2015 / 1 - Schmerztherapeutisches Kolloquium e.V.

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2015 / 1 - Schmerztherapeutisches Kolloquium e.V.
Februar 2015 | Jg. 31 | Nr. 1
SCHMERZMEDIZIN
Angewandte Schmerztherapie und Palliativmedizin
Interdisziplinär • Patientenorientiert • Praxisnah
Fortbildung: Clusterkopfschmerz
Pro & Kontra
LONTS 2 in der Diskussion
Herzinsuffizienz und COPD
Palliativversorgung bei
kardiopulmonalen Erkrankungen?
Diabetische Neuropathie
Antikörper gegen den
„Nerve Growth Factor“
Deutsche Gesellschaft für
Schmerzmedizin e. V.
Deutsche Akademie für
Ganzheitliche Schmerztherapie e. V.
www.dgschmerztherapie.de
www.dagst.de
www.springermedizin.de/schmerzmedizin
Editorial
„Dem Menschen verpflichtet!“
Dr. med. Gerhard H. H. Müller-Schwefe, Präsident der
Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin e.V.
Dr. med. Ludwig Distler, 1. Vorsitzender der Deutschen
Akademie für Ganzheitliche Schmerztherapie e.V.
Gemeinsam für Schmerz- und
Palliativpatienten
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Sie halten heute die erste Ausgabe einer neuen
Zeitschrift in den Händen:
SCHMERZMEDIZIN – Angewandte
Schmerztherapie und Palliativmedizin
Schmerzmedizinische Versorgung wird sich in
Deutschland nur flächendeckend etablieren, wenn
alle Akteure ihre Kräfte bündeln, gemeinsam agieren und ihr vielfältiges Wissen breit streuen. Deshalb
haben die Vorstände der Deutschen Gesellschaft für
Schmerzmedizin e.V. (DGS) und der Deutschen
Akademie für Ganzheitliche Schmerztherapie e.V.
(DAGST) beschlossen, zu kooperieren um mit einer
gemeinsamen Zeitschrift eine größere Anzahl von
Lesern mit einer umfangreicheren und inhaltlich
vielfältigeren Publikation zu erreichen
Chronische Schmerzen sind nach einer von Häuser et al. 2014 in „Der Schmerz“ publizierten epidemiologischen Untersuchung mit 23 Millionen Betroffenen eine der häufigsten Erkrankungen in
Deutschland überhaupt. 2,2 Millionen dieser Patienten leiden unter schwersten lebensbeeinträchtigenden Schmerzerkrankungen. Allen wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Trotz ist damit die Häufigkeit chronischer Schmerzen in Deutschland in
den letzten Jahren nicht geringer geworden, sondern
hat eher zugenommen.
Chronische Schmerzen betreffen den ganzen
Menschen mit all seinen körperlichen, psychischen
und sozialen Aspekten, eine Problematik, die in den
bisher existierenden Gebietsbezeichnungen nicht
abgebildet ist und deshalb aktuell immer das Zusammenspiel verschiedener Fachgebiete erfordert.
Neben einem Mangel an solchen interdisziplinären Einrichtungen und dem Fehlen von Ärzten, die
im Sinne eines Querschnittsfaches Schmerzmedizin
geschult werden, ist die Mangelversorgung auch
Schmerzmedizin
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Ausdruck von fehlender Bedarfsplanung, schmerzmedizinischer Versorgung wie auch eher zufälliger
Kenntnisse schmerzmedizinischer Diagnostik- und
Therapieprinzipien. Deshalb erscheint es essentiell,
schmerzmedizinisches Wissen und aktuelle Forschung einer breiten Leserschaft zugänglich zu machen.
Der Zusammenschluss der Zeitschriften
SCHMERZMEDIZIN und Angewandte Schmerztherapie und Palliativmedizin resultiert in einer
Zeitschrift, die mit einer breiten Themenpalette
Hausärzte und Fachärzte in Praxis und Klinik wie
auch Schmerz- und Palliativmediziner als Zielgruppe über aktuelle Forschungsergebnisse wie auch
praktisches schmerz- und palliativmedizinisches
Wissen informiert. Der deutlich größere Umfang
gegenüber den Ursprungspublikationen und die
zweimonatliche Erscheinungsweise erlauben nicht
nur das Fortführen der Ihnen schon bekannten Rubriken wie „Medizin aktuell“, „Literatur kompakt“
und „zertifizierte Fortbildung“ sondern auch zahlreiche Neuerungen wie z.B. „Pro & Kontra“.
SCHMERZMEDIZIN – Angewandte Schmerztherapie und Palliativmedizin wird weiterhin Ver-
bandsorgan der DGS wie auch der DAGST sein.
Die Vorstände der DGS und der DAGST freuen
sich auf Ihre Meinungen und Rückmeldungen. Gestalten Sie unsere neue Zeitschrift mit uns gemeinsam.
Dr. med. Gerhard H. H.
Müller-Schwefe
Präsident der Deutschen
Gesellschaft für Schmerzmedizin e. V. (DGS)
Dr. med. Ludwig Distler
1. Vorsitzender der
Deutschen Akademie für
Ganzheitliche Schmerztherapie e. V. (DAGST)
3
Inhalt
Schmerzmedizin 1 · 2015
Editorial
Gemeinsam für Schmerz- und Palliativpatienten
3
Gerhard Müller-Schwefe, Ludwig Distler
Panorama
Medizin ak tuell
10
Pro & Kontra: LONTS-2 – alle Klarheiten beseitigt?
Pro: Dogma? Wer sagt das?
© picture alliance
Meldungen
8
14
Stefan Wirz, Bad Honnef
Kontra: Mögen Sie Leitlinien?
Die vermehrte Aufnahme von Flüchtlingen
erfordert eine Sensibilisierung der Ärzte in
Deutschland für das Thema, da die
Krankheitsbilder von Flüchtlingen nicht
selten aus der erlittenen Gewalt in ihrer
Heimat resultieren. In Argentinien wurde
eine „Special Interest Group“ gegründet.
Michael Überall, Nürnberg
14
Qualen, die niemals enden
Schmerzbehandlung für Folter-, Gewalt- und Kriegsopfer
Thomas Cegla
16
Qualen, die niemals enden
Chronische Wunden bei Palliativpatienten
Der Geruch ist ein großes Problem
Im Gespräch mit Wundexpertin Kerstin Protz
18
Antikörper gegen NGF bei diabetischer Neuropathie
19
Neuropathie: Schmerzprofil berücksichtigen
19
Mehr schwere Hypoglykämien unter Tramadol
20
Prophylaxe häufiger episodischer Migräne: ALD403
20
Arzt-Patienten-Gespräch am Lebensende
22
CRC: Tumoroperation auch bei Palliativpatienten?
22
Phase-III-Studie: Naloxegol bei opioidinduzierter Obstipation
For tbildung
23
Clusterkopfschmerzen
Neuromodulation des Ganglion sphenopalatinum
© fovito / fotolia.com
Literatur kompak t
19
Hypoglykämien unter Tramadol
Patienten, deren Schmerzen mit Tramadol
behandelt werden, landen öfter mit einer
Hypoglykämie im Krankenhaus als
Patienten mit einer Codein-Therapie.
Besonders riskant ist offenbar der Beginn
der Therapie.
Andreas Böger
Unsere Organschaften:
Verlagsredaktion
springermedizin.de auf Twitter
Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin
e. V.
Doris Berger, Dipl.-Biol.
E-Mail: [email protected]
Das Zwitschern wird immer lauter:
Werden Sie zum „Follower“ und „lauschen“
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Deutsche Akademie für Ganzheitliche
Schmerztherapie e. V.
Berufsverband der Palliativmediziner in
Westfalen-Lippe e. V.
Dr. med. Kim Jené
E-Mail: [email protected]
Verlag Urban & Vogel GmbH
Aschauer Straße 30
81549 München
Besuchen Sie uns online:
www.springermedizin.de/schmerzmedizin
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Inhalt
Schmerzmedizin 1 · 2015
26
Exazerbierende Schmerzsyndrome in der Praxis
Angst vor dem Schmerz muss nicht sein
Norbert Schürmann
Zer tif izier te For tbildung
© ChantalS / Fotolia
28
28
Herzinsuffizienz und COPD
Palliativversorgung bei kardiopulmonalen Erkrankungen
Christoph Gerhard
Gesellschaf ten und Verbände
Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin e.V. (DGS)
Herzinsuffizienz und COPD
Patienten mit fortgeschrittener Insuffizienz
des Herzens haben eine schlechtere Prognose als manche Tumorpatienten. Auch bei
fortgeschrittener COPD ist Lebensqualität
schlechter als bei Lungenkrebs. Dennoch
erhalten Menschen mit kardiopulmonalen
Erkrankungen selten Palliativversorgung.
34
Utopie oder Imperativ
Der Facharzt für Schmerzmedizin
37
26. Deutscher interdisziplinärer Schmerz- und Palliativkongress
Dem Leben Zukunft geben
39
DGS Innovationsforum
Schmerzmedizin – Fakten, Hintergründe, Perspektiven
40
Veranstaltungen und Termine
41
25 Jahre Deutsche Schmerzliga (DSL) e. V.
Schon viel erreicht, noch mehr zu tun!
© Alexander Raths / fotolia.com
Deutsche Akademie für Ganzheitliche Schmerztherapie e.V. (DAGST)
44
Typische Herausforderungen
Schmerztherapie und Palliativmedizin sind
feste Bestandteile der täglichen hausärztlichen Arbeit. Einige Beispiele aus der Praxis
verdeutlichen mögliche Stolperfallen und
typische Herausforderungen für Hausärzte
in der schmerztherapeutischen und palliativmedizinischen Patientenversorgung.
© Clemens Wawrzyniak / DGS
Titel
42
Nachrichten, Veranstaltungen und Termine
44
Typische Beispiele aus der täglichen Praxis
Schmerztherapie und Palliativmedizin in der hausärztlichen
Versorgung
Johannes Jäger
Berufsverband der Palliativmediziner Westfalen-Lippe
49
Wir verneigen uns und trauern
Praxis konkret
53
Internet im Wartezimmer und auf Station
Sicherer WLAN-Zugang für Patienten
Wir bitten um Beachtung
Rubriken
In diesem Heft finden Sie heftintegriert den
Medizin Report aktuell „Opioide bei Nichttumorschmerzen – Retardiertes Oxycodon/
Naloxon von Vorteil“ (Seite 51).
32
CME-Fragebogen
52
Industrieforum
55
Impressum
Panorama
Unfälle
Leichte Verletzungen –
schwere Folgen
— Australische Forscher befragten 364 Unfallopfer mit leichten bis mäßigen muskuloskeletalen Verletzungen (wie Schleudertraumata oder einfachen Frakturen) innerhalb
von drei Monaten, 284 bzw. 252 Patienten
auch nach einem und zwei Jahren [Gopinath
B et al. Eur J Pain. 2014 Dec 8. (Epub ahead of
print)]. Der Schmerzgrad änderte sich über
die Zeit wenig. Subakute Beschwerden lagen
auf einer numerischen Ratingskala (NRS) von
0 (kein Schmerz) bis 10 (maximaler Schmerz)
im Durchschnitt bei 5,3 Punkten, nach zwölf
Monaten bei 5,1 und nach 24 bei 4,5.
Faktoren, die mit einer höheren Schmerzwertung korrelierten, waren: Alter über 45
Jahren, geringere Bildung, Untergewicht,
mäßiger oder schlechter Gesundheitszustand, chronische Krankheit und Schmerzen vor dem Unfall. Auch Patienten mit
Schleudertrauma, aber ohne Fraktur zeigten sich gefährdet. Ein Wert über 50 im
Örebro Musculoskeletal Pain Screening
Questionnaire (ÖMPSQ) ging ebenfalls mit
höheren NRS-Werten einher. Negativ wirkte
sich zudem ein die Schmerzen katastrophisierendes Verhalten während der subakuten Phase aus.
Robert Bublak
Hospizdienste
Mehr Kooperation mit Pflegeheimen
— Mit gezielten Beratungs- und Unterstüt-
zungsangeboten will Nordrhein-Westfalen
dazu beitragen, dass Hospizkultur und Palliativversorgung stärker als bisher in den
stationären Pflegeeinrichtungen verankert
werden. Die Pflegeheime sollen mit Hospizund Palliativdiensten zusammenarbeiten,
um die Versorgung der Patienten zu verbessern und gleichzeitig die Pflegekräfte zu
entlasten. Das Land stellt 2015 für die beiden „Ansprechstellen im Land NRW zur
Palliativversorgung, Hospizarbeit und Angehörigenbegleitung“ (ALPHA) knapp
500.000 € zur Verfügung. Davon fließen
120.000–130.000 € in die Information und
Unterstützung der Heime.
„Wir wollen das, was wir in der Palliativversorgung an Vernetzung erreicht haben, in
die Pflege bringen“, erläuterte Landesgesundheits- und Pflegeministerin Barbara
Steffens (Grüne). Auch in den Pflegeeinrichtungen müsse eine adäquate Versorgung in
der letzten Lebensphase sichergestellt
werden. Um die Erkenntnisse aus der Palliativmedizin und der Hospizkultur in die
Arbeit integrieren zu können, brauchten die
ohnehin schon stark belasteten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Heimen Hil-
festellung und Orientierung für konkrete
Situationen, sagte Steffens. Das betreffe
etwa den Umgang mit Bewohnern in der
letzten Lebensphase, die die Nahrungsund Flüssigkeitsaufnahme verweigern.
„Man muss den Menschen Sicherheit geben.“
Zurzeit begleitet eine Pflegekraft pro Jahr
durchschnittlich 9 Sterbende. Diese Aufgabe sei für viele wichtiger Bestandteil ihrer
Arbeit, betonte Prof. Dr. Lukas Radbruch,
Bonn. „Wir wollen nicht als weißer Ritter in
die Heime preschen und alles selbst übernehmen, sondern die Mitarbeiter befähigen,
die Dinge selbst zu machen.“ Bislang seien
viele Heime noch sehr zurückhaltend, was
die Zusammenarbeit mit Hospiz- und Palliativdiensten betriff t. „Wenn man ihnen gezielt erklärt, was die Dienste machen, steigt
die Inanspruchnahme.“ Radbruch war federführend beteiligt an der Entwicklung des
Konzepts „Gemeinsam auf dem Weg – Hospizkultur und Palliativversorgung in Pflegeeinrichtungen“. Dafür waren unter anderem
Erfahrungen aus 29 Projekten ausgewertet
worden. Über eine Art Baukastensystem
wolle man den Heimen Hilfestellungen in
den unterschiedlichsten Bereichen anbieten,
erläuterte er.
Ilse Schlingensiepen
Migränetrigger
Lachen, bis der Schädel brummt
© chris-m / fotolia.com
— Offenbar gibt es kaum eine menschliche Aktivität, die nicht auch Kopfschmerzen
Migräne durch Lachen? Bei einigen
Patienten ist das möglich.
8
verursachen kann. Nicht einmal das Lachen ist davon ausgenommen: Neurologen
berichten nun von einer 46-jährigen Frau, die regelmäßig migräneartige Kopfschmerzen bekam, wenn sie spontan lachen musste [Shatti D et al. Headache. 2015;55(1):178-9].
Die Schmerzen hielten dann oft den Rest des Tages an und beeinträchtigten sie dermaßen, dass sie lustige Situationen vermied. Wie David Shatti und Mitarbeiter berichten, beschrieb die Frau den Schmerz als linksseitig und druckförmig, wobei bunte
Sehstörungen auftraten. Begleitet wurde der Schmerz von einer Photophobie und
von Übelkeit. In der Anamnese zeigten sich kaum Auffälligkeiten. Die Frau hatte bislang keine Migräne oder vergleichbare Kopfschmerzepisoden gehabt, sie berichtete
lediglich über ein leichtes Schleudertrauma kurz vor Beginn ihrer Lachmigräne.
Interessanterweise trat der Kopfschmerz nur beim spontanen Lachen auf. Sollte sie
auf Kommando lachen, passierte nichts. Die Patientin lehnte eine medikamentöse
Migräneprophylaxe ab und setzte lieber auf pflanzliche Präparate wie Mutterkraut
sowie eine Vermeidungsstrategie. Nach einiger Zeit erlitt sie eine Kopfverletzung und
entwickelte Depressionen, worauf ihr die Ärzte Nortriptylin verordneten. Zu dieser
Zeit verschwanden dann auch die Kopfschmerzepisoden.
Thomas Müller
Schmerzmedizin
2015; 31 (1)
© Comstock / thinkstockphotos.com
Ärzte werden auch bei Feiern im privaten Kreis gern mal um
ihren medizinischen Rat gebeten.
