene leere Härdöpfelsack
1912
het z Basel
e Friidenskongräss
schtattgfunde
1914
isch dr Krieg usbroche
1982
het z Basel
w ider e Friidenskongräss
schtattgfunde
1984
isch au nüm m so färn
349
KROELL R O L A N D
A nschrift: K irchstraße 16, H olzen
7842 K andern 4
Das geistige Erbe der Salpeterer in heutiger
Z eit w achzuhalten und zu verw alten, ist R o­
land Kroells selbstgesetztes Ziel.
In zahlreichen H örspielen und im Fernseh­
G ärtn er und M usiker, Sänger und D ichter ist film „Die Ballade vom Lochheiri“ hat er als
er, 1954 kam er in Tiengen am H ochrhein A utor und D arsteller m itgewirkt.
zu r W elt, seit seinem sechzehnten Lebens­
jah r beschäftigt er sich intensiv m it der G e­ V eröffentlichungen:
U N D BALLADEN; Ro­
schichte, m it B räuchen und Sagen des SALPETERERLIEDER
land Kroell und die Gruppe Salpeterer — Eigen­
Schw arzw alds. D abei galt sein H auptinter­ verlag Langspielplatte
esse der Freiheitsbew egung der sogenannten SCHO SIT DUUSIG JO O H R , Roland Kroell
Salpeterer, die sich über m ehrere Jah rh u n ­ und die Salpeterer, Verlag W erkstatt Edition,
derte hinw eg „auf dem W ald“, wie damals Hauptstr. 17, 7887 Laufenburg
das G ebiet des Klosters St. Blasien noch all­
gem ein hieß, gegen die H errschaftsansprü­
che eben dieses Klosters mit Z ähigkeit w ehr­
ten.
Aus dieser Arbeit heraus gründete R oland
Kroell die M usikgruppe D ’Salpeterer, mit
der er in vielseitiger Instrum entation eigene
oder überlieferte Lieder singt und spielt, Lie­
der in denen es meist gegen heimliche oder
offene U nterdrückung des V olkes geht, ge­
gen die V ergew altigung der N atu r durch A u­
tobahnen, A tom kraftw erke, G iftw olken und
N eubaugebiete im südlichen Schw arzw ald.
Er will dam it nach seinen eigenen W orten:
„SA L PET E R ER N , d. h. sich aufm achen, in
Bewegung kom m en, nachdenken, sich verän­
dern, w ieder M ensch w erden, seine Identität
und seinen inneren Frieden w iederfinden“.
350
schönt ziitä
he — großmueder i dinre tracht
gib acht
dä wetterfrosch im glas
isch’s leiterli abekracht
he — ju n g schwarzwälderi
unter dinem bollehut
gib acht
suscht wörsch zu tourischtesalami vemacht
he — wälderbuur
m it dinre schönä matte
gib acht
suscht wörsch asphaldiirt
un m it dä dam pfwalzi planiirt
he — dalbüüri m it euem schönä h o f
gib acht
as me us euem h o f it ä hotel
un di zu de putzfrau macht
he altä schwarzwälder i dinre zipfelkap
im m uul ä pfiifä rauchsch än guete duback
gib acht
suscht wörsch igsperrt is reservat
as tourischte-attraktion antiquat
im black forest freizeitpark
un di großi transfusion
us asphalt blei gift un beton
selli stoht scho bereit
w enn dä konjunkturw ind zu üs duurä w eiht
I aber möchti läbä w ini bi
as schwarzwälder oder schwarzwälderi
I möchti dä natürlich kreislauf
nümms eifach läbä gern i k a u f
I möchti nüm m i nu schiilä nochäm geld
un debi vegessä d ’ ganz weit
I möchti w ieder gm ütli läbä
dä dag erläbä
m i un di erläbä eifach läbä
G Ä U N I T RAF F Ä G N IIS Ä U N I T V E M A C H Ä
Z II T H A U N I T R A A S Ä
L IE B Ä U N I T H A SS Ä
351
Wa meinsch Du?
M E IE R KLAUS
A nschrift: Am Landgraben 19,
7890 W aldshut-T iengen 16
W o Geld isch
isch de Düfel.
W o kchais isch
isch er zw eim ol
Er schwätzt vier Sproche:
hochdütsch
D er „Pöschtler“ aus G urtw eil ist am 28. Fe­ alemannisch
bruar 1939 im Schw arzw alddörfchen Bren- durch d ’Nase
den geboren. Als „W älderbüebli“ sam m elte un über d ’L üt.
er bew ußt und unbew ußt E indrücke aus ei­
ner W elt, in der die N atu r den M enschen Früehier — bildschö,
prägte, den bedächtigen, hagebuchenen W äl­ je tzt isch nu no s’B ild schö.
derschlag m it dem hintergründigen H um or.
Diese E indrücke w iderzugeben ist ihm w ich­ E Rüehli goht
tiger als das „D ichten“ m it M eterstab und über en Brüeli.
Reim buch. Es klingt daher m anches holperig
und krum m hölzern, was er zu Papier bringt, S ’isch nienet schöner als dehaim,
aber gerade das gibt ihm die besondere au w enn d ’H aim et e Saustall isch.
N o te, gerade deshalb kom m t er wohl auch
so gut an bei seinen vielen Lesungen. Klaus S git großi Säu
M eier steht sicher noch am A nfang und w ird un chlaini Säu.
noch m anches sich erarbeiten m üssen; er hat S git aber au
aber mit seiner natürlichen Fröhlichkeit und schöni Säu.
seinem feinen G espür für das Echte die be­
sten V oraussetzungen zum W eiterm achen.
A lti Liebi rostet it;
aber schimlig cha si werde.
V eröffentlichungen:
WA M EIN SCH DU? Gedichte und Sprüche in
der M undart des Hochrheins; Weidling-Verlag S ’isch doch verruggt u f dere Welt,
Stockach-Wahlwies (1981)
worum w ürd immer unte zäm m ezählt?
N Ü M M MI M IT, W EN N LACHE W IT, Ge­
dichte und Sprüche in der M undart des H och­
rheins, Weidling-Verlag Stockach-Wahlwies De Grichtsvollzieher kam — sah —
und siegelte.
(1982)
352
M A RQ U A RT M AN FRED f
Am 14. Januar 1982 verstarb der erst 54jährige in L örrach. E r w ar L ehrer und ein enga­
gierter N aturschützer.
D er T raum vom einfachen, heilen Leben
spricht ebenso aus seinen hervorragenden
G edichten wie seine große B itterkeit und
V erachtung einer W elt, in der der M ensch
nur nach seinem m ateriell m eßbaren „W ert“
gemessen w ird. Seine W orte w urden häufig
zu W affen, m it denen er auch sich selbst
nicht schonte. U ber seine B ew eggründe sagte
er m ir einm al: „s chunnt über mi als Reflex
gegen alles, was mi druckt, mii Sorg um d
U m w elt un d Innew elt vom M ensch hützetag « .
Ein m enschenw ürdiges Leben und eine le­
bensw erte H eim at zu fordern, w ar er nicht
m üde. E r nannte sich selbst „D er G lasm aa“
nach dem W ortführer der Salpeterer Joseph
M eyer aus der Au. W ie jener schm ächtige
kleine M ann scheute er keinen W eg und kei­
nen Kam pf, w enn es darum ging, gegen U n ­
terdrückung, A usbeutung und H euchelei ein
W o rt zu sagen. D aß dabei eine Gem ütstiefe
von seltener V erdichtung hinter seinen blit­
zenden D egenstößen zu finden w ar, zeigte
er nur seinen engeren Freunden, es ist aber
aus vielen seiner lyrischen G edichte zu erspü­
ren.
V eröffentlichungen:
ESO G O H T ’S IS!, alemannische Verse (1979)
N O O DE ZWÖLFE!, alemannische Verse (1981)
beide im Glasmann-Verlag, Rainstraße 13, 7850
Lörrach
De mied Chämpfer
Was wotsch noh go ne M ättli rette,
w o alles suscht verschandlet isch?
Was wotsch noh go di H erz verzette,
w o d ’ohni Chraft un H offnig bisch?
Was wotsch noh um e Hürschtli stritte,
w o sie der d'W älder zämmeschlön,
e Wegli wiise, ab u f d ’Site,
w o alli Stroße ’s Loch ab göh nf
Chasch’s nüm me hebe, muesch’s lo sure,
’s isch Wäger nüm m ’ di Sach.
’s goht alles näume n anderst dure,
gang ine un vermach!
Eso goht’s is
De Mensch lauft si’re W elt dervo,
w ie sälle Has dur d ’F uhre.
Doch ’s Übel isch all ehnder do,
eitue w o ane, dure.
Es grinst en w ie de Igel a
un hängt em d ’Lälle n use
un loßt si, la u f er was er cha,
de Vortel nüm m ’ abluse.
E Rüngli längt em noh de Pfuus,
no lit er s tiif im Lätte.
Si chranki Seele fahrt em us,
’s brucht niemer fü r si bätte.
V eröffentlichungen:
US DE SCHU EHL GSCHW ÄTZT (1980)
KUM M , GANG M ER EW EG (1981) beide im
Selbstverlag
N U N N E N M A C H E R PA U L
A nschrift: Burgweg 2, 7813 Staufen im Brsg.
Am 28. Juni 1929 ist er in Sulzburg zu r W elt
gekom m en. 1950 trat er in den Schuldienst
ein, nahezu zw anzig Jahre w ar er L ehrer und
R ektor im H ochschw arzw ald (M enzen­
schw and/St. Blasien), der ihm zu r „zw eiten
H eim at“ w urde. 1972 zog er nach Staufen,
w urde R ektor in E bringen und Schulrat, er
arbeitet heute im O berschulam t Freiburg.
Paul N unnenm acher ist einer jener M änner,
die das kulturelle Leben in der W ohnstadt
und in der heim atlichen R egion wesentlich
fördern und m itgestalten. U ber 25 Jahre lei­
tete er T rachtengruppen, dirigierte C höre; er
ist aktiv in der H eim atpflege und stellvertre­
tender V orsitzender des Bundes H eim at und
Volksleben. In Staufen ist er Stadtrat.
Aus der Feder Paul N unnenm achers kam en
schon sehr viele M undart-T heaterstücke, ei­
nige davon sind m it beachtlichen Preisen
ausgezeichnet, etw a dreißig M u nd arthör­
spiele w aren im R undfunk zu hören.
M it seinem Schreiben will N unnenm acher
vor allem Freude bereiten und den M enschen
helfen, den E rnst des Alltags leichter zu be­
wältigen. Seine T hem en nim m t er vornehm ­
lich aus dem Erlebten, daß die Schule hier
vornan steht, ist nicht zu verw undern. Seine
G edichte sind zum V ortragen geschrieben
und geeignet.
354
De Rentner
K uum het er si Rente könne verwarte,
de ganze Tag het er welle in Garte,
het welle nur fü r sini H obby läbe,
M ünze sammle un Briefmarke kläbe,
am Morge zum Beck goh un W eckli kaufe,
z ’erscht d ’Z ittig läse un spaziere laufe,
nur no des tue, was er mag —
w ie schön isch so ne Rentnertag!
Doch alles isch ganz anderscht kumme,
viel z ’s chnell gehn je tz die Stunde umme,
fü r d ’H obby het er gar kai Zit,
w ell’s dauernd ebbis z'schaffe git.
Er het sich — d u n kt’s mr — bös verrechnet,
het schint’s m it sinere Frau nit grechnet:
„H ol mr des“ heißt’s, „hol mr seil,
stand nit so rum, gang, mach e weng schnell,
de sihsch doch, daß i ’s nit alleinig ka,
un stell di nit so dappig a,
muesch denn an allem ummenaise —
ja ka mr dich denn gar nit heiße f “
Als R entner macht mr ebbis mit,
ohni e gregelti Arbetszit!
K ai Gwerkschaft kümmert sich do drum,
dä Ruehestand, dä bringt en um !
O könnt er nur wider si A rbeit tue,
no hät er wenigstens am Tag sii R ueh!
darin, neue T alente zu entdecken und zu
fördern.
Veröffentlichungen:
O W ELT, W IE BISCH!?, alemannische Gedichte
(1977), Verlag Schillinger, Freiburg
D R MÄRZ ISCH KEI MAI, alem. Gedichte 1979,
Verlag Schillinger, Freiburg
SUNNESTRAHL, alem. Gedichte 1982, Verlag
Schillinger, Freiburg
Im Stolz obe use
S C H E U R E R W O L FG A N G
Anschrift: B lauenstraße 31 Brom bach,
7850 L örrach
Am 4. M ai 1938 w urde er in F rankfurt am
M ain geboren, erlebte K indheit und Schul­
zeit aber im M arkgräflerland, in Freiburg
und im K leinen W iesental. E r ist technischer
V orstand einer großen Firm a im W iesental.
D ie Freundschaft des V aters m it H erm ann
Burte w ar eine der T riebfedern zu r D ichtung
W olfgang Scheurers, M uettersprochgesellschaft und H ebelbund L örrach förderten
ihn, er entw ickelte einen fast unheim lichen
Fleiß, veröffentlichte in K alendern, T ages­
zeitungen, A nthologien, w ar im R undfunk
zu hören, gestaltete zahlreiche Lesungen
landauf und landab. Seine technisch-m athe­
m atische Bildung trug w esentlich dazu bei,
sich m it ungebräuchlichen G edichtform en
wie Limericks und H aikus oder m it Sonet­
ten zu befassen, seine G edichte gehen in die
T ausende. Sie befassen sich m eist m it dem
Alltagsleben, m it dem M enschlich-A llzum enschlichen, eine H inw endung zum Philo­
sophieren und Fabulieren ist spürbar, dabei
sind seine G edankengänge nicht einfach
nachzuvollziehen.
W olfgang Scheurer engagiert sich sehr stark
für die B egegnungen m it D ichter und W erk,
die der H ebelbund L örrach seit Jahrzehnten
gestaltet; Scheurer sieht seine A ufgabe auch
D r Chäfer, w o dr ganze Tag
A m Bode Fuetter suecht,
H et s Gfiiehl: Er isch vom bessre Schlag:
Er het sich drum am Gartehag
E schönes Plätzli buecht.
Do isch er am Rum e un richtet sich i;
Doch, meinsch, er isch zfride ? Er bruttlet debi.
Des N obelvirtel mögt en w ohl
Un chostet Nervechraft;
D enn alli dort am Gartepfohl
N otire alles, hueste hohl,
W enn eine zw enig schafft.
D rum füehlt er sich tribe un chrampft bis in d Nacht;
Er git u f s V m ünftigste gar nüm m e acht.
So w ird s em wohr, in churzer Zit,
D aß er dr Erste isch;
Vo dort ab isch es nümme w it,
Un s nächste Plane von em lit,
Vom Ehrgiz gmolt, am Tisch:
G anz hoch w o tt er use; er baut sich si Hus
Z m itz d ru f u f e Pfoste, luegt s Land i un us.
Doch, w on er dno dort obe hockt,
D r erste Stolz vrsurrt,
Do het er um si Fuetter gfrogt;
D r H unger het en grusig plogt,
D r M age het em gchnurrt.
E r traut sich nit abe . . . des schadet sim Stand . . .
Isch gstorbe am H unger .. . w ie mänke im Land.
355
S C H R E IB E R -L O C H M O N IK A
A nschrift: M ühlestr. 39, 7850 Lörrach
D ie H ausfrau und M utter von zwei Söhnen
ist 1941 geboren.
W er könnte es besser sagen als ihr M ann
W erner, der ihr nicht nur K am erad, sondern
auch Erm utiger, T ragen der und liebevoller
K ritiker ist:
„Sie fing an m it G edichten über ihre K inder
und befaßte sich im m er m ehr auch m it allge­
m einm enschlichen T hem en. In ihren lyri­
schen G edichten schlägt sie überw iegend
ernste T öne an, aber im m er w ieder findet sie
auch zu hum orvoll-besinnlichen Aussagen.
Sow ohl in ihrer Poesie als auch in ihrer
Prosa kom m t sie m it w enigen „verdichteten“
W orten aus und ist doch trotzdem im stande,
dem Z uhörer alles zu sagen. In ihren neue­
sten, -noch unveröffentlichten G edichten
zeigt sie, daß gerade die M undart fähig ist,
G ewichtiges in einer bis an die G renzen der
Sprachlosigkeit verdichteten Sprache auszu­
sagen.“
M onika Schreiber-Loch w urde sowohl in der
„aktion junge m undart“ 1976 als auch im
T heaterw ettbew erb des alem annischen G e­
sprächskreises 1978 ausgezeichnet.
V eröffentlichungen:
CH LEINI C H IN D ER , GROSSI LÜT, alemanni­
sche Gedichte einer M utter (1980),
Schauenburg Verlag, Lahr
356
K Z B U E C H E W A LD
Angst —
Lüttets am F üm fi?
Si sin Jehovaszüiige gsi,
de M uetter ihre Brueder
un si Frau.
Zruck isch Äsche cho.
U f d ’ Greebli
pflanz ich Blueme.
Un w o-n-icb in Buechewald
d ’ Weg entlang gange bi,
han-i ’s Gfliehl gha,
i dalp u f m im Unkel,
u f miinere Tante umme.
W A G N E R PA U L
A nschrift: Blasistr. 22, 7860 Schopfheim
Gueti Gedanke!
Die guete Gedanke, die chasch num me finde
In Fahrnau im W iesental ist er 1907 geboren, in der Stilli, in ruehiger Stund,
ein M arkgräfler durch und durch. N ach der W il ehe jede guete Gedanke
m ittleren Reife w urde er K aufm ann und tie f us’m Innerste chunnt.
Buchhalter, brachte es bis zum Prokuristen.
Im 2. W eltkrieg bei der M arineflack, kehrte Die guete Gedanke, sie juble und singe
er aus am erikanischer und französischer G e­ im Gmüet w ie der Buechfink im Hag.
fangenschaft zurück und lebt seit 1972 im Loos u f sie und loß sie nit ung’h ört verklinge
R uhestand.
in der M ühli vom lärmige Tag.
Frühe Begegnung m it Jo h an n-P eter H ebel,
später m it Lenau und H erm ann Burte, eine
tiefe Liebe zu r H eim at und zu der M undart
bew egten ihn zum Schreiben. Z arte N a tu r­
bilder und bew egende Liebeslieder für seine
beiden Lebensgefährtinnen, die ihm beide
der T o d nahm , bestim m en sein Schaffen
ebenso wie das E rinnern an „goldene Z ei­
ten“, an Geschehnisse und O riginale seiner
Jugend.
Die guete Gedanke, sie schwinde und finde
Kei H alt in der W elt voller Strit;
und chönnte doch Mensche und Völker
verbinde in dere verlorene Z it!
V eröffentlichungen:
CHORNBLUEM E, alemannische Gedichte (1975)
— vergriffen —
ZARTI SAITE, alemannische Gedichte (1982)
W EISCH N O GESTERN, 2 Bände (1980/1982)
mit heiteren Erinnerungen an Sonderlinge und
Profile aus Fahrnau und Schopfheim.
Alle Bücher erschienen im Selbstverlag.
357
AMEL U N D JETZ, alemannische und hochdeut­
sche Gedichte und Geschichten (1982)
beide Bücher erschienen im Selbstverlag
W E T Z E L JO H A N N A
A nschrift: Steinweg 6,
7889 G renzach-W yhlen
Chasch A ntw ort geh?
U ff em C hilchhoff zwüsche Steine
sitz i still — in miner H and
Das „G renzacher B uurem aidli“, geboren am lit m er’s H ändli vo mim Chleine
l.M a i 1909 in G renzach, ging nach der und mer luege dort an d ’Wand,
V olksschule in die H andelsschule nach Basel w o ’s Wasser blätscheret in Trog —
und nahm dort auch K urse in der H aushalt- und je tzt chunnt die schweri Frog!
und N ähschule. In N euchätel und G enf er­
lernte sie das Französische, wie damals noch ’s chlei H ändli dütet über d ’ Gräber
allgem ein üblich. Die H eirat m it einem tüch­ und u ff der Strahl vom Brünnli dort.
tigen K unsthandw erker öffnete ihr ein neues „Sag M üetterli, chansch du m ir sage,
Tätigkeitsfeld, sie w urde eine w ertvolle öb me do unde das au hört“?
Stütze ihres M annes, ohne dabei H aushalt
und die drei K inder zu vernachlässigen.
So ganz nebenbei schrieb sie G edichte und
kleine Prosastücke. „W e m er öbbis erlebt,
m ueß mers vo eim ew egschriibe“ sagt sie ein­
fach. Es dauerte lange, bis sie dem D rängen
der Familie und Freunde nachgab und ihre
„G edichtli un G schichtli“ veröffentlichte.
W as sie schrieb und schreibt sind einfach die
G edanken einer M utter und G roßm utter, die
E rinnerungen an eine schöne Jugend und der
D ank einer reifen Frau für ein in H öhen und
Tiefen tapfer bestandenes Leben.
V eröffentlichungen:
V O MIM WESE ÖBBIS Z’LESE, alemannische
und hochdeutsche Gedichte und Erzählungen
(1977)
358
Der Schilechnopf oder die schweri Entscbeidig
I muess m i je tz ball entscheide,
w elli as i w ill vo beide —
ä, das isch doch kei Problem,
die Sach mach ich ganz bequem.
W ie als Bueb ganz churz und knapp,
zell ichs an dä C hnöp f m ir ab,
obenabe liis und still,
die m ien sage was ich will.
Jungi, A lti, Jungi Alti,
w elli schick i, welli bhalti ?
Was — ich g riff mir grad an Chopf,
do feh lt jo ä Schilechnopf.
Dasch e Trick vo minere Alte,
die m eint nur ich soll sie bhalte,
doch ich sag, chumm, naih dä a,
und fang grad vo vorne a.
359
W U R T H W E N D E L IN U S
A nschrift: H ofackerstraße 70b,
7800 Freiburg
E r kom m t — ja w oher kom m t er nun eigent­
lich? E r selbst sagt dazu: „Am 27. Septem ber
1953 in R enche in d W elt gsetzt; kurz ins
R enchtal (Zusehofe) verpflanzt, vun dert
nach Zienke acht Jo h r unter de M arkgräfler
ufzoge; vier Jo h r de H an au er in D iersche
(D iersheim ) usgsetzt; nor endlich in U rloffe
W urzle schlage kinne.“
M it 17 ging er als „A ustauschschüler“ in den
„am erikanischen Schw arzw ald“ nach V irgi­
nia, legte d o rt das A bitur ab, das er in O ffen­
burg w iederholte, er diente in der B undes­
w ehr und verw eigerte nachträglich aus G e­
w issensgründen den W ehrdienst. E r studiert
Sport, Englisch und D eutsch, w ar noch
zw eim al zu Studien in den USA und lebt seit
1976 in Freiburg.
W en w undert es, daß W endelinus W urth ein
A lem annisch spricht und pflegt, das m an kei­
nem bestim m ten O rt zuordnen darf. Seine
Sprache ist stark vom N iederalem annischen
geprägt, m an findet aber im m er w ieder auch
m arkgräfler Anklänge. M it Sprachkonservierung hat er auch w enig im Sinn, w orum es
ihm geht, sagt er so:
360
Z erscht em ol schrib ich fir mich selber, ass i
m r iwer m anchi Sache klar w ur, ass i P ro ­
blem usenandernem m e, lese kann. W enn’s au
noch Problem sin, w u anderi angenn, um so
besser. Ich will so schriiwe, ass es au miini
O m a veschdeht, w il’s jo so w inig git, w u ei­
fach schriiw e; des heißt ich vesuech
abschdrakti Sache un Zam m ehäng uf e so eifachi, konkreti Ebeni ra z ziege, ass au miini
O m a veschdeht, um was es geht.
Am beschde geht seil im Alem annische, wil
d ’D ischtanz zw ische dem , was i sage will un
sellem, was ruskum m t, am kleinste isch. Ich
hoff dodäm it au e greßeres Publikum a
z ’schbreche, wil ich vesuech, in ere Schbroch
z’schriiwe, w u jeder begriffe kann. FeldW ald-un-W iese-L yrik isch m iinere Asicht
noch iw erholt, m er sod de Lit e M eglichkeit
gä, iw er Problem rede z ’kinne un z ’rede, ass
m er W ä findet, si z’lese. U f e kurzi Form el
brocht: G edicht sodde nit konserviere, Sün­
dern zum konversiere a’rege.“
V eröffentlichungen liegen bis jetzt nicht vor,
nur in der Zeitschrift „A lem annisch dunkt is
guet“ der M uettersproch-G sellschaft sind
G edichte des begabten jungen M annes nach­
zulesen (1982); daß er trotzdem hier aufge­
führt w ird, soll ein A nsporn an ihn und an­
dere sein, ihre M uttersprache auch literarisch
zu bew ahren und zu form en.
Hersch, Herr, herrsch
(fir d ’Claudia)
„Hersch, Mensch?“
het de H err gsait.
„Herrsch, M ensch/“
isch bi de Mensche akumme.
Seil isch dr Afang
vum E nd gsi.
M ir hen u f d ’W elt
here sodde
un nit iw er
sie herrsche.
Oder w enn schu herrsche,
dann erschd wemm er
ghert hen;
wem m er wisse,
wases heißt,
z ’herrsche.
De Herr herrscht.
„Herr, hersch?
M r welle nim m i
herrsche.
Herrsch D u wider,
mir hen gnue,
mr kinnes nit. “
W Ü R T H JU L IA
Anschrift: H auptstraße 31, 7883 G örw ihl
hotzenw älder M undart. Ihre „Fohrebibbeli“
sind eine Fundgrube für den Sprach- und
Brauchtum sforscher.
Das „M aidli vo G öerbel“ w urde 1909 in
G örw ihl geboren und besuchte dort die Veröffentlichung:
en Chorb voll chlini Gschichte
Schule. Das väterliche Schreibw arengeschäft inFOHREBIBBELE,
de Hotze-Sproch (1981), Selbstverlag
mit seinen vielen Büchern und eine Fortbil­
dung im Institut T heresianum Ingenbohl am
V ierw aldstättersee in den Jahren 1926 und
1927 gaben ihr die G rundlage zum „Selberschriibe“. Fünfzehn Jahre hatte Julia W ürth
in Baden-B aden als Gesellschafterin gew irkt,
zw ei Jahre nahm sie noch eine Stelle in Castellen-A ugst (Baselland) bei dem berühm ten
Forscher und M useum sgründer D r. Clavel
an, dann kehrte sie „auf den W ald“ zurück
und begann zu schreiben. D aneben w irkte sie
kräftig beim Aufbau der G örw ihler T rach ­
tengruppe m it und besorgte das väterliche
Geschäft.
Julia W ürth ist m ehr C hronistin als D ichte­
rin, was sie schreibt ist erlebt, ist w ahr, w enn
auch die Phantasie dabei keine geringe Rolle
spielt. „Beim K ochen fällt m ir das meiste
ein“, sagt sie, „vor allem find i intressant, wie
d Lüt m itenander schw ätze, di alte U usdrück
un eso Sache“. Sie sam m elte lange, sichtete,
ordnete, verw arf und schrieb w ieder neu.
D ann gab sie ihre einfachen G eschichtchen
vom H otzenw ald heraus und w ar selbst er­
staunt über das Echo, das diese fanden. So­
gar vom stillen O zean erhielt sie Post in der
362
D ’W allfahrt uf O berwihl
V o Z it zu Zit, allbot un gli w ieder soll m er
e chliini W allfahrt unternäh, eso h ät’s N ochbers Leopoldine zu m ire G roßm uedder gsait!
Am liebschde goht si uf O berw ihl dure zu
eusem lb. H e rr i de R ueh. D e G erbler un de
O berw ihler-C hilledurm , di zw e kennet inand
scho lang, un grüesset sit m änge Jo h r fründli
übere un dure. D e W äg uf O berw ihl mue
m er z’Fueß m ache un w em m er e W allfahrt
versproche hät, m ue m er sich dra halte, da
isch e aldi Sach un gar nüt neus, jo da isch
im m er eso gsi. W oni dro i de Chille, bi eu­
sem liebe H e rr i de R ueh en R oosechranz, e
Litanei un de C hrüzw äg bäddet gha ha, bin i
no schnell übere is W irtshus im „Rössli“ go
väschbere, Späck, B uurebrod un e Glesli
guede W ii, da m ue sii un ghö rt dezue noch
däre Strapazi. N oche me Stündli han i mi uf
de H aiw äg gm acht. Jo d ’Leopoldine hät verzehlt: „Stächpalm e m it rote Beeri han i
gfunde, uf die seile bin i scho lang scharf!“
D ie schööne Stuude w achset am liebste im
O berw ihler-W ald. I eusere G em arkig will
sich da G ’wächs it niederlo, w urum isch it z
ergründe un m ir w ärets euser L äbdig nie er­
fahre. A großi M ärktdäsche hät si debi gha,
d ’N ochberi. S’frait si hüt no, daß si die it dehaim glo hät. W aisch, sisch halt grad zum
G lück e Schaltjohr gsi, hät si gsait, drum
hät’s m ehr Fohrebibbele gä wie suscht, jo wie
no nie. Zuefällig bin i vom W äg ab zu däre
Stell cho uffem Bergli. Eso viel Fohrebibbele
uf aim H uufe han i no nie gseh, e urich
Fohre-W äldli. D o w ürds der ganz w arm ums
H ärz, w enn an W inter denksch. Jätz han i
gsuecht un gsuecht, un gfüllt un gfüllt, zm ol
isch die D äsche ghuftig voll gsi un züm lich
schw är, die chan i allai it hai träge, un de
R ugge duet m er w eh vom Bucke. S’hätt m er
ghörig dodderd, wie chum i w ieder zu dem
Fohrew äldeli us? Binere Lichtung han i vo
w iddem de G erbler-C hilledurm gseh’ uf dä
Blick hi isch m er ganz liicht w orde un mire
Däsche au, si isch eso liicht gsi wie w enn
überhaupt nüt drinn wär. D u, da isch sicher e
chlii W under, en Fohrebibbele-Säge! W aisch
i ha au fescht bäddet, da darfsch glaube. Jo si
hät de ganz W inter z’füüre gha un die Bibbele-D äsche isch erseht im Früehlig läär
w orde. W enn si w ieder em ol im m e Schalt­
jo h r uf O berw ihl dure goht go w allfahre
nüm m t si zw o D äsche mit, hät si gsait d ’Leo­
poldine.
363
S Eige zeige
Eigene Sinn,
nit Eigesinn,
bringt G w inn.
Eigini Kraft,
Eigeschafi,
w u Eiges schaff.
Eigini Art,
gsund,
m it W ille paart,
git guati Fahrt.
B unt isch im Lebe si Reige.
N it allem sich neige;
s Eige zeige!
Karl Kurrus
Aus: Vu Gott un
dr W elt, Gedichte
in Kaiserstühler
M undart, M örstadt
Verlag, 1981
364
Mundart — s Herzschdick vun de Häämet
Aus badisch-pfälzischer Sicht
R u d o lf Lehr, Sandhausen
Es kom m en einem oft Zweifel, aber im m er
w ieder bekom m t m an die G ew ißheit: Die
M und art lebt, sie ist und bleibt s H e rz­
schdick vun de H ääm et. W ie die Landschaft,
das B rauchtum und das m annigfaltige G e­
m einschaftsleben, so ist auch der D ialekt Be­
standteil der H eim at. D ie M und art ist das
letzte uns m it dem V olkstum verbindende
G lied (ein W o rt von O skar Bischoff (N eu­
stadt a. d.W .).
