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CLASS a k t u e l l 2 0 12 / N r. 1 Association of Classical Independents in Germany 800 Jahre Thomanerchor Leipzig Die große CD-Edition zum Jubiläum Schlag auf Schlag „Der Musik dienen“ zum 100. Geburtstag von Günter Wand Stefan Irmer präsentiert das gesamte Klavierwerk von Massenet Lost Generation Montsalvatges Liebeserklärung an Katalonien RICHARD WAGNER PARSIFAL Fortsetzung der konzertanten Einspielungen von zehn wichtigen Wagner-Opern aus der Berliner Philharmonie. Mit Bayreuth-bewährten Sängern und Sängerinnen sowie Chor und Rundfunksinfonieorchester Berlin unter dem Dirigat von Marek Janowski. Wie beim Label PentaTone üblich, alle in hochauflösender SACD Qualität und Surround-Sound. Mit diesen Aufnahmen gelingt es, Wagners Wunsch nach einem „unsichtbaren Theater und Orchester“ zu entsprechen. Kritiker sind bereits voll des Lobes. PARSIFAL Ein Bühnenweihfestspiel in drei Aufzügen • WWV 111 Evgeny Nikitin • Dimitry Ivashchenko • Franz-Josef Selig Christian Elsner • Eike Wilm Schulte • Michelle DeYoung Clemens Bieber • Tuomas Pursio • Olivia Vermeulen Ulrike Schneider • Michael Smallwood • Timothy Fallon Julia Borchert • Martina Rüping • Lani Poulson Sophia Klußmann Rundfunkchor Berlin • Simon Halsey Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin Marek Janowski PTC 5186 401 • 4SACDs HY BR ID MU LT IC HA NN EL Codaex Deutschland GmbH Landsberger Strasse 492, 81241 München +49 (0)89 82 00 02 34 http://blog.codaex.de/ www.facebook.com/codaex.deutschland PTC 5186400 • 2 SACDs PTC 5186402 • 4 SACDs CLASS a k t u e l l Kennen Sie Halberstadt? Sollten Sie! Diese Kreisstadt im nördlichen Harzvorland ist nicht nur die Heimat des beliebten kamingeräucherten Halberstädter Würstchens, sondern gilt in Fachkreisen als die „Wiege der modernen Musik“. Der Grund dafür ist die erste Großorgel der Welt, die im Jahr 1361 nirgendwo anders als im Dom zu Halberstadt errichtet wurde. Seitdem ist Halberstadt immer ganz nah an der musikalischen Entwicklung geblieben. Als Praetorius in Wolfenbüttel wirkte, Schütz in Weißenfels aufwuchs, Telemann in Magdeburg geboren wurde, Händel in Halle komponieren lernte und Bach in Köthen Großes schuf: Halberstadt war nie weit entfernt. Seit dem Jahr 2000 ist Halberstadt nun auch noch John-Cage-Stadt. CLASS aktuell 1/ 2012 Inhalt 4 Im Dienste der Musik Zum 100. Geburtstag von Günter Wand 6 Secundo! Die neueste Einspielung von Jazz'N'Spirit 7 Liebeserklärung an Katalonien Eine Hommage an Xavier Montsalvatge Wie das kam? Angefangen hat alles damit, dass der amerikanische Komponist John Cage (1912-1992) ein kleines Klavierstück schrieb, das er „As Slow As Possible“ nannte. Beim Spielen, so langsam wie möglich, entstanden aber ungewollte Pausen, weil die Klaviertöne viel zu schnell verklangen. Also bearbeitete er sein kleines Klavierstück für die Orgel, auf der es dann 1989 eine ganz, ganz langsame Uraufführung erlebte. Dauer: 29 Minuten. Nun aber bildete sich ein Gremium aus Organisten, Orgelbauern, Musikologen, Philosophen und sogar Theologen, nur um die Frage zu diskutieren: Sind 29 Minuten genug? Wie langsam ist „so langsam wie möglich“? Sollte das Ganze nicht besser gleich drei Stunden dauern, einen ganzen Tag, eine Woche? Das kleine Stückchen mit seinen gerade mal acht Notenseiten wuchs in der philosophisch-theologischen Theorie in historische Dimensionen hinein: Jahre! Jahrhunderte! Und hier kam Halberstadt ins Spiel. 639 Jahre vor dem Millennium entstand die Großorgel, man rechnet hier in Äonen, man hat hier die Langsamkeit entdeckt. Seit 2001 erklingt John Cages Stück in der St. Burchardi-Kirche – und es soll ebenfalls 639 Jahre dauern. Wenn nach monatelang stehendem Akkord endlich ein neuer Ton erklingt, feiert man in Halberstadt „Klangwechsel“. Deshalb ist hier jeder Ton ein Star: „Zwei herausragende neue Töne standen im Mittelpunkt des Klanggeschehens beim Klangwechsel am 5. August 2011“, heißt es. „Die Töne C und Des sind die beiden bisher tiefsten Töne, die innerhalb der Aufführung des Cage-Stückes erklingen. Das C erklingt insgesamt 36 Jahre (bis zum 5.10.2047) und das Des sogar fast 60 Jahre (bis zum 5.3.2071). Weiterhin verabschiedete sich das as‘ nach über drei Jahren auf unbestimmte Zeit.“ Der nächste Klangwechsel ist am 5. Juli 2012. Da werden sensationellerweise drei Töne gleichzeitig verstummen! Touristik-Fachleute meinen, eine Handvoll stehender Orgeltöne seien ein „tolles Erlebnis“ für die ganze Familie (für Kinder ab 6). Wirklich spannend finden das aber wohl nur die Bäume rund um St. Burchardi: Ganz, ganz langsam wachsen sie, über Jahrhunderte, und genießen Cages Stück im idealen Wahrnehmungs-Tempo. Mit ihnen wächst auch die Orgel, Pfeife um Pfeife, so wie diese gerade gebraucht werden. Am Ende (im Jahr 2640) wird Halberstadt nicht nur für die früheste, sondern auch für die am langsamsten gebaute Orgel bekannt sein. Übrigens: Man kann sich beim Orgelprojekt gegen einen Betrag von 1000 Euro oder mehr ein eigenes Klangjahr reservieren lassen. Irgendwann im 24. Jahrhundert soll noch eines frei sein. Da erreicht das Stück zum Sommer hin einen echten Höhepunkt. 9 Ein Quintett der Sonderklasse Die Geburt eines Ensembles 10 100 Jahre danach... Iván Fischer zeigt Strawinsky von seiner witzigen Seite 11 Durch das Kirchenjahr mit Johann Sebastian Bach 800 Jahre Thomanerchor Leipzig 13 Schlag auf Schlag Stefan Irmer präsentiert das Klavierwerk von Massenet 14 Es geht auf Ostern zu… Osterempfehlungen von CLASS aktuell 18 Durch Raum und Zeit Die Sinfonie erobert die Welt Folge 3 23 CLASS-Blickpunkte Neuheiten vorgestellt von CLASS aktuell Impressum Herausgeber/Verlag: CLASS e.V. Association of Classical Independents in Germany Bachstraße 35, 32756 Detmold Tel. 05231-938921 [email protected] Redakteur (v.i.S.d.P): Manfred Görgen Anzeigen: Gabriele Niederreiter Grafische Gestaltung: Ottilie Gaigl Druck: Westermann Druck, Braunschweig Ihr Hans-Jürgen Schaal Auflage: 125.100 Titelfoto: © Profil /Archiv Alle Tonträger dieser Ausgabe finden Sie auch unter www.bielekat.de und www.klassikrecherche.de AUSGABE 2012 /1 3 CLASS a k t u e l l GÜNTER WAND VS.PH10040 7. Januar 1912 – 14. Februar 2002 Ein Visionär im Dienst der Musik VS.PH10041 VS.PH10042 VS.PH10043 VS.PH10044 Z um Jahresbeginn 2012 sind es gleich zwei Gedenktage, die uns einen der letzten großen Dirigenten des 20. Jahrhunderts ins Gedächtnis zurückrufen. Sein Name steht für höchste musikalische Qualität, für die Verbindung von Werktreue, Perfektion und erfülltem Musizieren. Als er vor zehn Jahren kurz nach seinem 90. Geburtstag starb, war er weltberühmt. Doch der ganz große Erfolg hatte sich erst als Altersruhm eingestellt. Wand verkörperte den Gegentyp des medienbewussten modernen Pultstars. Er baute auf Qualität, hat sich nie vorgedrängt und war persönlich bescheiden. Lange Zeit hat er eher in der Stille gewirkt, auf äußeren Glanz und große internationale Karriere verzichtet. Er musizierte verantwortungsvoll genau, kontrolliert von einem stets wachen Intellekt, aber zugleich aus vollem Herzen. Günter Wand wollte nichts anderes als Treuhänder der Komponisten sein, denen er engagiert und uneitel diente. Er drängte sich niemals vor die Musik, sondern stand hinter ihr, das aber mit aller Kraft. Ihm kam es darauf an, wie er sich einmal ausdrückte, „die Musik nicht mehr in irgendeine Richtung zu interpretieren, sondern zu versuchen, sie zu erkennen.“ Vielleicht ist er gerade wegen dieser konsequenten Haltung, die den Vergleich mit Vorgängern wie Toscanini und Klemperer geradezu herausfordert, zu einer so einzigartigen Gestalt unter den Musikern unserer Zeit geworden. Günter Wand studierte in Köln und München. Schon als Zwanzigjähriger trat er ins Berufsleben ein und lernte sein Handwerk „von der Pike auf“, erst als Korrepetitor der Wuppertaler Oper, dann als Operetten- und Opernkapellmeister in Allenstein/Ostpreußen. Weder Nazi noch Anpasser, fand er vier Jahre lang keine seinem Können angemessene Stellung, bis sich ihm 1938 eine Chance in Detmold bot. Von dort aus holte ihn ein Jahr später der Kölner Intendant als Ersten Kapellmeister an sein großes Opernhaus. Dann 4 AUSGABE 2012 /1 kamen Krieg, Bomben, Zerstörung. Das Ende des „Dritten Reichs“ überlebte Wand in Salzburg, erst als Chef des Mozarteum-Orchesters, dann als MusicalArrangeur des amerikanischen „spezial service“. Im Oktober 1945 kam Wand zurück nach Köln, wo er das Musikleben buchstäblich aus Trümmern neu aufbaute, zunächst als kommissarischer Leiter von Oper und Konzert, ab 1946 als Deutschlands jüngster Generalmusikdirektor. Ein paar Jahre später verzichtete er auf die Opernleitung, um sich stärker auf die Konzerte zu konzentrieren. Als Gürzenich-Kapellmeister machte er sein Orchester zu einem der besten deutschen Klangkörper. Mit intelligenten, kühnen Programm-Kombinationen verband er die große klassisch-romantische Musik mit Vergangenheit und Gegenwart, erarbeitete ein Repertoire von Monteverdi und Bach bis Zimmermann, Messiaen und Ligeti. Insbesondere holte er die von den Nazis als „entartet“ verbotene Musik nach Deutschland zurück und engagierte sich mit Dutzenden wichtiger Ur- und Erstaufführungen für die junge Generation. So prägte Günter Wand eine ganze Ära, deren künstlerisches Niveau einsame Spitze war. 1974 übersiedelte er in die Schweiz und arbeitete von dort aus intensiv mit den Orchestern der ARD, der BBC und von NHK Tokio. Seine 1977 mit dem WDRSinfonieorchester begonnene Produktion sämtlicher Bruckner- und Schubert-Sinfonien wurde zum Welterfolg – und damit zum Beginn seiner Alterskarriere. Von 1982-91 war Günter Wand Chefdirigent des NDRSinfonieorchesters und blieb als dessen Ehrendirigent auf Lebenszeit aktiv bis kurz vor seinem Tod. Er produzierte mehrfach preisgekrönte Schallplatten-Zyklen (Brahms und Beethoven) und viele seiner berühmten „Live Recordings“ der späten Jahre. Zugleich war er „Chief Guest Conductor“ des BBC Symphony Orchestra, hatte sensationelle Auftritte in Tokio und am Pult des Chicago Symphony Orchestra. Wahre Triumphe konnte er auf den Londoner „Proms“ und den Festivals in Edinburgh, Berlin und Schleswig-Holstein feiern. Außerdem konzertierte er regelmäßig mit den Münchener und, vor allem, in seinen letzten Jahren, immer wieder mit den Berliner Philharmonikern. Mit ihnen realisierte er seine vielleicht schönsten Schubert- und Bruckner-Aufnahmen als „Live Recordings“ umjubelter, dreimal hintereinander ausverkaufter Konzerte. Er war der Gegentyp des dem Zeitgeist angepassten Pultstars, so eigenständig wie eigenwillig, berühmtberüchtigt wegen seiner Proben, auf denen er so professionell wie unerbittlich an der Realisierung seiner Vision von musikalischer Vollkommenheit arbeitete. Wands Musizieren berührte durch eine unnachahmliche Balance von werkgetreuer Perfektion, emotionaler Erfüllung, intellektueller Kontrolle, äußerster Sensibilität und spiritueller Durchdringung. „Der Musik dienen“ nannte er seinen Auftrag, den dieser völlig uneitle Mann ein Leben lang zu erfüllen versuchte. Dabei ist er zu einsamer Größe aufgestiegen; sein Name wurde zum Synonym für höchste musikalische Qualität. Günter Wand, eine weit herausragende Musiker-Persönlichkeit in unserer umtriebigen Zeit, starb im Alter von neunzig Jahren, am 14. Februar 2002, in seinem Haus in Ulmiz, einem kleinen Dorf im Schweizer Kanton Fribourg. Seine künstlerisches Vermächtnis aber lebt fort. Zu den während seiner aktiven Zeit publizierten Schallplatten- und CD-Serien sind später die DVDs seiner Fernsehkonzerte und die von seinem Biographen Wolfgang Seifert herausgegebene posthume Günter Wand Edition hinzugekommen (40 CDs mit zu seinen Lebzeiten unveröffentlichten Rundfunk-Aufnahmen, erschienen bei Profil Hänssler). So dokumentieren Dutzende von Ton- und Bildträgern heute noch den einsamen Rang dieses großen deutschen Musikers. Wolfgang Seifert AUSGABE 2012 /1 5 CLASS a k t u e l l Aktuelle Konzerte: Jazz'N'Spirit Dirk Piezunka, Martin Flindt und Jens Piezunka Herzlich tut mich verlangen! 25. 03. 01 .04. 13. 04. 03. 05. 2012 2012 2012 2012 Lunsen Jazz und Licht, Vechta Rathaus Vechta Nicolaikirche Lüneburg Weitere Informationen unter www.jazznspirit.de „Secundo“ – die 2. CD von Jazz’N’Spirit S ie haben es wieder getan! Nachdem Jazz’N’Spirit schon mit der Debüt-CD „Continuum“ die Fachwelt überraschte und auf Anhieb einen Platz in der Bestenliste schaffte, hat das norddeutsche Trio aus Saxophon, Gitarre und Bass nun sein zweites Album vorgelegt, das schlicht „Secundo“ heißt. Und darauf führen sie erneut die Musik der Renaissance und des Barock mit Jazzimprovisationen zusammen – ein ungewöhnliches Wagnis für ein europäisches Jazztrio. Aus unbekannten Gründen wagen sich Jazzmusiker sehr selten an eine Auseinandersetzung mit der europäischen Musikgeschichte, dabei bieten gerade Renaissance und Barock mit ihren vielfach offenen Besetzungen sowie den ausschmückenden Verzierungen (bis hin zu improvisierten Parts) eigentlich einen idealen Ansatzpunkt zur Bearbeitung im Geiste des Jazz. Dirk Piezunka (Tenor- und Sopransaxophon, Bassklarinette), Martin Flindt (Gitarre) und Jens Piezunka (Kontrabass) nutzen diese Möglichkeiten konsequent aus, überprüfen überaus sensibel die Möglichkeiten zwischen Freiraum und strenger Form der Vorlagen. Das beginnt gleich bei dem eröffnenden „Lobt Gott getrost mit singen“, dem sich das Trio überaus behutsam nähert, erst einmal seine Struktur hinterfragt, seine Melodie fragil anreißt, und sie erst allmählich mit kraftvolleren Jazzsequenzen anreichert. Mit welcher Risikobereitschaft das Trio spielt, wird gleich beim zweiten Track deutlich: Orlando di Lassos Komposition „Am Morgen“ konfrontieren sie in einem ausführlichen Mittelteil mit unüberhörbarer Latin-Rhythmik, und das funktioniert, als sei das Stück genauso geschrieben worden. Zwei Stücke, die nicht im 16. und frühen 17. Jahrhundert komponiert wurden, haben Jazz’N’Spirit „dazwischen gemogelt“. Einmal das irische Traditional „Drowsy Maggie“, das in ihrer Bearbeitung fast auch wie ein Kirchenlied klingt – wäre da am Schluss nicht dieser typische tänzerische Rhythmus irischer Folklore. Der zweite „Ausreißer“ ist ein Lied von Felicitas Kuckuck, einer Komponistin des 20. Jahrhunderts, das in seiner schlichten und ruhigen Interpretation regelrecht Jazz’N’Spirit: „Continuum“ Dirk Piezunka, Saxophon; Martin Flindt, Gitarre Jens Piezunka, Kontrabass & Gesang Audiomax 912 1662-6 (Hybrid-SACD) Exklusiv für CLASS aktuell-Leser: Von dem Album „Secundo“ können Sie bis zum 30. Mai zwei Titel in Studio Master-Qualität kostenfrei bei Linn Records herunterladen. Benutzen Sie hierfür den Link: www.linnrecords.com/linn-classaktuell.aspx 6 AUSGABE 2012 /1 Jazz’N’Spirit: „Secundo“ Jazzimprovisationen über Kirchenlieder des Barock und der Renaissance Dirk Piezunka, Saxophon, Bassklarinette, Percussion Martin Flindt, Konzert- und Westerngitarre Jens Piezunka, Kontrabass & Gesang Audiomax 912 1724-6 (Hybrid-SACD) ergreifend ist. Die übrigen Stücke sind allesamt in der Übergangsphase von Renaissance zu Barock komponiert worden; ob Johann Sebastian Bach, aber auch