Zwischen Tür und Angel lauern Gefahren
Ärzte sollten Freunde nicht
behandeln
— Medizinische Fachorganisationen und Ethikkommissionen sprechen sich dagegen aus, dass Ärzte – von Notfällen abgesehen – Familienangehörige und Freunde behandeln. Denn: Mediziner neigen
dazu, im privaten Umfeld bei der Abklärung geschilderter Beschwerden unstrukturiert vorzugehen. Nicht selten sei die zwischen Tür und
Angel erhobene Anamnese unvollständig, die körperliche Untersuchung werde oft lückenhaft durchgeführt oder unterbleibe mangels
geeigneter Örtlichkeiten komplett.
Die emotionale Beziehung zu solchen „privaten Patienten“ könne zudem die objektive Bewertung von Nutzen und Risiken vorgeschlagener
Maßnahmen beeinträchtigen. Unterdiagnostik sei ebenso möglich wie
Überdiagnostik, zudem drohe eine Überschreitung des eigenen Fachgebiets, wie Katherine J. Gold und Kollegen in einer kürzlich publizierten
Arbeit festgestellt haben [Gold KJ et al. N Engl J Med. 2014;371(13):12548]. Der Arzt arbeitet Komplikationen und Fehlbeurteilungen eventuell
unsachlich auf, die Betreuung bleibt häufig formlos und undokumentiert.
Dennoch: in einer Studie von 1991 gaben 99 % der befragten Ärzte an,
dass sie in der Vergangenheit von Angehörigen und Freunden um Rat
und Hilfe gebeten worden waren. Das Spektrum dieser „Freundschaftsdienste“ reiche von akuter und kurzer Beratung bis hin zu Behandlungen
von schweren chronischen Erkankungen und invasiven Eingriffen.
Die American Medical Association rät aus medizinischer und ethischer
Sicht nachdrücklich davon ab, Angehörige und Freunde zu behandeln,
betont auch Prof. Dr. Heinrich Holzgreve, München, in einem Kommentar in der Zeitschrift MMW-Fortschritte der Medizin.
Doris Berger
Terminservicestellen
Keine Option für Patientenverband
Die von der Bundesregierung geplanten Terminservicestellen werden nun auch von Patienten kritisiert. Der bundesweit tätige Verein
SchmerzLos e. V. bezeichnete die Servicestellen als „unsinnig“.
„Damit wird eine neue Bürokratie geschaffen, die die Probleme von
Schmerzpatienten nicht ansatzweise lösen wird“, kommentierte der
Vereinsvorsitzende Hartmut Wahl. Er hält es für wichtiger, dass mehr
Ärzte eine schmerztherapeutische Ausbildung erhalten.
Nach Wahrnehmung des Vereins verkürzen immer mehr Ärzte ihre
Arbeitszeit im schmerztherapeutischen Bereich, weil die Leistungen
nicht ausreichend honoriert werden. Folge seien Wartezeiten von bis
zu einem Jahr für Menschen mit chronischen Schmerzen.
Wahl schlug vor, die Vergütung für entsprechende Leistungen anzuheben.
Dirk Schnack
Schmerzmedizin
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9
Medizin ak tuell
Pro & Kontra
Opioide bei Nichttumorschmerzen
LONTS-2 – alle Klarheiten beseitigt?
Sollen Patienten mit chronischen, nicht tumorbedingten Schmerzen Opioide erhalten? Wenn ja
welche und für wie lange? Schon die erste Fassung der S3-Leitlinie LONTS hat diesbezüglich zu
kontroversen Diskussionen geführt. Daran hat auch die Akualisierung nichts geändert.
Pro: Dogma? Wer sagt das?
D
ie Leitlinie „Langzeitanwendung
von Opioiden zur Behandlung bei
nicht tumorbedingten Schmerzen“
(LONTS) hat eine fast 13-jährige Geschichte. Nach einem Konsensuspapier
2002 wurde 2009 LONTS publiziert und
2014 die gründliche Überarbeitung,
LONTS-2 mit 45 Konsenspunkten zu Indikation, Kontraindikation sowie Nutzen und möglichem Schaden von Opioiden zur Therapie von nicht tumorbedingten Schmerzen. Bei der Erstellung
der Leitlinie wurde Wert darauf gelegt,
nicht nur die bei der AWMF akkreditierten medizinischen und psychologischen
Fachgesellschaften an den runden Tisch
zu holen, sondern auch explizit mehrfach die Deutsche Gesellschaft für
Schmerzmedizin (DGS), Patientenvertreterorganisationen und zahlreiche Experten aus verschiedenen Bereichen.
Man kann sich die Frage stellen, wozu
denn eine solche Leitlinie überhaupt
notwendig sei? Wozu dienen Leitlinien
überhaupt? Sind sie unumstößliches Gesetz, dem der niedergelassene Hausarzt,
Facharzt und Klinikarzt sklavisch folgen
muss? Dazu sagt die Deutsche Schmerzgesellschaft: „Medizinische Leitlinien
sind dem Stand der Wissenschaft entsprechende klinische Empfehlungen. Sie
sollen Ärzten und Patienten bei der Entscheidung über Diagnostik und Therapie unterstützen. Abweichungen von
diesen Empfehlungen sind in begründeten Einzelfällen möglich.“
Wir halten fest: Kein Arzt ist gezwungen, nach einer Leitlinie zu therapieren,
denn Leitlinien sind juristisch nicht bindend, im Gegensatz zu Richtlinien oder
10
Gesetzen. Wir brauchen, einen kritisch
lesenden Arzt, der sich im Sinne einer
besseren Patientenversorgung fortbildet.
Wir brauchen keine dogmatische a priori Verurteilung praxisrelevanter wissenschaft licher Erkenntnisse gemäß dem
Leitspruch: „Das habe ich aber immer
schon so gemacht.“
LONTS nützt den Bedürfnissen in
der Praxis
Ziel eines jeden Arztes sind doch die
Verbesserung der Patientensicherheit,
eine adäquate Therapieumsetzung, die
Vermeidung von Fehlversorgung und
die Verhinderung von Missbrauch. Dies
erreicht man über eine gute Struktur-,
Prozess- und Ergebnisqualität. LONTS
beschreibt diese Ebenen in gut nachvollziehbarer Weise und davon profitiert der
Patient. Wo sollte der Kliniker nachschlagen, ohne dass man sich mit einer
Flut von einzelnen Publikationen auseinandersetzen muss?
LONTS dient den Bedürfnissen in der
Praxis, z.B. als Orientierungshilfe in problematischen Situationen. Ein Beispiel:
Wenn Patienten mit schwer zu therapierenden Krankheitsbildern, die lege artis
nicht mit Opioiden behandelt werden
sollten, den Arzt bewusst oder unbewusst
drängen, diese zu verschreiben, braucht
der Arzt einen einfach zugänglichen
Referenzpunkt. So sei hier die somatoforme Schmerzstörung, die Fibromyalgieerkrankung oder viele Kopfschmerzerkrankungen genannt, wo der OpioidEinsatz nachweislich Schaden verursacht.
Kollegen mit der Weiterbildung „Suchtmedizin“ werden dies bestätigen.
Zudem liefert LONTS ist, dem klinisch
tätigen Arzt nützliche Praxiswerkzeuge:
welche Leitlinie hat jemals einen Handzettel zur Fahrtüchtigkeit, zum Vorgehen bei Niereninsuffizienz, der
Behandlung der opioidinduzierten Obstipation, etc. etc. angeboten? Viele
Schmerzmediziner nutzen das angebotene Material täglich. Ergo kann von einer
mangelnden Anwendbarkeit dieser Leitlinie oder fehlenden Orientierung am
Bedarf nicht die Rede sein.
Umsetzung wissenschaftlicher
Erkenntnisse
Gemäß der hohen wissenschaft lichen
Evidenz – S3-Leitlinie bedeutet das
höchsterreichbare Niveau – kann sich
der Anwender auf die Kernaussagen verlassen. Oder mal invers und polemisch
ausgedrückt: Es handelt sich nicht um
eine „facebook“-artige Abstimmung
über die als „beste“ angesehene Therapie
in Form einer Praxisleitlinie nach dem
Motto „ich habe gute Erfahrungen mit
…“, sondern um dass, was wir Ärzte wissen und auch anwenden sollten. Dies hat
nichts mit einer Opioiphobie zu tun,
denn Ziel ist es, möglichst viele schmerzkranke Menschen mit der im Jahre 2015
als wirksam erkannten Behandlungsmöglichkeit, auch mit Opioiden, zu versorgen. Nur muss die Indikation für
Opioide auch gegeben sein!
LONTS und ihre Autoren wurden in
der Vergangenheit dafür kritisiert, dass
es keine qualitativ hochwertige Evidenz
für eine Wirksamkeit von Opioiden in
der Langzeittherapie gäbe und die zugrunde liegenden Metaanalysen methoSchmerzmedizin
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dische Mängel aufwiesen. So werden
immer wieder vermeintliche Widersprüche aufgelistet. Natürlich ist jeder
angreifbar, der es wagt, auch unbequeme Aussagen abzugeben und wissenschaft lich nicht geklärte Sachverhalte
auch so zu benennen. Alles andere wäre
unseriös.
Geradezu katastrophisierenden Charakter haben Verlautbarungen von dritter Seite, nach denen die KVen wegen
LONTS bereits nach drei Monaten eine
Opioiddauertherapie nicht mehr vergüten wollten!
Cui bono? Solche gerne gepflegten
Fehlinterpretationen können dem Anliegen der Schmerzmedizin nicht nutzen! Natürlich kann LONTS nur das
wiedergeben, worauf man sich berufen
kann. Alles andere kann dennoch „empfohlen“ werden. Widersprüche gibt es in
der gesamten Literatur und wird es immer geben. Auf Grund von validen wissenschaft lichen Daten aus den USA,
deutschen Analysen der Daten einzelner
gesetzlicher Kostenträger und weiteren
Leitlinien mit identischem Ergebnis von
LONTS werden allerdings die Kernaussagen bestätigt.
Lesen hilft, Katastrophisieren
nicht!
Gleichwohl muss man sich fragen, welchen Gehalt diese Kritik aufweist, was
denn daran für die Gesamtbedeutung
der Leitlinie so negativ sein soll und was
daraus abzuleiten ist? Wird hier etwa
eine wissenschaft liche Leitlinie zum Anlass genommen, künstlich einen Konflikt zu schüren? Im deutschen Fachorgan „Der Schmerz“ ist in der Vergangenheit mehrfach darauf eingegangen
worden. So kommentiert Hardo Sorgatz:
Schmerzmedizin
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„Die vorsichtige und vermutlich realistische, aber dennoch positive Wirkungsannahme rechtfertigt einen Therapieversuch mit Opioiden. Aber dieser ist
nicht mit der Wirkungszunahme gegenüber anderen Therapieoptionen zu begründen, sondern mit der individuellen
Vorgeschichte und dem Risikoprofi l des
jeweiligen Patienten. Von daher wäre es
absurd anzunehmen und inhaltlich wie
juristisch nicht haltbar, aus den LONTSEmpfehlungen die Erstattungsfähigkeit
von Opioiden bei chronischen Schmerzen zu bezweifeln.“ Also, keine Rede von
einem Dogma oder gar Verbot.
LONTS ist eine Synthese der besten
verfügbaren Studien, dem Wissen von
Experten und den Erfahrungen von Patienten für die Praxis. Darauf zu verzichten wäre ein Verlust. Fazit: Lesen hilft!
LONTS nützt! Übrigens: miteinander
sprechen statt übereinander auch.
PD Dr. med. Stefan Wirz
CURA - katholisches
Krankenhaus
im Siebengebirge,
Bad Honnef
[email protected]
Kontra: Mögen Sie Leitlinien?
N
un das ist wahrscheinlich die falsche
Frage, schließlich muss man ja nicht
gleich alles mögen, was gut, sinnvoll und
richtig erscheint. Besser wäre also die
Frage: Brauchen Sie Leitlinien? Können
Ihnen Leitlinien in Ihrem Praxisalltag
helfen? Können Ihnen Leitlinien bei der
Behandlung ihrer Patienten konkret
nützen? Die Antworten sind eindeutig:
Ja, Ja und nochmals Ja!
Leitlinien (wenn sie richtig gut gemacht
sind) könn(t)en auch für die Schmerzmedizin eine echte Bereicherung darstellen,
dann nämlich, wenn sie – den Vorgaben
ihrer Entwicklungsväter folgend – transparent Einblicke in die aktuell verfügbare externe Evidenz geben, die real existierenden Gegebenheiten konkreter Versorgungssituationen (be)achten, den Notwendigkeiten individuell maßgeschneiderter Behandlungskonzepte und den ihnen zugrunde liegenden Besonderheiten
bzw. Bedürfnissen Betroffener Tribut zollen und die interne Evidenz als Form des
Erfahrungswissens hinterfragen – jedoch
ihre Bedeutung nicht generell in Frage
stellen würden.
Dann – und nur dann! – so zumindest
formulierte es einst David Sackett sind
Leitlinien und das ihnen zugrunde liegende Konzept der „evidence-based medicine“ sinnvoll. Denn dann integrieren
Leitlinien ärztliche Kunst und medizinisches Wissen zum Wohle des Patienten.
Kontraproduktiv sind Leitlinien nach Sackett dann, wenn ihre Empfehlungen wie
die Rezepte in einem „Kochbuch“ genutzt
werden und ihre Aussagen von dem für
Anfänger sinnvollen Optionscharakter
(zur Erreichung/Sicherstellung einer gewissen Mindestqualität) hin zu obligat
verpflichtenden bzw. allfälligen Kostenkontroll- und Qualitätssicherungsmaßnahmen permutieren, die letztlich erfah-
11
Medizin ak tuell
renen Behandlern in der individuellen
Optimierung ihrer Bemühungen zur Versorgung gerade chronisch schmerzkranker Menschen nicht unterstützen, sondern ihnen Grenzen setzen.
Echte „evidence“ wäre also – zumindest in der ursprünglich zugrunde liegenden Intention und unter der Voraussetzung einer handwerklich einwandfreien Erstellung und wertfreien Berichterstattung – gerade für die Schmerzmedizin richtig, wichtig und sinnvoll. Was
für tolle Optionen würden sich uns allen
bieten, wenn wir auf der Grundlage guter Leitlinien die Möglichkeit geboten
bekämen, unsere empirisch für sinnvoll
gehaltenen und realisierten Behandlungskonzepte kontinuierlich zu hinterfragen und zum Wohle unserer Patienten zu optimieren – oder auch nicht!
Und genau an diesem Anspruch scheitert auch die Neuauflage der S3-Leitlinie
zur Langzeitanwendung von Opioiden
in der Schmerztherapie LONTS-2. Sie
formuliert auf Kochbuchniveau bekannte (und für Anfänger sicherlich hilfreiche) Allgemeinplätze der Behandlung
mit Opioidanalgetika, macht jedoch
neuerlich die diesbezüglich zugegebenermaßen unverändert begrenzt verfügbare externe Evidenz zum Maß aller
Dinge. Und sie verklärt die sich durch
die unzureichende Datenlage ergebenden Beschränkungen eigener Aussagen
und Empfehlungen durch großzügige
Publikationserstellungen in hauseigenen
Journalen und durch bewusst hinters
Licht führende Verallgemeinerungen.
Ein Beispiel gefällig?
Gerne: „In der Kurzzeittherapie (4–12
Wochen) von … Kreuzschmerz … sind
Nichtopioidanalgetika Opioiden in Bezug auf die Verbesserung der körperlichen Funktionsfähigkeit und hinsichtlich der Verträglichkeit überlegen“
[Welsch P et al. Schmerz. 2014; online
first; DOI 10.1007/s00482-014-1436-0].
Klare Ansage also: Buprenorphin, Fentanyl, Hydromorphon, Morphin, Oxycodon, Tapentadol, Tilidin und Tramadol – sie alle sind laut LONTS-2 schlechter wirksam und verträglich als die sonst
bei dieser Indikation verordneten Wirkstoffe Paracetamol, Diclofenac, Ibuprofen, Coxibe, Metamizol, Flupirtin,
diverse Muskelrelaxanzien, Antidepres-
12
Pro & Kontra
siva und Antikonvulsiva, etc. Nun denn,
wenn dem so ist. Ist aber nicht so!
Grundlage dieser vollumfänglichen
Aussage bzgl. der Behandlung eines der
komplexesten Gesundheitsprobleme
westlicher Industrienationen ist nämlich
nur eine einzige (noch dazu von mir
selbst veröffentlichte) Studie in der bei
Patienten mit chronischen Rückenschmerzen ein schwach wirksames Opioid (Tramadol) einem muskeltonusmindernden Nichtopioidanalgetikum (Flupirtin) über vier Wochen bzgl. Wirkung
und Verträglichkeit unterlegen war.
Eine einzige Studie, ein Vergleich zweier
Wirkstoffe, nur vier Wochen Beobachtungszeit! Und dann so eine Aussage?
Verstehen Sie, was ich meine?
