HRT – quo vadis? Gibt es eine Alternative zur HRT?

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HRT – quo vadis? Gibt es eine Alternative zur HRT?
KLIMAKTERISCHE BESCHWERDEN
Gibt es eine Alternative zur HRT?
Dolores Foth
Viele Frauen mit Wechseljahresbeschwerden fragen nach Alternativen zur HRT, weil sie keine Hormone verwenden möchten oder
dies wegen Kontraindikationen nicht dürfen. Doch was kann von
den angebotenen Präparaten tatsächlich erwartet werden?
Durch Estrogenmangel bedingte klimakterische Beschwerden wie z.B. Hitzewallungen und Schweißausbrüche
können durch eine Estrogen- (ERT) oder
Estrogen-Gestagen-Substitution (HRT)
effektiv behandelt werden. In einer
Metaanalyse von 21 randomisierten,
doppelblind und plazebokontrolliert
durchgeführten klinischen Studien
(Cochrane Group) konnte für eine ERT
und HRT eine signifikante Reduktion
der Schwere und Frequenz von Hitzewallungen im Vergleich zu Plazebo gezeigt werden. Insgesamt sank die Häufigkeit von Hitzewallungen um 77%
und die Schwere um 87% im Vergleich
zu Plazebo. Gerade für ausgeprägte kli-
makterische Beschwerden steht heute
keine in ihrer Effektivität gleichwertige Therapie zu Verfügung (1, 2).
Seit Jahrzehnten wird nach hormonalen und nichthormonalen Behandlungsalternativen gesucht. Die Palette der angebotenen Nahrungsergänzungsmittel und anderer nicht
rezeptpflichtiger überwiegend pflanzlicher Präparate für die Selbsttherapie klimakterischer Beschwerden
nimmt stetig zu. Dazu gehören z.B.
Präparate, die Isoflavone, Cimicifuga
racemosa, Nachtkerzenöl, Ginseng, Kava Kava, Dong Quai, Yamswurzel, Hopfen oder auch Vitamin E enthalten.
FORTBILDUNG + KONGRESS
HRT – quo vadis?
Die Wirksamkeit dieser Therapien muss
an der bewiesenen Effektivität einer
ERT/HRT gemessen werden.
Isoflavone
In Deutschland werden zunehmend
Nahrungssupplemente mit Phytoestrogenen aus Soja and Rotklee angeboten. Phytoestrogene sind pflanzliche Substanzen, die selbst oder nach
Verstoffwechselung die Wirkung von
endogenen Estrogenen nachahmen
oder modellieren können. Sojabohnen und Rotklee enthalten mehrere
Isoflavone, eine wichtige Substanzgruppe der Phytoestrogene, die durch
alkoholische Extraktion aus der Pflanze gewonnen werden.
Die Bindungsfähigkeit von Isoflavonen zum klassischen ER-α ist gering,
sie besitzen jedoch eine hohe Bindungsaffinität zum ER-β. Funktionell
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können Phytoestrogene in Abhängigkeit von ihrer Konzentration, der
Konzentration der endogenen Hormone und dem spezifischen Endorgan estrogene und antiestrogene Eigenschaften entfalten. Zahlreiche Wirkungen werden aber auch rezeptorunabhängig vermittelt. Interessant
ist insbesondere die antioxidative Wirkung von Isoflavonen.
Vorliegende Studien sind schwer vergleichbar, da die Supplemente in ihrer Zusammensetzung variieren, mit
der Isoflavonsupplementation eine
Substanzgruppe und kein einzelner
Wirkstoff zugeführt wird und zusätzlich der Metabolismus individuell verschieden und heute vor Therapie nicht
objektivierbar ist.
Es gibt zahlreiche Untersuchungen zur
Behandlung von Wechseljahresbeschwerden mit Isoflavonen. Die Ergebnisse der Studien sind uneinheitlich und größtenteils nicht vergleichbar, da Zusammensetzung der Supplemente, Patientinnenauswahl und
Studienqualität variieren. In etwa einem Viertel der plazebokontrollierten
Studien konnte eine über den Plazeboeffekt hinausgehende Wirkung gezeigt werden. Insgesamt entsprechen
jedoch nur wenige der vorliegenden
Studien zu Isoflavonen und vasomotorischen Beschwerden den US-FDAEmpfehlungen für HRT-Studien. Studien, die diesen Kriterien entsprechen,
zeigen in Dosierungen zwischen 50
und 100 mg Isoflavonen/d eine über
den Plazeboeffekt hinausgehende Reduktion vasomotorischer Symptome
(s. Tab. 1).
Die Wirkeffektivität entspricht nicht
der einer Hormonersatztherapie. Von
der North American Menopause Society werden Isoflavone als Behandlungsoption für leichte klimakterische
Beschwerden empfohlen. Für den individuellen Fall kann die Effektivität
nicht vorausgesagt werden. Durch Estrogenmangel verursachte urogenitale Symptome wie z.B. Trockenheit der
Scheide können durch Isoflavone
nicht gebessert werden (1, 3–8).