Heinrich Schütz oder Michael Praetorius – Jazz’N’Spirit finden einen höchst spannenden Jazz-Zugang zu dieser Alten Musik, und warten immer wieder mit rhythmischen Überraschungen auf. Dabei bewegt sich das Trio auf technisch höchstem Niveau und spielt mit eindringlicher Intensität. Abgerundet wird das Gesamtkonzept durch die tragfähige Akustik eines ehrwürdigen Klostersaals und die perfekt ausgefeilte Klangtechnik im 2+2+2-Recording. Otto Heinrich CLASS a k t u e l l Liebeserklärung an Katalonien Hommage an Xavier Montsalvatge (1912 - 2002) D er 11. März 2012 ist der 100. Geburtstag von Xavier Montsalvatge, einer der bedeutendsten zeitgenössischen spanischen Komponisten. Hänssler Classic in Zusammenarbeit mit Peermusic Classical ehrt den Musiker mit einer Neueinspielung seiner bekanntesten Werke. Xavier Montsalvatge ist ein Vertreter der so genannten „verlorenen Generation“ Spaniens, die während des Franco-Regimes wirkten. Er prägte einen modernen, katalanischen Musikstil und ließ sich dabei unter anderem von Maurice Ravel, den er sehr verehrte, wie von lateinamerikanischen Stilelementen und Rhythmen inspirieren. Montsalvatge liebte die musikalischen Ausdrucksformen der Karibik. Katalanische Kolonisten hatten bei ihrer Emigration die Musik vom Heimatkontinent auf die Westindischen Inseln gebracht, wo sie sich mit lokaltypischen Koloriten verbunden hatte. Durch die Werke Montsalvatges, der karibische Klänge und Rhythmen in seinen Werken verarbeitete, kam diese Musik quasi nach Katalonien zurück. „Während man die Musik rechtmäßig als ‚cubano’ bezeichnen konnte, fühlte sie sich dennoch – wenn auch nicht strafrechtlich verfolgbar – echt ‚catalá’ an“ schrieb Montsalvatge-Biograph Roger Evans. Dass sehr viel Mut im Bekenntnis zu seiner heimatlichen Musik steckte, versteht man erst, wenn man bedenkt, dass katalanische Musik unter General Francos Diktatur offiziell verboten war. Der in Girona geborene Xavier Montsalvatge stammte aus einer Familie katalanischer Bankiers, Schriftsteller, Maler und Bildhauer. Nach dem Tod seines Vaters 1921 lebte er ab seinem 9. Lebensjahr im bereits damals mondänen und kulturell sehr lebhaften Barcelona. Die Bauten von Gaudi und anderen herausragenden modernen Architekten prägten das Stadtbild. Pablo Casals wirkte dort mit seinem Orchester und große Musiker wie Rubinstein, Ysaÿe oder Prokofieff und Ravel gastierten in der Hauptstadt Kataloniens. Montsalvatge lernte Violine und studierte Komposition. Bereits sein erstes Werk 1933, „Tres Impromptus“, gewann einen Preis. Damit begann ein reges kompositorisches Schaffen, bei dem bis in die neunziger Jahre mehr als 100 Werke entstanden, darunter viele preisgekrönte. In einer kargen, vom spanischen Bürgerkrieg und dem zweiten Weltkrieg geprägten Zeit avancierte Montsalvatge – trotz der Einschränkungen durch das Franco Regime – zum erfolgreichen Komponisten. Die katalanische Musik wurde als „cubano“ bezeichnet, um der Zensur zu entgehen, die regionalen Stilelemente des Flamenco hingegen wurden folkloristisch be- Xavier Montsalvatge (1912-2002) Canciones & Conciertos Poema concertante für Violine und Orchester Cinco canciones negras A la espanola aus Tres danzas concertantes Concerto breve für Klavier und Orchester Lucia Duchoňová, Mezzo-Sopran Rachel Barton Pine, Violine Jenny Lin, Klavier NDR Radiophilharmonie / Celso Antunes, Dirigent hänssler CLASSIC, Best-Nr. 98.642 AUSGABE 2012 /1 7 nutzt und gelten seither sogar als gänzlich „Spanisch“. Auf Wunsch von Peermusic Classical komponierte Montsalvatge seine OrchesterTrilogie „Tres danzas concertantes“. Ein Werk davon – „A la espanola“ – das auch auf dieser CD vorgestellt wird, gibt diesen Lokalkolorit sehr eindrucksvoll wieder. Montsalvatge äußerte sich selbst dazu: „dies ist meine einzige Partitur, die sich dem spezifischen Charakter andalusischer Musik annähert, ohne irgendwelche Folksmusik zu verwenden.“ Die bei Hänssler Classic veröffentlichte Hommage präsentiert Xavier Montsalvatges Klavierkonzert „Concerto breve“ in der Interpretation der herausragenden amerikanisch-taiwanesischen Pianistin Jenny Lin, die „Cinco canciones negras“ mit der Grammy nominierten MezzoSopranistin Lucia Duchoňová und das Violinkonzert „Poema concertante“ in der Deutung der brillanten amerikanischen Geigerin Rachel Barton Pine. Letzteres komponierte Montsalvatge für den damals in Barcelona konzertierenden Henryk Szering. Begleitet werden die Solistinnen von der NDR Philharmonie unter der Leitung von Celso Antunes. Claudia Schmidt Die HIGH END bietet Techniktrends zum Erleben FASZINATION FÜR ALLE SINNE HIGH END 2012: Die Erlebnis-Messe für exzellente Unterhaltungselektronik M,O,C, München – Lilienthalallee 40 80939 München-Freimann Termin: Öffnungszeiten: Eintritt (Fr-So) : Fachbesuchertag: Eintritt (für alle Tage) : 3. bis 6. Mai 2012 täglich von 10 bis 18 Uhr 12 Euro (Tageskarte) Donnerstag, 3. Mai 2012 20 Euro (Vorabregistrierung) www.HighEndSociety.de Die HIGH END vermittelt Spaß an faszinierender Technik. Unsere Messebesucher erhalten akustische und visuelle Erlebnisse sowie Technik zum „begreifen“. Die europaweit größte Messe für hochwertige Unterhaltungselektronik, die HIGH END, wird wieder im MOC Veranstaltungscenter im Münchner Norden ausgerichtet. Die HIGH END ist das europaweit wichtigste und internationalste Ereignis der Branche für hochwertige Unterhaltungselektronik. Durch ihre einzigartige Kombination aus zahlreichen Ton- und Bildvorführungen, Ausstellungsständen, Live-Musik, Vorträgen und Präsentationen, ist sie ein bedeutender Impulsgeber für effiziente Geschäftsanbahnung und wirtschaftlichen Erfolg. Die HIGH END macht hochwertige Unterhaltungselektronik erlebbar und präsentiert die Trends von morgen. Die HIGH END vereinigt Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der hochwertigen Unterhaltungselektronik Sie präsentiert das komplette Spektrum der audiophilen Technik unter einem Dach. Traditionelle und zukunftsweisende Technologien stehen gleichberechtigt nebeneinander. Puristische, rein analoge Musiksysteme, mit viel Vinyl und glimmenden Elektronenröhren treffen auf moderne, computerbasierte High End Systeme. Nirgendwo begegnen die Besucher gegensätzlicheren Themen und Technologien aus der digitalen und analogen Welt in dieser mannigfachen Weise. Die Themenvielfalt umfasst alle hochwertigen Bild- und Tontechnologien für grenzenlosen audiovisuellen Genuss. Als aktuelle Technik-Trends im Jahr 2012 werden auch weiterhin Entwicklungen mit einem starken Fokus im Bereich Web und Netzwerk erwartet und damit ein weiter ansteigendes Angebot an reinen Audiostreamern und multifunktionalen Systemen, die Audio und Video, Stereo und Surround in einem zentralen System verwalten und bereitstellen können. Der Trend geht dabei eindeutig zur einfachen Vernetzung aller Medien. Das bedeutet unkomplizierte Installation und intuitive Steuerung. Die HIGH END präsentiert in München mit ihren Produkten die Crème de la Crème der hochwertigen Unterhaltungselektronik Und das in einem, wie nur für diese Messe geschaffenen Ambiente. Hier kann der Besucher in ruhiger, entspannter Atmosphäre die technologischen Pretiosen probehören und in Augenschein nehmen. Die HIGH END ist sowohl für den kleinen Spezialisten, wie auch für die bekannte Weltmarke ein internationales Forum im Segment der hochwertigen Unterhaltungselektronik. Neben großen namhaften Firmen nehmen immer mehr kleinere Unternehmen die Möglichkeit wahr, sich einem internationalen Publikum zu präsentieren. Das M,O,C, vereinigt die Vorzüge von Tagungshotels und Kongresszentren mit der funktionalen Struktur von Messehallen. Den Ausstellern werden wieder vielfältige Kombinations- und Aufteilungsmöglichkeiten geboten. Über 145 individuell gestaltbare Raumeinheiten um die Atrien und zahlreiche Hörkabinen in den Messehallen ermöglichen akustische und visuelle Präsentationsmöglichkeiten, die in der Vielfalt und Größe einmalig sind. Zu Beginn der HIGH END findet ein spezieller Fachbesuchertag statt Die Messe ist am 3. Mai 2012 nur für Fachbesucher mit Vorab-Registrierung geöffnet. Die HIGH END wird von der HIGH END SOCIETY, dem Interessenverband für hochwertige Unterhaltungselektronik ausgerichtet, einem Industrieverband, in dem die wichtigsten Unternehmen der UE-Branche vereint sind. CLASS a k t u e l l Ein Quintett der Sonderklasse Dass es zur Zusammenarbeit des jungen Ensembles mit dem Label Indésens kam, hat einen einfachen Grund: Indésens hat seinen Schwerpunkt in der Veröffentlichung von Musik mit Bläsern. Das Label ist den Vätern der französischen Bläsertradition verpflichtet (Claude Delvincourt sowie Jean-Pierre Rampal, Maurice André und anderen) und versteht sich als Forum für junge, hochtalentierte Holz- und Blechbläser. Besonderen Schwerpunkt legt Produzent Benoît d’Hau auf die Einspielung französischen Repertoires – was aber, wie man hier sieht, nicht zum Dogma erhoben wird. 2012 wird es anlässlich runder Gedenktage insbesondere Veröffentlichungen mit Werken von Debussy und Francaix geben sowie Musik von Henri Tomasi. Seit 2011 hat d’Hau darüber hinaus begonnen, das renommierte, 40 Jahre alte Label Calliope, seinerzeit von Jacques le Calvé gegründet, wieder zu beleben. Dies geschieht durch Wiederveröffentlichung von 40 Titeln aus dem bestehenden Katalog, aber auch durch Neuerscheinungen. Es sind also wohl noch viele spannende, ähnlich spektakuläre Einspielungen wie die Mozart/Beethoven-CD in naher Zukunft von beiden Labels zu erwarten. A. Rainer Mozart: Quintett Es-Dur KV 452 für Klavier, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott Beethoven: Quintett Es-Dur op. 16 für Klavier, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott Sebastian Manz, Klarinette Ramón Ortega Quero, Oboe David Fernández Alonso, Horn Marc Trénel, Fagott Herbert Schuch, Klavier Indésens INDE 039 (Vertrieb: Klassik Center) Fotos: © Dorothee Falke E s ist immer wieder ein Erlebnis, die „Geburt“ eines neuen Ensembles mitzuerleben. Um den Pianisten Herbert Schuch hat sich eine besondere Gruppe junger, hochkarätiger Bläser zusammengefunden, die allesamt erste Preisträger des Internationalen Musikwettbewerbes der ARD in München sind: Sebastian Manz (Klarinette), Ramón Ortega Quero (Oboe), David Fernández Alonso (Horn) und Marc Trénel (Fagott). Das Ensemble fand erstmals im Januar 2011 zu einer Arbeitsphase zusammen, die in zwei gefeierten Konzerten, u. a. im Herkulessaal München, und in der im Oktober 2011 vom französischen Label Indésens initiierten CD-Aufnahme mündete. Denn Produzent Benoît d’Hau, der schon einige Aufnahmen mit dem Fagottisten Marc Trénel in Paris gemacht hatte, wollte gern mit diesem aus exquisiten Solisten bestehenden Ensemble zusammen arbeiten. Aufgenommen wurden die Quintette in Es-Dur von Mozart (KV 452) und Beethoven (op. 16). Mozarts Quintett Es-Dur KV 452 ist das erste bedeutende Kammermusikwerk für Blasinstrumente und ist in seinem Schaffen einzigartig geblieben. Trotz der ungewöhnlichen Besetzung lässt der Komponist keine Fragen hinsichtlich der kammermusikalischen Klangbalance oder Formgestaltung aufkommen. Jedem Mitwirkenden wird Gelegenheit gegeben, sich zu profilieren; jedes Instrument hat gleichermaßen teil am melodischen Geschehen und an der thematischen Arbeit. Aus den verschiedenen Klangkombinationen entwickelt Mozart einen schier unerschöpflichen Farbenreichtum. 1784 schrieb er an seinen Vater: „Ich halte es selbst für das Beste, das ich je in meinem Leben geschrieben habe“. Beethovens Quintett op. 16 entstand 1796. Ganz offensichtlich bezieht er sich auf Mozarts Werk, das er 1787 in Wien kennengelernt hatte. Hilfreich waren ihm dabei die Ratschläge der Bläservirtuosen Ramm und Punto, die schon für Mozart gespielt hatten. Mit besonderer Freude haben die jungen, aber schon renommierten Topbläser diese solitären Meisterwerke aufgenommen, die bisher selten eingespielt wurden. Herbert Schuch, der eine besondere Affinität zu den Werken Beethovens und Mozarts hat, ist dabei der ideale Klavierpartner. AUSGABE 2012 / 1 9 CLASS a k t u e l l 100 Jahre danach klingt es noch immer frisch Iván Fischer zeigt Strawinsky von seiner farbigen, witzigen Seite CCS 25807 CCS 25207 CCS 30710 CCS 28309 CCS 21704 CCS 26109 CCS 22905 CCS 23506 CCS 21604 Auswahl weiterer Einspielungen mit Iván Fischer und dem Budapest Festival Orchestra bei Channel Classics: 10 AUSGABE 2012 / 1 CCS 90210 S trawinskys Humor hat Iván Fischer immer fasziniert. Und natürlich die bis heute schockierenden Rhythmen. Vor laufender Kamera erinnert sich der Komponist mit blitzenden Augen, wie er sein gerade vollendetes „Frühlingsopfer“ zum ersten Mal dem Impresario der „Ballets russes“ präsentierte: „Als ich anfing, die Akkorde zu spielen, 95 Mal denselben Akkord, war Diaghilew ein bißchen überrascht. Er wollte mich nicht kränken. Er fragte mich nur eine Sache – die allerdings sehr beleidigend war. Er fragte: ‚Wird es noch sehr lange so weitergehen?‘ Und ich sagte: ‚Bis zum Ende, mein Lieber!‘ “ Man hört förmlich, wie sich im russischen Frühling die Natur aus ihrer Kältestarre befreit: CCS 31111 Channel Classics CCS 32112 Gern lässt Iván Fischer seine Budapester einfach spielen, jeden Musiker seine Leidenschaft und Kreativität ausleben. „Es geht nicht darum, dass der Dirigent Wünsche hat.“ Statt dessen pflegt er seit bald dreißig Jahren eine neue Probenkultur. Einer seiner liebsten von insgesamt 92 Merksätzen für junge Dirigenten ist: „Man soll nicht schlagen – weder die Musiker noch die Musik. Ein Dirigent muss die Musik ausstrahlen.“ Ein anderer Leitsatz ist: „Musizieren muss sehr ehrlich sein.“ Kompromißlosigkeit, ja Hemmungslosigkeit in der Musik findet Fischer „sehr ehrlich“. Er selbst führt daher nur Werke auf, die ihm am Herzen liegen. Außerdem fühlt er sich stets seinen Zuhörern verpflichtet: „sie ernst zu nehmen, nicht zu überfordern, immer aus der vollen Seele zu musizieren!“ Strawinskys Miniaturen mag Fischer vor allem wegen ihres Humors. Gleichzeitig öffnen sie die Ohren für Strawinskys Nähe zum Jazz. Der „Tango“ war das erste Stück, das in der neuen amerikanischen Heimat entstand, 1941 arrangiert für den King of Swing: Benny Goodman und sein Orchester. Drei Jahre später stellte Strawinsky aus Filmmusikresten das „Scherzo à la russe“ für die Jazzband von Paul Whitman zusammen – für Iván Fischer eine „unglaublich originelle, erhebende und leichte Musik. Strawinsky hat so etwas Cleveres, Witziges und Humorvolles wie sonst keiner – seit Joseph Haydn.“ Antonia Ronnewinkel CCS 24507 Igor Strawinsky: Das Frühlingsopfer Der Feuervogel; Scherzo; Tango Budapest Festival Orchestra / Iván Fischer, Ltg. gewaltsam, berstend und stöhnend. Ohrenbetäubend. Man hört auch die vorzeitlichen Musikrituale: stampfende Rhythmen, ständige Taktwechsel und grelle Instrumentalfarben. Für ihre „Szenen aus dem heidnischen Rußland“, das Tanzopfer eines jungen Mädches, haben der Komponist und sein Bühnenbildner Nicholas Roerich sehr genau recherchiert – in mittelalterlichen Chroniken und alten Volksliedsammlungen. Allerdings ist keine der Melodien wiederzuerkennen, weil sie unerwartet und künstlerisch frei umgeformt wurden. „Das Rezept erscheint einfach“, erklärt Iván Fischer die berühmte Solostelle des Fagotts zu Beginn der Partitur: „Man nehme eine Melodie von sechs Noten und wiederhole sie in gleicher Reihenfolge, wobei man jeweils eine andere Note betont: 12345, 12345, 12345… Mit diesem einfachen Rezept hat Strawinsky die Welt verändert.