Übersicht - Arznei
Transcription
Übersicht - Arznei
arznei-telegramm 7/96 68 (THOMBRAN), Clomipramin (ANAFRANIL u.a.) und Fluoxetin (FLUCTIN u.a.).4,5,6 Da Venlafaxin überwiegend in mittleren Tagesdosen von 150 mg bis 180 mg geprüft wurde, könnten die Herstellerempfehlungen für ambulante Patienten – 75 mg bis maximal 150 mg täglich – einer Minderdosierung gleichkommen. Ein angeblich schnellerer Eintritt der antidepressiven Wirkung läßt sich anhand der veröffentlichten Daten ebensowenig belegen wie ein Vorteil bei therapieresistenter Depression. 4 Jeder fünfte Patient bricht die Behandlung wegen unerwünschter Wirkungen ab.7 Aufgrund häufiger MagenDarm-Störungen wurde bereits die zusätzliche Einnahme von Cisaprid (PROPULSIN u.a.) erprobt.8 Das Störwirkungsspektrum ähnelt mit Übelkeit (32%), Kopfschmerzen (25%), Müdigkeit (20%), Schlaflosigkeit (19%), Schwindel (14%) und Nervosität (11%)1 dem selektiver Serotoninwiederaufnahmehemmer wie Fluoxetin. Dosisabhängig steigt bei bis zu 13% der Patienten der diastolische Blutdruck (meist um 10 mmHg bis 15 mmHg).7 Dies erfordert regelmäßige Kontrollen. Erfahrungen bei kardiovaskulärer Vorerkrankung fehlen.9 Anticholinerge Störwirkungen wie Mundtrockenheit (20%) und Verstopfung (15%) scheinen seltener als unter trizyklischen Antidepressiva vorzukommen, Krampfanfälle dagegen mit 0,26%10 wie auch beim verwandten Bupropion11 häufiger als unter anderen Antidepressiva. Plötzliches Absetzen vermag ein Entzugssyndrom mit Kopfschmerzen und Schlafstörungen/Müdigkeit auszulösen,12 so daß Venlafaxin auszuschleichen ist. le für die als „neuartig” und „selektiv” angebotenen, jedoch wie andere Antidepressiva die Neurotransmitter Noradrenalin bzw. Serotonin beeinflussenden Mittel können wir nicht ausmachen. Langzeiterfahrungen fehlen. Als Mianserin (TOLVIN u.a.)-Variante birgt Mirtazapin das Risiko schwerer Blutbildungsstörungen. Dies schränkt die routinemäßige Anwendbarkeit dieser Antidepressiva ein. In klinischen Studien wurde Venlafaxin überwiegend in höheren Dosierungen erprobt, als sie jetzt zur ambulanten Therapie angeboten werden. Klinisch relevanter Blutdruckanstieg und vergleichsweise häufige Krampfanfälle können Patienten gefährden. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 #15 #16 MIRTAZAPIN (REMERGIL): Mirtazapin soll „mit keiner der bisher bekannten Klassen verwandt” sein.2 Es gleicht jedoch – abgesehen von einem zusätzlichen Stickstoffatom (vgl. Abbildung) – dem ebenfalls von Organon angebotenen Mianserin (TOLVIN u.a.). Mit 30 mg/Tag wird Mirtazapin üblicherweise halb so hoch dosiert wie Mianserin. Beide Antidepressiva erhöhen über den gleichen Wirkmechanismus die Ausschüttung von Noradrenalin und blockieren bestimmte Serotoninrezeptoren. Ob eine vermehrte Serotoninfreisetzung unter der Neuerung klinisch relevant ist, erscheint fraglich. Das eher dämpfende Mirtazapin Mirtazapin wirkt bei mäßiger bis schwerer Depression gleich gut wie Amitriptylin13 (SAROTEN u.a.), Clomipramin14 und Doxepin15 (APONAL u.a.). Vergleichsstudien mit Mianserin existieren nicht.16 Britische Behörden machen eine Zulassung des Mianserinanalogs von weiteren Mianserin Informationen abhängig.17 Mit den unter Mianserin gefürchteten Blutbildungsstörungen einschließlich Agranulozytose und aplastischer Anämie ist auch unter Mirtazapin zu rechnen. Von 2.626 Patienten entwickeln 58 (2,2%) eine Neutropenie, die sich nach Absetzen zum Teil nur langsam zurückbildet.17,18 Wie bei Mianserin raten wir zu wöchentlichen Blutbildkontrollen in den ersten Behandlungsmonaten. Dieser Hinweis sowie eine Warnung vor Kombination mit anderen potentiell blutschädigenden Arzneimitteln fehlt in den Fachinformationen.2,19 Patienten