Genau das ist es, was mich bei LONTS-2
zur Weißglut treibt: das Aussagenniveau
der Leitlinie wird dem selbstgesetzten
Anspruch nicht gerecht, unzureichende
Daten werden verallgemeinert und verklausuliert, konkrete Fakten werden mit
wie auch immer intendierten ideologischen Zielsetzungen zu einem kaum
mehr zu durchschauenden Leitlinienkonstrukt verwoben und jegliche (dringend notwendige) wissenschaftliche Auseinandersetzung unter Verweis auf die
„methodische Einwandfreiheit“, die „hohe
wissenschaftliche Qualität“, „das Recht
auf freie Meinungsäußerung“ und die institutionelle Beanspruchung der Deutungshoheit im Keim erstickt.
So etwas ist für mich weder echte Wissenschaft, noch entspricht es meinem
Verständnis von echter „evidence-based
medicine“. So etwas hilft nicht bei der
Versorgung chronisch schmerzkranker
Menschen, sondern dient – getarnt als
Instrument der Qualitätssicherung – allenfalls der Leistungsstandardisierung
(auf kleinstem gemeinsamen Nenner)
und der Kostenkontrolle, nicht jedoch
unseren Patienten.
PD Dr. med. Michael A.
Überall
Institut für Neurowissenschaften, Algesiologie
und Pädiatrie (IFNAP),
Nürnberg
Michael.Ueberall@ifnap.
de
Schmerzmedizin
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Medizin ak tuell
Im Fokus
Qualen, die niemals enden
Schmerzbehandlung für
Folter-, Gewalt- und Kriegsopfer
Die vermehrte Aufnahme von Flüchtlingen erfordert auch in
Deutschland eine Sensibilisierung der Ärzteschaft für das Thema,
da Krankheitsbilder von Flüchtlingen nicht selten auf erlittene
Gewalt in ihren Heimatländern zurückzuführen sind. In Argentinien
wurde daher eine „Special Interest Group“ gegründet.
O
bwohl die Genfer Konvention
den Einsatz der Folter verbietet,
gehört diese in vielen Ländern
zum Alltag, zum Beispiel im Rahmen
militärischer und polizeilicher Verhöre.
Nicht selten sind sogar Mediziner an den
Folterungen oder bei der Unterdrückung von Beweisen der Gewalt beteiligt.
Den 15. World Congress on Pain, der im
Oktober vergangenen Jahres in Buenos
Aires, Argentinien, stattfand, nahmen
zwölf Experten zum Anlass, über die
Lage und die Möglichkeiten der
Schmerzbehandlung von Folter-, Gewaltund Kriegsopfern zu diskutieren.
Diese „Special Interest Group“ (SIG),
in der sich auch Deutsche Kollegen en-
gagieren, hat es sich zur Aufgabe gemacht, durch Foltermethoden ausgelöste Erkrankungen und Schmerzen festzustellen und geeignete Therapieformen zu
entwickeln.
51 Millionen Flüchtlinge weltweit
Die Ausgangslage ist bedrückend: Von
den rund 51 Millionen Flüchtlingen
weltweit sind mehr als die Hälfte unter
18 Jahren alt. In 112 Ländern der Welt
wird gefoltert. Vor diesem Hintergrund
informierten Kollegen in Buenos Aires
über ihre Erfahrungen in Krisengebieten: Chronisch Kranke, zu denen auch
Schmerzkranke gehören, seien medizinisch unterversorgt, ihre Immobilität
Informationen zur
Special Interest Group
(SIG) der International
Association for the
Study of Pain (IASP):
© picture alliance / ZUMAPRESS.com
SIG Pain Related to
Torture, Organized
Violence and War
www.iasp-pain.org/
SIG/TOVW
In Deutschland vertritt
Dr. Thomas Cegla vom
Krankenhaus St. Josef,
Wuppertal, die SIG.
Thomas.Cegla@
cellitinnen.de
Für äußere Verletzungen ist oftmals rasche Hilfe vor Ort.
Die Seele leidet weiter. Das gilt für die meisten Gewaltopfer.
14
verschlechtere ihren Gesundheitszustand. Den Helfern vor Ort seien Maßnahmen zur Vermeidung von Schmerzen oft nicht bekannt.
Mit ihrer Arbeit wendet die SIG sich
zukünft ig an die Helfer in den Krisenregionen und an die Ärzte in den Aufnahmeländern für Flüchtlinge. Absicht
der Gruppe ist es, Kontakte zu Organisationen wie Human Rights Watch oder
Amnesty International zu intensivieren
und mit ihnen zu diskutieren, wie die
schmerztherapeutische Behandlung vor
Ort verbessert werden kann. Außerdem
möchten die Mediziner Weiterbildungsangebote entwickeln und anbieten, die
die medizinischen Notwendigkeiten der
Schmerztherapieprophylaxe zum Thema haben. Dazu stellten die Teilnehmer
der Arbeitsgruppe im Rahmen eines
Workshops die Probleme klar heraus:
— Einige moderne Foltermethoden, wie
akustische Gewaltanwendung, Schlafentzug oder das häufig in den arabischen Staaten angewendete Schlagen
auf die Fußsohlen (Falange), können
Krankheitsbilder nach sich ziehen, die
nicht direkt auf Folter schließen lassen.
— Spezielle Traumatisierungen in den
Herkunftsländern der Patienten können Schmerzen auslösen, deren Ursache nicht auf den ersten Blick zu erkennen ist.
An dieser Stelle möchte die SIG Aufk lärungsarbeit leisten und Ärzte dafür sensibilisieren, besonders bei Patienten aus
Krisenregionen einen möglichen Folterhintergrund in die Anamnese einzubeziehen.
Zukünft ig wird die Arbeitsgruppe
Erfahrungsberichte sowie die vorhandene Literatur bündeln und die Ergebnisse
auf Internetseiten mittels Verlinkungen
öffentlich zugängig machen.
Dr. med. Thomas Cegla, Wuppertal
[email protected]
Schmerzmedizin
2015; 31 (1)
Medizin ak tuell
Chronische Wunden bei Palliativpatienten
Der Geruch ist ein großes Problem
Die Versorgung von Palliativpatienten mit chronischen Wunden ist
ein komplexes Gebiet. Daher ist es wichtig, offen und einfühlsam mit
Patienten und Angehörigen zu reden. Wir sprachen mit Kerstin
Protz, Referentin für Wundversorgungskonzepte und Fachberaterin
für medizinische Einrichtungen.
? Frau Protz, im Mittelpunkt der pallia-
tiven Wundversorgung steht die Lebensqualität des Patienten. Was macht diese
Lebensqualität aus?
Kerstin Protz: Für den Patienten ist es
wichtig, dass er, soweit es geht, seine Selbstbestimmung und Würde bis zum Ende seines Lebens behält. Dazu gehört die Kontrolle der Schmerzen und zu versuchen, das
Wundwachstum und den Wundzerfall sowie Komplikationen so weit wie möglich zu
verzögern.
Auch der Geruch ist ein großes Problem,
das zu sozialer Isolation führt, gerade bei
Tumorexulzerationen. Hinzu kommt, dass
die Wunden oft sehr feucht sind. Das ist
nach außen sichtbar und ebenfalls eine
große Belastung für die Betroffenen. Weitere Probleme sind starke Blutungen und
Juckreiz. Wichtig ist es bei, der Wundbehandlung auf die Wünsche und Bedürfnisse
des Patienten einzugehen.
chen Wünschen des Patienten hintangestellt werden.
? Worin unterscheidet sich die Wundversorgung bei Palliativpatienten von der
üblichen Wundversorgung?
Protz: Wir müssen grundsätzlich differenzieren zwischen Wunden mit noch bestehenden Heilungschancen und Wunden
ohne Heilungschance aufgrund einer unheilbaren Erkrankung. Für letztere ist die
Reduktion von Einschränkungen und
Komplikationen unter Erhaltung einer
bestmöglichen Lebensqualität des Betroffenen das Ziel. Exulzerierende Tumorwunden sollten nicht mit folienbeschichteten
Wundauflagen abgedeckt werden. Diese
fördern und erhalten ein feucht-warmes
Wundmilieu und unterstützen somit optimal das Zellwachstum. Gegebenenfalls
? Wie kann das gelingen angesichts die-
„Wichtig ist es, bei der
Wundbehandlung auf
die Wünsche und Bedürfnisse des Patienten
einzugehen. “
ser sehr komplexen Situation?
Protz: Als Pflegende und Betreuer müssen
wir lernen, nicht primär unsere eigenen
medizinischen und pflegerischen Ziele zu
verfolgen. Es gilt, Sensibilität für die Wünsche und Bedürfnisse des Patienten zu
entwickeln und mit ihm und seinen Angehörigen offen darüber zu sprechen. Manche
wollen zum Beispiel mit ihren Freunden
einfach noch einmal einen Kaffee trinken
gehen. Da kann es angebracht sein, eine
Tumorexulzeration eben doch einmal mit
einem Folienverband abzudecken, um Gerüche für diesen kurzen Ausflug zu minimieren, obwohl diese Versorgung eigentlich
ungeeignet ist.
Übliche Ziele der Pflege und Medizin
müssen manchmal gegenüber persönli-
16
Kerstin Protz
Selbständige Referentin für Wundversorgungskonzepte und Fachberaterin
für medizinische Einrichtungen sowie
Sachverständige für Pflege; Projektmanagerin Wundforschung am Institut
für Versorgungsforschung in der
Dermatologie und bei Pflegeberufen
(IVDP) sowie am Comprehensive
Wound Center (CWC) am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
kann damit das Wachstum der Tumorzellen
gefördert werden. Daher ist hier eine konventionelle Sekundärabdeckung, wie
Kompressen, zu bevorzugen.
? Inwiefern können Pflegende zur Kontrolle der Schmerzen bei den Patienten
beitragen?
Protz: Eine adäquate systemische Schmerztherapie ist unabdingbar. Es ist zu klären, ob
die Schmerzmedikation ausreichend ist, ob
Nebenwirkungen bestehen und ob gegebenenfalls ein Schmerztherapeut hinzugezogen werden muss. Werden die Präparate
regelmäßig unter Beachtung des Wirkeintritts eingenommen? Ist die Bedarfsmedikation ausreichend? - Diese Fragen können
Pflegende klären.
? Um zusätzliche Schmerzen zu vermei-
den, soll der Verbandswechsel atraumatisch erfolgen. Wie sieht das aus?
Protz: Ehrlicherweise müssen wir eher von
einem schmerzarmen Verbandswechsel
sprechen. Vorausgesetzt, der Patient hat
zeitnah seine Schmerzmedikation erhalten,
wird mit ihm konkret besprochen, was ansteht. Denn ein Patient, der nicht genau
weiß, was passiert, hat noch mehr Angst vor
der Prozedur.
Schmerzerleben und -erwartung mindern seine Lebensqualität. Es ist hilfreich,
Stopp-Signale zu vereinbaren, so dass der
Betroffene das Tempo des Verbandswechsels mitbestimmen kann. Die Umgebung
sollte so stressfrei wie möglich sein,
Lärmquellen wie Radio und Fernseher sind
auszuschalten, ebenso das Handy. Dinge
wie Baulärm kann man nicht vermeiden –
dann hilft es, darüber zu sprechen, so dass
der Patient einfach mal Dampf ablassen
kann.
? Offene Fenster sollten ja sowieso geschlossen werden – richtig?
Protz: Ja, schon allein, um Zugluft zu
vermeiden, weil diese an der offenen
Wunde Schmerzreize setzt. Weiterhin
achten wir darauf, dass der Patient so be-
Schmerzmedizin
2015; 31 (1)
quem wie möglich liegt, es nützt nichts,
wenn ich gut an die Wunde herankomme,
der Patient aber die Lagerung nicht toleriert, die zu Schonhaltung und Stressreaktionen führt.
? Sie sprachen das Tempo des Verbandwechsels an. Zeit ist natürlich aus mehreren Gründen ein kritischer Faktor...
Protz: Generell soll der Verbandswechsel
möglichst zügig ablaufen, ansonsten kann
die Wunde auskühlen und austrocknen.Dies
löst dann wiederum Schmerzen aus. Andererseits muss ich mich nach dem Patienten
richten und Stopp-Signale akzeptieren.
? Was ist nach Entfernen des Verbandes
in puncto Schmerzvermeidung zu beachten?
Protz: Spüllösungen werden auf Körpertemperatur angewärmt, zum Beispiel im
Wasserbad oder unter laufendem Warmwasser, kleinere Behältnisse passen in die
Kitteltasche. Die Lösungen sollten keine
aggressiven Stoffe wie Alkohol enthalten.
Manchmal wird mit einem Lokalanästhetikum, der Emla®-Creme, gearbeitet, besonders wenn ein chirurgisches Débridement
oder eine ausführlichere Wundreinigung
ansteht. Wichtig ist die Abdeckung mit einer sterilen Folie, da eine Kompresse das
Lokalanästhetikum aufsaugen würde. Nach
einer Einwirkzeit von 45 bis 60 Minuten ist
die volle anästhesierende Wirkung erreicht.
Der Verbandswechsel muss also gut geplant werden. In der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) sind allerdings andere Budgets bzw. Vergütungen als
in der Regelversorgung möglich.
? Das Verbandsmaterial soll für die Patienten bequem und akzeptabel sein. Was
heißt das?
Protz: Harte, starre Materialien, die womöglich noch die Geruchs- und Exsudatbildung
fördern, werden vermieden zugunsten von
weichen, anschmiegsamen und gut lösbaren Verbandsmaterialien wie Gittern oder
Schäumen mit zum Beispiel Silikonbeschichtung. Diese lassen sich zudem relativ
schmerzarm entfernen. Der Verband soll
die Mobilität möglichst wenig behindern
und Einschnürungen sind zu vermeiden.
Zudem ist auf eine spannungsfreie Applikation zu achten. Empfehlenswert sind Produkte ohne Klebeflächen, um Nervenreizungen zu vermeiden. Sie werden mit
Schmerzmedizin
2015; 31 (1)
Schlauchverbänden oder elastischen Mullbinden fixiert.
? Sie erwähnten eingangs die teilweise
starke Exsudatbildung. Wie wird damit
umgegangen?
Protz: Deren Ursache ist bei Tumorexulzerationen nicht mehr kausal zu beseitigen. Wir
benötigen also Material, dass das Exsudat so
gut wie möglich bindet. Ein Schaumverband
würde, sobald er erschöpft ist, Feuchtigkeit
abgeben und damit Wundrand und -umgebung erheblich reizen. Es gibt windelähnliche Vlieskompressen mit so genannten Superabsorbern, die zum Teil mehrere hundert
Milliliter Exsudat aufnehmen können. Die
Wundumgebung bleibt damit relativ trocken und die Haut weitgehend intakt. Naturgemäß sind diese Verbände dann auch vergleichsweise schwer und in individuellen
Abständen zeitnah, jedoch spätestens nach
vier Tagen, zu wechseln.
Nachteilig ist, dass diese Vlieskompressen
mit Superabsorber beim Auflegen recht fest
und hart sind. Erst beim Aufquellen werden
sie weicher. Wichtig ist, einen guten Hautschutz einzusetzen, etwa transparente
Hautschutzfilme, die eine Beurteilung der
Wundumgebung ermöglichen und die Haut
vor Exsudat und Ausscheidungen schützen.
Die Verbände sollten so oft wie nötig und so
selten wie möglich gewechselt werden.
? Exulzerierende Wunden können stark
bluten. Was sind dabei geeignete Versorgungsstrategien?
Protz: Zuallererst sollten diese Patienten
dunkle und farbige Bettwäsche erhalten.
Denn Blut auf weißer Bettwäsche löst bei
Patienten und Angehörigen große Angst, ja
teilweise dramatische Panikattacken aus.
Ansonsten ist der Umgang damit wirklich
eine Herausforderung. Gegebenenfalls ist
im Bedarfsfall ein leichter Druckverband
möglich oder eine milde Kühlung. Mit
0,1-prozentigem Adrenalin getränkte Kompressen, eine Off-Label-Therapie, sind in
akuten Situationen anwendbar. Dies sollte
wegen der möglichen systemischen Wirkung aber unter ärztlicher Kontrolle erfolgen. Und aus der Chirurgie kennen wir lokal
anwendbare Hämostyptika wie Tabotamp®.
Kalziumalginate reichen bei Palliativpatienten in der Regel nicht für die Blutstillung aus.
? Unangenehme Gerüche belasten den
Patienten, stören sein Körperbild, sind
aber auch ein Stressfaktor für die Pflegenden. Wie kann man sie vermeiden?