“ Reich und farbig wirbelt das Budapest Festival Orchestra die russischen Melodien herum – mit immer neuen Akzenten. „Man weiß nie, wo man ist“, so Fischer. „Und das schafft diese komplett neue, radikale Musiksprache.“ Der „Feuervogel“ zeigt die romantisch-impressionistischen Wurzeln des „Frühlingsopfers“. Diese erste Ballettmusik für Serge Diaghilews „Ballets russes“ brachte Strawinsky 1910 zu Weltruhm und führte zum ersten Entwurf des „Sacre“. CLASS a k t u e l l Gesamteinspielung, sondern eine Auswahl der großen Chorkantaten seines Amtsvorgängers. Bei seinen Aufführungen der Bachkantaten lässt Biller die Sopran- und Altpartien von herausragenden Solisten des Chores singen – ein Qualitätsmerkmal, das die neue CD-Einspielung von anderen unterscheidet. Mit den beiden CDs zu Weihnachten und zum Reformationsfest hatte die Kantatenreihe im Oktober 2011 begonnen. Am 19. März 2012 erscheint die CD Kantaten zu Pfingsten, kurz vor der Festwoche des Thomanerchores. Mit den festlichen Kantaten „Erschallet, ihr Lieder“ BWV 172, „Wer mich liebet, der wird mein Wort halten“ BWV 74 und „O ewiges Feuer, o Ursprung der Liebe“ BWV 34 erklingen auf der aktuellen CD drei der insgesamt vier überlieferten Kantaten zum 1. Pfingsttag von Johann Sebastian Bach. Im Herbst 2012 folgen mit Kantaten zu Advent und zu Epiphanias zwei weitere CDs. In Auswahl und Zusammenstellung seiner Kantatenreihe auf CD orientiert sich Biller nicht am heutigen Konzertbetrieb, sondern an der ursprünglichen Bestimmung. Bach hatte seine Kantaten jeweils für ein bestimmtes Fest im Kirchenjahr komponiert. Auch heute singen die Thomaner die Kantaten regelmäßig im Gottesdienst der Leipziger Thomaskirche. Zudem stellt Biller jeder Kantate einen Hymnus aus dem „Florilegium selectissimorum Hymnorum“ von Erhard Bodenschatz voran. Schon Bach hatte diese Sammlung nachweislich in den Gottesdiensten der Thomaskirche verwendet. Teres Feiertag www.rondeau.de Im Vertrieb von Naxos Deutschland Das Kirchenjahr mit Johann Sebastian Bach Bereits lieferbar: Kantaten zu Weihnachten 2/10 CD ROP4043 BWV 63, 110, 190 Kantaten zu Pfingsten 7/10 CD ROP4026 BWV 34, 74, 172 Kantaten zu Reformation/Michaelistag 10/10 CD ROP4031 BWV 19, 50, 79, 80 Bis 2014 erscheinen in dieser Reihe: Kantaten zu Advent 1/10 CD ROP4040, BWV 36, 61, 62 Kantaten zu Epiphanias 3/10 CD ROP4038 BWV 3, 65, 72 Kantaten zur Passion 4/10 CD ROP4044 BWV 22, 23, 182 Kantaten zu Ostern 5/10 CD ROP4045 BWV 4, 31, 67 Kantaten zu Himmelfahrt 6/10 CD ROP4041 BWV 37, 43, 128 Kantaten zu Trinitatis 8/10 CD ROP4036 BWV 75, 194 Kantaten zu den Marienfesten 9/10 CD ROP4039 BWV 1, 125, 147 AUSGABE 2012 / 1 11 Stefan Kahle S eit 800 Jahren singt der Thomanerchor jede Woche in der Leipziger Thomaskirche: Mit der Gründung des Augustiner Chorherrenstiftes zu St. Thomas im Jahr 1212 gehört der weltberühmte Chor gemeinsam mit Thomasschule und Thomaskirche zu den ältesten Kultureinrichtungen Leipzigs. Sein berühmtester Kantor war Johann Sebastian Bach, der das Thomaskantorat von 1723 bis zu seinem Tode innehatte. Eine besondere Aufführungstradition pflegt der Chor seit über 100 Jahren: Gemeinsam mit dem Gewandhausorchester musiziert der Thomanerchor wöchentlich eine Kantate von Johann Sebastian Bach am historischen Ort – der Thomaskirche zu Leipzig. Das 800-jährige Jubiläum ist Anlass für Rondeau Production, den Thomanerchor und seine Geschichte auf besondere Weise zu würdigen: In Zusammenarbeit mit Deutschlandradio Kultur produziert das Leipziger Label eine umfangreiche CD-Reihe mit Kantaten von Johann Sebastian Bach. Als dessen 16. Amtsnachfolger veröffentlicht Thomaskantor Georg Christoph Biller die ersten Einspielungen von Bachkantaten mit dem Thomanerchor seit fast drei Jahrzehnten. Seit 2007 begleiten die Tonmeister Tobias Hoff und Joachim Müller von Rondeau Production den Thomanerchor bei den sonnabendlichen Motetten. Ein Großteil der ausgewählten Kantaten ist bereits aufgenommen und erscheint bis Anfang 2014 in der zehnteiligen CD-Serie „Das Kirchenjahr mit Johann Sebastian Bach“. Ziel von Thomaskantor Biller dabei ist keine neue Robert Pohlers Die große CD-Edition „Das Kirchenjahr mit Johann Sebastian Bach“ Paul Bernewitz 800 Jahre Thomanerchor Leipzig Friedrich Praetorius Thomaskantor Georg Christoph Biller besetzt die Solopartien in Sopran und Alt mit Sängern aus dem Thomanerchor: Unvergessen bleiben die Sopranstimmen der Thomaner Paul Bernewitz und Friedrich Praetorius sowie der Altisten Stefan Kahle und Robert Pohlers. Neuheiten Newton Classics Die 100. Veröffentlichung von Newton Classics inklusiv aktuellem Katalog 2011-2012 Sofia Gubaidulina Sämtliche Streichquartette Stamic Quartet SUPRAPHON • SU 4078 J.S.Bach, Debussy, SaintSaëns, W.A.Mozart, Wagner, RAchmaninoff, Tschaikowsky, Ravel Transcriptions Grau Schumacher Piano Duo NEOS • NEOS 20903 Arthur Rubinstein SergeI Rachmaninoff Klavierkonzert Nr.4 op. 70 / Nr.3 op. 30 Joseph Moog / Nicholas Milton Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz ONYX • Onyx 4089 Andrea Gabrieli Missa Dominicalis Ivan Florjanc / PierpaoloTuretta NEWTON CLASSICS • NC 8802100 HYPERION CD OF THE MONTH Henry Butler The Division Violist Roberto Gini / Maarco Angilella Sara Dieci /Elena Spotti ETCETERA • KTC 1906 Max Reger The Romantic Violin Concerto Vol.11 Becker-Bender/Zagrosek/ Konzerthausorchester Berlin HYPERION • CDA 67892 Glasunow/Strawinsky/ Tschaikowsky/Scriabin/ Schnittke Thème russe Kuss Quartett ONYX • Onyx 4090 Brilliante Werke des deutschfranzösischen Pianisten und Komponisten in Ersteinspielung SONDERANGEBOT 2 CDs 1 FÜR Louis Spohr Sinfonien Nr. 7 & 9 Howard Shelley / Orchestra della Svizzera Italiana HYPERION • CDA 67939 J.S. Bach Johannespassion BWV 245 Veldhoven Netherlands Bach Society CHANNEL CLASSICS CCS 31309 • 2CDs Friedrich Kalkbrenner limitierter Sonderpreis The Romantic Piano Concerto Vol. 56 Klavierkonzerte Nr. 2 op. 85 & Nr. 3 op. 107 Howard Shelley / Tasmanian Symphony Orchestra HYPERION • CDA 67843 zum Sonderpreis J.S. Bach Matthäus-Passion BWV 244 Veldhoven / Netherlands Bach Society CHANNEL CLASSICS • CCS 32511 • 3CDs Codaex DEUTSCHLAND Landsberger Strasse 492, 81241 München +49 (0) 89 82 00 02 34 http://blog.codaex.de www.facebook.com/codaex.deutschland J.S. Bach Cantatas BWV 54 & 170/Concerto BWV 1060/... Jeanne Lamon / Tafelmusik ANALEKTA • AN 29878 Robert Schumann Wolfgang Amadeus Mozart Klavierkonzerte Sophie Pacini / R. Szulc Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz ONYX • Onyx 4088 Antonio Vivaldi The Return of the Angels Matthias Maute / Ensemble Caprice ANALEKTA • AN 29995 CLASS a k t u e l l Schlag auf Schlag Stefan Irmer präsentiert das Klavierwerk von Massenet S tefan Irmer hat ein Faible für die französische Klaviermusik. Nach seiner umfangreichen Gesamtsicht des in Paris entstandenen „sündigen“ Alterswerks von Rossini und einer kürzlich veröffentlichten Einspielung der 13 Nocturnes von Gabriel Fauré folgt jetzt eine weitere prallvolle Gesamteinspielung der eher unbekannten Klavierwerke von Jules Massenet. Pünktlich zum 100. Todestag des Komponisten. Er wurde einer der wichtigsten französischen Musikdramatiker, allerdings erhielt Massenet noch während seines Studiums am Conservatoire einen ersten Preis im Fach Klavier, war Preisträger des Prix de Rome, lernte daraufhin 1864 über Liszt seine Schülerin und spätere Ehefrau kennen – und verdiente sein Auskommen als Paukist… Die Klavierwerke entstanden quasi nebenbei im Zeitraum von 40 Jahren – keine Frage, dass er sich schon in seiner 1861 entstandenen ersten „Grande Fantaisie“ nach einem Thema aus Meyerbeers „Pardon de Ploërmel“ der hochvirtuosen Klangwelt der Opernszene nähert. In den 10 Genrestücken op. 10 blitzt das Zeitalter des französischen Barock und des Rokoko auf, teils humorvoll karikierend, teils im Stil der typischen Genrestücke des 19. Jahrhunderts. Sein „Le roman d’Arlequin“ ist eine einfach gehaltene, aber charmant vorgetragene Pantomime für Kinder. Und in „Un Momento musicale“ von 1897 erweist er sich als Meister der klanglichen Suggestion. Stefan Irmer weiß die vielfältigen Klangschattierungen des Steinway Konzertflügels punktgenau zu dosieren. Seine wie selbstverständliche Virtuosität ist nie Selbstzweck. Man höre nur mal, wie er in „Papillons noirs“ und „Papillons blancs“ (1907) die üppig schillernden Flügelschläge der Schmetterlinge in Farbe, Gestalt und Bewegung auflöst. Thomas Trappmann Jules Massenet Jules Massenet Sämtliche Klavierwerke Stefan Irmer, Klavier MDG 618 1729-2 Aktuelle Einspielungen: Gabriel Fauré Sämtliche Nocturnes MDG 618 1626-2 Sigismund Thalberg 12 Etudes op. 26 Fantasie op. 33 und op. 40 MDG 618 1551-2 S T E F A N I R M E R : „Es ist für mich als Pianist immer wieder sehr anregend, abseits der breiten Repertoirepfade Neues aufzuspüren. Rossinis musikalische Morgenhygiene, Thalbergs Virtuosenzauber oder jetzt die überhaupt erste Darstellung von Massenets Klavierwerk sind absolut spannende Entdeckungen.“ Gioacchino Rossini „Péchés de Vieillesse“ Volume 1: MDG 618 0654-2 Volume 2: MDG 618 0918-2 Volume 3: MDG 618 1108-2 Volume 4: MDG 618 1260-2 Volume 5: MDG 618 1353-2 Volume 6: MDG 618 1386-2 Volume 7: MDG 618 1426-2 Volume 8: MDG 618 1448-2 www.stefan-irmer.de AUSGABE 2012 / 1 13 CLASS a k t u e l l Es geht auf Ostern zu… Viele Menschen besuchen an den Osterfeiertagen ihre Lieben in Nah und Fern. Wenn man denen mehr mitbringen will als nur gute Laune und eine Tüte Schokoeier vom Discounter, bieten sich hochwertige Produkte feiner Schokoladenmanufakturen an: Erlesene, sorgfältig abgestimmte Kompositionen feiner Zutaten mit zartem Schmelz in repräsentativer Verpackung. All das bieten unsere Osterempfehlungen auch, haben aber einen Vorteil: sie halten wesentlich länger und können unbegrenzt genutzt werden! French Connection Francois Borne: Fantasie brilliante sur les airs de Carmen (1900); Robert Muczinski: Sonata op. 29 (1970); Piet Swerts: Klonos (1993); Louis Mayeur: Grande Fantaisie Brillante sur Carnival de Venise (1869); Edison Denisov: Sonata (1970); Darius Milhaud: Scaramouche (1937) Hayrapet Arakelyan, Saxophon; Jang Eun Bae, Klavier ARS Produktion ARS 38112 (Ab 2. April im Handel) Eine bewundernswerte Virtuosität voller Lust und Temperament, mit einer beeindruckenden Ausdruckskraft, die interessierten Osterhasen sehr lange Löffel machen wird. Johann Sebastian Bach: Johannes-Passion, Matthäus-Passion Schmithüsen, Argenta, Blaze, Mera, Türk, Sakurada, Urano, Kooij Bach Collegium Japan, Masaaki Suzuki Antonio Vivaldi: Giorno e Notte Blockflötenkonzerte Conrad Steinmann (Blockflöten), Ensemble 415 unter der Leitung Chiara Banchini, Ltg. BIS-CD-1342 DIVOX CDX-70804-6 (Hybrid-SACD) Die beiden großen Passionsoratorien Bachs in exzellenter, die dramatischen Momente betonender Interpretation, historischer Aufführungspraxis verpflichtet. Eine historische Interpretation für Liebhaber schieren Wohlklangs. Igor Stravinsky: L’Oiseau de feu und Stravinsky-Bearbeitungen von Werken anderer Komponisten Bergen Philharmonie, Andrew Litton W. A. Mozart Klarinettenkonzerte Dieter Klöcker Prager Kammerorchester BIS-SACD-1874 MDG 301 0755-2 Der „Feuervogel“ nicht in der späteren veränderten Orchesterfassung, sondern der originalen Ballettversion von 1909. Stravinskys bravourös bestandene Feuertaufe als Ballettkomponist! Ein Juwel der Klarinettenliteratur vom unvergesslichen Dieter Klöcker. 14 AUSGABE 2012 / 1 Die hier empfohlenen Einspielungen sind das verblüffende Ergebnis einer Blitzumfrage unter einer repräsentativen Auswahl von Deutschlands Osterhasen. Über 90% aller befragten Osterhasen* empfahlen diese Titel. Shakespeare21: Shakespeare-Vertonungen von Sven Hagvil, Sven-Eric Johanson, Nils Lindberg, Frank Martin, Jaakko Mäntyjärvi, Fabio Nieder, Lars Johan Werle, Ralph Vaughan Williams Kammerchor Hannover, Stephan Doormann Rondeau Production ROP6056 400 Jahre alte Texte erklingen in Vertonungen des 20. und 21. Jahrhunderts. Die erstmals auf CD eingespielten Werke zeigen eindringlich die Zeitlosigkeit und ungebrochene Faszination, die Shakespeares Texten inne wohnen. Little Amadeus präsentiert Mozart für Kinder Gateway 829025700227 empf. ab 4 Jahren Einige der schönsten Melodien Mozarts wechseln sich ab mit unterhaltsamen kleinen Anekdoten aus dessen Leben. Erzählt werden sie vom kleinen Amadeus aus der gleichnamigen TV-Serie. Und als Bonus gibt es das KlippKlapp-Spiel, bei dem die Kinder das soeben Gehörte gleich anwenden können und Bilder bzw. Werke zuordnen müssen. Alles in allem eine runde Sache und auf jeden Fall ein Gewinn für die kleinen Hörer. Ohimè Love, passion and mystery in baroque Italy Capriola Di Gioia Aeolus AE 10043 Auf ihrer Debüt-CD präsentiert Capriola Di Gioia italienische Vokalmusik für Sopran und Continuo von bekannten Komponisten wie Monteverdi und Kapsberger wie auch von unbekannteren Meistern. Auf Flügeln in die Tiefe – Geschichten vom Aufwachsen von Mirjam Wiesemann Hörbuch Wort&Musik (Jugendreihe) ab 12 Jahren Cybele SACD AB 007 (Hybrid SACD) Anspruchsvoll und originell: Der besondere Tipp für die ganze Familie. Ganz alltägliche, wesentlich durch Klänge geprägte Situationen aus dem Leben von Kindern und Jugendlichen werden von den Protagonisten lebendig und packend vorgetragen. AUSGABE 2012 / 1 15 Joseph Haydn Streichquartette Vol. 1 Die sieben letzten Worte des Erlösers am Kreuz Leipziger Streichquartett MDG 907 1550-6 (Hybrid SACD) „… vom Leipziger Streichquartett, das die Stille zittern, den Atem stocken und doch am Ende die Erde beben lässt.