Selbst in den Städten ist die M und art keines­
wegs untergegangen, obw ohl sie d o rt vielen
B ew ährungsproben ausgesetzt ist. D azu eine
Ä ußerung des H eidelberger H eim atkundlers
Ludw ig M erz: „M er schw etze noch, wie uns
de Schnaw wl gw achse isch, so ofd m er zam m ekum m e!“ In bestim m ten K reisen freilich,
meistens unter Senioren. A ber die Jüngeren
hören gerne zu. Sie haben ein O h r für die
m undartlichen K länge. „W ann ich als Lehrer
vor m eine Schüler e bissl M und art gebabbeld
hab“ — so Ludw ig M erz — „do hawwe die
gsachd: Des w ar schee(n), des m eegde mer
noch em ool heere!“
Solche E rfahrungen m achen die M undartlei
bei ihren Lesungen landauf, landab. D ie Ju ­
gend ist aufnahm efähig für die M undart, vor
allem für die m oderne M undartlyrik. D en
M undartpoeten bleibt hier ein breites Feld in
der B ew ahrung dessen, was an volkssprachli­
cher Substanz noch erhalten ist. D ie O rigina­
lität der O rtsm undarten ist da und d o rt ver­
lorengegangen. D er H andschuhsheim er H eim atkundler D r. A nton Saur beklagte in ei­
nem Beitrag 1981 den V erlust des H endsem er U rdialektes. U nd dies in der G eburtsge­
m einde des M undartforschers Prof. D r. Phi­
lipp Lenz (1861—1926). Als er noch lebte
und w irkte, gehörte H andschuhsheim noch
nicht zu r Stadt H eidelberg. In den Städten
oder stadtnahen Bereichen hat sich in den
letzten Jahrzehnten ein Gem isch zw ischen
M undart und H ochsprache entw ickelt; es ist
die U m gangssprache, wie m an sie auch in
den K urorten des O denw aldes spricht (K ur­
gast-D ialekt).
Z u Pessimismus besteht kein Anlaß. Die
H andschuhsheim er wissen um die N otw en­
digkeit der Sprachbew ahrung. Sie sind um
den E rhalt der kulturellen W erte, insbeson­
dere der M undart, sehr bem üht. D en D ialekt
m uß m an pflegen, w enn er nicht verküm ­
m ern soll. Dies hat m an in allen deutschen
Sprachlandschaften erkannt. D en badischen
Pfälzern fehlt allerdings — dies m uß m an be­
klagen — ein ausgeprägtes M undartbe­
w ußtsein. H ier blickt m an nicht ohne N eid
über die alem annische und die schwäbische
G renze.
Schon 1905 hatte der M undartforscher O tto
H eilig (1865—1941) die Frage gestellt: Ist die
M und art stark genug, um sich zu behaupten?
Sie habe — so O tto H eilig — viele B ruch­
stücke von frem den Sprachen erhalten, das
w erde sich fortsetzen. W ir erleben dies heute
m it ungezählten englischen L ehnw örtern in
der Schriftsprache (nach Zeitungsm eldungen
rund 80 000). Bei einer T agun g von M und­
artexperten im Som m er 1982 in K arlsruhe
w urde klar unterstrichen, daß m an den vie­
len verschw undenen W örtern nicht nach­
trauern solle. Es käm en ständig neue V o ka­
beln hinzu. D ie M und art als solche bleibe be­
stehen, nur sei sie einem ständigen W andel
unterw orfen. D en jetzt gesprochenen D ia­
lekt so die A dundäricxpcrtcn müsse män
365
in B üchern konservieren und den kom m en­ Bände der M uddersprooch-R eihe (Badeniaden G enerationen überliefern. „W as w ir jetzt V erlag K arlsruhe, H erausgeber K urt B räuti­
nicht festhalten, ist unw iederbringlich ver­ gam , R udolf Lehr, Paul W aibel). D ie Bei­
loren!“
träge in den drei B üchern decken den weiten
R aum ab, in dem rheinfränkische, ost- oder
südfränkische
D ialekte gesprochen werden.
Umdenken an den Schulen
A uch m undartliche Proben aus den alem an­
D ie Schulen haben sich den M undarten ge­ nischen, schw äbischen und hessischen R and­
genüber nicht im m er freundlich verhalten. gebieten w urden aufgenom m en. G elegen­
Dies wissen die M undartler aus langer, bitte­ heitsautoren kam en ebenso zu W o rt wie er­
rer E rfahrung, vor allem jene, die sich litera­ fahrene V ersem acher.
risch betätigen. Inzw ischen ist da und dort D ie gesprochene Sprache literarisch zu pfle­
ein U m denken bem erkbar. Bei einer T agung gen, ist A ufgabe aller M undartler. Ü b erre­
in Bad Liebenzell — verbunden m it einer gionalen R uf hat sich der B ockenheim er
M undartlesung — w urde von D r. M artin M undartdichterw ettstreit erw orben, der nun
D orn, M dL, auf die besondere V erantw o r­ 30 Jahre besteht. In der linkspfälzischen
tung der L ehrer gegenüber m undartspre­ W einbaugem einde w ird M und art als w ichti­
chenden Schülern hingewiesen. H ier sei ges Elem ent des H eim at- und L andesbe­
m ehr R ücksichtnahm e erforderlich. M u n d ­ w ußtseins gepflegt. M anche M undartpoeten
artlesungen in den Schulen sind nur aus dem w urden hier entdeckt. D er H eim atdichter
alem annischen Sprachbereich bekannt. In w ird zum R epräsentanten der K ultur, zum
der badischen Pfalz nehm en hin und w ieder K ünder der heim atlichen Sprache.
Schulklassen an Lesungen teil, die R esonanz
ist durchw eg positiv. Inzw ischen gibt es auch Mundartliche Identitätskrise?
M undartliteratur für die Schulen. In Landau
ist 1982 ein kleines Buch m it dem T itel „G e- „D ie K urpfälzer leiden an einer m undartli­
dichteltes“ erschienen (H erausgeber J. Beck­ chen Identitätskrise“ — diese A nsicht vertritt
m a n n /H . J. K liewer). Es enthält zahlreiche der norddeutsche T heologe und M un d art­
G edichte von M undartklassikern der Pfalz, freund D r. Bernd D iebner (im R aum W iesaber auch preisgekrönte V erse von G egen­ loch w ohnhaft). Viele genierten sich, m eint
w artsautoren der links- und rechtsrheini­ er, sich öffentlich zu r M und art zu bekennen.
Die badischen P fälzer sollten ihre sprachli­
schen Sprachgebiete.
chen H em m nisse überw inden. In der Schule
müsse m an H ochdeutsch lernen, aber auch
Volksdichter
der D ialekt habe seine B erechtigung — er
„W ir sagen w ieder ja zu r M und art und dürfe vom L ehrer nicht unterdrückt w erden.
M undartdichtung“, sagt O skar Bischoff. K ri­ Jahrhundertelang habe m an den M enschen
tik ist allerdings im m er w ieder zu hören. Die in N orddeutschland das Plattdeutsche ausge­
V olksdichter täten zu w enig, um den Fortbe­ trieben. Deshalb sollte m an lernen, zu begrei­
stand des D ialektes zu sichern — sie w ürden fen, daß jede gew achsene Sprache ihr R echt
sich außerdem aus ihren literarischen Zirkeln habe.
nicht herausbew egen. Eine G ruppe von b a­ Soziale und bevölkerungsm äßige U m schich­
disch-pfälzischen A utoren ist im A uftrag von tungen und das fortdauernde Einström en
V olkshochschulen oder Büchereien ständig von M enschen aus dem A usland haben die
zu Lesungen unterw egs. D ie B esucherzahlen M undart in die Defensive gedrängt. A ber die
steigen. A u H das Interesse an der M und art­ Sprachforscher sind optim istisch: D er D ia­
literatur w ächst. A nklang finden die drei lekt w ird nicht aussterben! Es w ird zweifellos
366
großer A nstrengungen bedürfen, um die Brauche ää net
M und art — als H erzschdick vun de H ääm et d Zung verknibble
— zu erhalten. D ie Liebe zu r M und art sollte an krafdlouse Werder.
uns, wie es ein M undartdichter ausdrückte, Unser Schbrooch
ein Leben lang begleiten. H ier gehen die isch s Herzschdick
linksrheinischen P fälzer m it gutem Beispiel vu n de Häämet.
voran. D eshalb sei auch das W o rt eines pfäl­
zischen R egierungspräsidenten — H ans K el­ Sie hot schdarke W orzle
ler, N eustadt — an den Schluß dieses B eitra­ un en volle Bliedekranz,
w u mer sich drä(n) frääje kann.
ges gestellt:
R u d o lf Lehr
Ich duun eich uf pälzisch biede die Zeit
un sag eich uf pälzisch „gun D ach all ehr
Leit“,
dann all unser P älzer un unser ganz Land
verbind unser Schbrooch wie e farwisches
Band.
Sandhausener M undart
N ußlocher M undart
For s Leewe
M ussik liegt drin
en de Muddersprooch —
en ganz aijene Klang,
vu n O rt zu Ort verschiede —
’s Zommeghääre
un s Geborjesoi(n).
Sie isch e Kerz,
w u wärmt
un de W eg weist.
Sie drickt ääm
ih m Stemhl u f
fo r s Leewe.
Gisela Herrmann
Sandhausener M undart
Unser Zungeschlädg
M er schwetze,
w ie mers glem d hew w e
dehääm.
Un redde
m it de Leit
in unserm Zungeschlädg.
Hdämetschbrooch
E Pflänzl
w u mer net bewahrd,
m it Wasser versorgd
un vum U (n)kraud befreid,
m uß verkimmere.
Unser Hdämetschbrooch
hots verdiend,
daß mer sie heegd un pfleegd.
S isch Zeid,
daß mers begreife —
morje ischs zu schbääd.
R u d o lf Lehr
Sandhausener M undart
Unser gräischder Schatz
Im m er mehner Englischwerder
hew w e sich ei(n)gschliche
in unser Schrifdschbrooch.
Jedes dridde W ord
hot n frem m e Klang.
Anschdadd
deidsch zu redde,
heersch blouß noch
vum Popschobb, vun Hidds un Songs,
vun Slougäns un Werweschbodds.
A d d Hddmetschbrooch
isch in Gfähr!
Viel aide Werder
sin verschwunne —
was noochkummd, isch n ix Gscheids!
üfbasse misse mer,
unsem D ialekd bewahre!
Er isch s Herzschdick
vu n de H äämet —
unser gräischder Schatz!
R u d o lf Lehr
Rudolf Lehr, Jahrgang 1924, bekannt durch
zahlreiche heim atkundliche Bücher und etli­
che M undartbände, besonders M U D D E R S P R O C H I bis III. G edichte in K U R PÄ L Z E R
L A N D U N L E IT und F IN F M O L D ES U N
SELL. Am 30. April 1983 V erdienstm edaille
des Landes B aden-W ürttem berg in G old aus
der H and des M inisterpräsidenten L othar
Späth.
Gisela Herrmann, Jahrgang 1952, G edicht in
M U D D E R S P R O C H , Band 3; zahlreiche
368
Sulzfelder M undart
Mudderschbrooch
M ei Mudderschbrooch isch net so gladd
un gw ieß net elegänd.
Ih hädd se mänchmol liewer ghadd
als e viel feiners Gwänd.
Un schlupf-e gschwind en so oois nei
un s mechd mer zerschd Bläsier,
scho ball d ru ff merg-e do debei,
daß-e halt ooifach frier.
Gern zieg-e s aide w idder oo,
s K laid vu n de Mudderschbrooch
un schbier, s isch ebbes Bsunders droo:
Ih geh de Wärme nooch . . .
Irma Guggolz
Lesungen m it der A utorengruppe Lehr. Eige­
nes hochdeutsches Lyrikbuch L IL IT H S L IE ­
D E R (1983).
Irma Guggolz, Jahrgang 1924, G edichte in
drei M U D D E R S P R O C H -B än den sowie in
F IN F M O L D ES U N D SELL. Lesungen mit
der A utorengruppe Lehr.
M undart-G esellschaften
Alemannisch dunkt üs guet
Wer ist die Muettersproch-Gsellschaft und was tut sie?
Klaus Poppen, Unteribental
V o r 10 Jahren gab es noch allenthalben das D ichter-Freundeskreis als M uettersprochgroße G ejam m er um das A bsterben der ale­ Gsellschaft.
m annischen M undart. V o r fünf Jahren D er V erein gab ein M undart-L esebuch her­
sprach m an bereits von einer M undartw elle. aus, dazu eine Schallplatte, er organisierte
H eute diskutiert m an darüber, ob diese D ichterlesungen für und von M itgliedern
W elle schon ihren Scheitelpunkt erreicht und half sich gegenseitig, in einer damals
habe.
nicht sehr der M und art aufgeschlossenen Ö f­
Eines jedenfalls ist unbestritten: D ie alem an­ fentlichkeit, das A lem annische hochzuhalten.
nische M und art h at heute einen anderen, hö ­ U m 1975 herum lagerte sich, stark gefördert
heren Stellenw ert als vor 10 Jahren. An die­ vom neuen „Präsi“ Klaus Poppen, an die
ser Entw icklung hat die M uettersproch- D ichtergesellschaft eine allgem einer ausge­
G sellschaft sicherlich einen entscheidenden richtete G ruppe von heim atbew ußten A le­
Anteil.
m annen an. D urch das dam als „erfundene“
1962 legten H eim atdichter, M undartdichter Leitm otiv: „Bi uns cha me au alem annisch
die ersten Bausteine zum schw eren W erk. schw ätze“, angeboten auf einem blauen A uf­
D am als w urde H eim at noch sehr in die kleber, kam der V erein verstärkt ins Be­
N achbarschaft zu „Blut und B oden“ gerückt. w ußtsein der Ö ffentlichkeit. Inzw ischen sind
H atte nicht die einzige in Freiburg in den über 10 000 von diesen A ufklebern von hei­
letzten K riegsjahren erscheinende T ageszei­ m atbew ußten Alem annen angebracht w o r­
tung, ein N S-B latt, „D er A lem anne“ gehei­ den.
ßen?
V om Jah r 1975 an begann neben der D ich­
T rotzdem begannen M änner wie H ubert terarbeit auch eine stetige Entw icklung der
Baum, R ichard G ang, und K arl K urrus in M undartfreunde ganz allgem ein im Verein.
Freiburg, D r. Phillip B rücker in Lahr, G er­ M it D ichterlesungen, M undartw ettbew er­
hard Jung in L örrach und Bruno Epple am ben, D ichtertreffen und N achw uchsförde­
Bodensee sowie Frauen wie Lina K rom er, rung führte die Gesellschaft das Erbe ihrer
O bereggenen, Paul H ollenw eger, Feldberg, G ründer fort. In den letzten Jahren haben
H edw ig Salm und Lin R itter-P otyka in Frei­ m ehr als 30 M itglieder der G esellschaft ei­
burg und viele andere begeisterte Alem annen gene V eröffentlichungen herausgebracht.
m utig dam it, V orurteile abzubauen.
D ie Zahl der D ichterlesungen ist ungezählt.
U m M inisterialrat Prof. D r. Asal als dem er­ M it Straßenständen, M undartquiz, m it fröh­
sten Präsidenten des V ereins und um seinen lichen A ktionen wie „B ächle-R egatta“ oder
N achfolger, D r. W alter Füsslin, fand sich ein „M undartcom puter“, m it W erbeständen und
369
tuns "
Zur Neugründung der
Gruppe Rebland im Herbst
1982 überreicht „Präsi“ Pop­
pen (links) dem neuen Leiter
der Gruppe, Dr. Rüdiger
Hoffinann, das „Zeichen sei­
ner Würde*
W ea u
dergleichen betrieb der V erein Breitenarbeit.
Bei einer A ktion „M eh M undart bi Funk un
Fernseh“ sam m elte er über 37 000 U n ter­
schriften, die er dann dem Südw estfunkin­
tendanten H ilf in B aden-B aden überreichte.
Aus dem D ichterzirkel vom A nfang der Sieb­
ziger Jahre w urde so eine selbstbew ußte
große G em einschaft m it 16 regionalen G rup­
pen zw ischen K onstanz, L örrach und A ppen­
w eier und über 2800 M itgliedern, darunter
auch aus dem Elsaß, der Schweiz und V o r­
arlberg. In den letzten Jahren w uchs die G e­
sellschaft auch in ganz neue A ufgaben hin­
ein. W eil sich inzw ischen in der Ö ffentlich­
keit das Interesse am Alem annischen gestei­
gert hat, tauchen auch zunehm end Fragen
nach der „richtigen“ Schreibweise auf oder
nach bestim m ten G edichten oder nach D ich­
tern, nach V ortragenden usw. H ier w enden
sich die A nfrager an die M uettersprochGsellschaft, weil diese eben inzwischen als
R epräsentant der M undartsprecher bekannt
ist.
U n w em m e di L üt frogt, w orum si sich denn
eso iisetze für s Alem annischi, no nenne si
„Fünf gueti G ründ für d M und art“
370
S alem annisch isch en alt K ulturguet vu
unsre H eim et. S lebt no un s isch es w ert, aß
mers erhalte. W eils s Lebe richer m acht. M e
sott s A lem annisch vum J. P. H ebel halt au
no in 100 Johre verstoh.
*
S A lem annisch isch e Stuck H eim et. W er
em ol fort gsi isch vu deheim , der lacht nimmi
über seil W o rt H eim et. W er em ol furt gsi
isch vu deheim , der w eiß, wie der K lang vu
der H eim etsproch an s H erz goht. H eim et
isch nit num m e W ald un Feld, Berg un Tal,
Stadt un D orf. S isch au M ensche, m it ere ei­
gene Sproch; unsre Sproch. W er eso e H ei­
m et het, isch guet dra.
*
S A lem annisch isch persönlich. S hilft uns, in
der M asse unsri Persönlichkeit w ahre. Individualiste sin selli, wos A lem annisch schw ätze,
bew ußt oder unbew ußt. U n sie hen e eigini,
bsunderi Sproch für de private, nette, persön­
liche Bereich. Für Fründschaft un Liebi. N it
jede het eso e Sproch.
S Alem annisch isch sozial. S verbindet. S isch
e gem einsam i Ebini, au w enn der eini e „hoche“ un der ander e „norm ale“ M itm ensch
isch. W em m ir alem annisch m itenander
schw ätze, derno gilt für uns der M ensch, nit
s Amt. S isch e guets Zeiche, aß grad in eso
viel Ä m ter unser K läberli hängt „Bi uns cha
me au Alem annisch schw ätze“. S isch e lladig
zum M ensch si m itenander.
*
S Alem annisch isch nit num m e e B ruck zum
andere M ensch. S isch au e B ruck zu andere
N atione. S isch e Band ums Eisiß, die
dütschsprochig Schwyz, V orarlberg un e
T eil vum badische Land. D o sin d A lem anne
deheim ; international, m odern, europäisch.
U fgschlosse für anderi aber au miteme
gsunde Selbstbewußtsein.
*
Zw eim ool im Jo h r git de V erein e Schrift
Roland Hofmaier; Liedermacher und im Vorstand use, „A lem annisch dunkt üs guet“, un alli
M itglieder kriege si gschickt. Jedesm ol isch e
der Muettersproch-Gsellschaft
H auptthem a behandlet, w o au im H eftli der
N am e git. D o het s e H ebel-H eft un e BurteH eft geh, e N ochw uchs-H eft un e K inderversli-H eft, e Schw yzer-H eft un e Elsiss-
1981 beim Südwestfunk in
Baden-Baden. M it 37000
Unterschriften fü r „ meh
Mundart bi Funk un Femseh“
a u f einer 370 m langen Leine
371
H eft. Ei H eftli het Em pfehlige brocht zur isch es m öglich, ass der V erein am Laufe
Schribwiis usw. D eno aber bringt jedes ghalte w ere ka, ohni au nur eini M ark für
H eftli Inform atione us jede einzelne Gruppe. „Personalusgabe“. Bi uns w ird ehream tlich
U f die A rt ka me die unterschiedliche Form e gschafft.
vum A lem annische lese. Au neui M undart*
büecher w ere besproche un viel vu dem be­
richtet, was so ums Alem annischi rum pas­ W enn sich jetz ebber villicht agsproche
füehlt un gern meh w o tt wisse über d M uet­
siert.
S „H eftli“ isch e Band um alb M itglieder. tersproch-G sellschaft, no schribt er am
U n ter de Aktive im Land w achst e anders beschte an: M uettersproch-G sellschaft 7801
Band, s isch e gueti Fründschaft. N u r eso B uchenbach/U nteribental, Am H o facker 15.
im große un ganze
im große un ganze
si mer scho
fü r toleranze.
aber ganz im chleine
möge mer halt doch keine,
w o anderst isch
als mir —
mach öbis dägege.
im große un ganze
breche mer scho
e lanze,
aß mer öbis sott mache,
fü r di wirtschaftlich schwache.
aber ganz im chleine
tüe mer halt au w ider meine,
die chönnte selber
öbis tue,
die fuulenzer.
Gerhard Jung
(Aus: Alemannische Anthologie, „S lebig W ort“,
M oritz Schauenburg Verlag, 1978)
372
Hebelbund Lörrach
Aufzeichnungen von Redakteur Ernst Kaiser
Er war selbst seit 1946 dabei und verfaßte diesen Artikel vor seinem Tod 1977
K aiser schreibt über das „Schatzkästlein“ :
Es gehört zum H ebeldank, der anläßlich der
großen, festlichen V eranstaltung gleichen
N am ens an Persönlichkeiten verliehen w ird,
die sich um die H eim at verdient gem acht ha­
ben. N ach der A nsprache des Präsidenten
des H ebelbundes m it der Ü berreichung der
U rkunde, ist es einer der großen A ugen­
blicke, w enn die V reneli das goldene, reliefum prägte Schatzkästlein in natura dem G e­
ehrten in die zum Em pfang offenen H ände
legen.
„Ö ffnen w ir das Schatzkästlein“, das heißt
hier einen Blick zurück und hinein zu tun in
die Geschichte des H ebelbundes Lörrach
e.V ., ehe die Zeit sow eit verstreicht, daß die
A nfänge nur noch vom H örensagen vernom ­
m en w erden können und die sich um seine
G eschichte B em ühenden in U rkunden blät­
tern müssen.
W ie im m er, so w ar auch hier zuerst einmal
der G edanke. E r kam einem noch heute le­
benden urchigen A lem annen in den K opf, als
er beim Fridolinsfest im M ärz des Jahres
1946 in Säckingen weilte. Zu diesem Festtag
w aren dam als schon von „äne am R hy“ ei­
nige Schw eizer gekom m en und unseren Lörracher beeindruckten die G aben der Schwei­
zer Gäste, die diese ihren hungrigen Säckinger Freunden m itgebracht hatten, sehr. D er
L örracher hieß M ax D em m ler, w ar am
6. Juni 1898 im dam als noch selbständigen
Stetten, 450 M eter diesseits der G renze, zur
W elt gekom m en, w irkte als K aufm ann in
L örrach, bis er 1959, weil er in L örrach keine
ihm zusagende W ohnung fand, m it seiner
Frau nach W yhlen zog.
So etwas wie hier die Säckinger m it ihrem hi­
storischen Fridolinsfest könne m an in L ör­
rach doch auch m achen, sagte sich M ax
D em m ler und er dachte schon an eine Ö ff­
nung der ja auch hier so nahen G renze zur
Schweiz. Z w ar hätte m an in L örrach keinen
Bism arck, keinen K aiser W ilhelm und nicht
einm al einen G roßherzog, aber w ir hätten ei­
nen Johann P eter H ebel und irgendw o, so
hatte er sagen hören, befände sich auch noch
sein erzenes Standbild. D er 10. M ai, so sagte
sich M ax D em m ler, sei der G eburtstag des
D ichters, und um dieses D atum herum
könnte m an doch den H ebel w ieder auf sein
verlassenes Postam ent stellen, d o rt w o er
hingehöre und im Jahre 1910 feierlich ent­
hüllt w orden war.
1946 hatte in L örrach die französische Be­
satzungsm acht das Sagen. O hne sie w ar
nichts zu m achen. Also m ußte m an zuerst
einm al zu den M ächtigen dort. W arum M ax
D em m ler m it diesen H erren reden konnte,
m öge in K ürze eine A nekdote dem onstrie­
ren, die auch von seinem alem annischen W e­
senskern kündet. W ie im m er, so gab es auch
im Z w ölf jahrereich im H o tel „K rone“ einen
Stam m tisch. D o rt setzten sich natürlich auch
die H erren vom D ritten Reich hin neben an­
deren, und zu den anderen gehörte auch
M ax Dem m ler. W enn er in die G aststube
trat, sagte er nur „H eil“, nur H eil, sonst
nichts. Eines Tages glaubte ihn der W irt Ei­
senhut belehren zu m üssen, daß der G ruß
„H eil H itler“ laute, er blam iere ihn ja m it sei­
nem verkürzten G ruß vor seinen zeitbeding­
ten G ästen. A ber da sagte M ax D em m ler m it
373
seiner ganzen alemannischen Ruhe: „Meinsch,
ich w ar jetzt uff den N am e cho?“
V om Fridolinsfest in Säckingen bis zu H e ­
bels G eburtstag im M ai w ar w ahrlich nur
eine kurze Zeit und nichts dokum entiert den
verbissenen Eifer, den M ax D em m ler sofort
nach seiner R ückkehr nach L örrach entw ikkelte, m ehr als die T atsache, daß am 12. M ai
des gleichen Jahres der erste H ebeltag statt­
finden konnte.
Für die H erren der B esatzungsm acht w ar der
D ichter Johann Peter H ebel keineswegs ein
Begriff, w oraus sich ein Fest m achen ließe.
E rst als M ax D em m ler an einen Studienrat
aus dem Elsaß geriet, gab es den entschei­
denden Funken. D em m ler erhielt die E rlaub­
nis, hinüber nach Basel zu Professor Altw egg, dem Präsidenten der Basler H ebelstif­
tung, zu gehen, und die H erren erhielten die
Erlaubnis, zum geplanten H ebelfest fahren
zu dürfen. D ie B esatzung sagte Ja und Am en
zu dem Fest, und der inzw ischen bei G ipser­
oberm eister W ilhelm Indlekofer w ohlver­
w ahrt aufgefundene erzene D ichter durfte
w ieder auf sein Postam ent. Eigentlich hätte
das Standbild zu K anonen oder G ranaten
um gegossen w erden sollen (w ozu sich aber
D ichter doch nicht eignen), aber der sonst in
seinem G eschäft so zuverlässige M eister Ind­
lekofer hatte sich zu dem in A uftrag gegebe­
nen G ipsabguß des Standbildes Z eit gelassen,
er ließ es K rieg und tausendjähriges Reich
überdauern.
Z w ar fehlte es in jener Z eit am N ötigen und
am N ötigsten, selbst auf B ezugscheine w ar
nicht alles zu haben, aber M ax D em m ler
setzte sich über alles hinw eg und in einer für
einen A lem annen unglaublichen Eile setzte
er sich mit einer Reihe von L örracher P er­
sönlichkeiten in V erbindung und schließlich
setzte sich ein Festausschuß zu R at und T at
zusam m en. E r bestand aus den H erren P ro ­
fessor A lfred H oller, B ürgerm eister Joseph
Pfeffer, O berm eister W ilhelm Indlekofer,
B ankprokurist K arl K lauser, O berm eister
H ans Giesel und M ax D em m ler selbst. D azu
kam en noch eine ganze Reihe von H elfern,
374
von denen stellvertretend nur K aufm ann
E rnst B ehringer genannt sei. In M eister G ie­
sels W erkstatt w urden 87 Fahnen in den
Stadtfarben für das Fest genäht. K lauser und
Giesel w aren für den Festzug zuständig. Ehe
dieser zustande kam , gesellte sich auch R e­
dakteur H anns U hl zum O rganisationsaus­
schuß und B ankdirektor Franz E berhard.
Es w ar eine Fleißarbeit ohnegleichen, die ge­
leistet w urde. Schließlich w urde am 12. M ai
1946 der erzene D ichter aus Indlekofers
W erkstatt heraus auf einen festlich ge­
schm ückten W agen gehoben. D em Festzug
voraus zum H ebelpark m arschierten die d a­
mals so hageren H erren des Ausschusses, zu
dem sich noch P farrer R ichard N u tzinger
gesellt hatte, es folgten M arkgräflerinnen in
der T rach t und V reneli und ihnen folgten
w eißgekleidete M ädchen m it B lum ensträu­
ßen in den H änden und einem Blum enbü­
schel auf einem Stab. Zwei prächtige Pferde
zogen den W agen m it der A ufschrift vorne:
„U nser H ebel“ und dem L örracher W appen
m it der Lerche. D azu w ar viel V olk u nter­
wegs und im H ebelpark.
Stühle w aren dort aufgestellt und vorne sa­
ßen in ihren U niform en die H erren der Be­
satzungsm acht. Ihr Lächeln w ar unm ilitä­
risch, das w ar ja eine völlig unpolitische A n­
gelegenheit und m an konnte sich daran sogar
erfreuen. Ehe der D ichter w ieder auf sein
Postam ent hinaufgehoben w urde, m ußte ein
Bub hinaufsteigen, denn m an w ollte sehen,
wie sich der H ebel da oben ausnehm e. Die
H erren der Basler H ebelstiftung w aren da,
und diesen m ag in der ganz und gar der Zeit
angepaßten schlichten Feierstunde nach den
so m enschenunw ürdigen Jahren das H erz
w ieder aufgegangen sein, weil da hüben ja
im m er noch die gleichen M enschen wie d a­
mals w aren und sie schw ätzten und dachten
alem annisch wie eh und je. Schließlich stand
er w ieder droben, der D ichter Johan n Peter
H ebel, beinahe, als sei seither nichts gesche­
hen.
Im nahen U nion-K ino hielt Professor Alfred
H oller an diesem T ag die erste R ede auf H e ­
bei, ohne zu wissen, daß nach ihm so viele
R eden auf H ebel und in viel großartigerem
R ahm en gehalten w ürden. K ein T onband
k ün det von ihr und keine Festschrift gibt ih­
ren W ortlaut wieder. T ro tzdem sei sie unver­
gessen. D as Fest w ar der erste B rückenschlag
zw ischen Basel, R iehen und L örrach.
U n ter der N achw irkung des schönen, so ge­
lungenen zivilen Festes sagte sich der Fest­
ausschuß, daß es zum G edenken des D ich­
ters jährlich w iederholt w erden müsse, und
dam it w aren die H ebeltage geboren. Fol­
gende M änner w urden aus dem Fest- und
O rganisationsausschuß für das erste H ebel­
fest in den V orstand des neu gegründeten
H ebelbundes L örrach gew ählt, der das A n­
denken an den D ichter in die Z ukun ft zu tra­
gen hatte: erster Präsident w urde der H auinger P farrer R ichard N u tzinger, V izepräsi­
dent w urde M ax D em m ler, K arl K lauser
w urde Schatzm eister, später w urde es Franz
Eberhard, und H anns U hl Archivar. D en T i­
tel gab dieser sich selbst, und sicher w ußte er
schon dam als, daß er der eigentliche Bewah­
rer sein wollte.
H anns U hl schrieb sich in der Folgezeit mit
eigenen Lettern in das Buch der G eschichte
des H ebelbundes. In seiner ersten der rh eto ­
risch so großartigen B egrüßungsansprachen
im Schatzkästlein im Jahre 1947 sagte er:
„. . . aus Schutt und T rüm m ern heben w ir das
Schatzkästlein und öffnen es w ieder zu N utz
und From m en von uns allen . . .“ E r w urde
und w ar der G estalter des Schatzkästleins,
wie es noch heute erlebt w ird. Es ist sein un­
bestrittenes V erdienst, für Lörrach, für die
ganze G renzecke, ja das ganze alem annische
Land, etw as für lange Z eit G ültiges auf die
Beine gestellt zu haben. D er Franke H anns
U hl pfropfte dam it etw as auf das kräftige,
m ehr urw üchsige alem annische Reis, das
nicht im m er als im H ebelschen Sinne richtig
em pfunden wurde.