Protz: Außer den Schmerzen ist der Geruch
für die Patienten tatsächlich oft das Allerschlimmste! Manche ekeln sich vor sich
selbst, und Angehörige wie Pflegende
können entsprechende Reaktionen vor
dem Patienten nicht verbergen. Deshalb
kann ich nur empfehlen, auch in diesem
Punkt offen miteinander umzugehen und
dies zu besprechen. Für alle Beteiligten ist
es berfeiend, darüber zu reden! Aktivkohlewundauflagen ohne und mit antibakteriell
wirkendem Silber, die geruchsbindend sind
können helfen, auch wenn das nicht immer
ausreicht. Ein Schälchen mit Kaffeepulver
im Zimmer kann unterstützend die Gerüche
binden.
Wirksam sind auch in Apotheken hergestellte zweiprozentige Chlorophyll-Lösungen auf wässriger Basis. Dieser werden auf
die wundabgewandte Seite der Kompresse
aufgetragen. Diese Lösungen sind jedoch
nicht konserviert und müssen nach Anbruch
innerhalb von ein bis drei Tagen aufgebraucht werden. Ein direkter Wundkontakt
ist aufgrund der grünen Verfärbung zu vermeiden. Zudem gibt es Chlorophyll-Dragees
(Stozzon®), die Mund- und Körpergerüche
binden. Möglich ist auch der lokale Einsatz
von Metronidazol, dies ist eine Off-LabelTherapie. Zeitgemäße lokale Antiseptika wie
Polihexanid-Zubereitungen wie Serasept®
oder mit Octenidin wie Octenisept® sind
ebenfalls eine gute Unterstützung. Von
Aromalämpchen mit ätherischen Ölen rate
ich ab, weil daraus teilweise Übelkeit erregende Geruchskombinationen resultieren.
Künstliche Geruchsbinder wie Nilodor®
können helfen, verstärken aber manchmal
auch das Geruchsproblem.
? Der Immunstatus von Palliativpatienten kann erheblich reduziert sein. Was
bedeutet das für die Wundversorgung?
Protz: Nach Empfehlungen des RobertKoch-Instituts (RKI) muss jede Wundspülung steril sein. Ringer- und physiologische
Kochsalz-Lösungen sind die klassischen
Wundspüllösungen, Reste müssen jedoch
nach Anbruch verworfen werden, da diese
Lösungen unkonserviert sind. Es gibt inzwischen mit Octenidin oder Polihexanid konservierte Spüllösungen, die über mehrere
Wochen verwendet werden dürfen.
Das Interview führte Thomas Meißner.
17
In der Rubrik „Literatur kompakt“
werden die wichtigsten Originalarbeiten
aus der internationalen Fachliteratur
referiert.
© Mehmet Dilsiz / Fotolia.com
Literatur kompak t
Antikörper gegen NGF bei schmerzhafter diabetischer Neuropathie
Untersucht wurden Sicherheit und
Verträglichkeit eines monoklonalen
Antikörpers gegen den Nervenwachstumsfaktor bei schmerzhafter
diabetischer Polyneuropathie (PNP).
E
twa 16 % aller Diabetespatienten leiden an einer schmerzhaften PNP,
die oft nicht auf die übliche schmerzlindernde Therapie anspricht. NGF (Nerve
Growth Factor) ist stark schmerzerzeugend und seine Antagonisierung wirkt
in Tiermodellen analgetisch. Fulranumab, ein rekombinanter Antikörper gegen NGF, war in einer Studie zu
Schmerzen bei Osteoarthritis wirksam.
Die randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Studie schloss Patienten mit mäßiger bis schwerer schmerzhafter diabetischer PNP ein, die auf die Standardtherapie nicht ansprachen. Sie erhielten entweder Placebo oder Fulranumab (1
mg, 3 mg oder 10 mg s. c. alle 4 Wochen)
und wurden alle 4 Wochen klinisch evaluiert. Auf eine 5-wöchige Screening-Phase folgten eine 12-wöchige Doppelblind-,
eine 40-wöchige doppelblinde Extensions- und eine 52-wöchige offene Extensionsphase. Die Studie sollte 200 Patienten einschließen, wurde aber nach Aufnahme von 77 Patienten abgebrochen, da
die FDA alle Studien mit Anti-NGF-Antikörpern stoppte. Primärer Endpunkt
war der Mittelwert der mittleren täglichen Schmerzstärke in Woche 12 minus
dem gleichen Wert aus der 1-wöchigen
Baseline-Phase. Von 312 gescreenten Patienten konnten 77 randomisiert werden.
Davon beendeten 62 die Doppelblindphase bis Woche 12 und 13 die Doppelblind-
18
Extensionsphase. 12 Patienten begannen die offene Extensionsphase, mussten diese jedoch wegen des FDA-Stopps
abbrechen. Nur unter der 10-mg-Dosis
zeigte sich in Woche 12 eine signifikante Schmerzreduktion versus Baseline und
versus Placebo. In der 10-mg-Gruppe gab
es signifikant mehr Responder (mindestens 30 % Schmerzreduktion) als in der
Placebogruppe.
Eine Post-hoc-Analyse zeigte, dass ein
Ansprechen wahrscheinlicher war, wenn
im NPSI(Neuropathic Pain Symptom
Inventory)-Fragebogen bei Baseline höhere Werte für brennende und drückende Spontanschmerzen erreicht wurden.
Unerwünschte Wirkungen waren unter
Placebo und Fulranumab ähnlich häufig.
Fazit: Obwohl nur ein Drittel der geplanten Patienten analysiert werden konnte,
führte Fulranumab 10 mg zu einer klinisch signifkanten Schmerzlinderung.
Wang H et al. Fulranumab for treatment of diabetic peripheral neuropathic pain: A randomized controlled trial. Neurology. 2014;83(7):
628-37.
Kommentar von Prof. Sommer
NGF ist eine der stärksten natürlich vorkommenden schmerzvermittelnden Substanzen,
besonders bei Entzündungsschmerz [McMahon SB. Philos Trans R Soc Lond B Biol Sci.
1996; 351(1338):431-40]. Nozizeptoren sind
von NGF abhängig. Wenn NGF in der Entwicklung eines Organismus fehlt, können die
Betroffenen keine Schmerzen empfinden,
was zu massiver Beeinträchtigung und Behinderung führt [Indo Y. Eur J Neurosci. 2014;
39(3): 375-91]. Beim Gesunden verursacht die
Injektion von NGF Schmerzen [Dyck PJ et al.
Neurology. 1997;48(2):501-5]. Es liegt daher
nahe, einen NGF-Antagonisten zum Analgetikum zu entwickeln. Die NGF-Antagonisten
Fulranumab und Tanezumab sind in einer
schon fortgeschrittenen Entwicklungsphase,
während sich Fasinumab und ABT-110 noch
in früheren Phasen befinden.
In ersten Studien linderte Tanezumab die
Schmerzen bei Osteoarthrose-Patienten
deutlich, aber bei einigen, besonders in
Kombination mit nicht steroidalen Antirheumatika, verschlimmerte sich die Arthrose.
Dies wurde durch vermehrten Gebrauch der
erkrankten Gelenke erklärt [Kumar V et al. J
Pain Res. 2012;5:279-87]. Daraufhin stoppte
die FDA Ende Juni 2010 alle Studien mit NGFAntagonisten. Der schmerzlindernde Effekt
von Tanezumab und Fulranumab in den
Studien mit Osteoarthrose war sehr ausgeprägt, sodass eine Weiterentwicklung der
Substanzen für andere Indikationen wünschenswert wäre. Erfreulicherweise ergab
sich in dieser Studie trotz der geringen Fallzahl ein positives Ergebnis für Fulranumab,
ohne dass unerwünschte Wirkungen in Bezug auf den neurologischen Befund auftraten. Da es sich jedoch um die Antagonisierung eines NGF handelt, müsste in eventuellen Folgestudien die neurologische Funktion
besonders wachsam verfolgt werden.
Prof. Dr. med. Claudia
Sommer
Leitende Oberärztin,
Neurologische Klinik
und Poliklinik, Universitätsklinikum Würzburg
Schmerzmedizin
2015; 31 (1)
Neuropathie: Schmerzprofil berücksichtigen
Es lohnt sich in der Therapie neuropathischer Schmerzen eventuell, das
individuelle Schmerzprofil zu beachten, so das Ergebnis einer Post-hocAnalyse der COMBO-DN-Studie.
mit 60 mg Duloxetin oder 300 mg Pregabalin und in der Hauptphase randomisiert entweder mit einer Kombination aus
beiden Präparaten, oder das entsprechende Medikament aus der Vorphase allein,
jedoch in doppelter Dosis. Auch die 339
Teilnehmer, bei denen die Monotherapie
versagt hatte wurden in der Hauptphase
behandelt. Der Therapieeffekt wurde
mithilfe des NPSI (Neuropathic Pain
Symptom Inventory) gemessen.
Die in der Hauptphase erreichten Effekte waren nicht signifikant, zeigten
aber gewisse Trends. Um die Therapieeffekte abhängig vom jeweiligen Schmerzmuster zu studieren, bildeten die Forscher drei Cluster: Cluster I (n = 232) für
Schmerzintensitäten ≥ 6 in allen NPSIParameter; Cluster II (n = 280) für starke
brennende Schmerzen sowie Parästhesien/Dysästhesien; Cluster III (n = 278) für
B
ei Patienten mit diabetischer Neuropathie gelingt es oft nicht, die Schmerzen mit nur einer Substanz zu kontrollieren. In der COMBO-DN-Studie hatte
sich die Kombinationstherapie aus Duloxetin plus Pregabalin der Monotherapie
allerdings auch nicht als überlegen erwiesen. Dies könne an der Heterogenität des
Studienkollektivs in puncto Schmerzsymptomatik gelegen haben, vermuten
die Forscher und führten eine Post-hocAnalyse der COMBO-DN-Studie durch.
In der COMBO-DN-Studie waren insgesamt 804 Patienten behandelt worden.
Während der Einleitungsphase entweder
Mehr schwere Hypoglykämien unter Tramadol
Patienten, deren Schmerzen mit Tramadol behandelt werden, landen
öfter mit einer Hypoglykämie im Krankenhaus als Patienten mit einer
Codein-Therapie. Besonders riskant ist offenbar der Therapiebeginn.
E
Schmerzmedizin
2015; 31 (1)
ein, aber nur 1,4 % der Kontrollpatienten.
Verglichen mit Codein und unter Rücksicht auf andere Einflüsse erhöhte Tramadol das Risiko für eine hypoglykämiebedingte Einweisung um 52 %. Am stärksten gefährdet waren Patienten unter Tramadol, deren Therapie in den letzten 30
Fazit: Die vorliegenden Daten bestätigen,
dass sich die Schmerzprofile bei Patienten
mit diabetischer Neuropathie individuell
stark unterscheiden. Eine adäquate
Schmerztherapie sollte dem Rechnung
tragen, so die Forscher.
Doris Berger
Bouhassira D et al. Neuropathic pain phenotyping as a predictor of treatment response in
painful diabetic neuropathy: Data from the randomized, double blind, COMBO-DN study. Pain.
2014;155(10):2171-9.
Tagen begonnen wurde. Bei ihnen gab es
3,0, bei Patienten mit gleich langer Codein-Therapie nur 0,7 Klinikaufnahmen
wegen Hypoglykämie pro 10.000 Personenmonate; das adjustierte Risiko war
2,6-mal so hoch. Lag der Therapiestart
länger zurück, war das Risiko durch Tramadol nicht mehr signifikant gesteigert.
Die Hypoglykämierate war auch abhängig von einer antiglykämische Therapie: Ohne Antidiabetika war die Quote
mit Tramadol gut doppelt so hoch wie
mit Codein, mit Einnahme war der Unterschied nicht signifikant. Ein fast gleiches Bild für die ersten 30 Tage zeigte der
zusätzliche Abgleich der Ursachen für die
Schmerztherapie: das Hypoglykämierisiko mit Klinikeinweisung war unter Tramadol 3,6-mal so hoch wie unter Codein.
Fazit: Laut den Forschern erfordere der
Beginn einer Tramadol-Therapie wegen
des erhöhten Hypoglykämierisikos einen
Klinikaufenthalt. Weitere Studien zu dieser seltenen, aber potenziell tödlichen Nebenwirkung seien nötig. Beate Schumacher
© fovito / Fotolia.com
ine große Fall-Kontroll-Studie untermauert den Verdacht, dass Tramadol
mit schweren Hypoglykämien assoziiert
sein könnte. Danach erfolgen unter der
Therapie nicht krebsbedingter Schmerzen mit Tramadol mehr stationäre Aufnahmen wegen Hypoglykämien als unter
Codein. In den ersten 30 Tagen ist das Risiko sogar mehr als verdoppelt.
Zur Analyse wurden britische Daten
eines Praxis- und eines Klinikregisters
von 334.034 Patienten mit nicht krebsbedingten Schmerzen ausgewertet, bei denen eine Therapie mit Tramadol (n =
28.110) oder Codein (n = 305.924) begonnen worden war. Im mittleren Follow-up
von 5 Jahren waren 1.105 von ihnen mit
einer Hypoglykämie stationär aufgenommen worden; 112 Hypoglykämien waren
letal verlaufen. Den 1.105 „Fällen“ wurden 11.019 „Kontrollen“ gegenübergestellt. 4,3 % der Patienten nahmen zum
Zeitpunkt der Unterzuckerung Tramadol
mäßig starke brennenden Schmerzen
und Parästhesien/Dysästhesien sowie
leichten evozierbaren paroxysmalen oder
Druckschmerzen. Auch in dieser Analyse war keine Strategie der anderen überlegen. Nach Abschluss der Hauptphase
war die Schmerzreduktion in Cluster I
unter der Hochdosis-Monotherapie tendenziell stärker. In den beiden anderen
Gruppen war ein Trend zugunsten der
Kombination erkennbar, der Unterschied war aber auch nicht signifi kant.
Schmerzpatienten, die Tramadol einnehmen, sollten auf ihren Blutzuckerspiegel
achten.
Fournier JP et al. Tramadol Use and the Risk of
Hospitalization for Hypoglycemia in Patients
With Noncancer Pain. JAMA Intern Med. 2015;
175(2):186-93
19
Literatur kompak t
Prophylaxe häufiger episodischer Migräne: ALD403 auf dem Prüfstand
Ist ALD403, ein genetisch hergestellter, humanisierter Antikörper gegen
CGRP („calcitonin gene-related peptide“) in der Prävention der häufigen
episodischen Migräne wirksam?
C
GRP spielt eine essenzielle Rolle in
der Pathophysiologie der Migräne.
Die Konzentrationen von CGRP sind
während der Migräneattacke erhöht und
die subkutane Gabe von Sumatriptan reduziert signifi kant die Serumspiegel von
CGRP. Daher wurden zunächst CGRPAntagonisten eingeführt, die tatsächlich
bei der Behandlung akuter Migräneattacken wirksam waren. Bei der Langzeitgabe von CGRP-Antagonisten kam es allerdings bei einzelnen Patienten zu Leberschäden, sodass diese Entwicklung
eingestellt wurde. In der Folgezeit wurden humanisierte Antikörper entweder
gegen CGRP oder den CGRP-Rezeptor
entwickelt. ALD403 ist ein solcher Antikörper, der die Blut-Hirn-Schranke
nicht überwindet und eine relativ lange
Plasmahalbwertszeit von 31 Tagen hat.
Die Substanz wurde jetzt erstmals im
Rahmen einer Phase-II-Studie untersucht.
Es handelt sich um eine randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte
Proof-of-Concept-Studie, in welche Patienten im Alter zwischen 18 und 55 Jahren mit fünf bis 14 Migränetagen pro
Monat eingeschlossen wurden. Die Studienteilnehmer erhielten entweder über
einen Zeitraum von zwölf Wochen alle
zwei Wochen eine Infusion von 1.000
mg ALD403 oder Placebo. Die Studie
war primär eine Sicherheitsstudie. Daneben sollte die Häufigkeit der Migränetage in den Wochen fünf bis acht im Vergleich zur Baseline untersucht werden.
In die Studie wurden 82 Patienten in
die Placebo- und 81 in die ALD403Gruppe randomisiert (mittleres Alter 39
Jahre, 80 % Frauen). Die durchschnittliche Zahl der Migränetage pro 28 Tage
betrug im Mittel 8,5, die Anzahl der Migräneattacken lag zwischen 6,0 und 6,7.
Nebenwirkungen gaben 46 Patienten
(57 %) der ALD403- und 43 (52 %) der
Placebogruppe an, unter ALD403 am
häufigsten Husten, Schnupfen und Heiserkeit sowie Harnwegsinfektionen. Alle
anderen Nebenwirkungen waren in beiden Gruppen gleich häufig. Bei den Laborwerten zeigten sich keine Auff älligkeiten.
Die mittlere Reduktion der Migränetage in den Wochen fünf bis acht betrug
im Vergleich mit den Baseline-Werten
-5,6 Tage für die ALD403-und -4,6 Tage
für die Placebogruppe. Dieser Unterschied war statistisch signifi kant.