sind darauf aufmerksam zu machen, mögliche Symptome einer Agranulozytose (Fieber, Halsgrippeartige Beschwerden u.a.) nicht in schmerzen, Selbstmedikation zu behandeln, sondern den Arzt aufzusuchen. Leberenzyme können ebenso ansteigen wie Cholesterin und Triglyzeride.17,19 Tritt Gelbsucht auf, ist das Antidepressivum abzusetzen.19 Häufig wird über Mundtrockenheit (34%), Benommenheit (23%), Sedierung (18%), Schlaflosigkeit (8%), Schwindel (8%) und Gewichtszunahme (12%) geklagt. #39 #17 FAZIT: Die neuen Antidepressiva Mirtazapin (REMERGIL) und Venlafaxin (TREVILOR) wirken gleich gut wie bewährte Antidepressiva. Klinisch relevante Vortei- TREVILOR, wiss. Prospekt, Stand 4/96 REMERGIL, wiss. Prospekt, Stand 1/96 Med. Letter 36 (1994), 49 Drug Newsletter 6 (1995), 21 SCHWEIZER, E. et al.: J. Clin. Psychiatry 55 (1994), 104 CUNNINGHAM, L. A. et al.: J. Clin. Psychopharmacol. 14 (1994), 99 Scrip 1886/87 (1994), 30 RUSSELL, J. L.: J. Clin. Psychopharmacol. 16 (1996), 35 FEIGHNER, J. P.: J. Clin. Psychiatry 56 (1995), 574 KASTRUP, E. K. et al. (Hrsg.): „Facts and Comparisons“, St. Louis (USA, 1994), S. 263r KASTRUP, E. K. et al. (Hrsg.): ebenda, S. 263m FARAH, A., T. E. LAUER: Am. J. Psychiatry 153 (1996), 576 BREMNER, J. D.: J. Clin. Psychiatry 56 (1995), 519 RICHOU, H. et al.: Hum. Psychopharmacol. 10 (1995), 263 MARTTILA, M. et al.: Eur. Neuropsychopharmacol. 5 (1995), 441 Organon: Schreiben vom 24. April 1996 Scrip 2071 (1995), 20 Organon: Schreiben vom 21. Juni 1996 REMERGIL, Fachinformation, Stand 1/96 Übersicht BEHANDLUNG ENTZÜNDLICHER MUSKELERKRANKUNGEN Jährlich erkranken zehn von einer Million Menschen an einer Myositis. Ähnlich den immunogenen Muskelentzündungen durch Arzneimittel wie D-Penicillamin (TROLOVOL u.a.) vermutet man heute auch für die „idiopathischen” entzündlich-degenerativen Erkrankungen der Skelettmuskulatur äußere Einflüsse als Auslöser: Bei genetischer Veranlagung, z.B. Menschen mit dem HLA*-Merkmal DR3, können Virusinfekte oder Umwelt- und Nahrungstoxine einen Autoimmunprozeß in Gang setzen, der mit Gewebsschädigung einhergeht und unter dem Bild der Myositis verläuft.2 Unterscheiden lassen sich die akut verlaufende Dermatomyositis, die meist subakute Polymyositis und die chronische, vor allem über 50jährige betreffende Einschlußkörper-Myositis.1 Klinisch dominiert eine meist proximal betonte und symmetrische, bei der Einschlußkörpermyositis auch körperstammferne Muskeln betreffende zunehmende Muskelschwäche bis -lähmung, gelegentlich begleitet von dumpfen, auch bewegungsabhängigen muskelkaterähnlichen Schmerzen. Im Verlauf kann die befallene Muskulatur atrophieren. Hautbeteiligung, wie das bläulich-violette, flieder (heliotrop-)farbene Erythem vor allem im Gesichtsbereich, charakterisiert die Dermatomyositis („Lilakrankheit”), bei der nicht selten auch andere Organe wie Speiseröhre, Herz (Rhythmusstörungen, dilatative Myopathie), Lungen (Fibrose, sekundäre Pneumonie) und Gelenke (Arthralgie, Arthritis) mitbefallen sind.1 Anstieg der Kreatinkinase und anderer Muskelenzyme im Serum spiegelt die Krankheitsaktivität wider. Ein „Myopathiemuster” im Elektromyogramm mit pathologischer Spontanaktivität in Ruhe untermauert die Diagnose.1 Bei 60% bis 80% der Patienten mit Dermato- oder Polymyositis finden sich Autoantikörper. Als für die Myositis spezi#18 #19 #20 #21 * Histokompatibilitätsantigene: genetisch festgelegte antigene Strukturen vor allem auf Zelloberflächen, die beim Empfänger eines Fremdorgans Immunreaktionen auslösen. Warenzeichen in Österreich und Schweiz (Beispiele) Cisaprid: PREPULSID (A, CH) Clomipramin: ANAFRANIL (A, CH) Doxepin: SINEQUAN (A) SINQUAN (CH) D-Penicillamin: ARTAMIN (A) DISTAMINE (CH)