D em m lers Idee, die G renzen zu öffnen, fand
in dem noch jungen H ebelbund eine w un­
dervolle R esonanz. A uch H anns U hl, dem in
der Folgezeit eigentlich im m er nur das
Schatzkästlein am H erzen lag, begriff sofort,
daß hier etwas Einm aliges, etwas G roß arti­
ges und für die Z eit so bitter N ötiges begrün­
det lag. E r schrieb selbst in einem Bericht
1950 m it dem T itel „Johann P eter H ebel in
L örrach“ : „In den Jahren 1947 und 1948, in
denen die N o t ins U ferlose w uchs und ein
Stück B rot und ein P fund H aferflocken eine
besondere G abe darstellten, ström ten zu
Z ehntausenden die M enschen am H ebeltage
nach L örrach, weil es dem H ebelbund gelun­
gen w ar, die G renzen aufzutun. All denen,
die in diesen schw ersten Jahren es m iterlebt
haben, hat es sich unvergeßlich in die Seele
eingeprägt. M enschen, die sich jahrelang
nicht m ehr gesehen hatten, um arm ten sich
unter T ränen in den Straßen, ließen sich von
ihren Freunden aus der Schweiz oft in rü h ­
rendster W eise beschenken, und an keinem
anderen O rt in dem leidgeprüften D eutsch­
land ist ein schöneres Fest in dieser arm seli­
gen Zeit begangen w orden als der H ebeltag
in Lörrach. D ie W iederinbetriebnahm e der
Straßenbahn von der L andesgrenze bis zum
L örracher H auptbahnhof, später die W ieder­
aufnahm e des E isenbahnverkehrs von Basel
nach L örrach w aren Ereignisse, die m it in die
M aientage dieser Jahre fielen. W enn an die­
sen H ebeltagen Besucher von der N ordsee
und dem Lago M aggiore sich in der Stadt
trafen, so m ag das am besten als ein Symbol
der V erständigung und des w eiten und tiefen
W irkens des H ebelschen Geistes festgestellt
w erden. Freunde aus A m erika haben das
Präsidium des H ebelbundes wissen lassen,
wie sehr sie sich über die „W ochenschau“,
die Bilder vom H ebeltag in L örrach zeigte,
gefreut haben. So w eit H anns Uhl. D ie W o ­
chenschauen sind im Besitz des H ebelbun­
des, und Johannes W enk-M adoery, A rchivar
als N achfolger von H anns U hl und in diesem
A m t w irklich ein archivierender, hütet sie.
D ie 1950 noch in der ursprünglichen E rinne­
rung an jene großen H ebeltage geschriebe­
nen Sätze von H anns U hl, können jetzt, 27
Jahre später, nicht besser geschrieben w er­
den, darum stehen sie hier.
375
31 Personen w aren zum G renzübertritt 1946
nam entlich aufgeführt w orden, der R iehener
P farrer sprach beim G ottesdienst in der
S tadtkirche, und im H ebelpark bei dem Aufrichte-K ranen sprach ein Basler R edakteur.
1947 w urde für die Basler früh um 5 U h r die
G renze geöffnet, 5000 sollen es dam als ge­
w esen sein, die aus den beiden Basler K an to ­
nen gekom m en w aren und im folgenden
Jahre, 1948, w ar die G renze für die ganze
Schw eiz offen und es sollen an die 30000
Personen gewesen sein, die sie m ehr oder
w eniger bepackt, überschritten. D ie Schät­
zungen über die Z ahl gehen sehr auseinan­
der, bleiben w ir bei der ursprünglich genann­
ten.
F ür das „Schatzkästlein“ im Jahre 1947
stellte die Firm a KBC ihren großen Saal zur
V erfügung, und 1949 konnte es zum ersten
M ale in der renovierten Stadthalle stattfin­
den. „Stattfinden?“ D er unvergessene Profes­
sor A lfred H oller schrieb dazu 1960: „Die
Feier des Schatzkästleins ist längst keine
,V eranstaltung' m ehr, die einfach stattfin­
det. Das Schatzkästlein ist ein Fest, das be­
gangen w ird, das im K alender des Jahres sei­
nen festen Platz h a t . . .“
In den ersten Jahren des Bestehens des H e ­
belbundes trafen sich seine M itarbeiter und
Freunde am A bend jeden ersten M ontags im
M o nat im N ebenzim m er der G aststätte
„Zum Jägerstüble“ in der Feldbergstraße. Es
w ar eine denkw ürdige R unde von M ännern,
die sich d o rt traf, dort w urde erdacht und
herausgearbeitet was zu tun w ar. D aß diese
A bende niemals zum bloßen Stam m tisch der
H ebelfreunde w urden, dafür sorgte schon
der stets anw esende Professor H o ller und
m it ihm w aren im m er B ürgerm eister Pfeffer
am Tisch, der A utor dieses Berichtes, und
häufige G äste w aren E rnst B ehringer, H ans
Giesel, M ax W iechm ann, Leo Pfister und
später kam noch der H eim atdichter H e r­
m ann L änderer dazu. N iem als w ar H anns
U hl dabei. Seine D om äne w ar die G estaltung
des „Schatzkästlein“ und um der historischen
R ichtigkeit willen sei festgehalten, daß ihm
376
hier niem and etw as zu sagen hatte, auch P rä­
sident P farrer N u tzinger nicht, der auch oft
von H auingen in die R unde der H ebel­
freunde kam . U m das, was der H ebelbund
außer dem „Schatzkästlein“ leistete, küm ­
m erte sich H anns U hl nicht. A ber er w ar es,
der die w irklich großen Persönlichkeiten als
R edner auf H ebel gew ann, er w ar es, der
dieser alem annischen Feierstunde das bis
heute gültige Form at gab. Dies sei festgehal­
ten.
Bereits die G ründungsversam m lung 1946
hatte neben dem „Schatzkästlein“ zum H e ­
beltag einen U m zug geplant, der in der Folge
sehr viel A rbeit m achte und m it einem gro­
ßen Festum zug aus A nlaß der A nw esenheit
des B undespräsidenten, Prof. D r. T heod or
H euss, der am A bend zuvor die „R ede auf
H ebel“ gehalten hatte, diesen Teil des H e ­
beltages abschloß. Beschlossen w urde schon
zu Beginn des H ebelbundes die jährliche
Festpredigt in der Stadtkirche, die Feier vor
dem E hrenm al der G efallenen auf dem
Friedhof und die festlich-unterhaltsam e
Feier, um rahm t von den D arbietungen der
Stadtm usik im Rosenfelspark.
V on der H ebelrunde im „Jägerstüble“ w urde
die H erausgabe der Schriftenreihe des H e ­
belbundes m it der W iedergabe der jeweiligen
R ede auf H ebel. N r. 1 dieser Schriftenreihe
trug den T itel „D er Stabhalter“ und hatte
den Präsidenten P farrer N u tzinger selbst
zum A utor. Beschlossen w urde auch bereits
am A nfang die V erleihung eines „H ebeldan­
kes“, dessen erster E m pfänger der M aler
A dolf G lattacker war.
Beschlossen w urde in der H ebelrunde die
H erausgabe einer A usw ahl der schönsten
H ebelgedichte, die Schrift hieß dann „D er
B lum enkranz“. An einem der A bende erin­
nerte der A utor dieses Berichtes daran, daß
es eine gute Sache des H ebelbundes w äre,
alle im heim ischen Bereich in der Sprache J o ­
hann Peter H ebels Schaffenden zu W ort
kom m en zu lassen. D enn dam als w ar für sie
kein Boden bereitet.
besaß, er erhielt im Jahre 1965 verdient den
H ebeldank.
Am Schlüsse seiner A bschiedspredigt im O k ­
tober 1791 in der Stadtkirche in L örrach,
sagte Johann Peter H ebel: „M eine Em pfin­
dung fordert mich auf, es laut und öffentlich
zu bekennen und zu rühm en, daß ich m einen
A ufenthalt bei Euch zu dem bestim m ten
M aß m einer Freuden und nicht m einer Lei­
den rechne . . . daß ich viele Freundschaft
und Liebe, viel G üte, G efälligkeit und N ach­
Es w ar eine ganze Reihe von M ännern, die sicht und einen steten Frieden unter E uch ge­
von A nfang an an der G estaltung der H ebel­ nossen habe . .. und ach, daß ich hoffen
tage m it dem Schatzkästlein m itarbeiteten, darf, daß auch einem oder dem anderen un­
ihre Leistungen aufzuzählen, fehlt der „Zei­ ter Euch mein A ufenthalt nicht gleichgültig
lenplatz“, aber einige N am en seien genannt: geblieben sei.“
A rchitekt M ax W iechm ann, der die V erbin­ Sein späteres reiches dichterisches Schaffen
dung zu den H eim atvertriebenen aufrecht um unsere heim atliche Sprache m achte sei­
hielt und besonders am großen U m zug 1952 nen A ufenthalt als Präzeptoratsvikar in L ör­
eine gute A rbeit leistete; Leo Pfister, den rach ohnehin nicht gleichgültig. Johan n P e­
m an überall d o rt brauchen konnte, w o m an ter H ebel als Persönlichkeit und W erk un­
einen zuverlässigen und selbst denkenden vergessen zu m achen, das ist die schöne und
M itarbeiter benötigte. Zwei Frauen ist der großartige A ufgabe des H ebelbundes. Das
H ebelbund noch zu erinnerndem D ank ver­ Präsidium des H ebelbundes m it seinen M it­
pflichtet, Frau G ruber-W inter, die m it g röß­ arbeitern und sam t der T rachtengruppe unter
ter H ingabe und Fleiß sich um die T rachten­ der Leitung von Frau H änni w ird heute noch
gruppe des V ereins, und auch um die T rach ­ in bester W eise dieser A ufgabe gerecht.
ten selbst küm m erte. D ie zw eite Frau w ar H eute setzt sich der V orstand w ie folgt zu ­
der gute Geist des H ebelbundes und er ist es sam m en:
heute noch: Frau H ilde Engesser. D er heu­ Präsident
tige A rchivar Johannes W enk-M adoery aus H e rr D ekan G erhard Leser
R iehen fehlte von A nfang an bei keiner der L örrach-T üllingen
V eranstaltungen des H ebelbundes.
D ie letzte A m tshandlung des verstorbenen 1. Stellvertreter
Präsidenten P farrer N utzinger w ar die V er­ H e rr W alter Jung, R atschreiber
leihung des H ebeldankes im Jahre 1963 an L örrach
den K eram iker R ichard Bampi. Als neuer
und heute noch am tierender Präsident des 2. Stellvertreter
H ebelbundes verlieh P farrer W erner M en- H e rr G erhard Jung, Schriftsteller
nicke 1964 den H ebeldank an E rnst B rugger, L örrach
den Sendeleiter des Landesstudios Freiburg
A rchivar
des Südwestfunks.
Johannes
W enk-M adoery, K aufm ann
Es w äre ein Fehler, lenkten w ir zum Schlüsse
C
H
R
iehen/B
S
unsere G edanken nicht noch einm al hinüber
nach Basel, w o d er H ebelbund in R egie­ R entm eister
rungsrat D r. P eter Z schokke einen starken, H ans W eber, B ankkaufm ann
aber ohne große W orte w irkenden Förderer Lörrach
D er spätere V izepräsident H erm ann L ände­
rer nahm diese Idee auf, setzte sich m it den
H eim atdichtern landauf und -ab in V erbin­
dung und ließ sie an vielen W interabenden
im H ebelbund in L örrach zu W o rt kom m en.
Später übernahm und gestaltete G erhard
Jung sie im V erein m it der V olkshochschule
der Stadt L örrach zu den heute so gern und
gut besuchten und viel beachteten literari­
schen A benden aus.
377
Schriftführer
Frau H ilde Engesser
L örrach
(Aus: U nser L örrach, 1977)
HEBELPREISTRÄGER
1936
1937
1938
1939
1940
1941
1942
1943
1944
1945
1946
1947
1948
1949
1950
1951
1952
1953
1954
1955
1956
1957
1958
1959
1960
1961
1962
1963
1964
1965
1966
1967
1968
1969
1970
1971
1972
1973
1974
378
Dr. Hermann Burte f> Lörrach
Alfred Huggenberger f , Gerlikon (Schweiz)
Eduard Reinacher t , Aichelberg (Elsaß)
Hermann Eris Busse f , Freiburg i.Br.
Dr. Benno Rüttenauer t , M ünchen
Emil Strauß f , Freiburg i. Br.
Professor Dr. Wilhelm W eigand f , M ün­
chen
Jakob Schaffner J, Berlin — Basel (Schweiz)
wurde kein Preis verliehen
wurde kein Preis verliehen
Anton Fendrich J, Freiburg i. Br.
Franz Schneller J, Freiburg i. Br.
Traugott Meyer f, Basel (Schweiz)
Dr. Wilhelm Hausenstein t, Paris
Professor Dr. Wilhelm Altwegg t,
Basel (Schweiz)
Professor Dr. Albert Schweitzer t ,
Lambarene
Dr. Max Picard f, Brissago (Schweiz)
Reinhold Zumtobel t , Freiburg i. Br.
O tto Flake f, Baden-Baden
Dr. Wilhelm Zentner t , M ünchen
Frau Lina Kromer t , Obereggenen
Dr. h. c. Emanuel Stickelberger f,
Basel (Schweiz)
Professor Friedrich Alfred Schmid N oerr J,
Baden-Baden
Professor Carl Jacob Burckhardt f,
Vinzel (Schweiz)
Professor M artin Heidegger
Freiburg
i. Br.
Dr. Albin Fringeli, Nünningen (Schweiz)
Pfarrer Richard N utzinger t , Hauingen
Professor Robert M inder f, Paris
Albert Bächtold f , Wilchingen
(Kanton Schaffhausen)
Adalbert W elte, Bregenz
Dr. Eberhard Meckel t , Freiburg i. Br.
Professor Dr. Josef Lefftz, Straßburg
H erm ann Schneider J, Basel
Gertrud Fussenegger, Leonding bei Linz
a. d. Donau
Marie Luise von Kaschnitz J, Frankfurt/M .
Lucien Sittler, Stadtarchivar, Colmar
Pfarrer K urt Marti, Bern
Joseph H erm ann Kopf t , W ien/St. Gallen
Gerhard Jung, Lörrach
Seit 1975 wird der Hebelpreis nur noch alle 2
Jahre verliehen
1976 Andre Weckmann, Straßburg
1978 Erika Burkart, A lthäusern/Kanton Aargau
(Schweiz)
1980 Elias Canetti, Zürich (Schweiz)
1982 M aria Menz, Oberessendorf
ü/Biberach/Riß
HEBELDANKTRÄGER
1949 Adolf Glattacker t, Maler,
Lörrach-Tüllingen
1950 Professor Dr. med. Hans Iselin J,
Lörrach—Basel (Schweiz)
1951 Professor Franz Philipp +, Komponist,
Schönau—Freiburg i. Br.
1952 M aschinenfabrikant Hans Kaltenbach J,
Lörrach
1953 Denkmalpfleger Julius Wilhelm J, Lörrach
1954 Alt-Bürgermeister Josef Pfeffer J, Lörrach
1955 Professor Dr. Adolf Strübe t> Maler
und Bildhauer, Lörrach
1956 M inisterialrat Professor Dr. Karl Asal,
Freiburg i. Br.
1957 Ernst Friedrich Bühler, Chormeister,
Steinen i. W.
1958 Professor Alfred H oller f , Lehrer, Lörrach
1959 Dr. O tto Kleiber f , Redaktor,
Basel (Schweiz)
1960 Rektor i.R. Emil H utter f, Lörrach-Stetten
1961 Frau Emilie Gruber-W inter "f, Lörrach
1962 Hans Stössel t , Generaldirektor, Lörrach
1963 Richard Bampi f, Keramiker, Kandern
1964 Ernst Brugger t , Sendeleiter des Südwestfunks, Studio Freiburg i.Br.
1965 Regierungsrat Dr. Peter Zschokke, Basel
1966 Professor Dr.-Ing. H erbert Albrecht, Rheinfelden, Vorsitzender des Bürgeln-Bundes
1967 Regierungspräsident von Südbaden,
Anton Dichtei f
1968 Oberbürgermeister Joseph Rey, Colmar
1969 Senator Dr. jur. Robert M üller-W irth f,
Verleger, Karlsruhe
1970 Universitätsprofessor D. Dr. Ernst
Staehelin-Kutter t , Basel
1971 Dr. jur. Gebhard Müller, Präsident des
Bundesverfassungsgerichts, Karlsruhe
1972 Bürgerlicher Sängerverein Lörrach 1833
e.V.
1973 Landrat i. R. W olfgang Bechtold, Lörrach
1974 Dr. Karl Friedrich Rieber f, Musikdirektor,
Lörrach
1975 Ratsschreiber W alter Jung, Lörrach
1976 Professor Paul Stintzi, Mulhouse
1977 Dr. Theo Binder, Urwaldarzt
1978 Professor Dr. Georg Thürer, Teufen/
St. Gallen (Schweiz)
1979 Regierungspräsident Dr. H erm ann Person,
Freiburg i. Br.
1980 Gerhard Moehring, Kustos des Heim at­
museums, Lörrach
1981 Professor Dr. Raymond M atzen, Straßburg
1982 Oberstudiendirektor Dr. Erhard Richter,
Grenzach-W yhlen
In der Schriftenreihe des Hebelbundes sind bisher
erschienen:
H eft N r. 1 Richard Nutzinger: „Der Stabhalter“
H eft N r. 2 Gerhard Hess: „Rede auf Hebel“
Heft Nr. 3 Peter Dürrenmatt: „Hebel — heute“
H eft N r. 4 M artin Heidegger: „Gespräch mit
Hebel“
H eft N r. 5 Johann Peter Hebel: „Der Blumen­
kranz“ (Gedichtband)
H eft N r. 6 Eberhard Meckel: „Umriß zu einem
neuen Hebelbildnis“
H eft N r. 7 Kurt K rauth: „Hebel als Erzieher“
H eft N r. 8 Carl Jacob Burckhardt: „Der treue
Hebel“
H eft N r. 9 Hans Thieme: „Hebels Verhältnis
zur Geschichte“
H eft N r. 10 Rudolf Suter: „Hebels lebendiges
Erbe“
H eft N r. 11 Friedrich M etz: „Hebel und seine
Landschaft“
H eft N r. 12 Georg Thürer: „Hebel im Gespräch
mit seinem Leser“
H eft N r. 13 Bruno Boesch: „Hebels Umgang mit
der Sprache“
H eft N r. 14 Robert Feger: „J. P. Hebel und der
Belchen“
H eft Nr. 15 Fritz Buri: „W under und Weisheit
in Johann Peter Hebels Biblischen
Geschichten“
H eft Nr. 16 Lucien Sittler: „Hebel und das El­
saß“
H eft Nr. 17 Karl Schmid: „Hebel der Nachbar“
H eft Nr. 18 Hans Trümpy: „Das Volkstümliche
bei Hebel“
H eft Nr. 19 Hanspeter Müller: „Hebel in mei­
nem Leben“
H eft Nr. 20 Camille Schneider: „Vom Hebel
einst in meinem Lesebuch zu Hebel
heute“
H eft Nr. 21 Lutz Röhrich: „Hebels Kalenderge­
schichten zwischen Volksdichtung
und Literatur“
H eft Nr. 22 Albin Fringeli: „Hebel und die
Schweiz“
H eft Nr. 23 Uli Däster: D er „Heimatdichter“
Hebel
H eft Nr. 24 Raymond M atzen: „Mein Dank an
Hebel“
H eft Nr. 25 M artin Stern: Zeit, Augenblick und
Ewigkeit in Johann Peter Hebels
„Unverhofftem W iedersehen“
H eft Nr. 26 W alther Eisinger: „Johann Peter
Hebel, ein menschlicher Christ“
H eft Nr. 27 Arnold Schneider: „Hebel — Schul­
mann und Lehrer des Volkes“
H eft Nr. 28 W erner Sommer: „Hebel und seine
M utter“
H eft Nr. 29 Georg Hirtsiefer: „Ordnung und
Recht bei Johann Peter Hebel“
H eft Nr. 30 Albrecht Goes: „Hebel, der Ratge­
ber“
H eft Nr. 31 Ludwig Rohner: „Hebel und seine
Leser“
379
Schwiige
Im Ibermuat
m it W ort
nit zua hoch nufistiige,
un hinteno,
vu obe rabigschmetteret,
am Bode lige!
Im W uat
Parole nit
zua Barikade biige,
un nit
im derbe Gschwätz üs dunkle Gasse,
sich draanischmiige!
D r Teifel spilt
u f vile Giige! —
Bizite
schwiige!! —
Doch,
vor dr still bisch
muasch di froge:
W ar
s Schwiige
gloge?
Karl Kurrus
Aus: Vu Gott un dr W elt, Gedichte in Kaiserstühler M undart, M örstadt Verlag, 1981
Die Hermann-Burte-Gesellschaft
Magdalena Neff, Basel
Gründung und Entwicklung
D ie H erm ann-B urte-G esellschaft (H um boldtstr. 3, 7850 Lörrach) entstand Anfang
1960 aus einem Freundeskreis des aus M aulburg (Kreis Lörrach) gebürtigen D ichters
und M alers D r. phil. h.c. H erm ann BurteStrübe (1879—1960). N ach dem T ode H e r­
m ann Burtes am 21. 3. 1960 trat sie an die
Ö ffentlichkeit und besteht seither als „einge­
tragener V erein“ auf gem einnütziger G run d­
lage. D urch letztwillige V erfügung des D ich­
ters w urde sie Alleinerbin seines künstleri­
schen N achlasses, der in einem „H erm annBurte-A rchiv“ vereinigt w erden sollte.
Die Herm ann-Burte-Gesellschaft e.V. umfaßt
zur Zeit 320 M itglieder, die meist in Südbaden,
aber auch im übrigen Deutschland, in der
Schweiz und im Elsaß beheimatet sind. D er
jährliche M indestbeitrag beträgt D M 12,—, für
juristische Personen D M 50,—.
Präsident der Hermann-Burte-Gesellschaft:
R echtsanw alt H erb ert H arrer, H u m boldt­
straße 3, 7850 Lörrach.
A rchivarin und Schriftführerin: D r. M agda­
lena N eff, H ardstr. 72, C H 4052 Basel.
Ziel
D ie H erm ann-B urte-G esellschaft sieht ihr
Ziel in der E rhaltung und Förderung des
dichterischen und m alerischen W erkes von
H erm ann Burte und befaßt sich dem gem äß
m it folgenden A ufgaben: N euauflage der
vergriffenen dichterischen W erke — H eraus­
gabe bisher unveröffentlichter W erke — V er­
öffentlichung von S ekundärliteratur — V er­
anstaltung von G edenkfeiern, V ortragsaben­
den, Lesungen aus Burtes W erk usw. —
D urchführung von A usstellungen des m aleri­
schen W erkes von H erm ann Burte — H e r­
stellung von R eproduktionen von W erken
des M alers B urte-Strübe — V erm ietung von
O riginalbildern Burtes auf befristete Z eit —
A ufbau und U nterhaltung des H erm annBurte-Archivs (Burtestr. 73, 7867 M aulburg)
— Pflege von B eziehungen zu ähnlichen lite­
rarischen V ereinigungen und V erm ittlung
von Inform ationen an am W erk H erm ann
Burtes literarisch oder persönlich Interes­
sierte.
Die Arbeit der H erm ann-B urte-G esellschaft
w ird erm öglicht durch die M itgliederbeiträge
und durch Spenden sowie durch die ehren­
am tliche T ätigkeit einzelner M itglieder.
Veranstaltungen
A lljährlich im H erbst findet die M itglieder­
versammlung der H erm ann-B urte-G esellschaft (m eist auf Schloß Bürgeln) statt. —
Ebenfalls im H erb st jeden Jahres w ird ein
„B urte-Abend“ durchgeführt, in der Regel in
einer ländlichen G em einde des M arkgräfler­
landes und unter M itw irkung der V ereine
und reger T eilnahm e der Bevölkerung. Im
R ahm en dieser V eranstaltung behandelt ein
R edner jeweils ein bestim m tes T hem a im Z u ­
sam m enhang m it H erm ann Burte. Zu erw äh­
nen ist der „A lem annische A bend“ im N o ­
vem ber 1982 in H ausen im W iesental, dem
Professor G eorg T h ü rer (St. G allen) durch
seinen aufschlußreichen V o rtrag „Burte hul­
digt H ebel“ besonderen W ert verliehen hat.
A nläßlich des 100. G eburtstages von H e r­
m ann Burte im Februar 1979 fand in der Ale­
m annenhalle in M aulburg eine eindrucks­
volle Feier statt, an der ebenfalls Prof. T h ü ­
rer die Festrede hielt.
381
Alljährlich im Februar treffen sich die
Freunde Fierm ann Burtes zu r E rinnerung an
den G eburtstag des D ichters am 15. 2. in Efringen-K irchen zum „Ruländer Schoppen“.
N eben V orträgen aus Burtes W erk kom m en
hier auch andere alem annische D ichter aus
den drei L ändern der „R egio“ m it Proben ih­
res Schaffens zu W orte.
Ausstellungen
D em m alerischen W erk H erm ann Burtes w a­
ren die beiden G edenkausstellungen gew id­
m et: 1964 in L örrach zum 85. G eburtstag
und 1969 in M aulburg zum 90. G eburtstag
des Künstlers.
1980 veranstaltete die H erm ann-B urte-G esellschaft eine Ausstellung von Ö lbildern und
1981 eine A usstellung von A quarellen und
Z eichnungen Burtes in E fringen-K irchen,
w obei jeweils die M öglichkeit der M iete von
Bildern (zunächst für die D auer von 5 Jah ­
ren) ausgiebig genutzt w urde.
V eröffentlichungen
Seit 1963 brachte die H erm ann-B urte-G esellschaft folgende B ücher und Schriften her­
aus:
a) W erke von Hermann Burte:
A n K lotzen, R hein und Blauen. G edichte
(1963).
Adler und Rose. Ü bersetzungen französi­
scher G edichte (N euauflage 1966;
D M 1 2 ,-).
A n Klotzen, Rhein und Blauen (N euauf­
lage 1981; D M 9,80).
D ie Seele des M aien. G edichte um H ebel.
E rw eiterte N euauflage m it 7 Z eichnun­
gen von H . Burte und einem V o rw ort von
G. T h ü rer (1982; D M 12,80).
Hermann-Burte-Schallplatte bzw . -Kassette
(1978; D M 2 1 ,-).
Ferner erschienen unter M itarbeit der
H erm ann-B urte-G esellschaft:
382
H erm ann Burte: Skizzenbuch (V erlag F.
Resin, W eil a. Rh., 1978; D M 29,80).
Herm ann Burte 100 Jahre. A usgew ählte
G edichte, hochdeutsch und alem annisch.
(V erlag Burda, O ffenburg, 1978;
D M 19,80).
Zehn Handschriften von Herm ann Burte
(Faksim.) m it B egleittext „Ein Blick in das
Leben und Schaffen des D ichters“ von M .
N eff (V erlag F. Resin, W eil a.R h ., 1982;
D M 83,40, f. M itglieder der H .-B .-G es.
D M 66,70).
b) Sekundärliteratur:
G. T hürer: Zum hundertsten Geburtstag
des Dichters H erm ann Burte. R ede in
M aulburg am 17. 2. 1979. S onderdruck
aus „D as M arkgräflerland“, H . 1/2,
1979.
M . N eff: Herm ann Burte und Basel. Son­
derdruck aus „U nser L örrach 1979“,
Bd. 10.
M . N eff: „D ie Seele des M aien“. Herm ann
Burte ehrt Johann Peter Hebel. S onder­
druck aus „G eroldsecker L and“, H.
23/1981.
M . N eff: D ie Industrie im W iesental in der
D ichtung Herm ann Burtes. S onderdruck
aus „D as M arkgräflerland“, H . 2, 1981.
W . K üchlin: Begegnung m it Hermann
Burte und seinem Werk. R ede in G ren­
zach-W yhlen am 10. 10. 1981 („Das
M arkgräflerland“ , H . 2, 1983).
W . F. Fischer: A propos Herm ann Burte.
Erinnerungen und Gedanken 1979. (V er­
lag und Bezugsm öglichkeit: J. R ohrm us,
T um ringer Str. 221, 7850 Lörrach.
D M 5 ,- ).
Alle unter a) angeführten B ücher usw. (sowie
die noch zu Lebzeiten des D ichters erschie­
nenen und zu r Z eit erhältlichen G edicht­
bände: M adlee — Das H eil im Geiste — Stirn
unter Sternen — Lied aus Murperg — A us­
w ahl aus Herm ann Burtes Werken, 1959 —
H erm ann Burte 80 Jahre, eine Freundesgabe)
sind zu beziehen bei Firm a Friedrich Resin,
Postfach 1720, 7858 W eil a.R h.
Die Beziehung der Hermann-Burte-Gesellschaft zur alemannischen Mundartdichtung
Aus dem vorstehenden Ü berblick m ag er­
sichtlich sein, wie kom plex das Schaffen
H erm ann Burtes w ar und dem gem äß auch
die Arbeit der H erm ann-B urte-G esellschaft
ist: D ie hochdeutsche D ichtung und das m a­
lerische W erk nehm en einen großen R aum
ein. Als K ern dieses vielseitigen künstleri­
schen Lebensw erkes m uß jedoch Burtes
M undartdichtung, sein Buch „M adlee“, gelten,
für das ihm 1924 die E hrendoktorw ürde der
U niversität Freiburg i. Br. verliehen w urde.
D er R ang H erm ann Burtes als bedeutendster
alem annischer D ichter nach H ebel ist unbe­
stritten. E r w ar der erste H ebelpreisträger
(1936) und bew ahrte seinem großen V orbild
lebenslange V erehrung, die er vor allem in
seinem hauptsächlich alem annische G edichte
enthaltenden B ändchen „D ie Seele des
M aien“ zum A usdruck brachte. So ist auch
die B eziehung zw ischen der H erm annB urte-G esellschaft und dem H ebelbund un­
m ittelbar gegeben.
Zum ändern hat die Freiburger „M uettersproch-G sellschaft“ H erm ann Burte, den
M eister der alem annischen M undartdichtung
nach H ebel, gew ürdigt, indem sie als T itel
für ihre Zeitschrift die Zeile: „Alimannisch
dunkt ys guet“ aus dem G edicht „Spracharten“ in „M adlee“{S. 80) gew ählt hat.
Spracharten
1
Andersch schwätzt men anderwyttig,
Alimannisch dunkt ys guet:
Hochdütsch raschlet w ie ne Zyttig,
Alimannisch ruuscht w ie Bluet.
2
Stoß der C hopf ämol dur s’Gätter!
Bruuch D y Sprooch und ihri Chraft!
Hochdütsch, seil sin gsägti Bretter,
dM undart isch e W ald im Saft.
3
d ’M uedersprooch, en Aechte lehrt sie.
Sag, was sparsch der Oode Du?
Hochdütsch schmeckt no Druckerschwärzi,
d ’M uedersprooch het Boodeguu.