F
ür die Therapieplanung am Lebensende wurden international verschiedene
Richtlinien erarbeitet. Kanadische Ärzte
bezweifeln, ob man so den Erwartungen
und Bedürfnissen terminal Kranker gerecht wird. Es fehle an Input von Patienten und Angehörigen. Nach ihrer Untersuchung wollen Menschen an ihrem Le-
20
Dodick DW et al. ALD403 Study investigators.
Safety and efficacy of ALD403, an antibody to
calcitonin gene-related peptide, for the prevention of frequent episodic migraine: a randomised,
double-blind, placebocontrolled, exploratory
phase 2 trial. Lancet Neurol. 2014;13(11):1100-7.
Kommentar von Prof. Diener
Die Antikörper gegen CGRP sind eine wichtige neue Entwicklung für die Prophylaxe
der Migräne. Ein zwölfwöchiger Beobachtungszeitraum ist allerdings viel zu kurz, um
auszuschließen, dass die Antikörper ähnlich
wie die Antagonisten zu Nebenwirkungen
führen können.
Der klinische Effekt auf die Migränehäufigkeit war relativ gering. Hier müssen größere
Phase-III-Studien zeigen, ob eine bessere
Wirksamkeit erzielt werden kann. Solche
Studien befinden sich im Moment in Vorbereitung.
Prof. Dr. med. HansChristoph Diener
Leiter der Neurologie an
der Universitätsklinik
Essen
Fazit: ALD403 wird offenbar bei der Prävention der häufigen episodischen Mi-
Arzt-Patienten-Gespräch am Lebensende
Ärzte werden den Wünschen
terminal Kranker bei der Absprache
von Therapiezielen oft nicht gerecht,
so das Ergebnis einer aktuellen
Befragung.
gräne über einen Zeitraum von zwölf
Wochen gut vertragen. Die Studie zeigte
einen geringen, aber statistisch signifikanten Effekt auf die Häufigkeit der Migränetage.
bensende mit dem Arzt vor allem fünf
Dinge besprechen:
— das Vorgehen in der Klinik im Fall eines akut lebensbedrohlichen Zustands: Für 48,7 % der befragten 233
Patienten ist dieser Punkt „sehr wichtig“ oder „äußerst wichtig“;
— persönliche Wertvorstellungen der
Patienten (45,6 %);
— Auskunft über die Prognose (76,2 %
der befragten Angehörigen und 44,0 %
der Patienten);
— die Gelegenheit, Ängste und Sorgen
anzusprechen (43,8 %);
— gefragt zu werden, ob man etwas zu
medizinischen Abläufen wissen möchte (43,8 %).
Fazit: Die Wissenschaft ler um John J.
You identifizierten ein spezifisches Kommunikationsdefizit bei terminalen Klinikpatienten. Sie haben hierzu einen Leitfaden herausgegeben: Unter dem Titel
„Just Ask“ werden Klinikärzte ermutigt,
die Patienten direkt auf ihre Erwartungen und Wünsche am Lebensende anzusprechen.
Elke Oberhofer
You JJ et al. What really matters in end-of-life
discussions? Perspectives of patients in hospital
with serious illness and their families. CMAJ.
2014;186(18):e679-87.
Schmerzmedizin
2015; 31 (1)
Literatur kompak t
CRC: Tumoroperation auch bei Palliativpatienten?
Auch bei asymptomatischen Darmkrebspatienten in der Palliativsituation
kann es offenbar sinnvoll sein, den Primärtumor zu entfernen. Ein Ärzteteam
fand Hinweise für ein längeres Überleben nach der Resektion.
B
© I.Sasa/Panthermedia
ei Patienten mit kolorektalen Karzinomen (CRC) im fortgeschrittenen
Stadium ist eine komplette Resektion des
Tumors inklusive Metastasen oft nicht
mehr möglich. Profitieren Betroffene
ohne krebsbedingte Beschwerden von der
alleinigen Entfernung des Primärtumors
im Darm? In der Palliativsituation ist diese Option bislang umstritten.
Kolonkarzinom trotz inoperabler
Metastasen resezieren?
Ignazio Tarantino, Heidelberg, und
sein Team haben nun in einer großen
Langzeit-Kohortenstudie beide Situationen gegenübergestellt: Palliativpatienten,
bei denen der Primärtumor entfernt worden war und solche, bei denen man auf
den Eingriff verzichtet hatte. Als Grundlage diente das SEER-Register des National Cancer Institute in den USA. Daraus
griff man die Daten von 37.793 Patienten
heraus, bei denen zwischen 1998 und
2009 ein CRC im Stadium IV diagnostiziert worden war. 23.000 hatten sich einer
Tumorresektion unterzogen.
Den Forschern zufolge zeigte sich
zweierlei: Die palliative Resektion des
(symptomlosen) Primärtumors war signifikant mit einem Überlebensvorteil
verknüpft. Über den gesamten Beobachtungszeitraum waren die krebsspezifische Mortalität um 61 % und die Gesamtmortalität um 60 % niedriger als bei
den Patienten ohne Resektion. Dieser Effekt war über die Jahre konsistent geblieben, obwohl sich die Überlebensraten in
beiden Gruppen insgesamt deutlich verbessert hatten. Die Häufigkeit der operativen Eingriffe zur Resektion des Primärtumors war im ausgewerteten Zeitraum
jedoch deutlich zurückgegangen.
Den Forschern zufolge unterschieden
sich die Gruppen in einigen Basiskriterien deutlich: Patienten, bei denen man
sich für die Resektion entschieden hatte,
waren im Schnitt jünger, häufiger weiblich und verheiratet und hatten seltener
ein Rektumkarzinom; außerdem war der
Tumor in der Regel aggressiver. Diese
möglichen Einflussfaktoren hatten die
Forscher um Tarantino jedoch durch eine
Methode namens „Propensity Score Matching“ herausgerechnet. Auch danach
blieb die Tumorresektion ein signifikanter Prognosefaktor, für das Gesamt- sowie das tumorspezifische Überleben.
Fazit: Das Dogma, demzufolge man einen symptomlosen Primärtumor bei Patienten mit irresektablen Metastasen eines Kolonkarzinoms nicht entfernen sollte, müsse nun hinterfragt werden, schreiben die Wissenschaftler. Elke Oberhofer
Tarantino I et al. Prognostic Relevance of Palliative Primary Tumor Removal in 37,793 Metastatic Colorectal Cancer Patients. A PopulationBased, Propensity Score-Adjusted Trend Analysis. Ann Surg. 2014 Nov 4. [Epub ahead of print]
Phase-III-Studie: Naloxegol bei opioidinduzierter Obstipation
In zwei US-Studien konnte bei
Patienten mit Nicht-Tumorschmerz
eine opioidinduzierte Obstipation
durch Naloxegol signifikant
verbessert werden.
N
aloxegol ist ein oraler, peripher wirksamer μ-Opioidrezeptorantagonist.
William Chey und Kollegen untersuchten
seine Effektivität und Sicherheit zur Therapie der opioidinduzierten Obstipation
bei Nichttumorpatienten: In zwei identischen Phase-III-Studien (KODIAC-04
und KODIAC-05) wurden insgesamt
1.337 ambulante Schmerzpatienten (18–
84 Jahre) mit opioidbedingter Obstipation (< 3 spontane Stühle/Woche plus
mind. ein weiteres typisches Symptom)
in eine von drei Gruppen randomisiert.
22
Die Probanden hatten täglich 30–1.000
mg Morphin bzw. Äquivalent (im Mittel
3,6–3,7 Jahre) oral eingenommen. Meist
war ein Laxanziengebrauch vorausgegangen, der aber bei über 50 % der Patienten
nicht ausreichte. Die Teilnehmer erhielten 1-mal täglich 12,5 mg bzw. 25 mg
Naloxegol oder Placebo. Nach 12 Wochen
lagen die Ansprechraten – u. a. definiert
als ≥ 3 spontane Stühle/Woche ohne Laxanziengabe in den 24 Stunden zuvor – in
den 25-mg-Gruppen signifikant über denen der Placebogruppen (44,4 vs. 29,4 %
bzw. 39,7 vs. 29,3 %). In Studie 04 erwiesen sich schon 12,5 mg Naloxegol versus
Placebo als signifikant wirksamer. Mit 25
mg Naloxegol war in beiden Studien die
Zeit bis zum ersten spontanen Stuhlgang
versus Placebo kürzer (5,9 bzw. 12 h vs.
38,8 bzw. 37,2 h), und die Probanden hatten an mehr Tagen/Woche Stuhlgang.
Mit der 12,5 mg-Dosis gelang dies nur in
Studie 04. Zum Studienabbruch führende unerwünschte Ereignisse traten vorwiegend in der 25-mg-Gruppe auf.
Fazit: Mit Naloxegol wird verglichen mit
Placebo eine signifikant höhere Ansprechrate erzielt. Die schmerzlindernde
Opioidwirkung wird dadurch nicht beeinflusst. Dies zeigte sich in der Gesamtstudienpopulation sowie bei Patienten,
bei denen Laxanzien zuvor nur wenig erfolgreich waren.
Christine Starostzik
Chey WD et al. Naloxegol for Opioid-Induced
Constipation in Patients with Noncancer Pain.
N Engl J Med 2014;370(25):2387-96.
Schmerzmedizin
2015; 31 (1)
Fortbildung
© Jupiterimages / Thinkstock
Besonders Männer zwischen
20–40 Jahren leiden unter
Clusterkopfschmerzen.
Clusterkopfschmerzen
Neuromodulation des Ganglion
sphenopalatinum
Andreas Böger
Patienten mit Clusterkopfschmerzen leiden unter extremen Schmerzattacken. Bei einem kleinen Teil der Patienten ist die konservative
Therapie nicht erfolgreich. Ihnen können neuromodulatorische
Methoden wie die Implantation eines Mikrostimulators des Ganglion
sphenopalatinum helfen.
N
ach der Klassifi kation der International Headache Society (IHS)
unterscheidet man primäre und
sekundäre Kopfschmerzen. Primäre
Kopfschmerzen, bei denen keine andere
Ursache für den Kopfschmerz vorliegt,
gehören zu den häufigsten Erkrankungen – mit einer starken Beeinträchtigung der Lebensqualität. Die Gesamtprävalenz von Kopfschmerzerkrankun-
Schmerzmedizin
2015; 31 (1)
gen in der Bevölkerung liegt bei 46 %.
Den größten Anteil hat dabei die Migräne, mit einer Prävalenz von circa 11 % [1].
Clusterkopfschmerzen sind deutlich
seltener. So wird die 12-Monats-Prävalenz des Clusterkopfschmerzes in einer
epidemiologischen Studie der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) mit 0,15 % angeben.
Für Deutschland wurde hieraus eine
Zahl von etwa 120.000 Betroffenen errechnet [2].
Symptome des
Clusterkopfschmerzes
Der Clusterkopfschmerz ist die häufigste Form der trigeminoautonomen Kopfschmerzerkrankungen, zu denen auch
das sehr seltene SUNCT-Syndrom
(SUNCT, Short-lasting Unilateral Neuralgiform headache with Conjunctival
injection and Tearing) und die paroxysmale Hemikranie gerechnet werden.
Clusterkopfschmerzen sind gekennzeichnet durch extremste, einseitige
Kopf- und/oder Gesichtsschmerzattacken mit ipsilateralen Begleitsymptomen. Es kommt zum Tränen des Auges,
23
Fortbildung
Clusterkopfschmerzen
Tab. 1: Therapie der Clusterkopfschmerzen
Akuttherapie
Mittel der 1. Wahl
Mittel der 2. Wahl
— Inhalation von Sauerstoff
— Sumatriptan 6 mg subkutan
— Zolmitriptan 5–10 mg nasal
— Instillation von Lidocain-Nasenspray
— bei langen Attacken: Sumatriptan nasal oder
Zolmitriptan 5 mg per os
Prophylaxe
Mittel der 1. Wahl
Mittel der 2. Wahl
— Verapamil bis max. 960 mg unter EKGKontrolle
— Kortikoide 100 mg, evtl. höher dosiert
— Lithium nach Spiegel
— Topiramat 100–200 mg
Andere therapeutische Optionen und Einzelfallbeschreibungen
— Methysergid 8–12 mg (internationale Apotheke)
— Valproinsäure
— Dihydroergotamin intravenös über Perfusor
— 2 mg Ergotamin (oral, Supp.) zur Nacht
— Pizotifen 3 × 0,73 mg
— Triptane mit langer Halbwertzeit abends: Frovatriptan oder Naratriptan bei Patienten mit
ausschließlich nächtlichen Attacken
— Capsaicin-Salbe (0,5 %) topisch in das zum Schmerz ipsilaterale Nasenloch
— ganglionäre lokale Opioidanalgesie (GLOA) des ipsilateralen Ganglion sphenopalatinum
[nach 7]
konjunktivaler Injektion, Rhinorrhö
und/oder -kongestion, und einem Horner-Syndrom (Miosis, Ptosis, Enophthalmus). Typisch – und ein wichtiger
differenzialdiagnostischer Unterschied
zur Migräne – ist eine ausgeprägte psychomotorische Unruhe: Die Patienten
laufen umher oder kriechen aufgrund
der ex trem starken Schmerzen „auf allen Vieren“ auf dem Boden. Die ClusterAttacken dauern meist bis zu circa 45
Minuten, während die Schmerzanfälle
bei SUNCT und paroxysmaler Hemikranie deutlich kürzer sind.
die Aktivierung parasympathischer
und trigeminaler Kerngebiete unterhalten [3, 4].
Die ursprüngliche neurovaskuläre
Theorie eines inflammatorischen Prozesses am Sinus cavernosus konnte
durch bildgebende Verfahren und Hormonuntersuchungen nicht bestätigt werden. Dem Ganglion sphenopalatinum
(„sphenopalatine ganglion“, SPG) wird
dabei unter anderem die Rolle des Generators trigeminoautonomer Phänomene
wie Lakrimation, Rhinorrhö und konjunktivale Injektion zugeschrieben [5, 6].
Pathogenese des
Clusterkopfschmerzes
Episodischer und chronischer
Clusterkopfschmerz
Unklar ist nach wie vor die Pathophysiologie des Clusterkopfschmerzes. Offenbar besteht eine übergeordnete zentrale Dysregulation, bei welcher der
posteriore Hypothalamus eine Schlüsselrolle einnimmt. Dies könnte die zirkadiane und zirkanuale Rhythmik der
Clusterepisoden erklären. Möglicherweise ist der Hypothalamus vor allem
für die Initiierung der Attacken verantwortlich, der Schmerz wird aber durch
Bei Clusterkopfschmerzen wird der Begriff „chronisch“ anders verwendet als
zum Beispiel bei Migräne und Spannungskopfschmerz: Wenn Clusterkopfschmerzen über mindestens ein Jahr bestehen oder wenn die Pausen zwischen
den Clusterepisoden kürzer als vier Wochen sind, spricht man von einem chronischen, ansonsten von einem episodischen Clusterkopfschmerz. Problematisch ist die noch immer lange Latenzzeit
24
bis zur korrekten Diagnosestellung, die
in Deutschland durchschnittlich sieben
Jahre beträgt.
Konservative Therapieempfehlung
Ist der Clusterkopfschmerz einmal diagnostiziert, können die meisten Patienten mit Sauerstoff und nasal oder subkutan applizierten Triptanen gut behandelt
werden. Bei der Sauerstoffgabe ist auf
eine ausreichende Fließgeschwindigkeit
und eine adäquate Gesichtsmaske zu
achten [7]. Während der Episoden ist
eine medikamentöse Prophylaxe mit
Verapamil in ausreichend hoher Dosis
oft suffizient, nicht selten müssen 720
mg/d gegeben werden. Als Medikamente zweiter Wahl stehen Topiramat und
Lithium zur Verfügung (Tab. 1).
Indikation für die SPG-Stimulation
und Ablauf des Eingriffs
Bei etwa 10–15 % aller Patienten mit
Clusterkopfschmerzen ist der Erfolg der
konservativen Therapie unbefriedigend.
In diesen Fällen liegt entweder ein chronischer Clusterkopfschmerz vor, bei
dem die medikamentöse Prophylaxe
nicht wirkt, nicht vertragen wird oder
kontraindiziert ist. Oder die Attacken
können mit Sauerstoff und Triptanen
nicht kupiert werden [8].
Für diese Patienten kommen neuromodulatorische Verfahren infrage. Vergleichsweise gute Ergebnisse wurden
mit der Stimulation des SPG erzielt. Die
Indikation zur SPG-Stimulation muss
von einem Neurologen bzw. Schmerztherapeuten überprüft werden, der auf
die Diagnostik und Therapie von Clusterkopfschmerzen spezialisiert ist. In
Deutschland gibt es vier SPG-Implantationseinrichtungen. Unter anderem
führt das Kopfschmerzzentrum Nordhessen die Implantation des Mikrostimulators durch.