Cimicifuga racemosa
Cimicifuga wird in der Praxis seit vielen Jahren zur Reduktion klimakterischer
Beschwerden eingesetzt. Die eigentlich
wirksame Substanz von Traubensilberkerzenextrakten ist bis heute nicht
endgültig identifiziert. In einigen der
vorliegenden plazebokontrollierten Studien konnte eine signifikante Überlegenheit gegenüber Plazebo gezeigt wer-
den. Mit Cimicifuga-haltigen Präparaten bestehen klinische Erfahrungen über
viele Jahre, Nebenwirkungen wie Magenbeschwerden treten selten auf. Bei
leichten vasomotorischen Beschwerden
und Therapiewunsch ist der Versuch einer Behandlung mit Cimicifuga-haltigen Präparaten möglich. Eingesetzt wird
Cimicifuga als isopropanolischer Extrakt
in der Dosierung von 40 mg Droge/d
(1, 9–11).
Weitere pflanzliche
Therapien/Vitamin E
Für weitere pflanzliche Therapien liegen nur einzelne Beobachtungen oder
Studien vor. Für Nachtkerzenöl (Oenothera biennis), Ginseng (Panax ginseng), Kava Kava (Piper methysticum), Dong Quai (Angelica sinensis),
Yamswurzel (Dioscorea mexicana) und
Hopfen konnte kein Effekt auf vasomotorische Beschwerden nachgewiesen werden (1, 12, 13).
Auch Studien mit Vitamin E zeigen
keine relevante Besserung klimakterischer Beschwerden (12, 13).
Nichthormonale Therapien
Für Patientinnen mit Kontraindikationen gegen eine hormonale Thera-
Isoflavone und Hitzewallungen: Auswahl klinischer Studien
Albertazzi
1998 (5)
Upmalis
2000 (6)
Faure
2002 (7)
Han
2002 (8)
n
Alter
Jahre
Dosierung
Isoflavone
mg/d
12
104
45–62
76
45
31
<0,01
R, DB, PC
12
177
55
50
28
19
0,03
R, DB, PC
16
75
54
70
61
21
<0,01
R, DB, PC
16
82
45–55
100
27
1
<0,01
Studiendesign
Dauer
Wochen
R, DB, PC
Tab. 1: Ergebnisse einiger klinischer Studien zur Beeinflussung von Hitzewallungen durch Isoflavone.
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Abnahme von Hitzewallungen
Verum Plazebo
%
%
p
pie klimakterischer Beschwerden wie
z.B. Patientinnen mit Mammakarzinom kommen folgende Substanzen
zur Reduktion vasomotorischer Beschwerden in Frage:
n SRI (serotonin reuptake inhibitors): Paroxetin, Fluoxetin,
Venlafaxin;
n Antikonvulsivum: Gabapentin;
n Antihypertensiva: Clonidin,
Methyldopa.
Für SRI konnte in kontrollierten klinischen Studien ein guter therapeutischer Effekt auf vasomotorische Beschwerden gezeigt werden. Unter Venlafaxin z.B. werden Hitzewallungen
schnell innerhalb von ein bis zwei
Wochen reduziert. Häufig treten jedoch Nebenwirkungen wie Übelkeit,
Obstipation, Mundtrockenheit und Appetitlosigkeit auf. Unter Paroxetin
wurden Wechselwirkungen mit Tamoxifen beobachtet, die zu einer Konzentrationsminderung der Tamoxifenhauptmetaboliten führen, so dass
Fragen der Anwendungssicherheit bei
Patientinnen mit Mammakarzinom
noch nicht endgültig beantwortet
werden können.
Über welchen Mechanismus Gabapentin auf Hitzewallungen wirkt, ist
noch nicht genau bekannt. In Studien wurde eine signifikante Reduktion vasomotorischer Beschwerden
bei guter Verträglichkeit gesehen. Beobachtete Nebenwirkungen waren
Schwindel und Ödeme.
makarzinom und nicht ausreichendem
therapeutischen Effekt alternativer
Therapien.
In der Beratung von Frauen mit klimakterischen Beschwerden sollte stets
auch der Lebensstil Beachtung finden. Zu den allgemein zu empfehlenden Maßnahmen gehören die Reduktion von Kaffee- und Nikotinkonsum
sowie geeignete Kleidung und Meidung von Wärme, außerdem Bewegung, Entspannungsübungen und eine ausgewogene gesunde Ernährung.
Literatur
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placebo-controlled study. Menopause 9
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13. Huntley AL, Ernst E:. A systemic review of
herbal medicinal products for the treatment of menopausal symptoms. Menopause 10 (2003) 465–476.
14. Mueck AO: Zustand nach Mammakarzinom: Unter welchen Bedingungen kommt
eine HRT in Frage? Hormone 18 (2005)
1–4.
Autorin
FORTBILDUNG + KONGRESS
HRT – quo vadis?
PD Dr. Dolores Foth
Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe der
Universität zu Köln
Kerpener Straße 34
D-50931 Köln
Tel. +49 221 4783818
Fax +49 221 4786729
E-Mail [email protected]
Für o.g. Antihypertensiva ist der Effekt auf klimakterische Beschwerden
gering bis teilweise fehlend. Für beide Substanzen sind zusätzlich die bestehenden Kontraindikationen zu beachten (1, 14).
Nichthormonale Therapien haben ihren Stellenwert in der Behandlung
schwerer klimakterischer Beschwerden bei Kontraindikation gegen eine
ERT oder HRT insbesondere bei Mam-
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