Herm ann Burte
(Aus: „M adlee“, Alemannische Gedichte)
383
Literaturhinweise
Aufsätze zur Mundartdichtung
Assion, Peter
Lob des Dialekts. In: R udolf Lehr, Paul W aibel, M uddersprooch, Ein pfälzisch-fränki­
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Seiten 8—12
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„schw ädds“ Zeitschrift für M und art N r. 4,
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Epple, Bruno
N achw ort zu M anfred Bosch, U f den D ag
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dichtung. In: „schw ädds“ Zeitschrift für
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Feinäugle, N o rb ert
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Bausinger, H erm ann
M
atzen,
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Fußgängerzone. In: „A kzente“, 1976, Seiten
ten
X
I
X
IX
3 64 -3 68
Finck, Adrien
Bausinger, H erm ann
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Fringeli, D ieter
H rsg. E duard Spranger, 1979
M ach keine Schprüch, Schw eizer M und art­
lyrik des 20. Jahrhunderts, Artem is V erlag,
Bosch, M anfred
R eferat, gehalten auf dem K onstanzer Sym­ 1972
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schen R aum — R egionalism us und D ialekt, m ängisch w ie gäärtä, V erlag J. P. H ebel,
hg. von J. K elter und P. Salom on, Dreisam Gebr. H olstein, R othenburg ob der T auber,
1978
V erlag Freiburg, 1978
385
H erburger, G ünter
M ut zum D ialekt. In: „A kzente“, 1976, Sei­
ten 133—138
H offm ann, Fernand
Zwischen den Lagern, Z um 60. G eburtstag
des O bw aldener M undartdichters Julian Dillier. I n : „schw ädds“, Zeitschrift für M undart
N r. 4, Juni 1982, Seiten 62—65
H offm ann, Fernand
Im D ialekt schreiben. Prinzipielles zu r Äs­
thetik der D ialektliteratur. In: „schw ädds“,
Zeitschrift für M undartliteratur N r. 3,
N ov. 81, S. 10
H o ffm ann, Fernand
Sprachspiele und K onkretism us als m undart­
poetische M ittel. In: „schw ädds“, Zeitschrift
für M und artliteratur N r. 5, N ov. 82, S. 8
H u ber, H einz
W o m an aus W eizen Spätzle m acht — N eue
schw äbische M undartliteratur. In: Badische
K ulturzeitschrift D ’D eyflsgiger N r. 6, Seiten
7 1 -8 6
K usz, Fitzgerald
Poetisch, linguistisch, sozialkritisch. In: „Ak­
zente“, 1976, Seiten 139—143
O rtlieb, D ietm ar
M ut zum D ialekt oder Reiz der Exotik. In:
L iteratur im Alem annischen R aum — R egio­
nalismus und D ialekt, hg. von J. K elter und
P. Salom on, D reisam V erlag Freiburg, 1978
Schm itt, H einz
Pfälzisch links und rechts des Rheins. In:
R. Lehr, P. W aibel, M uddersprooch, Ein
pfälzisch-fränkisches M undartbuch, Badenia
V erlag/R hein-T aub er V erlag
Spranger, M atthias
Im m er noch M ontag, A lem annischer L itera­
turpreis der Stadt W aldshut an E rnst Burren,
Laudatio. In: „A llm ende“, 1. Jg., H eft 2,
1981, Seiten 136-141
W aibel, Paul
M undart ist Sprache aus eigenem R echt. In:
R udolf Lehr, Paul W aibel, M uddersprooch
Bd. 2, M undarten zw ischen R hein und T au ­
K aliw oda, G regor
T hesen zum Regionalism us und M und art­ ber, M ain und M urg, Badenia V erlag K arls­
dichtung oder: M öglichkeiten eines w ieder­ ruhe, R hein-T auber-V erlag Sandhausen,
entdeckten Sprachm aterials. In: L iteratur im 1980, Seiten 8—9
alem annischen R aum , R egionalism us und
D ialekt, hg. v. J. K elter und P. Salom on, W alser, M artin
D reisam V erlag Freiburg, 1978
Zweierlei Füß — Ü ber H ochdeutsch und
Dialekt. In: D ialekt. W iederentdeckung
K elter, Jochen
des Selbstverständlichen. Eine schw äbisch­
Provinz — Aufm arschbasis gegen die M etro ­ alem annische B estandsaufnahm e, H rsg.
polen? Z ur R enaissance von H eim at und E. Spranger, 1979
D ialekt in der w estdeutschen Linken. In: Li­
teratu r im A lem annischen R aum , R egionalis­
mus und D ialekt, hg. v. Jochen K elter und W eckm ann, A ndre
P eter Salom on, D reisam V erlag Freiburg, Elsaß: V on der Selbstaufgabe zu r Konvivialität. In: A llm ende, H eft 1, 82, S. 4 4 ff.
1978, Seiten 9 7 -1 0 2
K ühn, D ieter
W eckm ann, A ndre
M u nd art und H o chsprach e: eine K o nfro nta­ Das elsässische Sprachproblem — ein Schultion. In: „A kzente“ 3, 1976, S. 311
problem . In: A llm ende, H eft 3, 82, S. 58 ff.
386
Mundartforschung
Das Badische Wörterbuch
Gerhard W. Baur, Freiburg
„D as Badische W örterbuch stellt den W o rt­
schatz der lebenden M undarten Badens dar.“
So lapidar beginnt E rnst O chs, der erste und
langjährige B earbeiter und H erausgeber, das
V o rw ort zum ersten Band, der 1925 nach
über lO jähriger eigener V orarbeit und noch
w eiter zurückreichenden V orbereitungen an­
derer zu erscheinen beginnt und 1940 abge­
schlossen ist. W ieso „badisch“ und nicht „ale­
m annisch“ oder „fränkisch“ ? Eine badische
M und art gibt es natürlich nicht, jedoch hatte
m an sich 1913 auf der ersten M und art-W ör­
terbuch-K onferenz in M arburg dafür ent­
schieden, die großen w issenschaftlichen
W örterbuchunternehm en nicht nach ohnehin
problem atischen D ialekteinteilungen vonein­
ander abzugrenzen, sondern sich bei der
Sam m lung des m undartlichen W ortguts an
die augenblicklichen politischen G renzen zu
halten. N ach diesem G rundsatz w ar m an al­
lerdings schon bei den viel früher ins Leben
gerufenen N achbarw örterbüchern verfahren,
und nicht zu letzt w erden es auch finanzielle
G ründe gewesen sein, die für diese A uftei­
lung sprachen. Sow ohl das 1862 begründete
Schw eizerdeutsche W örterbuch (heute im
14. Band beim B uchstaben T stehend) als
auch das schon etw as früher begonnene
Schwäbische W örterbuch (von 1904 bis 1936
in 7 B änden publiziert) und das Elsäßische
W örterbuch (2 Bände zw ischen 1887 und
1907 erarbeitet) hielten sich an die Landes­
grenzen, w obei dadurch bei den beiden letz­
teren ein bedeutender fränkischer D ialektan­
teil m it hineingekom m en ist.1)
D ie Anfänge des Sammelns
Im Jahre 1893 hatte der volkskundlich inter­
essierte U niversitätsbibliothekar Prof. Fridrich Pfaff die neu an die Freiburger Universi­
tät gekom m enen G erm anisten Friedrich
K luge (hauptsächlich bekannt gew orden
durch sein Etym ologisches W örterbuch) und
E lard H u go M eyer für die E rforschung der
badischen V olkskunde interessieren können.
Ihre gem einsam ausgearbeiteten und an Leh­
rer und P farrer im ganzen Land ausgesand­
ten Fragebogen2) erbrachten im m undartli­
chen Bereich so viel Interessantes und N eues,
daß die drei Initiatoren nun, entgegen frühe­
rer B edenken, die Schaffung eines W örter­
buchs ins A uge faßten. D er H auptprom otor
scheint längere Zeit Pfaff gew esen zu sein,
der nachm alige erste V orsitzende des L an­
desvereins Badische H eim at3). E rst als 1907
A lfred G ötze, ebenfalls G erm anist und Bi­
bliothekar, dem 1902 erblindeten Kluge an
die Seite trat, w urde planm äßiger w eiterge­
sam m elt, schließlich über Jahre hin einm al
w öchentlich durch B efragung von badischen
Studenten. A ußerdem gew ann m an ausw är­
tige M itarbeiter und konnte einige M undartforscher4) dazu bew egen, ihre Sam m lungen
in den beständig anw achsenden Fundus des
Freiburger U nternehm ens einzubringen und
eigene Pläne aufzugeben. 1914 konnte E rnst
O chs, ein Schüler Kluges, als hauptam tlicher
B earbeiter eingestellt w erden; bis 1961, sei­
nem T odesjahr, leitete er, unterbrochen von
je vier Jahren K riegsdienst in beiden W elt­
kriegen, das Badische W örterbuch.
387
tätlich roerben—tatfchcn
432
breiteter, aber nicf)t c^ut munbartlich. 9*od) ooIfSfrember
ifl ba3 JpauptiDort T ä tlic h k e ite n ; beffcn (5in$al;l fef)It.
— ftifrfjer 2, 94; 6, 1726.
UrttO Umfl.: b is d- ,bi3 ^eut, biäfjer' .§ e b e l 2G,
39. 29eitere§ unter b is 3- 25* 3 11 D a tu m . — £>. «Sdjulj
5
ftrcw biüb. 1, 124. ©iinbcrfl ftrem bw b. * 1, 233. C if. 2, 726.
Z a U 1 (tä )t id.: d ä d s a x 1913 ip a n b fc h u h ö h c i m
ift au3 ber Schriftfpradje entlehnt. $)ie 9Jfunbart liebt
nur ben präbiratioen (gebrauch: deS d ä 'd s a x ! ^3 fo rj =
I) m ; d ä d s a x ! m.te?w h y r n l
o r 3 ^ m ; j a , j d , tcä ts a x f O be r f d) c f f I. V o rsp ie g e lu n g fa ls c h e r T a t­
sa c h e n tDirb uom ®olf beladjt
— 3ff2D . 14, 9 ff.
10
«iftfirr 2. 94.
t<ttfäd)H d) Utnfh: teä ts?xlix X X O b e rfd je ffle n z
ift junges Sehnroort; ta d s$ % lix 1930 ^ 3 f o r z h m ift
iiberbieö beengt buref) e ffe k tiv . — ®2Db. 11 1 322.
^ rttfd ) d ä d s m .: 1 ) 0 d)lag mit ber flauen #anb
O b e r td . (fftaft.). 0d)lag im ^angfpiel f t r e i b .; bie
unoeranberte 9Jtehrz. bezeichnet beren mehrere ober auch
bie ernftlidjcren Schläge d o u ben (Eltern eb. Dtic^t feiten
gibtö einen d- oufS fvuble 9? in g ä h n t, h o f f te t, i. lt.
‘^ gl. P a tsc h , A rsc h k l ä p p e r, ta tsc h e n 1, T ä tsc h 1,
T a tsc h e 1 a, P ilc k ta ts c h . — 2) Übername geiuiffer
3)iänner uon fleinem, gefiauchtem 2öu^3 § rie f e n l) n t.
Xölpel :7t u ft. 2?gl. T o tsch , ta tsch e n 5. 6. 2. —
8 ifcl|cr 2, 95.
£ ä tf d ) d ä d s m., meift in ber unoeranberten ÜJtehrj. :
1 ) (leichter) 0 chlag mit ber flachen £anb, Jpiebe 0 tocf =
a d ), 0 d) id e r z e n , C?fd)bach (2i)alb3f).)/ 2 ö r r a dj,
0 d ) o n a d ) , 23 e ift 153. 23gl., T a tsc h 1 , tä tsc h e n 1,
T ä s c h 2. — 2) SJtal am Ifeib, gletf 0 c h n ? e r je n .
2Jg(. T a tze 6. — 3) ^flanjen bie irgenbroie breitgetatfeht,
fithflabenartig finb. 0ief>e befonbcrS S ä u -tä ts c h ,i'ön>en=
Zahn' unb ogl. B o id ä tsc h 0 . 230 b 3* 29. B a lle d ä tsc h
grofter 23cgeiid), P la n tn p o m aio r Jt iifj n a $ / 9 R i t t e il .
1915, 388 (fad)Iich ogl. S ä u o h r e n ; £autöhnlid)cä unter
tä tsc h e n 1). — 4) fie^e K ilc h e n tä tsc h . — Cif. 2 , 731 .
A 2 ä tfd )« b e re m .: D ä tsc h b ä h re ” ba3 Tteh I la n d bare, nenn e3 zum tä tsc h e n S a oerroenbet toirb (fyren.z =
ad) (ftifd)erfprad)e) / 23 19)t a r Fg r. 1919, 55. SSgl.
P liltsc lig a r n . — e<W*§- 4- 14r»8X atfd)»l)Itirae m .: tflatfcbrofe (f. b.), P a p a v c r
rh o e a s O b e n $ in . 3 “ ta tsch e n , unb zroar mehr roegen
beö itnadS im finbltcfjen Spiel al3 mit bem 0 in n be3
2'reitgebrncfteit. 2*gl. T a tsch ro se; P fla tsch ro se 2. —
— iyifrfjcr 2, 96.
£rttfd)C m.: 1) a ) d a d ü Schlag beim gangfpiel
t f a r l s r . Oie Sdjeibung non T a tsc h 1 ift nid)t leicht;
Dgl, P a tsc h e : P a tsc h , X a c h tta tsc h (e ). — b) 23a(Irourf
bitrd) 2lbfd)lagen mit flacher ASanb in ftopfljöhe 2 ß e rth n t.
2*gl. tä tsc h e ln 2 a. — 2) 23iireni, Xierta^e, gelegentlich
and) bie ungefchidte £ an b ; d a d fy !£ a u h e r b if
SNcfyr;. O fa b le r 93. 291. 2!gt. B ä re n ta tsc h e n , L in k s ta tsch e, T o tscli(e), K /o tschc, T a tze 1. — 3) £latfd):
rofe; d a d s* O b e r f d) e f f l ., ogl. T a tsch ro se, T a tsc h b /u m e . — 4 ) d a d s ,2'rot unb Äudjen, faflä fie noch
nidft gegoren haben' 2) ru h r ai n /'7?91 r d ) e i b e Ib. 6,
132. 2*g(. T ä sch c 4, T ü tsc h e r 2 ( a ) . — 5) 05elanbe=
mulbe, Oalfenfung ohne SBaffer; d a d s 9 O b e r f cheff I.,
je ö n i g h m , 2B e r b a d), ö n <h Z-; d a d $ O u r m e r 3 =
h m , f e i e r tf ) m . Oie brei lebten 2lngaben finb Dor=
miegenb Flurnamen. 2'gl. T ä sch c C c. — gtfchcT 2, 9 5 ;
6, 1726.
O fttf die (m.): 2Derrzeug zum 3 ai,f«n
2öode,
SPoIIfamm 1923 9t a f f i g. 2lu3 K a rd ä tsc h e (f. b.),
oielleicht unter 2lnlehnung an bie (Gruppe T a tsc h e r (2).
X ätfd ie ro.: 1) t( ls
mit bet flarfjett §<mb
S rie fe tte m bf. ftigl. T rlsch c e?, T a tsch i' i n ) . D a tsc h e
■bliebe f t r c i b .f ‘- Sab. $ c im .
129 (boeb l'ic&e T a tsc h
1). — 2) D ittsc h e bie Hflanjen töroeiisnljn ? ib e li)(n
(rinfelberg)
T tltsc h 3, T ö tsch c . — 3) (grofie)
Jfröte, B ufoj d ä tlS ^ o f f l e t. i. lt., -e- U n te rp re c b =
15
20
25
30
35
40
45
50
55
60
65
"0
t a l t) f., D a tsc h e „ g t j t a l '/ S W i t t e i l . 1914, 333.
Sßgl. lio d e n d ä tsc h e , Tö sch e, D ic k s a c k ; T ä rtsc h e .
—
G if. 2 , 731 f.
ta tf d ic ln febro. - d a tS h mit bett Jpänben flntfcben
9} e « b g n. Sott ta ts c h e n 1. Sigf. p a ts c h e in , tä tsc h e ln .
ta tf d ie l« d a dsl.) S tb o p fb m u. ü.; d fd stln O berro.
(SBafl.), $ 0 nb f d). — (cbm.: 1 ) «/Iei<b‘. Iiebfofenb (tbiagen
S to c fac b , ü ia b o lf j., l'e n jf ., SfitifJ, O berro .. (SKaft.),
T O ö tftb . 'P f o t j b m . SR o b r b a <b (6 pp.), S R n p p .,
O b e tf c b e f f l., S a t t b e t b i f tb ., £ e ib e lb ., § an b fcb SJon ta ts c h e n 1 unb tä ts c h e n 1. S gl. tä ts c h e ln . 3 1,;
fammettf. ver-, h e ru m tä tsc h e ln . — b ) m it grimmigem
S p o it: ®ie teure 3 eit b<tt ben fterl oerbätfebett unb ibm
d e ß h iß te m a g e rs F le isc h N o ch v o n d ie K n o c h e
d ä tsc h e lt SRonteo £ t> p o (b . 30. — 2) ©pietauäbrüde.
a ) eine Sßurfart im Sallfpiel, ben S aü m it flacfter ^anb
febtagen unb jiirücTfc^Iageit Slcbertt (ogl. zu r ilc k ta ts c h e n ).
“D anach f»ei{jt T ä tsc h e ln f. ein einfachem SaQfpiel, roobei
ber S alt febr febned an eine SSanb getatfebt roirb Siebern.
— b) d ä tsc h e le ober d its c h e einen S tein über eine
ffiaffetfläcbe bupfen laffen S r e b g n . S gl. tä tz e ln 2 . —
giMier 2 , 96.
X a t id f e n m .: (k ü -)d a d s o fiubflaben O berro . (SRaft.).
SIttä D e isc h e (n ) + T a tsc h . Seaebte noeb P fla tsc h e n ,
K u h d e its c h e (n ) unb K ü h tü s c h e n . Unter K u h -ta ls c h e n
ifi auety bie Siebenform mit -ä- naebgeroiefen logt. K u h p flä tsc h e n ). (SnblicI) budft 6 . ffleef 135 mit fnblitbem
Suffip unb Umlaut ( x flf-)d ä d S i. — (Stf. 2 . 731.
ta tf d ie n . d d d S s S a u b e rb if e b . lt. ö. Siebe aber
Sebeutung 4 — f<bn>.: patftben (f. b.), tlntfeben; ogl.
tä ts c h e n , to tsch en . 1) b ra v o dä dS o beifällig in bie
•fjänbe febtagen S llbreebt bf- S ie m a c h te n a lle so : . . .
M it d e n F ilß c h e n tr a p p tr a p p tr a p p , M it d e n
H ä n d c h e n ta ts c h ta ts c h ta ts c h i R o r f g n / S t b l ä g e r
34. SSeim gangfpiel einen flauen Stblag auf ben SRüefen
geben 1? a r I ä r. (ogl. teischen 3 ); a b -ik u li) .abfeblagen
6 c im Äinbetfptel' Sf3 f o t j b n t; ogl. ho ch-, z u r ilc k ­
ta tsc h e n , I la n d ta ts c h e n , Ü c h u riken ta tsch es. ÄIat=
febenb auf ben Diftb febtagen Ä a r l ä r ., Sfßfotjbm . S*01*)
nieberfeblagen .P>e i b e [ b. (felienet b’er d e tsc h e). SRit
ber flacben “fianb mebr ober minber fanft fein Jfinb) oer=
bauen S R ö n e b se ll, O b e rro . (tRafl.), © e g e n b n o n
O tte r S r o . SRit flacbem ÜBerTjeug etroab eben febtagen,
j. S . Seig unb Rot SR obrbacb (Spp.), SRift S in ft,
iR in g ä b m ; SBiefen S i e g e l a u . — 2) tappig geben,
gcroiffetmaffen roatett. W io d a d S iS d r h g r t Stuft. S gl.
h e r u m ta ts c h e n . — 3) a ) dads.) ober d u d S s ttatfebenb
bernbfaflen, oon ©egenffättben S u n t b f n . — h ) un=
perföttlitb: s d a d s d eä regnet in Ström en S t b i t t a e b ,
ts tja e fu — *) febroaben, unnüb reben. S tetä mit -ä9“i a b o I f j . , S u n t b f n , S e n jf . — 5) jufammenbrüefen
3 a i f e n Uf it. (vier d ä d S s ,ftc m it (Seräufeb einbrüdeit'
O b e r f ib e f f l. S gt. ver-, h in e in ta ts c h e n . — 6) in jicb
jufammenfinren, flae b erro erb en S fo rjb n r, S r u b r a i n ,
D b e r f e b e f f I .; j. S . oom fflrot roiibrenb beö Sacfenä
ober oorfter SRobvbaeb (<5pp.), oon ©efebroiilften SIeit =
b en a u , SR öncbj. ffufaitunenf. e in ta ts c h e n , befonberö
bänfig z u s a m m e n ta ts c h e n . — gttifjcr 2 , 9öf.
tntf(1)cn ttfl'iu S i n g e n a. ib.; d ä d s.) S c b o p fb m
it. ö. — f^ro.: oorroiegettb fübliebe Siebenform oon ta t­
s c h e n ; fielje bort rteitereS unb ogt. T a ts c h : T a tsc h .
(5ö gibt Orte mit beiben 3 e' tl»‘>rtern ( .(je ib e Ib .), ge=
paart mit SebeutungSunterftbicb ( S u n t b f n ) . ®oef) liegt
eine grunbfäfjliebe Sebeibuitg jrotfeben bobem unb tiefem
.ftlang ober naeb tranf. unb intranf. ©ebrauef) nidjt oor.
Sebeutung 1 berührt fief) mit tä s c h e n 3. 1) einen Scbtag
beim S p iet oerfepen S a b r ; ogt. A r s c h tä ts c h e r te s ;
D a lte d ä tsc h is f. baä Sattfcbtngen S i t r t e SRnb. 63.
S ta tt feblagcn S e b o p f b e im e r © e g e u b , S i n g e n n.
,f\, o r n b e r g (Scbroroalbb.i, ttttb sroar Amber, SRcitfebcn
i 'a b r , ben SOIifl u m b e n .Ci ob c ii t to i et. — 2) in
Pantoffeln ober äbnlict) bevnmtaopen, baff cS auf bem
Verkleinerte Wiedergabe von Emst Ochs, Badisches Wörterbuch, Bd. 1, 432 (Originalgröße ohne Rand
22,3 x 15,3cm)
388
Kägersch-kaiben
48
a.B .; kägersch 1 8 9 5 M im m e n h s n ; kägdrh S in g e n a.H .,
1 8 9 $ K o n s t., B o n n d . - f.: ,Elster4. Vgl. Gägerst, zu dem
die A bgrenzung nicht scharf ist, sowie Agerst. O b w irk­
lich - w ie E. K ra n z m a y e r und, nach ihm , L. J u tz ver­
m uten - Gehäger, PI. zu Geliag ,H ag‘, zugrundeliegt oder
nicht etw a doch onom atopoetische U m bildung durch
K -A nlaut an Agelster-Form en (so S u o la h ti V o g . 1 9 5 )?
D ie Form hat Anschluß nach O und SO in Oberschwa­
ben, Bayer. Schwaben, im Allgäu und N V orarlberg. F isch e r 4, 1 4 6 ; V o ra r lb . 2, 4.
K a h : FN ; um 19 0 0 und 1 9 3 1 B a d e n -B ., außerdem
K a rls r., 1 9 3 1 H e id e lb g , 1 9 2 6 M a n n h m B re ­
c h e n m a c h e r 2 2 , 3 ; danach w ohl < Kau < m hd. gehouwe ,H au, R o d u n g 4.
k ah l käl H a n d sc h .; xäl S in g e n a.H ., R e m e ts c h w ie l; kxäl W a n g e n (Höri) - A dj.: ,kahl 4 w ie nhd.; nicht
pop., in H a n d sc h . häufiger blod L en z W b . 3 5 . - Vgl.
19 28
ratzekahl. -
F isch e r 4, 1 5 1 ; R h e in . 4 , $ 2 f f.; S c h w e iz . 3, 19 2 ; V o r ­
a rlb . 2, 4.
K ah len b e rg : F1N, ein Berg zwischen E tte n h m und
H e r b o lz h m ; dort auch die jetzt stillgelegte G rube K bei R in g sh m . O rtsneckerei -» A le x i ; vgl. Berg 1 .
K a h le n b e rg -g ru n d m .: .Lößboden 4 vom -> Kahlen­
berg E tte n h m .
K alil-h ieb kälhib H a n d sc h . - m .: .Entw aldung, voll­
ständiges Abholzen eines W aldstücks4; verbr. (bes. 1 9 4 5 1 9 4 7 im Schwarzw.). - F ischer 4 , 167.
K ah m , I K ah n khäm neben khän O .s c h e ffl.; kgm9
PI. O b e rw . (Rast.) - m .: .Schim mel auf (v.a. gegorenen)
Flüssigkeiten4, z.B . dd w[ hat kgtnd O b e rw . (Rast.). M hd. kdtn, kdn < spätlat. cana .graue Schmutzschicht auf
W ein 4. D ie-m -Form en sind eher m d. Vgl. Kunen. - L e x e r
M ö h rg n , St. G e o rg e n (Schw.); k(h)qib N e u s a tz ,
K a p p e lw i., A lte n h m , O tte n h m , O .s c h o p fh m ;
khäp -b F r e is te tt, H o n a u , K o rk , E ck a rtsw . - m .,
n. (Treschklgn, R app.): 1 ) f ,Aas4; Rappen vnd Kreien /
5 die sich der keiben am galgen ... erneerent 1 5 6 6 Pi ct. L eib sA rtz . 2 2 a. - 2 ) Schelte, meist verachtend a) (vorwiegend)
fü r M enschen, v.a. im Alem. verbr. Hauptbed. .schlech­
ter, gem einer M ensch 4 „ M itte l-, O b e rb a d e n 44/Z fd
M u. 1 9 1 3 , 3 4 8 , S to c k a c h ; ,böser Mensch, elender K erl 4
10 A u g g e n , M ü llh m , H a ltg n ; ,Lum p 4 G riß h m ;
,Spitzbube 4 K a p p e lw i., L e ib e rs tu n g , A lte n h m ,
E n g e n ; .(durchtriebener) K erl 4 S asb ach w a., O tte n ­
h o fe n , A y; bei dieser Bed. kann m ehr oder weniger An­
erkennung m itschwingen, z.B. did xqibe kxöne nit anders
15 as qitn drätskridge A ltg la s h ü tte n /H . M ü lle r In te ll.
3 1 , ähnl. P fo rz h m , F e ld b g (Müllhm), L en zk ., R a ­
d o lfz . u.ö. .Ungehorsames K ind4: did k-9 wqn dox njd
folgd S im o n sw a ld ; für K inder .Frechdachs, Schlingel4
M ö h rg n (neben .Schuft 4 fü r Erwachsene); .lästiger
20 M ensch 4 F re ib ./Z fd M u .
1 9 1 7 , 5 1 ; .ungeschickter
M ensch 4 S p e s s a rt, M ö n c h z .; .dum m er Mensch 4 H a l­
tg n , O os. M anchm al schwingt in Beschimpfungen noch
Bed. 1 m it, z.B. du chaib, du verreckda! L ie n h m . Etwas
konstruiert w irkt ihr kaiwige Kaiwe, ihr verkaiwete! 1 9 7 0
25 W o lfa c h . Differenziert oder verstärkt durch Zusammen­
setzungen (s.u.) und Zusatz von Adjektiven: du fu le Ch,fauler Kerl4 J u n g B rä g e l 4 9 ; diq dq/ d, qr qmsold bql,
dqrgnpn kaib ,die Frau denkt, der stirbt bald, dieser krum m e
K erl 4 1 9 3 2 G en g e n b . W eitere V erbindungen m it
'30
abenteurig, alefänzig, alt, pfiffig, plärrig, böse, taub, dumtn,
elend, verdruckt, verschlafen, grausig, grob, groß, hässig, munkig, nichtsig, räudig, schlecht, semper, wasig, wüst, zuleidlebig.
f)ie G en.form w ird zur Verstärkung, in verwünschender
oder positiver Bed., vor Subst.e und Adj.e gesetzt, z.B.
H e id e lb g , H a n d sc h ., P f o r z h m , O tte r s d . (dafür 35 ->■ Kaibenbub, -katze, -mädle, -strolch usw., kaibendumm,
überall Nachen), M a h lb g , E tte n h m , F re ib . (dafür
-glatt usw. - b) für Tiere: D u blinde Chaib, sihsch d Fuhre
SchiffU).W ohl m od. khänjam dn O .sc h e ffl., kän G ausb.,
nit sagte ein Bauer zu seinem blinden R oß G lo c k B re isg .
R e ic h e n t. (neben a x d r h ) /Z fd M u . 1 9 1 1 , 7 0 . - 2 ) ,B ett 4
1 3 . Vgl. Kaibenkatze. - c) fü r Sachen; z.B. 9 xnqm9 xaib
B a d e n -B ., 1 9 3 0 R a d o lfz ., 1 9 7 5 F re ib .; U gspr. - Vgl.
,ein geknickter oder krum m er R ebenbogen 4 E g rg n ; de
Drubord, Flieger, meren, Nachen, Weidling, Wcidschelch ; 4 0 C h -(= Auto) hät eifach nit alaufe wolle J u n g B rä g e l 9 1 ;
W anzenkahn. - F isch e r 4, 18 9 ; R h e in . 4, 55.
draiht sich de C h- (ein Pfosten), mer meint er lebt eb. 6 1 . III K ah n , auch C han : F N ; w ie -> Kohn < hebr. kohen
V erw ünschend: dene kaiwe neimodische Fuarwqrkd O. F w g .Priester4. V or und nach 18 0 9 von Juden in Baden gebr.;
le r 3 , ähnl. S. 5 5 . A bw ertend: D e Vatter wird alsfascht ver­
gehört m it M eyer zu den verbreitetsten jü d. FN hebr.
rückt I was alles Chaibs (,Zeug‘) de Fridli druckt J u n g B rä ­
U rsprungs D re ifu ß F N J u d . n o f . - F isch e r 4, 189.
45 g el 3 9 ; 9ris so öbis xaibs gsi ,er w ar (beruflich) etwas der­
k a h m ig -> kunig.
artiges 4 1 9 3 $ S c h o p fh m . - 3 ) .Rausch4; är hqd 9 ghdrigd
K ä(h )r -* Keller.
xaib 19 6 5 K irc h e n /K rü c k e ls 2 i 7 f. - M hd. keibe
K aib khäp M ö n c h z .; khäib T re s c h k lg n , R a p p .,
.Leichnam, Aas 4 - W eiteres -> hinbringen, hineinsteigen,
S p e s s a rt, M ö rs c h , O b e rw . (Rast.); khaib, -q-, -fLandesgefängnis, Rippe, Schwabe. Vgl. Kerle, Kog, Salopp,
O .s c h e ffl., H e ttg n , P f o r z h m , O tte n h o f e n , S as- 50 Schindaas, Siech; Erden-, Hunds-, Laus-, M alefiz-, Mords-,
b a c h w a ., R h e in b is c h ., L e ib e r s tu n g , U rlo f fe n ,
Schind-, Schwaben-, Schweizer-, Spinnkaib, Stemenkaiben ,
G e n g e n b ., L a h r, K ip p e n h m w lr , R u s t, E tte n h m ,
Teufels-, Wasenkaib; ver-, herumkaiben. - D W b . 5, 4 3 i f .; E l s .
I , 4 i ö f . ; 2, 9 4 7; F isch e r 4, 1 4 7 F ; M e is . W b . 6 2 ; S c h w e iz . 3, io o f f .;
H o fs te t., W o lf a c h , H o r n b g , F u r tw a n g e n , S i­
m o n s w a ld , W a ld k . (Elzt.), R e u te (Emm.), J e c h tg n ,
V o ra r lb . 2 , 51 f.
F re ib ., B re itn a u , S t. M ä rg e n , N e u s t., L en zk ., 55 k aib el(e)n xaib9h L ö rra c h - schw.: ,nach Aas rie­
S t. W ilh e lm , H in ts c h g n , S u n th s n (neben kgab),
chen 4 (vom Fleisch) M e n g e n (Freib.), St. G e o rg e n
S to c k a c h , E n g e n , R ie d h m , R a d o lfz ., H a ttg n ,
(Freib.), S c h o p fh m ; 5 Fleisch chaib9ht A u g g e n , M ü ll­
S ta h rg n .; kxaib R ü ß w ih l, S in g e n a.H . (neben xaib
h m , „ W ie s e n ta l44. —E is. 1 ,4 1 7 ; F is c h e r 4, 14 8 ; S c h w e iz . 3 ,1 0 4 .
und xgab); xaib -q-, -j- S c h o n a c h (?), L ie n h m , G ü n K aib el-n u ß b a u m ? m .: einen Kaibel Nußbaum .einen
d e lw a n g e n , R e m e ts c h w ic l, E sch b . (W aldsh.), A y , 60 Kaib von N ußbaum , einen rauhen 4 G rim m e ls h s n K a ­
S c h w e rz e n , ,,W ie s e n ta l44, S c h o p fh m , L ö rra c h ,
le n d e r (Hegaur) S. 1 3 8 . W ohl zu K aib ; vgl. Kaibennußbaum; Keibel ?
K irc h e n , E g rg n , H a ltg n , Fel d b g , A u g g e n ,
k aib e n chaibe Berau - schw.: ,sich beeilen 4 R . H o f f ­
M ü llh m , G riß h m , A ltg la s h ü tte n ; x p b W a n g e n
m a n n hs. Vgl. herumkaiben. - Schweiz. 3, 104.