Nach vorheriger 3-D-Rekonstruktion
des Schädels erfolgt die Operation
stationär in nasaler Intubationsnarkose
unter Durchleuchtungskontrolle (Abb.
1). Der Mikrostimulator wird am seitlichen Oberkiefer über einen Zahnfleischrandschnitt eingesetzt (Abb. 2).
Zehn Tage nach der Operation werden
die Nähte entfernt. Ein komplikationsloser klinischer Heilungsverlauf zeigt
sich vor allem an einer ungestörten
Schmerzmedizin
2015; 31 (1)
75
Schmerzfreiheit
Schmerzlinderung
V
G
S
V
G
S
© Prof. Dr. Hendrik Terheyden, Rotes Kreuz Krankenhaus Kassel
© ATI
Abb. 2: Operationssitus einer SPG-Implantation
Schmerzmedizin
2015; 31 (1)
G
S
V
G
S
50
25
0
15 min
30 min
60 min
90 min
Schmerzreaktion
min = Minuten nach erfolgter Initiierung der jeweiligen SPG-Stimulation; V = volle SPG-Stimulation; G = geringe SPGStimulation; S = Schein-SPG-Stimulation
Abb. 3: Effekt der SPG-Stimulation auf die Clusterkopfschmerz-Attacken
tuell sind die Patientenzahlen noch zu
klein, besonders auch im Hinblick auf
die Langzeitergebnisse. Offenbar handelt es sich aber um eine Methode, die
wenig Nebenwirkungen und wenig
Komplikationen hervorruft.
Fazit
Abb. 1: Lage des Mikrostimulators in der
3-D-Rekonstruktion zur SPG-Implantation
V
Bei Patienten mit Clusterkopfschmerz,
der durch konservative Maßnahmen
nicht ausreichend beherrschbar ist, bietet die SPG-Stimulation eine vielversprechende Methode zur Therapieoptimierung. Die Indikationsstellung und
Durchführung erfordern die enge Zusammenarbeit eines auf Clusterkopfschmerz spezialisierten Neurologen
und eines erfahrenen Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen. Weder das konservative noch das operative Vorgehen sind banal. Auch die Nachbetreuung muss in
einem spezialisierten Kopfschmerzzentrum erfolgen. Erste Ergebnisse sind
vielversprechend, bedürfen aber der Bestätigung in einer größeren Kohorte.
Insbesondere die Langzeitdaten werden
interessant sein. Bewährt hat sich das
Kasseler Modell eines von Neurologen
und Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen
partnerschaft lich geleiteten Kopfschmerzzentrums. Nicht nur im Falle
der SPG-Stimulation, sondern auch bei
Migräne und craniomandibulärer Dysfunktion ergeben sich hier zahlreiche
Synergien durch die interdisziplinäre
Zusammenarbeit.
Literatur
1. Stovner Lj et al. The global burden of headache: a documentation of headache prevalence and disability worldwide. Cephalalgia.
2007;27(3):193-210.
2. Evers S et al. Prevalence of cluster headache
in Germany: results of the epidemiological
DMKG study. J Neurol Neurosurg Psychiatry.
2007;78(11):1289-90.
3. May A et al. Hypothalamic activation in cluster headache attacks. Lancet.
1998;352(9124):275-8.
4. May A. Cluster headache: pathogenesis, diagnosis, and management. Lancet. 2005;
366(9488):843-55.
5. Goadsby PJ. Pathophysiology of cluster headache: a trigeminal autonomic cephalgia.
Lancet Neurol. 2002;1(4):251-7.
6. Eller M, Goadsby PJ. Trigeminal autonomic
cephalalgias. Oral Dis. 2014 Jun 2. [Epub
ahead of print]
7. Deutsche Gesellschaft für Neurologie. Clusterkopfschmerz und trigeminoautonome
Kopfschmerzen. S1-Leitlinie. Stand: September 2012. AWMF-Registernummer: 030/036.
http://www.awmf.org/leitlinien/detail/
ll/030-036. Zugang 16. Jan 2015.
8. Jürgens TP et al. Stimulation of the sphenopalatine ganglion in intractable cluster headache: expert consensus on patient selection and standards of care. Cephalalgia.
2014;34(13):1100-10.
9. Schoenen J et al. Stimulation of the sphenopalatine ganglion (SPG) for cluster headache
treatment. Pathway CH-1: a randomized
sham-controlled-study. Cephalalgia.
2013;33(10):816-30.
Dr. med. Andreas Böger
Klinik für Schmerzmedizin am Roten Kreuz
Krankenhaus in Kassel
Hansteinstraße 29
34121 Kassel
[email protected]
25
© mod. nach Schoenen Jet al. Cephalalgia. 2013;33(10):816-30.
Postoperative Weiterbehandlung
Nach sechs Wochen wird der Stimulator
erstmals aktiviert und in Zusammenarbeit mit der Herstellerfirma programmiert, um ein optimales Stimulationsergebnis zu erzielen. Dabei sind häufige –
auch außerplanmäßige – Kontakte mit
dem Patienten und ein hoher Betreuungsaufwand einzukalkulieren. Zunächst wird die übliche Medikation weiter verordnet. Sie kann im Erfolgsfall
sukzessive reduziert werden.
Die bisherigen Ergebnisse zeigen, dass
etwa zwei Drittel der Patienten von der
Stimulation zur Attackenkupierung profitieren [9] (Abb. 3). Bei einem Teil der
Patienten reduziert sich zusätzlich auch
die Attackenfrequenz. Dieser Effekt ist
noch nicht vollständig verstanden. Ak-
100
Attackenanzahl mit erfolgter Reaktion (%)
Mundöff nung. Entzündliche Infi ltrate
beziehungsweise Wundinfektionen
sind aufgrund des intraoralen Zugangswegs möglich und werden lokal desinfi zierend und gegebenenfalls antibiotisch behandelt.
Fortbildung
Exazerbierende Schmerzsyndrome in der Praxis
Angst vor dem Schmerz muss nicht sein
Norbert Schürmann
Viele Patienten mit Tumorerkrankungen haben noch immer große
Angst, mit starken Schmerzen zu leben und zu sterben. Leider nicht zu
unrecht – obwohl dies nicht sein müsste. Es stehen genügend Medikamente und Methoden zur Verfügung, um die Schmerzen zu lindern
und damit die Lebensqualität zu verbessern.
E
xazerbierte Schmerzen sind vergleichbar mit einem Haus, das in
Flammen steht. In einem solchen
Fall würde man nicht nur etwas Wasser
ungezielt in die Flammen schütten; vielmehr würde die Feuerwehr alarmiert,
und diese würde den Brand mit gezieltem und ausreichend dosiertem Einsatz
von Löschmitteln bekämpfen.
des Medikaments, die Höhe der Dosis
und die Applikationsform an.
Die intravenöse Applikation von Opiaten wie Morphin oder Hydromorphon
ist geeignet, einfach und effizient auch
sehr starke exazerbierte Schmerzen
schnell zu lindern. Morphin und Hydromorphon sind wasserlösliche Opiate.
Sie kumulieren nicht so stark wie fettlösliche Opiate (z. B. Fentanyl); somit ist die
Gefahr eines Rebounds („Refentanylisierung“) praktisch ausgeschlossen.
Das brennende Haus
Ähnlich in der Schmerztherapie: Die Behandlung mancher Tumorpatienten mit
exazerbierten Schmerzen ist mit dem
Löschen eines brennenden Hauses vergleichbar. Auch hier reicht es nicht, dem
Patienten ein neues Opiat oder eine etwas höhere Dosis zu verschreiben und
Tropfen ans Bett zu stellen – vielmehr
muss eine gezielte Interventionstherapie
erfolgen; dabei kommt es auf die Wahl
20
vor Titration mit Hydromorphon
Exazerbierende Schmerzsyndrome
in der Praxis
In unserem Schmerzzentrum werden
nahezu täglich Opiattitrationen bei exazerbierten Schmerzsyndromen durchgeführt. Beispielhaft werden hier kurz
die Ergebnisse für eine Schmerztitration bei 54 Patienten mit Hydromorphon
nach Titration mit Hydromorphon
20
Patienten (Anzahl)
17
15
14
12
10
10
9
7
5
5
0
0
0
0
0
1
5
3
2
1
0
2
3
1
1
0
4
5
6
7
Wert auf der visuellen Analogskala (VAS)
0
8
0
9
1
10
Abb. 1: Schmerzintensität vor (blaue Säulen) und nach (rote Säulen) der Titration mit
Hydromorphon. Der vor der Behandlung erhobene Mittelwert lag bei 7,4 und konnte
durch die Hydromorphontitration auf 2,6 gesenkt werden. Dies entspricht einer Schmerzreduktion von 60 % [2].
26
dargestellt. Wegen der etwas besseren
Verträglichkeit ziehen wir in unserer
Praxis Hydromorphon dem Morphin
vor [1, 2].
Die visuelle Analogskala
Basis jeder Schmerzeinstellung ist die
Schmerzmessung, z.B. anhand der visuellen Analogskala (VAS), wobei 0 für
keinen und 10 für stärkstmöglichen
Schmerz steht. Die VAS ist eine Möglichkeit, das qualitativ subjektive Erlebnis Schmerz zu messen. Entscheidend in
der Behandlung des Schmerzes ist es,
den starken Schmerz zu durchbrechen
und so zu reduzieren, dass die vom Patienten angegebenen VAS-Werte deutlich
geringer werden, so gering, dass der Patient sich mit dem Schmerz arrangieren
und den Anforderungen des täglichen
Lebens wieder gerecht werden kann. Damit steigt die Lebensqualität des Patienten deutlich.
Die Opiattitration mit
Hydromorphon
Für eine intravenöse Opiattitration wird
zunächst ein sicherer Zugang benötigt.
Um einer opiatbedingten Übelkeit vorzubeugen, bekommt der Patient vorab
prophylaktisch 10 mg Metoclopramid
oder 4 mg Dexamethason intravenös als
Kurzinfusion (z. B. in 100 ml NaCl 0,9 %).
Zur Titration 10 ml einer 0,02%igen Hydromorphonlösung hergestellt (1 ml =
0,2 mg Hydromorphon).
Für die Titration sollte der Patient mit
erhöhtem Oberkörper im Bett oder auf
der Liege liegen. Im Gespräch wird dem
Patienten nun pro Minute 1 ml der Lösung verabreicht, bis der Schmerz einen
VAS-Wert zwischen 3 und 5 erreicht hat.
Die Schmerzeinstellung in diesem Bereich der VAS-Skala ist aus folgenden
Gründen sinnvoll:
1. Eine Schmerzreduktion auf einen
VAS-Wert unter 5 führt in den meisSchmerzmedizin
2015; 31 (1)
Wieviel Opiat ist erforderlich?
Die Titrationsmenge, die benötigt wird,
um den Schmerz bis auf einen VAS-Wert
zwischen 3–5 zu reduzieren, lag bei den
hier behandelten Patienten zwischen
0,2 mg und 7,0 mg Hydromorphon intravenös. Bei den 94 % der Patienten wurde mit einer Titrationsmenge von maximal 2 mg eine ausreichende bis gute Analgesie erzielt (Abb. 2) [2]. Dies erscheint
erstaunlich wenig, wenn man bedenkt,
dass die meisten dieser Patienten bereits
mit einer recht hohen Opiat-Basismedikation eingestellt werden.
Der Schmerz ist wieder erträglich.
Was nun?
Anhand der applizierten Menge von
Hydromorphon intravenös wird die
Dosis in eine angepasste orale Opiatdosis umgerechnet. Das folgende Rechenbeispiel bezieht sich auf Hydromorphon; natürlich ist die Umrechnung
auch auf andere Opiate der WHO-Stufe 3 möglich.
Zur Umstellung „intravenöse auf orale Medikation“ benötigen wir den opiSchmerzmedizin
2015; 31 (1)
12
12
Patienten (Anzahl)
ten Fällen zu einer guten Patientenzufriedenheit.
2. Ein leichter Restschmerz ist ein guter
Atemstimulus und reduziert die Gefahr der gefürchteten Atemdepression.
3. Einen besseren Arzt-Patienten-Kontakt kann man kaum haben. In Anwesenheit des Patienten bekämpft und
eliminiert der Arzt den Schmerz – jeder Patient ist dafür dankbar. Der
Arzt-Patienten-Kontakt wird weiter
verbessert durch situationsangepassten körperlichen Kontakt zum Patienten (Halten der Hand, Streicheln der
Schulter). Der Patient fühlt sich ernst
genommen und vor allem als Mensch
wahrgenommen. Der Zeitaufwand für
die Opiattitration beträgt gerade einmal 10–20 Minuten.
Ziel ist eine deutliche und schnelle
Schmerzreduktion auf einen VAS-Wert
≤ 5. Dies gelang bei fast allen Patienten
(Abb. 1) [2]. Die Ergebnisse waren unabhängig vom Geschlecht. Die meisten Patienten haben nach der Titration einen
VAS-Wert von 4. Insgesamt kann mit der
Methode der Schmerz bei rund zwei
Drittel der Patienten auf den VAS-Zielbereich von 3–5 gesenkt werden.
10
10
9
8
7
6
4
4
2
0
1
1
0
1
1
2
2
0
1
1
1
0
0
0
1
0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1,0 1,2 1,4 1,6 1,8 2,0 3,0 3,2 4,0 5,0 6,0 7,0
Hydromorphon (mg)
Abb. 2: Erforderliche Dosis Hydromorphon i. v. zur Schmerzreduktion auf einen VAS-Wert ≤ 5.
atspezifischen Umrechnungsfaktor; dieser beträgt für Hydromorphon etwa 2
(es finden sich je nach Referenzwerk etwas divergierende Angaben zwischen 2
und 3). Wurden 9 ml Lösung (1,8 mg Hydromorphon) intravenös benötigt, um
den Schmerz auf einen VAS-Wert ≤ 5 zu
senken, entspricht die verabreichte intravenöse Dosis einer oralen Dosis von
3,6 mg Hydromorphon. Bei einer Wirkdauer des Hydromorphon von etwa vier
Stunden ergibt sich somit pro Tag ein
theoretischer Opiat(mehr)bedarf von
24 : 4 = 6 × 3,6 mg = 21,6 mg Hydromorphon oral.
Aus Sicherheitsgründen sollten zur
Dosisanpassung nur etwa 75 % dieser errechneten oralen Zusatzdosis verordnet
werden, also in unserem Beispiel 16 mg
Hydromorphon oral täglich, aufgeteilt
in 2–3 Tagesdosen (z. B. 2 × 8 mg retardiertes Hydromorphon).
Belastungsabhängiger Schmerz,
Bedarfsmedikation
Trotz der titrationsangepassten Opiatneueinstellung (= schmerztherapeutische Basismedikation), die zu einer ausreichenden Schmerzreduktion in Ruhe
führt, können körperliche Aktivitäten,
unter Umständen schon das Aufstehen
zu den Mahlzeiten und der Gang zur
Toilette, nach wie vor zu starken Schmerzen führen. Daher benötigen Tumorpatienten zusätzlich zur Basismedikation eine Bedarfsmedikation. Diese sollte
ca. ein Sechstel der Gesamttagesopiatdosis betragen. In unserem Beispiel wäre
dies 16 : 6 = 2,7 mg Hydromorphon oral
bei Bedarf (z. B. 1 Tablette Hydromorphon 2,6). Die Einnahme sollte wenn
möglich 20 bis 30 Minuten vor der Belastung erfolgen.
Belastungsabhängiger Schmerz
versus Durchbruchschmerz
Wichtig ist die Unterscheidung des belastungsabhängigen Schmerzes vom
Durchbruchschmerz. Den belastungsabhängigen Schmerz löst der Patient durch
Belastung, z. B. den Gang zur Toilette,
selbst aus.
Dagegen kommt der oft sehr heftige
Durchbruchschmerz sozusagen aus heiterem Himmel, hält meist etwa 5–30 Minuten an und flaut dann ebenso schnell
wieder ab. Zur Therapie des Durchbruchschmerzes ist das schnell und kurz wirkende Opiat Fentanyl als Nasenspray
oder Buccaltablette besonders geeignet.
Fazit
Die Hydromorphontitration ist rasch
durchführbar und effizient. Bei fast allen
Patienten verbessert sich die Schmerzsymptomatik innerhalb von 20 Minuten
so deutlich, dass ein für den Patienten
erträgliches Schmerzniveau erreicht
wird. Die Hydromorphontitration ist im
Krankenhaus, im Altenheim, in der Praxis oder zu Hause durchführbar – also
überall dort, wo der Patient sie braucht.
Literatur
1.
2.
Schürmann N et al. Schmerztitration mit
Morphin intravenös.Schmerz- und Palliativtag. 2012; Posterpräsentation.
Schürmann N et al. Schmerztitration mit
Hydromorphon intravenös.Schmerz- und
Palliativtag. 2014; Posterpräsentation.
