No Home for Blixt Die Geburt des Power Trios Das

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No Home for Blixt Die Geburt des Power Trios Das
No Home for Blixt
Die Geburt des Power Trios
Das Power Trio ist keine genuine Erfindung des Jazz. Es ist viel mehr eine Antwort
des Rock auf den Jazz gewesen, die vom Jazz sofort wieder aufgegriffen wurde. Im
ersten Teil seines Artikels wagt Wolf Kampmann einen Rückblick auf die 1950er- bis
’70er-Jahre, als sich aus der kammermusikalischen Trio-Besetzung im Jazz das
(zumeist) Gitarren-Rock-Trio entwickeln sollte.
Ursprünglich war das Trio eher ein Format der Kammermusik, das in den 1940erJahren vom Jazz großflächig übernommen wurde, um im Kontrast zur Big Band
filigrane Arbeit am Instrument im kammermusikalischen Sinn an den Tag zu legen,
bevorzugt in der Konstellation von Piano, Bass und Schlagzeug. Kraft war da nicht
gefragt. Eines der wenigen Piano-Trios, in denen es um pure Energie ging, war das
Money-Jungle-Trio mit Duke Ellington, Charles Mingus und Max Roach. Ob diese
Aufnahme jedoch von Anfang an so angelegt war, steht in den Sternen. Viel
wahrscheinlicher ist, dass sich derart viel persönliche Wut zwischen den drei
Protagonisten entlud, dass die Musik unweigerlich diese offensive Richtung
einschlagen musste. Doch der aggressive Grundton der Session von 1962 ist
unüberhörbar.
Bläser mieden bis auf ganz wenige singuläre Ausnahmen den Trio-Kontext. Wenn
Lester Young im Trio mit Klavier und Schlagzeug spielte, dann gerade um die
Geschmeidigkeit seines Spiel herauszustellen. Lediglich Sonny Rollins nutzte das
Triumvirat, um sein Tenorspiel so nackt und unbehauen wie möglich zu präsentieren.
Seine Artikulation auf Alben wie „Way Out West“ (1957) und „Freedom Suite“ (1958)
erinnert an einen riesigen, alten Baum, der alle Wipfel überragt und den in seiner
Erhabenheit niemand zu fällen wagt. Nur er selbst brachte seinen spielerischen
Gigantismus zu Fall, indem er sich nach diesen beiden Platten für mehrere Jahre aus
der Öffentlichkeit zurückzog und seinen Zugang zum Instrument völlig neu definierte.
Nicht einmal sein schärfster „Konkurrent“ John Coltrane ging das Wagnis ein, sich
ohne Harmonieinstrument auf die Bühne zu stellen. Und auch Ornette Colemans
Trio-Alben von Anfang bis Mitte der 1960er-Jahre zeugen nicht von ostentativer Kraft
und Energie. Lediglich Albert Ayler holte 1964 aus seinem Spiritual-Unity-Trio mit
Gary Peacock und Sunny Murray ein Höchstmaß an individueller und kollektiver
Power heraus. Doch auch er kehrte später wieder zur größeren Besetzung zurück.
Rollins hatte einen Weg gewiesen, auf den sich im größeren Umfang erst Mitte der
1960er-Jahre – bewusst oder unbewusst – einige britische Rockmusiker einlassen
konnten, indem sie das Saxofon durch die elektrische Gitarre ersetzten. Und vom
Jazz lernten. Am Anfang stand Cream. Ihr erstes Album „Fresh Cream“ (1966)
bewegte sich noch hauptsächlich im Rahmen des britischen Blues-Rock, aber in
Songs wie „Spoonful“ oder „Rollin’ And Tumblin’“ machte sich plötzlich eine
Mentalität bemerkbar, die man so im Rock noch nicht bemerkt hatte und
entscheidende Impulse aus dem Jazz bezog. Eric Clapton, Jack Bruce und Ginger
Baker trugen die unverstellte Lust an der elektrischen Power-Improvisation in den
Rock. Zur damaligen Zeit gab es fast ausschließlich Quartett und Quintett-Combos
wie die Beatles und die Rolling Stones. Das Trio war im Rock neu – und die Energie,
die es mitbrachte, ebenso. Spätestens mit ihrem Album „Disraeli Gears“ 1967
durchstießen Cream dann die Trennwand zwischen Jazz und Rock.
Der Mann, der den Faden von Cream aufnahm und in eine Lunte verwandelte, war
Jimi Hendrix. Der Zeitpunkt hätte günstiger nicht sein können, denn mit dem Tod
John Coltranes war dem Jazz die zentrale Identifikationsfigur abhanden gekommen.
Coltrane hatte das Tenorsaxofon an einen Punkt geführt, über den hinaus es nicht
weiter gehen konnte; weder für ihn selbst noch für irgendeinen Saxofonisten nach
ihm. Hendrix übernahm Coltranes spielerische Bilder, seine Phrasierungen, seine
„Sheets Of Sound“, seine Größe und sein Charisma. Und sene Laster. Doch von
Rollins und Cream übernahm er das Trio-Format. Im „Summer Of Love“ bündelte er
verschiedene spielerische und spirituelle Strömungen zu einem Power-Paket, wie
man es bis zu diesem Zeitpunkt noch nie gehört hatte. Auf beiden Seiten des Atlantik
schossen daraufhin die Power-Trios mit Gitarre, Bass und Schlagzeug wie Pilze aus
dem Boden. Erinnert sei nur an Bands wie Grand Funk Railroad, Blue Cheer oder die
James Gang.
Natürlich blieb auch der Jazz von den neuen Möglichkeiten dieser Triobesetzung
nicht unberührt. Als einer der ersten großen Jazz-Stars reagierte Tony Williams mit
seiner Band Lifetime, in der er mit John McLaughlin und Larry Young die Energie der
genannten Rock-Trios für den Jazz fruchtbar machte. In Lifetime entlud sich pures
Adrenalin, wie es im Jazz zuvor kaum hörbar war. Auch Larry Coryell entdeckte Ende
der 1960er-Jahre das elektrische Power-Trio.
Über die 1970er-Jahre war die Power-Troika weder im Jazz noch im Rock
wegzudenken. Peter Brötzmann (mit Fred van Hove und Han Bennink) und Albert
Mangelsdorff (grandios mit Jaco Pastorius und Alphonze Mouzon) hier, Emerson,
Lake & Palmer (die eigentlich gemeinsam mit Jimi Hendrix das Quartett HELP bilden
wollten), Rory Gallagher und Ted Nugent dort. Manche Trio-Aufnahmen erblickten
erste viele Jahre später das Licht der Welt, zum Beispiel das Trio Of Doom mit John
McLaughlin, Jaco Pastorius und Tony Williams.
Mit dem Punk wurden die Karten neu gemischt, im Rock wie im Jazz. Dies ist auch
der Zeitpunkt, an dem Bill Laswell ins Spiel kam. Mit seiner Band Last Exit sollte er
die Impulse von elektrischer Power-Rock-Band und frei improvisiertem Energiefluss
verbinden, in seinem Trio Massacre mit Fred Frith und Fred Maher den Geist des
Power Trios mit neuen Inhalten füllen. Doch dazu mehr in Teil 2.