“ Johann Sebastian Bach: Messe h-Moll Sampson, Nicholls, Blaze, Türk, Kooij Bach Collegium Japan, Masaaki Suzuki BIS-SACD-1701 Eine Aufnahme, die sehr schnell Kultstatus erreichte. Suzuki gelingt mit (historisch wohl korrekter) kleiner Besetzung großvolumiger Klang und Dramatik. Hintergrund-Illustration: © Ottilie Gaigl *Befragt wurden 36 Osterhasen mit über fünfjähriger Diensterfahrung zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen, so Oliver Helwig von More fine Music. CLASS a k t u e l l Johannes Brahms Späte Klaviertrios op. 8 & 101; Variationen über ein Thema von R. Schumann op. 1 Hyperion-Trio; Ivan Knorr, Klavier J. S. Bach: Osteroratorien (Kommt, eilet und laufet / Lobet Gott in seinen Reichen) Nonoshita, van Goethem, Kobow, Urano Bach Collegium Japan, Masaaki Suzuki J. S. Bach: Goldberg-Variationen Martin Schmeding an der großen historischen Gottfried-Silbermann-Orgel (1755) der Kathedrale Dresden Ausdruckskraft und Interpretation der beiden Sonaten machen glauben, dass Brahms dem Hyperion-Trio diese Werke auf den Leib geschrieben hat. Genauso ausdrucksstark sind die Variationen von Knorr, die die Nähe zu Brahms verraten. BIS-SACD-1561 Spannend wie ein Krimi ist Martin Schmedings Interpretation der Goldberg-Variationen, gespielt auf derprachtvollsten und größten Orgel von Gottfried Silbermann. Klarinette. Universum Johannes Brahms: Klarinettensonate f-Moll, für Klarinette und Orchester bearbeitet von Luciano Berio; Gustav Holst: The Planets Reiner Wehle, Klarinette; Philharmonisches Orchester der Hansestadt Lübeck, Roman Brogli-Sacher Anton Bruckner: Motetten Tschechischer Philharmonischer Chor Brünn Petr Fiala, Leitung Hintergrund-Illustration: © Ottilie Gaigl Thorofon CTH 2582 Musicaphon SACD M56912 Behutsame Bearbeitung einer der schönsten Klarinettensonaten in Kombination mit einem der populärsten Musikstücke überhaupt. Wie beim Weihnachtsoratorium handelt es sich um Parodiewerke, in denen Bach auf bereits für weltliche Zwecke komponierte festliche Musik neue Texte anpasste. MDG 922 1422-6 (Hybrid SACD) Spannungsvoll und ausdrucksvoll wird gesungen. Es gibt viele Aufnahmen mit den Bruckner-Motetten, aber diese gehört zu den führenden Einspielungen. Cybele SACD 030802 (Hybrid SACD) Edvard Grieg: Streichquartett g-Moll op. 27 Johannes Brahms: Klarinettenquintatt h-Moll op. 115 Jörg Widmann, Klarinette Hagen Quartett myrios classics MYR007 (Hybrid-SACD) Das Hagen Quartett – auch nach 30 Jahren grandios. Zusammen mit Jörg Widmann ein Dreamteam! Johannes Brahms: Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 B-Dur op. 83 Anna Malikova, Klavier Duisburger Philharmoniker Jonathan Darlington, Leitung Pavel Josef Vejvanovsky: Messe, Motetten, Orchesterwerke Goetz, Alexandre, Cantieni, Pavlu DRS Singers, Cappella Musica Antica, Christoph Cajöri Acousence Records ACO – CD 21912 Cantate C58046 „Ein traumhaft schönes musikalisches Kleinod." Ein Querschnitt durch das Schaffen eines der bedeutendsten böhmischen Komponisten der Barockzeit in Ersteinspielungen. 16 AUSGABE 2012 / 1 Raritäten. Kammermusikalisch Marie Luise Neunecker, Horn; Mathias Weber, Klavier Philharm. Orch. der Hansestadt Lübeck, Roman Brogli-Sacher J. S. Bach: Johannes Passion, Version 1725 Ruth Holton, Sopran; Bogna Bartosz, Alt Markus Brutscher, Tenor Thomas Laske, Bariton; Tom Sol, Bass Kölner Kammerchor Collegium Cartusianum; Peter Neumann, Ltg. Musicaphon SACD M56916 MDG 332 0983-2 2CDs Die Konzerte des Hornisten Franz Strauss hörend, versteht man, warum sein Sohn Richard zeitlebens ein Faible für (Blech-)Blasinstrumente hatte. Wer sich ernsthaft mit der Werkgenese von Bachs Johannespassion auseinander setzen will, kann an dieser Einspielung nicht vorübergehen! Brahms: Trio für Waldhorn, Violine und Klavier Es-Dur, op. 40; Ligeti: Trio für Violine, Horn und Klavier; Koechlin: Quatre petites pièces pour piano, violin et cor Johannes Dengler, Natur- und Ventilhorn; Münchner Horntrio; Markus Wolf, Violine; Julian Riem, Klavier Wolfgang Rihm: Orgelwerke FARAO classics B 108037 WERGO WER 67512 Die außergewöhnliche und einmalige Einspielung des Brahms-Horntrios auf Originalinstrumenten, kombiniert mit dem wegweisenden Werk von Ligeti wird von den impressionistisch-nachdenklichen Klängen von Koechlin zu einem ausdrucksstarken Plädoyer für diese Formation komplettiert. Wolfgang Rihm zum 60. Geburtstag im März 2012: Die Orgelwerke des Meisters – ragend, intensiv! Dominik Susteck an der Orgel der Kunst-Station Sankt Peter in Köln. Ein Muss! Juris Teichmanis: il violoncello cantabile e virtuoso Martha Mödl (1912-2001) – Das Porträt einer Legende! F. Alborea: Sonate C-Dur für Violoncello und B.c. D. Gabrielli: Ricercar Nr. 3 und Nr. 7 für Violoncello solo A. Vivaldi: Sonate B-Dur für Violoncello und B.c. G. B. Platti: Ricercata Nr. 1 u. Nr. 4 für Violine u. Violoncello F. Geminiani: Sonate VI a-Moll für Violoncello und B.c. D. Gabrielli: Sonate G-Dur für Violoncello und B.c. Ambitus amb 96 938 Die aufkeimende Bedeutung des Violoncellos als Soloinstrument im ausgehenden 17. Jh. beleuchtet Juris Teichmanis aus verschiedenen Blickwinkeln: dem Solo-Ricercar, dem Duo und der Basso continuo begleiteten Sonate. Zum 100. Geburtstag – bisher unveröffentlichte Aufnahmen! Szenen aus: Wagner: Rienzi, Tristan & Isolde, Wesendonck-Lieder, Die Walküre, Götterdämmerung; Strauss: Elektra; Fortner: Bluthochzeit; Reimann: Melusine; Tschaikowsky: Pique Dame Profil Edition Günter Hänssler PH12006 (2 CDs) Richard Strauss: Serenade für Bläser Es-Dur Franz Strauss: Konzerte 1 und 2 für Horn und Orchester César Franck: Klavierquintett f-Moll entwickelt zu einer Sinfonie für Orchester u. Klavier v. Mathias Weber Bann, Nachtschwärmerei für Orgel Fantasie für Orgel; Drei Fantasien für Orgel Sinfoniae I. Messe für Orgel; Contemplatio per organo; Siebengestalt für Orgel und Tamtam Dominik Susteck: Orgel Johann Caspar Kerll: Missae Solisten, Knabenchor Dresden, Matthias Jung Cantate C58031 Noch im späten 18. Jahrhundert wurden diese Messen bei Breitkopf & Härtel in Leipzig angeboten, Johann Caspar Kerll neben Bach und Händel als „Orpheus der Deutschen“ verehrt. Franz Liszt: Christus, Oratorium Solisten Tschechischer Philharmonischer Chor Brünn Beethoven Orchester Bonn Roman Kofman MDG 937 1366 (Hybrid-SACDs) Ohne Zweifel eine Referenzeinspielung! Die Ausnahmesängerin Martha Mödl wäre am 22. 3. 2012 100 Jahre alt geworden – dies ist der Anlass für eine Anniversary Edition mit bisher nie veröffentlichten Aufnahmen. Eine Schatztruhe voller „unerhörter“ Highlights und Entdeckungen. AUSGABE 2012 / 1 17 CLASS a k t u e l l Durch Raum und Zeit Die Sinfonie erobert die Welt – Folge 3 Felix Woyrsch Felix Woyrsch: Symphonie Nr. 1 op. 52 Symphonischer Prolog zu Dantes „Divinia Commedia“ op. 40 Hamburger Symphoniker Miguel A. Gómez-Martínez MDG 329 0588-2 Gustav Mahler: Sinfonie Nr. 4 arr. für Kammerensemble von Erwin Stein Christiane Oelze, Sopran Thomas Christian Ensemble D ie Gattung „Sinfonie“ im 20. Jahrhundert überblickshaft zu betrachten, ist gar nicht so einfach. „Was – das soll eine Sinfonie sein?“ würden Mozart oder Haydn wohl mit skeptischem Blick fragen, wenn sie eine nach 1900 unter dieser Überschrift entstandene Partitur zu Gesicht bekämen. Die Frage wäre aus Sicht der alten Meister berechtigt, denn so grundverschieden die Werke stilistisch auch sein mögen, eines haben sie (fast) alle gemeinsam: die formale Anlage, wie sie von der Zeit Haydns bis in die Hochromantik hinein verbindlich vorgegeben war, löst sich zusehends auf. Wenn man mal davon absieht, dass auch im 20. Jahrhundert eine Sinfonie noch (meist) aus vier Sätzen besteht. Wie auch in allen anderen Bereichen der Musik findet eine zunehmende Verästelung in verschiedene Strömungen statt. Wenn Arnold Schönberg in den 1920er Jahren noch davon ausging, dass die von ihm maßgeblich entwickelte zwölftönige Kompositionsweise die neue und verbindliche Richtschnur sein werde, muss man heute rückblickend sagen: der hat sich getäuscht. Von Neoromantik über neue Einfachheit, von Serialität über Postserialität bis zum Experimentieren mit elektronischen Klängen ist alles möglich und erlaubt. Die Form wird dabei immer unwichtiger (lediglich die Viersätzigkeit scheint sich hartnäckig zu halten) und tritt zugunsten der Suche nach neuen Klangerlebnissen in den Hintergrund. Diese Situation macht es schwierig, ja fast unmöglich, eine Gesamtschau zu geben. Natürlich gibt es Entwicklungslinien, bauen wie eh und je Schüler auf dem Werk der Lehrer auf, greifen Komponisten auf Vorbilder vergangener Zeiten zurück – aber dies doch mehr oder minder individuell. Daher wird unsere Reise durch die Sinfonik des 20. Jahrhunderts, die in diesem Rahmen ohnehin nur kleine Informationsschneisen hier und da legen kann, nicht chronologisch oder thematisch aufeinanderfolgend, sondern durchaus patchworkartig erfolgen. Beginnen wir gleich mit einem Spätromantiker: Felix Woyrsch. Der hatte nicht nur Pech mit seinem mährischen, schwer auszusprechenden Namen – er stand mit seinem unbändigen künstlerischen Talent auch sonst eher auf der Schattenseite des Lebens: Gerade auf dem Zenit seiner Leistungsfähigkeit – 1934 – musste der städtische Musikdirektor des großen Altonaer bürgerlichen Musikvereins aus dem öffentlichen Leben verschwinden. Durch Oratorien bekannt geworden, festigte Woyrsch um die Jahrhundertwende seinen Ruf als einer der bedeutendsten Komponisten seiner Zeit. Woyrschs Musik ist markant, seine Harmonik ist spätromantisch geweitet, die Formen sind von großer, brucknerscher Klarheit. Im Zusammenhang mit einer meisterhaften Satztechnik, hervorragendem Klangsinn und dem norddeutsch herben Ausdruck wirkt seine 1. Symphonie und der Symphonische Prolog zu Dantes ‚Divina Commedia‘ wie „weitergedachter“ Brahms – eine Trouvaille für die Hamburger Symphoniker unter Miguel A. Gómez-Martínez (MDG 329 0588-2). Einen großen Namen dagegen machte sich sehr schnell der Kapellmeister und Komponist Gustav Mahler – nicht zuletzt dank seiner großen, um nicht zu sagen riesenhaften Sinfonien. Dabei wurden die im kleinen Kreis auch durchaus kammermusikalisch musiziert. Wie zum Beispiel die 4. Sinfonie, für Kammerensemble arrangiert von Erwin Stein. Christiane Oelze, Sopran und das Thomas Christian Ensemble MDG 603 1320-2 Gustav Mahler (Hermann Behn) Sinf. Nr. 2 c-Moll „Auferstehungssinfonie“ Christiane Behn, Mathias Weber, Klavier Daniela Bechly, Sopran; Iris Vermillion, Alt Harvestehuder Kammerchor, Claus Bantzer Franz Schmidt Sinfonie Nr. 4 Intermezzo aus „Notre Dame“ Beethoven Orchester Bonn Stefan Blunier, Ltg. Joaquín Turina: Danzas fantásticas op. 22 Sinfonía sevillana op. 23; La oración del torero op. 34; La procesión del rocío op. 9 Hamburger Symphoniker Miguel Gómez-Martínez Musicaphon M 56915 MDG 937 1631-6 (Hybrid-SACD) MDG 329 0744-2 18 AUSGABE 2012 /1 Joaquín Turina CLASS a k t u e l l Gustav Mahler präsentieren diese Salonmusikfassung aus dem Jahre 1921, in der die Komposition erst zu einem echten Werk der Jahrhundertwende wird, auf MDG 603 1320-2. Die Morbidität der Zeit kommt hier ungehemmter zum Tragen als im Original. Stein schuf die Bearbeitung für Arnold Schönbergs „Verein für musikalische Privataufführungen“. Die Gründung dieses Vereins war eine Notmaßnahme gegen das ignorante Wiener Konzertpublikum, mit der Musiker wie Berg, Zemlinsky, Casella, Eisler oder Stein bewusst kulturelle Kontrapunkte setzten. Im kleinen Kreis konnten hier zeitgenössische Kompositionen vorgestellt und diskutiert werden – nur mussten sie besetzungstechnisch an die Möglichkeiten eines Wiener Salons angepasst werden. Ganz anderen Ursprungs ist die Bearbeitung von Mahlers 2. Sinfonie, der „Auferstehungssinfonie“, für Sopran, Alt, Chor und zwei Klaviere durch Hermann Behn. Der gehörte zu Mahlers engem Hamburger Freundeskreis. Der promovierte Jurist hatte auch Komposition bei Anton Bruckner in Wien und bei Joseph Rheinberger in München studiert. Sein kompositorisches Schaffen umfasst nicht weniger als neun Liederhefte und eine Klaviersonate. In ihm fand Mahler einen wichtigen Förderer, denn Behn schätzte die Musik Mahlers und unterstützte ihre Verbreitung – gerade auch mit finanziellen Mitteln – nach Kräften. So übernahm er, gemeinsam mit dem Hamburger Industriellen Wilhelm Berkhan, auch die beträchtlichen Kosten für die Uraufführung der Zweiten Sinfonie am 13. Dezember 1895 in Berlin. Mahler wiederum war von Behns Kompositionen, insbesondere von seinen Liedern, sehr angetan. Nachdem Mahler seine Zweite Sinfonie vollendet hatte, übergab er das Manuskript seinem Freund Behn, denn er wollte es in sicheren Händen wissen. Ohne Mahler darüber zu informieren, bearbeitete Behn das Werk für zwei Klaviere. Als Mahler von einer Reise zurückkam und von Behn mit dieser Bearbeitung überrascht wurde, war er begeistert. Er nannte sie „vorzüglich“ und spielte die ersten drei Sätze zusammen mit Behn vierhändig in dessen Haus. Das Manuskript wurde erst jetzt wieder von Behns Urgroßnichte, der Pianistin Christiane Behn, ausfindig gemacht, und erlebte am 17.11.2008 im Kleinen Saal der Laeiszhalle seine Hamburger Erstaufführung. Auf Musicaphon M56915 erschien ein Mitschnitt dieser Aufführung. Gibt es eine Verbindung zwischen Gustav Mahler und Franz Schmidt? Eine äußerliche schon: beide führte ihr Weg (auch) nach Wien. Franz Schmidt wuchs als musikalisches „Wunderkind“ in Pressburg auf, dem heutigen Bratislawa und Hauptstadt der Slowakei. Sein erster Klavierlehrer Theodor Leschetitzky riet ihm dringend von einer Musikerkarriere ab: „Wenn einer Schmidt heißt, soll er nicht Künstler werden.“ Die Schmidts zogen nach Wien, Franz fand am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde eine adäquate Ausbildung und eine erste Anstellung als Cellist am Wiener Hofopernorchester und den Wiener Philharmonikern. Eine leidvolle Erfahrung veranlasste Franz Schmidt zu seiner vierten und letzten Sinfonie. Nachdem er bereits seine erste Frau in einer Nervenheilanstalt dahindämmern sehen musste, verlor er 1932 auch noch seine Tochter. Die vierte Sinfonie wurde ihr Requiem. Vor allem der zweite Satz, ein bewegendes Adagio, trägt autobiographische Züge: „So stelle ich mir mein Sterben vor...“ 1939 erlag der Komponist einem Herzanfall. Der Live-Auftritt des Beethoven Orchesters Bonn in der Beethovenhalle Bonn vermittelt viel Atmosphäre und Stefan Blunier gelingt es den großen romantischen Entwurf der Sinfonie grandios zu gestalten. Nicht zuletzt dank der ausgefeilten und detailreichen 2+2+2Mehrkanal-SACD entsteht ein verschwenderischer, lebendiger Hörgenuss (MDG 937 1631-6). Weiter führt uns der Weg nach Süden in eine ganz andere Sphäre. Joaquín Turinas Musik reflektiert die mitreißende Folklore Spaniens und findet ihre Fixierung in der vorliegenden Einspielung mit den Hamburger Symphonikern unter der kompetent-spanischen Stabführung von Miguel A. Gómez-Martinez (MDG 329 0744-2). AUSGABE 2012 /1 19 CLASS a k t u e l l Miguel Gómez-Martínez: Sinfonia del Descubrimiento; Cinque Canciones sobre poemas de Alsono Gamo Marussa Xyni, Sopran; Hamburger Symphoniker; Miguel Gómez-Martínez MDG 329 0862-2 Miguel Gómez-Martínez Nachkriegsklänge. Schweiz Max Liebermann: Furioso; Richard Strauss: Metamorphosen; Arthur Honegger: 3. Sinfonie (Symphonie liturgique) Philharmonisches Orchester der Hansestadt Lübeck, Roman Brogli-Sacher Musicaphon M 56901 (Hybrid-SACD) Fagott. Orchester Arthur Honegger: 1. Sinfonie; Raffaele d‘Alessandro: Konzert für Fagott und Streichorchester, op. 75; Maurice Ravel: Alborada del Gracioso; Igor Strawinsky: Der Feuervogel Jakob Meyers, Fagott Philharmonisches Orchester der Hansestadt Lübeck, Roman Brogli-Sacher Turinas La procesión del Rocio und seine Sinfonia sevillana fängt das bunte Treiben spanischer Volksfeste zwischen Zigeunermusik und andächtiger Madonnenverehrung ein und gipfelt wie selbstverständlich in der „Marcha Real“, der heutigen spanischen Nationalhymne. Turina macht eine Urlaubsreise überflüssig. Auf einer weiteren MDG Produktion (MDG 329 0862-2) ist Miguel Gómez-Martínez nicht nur als Dirigent, sondern auch als Komponist zu erleben. Gómez-Martínez gilt als einer der führenden spanischen Komponisten und Dirigenten. In seiner Musik gehen die große symphonische Tradition und der ursprüngliche Tonfall spanischer Folklore eine beeindruckende Synthese ein. 500 Jahre Amerika – die Entdeckung des Kontinents durch spanische Seefahrer war es der Stadt Granada 1992 wert, ein monumentales Auftragswerk zu erteilen: Die Sinfonia del Descubrimento ist das eindrucksvolle Ergebnis. In der Tradition der Symphonischen Dichtung gibt der Komponist seinem Werk sprechende Überschriften: „In Spanien“ – „Die Reise“ – „Die Entdeckung“, ohne musikalisch in bloßen klanglichen Deskriptivismus zu verfallen. Seine Musik, mit dem breiten Pinselstrich des Symphonikers gezeichnet, erfährt die klangliche Überhöhung durch die Männerstimmen des NDRChores, die im dritten Satz das von den spanischen Seefahrern bei der Entdeckung Amerikas intonierte „Salve Regina“ anstimmen. Zurück nach Mitteleuropa, in die Schweiz, denn aus diesem Land kommt einer der bedeutenden Sinfoniker des 20. Jahrhunderts: Arthur Honegger. Gefördert vom großen Schweizer Mäzen Paul Sacher schrieb er fünf Sinfonien, die das Philharmonische Orchester der Hansestadt Lübeck unter der Leitung von Roman Brogli-Sacher eingespielt hat (Musicaphon M56901, M56908, M56926, M56931). Seine Sinfonien haben thematische Schwerpunkte. So entstand mitten im Grauen des zweiten Weltkriegs die 2. Sinfonie, von Paul Sacher am 18.5.1942 in Zürich uraufgeführt. Honegger gelingt es, über drei Sätze eine Spannung von Resignation und unerwarteter später Hoffnung aufzubauen, die den Hörer unmittelbar in den Bann schlägt. Seine vierte Sinfonie „Deliciae Basiliensis“ ist thematisch als Anklage gegen den Substanzverlust der Kultur zu verstehen, den er zu beobachten glaubte. Aus dem Zentrum Europas an dessen nordöstlichen Rand: nach Finnland. Finnland? Sinfonik? 