Dr. med. Norbert
Schürmann
St. Josef Krankenhaus
Asberger Str. 4
47441 Moers
schmerzambulanz@
st-josef-moers.de
27
Während Sauerstoffgaben in
anderen palliativen Situationen
sinnlos sind, verlängern sie bei
COPD das Überleben.
Herzinsuffizienz und COPD
Palliativversorgung bei
kardiopulmonalen Erkrankungen
Christoph Gerhard
Herzinsuffizienz und COPD gehören zu den häufigsten Todesursachen in Deutschland. In fortgeschrittenen
Stadien ist die Prognose der Herzinsuffizienz deutlich schlechter als bei zahlreichen Tumorerkrankungen.
Patienten mit fortgeschrittener COPD haben eine eher schlechtere Lebensqualität als Lungenkrebspatienten.
Dennoch erhalten Menschen mit kardiopulmonalen Erkrankungen selten Palliativversorgung.
B
ei kardiopulmonalen Erkrankungen sind Einbrüche durch
Dekompensationen neben längeren stabilen Krankheitsphasen mit allmählichem Abbau typisch. Häufig sterben
die Patienten plötzlich, z. B. aufgrund von Infekten. Eine streng
palliative Phase lässt sich meist nicht abgrenzen. Besonders bei
Patienten mit kardiopulmonalen Erkrankungen ist palliative
Versorgung daher nicht nur in der Sterbephase erforderlich,
sondern zeitgleich mit der kurativen Behandlung. Durch diese
Parallelität werden andere Versorgungsstrukturen nötig, etwa
Palliativkonsiliardienste im Krankenhaus oder eine konsiliarische Mitbehandlung durch Teams der SAPV (spezialisierte am-
28
bulante Palliativversorgung) oder AAPV (ambulante allgemeine Palliativversorgung). Eine enge Vernetzung der kurativ und
palliativ Tätigen ist ebenso wichtig wie eine möglichst gute Basisausbildung der Primärversorger.
Die beiden häufigsten kardiopulmonalen Erkrankungen mit
palliativem Versorgungsbedarf sind die chronische Herzinsuffizienz und die chronisch-obstruktive Lungenerkrankung
(COPD). Diese Patienten leiden vor allem unter Luft not,
Schwäche und übermäßiger Müdigkeit, aber gerade in fortgeschrittenen Stadien auch unter Schmerzen, Depressionen,
Angstzuständen, Übelkeit und Kachexie [1].
Schmerzmedizin
2015; 31 (1)
© ChantalS / Fotolia.com
Zertifizierte Fortbildung
Herzinsuffizienz
Eine Herzinsuffizienz entwickelt sich infolge verschiedener kardiovaskulärer Erkrankungen, z. B. einer koronaren Herzkrankheit, einer arteriellen Hypertonie oder von Vitien. Sie war nach
der chronischen ischämischen Herzkrankheit und dem akuten
Myokardinfarkt im Jahr 2013 die dritthäufigste Todesursache
in Deutschland [2]. Und: Die Zahl der Patienten, die an einer
fortgeschrittenen Herzinsuffizienz leiden, wird in Zukunft weiter zunehmen; zum einen aufgrund des demografischen Wandels – Herzinsuffizienzen treten im Alter häufiger auf – zum anderen aufgrund der längeren Lebenserwartung vieler Herzkranker durch die verbesserten Therapiemöglichkeiten.
Ab wann ist für diese Patienten eine palliativmedizinische
Betreuung notwendig? Mindestens die Hälfte der Betroffenen
stirbt plötzlich und unerwartet. Vage Hinweise auf einen nahenden Tod können
— eine schlechte Auswurfleistung des Herzens bzw. eine
schlechte funktionelle Kapazität des Herzens,
— eine Erhöhung des natriuretischen Peptids (B-Typ),
— eine ACE-Hemmer-Intoleranz oder
— eine Verschlechterung der Nierenfunktion sein.
Dennoch bleibt es ausgesprochen schwierig, eine Prognose zu
stellen. Deshalb ist es umso wichtiger, dass die palliative Versorgung frühzeitig und eng mit der kurativen Behandlung verknüpft erfolgt.
Differenziert nach dem Krankheitsstadium gemäß der „New
York Heart Association“ (NYHA) variiert die 1-Jahres-Sterblichkeit von Herzinsuffizienzpatienten zwischen 5–60 % und
liegt bei NYHA-Stadium IV sogar bei 50–60 % (Tab. 1) [1]. In
den fortgeschrittenen Stadien ist die Prognose der Herzinsuffizienz damit sogar deutlich schlechter als bei zahlreichen
Tumorerkrankungen. Nach dem deutschen Krebsregister liegt
dagegen die 5-Jahres-Sterblichkeit für Krebserkrankungen im
Durchschnitt bei nur etwa 40 % [3].
Häufige zu behandelnde Symptome bei Herzinsuffizienz
sind:
— Luft not,
— Fatigue,
— Angst,
— Depressionen,
— (thorakale) Schmerzen,
— Schlafstörungen.
Diese Symptome verstärken sich zum Teil gegenseitig, so kann
z. B. Angst eine bestehende Luft not verschlechtern. Wichtig ist,
dass die palliative Betreuung einschließlich Symptombehandlung nicht anstatt der kardialen Therapie mit Betablockern, Diuretika, ACE Hemmern etc. angeboten wird, sondern parallel
zu dieser.
Bei Patienten in weit fortgeschrittenen Krankheitsstadien
oder in Todesnähe können manche Medikamente gegen die
Herzinsuffizienz auf Applikationsformen umgestellt werden,
die in der Versorgung von Patienten am Lebensende („end of
life care“) üblich sind: so können z. B. Nitrate transdermal und
Furosemid subkutan verabreicht werden. Die palliative bzw.
kurative Therapie sollte sich immer daran ausrichten, was für
den individuell Betroffenen am Besten ist. Den besonderen Bedürfnissen des Patienten gilt es, gerecht zu werden und eine geSchmerzmedizin
2015; 31 (1)
meinsame, partizipative Entscheidungsfindung („shared decision making“) anzustreben.
Ziel der palliativen Behandlung sollte die Verbesserung der
„subjektiven“ Symptome sein. Gegenüber der kausalen Behandlung der Herzinsuffizienz, die sich an messbaren Parametern orientiert, ist dies ein Paradigmenwechsel.
Luftnot
Für die Behandlung von Luft not eignen sich Opioide am besten, die vorsichtig auft itriert werden sollten. Sie führen zu einer Ökonomisierung der Atmung, senken die Vorlast und können bei vorsichtiger Titration gefahrlos angewendet werden.
Falls Opioide bereits zur Schmerztherapie genutzt werden,
sollte ihre Dosis um circa 30–50 % erhöht werden. Spielt Angst
eine erhebliche Rolle, kann die Opioidtherapie um Anxiolytika wie z. B. Lorazepam ergänzt werden. Wichtig sind auch bei
Luft not nichtmedikamentöse Maßnahmen. Ein ruhiges Umfeld, das den Patienten nicht einengt, gemeinsames ruhiges atmen oder die Anleitung, sich mit Hilfsmitteln wie z. B. einem
Handventilator selbst Luft zuzuführen, können dabei unterstützen (Tab. 2).
Fatigue
Medikamente, die eine Fatigue verstärken (z. B. Psychopharmaka), sollten entweder durch eine Substanz derselben Stoffklasse ausgetauscht oder weggelassen werden. Zur Behandlung
der Fatigue verordnete Medikamente (antriebssteigernde Antidepressiva, Amantadin, Amphetaminabkömmlinge etc.) sind
nach aktueller Datenlage nur moderat wirksam [1]. Von großer
Tab. 1: 1-Jahres-Sterblichkeit bei Patienten mit Herzinsuffizienz abhängig von ihrem NYHA-Krankheitsstadium.
Krankheitsstadium
1-Jahres-Sterblichkeit
NYHA I
5–10 %
NYHA II
15–30 %
NYHA III
15–30 %
NYHA IV
50–60 %
NYHA = New York Heart Association, nach [1]
Tab. 2: Nichtmedikamentöse Maßnahmen bei Luftnot
Ruhige Umgebung schaffen:
Selbst ruhig atmen
Evidenzbasiert:
Einsatz von Handventilatoren
Benutzung eines Rollators
Unwirksam:
Sauerstoffapplikation
29
Zertifizierte Fortbildung
Herzinsuffizienz und COPD
Bedeutung in der Fatiguebehandlung ist die vorsichtige, aber
stetige körperliche bzw. sportliche Betätigung trotz der Herzinsuffizienz. Moderate körperliche Belastung – wenn sie möglich ist – kann das Fortschreiten der körperlichen Schwäche
verzögern und die Fatigue-Symptomatik bessern. Wichtig ist
es, regelmäßig und nur bis zur Belastungsgrenze zu üben [4].
Dies erfordert Achtsamkeit gegenüber dem eigenen Körper.
Fälschlicherweise wird oft Schonung empfohlen, obwohl diese
die körperliche Schwäche sogar verstärken kann.
Depression
Depressionen sollten sowohl medikamentös als auch mit
psychosozialen Ansätzen behandelt werden. Für die medikamentöse Therapie sind neuere Präparate aus der Gruppe der
Serotonin(und/oder Norardenalin)-Wiederaufnahmehemmer
zu bevorzugen (z. B. Sertralin), weil sie geringere kardiale
Nebenwirkungen verursachen als ältere Substanzen wie etwa
das trizyklische Antidepressivum Amitriptylin.
Thoraxschmerz
In der Regel handelt es sich bei Thoraxschmerzen pathophysiologisch um viszerale Nozizeptorschmerzen. Sie können nach
den Prinzipien des WHO-Stufenschemas zur Tumorschmerztherapie behandelt werden. Allerdings sind die in Stufe 1 des
WHO-Stufenschemas vorgesehenen nicht steroidalen Antiphlogistika (NSAR) aufgrund der erhöhten Rate von Niereninsuffizienzen und gehäufter kardiovaskulärer Ereignisse bei
Patienten mit Herzinsuffizienz meist kontraindiziert. Besser
anwendbar sind Metamizol oder Paracetamol.
Chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD)
Bei der COPD wird, ähnlich wie bei Herzinsuffizienz, eine stetige Verschlechterung der Erkrankungssituation von Dekompensationen und Rekompensationen überlagert. Dass die Lebensqualität bei Patienten mit fortgeschrittener COPD stärker
eingeschränkt sein kann als bei Patienten mit nichtkleinzelligem Lungenkarzinom hatte bereits eine Studie im Jahr 2000
gezeigt. Die Werte für das physische, soziale und emotionale
Funktionieren sowie die Aktivitäten des täglichen Lebens waren bei den COPD-Patienten signifi kant schlechter (p < 0,05)
[5]. Den Betroffenen stehen zwar gute Angebote zur Behandlung akuter Dekompensationen im Krankenhaus zur Verfügung, selten aber erhalten sie eine multidimensionale Langzeitversorgung, bei der auch ihre psychosozialen und spirituellen Bedürfnisse berücksichtigt werden. COPD-Patienten versterben zudem häufiger im Krankenhaus als Patienten mit
Lungenkrebs [6]. Auch bei COPD-Patienten sollte die palliative Versorgung parallel zur kurativen bzw. verlaufsmodifizierenden Behandlung mit Betamimetika, Anticholinergika,
Xanthinderivaten, Kortikosteroiden oder Sauerstoffgaben erfolgen. Eine gute Vernetzung und Teamarbeit, eventuell unterstützt von einem Case-Management, sind genauso wichtig wie
die Weiterbildung der Primärbehandler (Hausärzte, Pflegende
usw.) im Hinblick auf palliative Aspekte.
Luftnot bei COPD-Patienten
Das häufigste Symptom bei COPD ist Luft not. Wie bei der
Herzinsuffizienz sollte diese mit Opioiden behandelt werden.
In der Regel entsteht Luft not durch eine erhöhte Kohlendioxidkonzentration des Blutes. Während Sauerstoff bei einem
COPD-Patienten in kurativer Intention verabreicht das Überleben verlängern kann, ist die zusätzliche Sauerstoff-Gabe in
der letzten Lebensphase nicht mehr indiziert, denn die Atemnot verbessert sie nicht [7]. Sauerstoff trocknet zudem die
Schleimhäute stark aus, deshalb sind eine gute Befeuchtung
und Pflege der Mundregion wichtig. Im Gegensatz dazu zeigen
Studien, dass der kühle Luftstrom von (kleinen) Handventilatoren das Symptom Atemnot zu lindern vermag [8]. Auch der
Gebrauch eines Rollators zum Gehen wirkt bei Betroffenen mit
chronischer Atemnot evidenzbasiert gegen die Luft not [8].
Wahrscheinlich ist dieser Effekt damit zu erklären, dass durch
die stärker aufgerichtete Körperhaltung freier durchgeatmet
werden kann.
Angst und Depression, aber auch Fatigue, körperliche Schwäche und Schlafstörungen sind häufige Symptome von Patienten
mit fortgeschrittener COPD, die oft übersehen werden. Wichtig
Tab. 3: Symptomatische, palliativmedizinische Behandlung von Patienten mit kardialen und pulmonalen Erkrankungen
Symptom
Medikament (Dosierung)
nicht medikamentös
Luftnot
Opioide (z. B. Morphin, initial 3-mal 10 mg; Hydromorphon, initial 2-mal 4 mg)
akut Fentanyl (Off-Label-use)
Ruhe bewahren, langsam atmen, nicht einengen
Fatigue
Antidepressiva? (z. B. Citalopram 10–40 mg) Amantadin? (100–200 mg)
regelmäßig, achtsam Bewegung und Sport
Depression
Antidepressiva: SSRI (z. B. Citalopram 10–40 mg), SSNRI, NaSSA (Mirtazapin 15–45 mg)
psychosoziale Begleitung, Psychotherapie
Schmerz
Nichtopioide (z. B. Metamizol 4- bis 6-mal 0,5–1 g) – NSAR vermeiden!
Opioide nach dem WHO-Stufenschema (z. B. Morphin 3-mal 10 mg)
Im Notfall Morphin
progressive Muskelrelaxation
Angst
Benzodiazepine (z. B. Lorazepam 0,5–2 mg)
Gespräche, progressive Muskelrelaxation
Schlafstörungen
Benzodiazepinagonisten (z. B. Zopiclon 3,75–7,5 mg)
Rituale, Lagerung
SSRI = selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer; SSNRI = selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer; NaSSA = noradrenerge und selektiv serotonerge Antidepressiva
30
Schmerzmedizin
2015; 31 (1)
ist das offene Gesprächsangebot – neben der Behandlung mit
Antidepressiva und Anxiolytika, moderater körperlicher Belastung oder der Gabe schlafanstoßender Medikamente – wie im
Abschnitt „Herzinsuffizienz“ beschrieben.
Vorsorgeplanung, Autonomie und Lebensqualität
Studien zeigen, dass viele Betroffene nicht ausreichend über den
Krankheitsverlauf und die Sterbephase informiert sind [1]. Ein
kontinuierlicher, offener Dialog über die Erkrankung, drohende Symptome, die weitere Prognose sowie Möglichkeiten der
kurativen und palliativen Therapie ist daher ein sehr wichtiger
Teil der Palliativversorgung. Nur durch diesen Dialog können
die Betroffenen und ihre Angehörigen eine differenzierte Vorsorgeplanung umsetzen. Sie ist gerade angesichts der Frage
nach einer Langzeitbeatmung sehr wichtig.
Zudem sollte der mutmaßliche bzw. vorausverfügte Wille des
Betroffenen besprochen werden, etwa bezüglich Krankenhauseinweisung, Intensivstation, Beatmung, Reanimation etc.
Da viele Symptome (z. B. Luft not oder Thoraxschmerzen)
plötzlich und unerwartet auft reten, müssen die Betroffenen in
ihrem Umfeld mit entsprechenden Notfallmedikamenten zur
Symptombehandlung ausgestattet werden (z. B. kurz und
schnell wirksame Opioide für Luft notattacken), damit sie sich
bei Exazerbationen dieser Symptome – etwa im Fall einer Dekompensation – rasch selbst helfen können. Nur so kann auch
in fortgeschrittenen Krankheitsstadien möglichst viel Autonomie erhalten werden. Es zeigt sich deutlich, dass Autonomie
relational (von Anderen abhängig) ist, das heißt Andere müssen Autonomie durch gute Aufk lärung, Hilfe bei der Vorsorgeplanung und gute stellvertretende Entscheidungen ermöglichen. Studien zeigen, dass Betroffene ein hohes Bedürfnis haben, mit ihren Ärzten über Aspekte des Krankheitsverlaufs
bzw. der Prognose und insbesondere die Gestaltung der Sterbephase zu sprechen [1]. Offene Kommunikation und psychosoziale Begleitung haben daher einen besonders hohen Stellenwert.