(Höri); xgab S in g e n a.H . (neben xaib und kxaib); khpab
I , 1500; D W b . 5, 3 1 f.; F isch e r 4, 1 7 2 f . ; 6 , 2 2 57; R h e in . 4, 102.
II K ah n m .: 1 ) .kleines Schiff 4; fehlt der M u. in R a p p .,
Verkleinerte Wiedergabe von: Badisches Wörterbuch. Bearbeitet von Emst Ochs. Fortgesetzt von Gerhard W.
Baur. Bd. 3, S. 48 (Originalgröße ohne Rand 13,3 x 22,3 cm).
D ie personelle Ausstattung der Arbeitsstelle
V on der Schulverw altung bezahlt und vom
Schuldienst w eitgehend freigestellt w ar der
G ym nasialprofessor E rnst O chs der U niver­
sität zuerst als L ehrbeauftragter, ab 1946 als
H o norarprofessor verbunden. Erst 1961
konnte für seinen N achfolger K arl Friedrich
M üller eine feste Universitätsstelle einge­
richtet w erden, auf die dann 1968, nach K. F.
M üllers Pensionierung, G erhard W olfram
Baur geholt w urde. Abgesehen von den Jah ­
ren 1935—39 sowie 1946—48 und noch ein­
mal 19735) blieb die Arbeitsstelle ein E in­
m annbetrieb, dem in früheren Jahren noch
kärglich bezahlte studentische H ilfskräfte
od er freiwillige M itarbeiter (meist pensio­
nierte Lehrer) durch E xzerpieren oder an­
dere Schreibarbeiten U nterstützung gaben6).
E rst 1973 w urde vom Land eine Sekretärin­
nenstelle bewilligt. V erglichen m it den übri­
gen deutschsprachigen W örterbuchkanzleien
gehört die unsere zu den personell am
schlechtesten ausgestatteten U nternehm en7).
Das Material
Z u den schon erw ähnten ca. 550 A ntw orten
auf die 1893/94 ausgesandten 3000 V olks­
kunde-F ragebogen8) und die seit dem A ufruf
zu r M itarbeit von 1919 im m er w ieder neu
dazukom m enden E insendungen von Laiensam m lem treten w eitere M aterialquellen.
Die schon erw ähnten Freiburger G erm a­
nisten K luge, G ötze und E rnst O chs selbst,
dann auch die N achfolger Friedrich W il­
helm , Friedrich M aurer, schließlich Bruno
Boesch und Eugen G abriel sowie, in den
30er Jahren, ihr H eidelberger K ollege Fried­
rich P anzer regten im m er w ieder Studenten
zum Abfassen von Staatsexam ens- oder
D oktorarbeiten über dialektologische T h e­
m en an. D iese A rbeiten (hauptsächlich lautund form en-, seltener w ortgeographischer
A rt) erbrachten lautgetreu, in wissenschaftli­
cher U m schrift fixierte, direkt bei den Spre­
chern erhobene Belege, die es erlaubten, ein
390
zunehm end genaueres Bild von der geogra­
phischen V erteilung der Laute, Form en und
B ezeichnungen zu geben. E rw eitert und ab­
gerundet w ird das M aterial aus A rbeiten zur
W ort- und zu r Satzbildung, ferner durch
U ntersuchungen einzelner Fachsprachen,
z. B. derjenigen der L andw irtschaft, des
W einbaus, der W aldw irtschaft, einzelner
H andw erke wie z. B. der Fischer-, Schiffer-,
Flößer-, M üller-, M etzger-, W agner-, U h r­
m acher- und G oldschm iedesprache (oder
besser: -term inologie). All diesen Fach- und
Sondersprachen (darunter auch dem R otw el­
schen, bei uns hauptsächlich als H ändler­
sprache gebraucht, und den judendeutschen
A usdrücken) galt schon das spezielle Inter­
esse der hierfür bekannten Freiburger W o rt­
forscher K luge und G ötze und eben auch ih­
res Schülers Ochs. An literarische Q uellen
legte m an strenge M aßstäbe an. Z w ar w urde
die D ialektdichtung im Fall von H ebel und
Burte fast lückenlos ausgeschöpft, doch hatte
im übrigen nur sprechsprachnahe, nicht
„übersetzt“ klingende M undartliteratur
G nade vor O chs’ Augen.
Eine w ichtige Rolle bei der E ntscheidung, ob
etwas ins M aterial aufzunehm en sei oder
nicht, spielte natürlich im m er die personelle
und finanzielle K apazität. H auptsächlich aus
diesem G rund entschied man sich auch d a­
für, historischen W ortschatz nur in Auswahl
aufzunehm en. D aher findet m an heute, an­
ders als im Schw eizerdeutschen und Schw ä­
bischen W örterbuch, nur einiges Altere, so
Belege aus den deutschen U rkunden der
L andschaft vor 1300 (aus Fr. W ilhelm s „C or­
pus der altdeutschen O riginalurkunden“),
aus den O berrheinischen Stadtrechten, aus
U rbaren und W eistüm ern. M ehr noch als
O chs haben M üller und Baur O rts- und Flur­
nam en berücksichtigt, w obei neben der
m undartlichen A usspracheform (falls noch
erhebbar) auch die frühest faßbaren schriftli­
chen B ezeugungen gegeben w erden, was öf­
ters eine D eutung sonst unklarer N am en er­
m öglicht. Allerdings m uß betont w erden,
daß die N am endeutung nicht zu den eigent­
liehen A ufgaben eines D ialektw örterbuchs
gehört.
W eitere M aterialien sam m elte ich durch ge­
zielte B efragungen anhand eines Frage­
bogens in 179 O rten N o rd - und Südbadens.
U nd schließlich sind seit einigen Jahren auch
Ü bertragungen von T onbandaufnahm en ver­
schiedener H erkunft9) in das M aterial einge­
arbeitet w orden. W eil diese relativ junge
Q uelle zw ar viele der in jedem W örterbuch­
m aterial selteneren Satzbelege liefern kann,
ihre A usw ertung aber sehr zeitaufw endig ist,
konnte das bisher leider nicht in w ünschens­
w ertem U m fang geschehen.
W enn m an den langen Z eitraum seit Beginn
der Sam m lungen bedenkt, m uß m an n atür­
lich sagen, daß m an hier nicht m ehr von ei­
ner einheitlichen M undart sprechen kann.
Auch w enn sich die M undart im Lautlichen
aufs G anze gesehen doch langsam er verän­
dert als oft behauptet w ird, so ist doch unbezw eifelbar, daß sich in diesen fast 100 Jahren
seit Beginn der M aterialsam m lung gew ich­
tige V eränderungen im D ialekt ereignet ha­
ben. Viele W örter kom m en und kam en au­
ßer G ebrauch, weil die ihnen zugrundelie­
genden Sachen und Sachverhalte (z. B. bei
W erkzeugen und A rbeitsvorgängen in der
Landw irtschaft) durch andere abgelöst w er­
den. So ist es nötig gew orden, im m er öfter
durch D atierungs- und G ebrauchsangaben
nachzuw eisen, w ann das betreffende W ort
(noch) in G ebrauch war.
Prinzipien der Bearbeitung und Darbietungs­
form
D ie Artikel des Badischen W örterbuchs sind
strikt alphabetisch angelegt. D as Stichw ort
w ird entw eder in seiner schriftsprachlichen
Form oder, falls es nur in einer m undartli­
chen Form existiert, in einer verhochdeutsch­
ten Form angesetzt, die der historischen E nt­
w icklung des m ittel- oder althochdeutschen
Lautstands in unserem G ebiet entspricht. Die
bei uns lautlich oft schw er zu trennenden
A nlaute b und p, d und t sowie f und v sind,
wie in allen oberdeutschen W örterbüchern,
zu je einem Buchstaben zusam m engenom ­
m en w orden und dem gem äß alle bereits be­
handelt; c steht bei k. D agegen ist im Inlaut
die alphabetische R eihenfolge streng durch­
geführt. A uf Sonderform en, die für sich an­
gesetzt sind, w ird verw iesen; um gekehrt ver­
weist m an von der bodenständigen Aus­
spracheform des W ortes auf das schrift­
sprachlich angesetzte Stichw ort, also von
eher, ebis auf etw er sowie das dabei einsor­
tierte etwas, bei Imbs und Imes auf Imbiß.
W örter, die n u r im fränkischen N o rden Vor­
kom m en, erhalten die K ennzeichnung F v o r
dem Stichw ort; ein A vor dem Stichw ort be­
deutet, daß das W o rt alem annisch w irkt, nur
im Süden vorkom m t und nordbadische
Zeugnisse fehlen. D urch R w erden rotw elsche W örter m arkiert. A bgestorbene oder
veraltete W örter w erden durch ein fv o r dem
Stichw ort kenntlich gem acht.
A uf das Stichw ort folgen die wichtigsten
Lautvarianten der G rundform , danach der
flektierten Form en in phonetischer T ra n ­
skription m it genauer O rtsangabe, heute ein­
heitlich in nordsüdlicher R eihenfolge, öfters
datiert. Z ur genaueren Lokalisierung eines
W orts sind dem W erk seit der 35. Lieferung
zwei auch in die U m schläge der jeweiligen
Lieferung eingedruckte K arten m it den am
häufigsten genannten Belegorten sowie mit
oft gebrauchten Landschaftsnam en und eini­
gen w ichtigen M undartgrenzen beigegeben.
Als nächstes folgt die K ennzeichnung der je­
w eiligen gram m atischen K ategorie [m (askulin), f(em inin), n(eutral), Adj(ektiv),
A dv(erb), st(arkes) bzw. schw (aches V erb),
Interj(ektion), Partikel u.a.m .], anschließend
der H auptteil, die D arstellung der Bedeu­
tu n g e n ). H ier w ird versucht, m öglichst nicht
m it Synonym en oder Paraphrasierungen zu
erklären, sondern von der nächsthöheren A rt
und dem spezifischen U nterschied her zu de­
finieren. Jede der einzelnen B edeutungsanga­
ben soll durch genügend viele Beispiele,
m öglichst im Satzverband oder in einem
K ontext, verdeutlicht w erden. N achdem man
früher oft eher die Schw ierigkeit hatte, genü­
391
gend Beispiele, vor allem in Satzform , zur
Illustration beizubringen, ist es jetzt oft so,
daß m an sich als B earbeiter durch ein stark
angew achsenes M aterial hindurchlesen m uß
und daß m an gezw ungen ist oder sich ver­
pflichtet fühlt, bei der M asse der Belege eine
m öglichst feine U ntergliederung m it sorgfäl­
tiger B eachtung der oft nur geringfügigen
B edeutungsunterschiede und -Schattierungen
zu versuchen. G leichzeitig besteht aber die
N otw endigkeit, die Belege nicht ausufern zu
lassen und viele, die m ehr- oder vielfach vor­
handen sind, w ieder auszuscheiden. D aß
hierzu aber im m er erst ein gründliches
D urcharbeiten des gesam ten jew eiligen Z et­
telstoßes nötig ist, w ird von vielen nicht be­
dacht, die frühere m it heutigen Publikations­
zeiten vergleichen10).
Z u den Beispielsätzen gehören auch die im
M aterial zahlreich vorhandenen R edensar­
ten, Sprichw örter, Rätsel, N eckverse, V olks­
und K inderreim e und -lieder, alle in der
Schriftform w iedergegeben, wie sie von den
Inform anten notiert w urden. Z ur abgehobe­
nen W iedergabe der lautschriftlichen Belege
dient die Kursivschrift. Sow eit sich A ngaben
zu Bräuchen, Sitten und V olksglauben fin­
den, w erden diese auch genannt.
Am Schluß des A rtikels stehen dort, w o
sprachgeschichtliche A ngaben nötig und
m öglich sind, H inw eise oder E rklärungen
zu r Etym ologie.
D a jeder (Satz-)B eleg nach M öglichkeit nur
einm al V erw endung findet, w ird auf ihn zu ­
rück- oder vorausverw iesen, w enn er noch
für (ein) w eitere(s) Stichw ort bzw. -W örter in
Frage kom m t. A ußerdem w ird auf synonym e
oder bedeutungsähnliche und auf verw andte
W örter verw iesen, und schließlich w erden
die Zusam m ensetzungen genannt, die auf
das betreffende W o rt enden, so bei K aib
z. B. Erden-, Hunds-, Laus-, M alefiz-, M ordsusw. -kaib. Am Schluß des jew eiligen A rti­
kels stehen H inw eise auf die vergleichbaren
Artikel in den N achbarw örterbüchern und,
falls nötig, in den wichtigsten gem eindeut­
schen W örterbüchern. Als Beispiel für die
392
A rtikelgestaltung sei hier die Seite 432 von
Band 1 des Badischen W örterbuchs sowie, in
der seit dem A nfang des dritten Bandes übli­
chen neuen D ruckart, die Seite 48 dieses
Bandes vorgeführt (siehe Seiten 388 — 389
dieses H eftes.) D as W erk steht inzwischen
bei der 42. Lieferung beim Stichw ort Krappersreute; im M anuskript fertiggestellt sind y5
der Lieferung 43 bis zum Stichw ort
kriegen11). Bis zum Abschluß des W örter­
buchs w ird es bei der derzeitigen Personal­
lage noch lange dauern; eine Prognose wage
ich gar nicht m ehr zu stellen. Es sind jetzt
vielleicht knappe 60% des M aterials bearbei­
tet; das bedeutet, daß m an den Abschluß in
diesem Jahrhun dert nicht m ehr erleben wird.
Wieso braucht man und wer braucht Dialekt­
wörterbücher?
W enn m an D ialekt als T eil- oder Subsystem
eines übergreifenden größeren, d. h. w eit­
reichenderen und um fassenderen G esam tsy­
stems, hier: der deutschen Sprache, versteht,
w enn m an w eiter davon ausgeht, daß diese
sprachlichen System e und Teilsystem e in ih­
rem A ufbau und in ihrem gegenseitigen V er­
hältnis überschaubar gem acht w erden soll­
ten, um ihre E igenart und ihr Funktionieren
verständlich zu m achen, dann m uß man
dem jenigen, der sich K enntnisse hierüber er­
w erben will, die M öglichkeit geben, sich
über die Struktur der Sprache und ihrer T eil­
systeme und über die B edeutung der sprach­
lichen Z eichen zu unterrichten. Für die Be­
schreibung von Sprache und D ialekt12) hat
man m ehrere D arstellungsform en entw ickelt,
die gebräuchlichsten und althergebrachtesten
sind die gram m atische und die lexikographiscne. Beide ergänzen einander.
U n ter den lexikographischen D arstellungen
ist das alphabetisch geordnete B edeutungs­
w örterbuch, das nach der Inhaltsseite eines
W ortes fragt, das übliche. D arin ist also zu
erfahren, was z. B. das W ort Kaib an einem
bestim m ten O rt oder in einer gewissen L and­
schaft (alles) bedeutet (vgl. Seite 389).
W ill man aber wissen, welche Bezeichnungen
in einer Sprache/einem D ialekt für ,durch­
triebener M ensch“ existieren, dann m üßte
m an entw eder über ein sachlich geordnetes
Bezeichnungsw örterbuch verfügen (das es im
Bereich der D ialektologie bisher kaum gibt),
oder m an sollte hilfsweise die M öglichkeit be­
kom m en, sich in B edeutungsw örterbüchern
zusätzlich
über
bedeutungsgleiche
oder -ähnliche W örter unterrichten zu kön­
nen. V ielleicht w ird deutlich, daß W örterbü­
cher, auch D ialektw örterbücher, nicht nur
sprachw issenschaftliche Erkenntnisse für
Fachleute, Linguisten verm itteln, sondern
darüber hinaus nützlich, ja nötig sein können
für alle diejenigen, die U nterrichtung brau­
chen über W örter und sprachliche W endu n­
gen, die sie nicht verstehen, sei es, daß ihnen
als ortsfrem de L ehrer m anche sprachlichen
Ä ußerungen ihrer Schüler unverständlich
sind oder sie bei der Einw eisung in die hoch­
deutsche Standardsprache V erständnishilfen
für die sprachlichen Schw ierigkeiten ihrer
Z öglinge bekom m en können, sei es, daß sie
als von anderen Sprachlandschaften K om ­
m ende A uskunft bekom m en über die B edeu­
tung und stilistisch-situative Einschätzung
nur hier gebräuchlicher oder hier anders als
etw a in N o rddeutschland gebrauchter W ör­
ter (was z. B. bei Prozessierenden, sowie ih­
ren R ichtern und R echtsanw älten w ichtig
w erden kann, die beispielsweise nach vorauf­
gegangener V erw endung der W örter
Schnepfe oder Seckel sich über den T atbe­
stand der Beleidigung klarw erden müssen),
sei es, daß sie ganz einfach wissen w ollen,
was ein bestim m tes W o rt in einem H ebel­
oder B urtegedicht oder in einem U rbar des
15. Jahrhunderts bedeutet. Ein w eiteres: D ia­
lektw örterbücher können dadurch, daß in ih­
nen zu einem G utteil (lexikal, lautlich, syn­
taktisch und bedeutungsm äßig) ältere
S prachzustände festgehalten sind, sprachgeschichtliche Einsichten verm itteln und G e­
schichtsdokum ente überm itteln. D aß das
V erfassen von und das Lesen in O rts-D ialektw örterbüchern schließlich auch noch die
Funktion des Sich-V ergew isserns einer loka­
len E igenart erm öglicht, ist ein A spekt, der
von vielen Sam m lern und A utoren als m oti­
vierend und w ichtig genannt w ird. G erade
die A rbeit dieser eifrigen Laiensam m ler, die
für die „großen“ D ialektw örterbücher oft
unschätzbares M aterial beigebracht haben
und im m er w ieder noch beibringen, w ürde
eine eigene D arstellung verdienen13).
Zum Schluß sei, speziell für badische Leser,
die die E igenart ihrer H eim atregion beson­
ders herausgestellt sehen m öchten, doch be­
tont, daß ich m it E rnst O chs der M einung
bin, daß die Entscheidung, fränkische und
alem annische M undarten in Baden in einem
W örterbuch gem einsam zu behandeln, trotz
aller Schwierigkeiten richtig w ar; die K ontrastierung läßt das Eigene öfter um so
schärfer hervortreten. In den W orten von
O chs aus einem Zeitungsbericht von 1937:
„W as m anchen als größte Schwierigkeit ei­
nes solchen Buches erschien, ist in W irklich­
keit dessen größter Reiz gew orden: die
starke V erschiedenheit der M undarten und
ihre E rklärung aus der deutschen G e­
schichte.“
Vielleicht w äre es ohne diese Entscheidung
zu einer ähnlichen Situation wie bei der V o r­
bereitung des Südw estdeutschen Sprachatlas
gekom m en, der seit 1969 im Institut für
sprachliche L andeskunde der U niversität
Freiburg erarbeitet w ird; denn dieser Atlas
w ird sich aus finanziellen und personellen
G ründen auf die Erforschung und kartog ra­
phische D arstellung der M undarten in Süd­
baden und Südw ürttem berg beschränken
müssen.
Anmerkungen
l) Zur Geschichte des Badischen W örterbuchs so­
wie der benachbarten M undartwörterbücher vgl.
Gerhard W. Baur, M undartwörterbücher im ale­
mannischen Sprachraum, in: Alemannica, Landes­
kundliche Beiträge, Festschrift für Bruno Boesch
zum 65. Geburtstag, Bühl/Baden (= Alem. Jb.
1973/75), S. 28—85 sowie ders., Das Badische
393
W örterbuch, in: Dialektlexikographie, hg. von H.
Friebertshäuser, Wiesbaden 1976 (= Zs. f. Dialek­
tologie und Linguistik, Beih. N F Nr. 17), S.
25-35.
2) Abgedruckt in Alemannia 21 (1893), S.
301—304, die zweite, erweiterte Form in Alem. 33
(1905), S. 305 f. Die Fragen zielten auf Hausbau,
Tracht, Nahrung, Gewerbe, Sitten und Bräuche,
M ärchen und Sagen, Schwänke und Rätsel,
Volkslieder, -Schauspiele, Kinderreime, -spiele,
Ortsneckereien, O rts-, Flur-, Familien-, Taufna­
men (in M undartform!) und, im Punkt 13, auf
Sprachliches. H ier fragte man nach a) Zeiteintei­
lung; b) Naturerscheinungen; c) Farbenbezeich­
nungen; d) Familie; e) Begrüßung, Segenswün­
sche, Flüche, Schimpfworte; f) Körperteile und
Stimme des Menschen, Krankheiten; g) Nahrung;
h) Ackerbau, Scherznamen für Handwerker; i)
Tiere, Lockrufe für sie, Eigennamen, ihr Schreien,
H irtenrufe; k) Pflanzen, Beerenleseverslein; 1)
Zahlworte; m) einer kurzen Erzählung oder Schil­
derung in der M undart des Orts; n) Unterschieden
der M undart zu der der Nachbarorte.
3) Darüber Pfaff in Briefen an den Ministerialrat
und späteren Kultusminister Böhm in: Bad. H ei­
mat 39 (1959), S. 111 ff. sowie Eugen Fischer in
seinem Überblick über „Fünfzig Jahre Landesver­
ein Badische Heim at“, ebda. S. 98 ff.
4) so besonders O tto Heilig und Philipp Lenz, die
Herausgeber der „Zeitschrift für hochdeutsche
(bzw. später deutsche) M undarten“, sowie
O thm ar Meisinger, Verfasser des Rappenauer
Wörterbuches.
5) Durch ein Zusammenwirken des Badischen U n­
terrichtsministeriums und der Deutschen For­
schungsgemeinschaft (DFG) konnten 1935—1939
zwei Wissenschaftliche M itarbeiter, Lothar Glattes
und W alter Sauer, eingestellt werden. Zweieinhalb
Jahre lang arbeitete nach Kriegsende Ochs’ N ach­
folger K. F. Müller unentgeltlich mit. 1973 be­
zahlte die DFG für ein Jahr das Geld für eine Wis­
senschaftliche Angestellte, Frau Roswitha SantaBraun, frühere Redaktorin am SiebenbürgischSächsischen W örterbuch in H erm annstadt/Rum ä­
nien.
6) Für die stundenweise Beschäftigung von studen­
tischen Hilfskräften gab bis 1961 die Wissenschaft­
liche Gesellschaft Freiburg, ab 1970 die Universi­
tät Freiburg zunächst sporadisch, ab 1973, nach ei­
ner einjährigen Unterstützungszeit durch die
DFG, ständig Gelder.
394
7) besonders nachdem im Zuge der allgemeinen
Sparmaßnahmen eine Hälfte der SchreibkraftStelle gestrichen und das Geld für eine examinierte
Hilfskraft von vorher 50 auf nunmehr 40 Stunden
monatlich heruntergesetzt wurde, wobei gleichzei­
tig auch der erst 1979 durch den Einsatz von Prof.
Volker Schupp eingerichtete eigene Sachetat der
Arbeitsstelle um % gekürzt wurde.
8) heute zum größten Teil aufbewahrt in der Badi­
schen Landesstelle für Volkskunde, Freiburg,
Schwaighofstraße 13, zum kleineren Teil im Ar­
chiv des Badischen Wörterbuchs.
’) hauptsächlich Aufnahmen des Deutschen
Spracharchivs sowie solche aus meinen eigenen
Kundfahrten.
10) Dies betont auch Hans W anner in seinem Be­
richt über „Das Schweizerische W örterbuch“ in:
Dialektlexikographie (vgl. Anm. 1), S. 20.
n) Bis heute erschienen sind: Badisches W örter­
buch. Herausgegeben mit Unterstützung des Badi­
schen Ministeriums des Kultus und Unterrichts
bzw. des Kultusministeriums Baden-W ürttemberg
bzw. des Ministeriums für Wissenschaft und Kunst
Baden-W ürttemberg. — Vorbereitet und betreut
von Friedrich Kluge, Alfred Götze, Ludwig Sütterlin, Friedrich Wilhelm, Ernst Ochs, Friedrich
Maurer, Karl Friedrich Müller, Bruno Boesch. Be­
arbeitet von Ernst Ochs. Bd. 1 ff. Lahr (Schwarz­
wald) 1925 ff.
B d .l: A. BP. DT. E. 1925—1940. 19*, 725 S.
Bd. 2: FV. G. H. 1942—1974. Bearb. von Ernst
Ochs. Fortgesetzt von Karl Friedrich Müller und
Gerhard W. Baur. X XX VII, 806 S.
Bd. 3: (bisher:) I — Krappersreute, Lfg. 35—42
(1975—1983), S. 1—256. Bearb. von Ernst Ochs.
Fortges. von Gerhard W. Baur
12) Ich verwende, wie heute meist üblich, die Aus­
drücke Dialekt und M undart als bedeutungsgleich.
13) Ich habe die Absicht, in einem späteren Beitrag
über die Arbeit(en) der Dialektsammler in Baden
zu berichten und Hinweise für Sammel-, Bearbeitungs- und Publikationsmöglichkeiten zu geben.
Das Thema angesprochen habe ich auf zwei von
mir im letzten Jahr in Freiburg und Karlsruhe ver­
anstalteten Tagungen sowie schriftlich unter dem
Titel „Zur Sammlung und Aufbereitung von
mundartlichem W ortschatz durch Laien“ in:
Wortschatzprobleme im Alemannischen, 7. Ar­
beitstagung alemannischer Dialektologen [in] Frei­
burg i. Ü., 1.—3. Oktober 1981, hrsg. von W alter
Haas und Anton Näf, Freiburg/Schweiz 1983
(= Germanistica Friburgensia 7), S. 33—44.
Mosbacher Wörterverzeichnis von 1808
Ein Vorläufer badischer Mundartforschung
Paul Waibel, Karlsruhe
V o r zwei Jahren hat der M osbacher R echts­
anw alt Dr. A dolf Frank in dieser Zeitschrift
den V erfasser unseres kleinen W örterver­
zeichnisses, D r. Johann N epom uk G r u b e r
(1744—1811), und dessen Berichte an die Sa­
nitätskom m ission in K arlsruhe vorgestellt1).
U m fangreiche A uszüge aus diesen Berichten
ließen die B eobachtungen, K enntnisse und
kritische H altung des Am tsphysikus erken­
nen. E r sollte 99 Fragen aus K arlsruhe über
sein Am tsgebiet, die Ä m ter M osbach und
Eberbach, beantw orten. In seinen A ntw orten
m achte er seinem H erzen Luft über die Z u­
stände, die er in M osbach angetroffen hatte.
So überschritt er im m er w ieder die G renze
der gestellten Fragen durch Seitenhiebe und
vernünftige Vorschläge.
Als m an ihm die Frage vorlegte, ob „reine
oder verderbte Sprach“ herrsche, begnügte
er sich nicht m it der knappen A ntw ort „rein“
oder „verderbt“, sondern stellte gleich ein
V erzeichnis auffälliger „Provinzialw örter“
zusam m en, eben die Sam m lung, m it der wir
uns beschäftigen w ollen. E r habe einm al ei­
nen Brief geschrieben, in dem alle diese W ö r­
ter enthalten w aren, setzt er hinzu. Schade,
daß dieser Brief nicht überliefert w urde.
M anches isolierte W o rt seiner Sam m lung
w äre dann in seiner natürlichen sprachlichen
U m gebung erschienen. D er Brief, sagt er,
„ist für alle, die nicht aus der hiesigen G e­
gend sind, a r a b i s ! “ Arabisch also, wie wir
etw a „Chinesisch“ für ein unverständliches
Idiom sagen w ürden.
D abei m üssen w ir bedenken, daß G ruber
(der in H eidelberg2) aufgew achsen w ar, hier
und in W ürzburg studiert hatte, zum Dr.
phil. und D r. med. prom oviert w orden w ar
und von 1770 bis 1793 das A m t des Physikus
in K aiserslautern bekleidet hatte, ehe er 1796
das gleiche A m t in M osbach antrat), im m er
im süddeutschen fränkischen R aum gelebt
hatte. W as fiel ihm an der M osbacher Spra­
che Besonderes auf?
„U nsere Sprach dahier ist äußerst hart, un ­
m usikalisch“ urteilt er über den K lang der
M osbacher Sprache und vergißt nicht, eine
Eigenheit zu erw ähnen: „das S w ird wie sch
ausgesprochen“. Dies ist ja das K ennzeichen
des „G änschm auscherlandes“, eine E igenart,
die in unserem V erzeichnis freilich nirgends
erscheint.
Eine m oderne D arstellung der M osbacher
M und art liegt nicht vor, w ohl aber besitzen
w ir für einen N achbarort, O berschefflenz,
die vorzüglichen Arbeiten von Edw in R oedder3), dessen Buch über die V olkssprache des
badischen Frankenlandes auch ein großes
W örterbuch enthält. M it ihm vergleichen w ir
die W örter aus G rubers kleiner Sammlung.
W o R oedder keine A uskunft gibt, benutzen
w ir das Badische W örterbuch4), soweit es er­
schienen ist. Zum G lück ist das Schwäbische
W örterbuch5) abgeschlossen; es enthält auch
die f r ä n k is c h e n Landesteile W ürttem ­
bergs. N ach der überkom m enen Einteilung
gehört M osbach wie H eilbronn noch zum
Südfränkischen. Allerdings ist zu beachten,
daß es hart an der G renze zum O stfränki­
schen liegt.6)
395
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Dr. Grubers charakteristische Handschrift (oberer Teil)
Von Adach bis zundern essen
adach , Canal unter der Erden': Gruber selbst
schreibt sonst addach7). Betonung auf der ersten
Silbe. In den letzten Jahren ist die Erinnerung an
W ort und Sache wieder geweckt worden8), zu­
nächst nur in der Schreibform ,Attauch‘, Plural Attauchen (auf der 2. Silbe betont).
Herkunft: lat. aquaeductus ,W asserleitung', wäh­
rend die Attauchen zur Wasserabführung dienten;
Vorgänger der heutigen Kanalisation. Das Alter
der Mosbacher Attauchen ist noch nicht nachge­
wiesen. In der näheren Umgebung kommen sie
1420 in Neckarbischofsheim vor9), 1422 in M ilten­
berg10). Altere Belege in M ainz und Köln. In bei­
den Städten und ihrer Umgebung ist das W ort bis
heute haften geblieben, weil Straßen und Häuser
danach benannt sind, in M ainz-Zahlbach für Rö­
mersteine11), in Gonsenheim als Gewann-Name:
Attach, zweifellos das gleiche W ort wie Adach in
Mosbach. Die Fülle der Formen aus lat. aquaeduc­
396
r'i
C jiltu U ni
fw äifiidd.fd s
m-UgthtJytjtu,
w n tjiü i^n yn ,udgprju
yif/t
t+* w/ußSu-
jjpdriM JiptJ/,
fty ü ß tJ
w iß /,ft& ß rff/
W fy fy f
ifoutdd
tydh
jftiuJm
rnjis/udblfm
tw jdw u d/fr
tidum d»
amu
ßdtdm
ßüuf/tu
ijotftiu
iMi/u fa d
rr»faafu favtM
tus im deutschen Sprachgebiet ist in den W örter­
büchern gebucht12). Umfassend informiert über
Herkunft und Entwicklung des Wortes Theodor
Frings13). Das Bad. Wb. meldet unter Andauche
„fehlt“ und kann nur auf Abteich verweisen14).
anne gehen,dahin gehn': Nicht das im wesentlichen
alemannische ane, anegehn, sondern das fränki­
sche anne ,dort‘15), (vgl. danne, dranne, hanne).
anschnauen ,hart anreden': N ur in Lörrach und bei
Hebel16) belegt; heute ,anschnauzen‘.