20. Jahrhundert? Das kann nur heißen: Jean Sibelius. Die vorletzte Folge der bei BIS erschienenen SibeliusGesamtaufnahme bringt die Werke, für die Sibelius weltweit vor allem bekannt geworden ist (neben seinen symphonischen Dichtungen, die bereits auf Folge 2 zu hören waren und sind): seine sieben Symphonien. Die gehören unbestritten zu den ganz großen Werken des 20. Jahrhunderts. Es sind Werke, in denen er, anfänglich noch von Spätromantik und finnischer Volksmusik beeinflusst, zu seinem eigenen orchestralen Stil findet. Dieser Stil zeichnet sich aus durch vorherrschende Transparenz trotz hoher musikalischer Dichte, herbe Schroffheit, eigenwillige Rhythmik und Musicaphon M 56908 (Hybrid-SACD) Sehnsucht. Hoffnung. Weltgeschehen – Lübeck Philharmonic live Vol. 8: A. Honegger: Sinfonie Nr. 2 f. Streicher u. Trompete ad libitum; J. Castérède: Concertino für Trompete, Posaune, Streicher, Klavier und Schlagzeug; R. Strauss: Also sprach Zarathustra, op. 30 Guido Segers, Trompete; Dany Bonvin, Posaune Philharmonisches Orchester der Hansestadt Lübeck, R. Brogli-Sacher Musicaphon M 56926 (Hybrid-SACD) Sacher. Schweiz. Nachhall – C. Halffter: Teinto del primer tono y batalla imperial para orquesta; O. Schoeck: Nachhall, op. 70; A. Honegger: Sinfonie Nr. 4 „Deliciae Basiliensis“ Jun Mo Yang, Bariton Philh. Orchester der Hansestadt Lübeck, Roman Brogli-Sacher Jean Sibelius: Sämtliche Werke Vol. 12: Die sieben Symphonien Lahti Symphonieorchester Osmo Vänskä, Jaakko Kuusisto Musicaphon M56931 (Hybrid-SACD) BIS-CD-1933 20 AUSGABE 2012 /1 CLASS a k t u e l l Dimitri Schostakowitsch melodisches Pathos. Hier werden sie in einer Einspielung durch Osmo Vänskä präsentiert, einem der ausgewiesenen Sibelius-Interpreten unserer Tage. Vänskä dirigiert das Lahti Symphonieorchester, dessen Chefdirigent er 20 Jahre lang war. Ergänzt wird die Edition durch Fragmente und Alternativfassungen (ähnlich wie bei Bruckner sind derer nicht wenige), die einen faszinierenden Blick in die Werkstatt des Komponisten erlauben (BIS-CD-1933). Während Sibelius seine kompositorische Tätigkeit schon dreißig Jahre vor seinem Tod einstellte, schrieb ein anderer bis an sein Lebensende oft buchstäblich um dasselbe: Dimitri Schostakowitsch. Das Beethoven Orchester Bonn hat unter der Leitung von Roman Kofman auf MDG 937 1200-6 eine Gesamtaufnahme seiner Sinfonien veröffentlicht. Alle, die am Abend des 12. Mai 1926 die Uraufführung der 1. Symphonie von Dimitri Schostakowitsch gehört hatten, spürten es: Eine neue Seite in der Geschichte der symphonischen Musik war aufgeschlagen. Ein knappes Jahr später studierten schon alle weltweit führende Dirigenten, ob Bruno Walter oder Toscanini, die Partituren seiner Symphonien. Der Weg zur bahnbrechenden 10. Symphonie war geebnet. Spätestens seit seiner 4. Sinfonie setzte das politische Kesseltreiben ein, das Schostakowitsch an den Rand der Verzweiflung bringen sollte: Ihre Entstehung fällt in das Jahr 1936 – das Jahr, als nach einem böswilligen kritischen Artikel in der Prawda unter dem Titel »Chaos statt Musik« die öffentliche Anprangerung der genialen Werke Schostakowitschs begann, und fortan wurden die Kenner und Liebhaber der Musik Schostakowitsch zur Schicksalsgemeinschaft. Erst in den letzten Jahrzehnten seines Schaffens genoss Schostakowitsch als Symphoniker allgemeine Anerkennung in der ganzen Welt, seine geniale Musik hatte die härteste Probe – die Zeitprobe – bestanden. Immer realer, immer deutlicher spürt man heute die Unerschöpflichkeit seiner musikalischen Sprache. Und gleich noch zu einem anderen bedeutenden Russen, nämlich Alfred Schnittke. Die bislang einzige verfügbare Sammlung aller Symphonien von Alfred Schnittke ist auf BIS erschienen (BIS-CD-1767). 1987 hatte BIS mit den Aufnahmen im Rahmen der mittlerweile auf 25 CDs angewachsenen Schnittke-Edition begonnen. Diese Kollektion nun bietet eine hervorragende Gelegenheit, die kompositorische Entwicklung Schnittkes als Symphoniker nachzuvollziehen, von dem Jugendwerk, der 0. Symphonie (bis zur Aufnahme 2006 nur ein einziges Mal, 1957, aufgeführt) bis zu seiner 9. Symphonie, die er schrieb, als er schon von mehreren Schlaganfällen gezeichnet war. Die Werke zeigen große Verschiedenheit in Stil und Technik wie auch bezüglich der zugrunde liegenden Ideen. Bleiben wir noch ein wenig in Russland, einem Land mit einem großen Potential einfallsreicher Sinfoniker. Da wäre zum Beispiel Valentin Silvestrov (geb. 1937). Dessen Sinfonie Nr. 6 hat Roman Kofman mit dem Beethoven Orchester Bonn aufgenommen (MDG 937 1478-6). Silvestrov verfolgt seine Ziele als Komponist stets konsequent. In den sechziger Jahren war er ein bedeutender Vertreter der Kiewer Avantgarde und fand damit auch im Westen Resonanz. Mitte der Siebziger befreite er sich von der Avantgarde, besann sich auf traditionelle Werte – Melodie und Klangschönheit prägten seinen ganz persönlichen Stil. „Metamusik“, eine „Musik über der Musik“ nennt er seine Art ein „klingendes Musikgedächtnis“ zu schaffen, was dem Zuhörer gestattet die Boten aus der „ganzen Musik“ wiederzuerkennen… In der 1995 vollendeten 6. Sinfonie fügt Silvestrov liedartige romantische Motive, impressionistische Klangfelder, atonale Passagen und modale Tonreihen zueinander. Ergebnis ist eine bogenartige Dramaturgie in fünf Sätzen, dargeboten in 50 pausenlosen Minuten. Seine unverkennbare Besonderheit ist die akustische Nachbildung von Nachhall- und unzähligen Echoeffekten bis hinein in den Obertonbereich, die dem Zuhörer eine völlig veränderte Akustik vorgaukeln und dabei die bekannten (?) Melodiefloskeln aus ihrem originären Zeitraster herauslösen. Wir springen nun noch einmal zurück an den Anfang des Jahrhunderts, zu Alexander Scriabin. Weit spannt sich der Bogen der auf BIS-CD-1669 zusammengefassten Werke, vom Klavierkonzert (1897) bis zur Tondichtung „Prometheus“, 1909/10 entstanden und Scriabins letztes vollendetes Werk. Wenn auch die AUSGABE 2012 /1 21 Dimitri Schostakowitsch Sämtliche Sinfonien Beethoven Orchester Bonn Roman Kofman, Dirigent MDG 937 1200-6 (11 Hybrid-SACDs) Alfred Schnittke (1934-1998) Symphonien Nrn. 0-9 Div. Solisten, Chöre und Orchester; Leif Segerstam, Eri Klas, Tadaaki Otaka, Okko Kamu, Neeme Järvi, Lü Jia, Owain Arwel Hughes BIS-CD-1767 Valentin Silvestrov Sinfonie Nr. 6 Beethoven Orchester Bonn Roman Kofman, Ltg. MDG 937 1478-6 (Hybrid-SACD) Alexander Scriabin: Orchesterwerke (3 Sinfonien, Klavierkonzert u.a.) Roland Pöntinen, Klavier; Royal Stockholm Philharmonic Orchestra, Leif Segerstam BIS-CD-1669 CLASS a k t u e l l Alexander Glasunow Alexander Glasunow Sämtliche Symphonien und einzelne Orchesterstücke BBC National Orchestra of Wales Tadaaki Otaka Zeitspanne also eine kurze ist, so zeigt sie doch die Entwicklung eines Komponisten vom jungen Künstler, noch unter dem Einfluss von Chopin und Tschaikowsky, zu einem der originellsten Komponisten der Musikgeschichte. Und dies perfekt eingefangen von Interpreten, die ein außergewöhnliches Gespür für die Tonsprache eines außergewöhnlichen Komponisten zeigen. Ebenfalls auf BIS erschienen sind die Orchesterwerke von Alexander Glasunow (BIS-CD-1663). „Dieser Junge wird uns noch alle in den Schatten stellen“, prophezeite Borodin dem erst sechzehnjährigen Glasunow. Keine dreißig Jahre später galt er den dann Jungen wie Prokofjew, Strawinsky oder Schostakowitsch schon wieder als Verkörperung einer verknöcherten, überholten Tradition. Wie so oft liegt die Wahrheit in der Mitte, wie die acht Symphonien beweisen, die er zwischen 1881 und 1906 schrieb. Ein Komponist, dessen Schaffen auch stark autobiographisch geprägt ist (wie bei Schostakowitsch), ist der Pole Mieczyslaw Weinberg (1919-1996). Auf NEOS 11125 entstand eine Einspielung seiner 6. Sinfonie und der Sinfonietta Nr. 1, auf NEOS 11126 die Sinfonie Nr. 17 „Memory“. Weinberg fühlte sich zum Komponieren gezwungen, um damit sein Überleben vom Holocaust, als Einziger seiner Familie, zu rechtfertigen. Die dadurch entstandenen großartigen symphonischen und kammermusikalischen Werke sind voller Melancholie und Trotz. Allan Pettersson (1911-1980) war eine sehr eigene, eigenwillige Stimme nicht nur innerhalb der schwedischen, sondern der gesamten europäischen Musik des 20. Jahrhunderts. Er begann als Kind armer Eltern mit einer von seinem Bruder gebastelten Fidel, wurde 1939 in die königliche Stockholmer Philharmonie als Bratscher aufgenommen – und fing zu dieser Zeit an, zu komponieren. Ab Ende der 1940er Jahre konzentrierte er sich dann ganz auf die Komposition; es entstand ab 1951 seine „Symphonie Nr. 1“, die er eigentlich nie vollendete. Lindberg stellte aus dem Material eine spielbare Version zusammen, und in dieser Form hatte das Werk im Mai 2010 Premiere. Erst die 2. Symphonie wurde von Pettersson selbst vollendet. Als Einblick in die Werkstatt gibt es auf der Veröffentlichung beim Label BIS einen einstündigen Film von David Lindberg über Petterssons erste Symphonie und die Vorbereitung der spielfähigen Fassung auf DVD. Die beiden letzten Sinfonien Bohuslav Martinu° s, entstanden im amerikanischen Exil, haben Jiří Bělohlávek und das tschechische Philharmonische Orchester aufgenommen (Supraphon SU 4007-2). Die 5. ist eine durchaus politische Sinfonie und reflektiert Martinu° s Zweifel an der politischen Entwicklung in seinem Heimatland. Von 1951 bis 1953 komponierte er dann seine 6. Sinfonie für seinen Freund Charles Munch, den Chefdirigenten der Boston Symphony, und nannte das farbenreich orchestrierte Werk bezeichnend „Symphonic Fantasies“ – er kehrt hier zu den spätromantischen Wurzeln zurück. Machen wir noch einen kleinen Ausflug nach England. Das BBC Scottish Symphony Orchestra hat unter der Leitung von Martyn Brabbins William Waltons zwei Sinfonien eingespielt (CDA 67794). Drei Jahre hat Walton an der dramatischen 1. Sinfonie gearbeitet; sie spiegelt sein turbulentes Privatleben wider. Seit ihrer Uraufführung 1934 in London erfreut sie sich andauernder Beliebtheit. Die 2. Sinfonie, 1960 uraufgeführt, ist ein Meisterwerk, das aus seiner Zeit gefallen zu sein scheint. Erst allmählich hat sie sich vom Schatten ihres übermächtigen Vorgängers emanzipiert. Wenn einem solchen Rundgang durch die Sinfonik des 20. Jahrhunderts zu Recht ein Vorwurf zu machen ist, dann ist es der der absoluten Unvollständigkeit. Aber vielleicht hat er Ihnen Appetit gemacht auf die überaus spannenden kompositorischen Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte? Dann hätte er durchaus sein Ziel erreicht. Mehr geht in diesem kleinen Rahmen nicht… A. Rainer BIS-CD-1663 Mieczyslaw Weinberg: Weinberg Edition Vol. 1; Symphony No. 6 & Sinfonietta No. 1 Wiener Sängerknaben; Wiener Symphoniker Vladimir Fedoseyev, Ltg.; Symphonieorchester Vorarlberg; Gérard Korsten, Dirigent Mieczyslaw Weinberg Weinberg Edition Vol. 2 Symphony No. 17 „Memory“ Wiener Symphoniker Vladimir Fedoseyev, Ltg. NEOS 11125 (Hybrid-SACD) NEOS 11126 (Hybrid-SACD) 22 Bohuslav Martinu° Symphonies Nos 5 & 6 Czech Philharmonic Orchestra Jiří Bělohlávek, Ltg. Supraphon SU 4007-2 William Walton Symphony No 1 in B flat minor Symphony No 2 BBC Scottish Symphony Orchestra Martyn Brabbins, Ltg. Hyperion CDA 67794 AUSGABE 2012 /1 CLASS a k t u e l l Im Blickpunkt Tasteninstrumente Krzysztof Meyer (*1943) Klavierwerke: Sämtliche Klaviersonaten Aphorismen Quasi una fantasia Christian Seibert EDA 36 Meyer begann selbst als Pianist, bevor er sich ganz aufs Komponieren verlegte. Von 1966 bis 1987 unterrichtete er Musiktheorie an der Musikhochschule in Krakau und war dort von 1972 bis 1975 Dekan des Instituts. Von 1987 bis 2008 hatte er eine Professur an der Musikhochschule in Köln inne, aus der eine ganze Reihe erfolgreicher Komponisten aus Europa, Nord- und Südamerika hervorgegangen ist. Von 1985 bis 1989 war Meyer Vorsitzender des Polnischen Komponistenverbandes und Mitorganisator des Festivals „Warschauer Herbst“. Der Preisträger zahlreicher Wettbewerbe ist Mitglied der Akademie der Künste in Mannheim. Pianistisch komponiert 1991/1992 war er Composer in Residence bei der Kölner Philharmonie, 1996 entsprechend in Seattle. Meyers 1. Sinfonie gehörte zu den drei zeitgenössischen Pflichtstücken beim Internationalen Dirigentenwettbewerb 1971 in Monaco. Die Einspielung dieser Doppel-CD entstand in unmittelbarem Kontakt von Interpret und Komponist. Antonín Dvořák: Klavierquintett A-Dur op. 81 (1887) Johannes Brahms: Klavierquintett f-Moll op. 34 (1865) Nomos-Quartett Sivan Silver Gil Garburg Coviello Classics COV 51203 „Diese Musik erhebt meinen Geist“ – Sivan Silver ist nicht allein mit ihrer Begeisterung für Antonín Dvořák. Berühmt geworden ist das Wort von Johannes Brahms über seinen Kollegen und dessen unerschöpfliche Phantasie: „Ich möchte vor Neid aus der Haut fahren über das, was diesem Menschen so ganz nebenbei einfällt“. Sivan Silver und Gil Garburg bieten auf ihrer neuen CD gemeinsam mit dem Nomos Quartett den reizvollen direkten Vergleich zwischen den musikalischen Antipoden: hier der grüblerische Brahms, der sich seine durchdacht konstruierten Werke mühevoll abringen musste; da das Naturtalent Dvořák, dem die eingängigen Melodien nur so zuflogen. Gerade in den Klavierquintetten, einer nicht sehr häufig vertretenen Gattung, sind diese unterschiedlichen Charaktere – die die beiden Komponisten übrigens nicht an einer jahrzehntelangen persönlichen Freundschaft hinderten – eindeutig zu hören. Hell und Dunkel im Quintett Gleichzeitig verdeutlichen sie, dass die Pauschalurteile eben nicht die ganze Wahrheit sind: natürlich gibt es auch bei Brahms heitere Momente, ebenso wie Dvořák in seiner Musik auch in Abgründe blicken lässt. Die Pianisten, die üblicherweise als Duo auftreten, können hier ihr ganzes Ausdrucksspektrum ausnahmsweise getrennt mit je einem der Werke präsentieren – das Nomos Quartett tut das in beiden und harmoniert mit beiden Solisten gleichermaßen perfekt. Antonio Soler (1729-1783) Cembalosonaten, darunter Nr. 61 C-Dur Anna-Maaria Oramo, Cembalo Josef Matthias Hauer Etüden op. 22 Steffen Schleiermacher, Klavier MDG 613 1640-2 Alba ABCD328 Soler, Sohn eines Militärkapellmeisters, studierte Orgel und Cembalo, Komposition und Musiktheorie an der Klosterschule von Montserrat. Mit 23 Jahren trat er in einen Orden an El Escorial ein, wurde dort mit 28 Jahren maestro di capella. Die königliche Familie residierte regelmäßig im Kloster, und Soler wurde so auch zum Musiklehrer der königlichen Kinder. Insbesondere zum Infanten Gabriel de Bourbon entwickelte sich ein freundschaftliches Verhältnis; die meisten der 120 Sonaten Solers sind als Unterrichtsmaterial für den musikalisch hochbegabten Prinzen geschrieben. Thronfolgers Lieblingsmusik Stilistisch ist der Einfluss Domenico Scarlattis unverkennbar, der ebenfalls für den spanischen Hof als Cembalist tätig war (und seinerseits offenbar von Soler beeinflusst wurde). Auch hinsichtlich der spieltechnischen Anforderungen stehen die Werke Solers denen Scarlattis in nichts nach. Die Sonaten sind meist kurz, zwei- bis viersätzig. Sonate Nr. 61 in C ist eine Ausnahme mit einer Spieldauer von gut 10 Minuten. Solers späte Werke, die dann schon nicht mehr für das Cembalo, sondern den neumodischen Hammerflügel gedacht sind, weisen schon deutlich frühklassizistische Züge auf. AUSGABE 2012 /1 23 Die Etüden „opus 22 werden hoffentlich von den Klavierspielern genehmigt werden. Zwei Hände und ein guter Anschlag genügen, um die jubelnden Klangorgien zum Ausdruck zu bringen. Ich meine, sie können sich auch im Konzertsaal hören lassen.