Arffel ,ein Arm voll': fehlt in Mittelbaden17), Ärfele
Oberscheffl.
bander, zu bander gehn ,zu zweyt gehn': selbander;
zebane Oberscheffl., z’bander bei Schwäb. H all18).
basten ,zwingen': baschde, gebaschd Oberscheffl.
betragen,den Weinberg mit Erde decken'. Eigentlich
betrechen zu mhd. trechen .ziehen“19), g hat bei
Gruber oft den Lautwert ch: vgl. Mädgen bei
Docke oder Mährling.
biet, es hat biet ,es hat Zeit': Zeit. N ur fränkisch20),
e langi Biit Oberscheffl.
biezeli ,ein wenig“: Heute in dieser Form nur noch fälgen ,hacken“ (felgen): in Mittelbaden häufig,
auch für das zweite (tiefe) Pflügen; im Ostfränki­
im Süden21).
boden kniets ,ein tauge nichts“, kniets aus mhd. kein schen hat sich diese Bedeutung durchgesetzt, so
nütze, knitz. Vergleich mit ,Boden“: bodenböse, Schwäb. Hall31).
fe m d , voriges Jahr':vg\. Firn(schnee), Ferner (Glet­
bodenfaul, bodenletz22).
scher)32).
bogen käez ,ein Hängkorb“. Vgl. unten kaez.
buhetli ,kaum v ix “(lat. vix dient zur Erläuterung fere gehn ,hervor gehn“: aus füre-gehn33) ; gei färre
von ,kaum‘): Das Stichwort ist weder in alten noch in Oberschefflenz.
in neuen 'W örterbüchern verzeichnet. Rhein, buhei die fräle ,die Grosmutter': Gegensatz Herrle, s.d.
mit Adj. buheilich kommt aus sprachgeogr. Grün­ Beachte das weibl. Geschlecht der Verkleinerung;
den nicht in Frage; auch deckt sich die Bedeutung eigentlich .Fräulein“. Stufenweise Entwicklung des
(Kleinigkeit, leeres Gerede u.a.) nicht mit Abbaus des W ortes in Oberscheffl. zu beobachten.
,kaum“23). W ieder hilft die ostfrk. Nachbarschaft:
bichenätle, bichenätlich findet sich bei Schwab. garben ,die Spelz schählen“: zu .gerben“, wie dieses
Hall24), in der Form verschieden, in der Bedeutung von ,gar“.
nahe: ,mit genauer N ot“. Das erinnert an frz. ä Gam geis ,ein Klinkel stock“: .Garnwinde“34), .Ge­
peine ,mit M ühe, kaum“. Die Spur führt zu einer stell zum Aufspannen und Abspulen des gesponne­
Reihe weiterer ostfrk. Belege, die das Schwab. Wb. nen Garns“ Oberscheffl. Klinkel = Klüngel (Wollunter ,bigenötig“ aufzählt25). Bedeutung: ,mit knäul).
Mühe, k a u m “ ! buhetli unterscheidet sich davon gattig ,schicklich“: geschickt passend35), gading
durch starke Zusammenziehung, die nur den An­ Oberscheffl.
laut b- und die Endung bewahrt. D er Stamm in die gebeers gehen, in die Heideiberen u. dgl. gehn “.
(,N ot‘) wurde ein O pfer der Übertragung des Kollektives ge- wie in Ge-birge, Ge-schwister.
ostfrk. W ortes ins Südfrk. ,h“ in buhetli ist zu ver­ Ähnlich im Schwarzwald Gibär läse35a).
gleichen mit ,hoch — hohe“, ,nach — nahe“; u er­ geheuen ,gereuen“: dasselbe W ort wie alemannisch
klärt sich aus der Vortonigkeit: Aussprache bu­ keien (ge-heien), fränkisch im Sinn von .ärgern“,
aber mehr ,reuen“36). In Oberscheffl. um 1930 „sel­
hetli?
burgunder,Dickrüben“: Name der Sorte in Baden tener“.
gelde ,ein wasser zuber“: Kübel37). „Auf dem Kopf
und W ürttemberg.
getragener Kübel zum Wasserholen am Brunnen“
cremsen,klettern“: cremsen könnte zu Geräms (von Oberscheffl.
,Rahmen“) gehören26) und müßte dann gremsen genoten, nicht genothen ,nicht leiden, dulden“:
geschrieben werden. Alem. chresme ,klettern“ oder kommt von mhd. genäden zu genäde .Gnade“38)
kresle auf der Baar (zu mhd. kresen .kriechen“) und ist hier in der alten mundartlichen Form ge­
braucht, nicht in der kirchlich-schriftsprachlichen
lassen sich weniger leicht heranziehen.
cumlich ,bequem“: Auch hochdeutsches ,bequem“ Lautform. In der Bedeutung .ausstehen“ O ber­
gehört zu kummen .kommen“; chumlig .bequem“ scheffl.
geits, was geits ,was ists, was giebts“: schon mhd. giaus Lörrach belegt27).
docke ,ein M idgen puppe“: W eithin belegtes W ort bit zu git ,gibt“.
für ,Puppe“, fehlt 1930 aber in Oberschefflenz28). geziefers ,Haus geflügel“: ,die kleinen, nützlichen
drühe ,eine Kist“: unser W ort .Truhe“, das auch in H austiere“39); ,Feder- und sonstiges Kleinvieh“
Oberscheffl. Vgl. bei Schwäb. Hall Ziifer .Feder­
Oberscheffl ohne Umlaut erscheint.
dunderts ,verflucht“: .D onner“ in Flüchen häufig, vieh, auch Geißen, Schafe“40).
aber nicht in der Frageform; dundere .donnern“ glumben ,weiser Kaes“: heute .Klumpen“; ungemit nd ist im Süden häufiger als im N orden, doch formter weißer Käse, Q uark41).
verlangt die Gruppe -nr- einen Gleitlaut. So in glumsen ,verborgen brennen“: .unter der Asche glü­
hen“42). Fehlt in Oberscheffl.
Adelsheim28a).
duselen ,schlummern“: wie heute allgemein.
godige, kein godiges m ahl,nicht ein einziges mahl“:
Ehschwing ,was vom Hanf, Flachs abfällt“: Ä- häufiger gotzich .einzig“43), ge godes bisle ,aber
schwinge .Abfall von geschwungenem H anf oder auch nicht ein bißchen“ in Oberscheffl.
Flachs, gröbstes W erg“29) ,Eh(s)-‘ = Aas .Abfall“.
Erbel,Erdbeeren“: im Südfränkischen weit verbrei­ gowedel,ein Schnee sturm“:ein ausgesprochen frän­
tet für die W alderdbeere; -bei dissimiliert aus -ber kisches W ort44). .Schneegestöber“ in Oberscheffl.,
während sonst als Bedeutung angegeben wird
.Beere“.
„wenns durcheinander regnet und schneit.“
Eresen ,Erbsen“. Ärese auch in Oberschefflenz.
ehtun ,einerley“: aus Eintun30); in Oberscheffl. Ein­ gucke ,eine Krämer dute': Gugge .Papiertüte“45);
noch weiter verbreitet ist Guckel.
handel.
397
gumben ,löcber in der Bach': Gumpen ,tiefe Stelle
im Wasser146); zu gumpen ,pumpen“; ,kesselartige
Vertiefung in einem Bach“ in Oberscheffl.
grosdein melde ,mentha crispa‘: das lat. W ort be­
zeichnet die Pflanze Krause M inze, die aber mit
der links erscheinenden „Melde“ keine Verwandt­
schaft zeigt. Das Rätsel löst sich durch H. Marzells Pflanzennamen47): Deimenten ist eine Be­
zeichnung für die krause Minze; vielleicht lautete
die Form in Mosbach „Deimelde“; daraus ent­
stand Grubers eigenartiges „dein melde“, das si­
cher ohne -n gesprochen wurde! „gros“ : wohl
große Art.
Hackel undpackel,alles zusammen': Aus jüd. hakol
bakol48); mehr dazu Oberscheffl.
häbern ,Haber sehen' (säen!). Auch in Oberscheffl.
hämig ist das Wasser ,dem ufer gleich': zu Hamm
,Abhang, U fer“49); hemmi ,anschwellend, bis zum
Steilufer reichend“ aus Lichtenau bei Kehl ent­
spricht in Form und Bedeutung Grubers W ort.
Hampfel ,eine Hand voll': vgl. oben Arffel.
Häptläger ,ein ring a u f dem K opf zu tragen': H aupt­
lege, ringförmiges Kissen, das sich die Frauen auf
den Kopf legen, um schwere Lasten tragen zu
können50). „Die Frauen trugen die Wäsche in einer
,Heblecke“ auf dem Kopf zur Bleiche“51). H ääblääg in Oberscheffl.
Herrle ,der grosvater': vgl. oben Fräle. H äärle in
Oberscheffl. Häerle bei Schwäb. H all52).
hery ,lindt\ verschrieben für ,links“: heri ,links“
Fuhrmannsruf an Zugtiere (aus herhin?)53); häri
Oberscheffl.
heuer,dieses Jahr': fehlt in N ord- und Mittelbaden;
das W ort gehört zu Jah r“ wie ,heute“ zu Tag54).
Hoffert ,die H o f raith': Hofreite55); H ofert in
Oberscheffl.
Hosele ,eine Gans': sonst nicht belegt. W ohl zu
hossen ,schaukeln“56), von der Gangart der Gans;
(vgl. ,Entewackele“ in der Kindersprache.)
Imbs ,ein Mittagessen': Imbiß, im Südfränkischen
überall, heute allerdings mehr für eine Zwischen­
mahlzeit. Immes in Oberscheffl.
Kaez ,ein Korb': vgl. oben Bogenkäez. Die Köze
ist eigentlich ein Rückentragkorb, doch „im O den­
wald und an der Bergstraße heißt jede Art von
W eidenkorb K äitz“57).
K a ü t,Kappeskraut': Keid, mhd. kid58), ,Krautsetz­
ling“. „An Veit (15. Juni) setzt man die Keit“
Oberscheffl.59).
Kaüt säen ,pflanzen säen': gemeint ist ,Pflanzen
säen“. Vgl. Kaüt.
Kolben ,grose Gläser': ursprünglich ,Keule“; der
Arzt Gruber denkt wohl an die Gläser in der Che­
mie.
Kums , Sauerkraut': sonst Kumst aus lat. compositus, mhd. kumpost.
398
läppern ,giesen‘: diese Bedeutung auch in Adels­
heim60), heute eher ,verschütten“, ,mit Wasser spie­
len“.
lengen ,ziehen': mhd. lengen ,lang machen“.
lorbel,verhärteter Unrath': lorbe ,Schafmist“ (Nekkarsulm), Lorber ,Kot des Wildes“61). Lärweli
Adelsheim62).
Matte ,eine Wiese': das W ort ist alemannisch und
ist vielleicht vom schwäb. Süden importiert. In
Oberscheffl. gibt es den Flurnamen ,Heum atten“;
in Mosbach ist kein Flurname mit ,M atte“ zusam­
mengesetzt63).
mährling die märling ,die mädgens': Erklärung des r
bietet Määrle in Oberscheffl.: Mägde kamen vom
Land in die Stadt. Einfluß von M ähre ,Stute“?
mormorgen ,morgens früh': Zusammenziehung des
doppelten ,morgen“.
nächtzig ,des nachts': In Oberscheffl. nechtschi
,nächtens“.
niemes , niemand': W ortbildung, die sich schrift­
sprachlich nicht durchgesetzt hat.
nori mach dich nori ,eile, mache das du zu uns
kommst“: nori ist kein Verb, wie ,eile“ vermuten
läßt, sondern Steigerung von nahe, mhd. när ,nä­
her“ + Endung -ig, mundartl. -i. noere macha
auch im Ostfränkischen64).
pampen ,cacare‘, d.h. kacken. In der Kindersprache
noch erhalten. So auch in Oberscheffl.
plattenweis ,an einigen Orten': Oberscheffl. ,zeit­
weise, stellenweise“.
rass, ranke ,ein böses Mädgen': zu mhd. rassen ,to­
ben“65); vgl. Rassel, ranke dürfte nicht die nord­
deutsche ,Range“ sein; eher verschrieben für randel ,Gassenläuferin“.
Schnallen,sind die Kirschen, sie sind noch nicht zei­
tig': so auch in Oberscheffl. ,unreif gebliebene Kir­
schen“.
Schröck, es leitet Schröck ,die grose Glocke lautet':
die Schreckglocke, mit deren Läuten abergläubi­
sche Vorstellungen verbunden sind66).
Sims ,das vorstehende an dem Fenster': es verwun­
dert, daß dieses schriftsprachliche W ort hier auf­
genommen ist.
Söhnerin ,des Sohns Frau': das im Südfränkischen
übliche W ort, das heute nur noch auf dem Land
vorkommt.
Tauben Kröpfgen ,Feldsalat', -kröpfe in O ber­
scheffl.
trum ,ein End des Gams': die in der Schriftsprache
verlorene Einzahl von .Trümmer“. Auch in O ber­
scheffl.
untergestem ,vorgestern': fehlt in Oberscheffl.
urtriz ,mislaunisch‘: mhd. urdriuze, -drütze .Unlust
erregend“. Fehlt in Oberscheffl.
vorsäez ,besuch, visite': die fränkisch-schwäbische
Spinnstube67).
W ängner, Wagner': Oberscheffl. Wägler.
wecher ,wahrlich': Oberscheffl. weger (mit stimm­
haftem Reibelaut g).
weffe ,ein H a s p e l das ostfränkische W ort
,Weife‘6S). mhd. wevel, wefel ,der Einschlag beim
Gewebe“.
der zehren ,der z e h n d e sowohl das Zahlwort als
auch die Abgabe. Zährn in Oberscheffl.; zeernd
Bruhrain69).
zsendanne , zusammen“: Im Alemannischen ist
z(s)ämme, zentumme, zentane zwar gut belegt70).
Das W ort ist aber 1. auf den Süden beschränkt, 2.
stimmt seine Bedeutung ,überall“ nicht zu ,zusam­
men“. Dieser Sachverhalt zwingt, eine selbständige
Entwicklung im Fränkischen anzunehmen, etwa
zesammt + annen71). O der sollte ,Zent“ (Gerichts­
bezirk, Gerichtsversammlung) im ersten Teil stekken?
zundem essen ,zu 4 Uhr Essen': das alte südfränki­
sche W ort für heutiges ,vespern“, als Subst. und als
Verb; mhd. ze undarn; von mhd. undermäl Z w i­
schenmahlzeit“ unterscheidet sich unser W ort
durch das angewachsene z der Präposition; „zwi­
schen M ittag- und Nachtessen schiebt sich das
Zundernessen ein, heute (um 1930) Vesper ge­
nannt: Brot mit Käse oder Klumpen (weißer
Käse)“. Oberschefflenz72).
*
Bei der Beurteilung von G rubers A ufzeich­
nungen ist zu beachten, daß sie vor der V er­
öffentlichung der E ntdeckungen von Rask,
Bopp und Grim m liegen; G ruber ist rund ein
halbes Jahrhun d ert älter als diese. Sichtlich
w ar er bem üht, der B ehörde in K arlsruhe
seltsame W örter vorzusetzen, auch w enn de­
ren H erk u nft ihm nicht bekannt w ar; denken
w ir nur an A dach, buhetli, G rosdeinm elde,
häm ig oder Kum s(t).
O bw ohl er sich bew ußt ist, daß es M und art­
w ö rter sind, hängt er ihnen ein schriftsprach­
liches M äntelchen um , so w enn er V erben
wie Substantive m it der E ndung -en versieht.
M erkw ürdig sind die Plurale auf -s wie Gebeers, G eziefers, M ädgens; er hat sie in M os­
bach nicht hören können. A uch seine Schrei­
bung ist m anchm al inkonsequent; so schreibt
er B ogenkäez, aber kaez, dann w ieder V orsäez, offenbar K reuzungen von deutsch ä
und Lat. ae.
D er geographischen Lage von M osbach ent­
sprechend sind die m eisten W örter Süd- oder
rheinfränkisch, andere aber ostfränkisch, wie
sich m ehrm als beobachten ließ. W eniger er­
bringt das V erzeichnis zu r öfter erörterten
Frage der V erw andtschaft zw ischen A lem an­
nisch und O stfränkisch (vgl. anschnauen,
cumlich, biezeli, M atte). M undarträum e
w erden m eistens durch ihren L autstand ab­
gegrenzt; durch den V erkehr überspringen
die W ö rter leicht die L autgrenzen. So kön­
nen auch schwäbische W örter in fränkische
U m gebung eindringen.
Anmerkungen
') Generallandesarchiv Karlsruhe 166/140, Bl.
28v/29r. A. Frank, Wie sah es in Mosbach vor 180
Jahren aus? In: Bad. Heimat 1981, S. 283ff.
2) Sohn des Oeconomus et Provisor fisci acad. In:
Matrikel der Universität Heidelberg, 4 (1903)
S. 198 mit Anm. 2 und S. 202 mit Anm. 4.
3) E. Roedder, Volkssprache und W ortschatz des
bad. Frankenlandes, dargestellt auf Grund der
M undart von Oberschefflenz, New York 1936.
Das W örterbuch S. 321 ff. Die Seitenzahlen sind
nur in Ausnahmefällen angegeben.
4) Badisches W örterbuch, hg. von E. Ochs, K. F.
Müller und G. W. Baur 1925 ff., Bände I und II,
A -K und P, T , V; Bd. III bis Lief. 42.
5) Schwäbisches W örterbuch, hg. v. H. Fischerund
W. Pßeiderer, Bd. 1—6b, 1904—1936.
6) Historischer Atlas von Baden-W ürttemberg,
Karte XII, 7, bearbeitet v. H. Steger, 1981.
7) Frank (wie Anm. 1) S. 285.
s) F. Meszmer, Alte Mosbacher Entwässerungsdo­
len. In: Rhein-Neckar-Zeitung Heidelberg (RNZ)
1974, 27. Febr. (mit Karte). A. Frank, Der M osba­
cher M arktbrunnen und seine Erneuerung, 1974
(mit Ausschnitt aus einem Archivplan der Attauchen). E. u. D. Brüche, Das Mosbach-Buch, 1978,
S. 278. P. Waibel, Attauch, ein altes Mosbacher
W ort, RNZ 1./2. 12. 1979, S. 33.
9) Abetuch. Urkunde (Mutscharungsbrief) des
Speyrer Bischofs Raban von Helmstädt, 1420 (Pri­
vatbesitz). Freundl. Mitteilungen von G. Riederer,
Hochhausen-Hassmersheim.
10) Oberrheinische Stadtrechte. I. Abt. Fränkische
Rechte, S. 318: abeduchen.
u ) K. Schramm, M ainzer W örterbuch 31966, S. 17.
12) Deutsches Rechtswörterbuch, Bd. 1, S. 418 f.
W. Crecelius, Oberhessisches W örterbuch S. 17 f.
Südhess. W örterbuch, Bd. 1, Sp. 13 f. StaubTobler, Schweizerisches Idiotikon I Sp. 165 f.
Rheinisches W örterbuch I, Sp. 63 f. und andere.
399
13) Th. Frings u. G. Müller, Germania rom ana I
(1966) S. 129; II (1968) S. 92f.
14) Bad. Wb. (wie Anm. 4) I 19 und 45.
15) I 47 und I 58. I6) I 60, 17) I 70.
18) W. Hampele, in: Heimatbuch Michelbach
a.d. Bilz (1980) S. 402.
19) Bad. Wb. 1170, “ ) 1240, 21) 1239, n) 1279
23) Rhein. Wb. (wie in Anm. 12) I 1103.
24) Hampele (wie Anm. 18) S. 398.
25) Schwäb. Wb. (wie Anm. 5) 1, 1169.
26) Bad. Wb. II 369, 27) I 149, 2S) I 492.
28a) H. Mangold, Die M undart von Adelsheim
(1930), S. 25. 29) Bad. Wb. I 74, M) I 867.
31) Hampele (wie Anm. 18) S. 399.
32) Bad. Wb. 87, 33) II 258, 33a) II 270, 2, M) II
294, 35) II 301, 35a) I 134 (Beere), *) II 326,
37) II 355, 38) II 363; Südhess. Wb. II 1405.
39) Bad. Wb. II 411.
40) Hampele (wie Anm. 18) S. 402.
41) Bad. Wb. III 172; vgl. E. Roedder, Das süd­
westdeutsche Reichsdorf in Vergangenheit und
Gegenwart (1928) S. 331.
42) Bad. Wb. II 438, 43) Ebd. II 453, 44) II 455,
45) II 490, *) II 501.
47) H. Marzell, W örterbuch der deutschen Pflan­
zennamen III 152; Schwäb. Wb. 2, 138.
48) Bad. Wb. II 253, 49) II 544, 546; vgl. ebenhämmig I 622, M) II 578.
51) B. König, Heimatkundl. Zulassungsarbeit 1960
(Masch.) u. H. Schäfer, Flurnamen von Mosbach,
1962 (Masch.), S. 25 „Hebled“; dazu Häbleichet
in Adelsheim: Mangold (wie Anm. 28a) S. 42 u. 49.
400
52) Hampele (wie Anm. 18) S. 399.
53) Bad. Wb. II 636, M) II 671, 55) II 570,
“ ) II 772.
57) H. Schmitt, W einheimer W ortschatz (21981)
S. 68. Bestätigt durch Bad. Wb. III 240, 1 b.
58) Bad. Wb. III 103. 59) Roedder, Reichsdorf
(wie Anm. 41) S. 370.
“ ) M angold (wie Anm. 28a) S. 35.
61) Schwäb. Wb. 4, 1285 u. 6, 2484, auf die mich
G. W. Baur (Freiburg) freundlich hinweist.
62) Adelsheim (wie Anm. 28a) hat Lärweli ,mißra­
tene Obstfrüchte“.
63) König und Schäfer (wie Anm. 51).
M) Hampele (wie Anm. 18) und Schwäb. Wb. 4,
1880.
65) K. Schramm (wie Anm. 11) S. 65.
“ ) Schwäb. Wb. 5, 1134.
b7) Bad. Wb. II 208.
68) Kluge-Mitzka 19848.
69) O. Heilig, F. J. Mones Bruhrainisches Idioti­
kon, in: Neues Archiv Heidelberg (1905) S. 166.
70) D ank für frdl. Mitteilungen von G. W. Baur,
Freiburg. E. Ochs scheint für zentane die Ablei­
tung von Zent (Gerichtsbezirk, Gerichtsversamm­
lung) erwogen zu haben. Da Mosbach Sitz einer
Zent war, hat diese Ableitung einiges für sich.
Auch beim Antreten der Zentmannschaft könnte
das W ort als Kommando gebraucht worden sein.
71) Bad. Wb. I 58.
72) Roedder (Reichsdorf, wie Anm. 41) S. 331.
Mundartdichtung gestern
Anfänge und Entwicklung
der Mundartliteratur im badischen Frankenland
Peter Assion, M arburg/W alldürn
In M un d art zu dichten hat in Baden eine
lange T radition, ja durch Johan n Peter H e ­
bel und seine vielbew underten, zu r N achah­
m ung reizenden „A lem annischen G edichte“
(1803) gilt Baden geradezu als „W iege“ der
gesam ten deutschen M undartdichtung: ein
Ruf, der zum al für einheim ische H ebelN achfolger V erpflichtung w ar. D em großen
V orbild folgend dichteten sie ihrerseits in der
alem annischen M un d art oder übernahm en
dessen T hem en, um sie recht früh auch
schon im pfälzischen Idiom zu variieren1).
D ie pfälzische M undartdichtung em pfing
außerdem durch K arl G ottfried N adler
(1809—1848) kräftige Impulse, so daß die be­
sinnliche D aseinsbetrachtung und das N aturund H eim atlob nicht allein vorherrschend
blieben, sondern auch der hum orvollen D ar­
stellung m enschlicher Schwächen und V er­
hältnisse ihr R echt w urde.
U m so m erkw ürdiger w irkt es da auf den er­
sten Blick, daß sich eine badische Landschaft
erst recht spät dazu anregen ließ, die Szene
badischer M undartdichtung m it eigenen Bei­
trägen zu bereichern: das Frankenland. Es
sei „bisher auf diesem G ebiet verschw iegen“
gew esen, stellte 1933 H erm ann Eris Busse
fest, um m it um so größerer Freude — Busse
hatte das Frankenland gerade für sich und
die Leser der „Badischen H eim at“ entdeckt
— m itteilen zu können, daß „die letzten Jah r­
zehnte . . . auch der M undartdichtung im . . .
badischen Frankenland Seelen erw eckt“
habe2). W arum so spät? D ie A ntw ort enthält
Busses A ufsatz indirekt. W enn O denw ald,
B auland und T aubergrund m it ihren land­
schaftlichen R eizen und kulturellen R eichtüm ern erst einem breiteren Publikum bekannt
gem acht w erden m ußten, dann w aren sie
vorher unbekannt oder gar verkannt und
m ißachtet gewesen. D ann hatten es die Fran­
ken „von dahinten“ auch schw erer als andere
B adener gehabt, Selbstbew ußtsein zu entw ikkeln und kulturelle Identität zu behaupten.
Beides aber w ären G rundvoraussetzungen
für eine blühende M undartdichtung gew e­
sen. D ichtung in der heim ischen M undart ist
im m er auch Bekenntnis zu r angestam m ten
Landschaft und ihrer B evölkerung und setzt
regionales Selbstw ertgefühl voraus. D aran
hat es im Frankenland lange gefehlt, was
nicht Schuld der Franken w ar, sondern de­
rer, die entlang des Rheines von „badisch Si­
birien“ sprachen, sich über das „H interland“
erhaben fühlten und auch die alem annische
und pfälzische M undart für schöner hielten
als die D ialekte von jenseits des N eckarknies.
V on der A bw ertung des O denw äldischen
gibt es ein frühes Zeugnis. 1808 verfaßte der
M osbacher Am tsphysikus D r. G ruber (geb.
1744) eine m edizinisch-topographische Be401
Schreibung des Physikats M osbach und E ber­
bach3), in die auch ein V erzeichnis von 86
D ialektw örtern — hochdeutsch glossiert —
eingeschoben ist. M it diesem W örterver­
zeichnis kann m an im m erhin den Beginn der
w issenschaftlichen B eschäftigung m it der
O denw älder M und art datieren, und als
kleine Sensation ist entsprechend die E ntdekkung dieser A ufzeichnung gew ertet w o r­
den4). E inleitend schreibt D r. G ruber jedoch:
„unsere Sprach dahier ist äußerst hart, unm usicalisch“. U nd als M erkm al sprachlicher
E igenart führt er an, daß das „s“ wie „sch“
gesprochen w erde. D aß im O denw ald und
zum Teil im B auland ein H aus ein
„H ausch“, eine G ans eine „G ansch“ und eine
M aus eine „M ausch“ ist, hat in der T at etwas
A uffälliges5) und w ird bis heute gegen den
Franken gekehrt, vor allem mittels des Spott­
nam ens „G änschm auscher“, den K arl H o f­
m ann so erklärte: „D urch eine Z usam m en­
setzung der beiden im M unde des O stfran­
ken dem O hre des Pfälzers auffallend er­
scheinenden T iernam en ,G änsch‘ ( = Gänse)
und ,M ausch“ ( = M aus) nannte der rhein­
fränkische P fälzer seinen ostfränkischen Bru­
der einen ,G änschm auscher“, d. h. einen, der
statt Gäns und M aus ,G änsch“ und ,M ausch“
spricht. Eine W eiterbildung dieses W ortes ist
der A usdruck ,G änschm auscherland“, der
zu r näm lichen Z eit . . . gedieh“6), d.h. im
19. Jahrhundert, als „H interländer“ und
P fälzer sowie Alem annen in den G arnisonen
zu H eidelberg, M annheim , Bruchsal und
K arlsruhe aufeinandertrafen7).
Eine besondere Pioniertat bedeutete es vor
diesem H in tergrund, ein längeres T extstück
in fränkischer M undart zu veröffentlichen.
Dies geschah durch die W ertheim erin A m a­
lie B aader (1806—1877), die in ihrer H eim at­
stadt den badischen Beam ten B ernhard Baa­
der (1786—1859) kennengelernt hatte und
diesem nach K arlsruhe gefolgt w ar, w o Baa­
der seit 1832 als Finanzrat w irkte8). In seiner
Freizeit betätigte sich B ernhard B aader eifrig
als Sagensam m ler, was ihn m it Franz Joseph
402
M one in V erbindung brachte, der im „A nzei­
ger für K unde der teutschen V orzeit“ V o rab­
drucke dieser Sagen veröffentlichte. Amalie
B aader aber schrieb ein Stück in W ertheim er
M undart, das M one innerhalb einer Serie
„Teutsche M und arten“ abdruckte9). Es hat
ein H ochw asser zu W ertheim zum T hem a
und läßt die E inw ohner ihre B estürzung äu­
ßern über die Gefahr.
D och auch erste zaghafte V ersuche, in der
fränkischen M undart zu reim en, gab es
schon zu dieser Zeit. Sehr beliebt ist bis heute
in W alldürn ein M undartgedicht, das die
„H anneischaft“, d .h . den H ausierhandel, der
„D ü n n er“ (W alldürner) beschreibt: das H e r­
um ziehen m it selbstgefertigten Z ucker- und
W achsw aren und das beredte A npreisen die­
ser A rtikel, von deren V erkauf einm al ein
G roßteil der B evölkerung lebte10). Dieses
G edicht w urde gerne bei heiteren Anlässen —
auf H ochzeiten oder bei Fastnachtsvergnü­
gungen — vorgetragen und ist nur abschrift­
lich, nicht gedruckt w eitergegeben w orden,
w obei als V erfasser V iktorin Kieser verbürgt
w urde: ein junger W alldürner, der dem nach
als erster „M undartdichter“ des Frankenlan­
des gelten darf11). K ieser (1835—1854) w ar
der Sohn des K aufm annes und B ürgerm ei­
sters Felix A nton K ieser und besuchte — ehe
er als noch nicht Z w anzigjähriger einer
K rankheit erlag — das Gym nasium zu T au ­
berbischofsheim , w o er auch seine M undartverse zu Papier gebracht haben soll. Sie seien
hier nach einer A ufzeichnung von 1936 im
H eim atm useum W alldürn w iedergegeben:
Die Dürm er u ff der Hannelschafi.
,S ‘ is doch e luschdis Völkle
M it der M anne uffem Kopf,
Un ihm H iem el trübt ke Wölkle,
Laufe dun se w ie en Dopf.
Sunnestäche, Stormwind, Rächeweeder,
Alles dud en nix,
U ff de M arkt geh’n se m it Leeder,
Schwöfelhölzli, Stiffelwix.
Do w erd g ’s chmuust un do w erd g'hannelt,
Früh un spood, an em Stück fort,
Un w enn eens nit w eit d ’v ou w annelt
Ruffe sem m it lautem W oort:
O herzier Vedder, geht doch haare
Un kaaft mer a e Lebküchle aab.
Z w ä fo r ’n Kröizer, wolfle Waare,
Fascht zu gäw w e net erlaabt.
Alles könnt V vun mer häwwe,
Feini Wackschtöck, grouß un kleen.
Bildli konn i jedem gäwwe,
Haasche, K ühli m it vier Been.
Schühli, Schtrümpfli, schöni Herzli,
Zückerli, Hünggeli, Schtörch un Gensch,
Sechsers, Batzes, Kröizers Körzli,
Fedderbücksche, Rouschekränz.
For en K röizer fuffzich Schijfli,
Schießerli kriegt ’r zw anzig mehr,
Un des gäw w i öich schriftli,
Schmakke dun se öich re-icht sehr.
Drüm m ge-iht her un kaaft recht fläßli,
Schenke du i ’s öich fors Geeld —
Geeld fo r ’n Kaffi, un dann räs’ i
W idder nei die Dürm er Weeld.12)
Viktorin Kieser aus Walldürn als Gymnasiast 18 52
in Tauberbischofsheim. Er verfaßte das offenbar erste
Gedicht in badisch-fränkischer Mundart: „S’is doch e
luschdis Völkle . . . “ (Silhouette in Besitz von W.
Kieser, Heilbronn).
Repro: H. W. Strobel
(M anne = T ragkorb; D o pf = Kreisel; w ol­
fle = w ohlfeil; Schiffli, Schießerli = ein
W alldürner Anisgebäck.)
M öglich, daß der Erfolg dieses Gedichtes
Kieser erm untert hätte, noch w eitere m und­
artliche M ilieuschilderungen zu verfassen,
wenn er nicht so früh gestorben w äre. An sei­
nen V ersen gefielen Reim und R hythm us in
ihrer unkom plizierten V erbindung m it W ö r­
tern und Sätzen der Alltagssprache: V er­
gleichbares w ar im Frankenland noch nicht
gehört w orden, und so nim m t es nicht w un­
der, daß „D ie D ürm er uff der H anneischaft“
auch außerhalb W alldürns auf Interesse stie­
ßen und etw a auch in Buchen gerne öffent­
lich vorgetragen w urd en13). A rtverw andt w ar
ein anonym es G eburtstagsgedicht von 1872
in K önigheim er M undart, in dem allerhand
schm ackhafte G enüsse, „Q uätscheblaaz“
(flacher Zw etschgenkuchen) usw., beschrie-
ben w urden und das im Septem ber 1919 in
den „Fränkischen B lättern“ abgedruckt
w urde: einer H eim atbeilage zum „B auländer
B oten“ (Adelsheim ), in der K arl H ofm ann
(vgl. unten) der fränkischen M undartdich­
tung seit 1919 ein Forum gab und seit dieser
Zeit auch eigene M undartbeiträge ab­
druckte.
H erm ann Eris Busse hat später einen schar­
fen T rennungsstrich gezogen zw ischen „den
auch im Frankenland nicht seltenen m und­
artlichen R eim ern von W itzen und Pasquil­
len“ einerseits und D ichtern, die sich „w ür­
dig den besten N achfolgern des klassischen
M undartdichters Johann P eter H ebel“ an­
reihten14). D am it deutete er zum indest an,
daß es ältere G ehversuche einer fränkischen
M undartdichtung gab, und außer Kieser
bleibt hier vor allem noch der B uchener
403
A dam B auer (1820—1899) zu entdecken, der
um 1870/80 eine flotte Feder führte und es
zu beachtlichen E igenleistungen brachte, die
nicht nur an H ebel gemessen w erden sollten.
B auer w ar H um orist, aber einer m it politi­
schem A nspruch, der m it M undartgedichten
in den badischen K ulturkam pf eingriff und
seinen O denw älder L andsleuten — er selber
hatte es zum badischen Justizbeam ten und
1872 zum A rchivar und B ürodirektor bei der
zw eiten K am m er des badischen Landtags in
K arlsruhe gebracht — im „L andesblättle“ ei­
nige liberale W ahrheiten gesagt zu haben
scheint. D as erfahren w ir aus seinem G edicht
„E R äs’ uf Buche“, w o er sein G edicht ,,D ’
Bum bje“ zitiert und den Buchener K ronen­
w irt wie folgt agieren läßt:
„Adam geh je tz t nei da Bettle!“
— Sächt de Ludw ig — J a du Louscher,
Dei Gedicht im Landesblättle
Uber „ D ’ B um bje“ hots ganz Schtädtle
Arg verzöm t, es is net kouscher.
„D er Freckling“, sagesch, „treibt norr Schpuze
Un w ill d ’ Buchemer Berger uze. “
baues und m acht sich über die Begeisterung
der O denw älder lustig:
D ’ Eischebohn! — je ß ’ M aria und Joseph
mei Läuit!
Sie kim m t jo w ie vom H im m el ra gschneit.
V erletzen w ollte B auer m it seinem Spott frei­
lich niem and — das zeigt schon der U m ­
stand, daß er sich als „Spazem orlesch A dam “
selbst zu einer Figur seiner G edichte m achte
und sich und seinen B uchenem eine U rw üch­
sigkeit zuschrieb, die er im G runde bejahte.
L etzteres vielleicht um so m ehr, als er Städ­
ter gew orden w ar und er sich bei der geisti­
gen „R äs’ uf Buche“ nur allzu gerne in das
heiter-natürliche Leben seiner Jugend zu ­
rückversetzte.
B em erkensw ert ist, daß um die gleiche Zeit
die M und art auch in die B uchener Lokalzei­
tung eindrang und die liberale R edaktion des
„B uchener A nzeigers“ etwas ähnliches ver­
suchte wie Bauer: ihre Leser in ihrer ureige­
nen Sprache politisch anzusprechen. Das ge­
riet dann freilich zu r handfesten Satire, so
w enn als „Folgen der W ahlvorbereitung“
V o r dem Z orn der Buchener floh B auer — je­ (der katholischen Partei, versteht sich) am
denfalls seinem karikierend übertreibenden 16. Septem ber 1871 folgende Ü berlegungen
G edicht nach — im N achtzug nach Bruchsal eines „schw arzen“ W ählers der L ächerlich­
zurück, um seiner Frau das Erlebte zu be­ keit preisgegeben w urden: „m er messe uns
richten und ihr schelmisch in den M und zu an die Schw arze halte, sunscht sen m ir ver­
lohn t; dann die R outhe m ache uns lutterisch
legen:
in eme halbe Johr; dernochtert genn m ir uff
Bettijeh! — Buschdeebli w ohr!“ (Bettijeh =
„Des geiht w idder e schöi Gedichtle
Bödigheim , evangelische Pfarrei). H arm loser
Oder e Korreschpondenzberichtle
las sich am 28. M ärz 1868 in der U nterhal­
G anz im Oudewälder Schtiel. “
tungsbeilage „Feierabend“ die „H eem kehr
Vielleicht gelingt es noch, aus der T ages­ zw eer baulänner Schneppejäger vum O b end­
presse jener Jahre diese verschollenen M und­ strich“ : ein D ialog zw ischen Fritz und Jörg,
artgedichte zu erheben und auch jenen geg­ die vergeblich auf die Schnepfenjagd gezo­
nerischen A rtikel im klerikalen „Pfälzer Bo­ gen w aren. Fritz: „D esch wesch der Teiwell,
ten “ zu finden, auf den B auer in „E R äs’ uf wasch desch Jo h r m it de Schneppe isch!“
Buche“ anspielt. Allgem ein bekannt ist von Jörg: „N ergendsch in der gansche G egend
ihm nur noch ,,D ’ Buchem er Eischebohn“15) kan Schuß!“ Fritz: „Jetsch dappe m er ebber
— ein M undartgedicht zu r E röffnung der schunn siebbe O bend rausch und All nicht!“
neuen Eisenbahnstrecke 1887 von Seckach Jörg: „M öcht nur wische, w o die L uder
über Buchen nach W alldürn. B auer beleuch­ stecke!“ In diesem Stil geht die U nterhaltung
tet darin die V orgeschichte des E isenbahn­ w eiter, und die Eingew eihten w erden herz­
404
lieh gelacht haben über die beiden Jäger, de­
ren M aul größer als ihr Jagdglück war.
Zu ihrer eigentlichen H öhe führte dann
Jacob M ayer (1866—1939) die B uchener
M undartdichtung em por. M ayer w ar Inha­
ber eines T extil- und M odew arengeschäftes
in der M arktstraße und gehörte der jüdi­
schen G em einde Buchens an16), von deren
M itgliedern es in einem E rinnerungsbericht
heißt: „D ie Juden m einer V aterstadt stellten
ein solides kleinstädtisches B ürgertum dar, in
jeder W eise verw achsen m it der übrigen Be­
völkerung, an den Freuden und Leiden des
Gem einw esens lebhaft A nteil nehm end“17).
Für Jacob M ayer galten diese Bem erkungen
ganz besonders. E r liebte „sein B uchen“ wie
kein zw eiter, ja galt selbst als „ein Stück AltB uchen“, dessen Stimme er in M undartge­
dichten und -liedern unverw echselbar zu G e­
hör brachte. Aus eigenem Erleben und in der
ererbten „alten Sprooch“ schilderte er die
B uchener V olksfeste: den Schützenm arkt,
die „Faschenaacht“ (Fastnacht), ,,S’ Buchem er R odelfescht“18), und zw ar so, daß sich
der m itreißende T rubel des M assengesche­
hens dem Leser oder H ö re r unm ittelbar m it­
teilt. D azu setzte M ayer den R efrain m it ein,
unterlegte seinen T exten bekannte M elodien
zum M itsingen, setzte in den einzelnen Stro­
phen treffsichere P ointen und verw andte
w eitere Stilm ittel, die in der M undartdich­
tung neu w aren. In seiner Ballade „Bleckers
H eim kehr“, die den V erkauf und R ückkauf
des Buchener W ahrzeichens beschreibt, kon­
trastiert er zum Beispiel in w itziger W eise
H ochsprache und M undart und läßt einen
C hor — V olkes Stimme — sarkastisch die
M ißgriffe kom m entieren, die der arm e Blekker zu erleiden hatte:
Eine rohe W ildnis
N a n n t’ man sein Bildnis!
Weichen m ußt’ er solchem K unstgezänk!
(Chor:) O ! Kriech die K rä nk!19)
Zugleich gelangen M ayer liebevolle M ilieu­
schilderungen von heute auch volkskundli­
chem W ert: wie der B uchener „G änsch-
Jacoh Mayer, Buchens großer Mundartdichter und
Liedverfasser, aufgenommen 1887 von dem Bödigheimer Fotografen Martin Flofert (Ausschnitt aus ei­
nem Foto in Visitformat im Bezirksmuseum Buchen).
Repro: Helm ut Brosch
m arsch“ — als fastnächtlicher Straßenum zug
bekannt — ursprünglich ablief, erfährt man
am besten aus seinem G edicht „D ’ B uchem er
Faschenaacht“. U nd dem B uchener Bezirks­
m useum , das er tatkräftig förderte, w idm ete
er folgende V erse:
Do feh lt Euich ke Duuch un ke Kleed un ke
Dasche,
ke Schtrouhnapf, ke Schüssel', ke Deller vun
Zinn,
ke Haube m it bräti Bändermasche,
ke Leinegebilds in de Truhe dinn.
Do feh lt euich ke Diesch un ke Schtuhl un ke
Bänkle,
405
ke Löffel, ke Gabel, ke Krug un ke Glaasch,
ke Spinnrad, ke Uhr, ke Schrank un ke Schränkle,
ke Zuber, ke Zädne, ke Stütze, ke Flaasch .. .20)
D ie völlige Identifizierung m it seiner klein­
städtischen U m w elt — vielleicht darf m an so­
gar von Ü beridentifizierung sprechen und
von hier aus auf die T ragik jüdischen Schick­
sals reflektieren — konnte M ayer freilich
nicht von sehr bitteren E rfahrungen gegen
E nde seines Lebens bew ahren. Zu Beginn der
dreißiger Jahre w ar er gezw ungen, sein G e­
schäft aufzugeben. E r geriet in m aterielle
N o t, und als sich in der N azi-Z eit die aus­
weglose Lage der Juden abzuzeichnen be­
gann, setzte er seinem Leben selbst ein Ende.
H atte sich Busse 1933 einen H inw eis auf Ja ­
cob M ayer versagt, so verzeichnete ihn im ­
m erhin noch 1939 W ilhelm E. O eftering in
seiner „G eschichte der L iteratur in Ba­
den“21), und dies, obw ohl M ayer hauptsäch­
lich für sein B uchener Publikum geschrieben
und nicht den A nspruch erhoben hatte, auch
draußen im Ländle B eachtung zu finden. Die
m it ihm etw a gleichaltrige W ertheim erin
R osa M üller (1869—1944)22) sprach im
„W ertheim er Jahrbuch“ einen größeren Le­
serkreis an, und so nim m t es auch nicht w un­
der, daß bei ihr R eflexionen über die so ei­
genartige fränkische M undart w iederauftau­
chen und deren V erteidigung den Inhalt ei­
nes ganzen G edichtes ausm acht:
M ir Leut vom boodische Frankeland,
Do hinne om M aa- und Dauwerschdrand,
M ir how w e sou e ganz eicheni Schbrooch,
Un die, die mecht uns sou leicht kaans noch:
E w eni bräät, un e w em lang —
s werd manchem, w enn er sie hört, ganz bang;
O w w er urgemüdli, un voller W itz,
Un voller Humor, un losie Schnitz,
Un e „li“ und e „le“ henkt oft hinnedroo,
Drüm hört sich die Schbrooch sou ganz haali
o //3).
D en entscheidenden B eitrag zum unbefange­
nen U m gang m it der M undart und zum A b­
bau von H em m ungen bei deren literarischem
406
G ebrauch scheint jedoch die M und artfo r­
schung geleistet zu haben. Bei der w issen­
schaftlichen B etrachtung der V olkssprache
hatten K ategorien wie „schön“ und „un­
schön“ natürlich keine G ültigkeit, und diese
W ertfreiheit w ar nicht nur A rbeitsprinzip in
den G elehrtenstuben, sondern w urde in den
1880er Jahren auch in die Breite verm ittelt.
Seit 1876 bereitete G eorg W enker
(1852—1911) in M arburg den „D eutschen
Sprachatlas“ vor: ein gewaltiges w issen­
schaftliches U nternehm en, das mittels ver­
schickter Fragebogen M undartm aterial aus
dem ganzen deutschen Reich erhob, um
dann auf synchronen K artenbildern die V er­
breitung von lautlichen und syntaktischen
E rscheinungen zu dokum entieren. H atte das
U nternehm en zunächst nur Preußen und die
angrenzenden G ebiete N o rd - und M ittel­
deutschlands erfaßt, so w ar die Fragebogen­
verteilung 1886/87 auch auf Süddeutschland
ausgedehnt w orden24). B erühm t w urden so
auch hier W enkers 40 Beispielsätze: um ver­
gleichbares M aterial zu gew innen, w aren
von den H elfern — m eist Schullehrer oder
örtliche H o noratioren — diese im m er glei­
chen Sätze m it zusam m en 339 W örtern in
die O rtsm undart zu übersetzen, und wie
etw a B ürgerm eister W ilhelm H ildenbrand
(1828—1919) in W alldürn diese A ufgabe
m eisterte, ist in der Zeitschrift „A lem annia“
nachzulesen, w o im A nhang zu H ild en­
brands „V olksüberlieferungen von W all­
d ürn“ diese Sätze in „D ürm erisch“ abge­
druckt sind25).
D iese „V olksüberlieferungen“ in der „Ale­
m annia“ verdankten sich einem zw eiten Fra­
gebogen-U nternehm en: der U m frage zu r ba­
dischen V olkskunde, die 1894/95 von den
Freiburger G erm anisten Friedrich Kluge,
Friedrich Pfaff und E lard H ugo M eyer im
G roßherzogtum veranstaltet w urde26) und
ebenfalls — w enn auch im R ahm en eines grö­
ßeren, volkskundlichen K onzeptes — nach
m undartlichem V olksgut forschte. W ährend
das beim „Sprachatlas“ eingegangene und
seit 1926 auf K arten veröffentlichte M aterial
heute vom „Forschungsinstitut für deutsche
Sprache“ der U niversität M arburg/L ah n ver­
w ahrt w ird, liegt ein G roßteil der Fragebo­
gen-B earbeitungen, die Kluge, Pfaff und
M eyer gesam m elt haben, daher in der A r­
beitsstelle des Badischen W örterbuches an
der U niversität Freiburg i. Br., um für dieses
große Standardw erk ausgew ertet zu werden.
Im V o rw ort zum ersten Band des „Badischen
W örterbuches“, das 1925 zu erscheinen be­
gann, betonte der langjährige B earbeiter und
H erausgeber E rnst O chs entsprechend:
„D en G rund zu diesem W erke legte Fried­
rich K luge, als er 1894 zusam m en m it E. H .
M eyer und F. Pfaff jene volkskundliche U m ­
frage ins Land schickte, deren B eantw ortun­
gen auch für den W ortschatz reiche Beute
ergaben“27).
Im Gefolge dieser B estrebungen belebte sich
auch die regionale M undartforschung — im
Frankenland wie anderw ärts — und, wie an­
gedeutet, der literarische M undartgebrauch.
Die K leinform en m undartlicher „V olkspoe­
sie“ — Sprichw örter, Scherzsprüche, T a n z ­
liedchen usw. — w urden aufgezeichnet und
um größere Stücke m undartlicher Prosa er­
gänzt, die die V erfasser selbständig gestalte­
ten, um dam it bestim m te O rtsm undarten zu
dokum entieren (analog zu den W enkerschen
40 Sätzen und in später, freilich unbew ußter
N achfolge Am alie Baaders, vgl. oben).
H eute erfüllen T onband-N achschriften die­
sen Zweck. D a jedoch um 1900 noch keine
m odernen H ilfsm ittel zu r V erfügung stan­
den, w ar im m er auch der literarische Ehrgeiz
der A utoren m itherausgefordert. So kam
etw a durch Professor Emil Schm itt
(1858—1947) ein K abinettstückchen solcher
Prosa zu Papier: ein Erlebnis m it dem sagen­
haften „w ilden H eer“, verfaßt in der H ettinger H eim atm undart Schmitts und bis heute
im m er w ieder nachgedruckt28). Sagen und
M ärchen lieferten den bevorzugten Stoff zu
solchen Textstücken. V on Schm itt gibt es
auch eine m undartliche G estaltung des M är­
chens vom W olf und den sieben G eißlein
(„D r W olf un di süwe Dsigeli“) im A nhang
zu seiner allerdings ungedruckt gebliebenen
„G ram m atik der M undart von H ettingen“29),
w ährend A ugusta B ender (1846—1924) aus
O berschefflenz in ihre L ebenserinnerungen
einflocht, wie das „H ennele“ an einem
„Piepskörnle“ starb und das „G ökele“ dann
„m it ’m uff K uppelishause g’fahre (isch), um
es begrabe z’ losse“ : eine V ariante des
G rim m schen M ärchens „V om T ode des
H ühnchens“ in B auländer M und art30).
U m die Sam m lung solcher T exte, um eine
system atische E rforschung der fränkischen
D ialekte und auch um die Pflege der gereim ­
ten M undartdichtung m achte sich seit den
1890er Jahren dann ein M ann verdient, der
heute zu U nrecht vergessen ist: Professor
O tto H eilig (1865—1941). Z w ar w ar er nicht
der erste, der als Franke eine w issenschaftli­
che Arbeit zu r fränkischen M und art vor­
legte. D ieser R uhm gebührt H . Breunig mit
seiner T auberbischofsheim er Program m ­
schrift „D ie Laute der M undart von Buchen
und dessen nächster U m gebung“ von 1891.
O tto H eilig w ar dafür jedoch ein G elehrter,
der sich für Jahrzehnte der M und artfo r­
schung verschrieb und darüber hinaus die
O rtsnam enforschung und die V olkskunde
bereicherte, und zw ar in ganz Baden31). H ei­
lig entstam m te einer W alldürner B eam tenfa­
milie. E r w ar wie sein V ater, der Am tsrevi­
dent H erm ann H eilig, in W alldürn geboren
w orden, doch später dann — w ohl aufgrund
einer V ersetzung des V aters — nach T auber­
bischofsheim verzogen und m it dem T auber­
länder D ialekt aufgew achsen. Als Lehram ts­
anw ärter w idm ete er diesem D ialekt seine er­
ste w issenschaftliche Arbeit: eine „Laut- und
Flexionslehre der Tauberbischofsheim er
M un d art“ (1889/90), die er als Facharbeit
einreichte und überarbeitet als „G ram m atik
der ostfränkischen M und art des T aubergrun­
des und der N achbarm undarten“ 1898 ge­
druckt erscheinen ließ32). H ier findet sich
Seite 194—198 eine ganze Sam m lung m und­
artlicher T extproben nach der V olksüberlie­
ferung, nach Emil Schm itt, H . Breunig u. a.
Insbesondere aber darf die G ram m atik als
407
Josef Dürr, Mundartdichter aus Tauberbischofsheim
und Hauptrepräsentant der badisch-fränkischen
Mundartdichtung, nach einem Foto von 1914, das
Hermann Eris Busse 1933 in der „Badischen Hei­
mat“ erscheinen ließ (S. 3).
Repro: H. W. Ströbel
Standardw erk badisch-fränkischer M und art­
forschung gelten, w o erstm als — ohne daß
auf um fänglichere V orarbeiten zurückgegrif­
fen w erden konnte — ein G esam tüberblick
über die L autentw icklung vom M ittelhoch­
deutschen bis zu den um 1900 im Franken­
land gesprochenen D ialekten gegeben ist.
H eilig gab dazu noch gesonderte „Beiträge
zu einem W örterbuch der ostfränkischen
M undart des T aubergrundes“ heraus (1894)
und blieb als Lehrer in K enzingen, R astatt,
K arlsruhe und M annheim der Sprach- und
H eim atforschung verbunden, ja auch noch
im R uhestand, den er bis zu seinem T od
1941 im Spital in W alldürn verbrachte.
408
W as die M undartdichtung betrifft, so liegt
H eiligs V erdienst in der Förderung, die er
dem W erk des T auberbischofsheim er D ia­
lektdichters Josef D ü rr (1877—1917) ange­
deihen ließ: des bekanntesten und geschätz­
testen der fränkischen A utoren, die in M und­
art schrieben und die dann auch die (oben zi­
tierte) W ertschätzung Busses errangen. D ü rr
schrieb eine V ielzahl meist um fänglicher
M undartgedichte, ohne sich noch selbst um
deren D ruck küm m ern zu können: 1916
w urde er zum Kriegsdienst eingezogen und
m ußte bei Paschendaele in Flandern 1917
sein Leben lassen. Sein W erk w äre w ohl erst
spät oder nie ans Licht gekom m en, hätte sich
nicht O tto H eilig darum geküm m ert. V on
der W itw e D ürrs übernahm er dessen reich­
haltigen N achlaß und gab schon bald nach
dem K rieg die G edicht-A usw ahl „Schlehe un
H asselnüß“ (C am burg/Saale 1919, 2. Aufl.
1951) heraus. U m D ü rr in ganz Baden und
insbesondere bei den M itgliedern des Lan­
desvereins „Badische H eim at“ bekannt zu
m achen, ließ er 1920 in der Reihe „V om Bo­
densee zum M ain“ die W ürdigung „Josef
D ürr. Ein neuer badischer D ialektdichter“
folgen. D iese Schrift enthält fünf w eitere G e­
dichte D ürrs und einleitend einige Bem er­
kungen zu seinem Leben, zur E ntstehung
seiner D ichtung, zu deren T hem atik und zu
deren Sprache, w obei O tto H eilig u.a.
schrieb: „D ürr ist ein trefflicher Schilderer
echten Bauerntum s und kleinbürgerlichen
W esens. D ie A rt seiner D ichtung erinnert an
die des Pfälzers N adler. W ie diesem , ist auch
ihm die D arstellung des V olkes in seinem
D enken, seinem Leben, seiner A usdrucks­
weise H auptziel. D aher verw endet er auch
nur einheim ische, volkstüm liche, vielfach hu­
m oristisch gefärbte Stoffe; er bietet kein
W ort, kein Bild, keine R edensart, die nicht
bodenständig w äre“33).
W ir erfahren aus dieser W ürdigung aber
auch, daß D ü rr an seiner H eim atm undart
zeitweise „aus w issenschaftlichen G ründen“
ein Interesse hatte, und dies legt die V erm u­
tung nahe, daß H eilig und D ü rr schon länger
m iteinander in V erbindung standen und daß
es H eilig als der ältere gewesen sein könnte,
der D ü rr in diesem Interesse bestärkte. Beide
w aren ja T auberbischofsheim er: H eilig
durch den W ohnsitz der Familie, D ü rr als in
Tauberbischofsheim geborener B auernsohn.
U nd beide w aren im Lehrberuf: D ü rr zuletzt
als R ealschuldirektor in Sinsheim. Persönli­
che und fachliche B erührungen sind als si­
cher anzunehm en, und m an m öchte folgern,
daß H eilig dann D ü rr auch die poetische
Richtung wies, die ihm selber — dem streng
sachlichen W issenschaftler — zu gehen ver­
sagt war. Z um indest dürfte H eilig einer der
ersten Leser D ürrscher G edichte gewesen
sein und durch seinen Beifall den Landsm ann
zum W eiterm achen erm utigt haben.
D as V orbild D ürrs blieb dann sicher nicht
ohne Einfluß auf H ans A nton Sack
(1889—1966) aus K önigshofen, der 1923 sei­
nen G edichtband „Aus H erz und H eim at“
vorlegte34) und erstm als auch Spieltexte im
T aubertäler D ialekt verfaßte35). U nd es
dürfte ebenso die B oxberger W ilhelm
K raft36) und K arl H o fm ann37) und den Laudaer Karl R eichert38) bestärkt haben, sich
dem Kreis fränkischer M undartdichter zu zu ­
gesellen und ihre teils besinnlichen, teils
derb-fröhlichen V erse zu verfassen. N im m t
m an noch den K rautheim er R udolf W eber39)
und A dolf W eber aus Fahrenbach im Kreis
M osbach40) hinzu, so konnte nun in der T at
von einer „V erschw iegenheit“ des Franken­
landes auf dem G ebiet der M undartdichtung
keine R ede m ehr sein: eine T atsache, der
H erm ann Eris Busse auch dadurch R ech­
nung trug, daß er 1927 in „M ein H eim at­
land“ die neue fränkische M undartdichtung
sich m it prägnanten Beispielen vorstellen
ließ41).
Eine ganze Reihe dieser A utoren verband bei
ihrer Arbeit, was sich schon Jahrzehnte zu ­
vor bei dem B uchener A dam B auer angekün­
digt h a tte : der w ehm ütige Blick zurück in die
Jugendzeit und die Sehnsucht nach einer
H eim at, die nicht m ehr selbstverständlicher
Besitz, sondern oft nur noch E rinnerung
w ar. Berufsbedingt lebten viele außerhalb des
Frankenlandes. W ilhelm K raft, A dolf W eber
und K arl H ofm ann w aren H auptschul- bzw.
G ym nasiallehrer, H ans A nton Sack kam als
Landw irtschaftslehrer und schließlich Ö k o ­
nom ierat w eit herum . A ber auch für die
O rtsansässigen blieben V erlusterfahrungen
nicht aus, änderten sich doch im 20. Jah r­
hun dert die Lebensverhältnisse im m er
schneller und m achten die H eim at frem d.
D em M undartgedicht wuchs so die Aufgabe
zu, das Bild der alten H eim at zu konservie­
ren und heim atliche W erte w eiterzugeben,
von einem ausgew ogenen V erhältnis zw i­
schen M ensch und N atu r zu berichten und
von der G eborgenheit in verläßlichen zw i­
schenm enschlichen B eziehungen. M it dieser
A ufgabenstellung und T hem atik, die sich
auch noch einige N achkriegsautoren — zu
nennen ist vor allem Franz D ö hner aus D örlesberg42) — zu eigen m achten, ist die fränki­
sche M undartdichtung zu einem gewissen
Abschluß gelangt. Ein neues K apitel ihrer
Geschichte könnte beginnen, w enn sich jü n ­
gere A utoren nun konsequent der G egen­
w art stellen w ürden: die M undart als „M e­
dium der L okalvernunft“ nutzend und den
Blick in die Z ukunft gerichtet.
Anmerkungen
!) Vgl. Otto Heilig, Ein Gedicht in Stüberzenter
M undart aus dem Jahre 1824, in: Mein Heim at­
land 14 (1927), S. 199-202.
2) Hermann Eris Busse, In der Stulpe des badischen
Reiterstiefels, in: Badische Heimat 20 (1933) ( =
Jahresheft „Das badische Frankenland“), S. 4—46,
hier S. 15.
3) Vgl. A do lf Frank, Wie sah es in Mosbach vor
180 Jahren aus? „Moralische Topographie in
Rücksicht der medicinischen Polizey“ des Physicus Dr. Gruber, in: Badische Heimat 61 (1981),
S. 283-301.
4) Die Entdeckung der gesamten Topographie er­
folgte durch Dr. Paul Waibel, Karlsruhe, dem der
Verfasser eine Fotokopie des bei Frank (wie
Anm. 3) nicht abgedruckten Wörterverzeichnisses
verdankt. Vgl. dazu den Beitrag Dr. Waibel in vor­
liegendem Heft.
409
5) Siehe dazu Kurt Wagner, Ein süddeutsches
„Curiosum“, in: Zeitschrift für deutsche M und­
arten 18 (1923), S. 295 ff.
6) Karl Hofmann, Die Sagen des badischen Fran­
kenlandes, 1. Aufl., Beilage zum Jahresbericht der
Humboldtschule Karlsruhe 1911, S. 43 f.
7) Siehe dazu auch M ax Walter, Der hintere
Odenwald im badischen Volkshumor, in: Mein
Heimatland 14 (1927), S. 321 f., der für „Gänschmauscher“ eine zusätzliche Erklärung gibt.
8) Zu Amalie und Bernhard Baader siehe Friedrich
von Weech, Badische Biographieen, Dritter Theil,
Karlsruhe 1881, S. 7—11. Ein Porträt Amalie Baa­
ders verwahrt das Mainfränkische Museum W ürz­
burg.
9) Anzeiger für Kunde der teutschen Vorzeit 7
(1838), Sp. 125-132.
10) Vgl. Joseph Geißler, Das Hausiergewerbe der
Stadt W alldürn, in: Untersuchungen über die Lage
des Hausiergewerbes in Deutschland, 5. Band ( =
Schriften des Vereins für Socialpolitik, 81), Leip­
zig 1899, S. 121-144.
u ) Die Erinnerung an Viktorin Kieser wurde in
W alldürn mündlich weitergegeben. Zwei ältere
Aufzeichnungen des Gedichtes besitzt das H ei­
matmuseum W alldürn. Davon ist eine ca. 1910 von
Bürgermeister Wilhelm Hildenbrand niederge­
schrieben worden, der folgenden Nachsatz an­
schloß: „Dies Gedicht hat Victorin Kieser von
hier, Sohn des Kaufmanns Felix Anton Kieser hier,
als er auf dem Gymnasium in Tauberbischofsheim
war, gemacht.“ Von 1936 stammt eine maschinen­
schriftliche (oben in unserem Aufsatz wiedergege­
bene) Aufzeichnung (von Rektor Hans Eckstein?),
wo sich ein entsprechender Nachtrag findet: „Der
Verfasser dieses Gedichtes ist Viktor Kieser, ein
Onkel des jetzt (1936) noch lebenden Fabrikanten
Viktor Kieser; die Entstehungszeit wird etwa 1870
(!) sein. Das eben Gesagte sowie die oben stehende
Fassung stammt von Theodor Ehemann, der das
Gedicht aus eigenem Wissen, dann durch seine
Schwester Lina, auch durch Ida Claes & Sophie
Ziegler kannte; die ihm von seiner Schwester zu­
gegangene Aufzeichnung hatte die Überschrift:
Das M arkttreiben der W alldürner. Die vorseits
stehende Überschrift hat er selbst gewählt. Das
Grab des Viktor Kieser sei auf dem alten Friedhof
in W alldürn, links vom Eingang.“ — Von Viktorin
Kieser erhielt sich außerdem bei Fabrikant Viktor
Krämer eine Silhouette. Sie ist jetzt in Besitz von
W erner Kieser (Heilbronn), dem für die freundli­
che Erlaubnis zur Herstellung eines Fotos gedankt
sei. Das Bildchen trägt die Aufschrift: „Victorin
Kieser sm. Bruder Heinrich z. f. E. Tbischofsheim
lten August 1852“. Dieser Bruder Heinrich
(1831—1917) w ar später ebenfalls Bürgermeister
von W alldürn. (Alle Daten nach dem Kieserschen
410
Stammbaum in Familienbesitz sowie nach den
W alldürner Kirchenbüchern.)
12) In der mündlichen Überlieferung folgt eine
Schlußstrophe, von der nicht sicher ist, daß sie zur
Originalfassung gehörte. Sie lautet: „Ja sou is un
war des Völkle / dapfer un ganz uuscheniert / sen
se uff der Schossee marschiert / schöö mit Sicherheitsnoodel de Roock dressiert / daß die Beeschelitze net mit Dreeck verschmiert.“
13) Mündl. Mitteilung von Frau Bertha Schwing,
Buchen, 1965.
w) Busse (wie Anm. 2), S. 15.
15) Abgedruckt in dem Stadtführer „Buchen und
Umgebung“ von 1912, S. 27f., wo sich in dem
Kapitel „Buchener Volkspoesie“ auch „E Räs’ uf
Buche“ (S. 23—26) sowie Gedichte Jacob Mayers
(vgl. unten) finden. — Von Bauer dürfte außerdem
das mit „Ad. Br.“ abgezeichnete Gedicht „De Arn­
berg brennt“ stammen, das einen Schildbürger­
streich der Buchener beschreibt und im Dezember
1919 in den „Fränkischen Blättern“ gedruckt
wurde (vgl. O eftering, wie Anm. 21, S. 169). Zur
Tradition politischer M undartdichtung in Baden
vgl. Oskar Hajfner, Vormärzliche politische
M undartdichttung aus Baden (= Vom Bodensee
zum Main, 4), Karlsruhe 1920. — Auskünfte zu
Bauers Beamtenlaufbahn werden Frau Dr. Marie
Salaba, Generallandesarchiv Karlsruhe, durch
Brief vom 22. 4. 1983 verdankt.