“ Es sind weniger Finger- als vielmehr Kompositionsstudien, mit denen Josef Hauer die von ihm erfundene Zwölftontechnik hier auf den Prüfstand legt – allerdings finden seine Werke heute so gut wie nie mehr den Weg auf die Konzertbühnen, so dass Steffen Schleiermacher wieder mal mit einer veritablen Ersteinspielung punkten kann. Das Einzig Wahre Was noch mehr erstaunt ist die Widmung gerade an Arnold Schönberg, mit dem er doch so erbittert um die Erfindung stritt. Der Zwist mit dem ungleich populäreren Schönberg sollte in dem Stempel kulminieren, den Hauer ab 1937 unter alle seine Werke setzte: „Der geistige Urheber und immer noch einzige Kenner der Zwölftonmusik“. Dabei haben aus heutiger Sicht beide Systeme nichts miteinander zu tun, Schönberg – in der direkten Folge der Hochromantik – sucht Abwechslung und Expressivität in einer absoluten Gleichberechtigung der 12 Töne ohne jeden tonalen Aspekt – und wie tonal, entspannt und unangestrengt wirkt Hauers Musik doch über weite Strecken und lässt den Hörer doch ohne jedes Bezugssystem, nur der Kraft der Intervalle vertrauend. Dass Hauer in keiner der Etüden Hinweise auf Tempovorstellungen, Dynamik, Phrasierung oder Artikulation gibt, ist dabei nur logisch und eine besondere Herausforderung an die Intuition des Spielers. CLASS a k t u e l l Im Blickpunkt Konzert Orchester W. A. Mozart Klavierkonzert F-Dur KV 413 Klavierkonzert A-Dur KV 414 Klavierkonzert C-Dur KV 415 Andrea Bacchetti, Klavier Orchestra di Padova e del Veneto, Carlo Goldstein W. A. Mozart Klavierkonzerte Vol. 8 Konzert Nr. 24 KV 491 c-Moll Konzert Nr. 25 KV 503 C-Dur Christian Zacharias, Klavier u. Leitung Orchestre de Chambre de Lausanne Anton Bruckner Sinfonie Nr. 1 in c-Moll (1. Fassung 1868) sinfonieorchester Aachen Marcus Bosch Jean Sibelius (1865-1957) Symphonie Nr. 2 D-Dur, op. 43 Symphonie Nr. 5 Es-Dur, op. 82 Minnesota Orchestra, Osmo Vänskä Coviello Classics COV 31115 BIS-SACD-1986 MDG 940 1737-6 (Hybrid-SACD) Dynamic CDS713 Beide Konzerte dieser Folge stammen aus dem Jahre 1786, KV 491 in c-Moll entstand in großer Eile während der Arbeit an der Oper Figaro am 24. März – KV 503 in C-Dur folgte am 4. Dezember während der Arbeit an der Prager Sinfonie. Christian Zacharias und sein Kammerorchester Lausanne lassen sich wesentlich mehr Zeit. Zum Glück, denn diese Gesamteinspielung verspricht schon jetzt einen der vordersten Ränge in der internationalen Bestenliste einzunehmen, gelingt es doch Zacharias immer wieder mühelos, seine unnachahmliche Anschlags- und Klangkultur perfekt aufs Orchester zu übertragen. Die Uraufführung des mit Bläserpartien üppig ausgestatteten c-Moll Konzertes war überaus erfolgreich, dabei müssen die Hörer doch überrascht worden sein von dem derart symphonisch verwobenen Ineinander von Solist und Orchester und dem leidenschaftlichen Tonfall, mit dem sich das Stück weit von den gewohnten Traditionen entfernt. In KV 503 überwiegt wieder der virtuose Ansatz, wenngleich Mozart auch hier bravourös die stimmlichen Verflechtungen gestaltet und mit höchst überraschenden harmonischen und klanglichen Nuancen aufwartet. Fast am Ende des Weges wenden sie sich dem Anfang zu – Marcus Bosch und das sinfonieorchster Aachen vervollständigen ihren international hoch gelobten Bruckner-Zyklus mit der ersten Sinfonie, der Initialzündung für einen eigenen sinfonischen Kosmos – wenn man die annullierte f-Moll-Sinfonie (nach Bruckners Worten eine „Schularbeit“) aus dem Jahre 1863 außer Acht lässt. Die so genannte „Nullte“, die Bosch ebenfalls noch aufnehmen will, entstand erst nach der Ersten. Bruckner war schon über 40, als er mit diesem Werk begann. Zu diesem Zeitpunkt war er als Organist und Kirchenkomponist bekannt; als Sinfoniker aber brauchte er einen langen Atem: Das 1868 vollendete „gültige“ Erstlingswerk dieser Gattung wurde zunächst kaum beachtet und fand erst 22 Jahre später in überarbeiteter Form Resonanz. Aufführungen und Einspielungen von Werken seines großen Landsmannes Jean Sibelius waren es, die dem finnischen Dirigenten Osmo Vänskä zu Beginn seiner Dirigentenkarriere schnell internationale Aufmerksamkeit bescherten. Dabei begann Vänskä seine musikalische Laufbahn nicht als Dirigent, sondern als Klarinettist. Nach dem Studium an der Sibelius-Akademie Helsinki und in Berlin bei Karl Leister war er zunächst 1. Klarinettist im Philharmonischen Orchester Turku (1971-1977) bzw. 1977- 1982 stellvertretender 1. Klarinettist der Helsinki Philharmonie. Das Dirigierexamen an der Sibelius-Akademie legte er 1979 bei Jorma Panula ab. 1982 gewann Vänskä den Dirigentenwettbewerb in Besançon. Anfang der 1990er Jahre nahm er mit dem Lahti Symphonieorchester, dessen Chefdirigent er damals war, diverse Tondichtungen und die sieben Symphonien für BIS auf. Die Einspielungen wurden umgehend zu Referenzen für einen neuen interpretatorischen Zugang zum Werk des Finnen. Mozart komponierte diese drei Konzerte zwischen Sommer 1782 und Januar 1783 zum eigenen Gebrauch, seine in der Saison 82/83 anstehenden Konzerte in Wien im Blick. Die wurden ein voller Erfolg für ihn als Komponisten wie als Pianisten. Wie er seinem Vater am 28.12.1782 schrieb, ging es ihm darum, genau den schmalen Grat zu treffen zwischen „zu schwierig“ und „zu leicht“. Fröhlich sollten die Konzerte sein, natürlich in der Melodik, aber nicht flach, mit Passagen, an denen sich die „Kenner“ ergötzen können – die aber so verpackt, dass auch nicht vorgebildete Hörer ihren Spaß haben (vielleicht ohne zu wissen, warum). Elegante Balance Und genau dieser Balanceakt macht diese drei Konzerte zu einigen der erfolgreichsten Werke aus jenen frühen Wiener Tagen. Hier mit der entsprechenden Leichtigkeit und Eleganz von Andrea Bacchetti vorgetragen. Im Jahre 1977 geboren, erhielt Bacchetti noch ganz jung Ratschläge von Künstlern wie Karajan, Magaloff, Berio und Horszowski. Schon als Elfjähriger debütierte er mit I Solisti Veneti unter der Leitung von Claudio Scimone. Seither tritt er immer wieder erfolgreich bei den internationalen Festivals auf. 2012 wird Bacchetti als Gast des Sapporo-Festivals eine Tournee nach Japan unternehmen und mit der Russischen Kammerphilharmonie eine Tournee durch Belgien folgen lassen. Klangspiel Auch klanglich wartet diese Veröffentlichung mit einer Besonderheit auf: KV 503 gehörte zu den ersten Aufnahmen, die MDG und Zacharias im noch nicht restaurierten Metropole Lausanne machten und als DVD-Audio veröffentlichten – es erscheint nun in dieser Reihe erstmals (in einer neuen Mischung) als SACD und erlaubt einen faszinierenden musikalischen und audiophilen Klangvergleich. 24 Zyklus mit Erstling fast vollendet Heute steht meist wieder die Urfassung auf den Spielplänen der großen Orchester. Hier kommt der eigene Charakter der Ersten unverfälscht zur Geltung: Weniger religiöses Pathos, dafür mehr rhythmische Energie und Erfindungsreichtum als in den späteren Werken ergeben einen Bruckner, der unverkennbar Bruckner ist, aber mit unerwarteter Spritzigkeit überrascht. Das kommt dem zupackenden Stil und dem durchsichtigen Klangbild entgegen, für das Marcus Bosch berühmt geworden ist. Unter seiner Leitung bewältigen die Aachener auch diesen Akt des großen Zyklus bravourös. AUSGABE 2012 /1 Mit Abstand betrachtet Aus dem zeitlichen Abstand heraus und in seiner neuen Partnerschaft mit dem Minnesota Orchestra, dessen Chefdirigent er seit 2003 ist und mit dem er bereits einen vielbeachteten BeethovenZyklus einspielte, ist es für Vänskä nun an der Zeit für eine Neuaufnahme der Symphonien. CLASS a k t u e l l New for Fifty Years Igor Strawinsky (1882-1971) L‘Oiseau de Feu (Der Feuervogel) Greeting Prelude (1955) + Strawinskys Orchestrierungen u. Arrangements von Tschaikowsky: Pas de deux Jean Sibelius: Canzonetta Frédéric Chopin: Nocturne As-Dur; Grande Valse Brillante Bergen Philharmonic Orchestra, Andrew Litton Im Auftrag von Paul Sacher Béla Bartók: Divertimento für Streichorchester Sándor Veress: Konzert für Klavier, Streicher und Schlagzeug Henri Dutilleux: Mystère de l‘instant für Streicher, Cymbalom und Schlagzeug Dénes Várjon, Klavier Orchestre de Chambre de Lausanne, Heinz Holliger BIS-SACD-1874 Claves CLA50-1113 „Der Feuervogel“ war Strawinskys erstes abendfüllendes Ballett – aber nicht die erste Zusammenarbeit mit Diaghilev und seinem „Ballets Russes“. Schon 1909, ein Jahr vor der triumphalen Premiere des „Feuervogel“, hatte der charismatische Impresario Strawinsky beauftragt, zwei Klavierkompositionen Chopins für ein Ballettprojekt zu orchestrieren. Vom Ergebnis überzeugt, durfte Strawinsky dann die Musik für Diaghilevs nächstes großes Projekt schreiben – es entstand der „Feuervogel“. Litton hat sich entschieden, nicht eine der späteren zwei Orchestersuiten einzuspielen, sondern die originale Ballettpartitur. Kaum jemand hat die Musik der Moderne so sehr beeinflusst und geprägt wie Paul Sacher, der nicht nur großzügiger Förderer neuer Musik war, sondern auch selbst als Dirigent hervortrat. Heinz Holliger suchte für diese Aufnahme Werke aus (entstanden zwischen 1939 und 1989), deren Komponisten ihm aus ganz unterschiedlichen Gründen sehr nahe sind, wie er sagt, und weil so viel Gemeinsames durch diese drei Kompositionen geistert. Das liegt zum einen an der Besetzung des von Sacher gegründeten Basler Kammerorchesters, aber auch an Vorgaben Paul Sachers, der alle drei Kompositionen in Auftrag gegeben hatte: er wollte etwas Schlagzeug dabei haben und nicht allzu viele Streicher. Feuervogel als Feuertaufe Und so kommen wir Hörer in den Genuss der geradezu unglaublichen Orchesterfarben (Igor Strawinsky selbst sprach später von einer „verschwenderisch umfangreichen“ Orchestrierung), die nur teilweise in den Orchestersuiten nachzuvollziehen sind. Besonders eindrucksvoll natürlich in der SACD-Mehrkanalversion. Großzügig gefördert Ganz deutlich wird der SacherBezug in „Mystère de l‘instant“ von Dutilleux. Vieles in seinem Werk ist von Bartóks „Musik für Saiteninstrumente“ beeinflusst, Sachers berühmtester und bedeutendster Auftragskomposition. Neu seit fünfzig Jahren Warum noch platzraubende Schallplatten oder CDs sammeln, wo sich dank Digitaltechnologie die gesamte Musikgeschichte bequem überallhin mitnehmen und jederzeit abrufen lässt? Doch gerade die Unmenge an Musik macht ein Speziallabel für neue Musik heute nötiger denn je. Entscheidend ist die sorgfältige Selektion und Edition von Qualität, die Auswahl von Komponisten, Werken, Interpreten, Einspielungen, Aufnahmetechnik und Einführungstexten mit fundierten Analysen und erhellenden Hintergrundinformationen, die ein Gesamtschaffen oder Einzelwerk sinnvoll kontextualisieren und Zugänge öffnen. Seit fünfzig Jahren folgt WERGO dem Motto „Klasse statt Masse“. Das hat die Marke (mit dem Namenskürzel ihres Gründers WERner GOldschmidt) zu einem weltweiten Gütesigel neuer Musik gemacht. Die erste Langspielplatte WER 60001 erschien 1962 mit einer Aufnahme von Arnold Schönbergs „Pierrot lunaire“ in einer Einspielung unter Leitung von Pierre Boulez. Kaum zwanzig Jahre nach Nationalsozialismus und Zweitem Weltkrieg war dies eine programmatische Ansage. Die vordem verfemte Moderne von Schönberg, Strawinsky, Bartók und Hindemith sollte wieder zugänglich und zugleich die jüngste Komponistengeneration erstmals einem breiteren Publikum jenseits spezieller Avantgardefestivals, Konzertund Rundfunkreihen bekannt gemacht werden. Inzwischen ist die Zahl der Veröffentlichungen auf rund 600 CDs angewachsen. Große Bedeutung hatten von Anfang an Ersteinspielungen herausragender Werke der jüngsten Musikgeschichte von Hartmann, Zimmermann, Cage, Nancarrow, Boulez, Nono, Stockhausen, Ligeti, Henze, Kagel, Schnebel, Riley, Reich und vielen anderen, die oft mit Preisen ausgezeichnet wurden. Als eines der ältesten und renommiertesten Labels neuer Musik wirkt WERGO – seit 1970 Teil von Schott Music mit weiteren spezialisierten Editionsreihen für Akustische Kunst, Naturklänge, Computer- und Weltmusik – im Dickicht der zahllosen Untersparten wie ein Kompass. Die hier veröffentlichten Referenzwerke bieten nicht nur ein „Who is Who” der neuen Musik von Adorno bis Zimmermann, sondern leisten auch einen wichtigen Beitrag zur Herausbildung eines zeitgenössischen Repertoires. Da sich dieses ständig erweitert, bleibt auch in Zukunft viel zu tun. R. Nonnenmann Vertriebe: Deutschland: note 1 music gmbh, 06221/720351, [email protected] Österreich: Lotus Records, 06272/73175, [email protected] Schweiz: Tudor, 044/4052646, [email protected] Fordern Sie bitte unseren Katalog an! WERGO, Weihergarten 5, 55116 Mainz, Germany, [email protected] www.wergo.de AUSGABE 2012 /1 25 CLASS a k t u e l l Im Blickpunkt Kammermusik Johannes Brahms Sonaten für Klavier und Violoncello op. 38 und op. 99 Laura Buruiana, Violoncello Matei Varga, Klavier Jean Françaix Oktett, Klarinetten-Quintett Divertissement Charis Ensemble MDG 308 0300-2 Coviello Classics COV 51204 Johannes Brahms nennt sie ihre „erste musikalische Liebe“ – und da war es nur konsequent für die rumänische Cellistin Laura Buruiana, sich der Herausforderung zu stellen und seine beiden Sonaten aufzunehmen. „Ich wollte sie so spielen, als ob sie gerade für mich geschrieben und noch nie aufgenommen worden wären“, meint sie, und das hört man der Neueinspielung auch an. Auch im Leben ihres Klavierpartners Matei Varga spielt Brahms eine ganz besondere Rolle: „Für mich sind zwei der wichtigsten Eigenschaften eines Menschen Großzügigkeit und Wärme. Großzügigkeit und Wärme in Tönen Natürlich suche ich auch in der Musik danach. Und ich denke ehrlich, es gibt keinen anderen Komponisten, der diese beiden entscheidenden Dinge besser verkörpert.