16) Zu Jacob Mayer siehe Rainer Trunk, Die jüdi­
sche Gemeinde Buchen, in: 700 Jahre Stadt Bu­
chen. Beiträge zur Stadtgeschichte, Buchen/O den­
wald 1980, S. 83-98, hier S. 96.
17) Zitiert nach Trunk (wie Anm. 16), S. 95.
ls) Stadtführer „Buchen und Umgebung“ (wie
Anm. 15), S. 29—41. Nachdrucke in den „Buche­
ner National-Liedern“, einer ca. 1925 gedruckten
Buchener Liedersammlung, sowie bei August
Maier, Ein Repertoire Buchener Gemütlichkeit, in:
D er W artturm, Neue Folge 4 (1969), Nr. 11.
19) Stadtführer „Buchen und Umgebung“ (wie
Anm. 15), S. 36 f.
20) Zitiert nach Emil Baader (Hrsg.), Land und
Leute des Amtsbezirks Buchen, Buchen 1928,
S. 27.
21) Wilhelm E. O eftering, Geschichte der Literatur
in Baden, 3. Teil (= Vom Bodensee zum Main,
47), Karlsruhe 1939, S. 169.
22) Vgl. ebenda, S. 169. Rosa Müller veröffent­
lichte von 1920 bis 1937 im Jahrbuch des Histori­
schen Vereins Alt-W ertheim e.V. M undart­
gedichte und mundartliche Prosastücke und gab
die Sammlung heraus: Soondkörnli un Müscheli,
W ertheim 1937. Über Rosa Müller und ihren
ebenfalls in M undart schreibenden Vater Wilhelm
Schneider (1841—1912) siehe Otto Langguth, Rosa
Müller in memoriam, in: Jahrbuch des Histori­
sehen Vereins Alt-W ertheim e.V. für die Jahre
1948/49, S. 35-37.
23) Rosa Müller, Die W erdemer Schbrooch, zitiert
nach dem Abdruck bei Kurt Bräutigam und Rudolf
Lehr (Hrsg.), Landuff, landab. Lebendige M und­
art von der Pfalz zum Taubergrund, vom Main
zur M urg (= M uddersprooch, 3), Karlsruhe
1981, S. 189.
24) Zum „Deutschen Sprachatlas“ und seiner Ge­
schichte vgl. die zusammenfassende Darstellung
bei Viktor Schirmunski, Deutsche M undartkunde.
Vergleichende Laut- und Formenlehre der deut­
schen M undarten, Berlin 1962, S. 70—82.
25) Wilhelm Hildenbrand, Volksüberlieferungen
von W alldürn. Nach dem Fragebogen zur Badi­
schen Volkskunde aufgezeichnet, in: Alemannia
34 (1906), S. 255-279, hier S. 278 f. („Es folgen
40 Sätze in W aildürner M undart“.)
26) Vgl. F. Kluge, E. H. Meyer, F. Pfaff, Fragebogen
zur Sammlung der volkstümlichen Überlieferun­
gen in Baden, in: Alemannia 21 (1893), S. 301 ff.
D azu Peter Assion, Mosbacher Sagen um 1900, in:
Badische Heim at 54 (1974), S. 363—374.
27) Badisches W örterbuch, bearbeitet von Emst
Ochs, Band I, Lahr 1925/1940, Vorwort.
28) Zuerst bei Emil Schmitt, Sagen, Volksglaube,
Sitten und Bräuche aus dem Baulande (Hettingen), Beilage zum Programm der H öheren M äd­
chenschule zu Baden-Baden für das Schuljahr
1894/95, S. 5 f.
29) Handschrift im Besitz der Arbeitsstelle des Ba­
dischen Wörterbuches an der Universität Freiburg
1.Br.; eine Fotokopie im Besitz des Verfassers.
30) Augusta Bender, Auf der Schattenseite des Le­
bens. Jugendgeschichte einer Autodidaktin, Ba­
den-Baden 1913, S. 29. Vgl. dazu die Kinder- und
Hausmärchen der Brüder Grimm, Nr. 80. — Auch
alle Ortsgeschichten, die seit den 1890er Jahren
erschienen, enthielten nun einen Abschnitt über
den „Volksdialekt“ (vgl. schon J. Berberich, Ge­
schichte der Stadt und des Amtsbezirks Tauber­
bischofsheim, ebenda 1895, S. 174 f.) und M und­
artproben, die gelegentlich als längeres geschlosse­
nes Textstück erscheinen. Vgl. etwa John Gustav
Weiss, Geschichte der Stadt Eberbach am Neckar,
2. Aufl. Eberbach 1927, S. 452.
31) Heiligs sprachkundliche Arbeiten finden sich —
wie auch diejenigen anderer fränkischer Autoren
— verzeichnet bei Gerhard W. Baur, Bibliographie
zur M undartforschung in Baden-W ürttemberg,
Vorarlberg und Liechtenstein (= Idiomatica, 7),
Tübingen 1978.
32) Leipzig 1898 als Band 5 der „Sammlung kurzer
Grammatiken deutscher M undarten“, hrsg. von O.
Brenner. Ein fotomechanischer Nachdruck kam in
Wiesbaden 1969 heraus.
33) Otto Heilig, Josef Dürr. Ein neuer badischer
Dialektdichter (= Vom Bodensee zum Main, 5),
Karlsruhe 1920, S. 1.
34) Vgl. Emil Baader, Hans Anton Sack. Kalender­
mann und M undartdichter aus dem Taubergrund,
in: Badische Heimat 39 (1959), S. 58—60; Oeftering (wie Anm. 21), S. 132.
35) Hans Anton Sack, Die Herbergssuche, ein
Weihnachtsspiel, in: Mein Heimatland 14 (1927),
S. 212-216.
36) Oefiering (wie Anm. 21), S. 169. Gedichte
Krafts siehe u.a. in: Badische Heimat 20 (1933),
S. 104, 281.
37) Karl Hofmann, Lieder und M ären aus dem
Frankenland, Wertheim 1910; ders., Frankenland
. . .! Lieder und Balladen, Karlsruhe 1932; ders.,
Dehaam is dehaam. Gedichte in der M undart des
Umpfergrundes, Heidelberg 1938. Zu Hofmann
vgl. Oeftering (wie Anm. 21), S. 132.
38) Vgl. Busse (wie Anm. 2), S. 15 f.
39) Rudolf Weber, Krauthemer Sprüch. Gedichte
in Krautheimer M undart, Buchen 1927.
40) A dolf Weber, Gedichte und Prosas, Fahrenbach
1965.
41) Gedichte in rheinfränkischer (pfälzer) und ost­
fränkischer M undart, in: Mein Heimatland 14
(1927), S. 202—205. Die Sammlung enthält Ge­
dichte von Adolf Weber, Karl Hofmann, Josef
D ürr, Karl Reichert, Wilhelm Kraft und Hanns
Glückstein (Mannheim).
42) Franz Döhner, Heckenrosen. Bauern-Humor
aus dem badischen Frankenlande, W ertheim o.J.
(1949). — Es sei außerdem auf Anton Wittemann
(Buchen), Rosa Bechtold (Götzingen) und Hanne
Assion-Bausback (Walldürn) verwiesen. Im benach­
barten bayerischen Odenwald und am Untermain
machte sich Fritz Ehescheid (Amorbach) einen an­
erkannten Namen als humoristischer M undart­
dichter. Siehe dessen Gedichtbändchen: D er la­
chende Odenwälder, Amorbach 1949; D er la­
chende Odenwald, Amorbach 1958.
411
N aturschutz
W är’s immer Sonneschein, nord giengt’s
Bei manche Knospe schiefer,
D ie dähte ’s Opfer werre von
Gar manchem Ungeziefer.
E hißle trüb als, deß schad nix;
E G ’w itter duht die Blüte,
D ie junge, w ann-se’s auch verzaust,
Vor Ungeziefer hüte.
Naturschutzg’s etze macht der Mensch
For Sommer un fo r W inter,
Der liewe Gott, nach seinre A rt
Sorgt der fo r seine K inder!
Fritz Röm hildt-Rom eo
(Aus: „Schwertlilie“)
412
Romeo — Fritz Römhildt,
der,Klassiker' der Karlsruher Dialektdichtung
Er streute Juckpulver in die Fächerstadt
H ubert Doerrschuck, Karlsruhe
Pünkdich jeden Freitag — es w ar anfangs der
D reißiger Jahre — lieferte er auf der R edak­
tion in der Jollystraße das handgeschriebene
M anuskript seiner W ochenendplauderei in
K arlsruher M undart ab, der ,D ogd er D id ­
ier“, dam als schon ein alter H e rr m it ange­
grautem V ollbart, sehr schlank, unauffällig,
beinahe diskret und ohne viel W orte zu ver­
lieren, im äußeren Erscheinungsbild und in
der stillen Schlichtheit seines W esens so gar
nicht der volkstüm liche H um orist, als der er
den K arlsruhern seit vielen Jahrzehnten
schon galt, eher ein Poet, liebensw ürdig und
gelassen, m it einem W ort: lächelnde A lters­
weisheit.
Uns eben Zw anzigjährigen, die w ir m it A n­
fängereifer begierig die uns alles verheißende
R edaktionsluft schnupperten, erschien er wie
eine G estalt aus der V ergangenheit, der wir
selbstverständlichen R espekt entgegenbrach­
ten. Schließlich w aren w ir m it seinen M usen­
kindern aufgew achsen, K arlsruher M usen­
kinder w ohlgem erkt, die nicht nach dem
Parnass strebten, aber doch w ohl im badi­
schen G reifenhim m el, der zw ischen Frauenalb und M axau nicht ganz so hoch ist, gut
aufgehoben w aren.
W enn da von der R edaktion in der Jolly­
straße die R ede ist, so klingt das ein bißchen
hochtrabend, denn aus m ehr als einem Zim ­
m er mit drei Schreibtischen bestand diese pu­
blizistische B rutstätte nicht. M it der T ü r fiel
einer gleich dem ,C hefredakteur“ in die
H ände. D er „R esidenz-A nzeiger“ w ar ja
auch nur eine kleine Z eitung. W as sie jedoch
von den dam als noch bestehenden acht (!)
anderen K arlsruher T ageszeitungen unter­
schied, das w ar ihre persönliche Färbung, ein
beinahe fam iliäres V erhältnis zu ihren Le­
sern, geprägt von drei eigenw üchsigen P er­
sönlichkeiten, dem C hefredakteur Julius
Beeser, einem streitbaren Liberalen, der gern
und oft ins kom m unalpolitische W espennest
stach, dem K ulturpolitiker und T heaterkriti­
ker A dam R öder, dessen Pseudonym
„M onti“ w eithin über Baden hinaus G eltung
hatte, und eben unserem ,D ogd er D iftler“,
dessen W ochenbrief in der Sam stagausgabe
K arlsruher Ereignisse hum orvoll w itzig glos­
sierte. V on allen dreien w ar er der populär­
ste, eine K arlsruher Institution geradezu,
und hat m it seiner G ew itztheit, wie er den
Briganten aufs gutm ütig lästernde M aul
schaute, am m eisten dazu beigetragen, daß
m an zum indest am Sam stag den „Resi“ lesen
m ußte. D ieser D iftler streute Juckpulver in
die Fächerstraßen, und ganz K arlsruhe
schm unzelte, auch ,G roßherzog’s“ im
Schloß, solange es sie noch gab.
„Juckpulver“ w ar denn auch einer der T itel
seiner beinahe jährlich erscheinenden G e­
dichtbände, m it denen er zum ,K lassiker“ der
K arlsruher D ialektdichtung gew orden ist,
freilich nicht als D iftler, denn die spötteln­
den R andbem erkungen zum Tagesgeschehen
w aren für ihn nur eine, w enn auch reizvolle
N ebenbeschäftigung, sondern als — Rom eo.
U nd w enn er auch m it dem Titelhelden des
Shakespeare-D ram as nichts gem ein hatte,
zum indest nicht das Schm achtende und das
Außersichsein des von der Liebe G etroffe­
nen, so hat er doch, wie der unsterbliche
Liebhaber das T heaterpublikum , gleicherm a­
ßen alle B rigantenherzen erobert, ein K arls413
cherm aßen m it der M usik hatte es sein älte­
ster Sohn A dolf R öm hildt (1853—1934),
K aufm ann und K onzertsänger, ein Freund
Felix M ottls und begeisterter A nhänger R i­
chard W agners. D as M usische, das sich in
der Familie so gut m it unternehm erischer T ä ­
tigkeit verband, vererbte sich auch auf den
jüngeren B ruder A dolfs, auf Fritz R öm hildt
(1858—1933), K aufm ann und D ichter also,
indessen als G ründer einer Furnierfabrik in
der Sophienstraße, w o heute die LessingSchule steht, doch m ehr ,Faw rikant‘, wie er
sich selbst einmal titulierte.
Romeo, Fritz Römhildt
ruher R om eo, um den niem and w einte, weil
er alle zum Lachen brachte, was ja auch viel
beköm m licher ist. W ie er auf das D ichter­
pseudonym R om eo kam , w eiß m an nicht
m ehr, vielleicht als A bw andlung seines ei­
gentlichen N am ens: Fritz Röm hildt.
D ie Röm hildts galten etwas in der badischen
R esidenz, seit jenem Johann H einrich C hri­
stian R öm hildt (1726—1800), der, aus M ei­
ningen kom m end, 1750 als Steinhauerm ei­
ster in D urlach seßhaft gew orden w ar. V on
drei E hefrauen hatte er 23 K inder. Das
zw anzigste unter ihnen, der Sohn Johann
Gabriel (1781—1860), kam schon im neuge­
gründeten K arlsruhe zu r W elt und brachte es
als H ofschlosserm eister zu W ohlstand und
R atsherrenw ürde. Auch der nächste R öm ­
hildt in der G enerationenfolge, A dolf H ein­
rich R öm hildt (1826—1891), an den als Lan­
desschützenm eister auf dem Schützenhaus
im H ardtw ald ein D enkm al erinnert, m achte
sich als S tadtrat um K arlsruhe verdient, vor
allem als Präsident der M usikbildungsanstalt
um das m usikalische Leben der Stadt. Glei­
414
R om eo hat also nie von seinen M usenkin­
dern leben müssen, ebensow enig wie sein
Freund H einrich V ierordt, auch er, weil aus
reichem B ürgerhaus, ein Poet aus Liebhabe­
rei. Eine solche existenzielle Sicherheit ge­
w ährleistet natürlich U nabhängigkeit, befreit
auch vom Zw ang, produzieren zu müssen.
U m so erstaunlicher Rom eos „Lebensw erk“,
zw anzig handliche Bändchen, alle in m ehrfa­
cher Auflage, zum einen ein sprechender Be­
weis dafür, daß ihn die heim ische M use nicht
nur gern und im m er w ieder geküßt hat, zum
anderen die B estätigung, wie gut er bei seiner
Leserschaft ankam , wie beliebt er w ar, als
A utor wie als V o rtrag ender seiner eigenen
Verse. A uch Leute, die für gew öhnlich kein
Buch zu H and nehm en, es sei denn das
Scheckbuch oder das T elefonverzeichnis,
den R om eo kannten sie alle; er gehörte sozu­
sagen zu r Familie. So konnte er auch schon
zu Lebzeiten sein eigenes ,D enkm al“ feiern,
was doch nur w enigen D ichtern beschieden
ist, als näm lich am 14. Juli 1914 auf einem
W aldw eg im Albtal zw ischen Frauenalb, dem
Som m ersitz R öm hildts, und H errenalb die
„R om eo-R uhe“ eingew eiht w urde, eine Sitz­
bank auf einem Steinblock, errichtet vom
Schw arzw aldverein. N atürlich hat R om eo
auch darüber launig berichtet:
G ar m ancher D ichter, der w erd g ’ehrt,
D och duh t er’s net erlewe.
Sie duhn em ’s D enkm al m eischdendheils
Bis nach seinm D od uffhewe.
D a lob ich m ir e’ D enkm al, wie
Se neilich m ir ein’s g’w eiht henn,
M it dem die H erre vom V erein
V om Schw arzw ald mich erfreut henn.
D o w ar ich w enigschtens dabei
U n d weiss die E hrung z ’schätze
U nd kann mich doch bei Lebzeit jez
Schon uff mei D enkm al setze.
D och net n o rr ich, a D am e, w o
V om Schteige schw itze,
D ie ruhe sich dort aus und duhn
A uf m ein’re E hrung sitze.
U rsprünglich ist R om eo m it reiner Lyrik an
die Ö ffentlichkeit getreten, w enngleich auch
schon zu A nfang m it hum orvoll satirischem
Einschlag, etw a „H um oristische G edichte“
(1890), doch erst als er sich der D ialektpoe­
sie zuw andte, kam der D urchbruch. O ffen­
sichtlich hat er anfänglich selbst nicht so
recht geglaubt daran, liest m an sein G edicht
„D ’K arlsruher M und art“ :
W as hab ich für mei M utterschprach
Schon scharfe Lanze broche
U nd m anchem fade, blinde Hess
D en Schtahr im A ug drinn g’schtoche.
Des w ar e G ’schäft, denn D ialekt
In d ’G sellschaft einzuführe,
W ie m anchm al sinn m ir g’schtanne als
V o r g’schlossene Salondüre.
Schtatt dass m er schtolz a uff e K ind,
W o d’V aterschtadt erzeugt hat,
D o hat m er d ’N as g’rüm pft, w o ich m it
M eim Schützling mich gezeigt hab.
Sprachlehrgang betitelte, w äre R om eo ein
L okaldichter unter anderen geblieben,
m undartlich w urde er der R om eo! Indem er
dichtete, wie dem K arlsruher der Schnabel
gew achsen ist, erhielten seine V erse ihre u r­
sprünglich durchschlagende Färbung, ge­
w annen sein H u m o r V olksnähe und seine
Pointen das K urz und Bündige. W ie schlag­
fertig reagiert in „D ’Seelemess“ die resolute
W itw e doch auf die M ahnung des Kaplans,
der Seelenm essen für ihren V erstorbenen
nicht zu vergessen:
Ach, sagt die W itw e, H e rr K aplan,
Ich hab e’ gutes G ’wisse,
M ei M ann w erd in der H öll doch net
Jetzt ewich brotzle miese.
W eit iw er 1000 M ark hab ich
For d ’M esse jetz schonn gewwe,
U nn dofür sollt mei arm er M ann,
Schonn lang im H im m el lewe.
Ja, sagt der H e rr K aplan, er isch
Em m H im m el schonn verschriew e,
N o rr m it die Füss, do isch er halt
N och in der H öll drinn bliewe.
E ’ so e’ g’sunde M ess vielleicht,
D ie kennt enn vollscht erlöse!
D och leider isch die W itw e nett
M it eiverschtanne g’wese.
Sie sagt, H e rr Pfarrer, duhn se jo
N e t vor mein M ann m ehr bitte,
E r hat bei Lebzeit alleweil
A n kalte Füss schon g’litte.
So rechte gute w arm e Füss,
Dess duht m ei’m M ann behage.
W enns O w w erdheil schonn seelisch isch
H enn d’Füss net viel zu sage!
H ier irrte R om eo! Im H andum drehen, sa­
lopp ausgedrückt, bejubelten die K arlsruher
seine Schützlinge und w aren stolz auf ihren
M undartdichter, der das Erbe der K arlsruher M an sieht, R om eo und K arlsruher M utter­
D ialektpoesie von C hristoph V orholz, dem w itz sind identisch.
B äckerm eister, dem D urlacher Ludw ig Eich­ G reift m an hinein ins pralle D ichterw erk, so
ro d t und dem V erleger Friedrich G utsch zeigen viele T itel wie „Pfefferkörner“,
w eitergeführt und, das darf m an w ohl sagen, „S’Spanisch R öhrle“, „Senfpflaschter“, „G ril­
zu einsam er H öhe gebracht hat. O hne sich lefänger“, „H ypochondergift“ oder „Sorge­
dem „B rigandedeutsch“ zuzuw enden, die brecher“ die Lust, den m enschlichen U n zu ­
K urt K ranich seinen K arlsruherischen länglichkeiten im Privaten wie in Am t und
415
W ürden m it ironischem Spott zuleibe zu rükken, die anderen „L euchtkugle“, „T anne­
nadle“, „T autro pfe“, „W aldm eischter“, „Albtal-D ischtle“, „Sonneblum e“ oder „H erbst­
blum en“ seine N aturliebe und das G em üt­
hafte in ihm , aber nichts gerät ihm ins Senti­
m entale, ebensow enig wie ins Pathetische,
gelegentlich allerdings ins Langatm ige, aber
im m er bleibt er der schm unzelnde C hronist
von M enschenunarten und U narten der Z eit­
läufte, einer, der kein B latt vor den M und
nim m t, und doch nie verletzend. Sein Sinn­
spruch für „Pfefferkörner“ verrät etwas von
seiner gem ütlichen Spottsucht:
Ich hab’s zw ar P fefferkörner dauft,
D och will es nix beweise,
S’isch Pfeffer drin, doch braucht m er jo
N e t glei uff d’K örner z ’beisse!
U nd eines späteren Tages erhält er auch den
üblichen O rden.
D er M erw er isch nord in d ’A udienz
Ins R esidenzschloss gange.
D er G rossherzog, der hat enn glei
M it H uld unn G nad em pfange.
U nd hat enn g’fragt, was s’Rechle m acht
U nn ob er nix hatt z ’klage
N o rd fragt er’n noch, w arum er dann
D enn O rde net däht trage?
Sie henn gut rede H oheit, dess?
Dess däht mei Frau net leide.
D enn tragsch du nom m e, hat se g’sagt,
Bei b’sond’re G ’legeheite!
Die andere Lieblingsfigur R om eos kom m t
von außerhalb, näm lich die Baas von Brette,
eine rundum handfeste T ochter des Unheils
beinahe, denn im m er w enn die Baas m it ih­
rem geräucherten Schinken als W egzoll und
ihrem H an g zum M ondänen in den Fächer­
straßen auftaucht, ereignen sich K atastro­
phen, burleske natürlich. O hnehin hat es R o­
meo gern m it der Situationskom ik, aus der er
schadenfrohes G elächter schöpft. U nd dann
ist da noch die ,D an de‘ von D urlach, eine
E rbtante, weshalb m an ihr m it M aßen höf­
lich begegnen m uß, aber eben doch eine, für
die ,di H öll zu gut w är‘. O hnehin reibt sich
R om eo gern an den D urlachern, den ,Letschebacher“, w enn er in der B iographie des
alten M arkgrafenstädtchens zu dem R esultat
kom m t:
D as ist es, das G em ütliche. W ie es dem w ei­
chen, beinahe knochenlosen K arlsruher D ia­
lekt aneignet, so ist es auch versöhnlicher
Teil des K arlsruher H um ors. U nd darauf
verstand sich R om eo, w enn er seine L okal­
helden, den M erw er und den K arle Ochs
auftreten läßt und sie durch die Unbill des
Alltags und die Fährnisse des Ehelebens
führt, denn dem M erw er seine M adleen ist
ein ,M onschtrum ‘ und dem O chs sei Rösle ,e
derre H ex“. Im m er sind sie in Schw ulitäten,
mal verfeindete Freunde, mal K um pane
durch dick und dünn, und im m er w ieder ge­
w innen sie Land, K arlsruher O riginale, in
denen sich die Briganten selbst erkennen.
R echt gern flicken sie dabei ihren Beam ten D er M elac h at’s dann abgebrannt
am Zeug. So auch R om eo in der „O rdens- Bis uff de letschte Pfeiler,
A udienz“ :
S’w ar alles hin, n o rr eins w ar g’sund
U nd dess sinn ihre M äuler!
D er M erw er duh t als R echnungsrat
Sei Pflicht im Schtaat wie jeder.
W eit drastischer noch beschw ört er die ge­
W ie nord s’G edächtnis nachg’lasst hat
genseitige Rivalität unter der alten und
— Dess duht’s ja g’w öhnlich schpäter,
neuen R esidenz im „V erdienten H im m el“,
w enn eine K arlsruher Seele an die H im ­
U nns s’rechle nim m e gange isch
m elspforte klopft, von Petrus indessen auf
D o hat m er dess erörtert
die H ölle verwiesen w ird, w o erst einm al die
U nn ihm zum O w w errechnungsrat
Sünden abzubüßen seien. D a w ehrt sich die
arm e Seele:
W ie’s üblich isch befördert.
416
Ich hab bei G ott schon g’nug gebüsst,
D erf ich denn nie genese!
Ich hab e Fraa von D urlach g’habt,
V on D urlach isch se g’wese.
D a packt selbst den Petrus m itfühlendes E r­
schrecken und er läßt G nade w alten:
K om m rei du arm e Seel, n orr schnell,
M ir heile deine W unde.
D enn w enn dei Fraa aus D urlach isch,
H asch d’H öll schon üw w erw unde!
Ü brigens gehört auch dieser Petrus als
W ächter des Paradieses zu des D ichters
Lieblingsfiguren. G ern und oft läßt er ihn
auftreten, recht irdisch gesehen, ein H eiliger
m it m enschlichen Schw ächen, als ob er E h­
renbürger von K arlsruhe wäre.
Soweit das feste ,Ensem ble“ im K arlsruher
Szenarium . An seinem T em peram ent, an sei­
nen Schrullen und R eaktionen brechen sich
die G eschehnisse im U m kreis der Fächer­
stadt. W er heute in R om eos B ändchen blät­
tert, erfreut sich nicht nur kurzw eilig schlag­
fertiger V erse, er blättert zugleich in einer
vergnüglichen C hronik lokaler B egebenhei­
ten, nicht gerade eine C hronique scandaleuse, aber doch einer spottlustigen. N ichts
in der alten großherzoglichen R esidenz bis
hin zu r W eim arer R epublik hat dieser T ages­
poet ausgelassen, w enn er m einte, er müsse
kleine und große Sünden auf die H ö rn er
nehm en. H eutigen ist es ein lieber Rückblick
ins K arlsruher Fam ilienalbum , auf die
H irschbrücke, die kein W asser überspannt,
auf den K eram ikkam in des V ierordtbades,
die ,K arlsruher Siegessäule“, auf die lästige
Bahnschranke am M ühlburger T o r, auf den
G estank der ,G asfabrik“ in der Kaiserallee,
auf den .fürstlichen“ G efängnisbau in der
R iefstahlstraße, dem ,G aunerpalais“, auf das
Lebensrisiko einer F ahrt m it dem ,Albtalbähnle“, auf Stürzenackers neuen H au p t­
bahnhof ohne die Ö rtlichkeit „für dringende
Bedürfnisse“, auf M oningers ,Bierpalais“, auf
dem ,W eiss und Kölsch sei Schtrum pfpallascht“, auf den Jugendstilbau der Internatio­
nalen A potheke, den ,D rachenbau“, auf das
G ezeter um die nackte Stephanie hinter der
H auptpost, um rundet von den steinernen
H o noratioren , denen beim Anblick der
Schönen das W asser im M und zusam m en­
läuft, auf das Strandbad R appenw örth, auf
den D am m erstock natürlich und auf die
M arktplatzpyram ide, der R uhestätte des
Stadtgründers M arkgraf K arl W ilhelm , als
m an der eine unterirdische B edürfnisanstalt
angefügt hat:
Jetzt kom m t der Schwam m in d ’ Pyram id
U nd er w ird schliesslich schimmlich.
Ereignisse und G estalten. A ugenzw inkernd
läßt R om eo sie Revue passieren. Niem als
scheut er sich, das K ind beim rechten N am en
zu nennen und ungeniert die K arlsruher P ro ­
m inenz, die er so gern vom Postam ent her­
unterholt, agieren zu lassen. U nverkennbar
hat er sie festgehalten, vertraute G estalten,
die O berbürgerm eister, K arl Schnetzler
(1892 -1 906), K arl Siegrist (1906 -1 919), Ju ­
lius Finter (1919—1933), Stadträte, den
,B ier-H öpfner“, Ä rzte, H andw erksm eister,
M arktfrauen, D ienstm ädchen, den Schüt­
zenverein und den Liederkranz. U nd dann
natürlich die ,K intschler“: H ans T hom a, W il­
helm T rübner, Ludw ig Dill, G ustav Binz,
H erm ann Billing oder die U nvergessenen des
T heaters am Schloßplatz, den Intendanten
H anns W aag, G eneralm usikdirektor Josef
K rips, den K onzertm eister O th m ar V oigt,
von der O p er die M ailhac und die Friedlin,
Fine R eich-D örich, M ax B üttner, W ilhelm
N entw ig, vom Schauspiel M elanie E rm arth,
M arie G enter, Paul M üller, H u go H öcker,
um nur einige zu nennen.
Für die alten K arlsruher sind die N am en
liebevoll gehegte E rinnerungen, für die Ju n ­
gen launige B egegnungen, die sie etwas ah­
nen lassen vom K arlsruher genius loci und
der guten alten Z eit, von der m an w eiß, daß
sie gar nicht so gut gewesen ist, wie sie unser
Z urückdenken erklärt. D ie badische Resi­
denz wie sie w ar zw ischen 1890 und 1933,
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Lebensart und A tm osphäre, bei R om eo ist al­
les belustigendes Ereignis.
Am 7. D ezem ber 1933 ist Fritz R öm hildt ge­
storben. N icht ganz fünfzig Jahre nach sei­
nem T o d, 1981, hat es der K arlsruher V erlag
G. Braun auf A nregung D r. E berhard K nit­
tels unternom m en, eine zw eibändige Aus­
w ahl aus 20 längst vergriffenen G edicht­
bändchen R om eos herauszubringen (Fritz
R om eo’s Juckpulver. Ausw ahl aus seinen
V ersen in K arlsruher M undart. G. Braun,
K arlsruhe. 2 Bände in Kassette. 224 Seiten).
Es ist D ank an einen Lokalpoeten, an dessen
gereim tem H u m o r seine K arlsruher ein
M enschenleben lang ihren Spaß hatten, zu ­
gleich W iederentdeckung eines M und art­
klassikers, befähigt wie kaum ein anderer,
das K arlsruherische in C harakter und W esen
aufzuspüren und auszuloten.
Norr net philosophiere.
Ich hab schon oft gedenkt, der w o
D ’N atu r will recht schtudiere,
D er soll net Philosoph sein, deß
D u ht zu nix G utem führe.
Ich grüß den dunkle T annew ald,
W as soll dann mich deß küm m re,
O b die m ir aus dem T anneholz
M ein’ Sarg e’mal duhn zim mre.
Ich seh die R os so, wie-se blüht,
Ihr D uft isch mei’ E ntzücke,
U n duh net glei’ die H agebutt
Zum voraus schon erblicke.
U n w ann die Schwalwe in e Land,
E fernes, w eiter ziehe
U n d’H erbschtzeitlose, blätterlos,
Als letzschte Blum duh t blühe,
Ich hör im Schlag der N achtigall
E Lied, deß w o m ir dheier,
U n denk net, w ann-se schweige duht:
Jetzt legt-se ihre Eier.
D eß m acht m ei’ H erz net schwer,
m er braucht
N et glei’ der W inter z ’sehe,
Im G egedheil, ich schw ing m ein’ H u t
U n ruf: auf W iedersehe!
U n w ann-e Amsel singt, da bin
Zu T räne ich kapabel
U n denk net an die W ürm er,
die-se sucht m it ihrem Schnawel.
M ich freut en Schm etterling, der wo
Die Blume duh t begrüße,
W ann der als R aup’ auch früher hat
Am Bode krieche mieße.
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E n-so-en Philosoph, der sieht
Am H afe n orr die Scherwe;
Ich laß durch Philosopherei
M ei’ Freud m ir net verderw e!
Fritz R öm hildt

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