“ Es lohnt sich, die oft gespielten Sonaten aus der Sicht dieser beiden Überzeugungstäter neu zu erleben: ihr unmittelbarer emotionaler Zugang legt Schichten frei, die anderswo oft in Routine untergehen. Die gegensätzlichen und doch beide Brahmstypischen Sonaten – im Abstand von gut 20 Jahren entstanden und damit charakteristisch für verschiedene Lebensphasen – entfalten eine faszinierende Ausdrucksvielfalt zwischen romantischer Schwärmerei und strenger Konzentration. Das Duo meistert dieses Kernstück des Kammermusik-Repertoires nicht nur mit frischem Blick und emotional intensiv, sondern auch technisch souverän. Das Charis Ensemble präsentiert mit dem Oktett, Divertissement und Klarinettenquintett drei kammermusikalische Hauptwerke von Jean Françaix in einer taufrischen Wiedergabe, bei der instrumentale Perfektion und augenzwinkernder Humor eine mitreißende Symbiose eingehen. Das Klangbild ist stereophonisch klar, kammermusikalisch transparent, mit der gehörigen Portion Raumklang sehr natürlich aufgenommen. So überrascht es, dass die Tonaufnahme im Konzertsaal von Schloss Nordkirchen schon 1987 gemacht wurde. Dass sie in 25 Jahren Lagerhaltung keinerlei Klangstaub angesetzt hat, macht diese Wiederveröffentlichung umso wertvoller für den aktuellen Katalog. Chapeau! Das Charis Ensemble „musiziert so perfekt, dass ich, wenn man meine Musik nicht mag, keinerlei mildernde Umstände gelten machen könnte“ ( Jean Françaix). Die Stimmen sind hochkomplex und mit einer Vielzahl von überraschenden rythmischen und klanglichen Einfällen komponiert, und nur im perfekten Zusammenklang der Solisten erschließen sich die ironisch witzigen Anspielungen z. B. an den Wiener Walzer: In jedem Fall ist das Unterhaltung auf höchstem Spaßniveau mit französischem Esprit. 26 La Carte de Tendre – Die Landkarte der Zärtlichkeit Musik am Hof Ludwig XIV. von Jacques M. Hotteterre, François Couperin, Elisabeth Jacquet de la Guerre, Michel P. de Monteclair, Michel de la Barre Ulrike Volkhardt, Blockflöten Ann Morgan, Cembalo Mit Lesetexten aus Madelaine de Scudéry: „Clélie“ Musicaphon M56941 Dass in der Stadt Paris sowohl Musik als auch Literatur ein zweites reiches Leben führten, ist nur wenig bekannt. Vor allem Frauen waren es, die einen geistigen Raum zum künstlerischen Austausch auf hohem Niveau gestalteten. Abseits der konventionellen Erwartungen und Möglichkeiten schuf u.a. Madeleine de Scudéry einen hoch angesehenen literarischen Salon, den auch viele Männer besuchten. Als Romanautorin war sie äußerst erfolgreich und stand im Zentrum des gesellschaftlichen Lebens in der Cité. Ihrem zehnbändigen Roman „Clélie“ fügte sie „Carte de Tendre“, eine wahrhaft gemalte Landkarte der Zärtlichkeit bei. Das Programm der CD führt mit der Musik und Auszügen aus „ Clélie“ (als Lesetexte im Booklet) in das nicht nur höfische und nicht nur barocke Arkadien der Gefühle. Arkadien der Gefühle Die Lesetexte können das Hören der Musik begleiten und sind im französischen Original unter Beibehaltung von ursprünglicher Orthographie und Interpunktion sowie in deutscher Übersetzung abgedruckt. Eine Besonderheit ist die Verwendung eines prachtvollen Cembalos aus der Werkstatt von Andreas Ruckers von 1628. Das hier erklingende Instrument gehört zu den besonders raren originalen Ruckers-Cembali, deren Korpus unverändert geblieben ist. Lediglich der Umfang wurde 1728 erweitert (petit ravalement). Von Andreas Ruckers sind weltweit insgesamt nur zwölf der kostbaren zweimanualigen Cembali erhalten. AUSGABE 2012 /1 Luigi Boccherini Streichtrios op. 14 Flieder Trio MDG 308 0378-2 Es brauchte geraume Zeit, bis sich aus dem Hochbarock der klassische Stil entwickeln konnte. „Aus der Seele muß man spielen, und nicht wie ein abgerichteter Vogel“, charakterisierte Carl Philipp Emanuel Bach das Neue pointiert. Lange Zeit wurde Boccherini schlicht übergangen und als „Meister des Übergangs“ kam er bald aus der Mode. Völlig zu Unrecht, wenn man die stilistisch so vielfältigen und im Ausdruck so dichten Trios op. 14 hört, die er selbst als „opera grande“ bezeichnet. Boccherini hatte eine enorme Produktivität, 90 Streichquartette, 125 Streichquintette, 30 Sinfonien, 50 Streichtrios erschienen in Paris, London und Amsterdam in immer wieder neuen Auflagen. Er hat uns „mit mehr ausgezeichneten Kompositionen versorgt, als irgendein Meister unserer Zeit – ausgenommen Haydn“ jubelt der Musikkritiker Charles Burney, wobei „sein Stil kühn, meisterhaft und elegant“ und – wie wir heute wissen – von der Expressivität der Frühklassik geprägt ist. Klangsinnige Frische Die höchst abwechslungsreichen Trios op. 14 entstanden 1772 in Madrid, wo Boccherini sicher ganz hervorragende Mitspieler gefunden hat, denn es ist ein großes Vergnügen den ebenso virtuosen wie klangsinnigen Cellopart in ebenbürtiger Partnerschaft der anderen Stimmen zu hören. Die vom Flieder Trio schon 1990 in feinster Konzertsaalakustik erstmals eingespielte Aufnahme tönt dank der vorzüglichen Digitalaufnahme auch heute noch völlig taufrisch und authentisch „aus der Seele gespielt“ aus den Lautsprechern. CLASS a k t u e l l Im Blickpunkt Kammermusik Robert Schumann (1810-1856) Sonaten für Violine und Klavier: Sonate Nr. 1 a-Moll op. 105 Sonate Nr. 2 d-Moll op. 121 Sonate Nr. 3 a-Moll WoO2 Ulf Wallin, Violine Roland Pöntinen, Klavier Alexander Glasunow Sämtliche Streichquartette Vol. 5 Streichquartett Nr. 1 op. 1 D-Dur und Nr. 7 op. 107 C-Dur Utrecht String Quartet MDG 603 1736-2 BIS-SACD-1784 Die drei Violinsonaten entstanden in nur zwei Jahren zwischen 1851 und 1853. Da in derselben Zeit auch große Werke wie das Violinkonzert und die Fantasie für Violine und Orchester entstanden, haben sie nie so recht die Aufmerksamkeit gefunden, die ihnen eigentlich zukäme. Dabei handelt es sich um ausgesprochene Meisterwerke, die in ihrer Konzeption, verglichen mit dem Schaffen von Zeitgenossen, ziemlich einsame Gipfelpunkte darstellen. Anregung vom Konzertmeister Angeregt zur Komposition wurde Schumann wohl durch Ferdinand David, Konzertmeister des Gewandhausorchesters, der Schumann schrieb: „Ich bin außergewöhnlich begeistert von Ihren Fantasiestücken für Klavier und Klarinette; warum schreiben Sie nicht einmal etwas ähnliches für Violine und Klavier? ... Es wäre wunderbar, wenn Sie etwas in der Art schreiben würden, dass Ihre Frau und ich dann für Sie spielen könnten.“ – Der schwedische Geiger Ulf Wallin ist regelmäßig bei international renommierten Festivals zu Gast. Sein Interesse an zeitgenössischer Musik führte zu enger Zusammenarbeit mit bedeutenden Komponisten wie Anders Eliasson, Alfred Schnittke und Rodion Shchedrin. Bis 1993 war er Gastprofessor an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien, 1992 erfolgte die Berufung als Professor an die Hochschule für Musik in Detmold, seit 1996 ist er Professor für Violine an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin. Ein furioses Projekt ist abgeschlossen: Das Utrecht String Quartet beendet mit Vol.5 die Gesamteinspielung der Streichquartette von Alexander Glasunow und schlägt diesmal den Bogen vom überbordenden Jugendwerk des 17jährigen Hochbegabten zum 7. Streichquartett, das 1930 als eines der letzten Werke des damals 70jährigen Komponisten in Paris entstand. Das Utrecht String Quartet glänzt mit absoluter Beherrschung der Form, beweist gedankliche Konzentration, inhaltliche Tiefe und begeistert mit einem nuancierten Reichtum der Klangfarben: Eine famose Visitenkarte dieses sympathischen niederländischen Ensembles. Expertise Rimski-Korsakow legte angesichts des jungen Genies seine ohnehin zerfurchte Stirn in Falten, konnte er seinem Eleven doch auf dem Gebiet der Musiklehre und des Solfège nichts mehr beibringen. Mit 16 waren die Studien abgeschlossen – endlich durfte der kleine Alexander an die Kammermusik. Und was für Brahms die „Neuen Bahnen“ waren, wurde für Glasunow der „junge Samson“: Als solcher wurde der 17jährige nämlich bei seinem Debüt von der Petersburger Fachpresse gefeiert. Seine 1. Sinfonie hatte die gesamte russische Hautevolee von den Sitzen gerissen. Und das Beste sollte erst noch kommen, das erste Streichquartett war nämlich zeitgleich entstanden... Auch in seinem letzten Streichquartett offenbart Glasunow alle Facetten seiner musikalischen Natur, formt sanfte, runde Konturen, meißelt prägnante rhythmische Figuren heraus oder schafft einfach nur grandios-melancholische Themen in einer raffinierten Mischung aus klassischen und national-folkloristischen Elementen mit geheimnisvollen Märchenbildern bis hin zum festlichen Glockengeläut. Was für eine klangstarke Referenz an die entfernte Heimat! Dmitri Hvorostovsky jetzt bei Ondine mit Romanzen seines Landsmannes Rachmaninow ODE 1207-2 AUSGABE 2012 /1 27 EXKLUSIV-VERTRIEB FÜR DEUTSCHLAND: Naxos Deutschland GmbH www.naxos.de Newsletter: [email protected] www.ondine.net CLASS a k t u e l l Im Blickpunkt Kammermusik Johannes Brahms: Trio Es-Dur op. 40 Kelevi Aho: Solo X für Horn (2010) György Ligeti: „Hommage à Brahms“ Marie-Luise Neunecker, Horn Antje Weithaas, Violine Silke Avenhaus, Klavier BIS-SACD-1859 Die zwei Werke für die ungewöhnliche Kombination von Horn, Violine und Klavier bringen zwei Komponisten zusammen, die gegensätzlicher kaum gedacht werden können. Da ist zum einen Johannes Brahms, der große Traditionalist Ausgangs des 19. Jahrhunderts, zum anderen György Ligeti, 90 Jahre nach Brahms geboren und einer der innovativsten und progressivsten Komponisten seiner Zeit. Wie ausgerechnet Brahms darauf kam, für diese bis zu seinem Trio „unerhörte“ Instrumentenkombination zu schreiben, ist nicht bekannt. Er hat selbst in seiner Jugend Horn gespielt, und dies war auch das Hauptinstrument seines Vaters. Unerhörte Kombination Inhaltlich wurde das Werk stark beeinflußt durch den Tod der Mutter 1864; der elegische dritte Satz, das „Adagio mesto“, ist einer von Brahms‘ anrührendsten und persönlichsten langsamen Sätzen. Ligeti komponierte sein Trio anlässlich der Feierlichkeiten zu Brahms‘ hundertfünfzigstem Geburtstag. Auch wenn er ihm den Untertitel „Hommage à Brahms“ gab – an Brahms erinnert allenfalls ein konservatives Lächeln, wie Ligeti selbst sagt, aber „aus ironischer Distanz“. Weltmusik Beaux Arts Trio Antonín Dvořák: Klaviertrio e-Moll „Dumky“ Felix Mendelssohn Bartholdy: Klaviertrio Nr. 1 d-Moll op. 49 Daniel Guilet, Violine Bernard Greenhouse, Violoncello Menahem Pressler, Klavier Doron DRC4021 Das Beaux Arts Trio, eines der weltweit bekanntesten und anerkanntesten Klaviertrios im 20. Jahrhundert, wurde im Jahr 1955 von drei namhaften Künstlern gegründet: Daniel Guilet, Violine, Bernard Greenhouse, Violoncello und Menahem Pressler, Klavier. Letzterer war der Organisator und ruhende Pol; er ist als einziger aus der Gründungstroika bis zum Schluss dabei geblieben, während Geiger und Cellist mehrfach wechselten. Bis heute rufen die Interpretationen dieser Musiker, die ihre eigene brillante Persönlichkeit ganz in den Dienst des Ensembles stellten und so trotz der Besetzungswechsel zu einer bewundernswerten künstlerischen Einheit verschmolzen, bei Musikfreunden und Kritikern auf der ganzen Welt Bewunderung hervor. Das Trio galt über 50 Jahre als wegweisend vor allem im klassisch-romantischen Repertoire. Ein legendäres Ensemble Bereits 2008 verkündeten Hope, Meneses und Pressler die Auflösung des Ensembles, gaben aber am 23.8.2009 noch ein letztes Abschiedskonzert bei den Mendelssohn-Festtagen in Leipzig. 28 Classica Española Werke von Enrique Granados, Isaac Albéniz, Manuel de Falla, Omar Acosta, François Rabbath, Juan Lama und Chick Corea Anette Maiburg, Flöte Andreas von Wangenheim, Gitarre Wlodzimierz Gula, Kontrabass Alberto Alarcón, Kastagnetten Juan Lama, Flamenco-Gitarre Luis Llorente, Cajón, Tinaja Jesus González Brito, Cuatro, Bandola MDG 910 1727-6 (Hybrid-SACD) Es ist faszinierend, mit welcher Treffsicherheit Anette Maiburg für ihre bei MDG erscheinende Konzeptreihe „Classica…“ immer wieder neue Partner findet, die das jeweilige Lokalkolorit mit ihren traditionellen Instrumenten auf höchst natürliche und inspirierende Weise mit den Klängen von Querflöte, klassischer Gitarre und Kontrabass zu verbinden wissen. Nach der kubanischen, venezolanischen und argentinischen Folge ist es diesmal eine musikalische Vergnügungsreise in die vielfältigen Regionen der spanischen Folklore und Klassik. Spanischer Zauber Was wäre Spaniens Musik ohne die Gitarre – und so beginnt die Rundwanderung mit „Andaluza“ aus den Spanischen Tänzen von Granados mit Flöte und Gitarre, zu denen sich schon in Albéniz’ „Malagueña“ Kontrabass und Kastagnetten gesellen, in Omar Acostas „Jazmin“ zusätzlich befeuert von Flamenco-Gitarre, Bandola und Cajon. Und ganz nebenbei entstehen so äußerst reizvolle Arrangements, bei denen sich die Frage ob Klassik, Folklore, Jazzimprovisation, E oder U gar nicht stellt: Ein zauberhafter audiophiler Ohrenschmaus, der dank der fein austarierten 2+2+2Aufnahmetechnik in ihrer Räumlichkeit und klanglichen Präzision unmittelbar unter die Haut geht. AUSGABE 2012 /1 Wort und Musik Legenden und Gebete Frieder Meschwitz: Das Rotkehlchen / Matthäus 1, Vers 16 oder Der springende Punkt im roten Faden Christoph J. Keller: Christophorus Heinrich Gattermeyer: Blumengebete Duo Pianoworte: Helmut Thiele, Sprecher Bernd-Christian Schulze, Klavier Musicaphon M56933 Helmut Thiele & Bernd-Christian Schulze: „Auf einer CD Glaubensinhalte mit einer Mischung aus Ernsthaftigkeit und Humor zu verbinden, das war für uns eine überaus reizvolle Aufgabe. Gerade die literarische Gattung der Legende ist hervorragend geeignet, um in der Verbindung mit Musik Hörer in den Bann zu ziehen. Glaube und Humor Einmal mehr erwies sich dabei das Klavier als ein Instrument, welches mit seinen mannigfaltigen Klangmöglichkeiten im Flügelinnenraum ein perfektes klingendes Bühnenbild liefern kann: z.B. für die in ihrer Direktheit fast provozierende Kreuzigungsszene im Rotkehlchen oder für den Auftritt des Teufels in der Christophorus-Legende. Und mit dem „religiösen Augenzwinkern“ in den Blumengebeten und in Matthäus 1, Vers 16 möchten wir bei unseren Hörern Offenheit auch für ernstere Hintergründe erreichen. Denn bei unseren Aufführungen haben wir eines immer wieder erlebt: Gerade mit Humor lassen sich viele Türen öffnen!“ CLASS a k t u e l l «RAFF, der Liszt sein halbes Leben opferte.» Hans von Bülow zum 190. Geburtstag Besondere Aufnahmen JOACHIM RAFF (1822 – 1882) Music In and On The Air Werke von Bach, Saint-Saëns, Rachmaninow, Franck, Beethoven, Villa-Lobos Clara Rockmore, Theremin Abdelazer Suiten von Henry Purcell, nach einer Tragödie von Aphra Behn Orchestre Le Phénix Linard Bardill & John Holloway, Erzähler Roméo ROM7286 Coviello Classics COV 21202 (2 CDs) Clara Rockmore (1911-1998) wurde als Virtuosin auf dem Theremin bekannt. Es ist das erste elektronische und das einzige verbreitete Musikinstrument, das berührungslos gespielt wird und dabei direkt Töne erzeugt. Sein Name geht auf den russischen Erfinder Lew Termen zurück, der sich in den USA Leon Theremin nannte. Beim Theremin verändert die elektrische Kapazität des menschlichen Körpers ein elektromagnetisches Feld. Eine schillernde Persönlichkeit – für kaum eine Frau des 17. Jahrhunderts ist diese Charakterisierung treffender als für die britische Dramatikerin Aphra Behn: Ihr bewegtes Leben führte sie erst in Begleitung ihrer Eltern über die Weltmeere, dann als Spionin in königlichen Diensten in die Niederlande. Finanziell war all das nicht von dauerhaftem Erfolg, und so landete sie schließlich im Schuldturm. Dort begann sie Dramen zu schreiben, die es in sich haben: Nicht gerade prüde kommt so ziemlich alles zur Sprache, was das Leben mit sich bringt, Mord und Verrat natürlich inklusive. Ihr Abdelazer faszinierte Henry Purcell so, dass er eine Bühnenmusik dazu schrieb. Mathias Kleiböhmer und sein orchester le phénix haben diese kurze Suite neu eingespielt, aber das war ihnen nicht genug: Die alt-englische Tragödie von Aphra Behn haben sie, etwas gestrafft, erst in moderne Sprache und dann ins Deutsche übertragen lassen, dazu weitere passende Schauspiel-Musiken von Purcell ausgesucht und auf Originalinstrumenten in brillanten Farben eingespielt. Verblüffende Entdeckung Dabei beeinflusst die Position einer Hand gegenüber einer Antenne die Lautstärke, die der anderen Hand gegenüber einer anderen Antenne die Tonhöhe. Die sich ändernde Schwingung des Feldes wird verstärkt und als Ton über einen Lautsprecher ausgegeben. Obwohl das Theremin in vielerlei Hinsicht eine Pionierrolle im Instrumentenbau einnahm, blieb sein Gebrauch auf musikalische Nischen beschränkt. Das ist nicht verwunderlich, denn es ist äußerst schwer zu spielen. Insbesondere ist es kaum möglich, klar voneinander getrennte Töne auf eindeutigen Tonstufen zu erzeugen; fast immer sind Töne glissandoartig verbunden (was mit der erforderlichen Spielweise zusammenhängt). Der Klang erinnert an frühe Synthesizer (die übrigens aus dem Theremin heraus von Robert Moog entwickelt wurden) mit sinusartigen, geisterhaften Sounds. Clara Rockmore, eigentlich gelernte Geigerin, hatte mit dem Erfinder Termen zusammen gearbeitet und war lange Zeit die einzige ernst zu nehmende Virtuosin auf diesem ungewöhnlichen Instrument. Diese CD ist eine hochinteressante, mit gesprochenen Einführungen und Kommentaren versehene Dokumentation für musikgeschichtlich und an klanglichen Experimenten Interessierte. CDX-20905-6 (SACD) Welterstaufnahme AUSGABE 2012 /1 29 Ensemble Il Trittico «...dass Dein Quintett wie Dein bestes, so das bedeutendste Werk im Gebiete der Kammermusik seit Beethoven ist...» Hans von Bülow «...Ich darf sagen, dass meine Kräfte an der Aufgabe selbst wachsen, und das ist auch nötig, denn es ist schwerer als eine Sinfonie oder ein Streichquartett und ich begreife sehr wohl, warum selbst Beethoven die Finger davon gelassen hat und seit dem einzigen Schumann’schen Quintett nichts mehr in dieser Branche geleistet worden ist...» J. Raff an seine Frau Doris Ensemble Il Trittico CDX-20506 Frisch aufgenommen für Herbst 2012 Noëmi Nadelmann Thomas Oliemans Barbara Kozelj Purcell mit dramatischer Rezitation Mit Linard Bardill und John Holloway haben sie profilierte Sprecher gefunden, die in zwei Sprachversionen auf zwei CDs ihre jeweils unverwechselbare Persönlichkeit in die Rezitation eingebracht haben. Ergebnis ist ein ganz neues Wort-Musik-Kunstwerk, in dem Aphra Behns Drama durch die Kombination mit Purcells plastischer Musik noch schärfere Konturen gewinnt. Raff war seiner Zeit mindestens ein Jahrhundert voraus, was – damals unverstanden – darin zum Ausdruck gelangte, dass er statt auf Mode und Trend auf eine allumfassende ekletische Aesthetik setzte: anstelle von exzessiven leidvollen Gefühlen lässt er Empörung und einen unverzagten Willen zur Ueberwindung von Schwierigkeiten zu kunstvollem Ausdruck kommen. Jan Schultsz, Klavier von oben links im Uhrzeigersinn 2-SACD-Set Liederzyklus «S ANGES F RÜHLING » op. 98 & Liederzyklus «M ARIA S TUART » op. 172 Beide Zyklen sind Erstaufnahmen. Deutschland: Naxos Oesterreich: Gramola & www.divox.com CLASS a k t u e l l Geistliche Musik Jan Dismas Zelenka (1679-1745) Missa Omnium Sanctorum ZWV 21 Christe eleison ZWV 29 Barbara dira effera! ZWV 164 Eibenova, Wessel, Kobow, Král, Krejcik Ensemble Inégal Prague Baroque Soloists, Adam Viktora Nibiru NIB01542231 Eine weitere Veröffentlichung in der überaus erfolgreichen Zelenka-Serie des tschechischen Labels Nibiru. Nach Ausbildung beim Dresdner Kapellmeister Schmidt und dem Wiener Hofkapellmeister Fux wurde Zelenka um 1710 als Kontrabassist an den Dresdner Hof verpflichtet. Nach 1720 hatte er aber schwerpunktmäßig eine andere Aufgabe: Er komponierte fast nur noch Werke für den katholischen Hofgottesdienst in Dresden. Im Jahr 1740 hat Zelenka an seinem letzten großen Plan zu arbeiten begonnen, den er jedoch nicht gänzlich ausgeführt hat: die Komposition der ersten seiner sechs so genannten „letzten Messen“, zu denen auch die „Missa Omnium Sanctorum“ gehört. Ob sie zu Lebzeiten des Komponisten am Dresdner Hof überhaupt aufgeführt worden ist, bleibt unklar. Fasse dich kurz! Stimmen sind nicht erhalten, sondern nur das Manuskript der Partitur, und der Hof hatte zur Bedingung gemacht, dass keine gesungene Messe länger als 45 Minuten dauern dürfe – eine Bedingung, die übrigens keine der kompletten Messen Zelenkas erfüllt. Wie alle späten Messen des Meisters ist auch die „Missa Omnuium Sanctorum“ ein Werk von besonderer Pracht. Im Blickpunkt Oratorium Kantate Antonio Casimir Cartellieri Gioas – Re di Giuda Azione Sacra in zwei Teilen Katharina Kammerloher, Gioas Thomas Quasthoff, Giojada Bachchor Gütersloh Detmolder Kammerorchester Gernot Schmalfuß, Ltg. Das Jahrhundert der Portugiesen Arien und Kantaten, Sinfonien und Konzerte von Pedro António Avondano, Francisco António de Almeida und Pietro Giorgio Avondano Gemma Bertagnolli, Sopran Divino Sospiro, Enrico Onofri Dynamic CDS709 MDG 338 0748-2 (2 CDs) MDG entdeckte schon seine Klarinettenkonzerte und die Kammermusik, dennoch ist Antonio Cartellieri bis heute der große Unbekannte geblieben – und das, obwohl seine Musik genau den Tiefgang hat, den wir von einem Zeitgenossen der Wiener Klassik erwarten. Dass Beethoven bei der Uraufführung des Oratoriums Gioas, Re di Giuda selbst die Viola spielte ist mehr als eine Fußnote. Thomas Quasthoff und andere namhafte Solisten präsentieren diese KatalogRarität zusammen mit dem Detmolder Kammerorchester und dem Bachchor Gütersloh unter der engagierten Leitung von Gernot Schmalfuß. Auf der Höhe der Zeit bewegt sich die Sprache Cartellieris, und an italienischem Feuer hat das Oratorium alles, was es braucht: Rache-Arien, WahnsinnsSzenen und innige Gebete. Cartellieri straffte die Handlung des „Gioas”-Stoffes aus der Feder Metastasios: Gioas (den wir als „Hosea” kennen) wird als Säugling vor dem Gemetzel der aufständischen Truppen der Atalia bewahrt. Mit einer List wird er mit sieben Jahren vom unterdrückten Volk zum König gesalbt und gewinnt das Königreich Juda zurück. Atalia verfällt dem Wahn und wird getötet. Mit Gernot Schmalfuß als Mitglied des Consortium Classicum, Thomas Quasthoff und Katharina Kammerloher (Staatsoper Berlin) in der Titelrolle stehen hier renommierte Stars der europäischen Musikszene auf der Bühne. 30 Das 18. Jahrhundert war eine wichtige Zeit für die portugiesische Musik. Das Königshaus investierte damals stark in diesen Bereich der Künste. Ausländische Musiker wurden ins Land geholt, die fremdes Repertoire mitbrachten, und die Musikszene nicht nur, aber vor allem in Lissabon blühte auf. Es war eine Zeit der kulturellen Öffnung. Insbesondere italienische Musik gewann großen Einfluss auch unter den einheimischen Komponisten. Das war nicht weiter erstaunlich, denn es wurde eine ganze Reihe italienischer Musiker vom Hof angeworben. Merkwürdig ist nur, dass im Gegenzug die portugiesischen Künstler über die Grenzen Portugals hinaus kaum bekannt und bis heute (sträflich) ignoriert wurden. Sträfliche Lücke Die Qualität der hier eingespielten Werke lässt jedenfalls im Wortsinne aufhorchen, und mit dieser CD wird eine Lücke mit großer Kennerschaft zwar nicht geschlossen, aber doch verkleinert. AUSGABE 2012 /1 Oper Gioachino Rossini (1792-1868) La Gazza Ladra Bordogna, Papatheologou, Korchak, Cantarero, Esposito, Pertusi, Custer, Cifoielli Prager Kammerchor Orchestra Haydn di Bolzano e Trento, Lü Jia Regie: Damiano Michieletto Dynamic CDS55567 (Erstveröffentlichung auf Blu-ray) Diese Opera semiseria, die sich der üblichen Inhaltsschemata dieses Genres bedient (unschuldiges Opfer einer Intrige, mit Vorliebe aus den niederen Ständen stammend, wird kurz vor der Urteilsvollstreckung von jugendlichem Helden, vorwiegend aus der Aristokratie stammend, gerettet und der wirkliche Täter bestraft), wurde in High Definition beim Rossini Opernfestival aufgezeichnet. Die Aufführung folgt der kritischen Edition und bietet somit Gewähr für Verwendung des Urtexts. Gleichzeitig überrascht die Inszenierung durch modernes Bühnenbild. Die brillante Ouvertüre des Werkes verwendete Stanley Kubrick übrigens in einer der Kampfszenen seines Films „Clockwork Orange“. Gutes aufgewertet Nachdem diese Produktion 2008 bei Dynamic bereits auf DVD High Definition erschienen war, folgt nun eine optisch wie akustisch noch einmal deutlich aufgewertete Veröffentlichung auf Blu-ray – Ersteinspielung auf diesem Medium. CLASS a k t u e l l Im Blickpunkt Christoph Willibald Gluck Il Trionfo di Clelia – Oper in drei Akten Hélène Le Corre, Clelia Mary-Ellen Nesi, Orazio Irini Karaianni, Tarquinio Burçu Uyar, Larissa Vassilis Kavayas, Porsenna Florin Cezar Ouatu, Mannio Armonia Atenea Giuseppe Sigismondi de Risio, Ltg. Giacomo Puccini (1858-1924) Madama Butterfly Veda, Popescu, Wilson, Barricelli, Salsi, Giannino, Signorini, Guagliardo Orchestra e Coro del Festival Puccini, Laurence Gilgore Regie: Stefano Vizioli GP601 MDG 609 1733-2 (3 CDs) Dynamic CDS55563 (Blu-ray) Neben „La Bohème“ ist „Madama Butterfly“ Puccinis beliebteste und meistgespielte Oper. Die Geschichte von Cio Cio San, vom Amerikaner David Belasco geschrieben, bewegt bis heute unzählige Menschen weltweit. Dabei war die Uraufführung am 17.2.1904 ein außerordentlicher Mißerfolg. Puccinis Freund und Kollege Alfred Brüggemann half bei der fälligen Überarbeitung, und ein Viertljahr später wurde das Werk am Teatro Grande in Brescia wieder auf die Bühne gestellt und nun vom Publikum gefeiert. Puccini versteht es meisterhaft, das asiatische Kolorit mit den stilistischen Eigenheiten europäischer Oper zu verschmelzen (er verwendet nicht weniger als sieben japanische Melodien). Insbesondere dieses Musikkolorit dürfte zum überwältigenden, bis heute anhaltenden Erfolg der Oper geführt haben, denn die Personen sind (abseits der Hauptfigur) merkwürdig flach, lassen menschliche Tiefe vermissen. Ein Welterfolg auf Blu-ray Die dieser Blu-ray zugrunde liegende Inszenierung wurde aufgenommen und gefilmt im Tempel der Puccini-Verehrung beim Torre del Lago Festival, das jeden Sommer die Werke des Komponisten an dem Ort vorstellt, an dem er die besten Jahre seines Lebens verbrachte. Il Trionfo di Clelia ist eine bedeutende Opera Seria, die Christoph Willibald von Gluck für die Einweihung 1763 des neu gebauten Theaters in Bologna komponierte. Durch einen zufälligen Fund ist nun die verschollene Originalpartitur der Uraufführung wieder aufgetaucht, und so kann das Werk nach 250 Jahren in seiner Erstfassung wieder präsentiert werden. Theatertriumpf Glucks Clelia hat begeistert: Innerhalb eines Monats wurden mehr als 30.000 Eintrittskarten verkauft – das entspricht mehr als der Hälfte der Bevölkerung von Bologna zu der Zeit. Eine reiche orchestrale Besetzung und die hervorragend neue technische Ausstattung mögen dafür gesorgt haben, dass die Oper an anderen Orten in dieser Form nie aufgeführt werden konnte und so in Vergessenheit geriet. Das Libretto von Metastasio spielt in Rom und hatte natürlich alles, was für eine erfolgreiche Oper nötig ist: Liebe, unglückliche Liebhaber, Verrat, Entführung, heftige Kampfszenen, göttliche Fügungen und natürlich ein versöhnliches Ende, das die Ehrenhaftigkeit und Tugend der tapferen und so sympathischen Clelia feiert. Mit Hélène Le Corre ist die Hauptrolle fantastisch besetzt, man höre nur mal die atemberaubend perlenden Koloraturen in „Tempeste il mar minaccia“, ihr Gegenspieler Orazio gewohnt souverän gesungen von Mary Ellen Nesi, überhaupt findet das gesamte Ensemble nicht nur im Schlusschor zu einer homogenen Einheit und wird durch das auf historischen Instrumenten spielende Armonia Atenea unter der Leitung von Giuseppe Sigismondi de Risio durch alle Verwicklungen und klanglichen Balanceakte vortrefflich unterstützt. AUSGABE 2012 /1 31 GP602 GP603 GP604 Fordern Sie für sämtliche Neuheiten unverbindlich den E-mail Newsletter an: [email protected] · www.naxos.de · www.classicsonline.com Das neue Premium-Label hebt unbekannte Schätze des Klavierrepertoires. Mit ausgewählten Raritäten, Ersteinspielungen und kompletten Werkzyklen. 1412_Anzeige CLASS 03_2012:Layout 1 27.02.2012 19:35 Uhr total Seite 1 Zum 100. Geburtstag John Cage Sämtliche Klavierwerke Vol. 1: The Prepared Piano 1940-1952 (3 CDs) Vol. 2: Music for Piano 1-85, Electronic Music for Piano (2 CDs) Vol. 3: Music of Changes Vol. 4: Pieces 1950-1960 (2 CDs) Vol. 5: Two Pianos (2 CDs) Vol. 6: Pieces 1960 - 1992 (2 CDs) Vol. 7: Pieces 1933-1950 Vol. 8: Hommage à Satie Vol. 9: Etudes Australes (3 CDs) Vol. 10: Etcetera Steffen Schleiermacher MDG 613 1731 -2 (Box mit 18 CDs) UVP EUR 55,00 „…ein faszinierendes Hörerlebnis...“ (Crescendo) „Interpretazione ottima“ (CD Classica) „…on the highest level“ (Int. Record Review) „…truly outstanding“ (Gramophone) „John Cage strikes again.“ (Fanfare) „Un étonnant kaléidoscope sonore“ (Diapason) „…charismatisch, ideenreich, ü berzeugend und berü hrend" (Piano News) „…in kü nstlerischer-musikalischer Hinsicht herausragend" (Klassik heute) komplett Max Reger - J. S. Bach Sämtliche Orgelwerke Sämtliche Orgelbearbeitungen Rosalinde Haas MDG 315 1645 -2 (Box mit 14 CDs) UVP EUR 50,00 „…eine interpretatorisch, klanglich und editorisch vorbildliche Edition.“ (Stereoplay) „…konkurrenzlose Edition“ (Fono Forum) „…diese Einspielung setzt Maßstäbe.“ (FAZ) „…das Inferno auf der Orgel“ (Süddeutsche Zeitung) Bachstraße 35 · 32756 Detmold Telefon 05231 - 93890 · Fax 05231 - 26186 [email protected] · www.mdg.de Musikproduktion Dabringhaus und Grimm Vertrieb: Codaex Deutschland GmbH · Tel. 089-82000233 · Fax 089-82000093 / Gramola Wien · [email protected] / MusiKontakt Zürich · [email protected]