Die Lebensqualität wird durch die Erwartungen an die
Krankheitssituation sowie die tatsächlich eintretende Situation beeinflusst. Maßnahmen der Symptombehandlung und der
Begleitung dienen dazu, die tatsächlich eintretende Situation
zu verbessern. In Diagnose- und Prognosegesprächen wird dem
Patienten geholfen, seine Erwartungen möglichst gut an die
Krankheitssituation anzupassen. Auch dadurch wird Lebensqualität geschaffen, wie das Konzept der „Calman Gap“ von
Keneth C. Calman zeigt [9]. Nach dieser Theorie ist die Lebensqualität umso höher, je weniger sich die Erwartungen des Patienten und das tatsächlich Eintretende unterscheiden. Dieses
Phänomen sollte aus dem Alltag bekannt sein: bei sehr hohen
Erwartungen an eine gesundheitliche Behandlung folgt – vielleicht trotz guten Erfolges – Enttäuschung. Wichtig ist es daher
nicht nur, z. B. die Symptome zu behandeln, sondern auch realistische Erwartungen bei den Betroffenen zu fördern. Einmal
mehr zeigt sich hier der Wert ausführlicher und detaillierter
Aufk lärungsgespräche.
Für die pflegenden Angehörigen stellen kardiopulmonale Erkrankungen eine hohe Belastung dar. Die Belastung sollte mit
ihnen thematisiert werden.
Schmerzmedizin
2015; 31 (1)
Fazit:
— Kardiopulmonale Erkrankungen sind häufige Todesursachen in Deutschland.
— Aufgrund des besonderen Verlaufs von kardiopulmonalen
Erkrankungen mit einer stetigen Verschlechterung, die
durch Phasen der akuten Dekompensation und im besten
Falle Rekompensation unterbrochen wird, stellt sich Palliativversorgung bei diesen Patienten anders dar. In Phasen intensivster Akutversorgung (evtl. einschließlich Intensivmedizin) zur Rekompensation besteht aufgrund der Symptomlast, von Ängsten und Todesnähe ggf. auch hoher palliativer
Versorgungsbedarf.
— Die parallele kurative und palliative Versorgung ist für die
Behandler herausfordernd.
— Gespräche über die Prognose und den Krankheitsverlauf unterbleiben oft, sind aber für die Betroffenen und ihre Angehörigen sehr wichtig.
Literatur:
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
Gerhard C. Praxiswissen Palliativmedizin. Konzepte für unterschiedlichste palliative Versorgungssituationen. Stuttgart: Georg Thieme Verlag; 2014. S. 83-5 und 174-7.
https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Gesundheit/
Todesursachen/Todesursachen2120400137004.pdf?__
blob=publicationFile. Abgerufen am 2.2.2015.
http://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Krebsarten/Krebs_gesamt/krebs_gesamt_node.html. Abgerufen am 2.2.2015.
Johnson M, Lehman R (Hrsg.): Kardio-Palliative-Care. Deutschsprachig
herausgegeben von Gerhard C. Bern: Hans Huber Verlag; 2013.
Gore JM et al. How well do we care for patients with end stage chronic
obstructive pulmonary disease (COPD)? A comparison of palliative care
and quality of life in COPD and lung cancer. Thorax. 2000;55(12):1000-6.
Janssen DJ et al. Dynamic preferences for site of death among patients
with advanced chronic obstructive pulmonary disease, chronic heart failure, or chronic renal failure. J Pain Symptom Manage. 2013;46(6):826-36.
Simon ST et al. Medikamentöse Therapie der refraktären Atemnot.
Schmerz. 2012;26(5):515-22.
Bausewein C, Simon ST. Atemnot und Husten bei Palliativpatienten.
Dtsch Arztebl Int. 2013;110(33-34):563-72.
Calman KC. Quality of life in cancer patients--an hypothesis. J Med
Ethics. 1984;10(3):124-7.
Dr. med. Christoph Gerhard
Neurologische Klinik und Palliativkonsiliardienst,
Kath. Kliniken Oberhausen
Mülheimer Str. 83, 46045 Oberhausen
[email protected]
Interessenkonflikt
Der Autor erklärt, dass keine Interessenkonflikte bestehen. Der
Verlag erklärt, dass die inhaltliche Qualität des Beitrags von zwei
unabhängigen Gutachtern geprüft wurde. Werbung in dieser Zeitschriftenausgabe hat keinen Bezug zur CME-Fortbildung. Der Verlag garantiert, dass die CME-Fortbildung sowie die CME-Fragen frei
sind von werblichen Aussagen und keinerlei Produktempfehlungen enthalten. Dies gilt insbesondere für Präparate, die zur Therapie des dargestellten Krankheitsbildes geeignet sind.
31
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der Bayerischen Landesärztekammer
mit zwei Punkten in der Kategorie I zur
zertifizierten Fortbildung anerkannt.
Palliativversorgung bei kardiopulmonalen Erkrankungen
Welches Symptom ist bei Menschen mit
kardiopulmonaler Erkrankungen, die
palliativ versorgt werden, nicht typisch?
☐ Fatigue
☐ Juckreiz
☐ Luftnot
☐ Schmerz
☐ Schwäche
Für die palliative Versorgung bei
Patienten mit kardiopulmonalen
Erkrankungen gilt:
☐ Symptome treten hauptsächlich in der
Sterbephase auf und sind dann zu
behandeln.
☐ Die Versorgung sollte erst nach
Abbruch kurativer Maßnahmen
erfolgen.
☐ Physiotherapeutische Maßnahmen
belasten die Patienten unnötig und
sollten daher unterbleiben.
☐ Die Palliativversorgung sollte parallel
zur kurativen Therapie initiiert werden.
☐ Die Palliativversorgung sollte primär
durch spezialisierte Palliativteams
erfolgen.
32
Was gilt nicht für Gespräche mit schwer
kranken Patienten über Diagnose und
Prognose?
☐ Derartige Gespräche sind häufig sehr
belastend für den durchführenden Arzt.
☐ Bei solchen Gesprächen sollte die
emotionale Reaktion des Patienten
besonders berücksichtigt werden.
☐ Die Patienten profitieren davon, genau
über ihre Diagnose und den Krankheitsverlauf aufgeklärt zu werden.
☐ Am besten ist es, vor allem die
Angehörigen und weniger den
Patienten zu informieren, da dies für ihn
zu belastend ist.
☐ Patienten haben ein Recht darauf, ihre
Diagnose mitgeteilt zu bekommen.
Zur Behandlung der Fatigue von
Patienten mit fortgeschrittenen kardiopulmonalen Erkrankungen ist folgende
Aussage richtig:
☐ Medikamente sind der Hauptpfeiler der
Therapie.
☐ Bewegungsübungen sind für kardiopulmonal Erkrankte in palliativer Behandlung zu anstrengend und sollten
daher unterbleiben.
☐ Achtsame und regelmäßige sportliche
Übungen wirken evidenzbasiert.
☐ Die Müdigkeit lässt sich bei Fatigue
durch mehr Schlaf beheben.
☐ Stark aktivierende Medikamente wie
z. B. Amphetamine sind sehr bedeutsam.
Zur palliativen Behandlung der Luftnot
von Patienten mit kardiopulmonalen
Erkrankungen gilt:
☐ Sehr wichtig sind regelmäßige
Sauerstoffgaben zur Linderung der
Luftnot.
☐ Handventilatoren sind unwirksam.
☐ Luftnot lässt sich objektiv durch die
Bestimmung der Blutgase einschätzen.
☐ Eine Opioidgabe ist wegen der atemdepressiven Wirkung zu gefährlich.
☐ Benzodiazepine lindern die begleitende
Angst.
Die Symptomlast ist bei fortgeschrittenen
kardiopulmonalen Erkrankungen ...
☐ in der Regel niedriger als bei Tumorerkrankungen.
☐ nur für kurze Zeit am Lebensende hoch.
☐ vergleichbar mit der bei Tumorpatienten, aber länger vorhanden.
☐ trotz häufiger kognitiver Ausfälle in der
Regel einfach zu erfassen.
☐ selten von „Symptomdurchbrüchen“
(z. B. Atemnotattacken) geprägt.
Schmerzmedizin
2015; 31 (1)
DOI 10.1007/s00940-015-0001-y
Teilnehmen und Punkte sammeln, können Sie
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Wie hoch ist die 1-Jahres-Sterblichkeit bei
einer Herzinsuffizienz im NYHA-Stadium
IV?
☐ über 90 %
☐ ca. 75 %
☐ 50–60 %
☐ 89–90 %
☐ 20–30 %
Was bewirken Opioide bei kardiopulmonalen Erkrankungen nicht?
☐ eine Verbesserung der Luftnot
☐ eine Linderung des Schmerzes
☐ eine Verbesserung der Herzfunktion
(Vorlastsenkung)
☐ eine Linderung einer begleitenden
Diarrhö
☐ eine Verkürzung des Lebens bei guter
Symptomlinderung
Im Umgang mit Menschen, die in palliativen Situationen an Luftnotattacken
leiden, ist es besonders wichtig:
☐ Ruhe zu bewahren und bei dem
Patienten zu bleiben.
☐ Den Patienten sofort auf die nächste
Palliativstation einzuweisen.
☐ Sofort eine Sauerstoffmaske anzulegen.
☐ Die besorgten Angehörigen zu bitten,
den Patienten alleine zu lassen, damit er
zur Ruhe kommt.
☐ Die Fenster geschlossen zu halten.
Bei einem bewusstlosen Patienten mit
fortgeschrittener COPD wird überlegt, die
Langzeitbeatmung entsprechend seiner
Patientenverfügung zu beenden. Die
aktive Beendigung der Beatmung ist
nach der Nomenklatur des Strafrechts:
☐ indirekte Sterbehilfe
☐ Suizidbeihilfe
☐ aktive Sterbehilfe
☐ passive Sterbehilfe
☐ Tötung auf Verlangen
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die Fragen als auch die zugehörigen Antwortoptionen werden im Online-Fragebogen in
zufälliger Reihenfolge ausgespielt, weshalb die
Nummerierung von Fragen und Antworten im
gedruckten Fragebogen unterbleibt. Prüfen Sie
beim Übertragen der Lösungen aus dem Heft
daher bitte die richtige Zuordnung.
Top bewertet in der e.Akademie
Xxxxxxxxxx
Schmerztherapie
Gleichzeitige
Das
intraduktale
Verordnung
Prostatakarzinom
von Analgetika und Psychopharmaka:
Welche
aus: Uro-News
Interaktionen
1/2013 sind relevant?
aus:
von: Angewandte
Helmut Bonkhoff
Schmerztherapie und Palliativmedizin 2/2014
ZertifiS.ziert
von:
Schmiedl,
bis: 7.1.2014
V. Kohl, P. Thürmann
Medienformat:
Zertifi
ziert bis: 4.6.2015
e.CME, e.Tutorial
Medienformat: e.Tutorial
Strahlentherapie des fortgeschrittenen und rezidivierenden
Prostatakarzinoms
Komplexes regionales Schmerzsyndrom – Eine aktuelle Übersicht
aus: Der Schmerz
Urologe 12/2012
3/2014
D. Maihöfner
Böhmer
von: C.
13.12.2013
Zertifiziert bis: 11.6.2015
Medienformat: e.CME, e.Tutorial
Tumoren
nach Nierentransplantation
Nicht
motorische
Symptome: Aktuelle Strategien gegen Schmerzen
aus:Morbus
best practice
onkologie 1/2013
bei
Parkinson
von: InFo
M. Opgenoorth,
Hugo
aus:
Neurologie &C.Psychiatrie
1/2015
ZertifiW.
ziert
bis: 27.2.2014
von:
Grashorn
Medienformat:
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Zertifi
ziert bis: 26.1.2016
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Schmerzmedizin
2015; 31 (1)
33
DGS
Deutsche
Gesellschaft
Im Auftrag
derfür
Schmerzmedizin e. V.
Schmerzfreiheit
www.dgschmerztherapie.de
Die wichtigsten Ziele der DGS:
— Förderung der Schmerzmedizin in
Forschung und Lehre
— Entwicklung von Standards für die
Aus-, Fort- und Weiterbildung in
Schmerzmedizin
— Entwicklung von Qualitätsstandards
in der Schmerzmedizin
— Weiterbildung auf allen Gebieten der
Schmerzdiagnostik und therapie
— Qualitative und quantitative Verbesserung der schmerzmedizinischen
Patientenversorgung
— Förderung der palliativmedizinischen Versorgen
— Aufbau eines nationalen und
internationalen Netzwerkes
Schmerzmedizin
— Versorgungsforschung im Bereich
der Schmerzmedizin
— Gründung regionaler Schmerzzentren und Schmerzkonferenzen
— Wissenschaftliche und fachliche
Beratung und Unterstützung von
Ärzten, Psychologen und allen
Berufsgruppen in der Patientenversorgung
— Wissenschaftliche und fachliche
Beratung öffentlich rechtlicher
Körperschaften, Kostenträgern,
Politik und Öffentlichkeit
— Flächendeckende schmerzmedizinische Versorgung durch Etablierung
eines Facharztes für Schmerzmedizin
Deutschen Gesellschaft für
Schmerzmedizin e.V.
Geschäftsstelle:
Heike Ahrendt
Adenauerallee 18
61440 Oberursel
Tel. 0 61 71-28 60 61
Fax. 0 61 71-28 60 69
[email protected]
Vorstand:
Dr. med. Gerhard H. H. Müller-Schwefe
(Präsident)
Dr. med. Oliver Emrich (Vizepräsident)
Dr. med. Johannes Horlemann
(Vizepräsident)
Klaus H. Längler (Vizepräsident)
Dr. Silvia Maurer (Vizepräsidentin)
PD Dr. med. Michael A. Überall
(Vizepräsident)
www.dgschmerzmedizin.de
34
Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin e. V.
Utopie oder Imperativ?
Der Facharzt für
Schmerzmedizin
1953 erhielt Werner Sauerwein seine Facharztanerkennung für
Anästhesiologie. Damit hatte sich die Anästhesie erfolgreich
von der Chirurgie getrennt. Nun ist die Schmerzmedizin dabei
sich zu emanzipieren. Eine Trennung von der Anästhesie ist
zum Wohle des chronisch Schmerzkranken unausweichlich.
D
ie Fachgesellschaften DGS und
DSG/DGSS sowie der Berufsverband der Schmerztherapeuten
BVSD und die Patientenorganisation
Deutsche Schmerzliga (DSL) haben in
den letzten drei Jahren die Qualitätsstandards und Definitionen zur Schmerzmedizin in Deutschland debattiert und definiert. Qualität, Struktur, Qualifikation
und ein (Facharzt-)Standard Schmerzmedizin waren die Themen. Auf der Endstrecke des breiten Konsens herrscht derzeit jedoch keine Einigkeit mehr: DGS
und BVSD halten diesen neuen Facharzt
für unbedingt nötig, die DSG/DGSS
nicht. An dieser Frage scheiden sich die
Geister, obwohl bei sachlicher Betrachtung eines klar ist: Ohne einen Facharzt
für Schmerzmedizin wird es künftig
nicht (mehr gut) gehen, ob die DSG/
DGSS dies will oder nicht. Warum?
Die Schmerzmedizin hat sich, wie
einst die Anästhesie von der Chirurgie,
innerhalb der letzten Jahrzehnte von der
Anästhesie emanzipiert. So wie die Anästhesie medizinhistorisch aus der Chirurgie entstanden ist, entwickelte sich
die Schmerzmedizin aus der Anästhesie
und schließlich die Palliativmedizin aus
der Schmerzmedizin.
Schmerzlinderung als erste
Aufgabe
Die Bedeutung der Linderung von
Schmerz ist beiden Fächern immanent,
der Anästhesie und der Schmerzmedizin
– mehr als jedem anderen klinischen Fach.
Die Linderung von Schmerz als globales
medizinethisches Postulat hat keiner besser beschrieben als Albert Schweitzer
1931: „Wir müssen alle sterben, aber wenn
ich in der Lage bin, Menschen vor Tagen
höchster Qual zu bewahren, dann ist es
das, was ich als großes und jeden Tag neues Privileg als Arzt erfühle. Schmerz ist
ein schrecklicherer Herrscher der
Menschheit als der Tod selbst.“ Um diesem Anspruch gerecht werden zu können,
bedarf es gerade bei komplizierten Verläufen von Schmerzkrankheiten einer besonderen Expertise.
Die moderne Chirurgie ist ohne die
Fortschritte der anästhesiologischen Verfahren zur Schmerzfreiheit während und
nach operativen Eingriffen undenkbar.
Dabei war die Linderung von Schmerzen
und Schmerzfreiheit während Narkosen
in der Mitte des 19. Jahrhunderts nicht
unumstritten, sondern sah sich erheblichen moralischen Bedenken ausgesetzt.
Denn Schmerz wurde vielfach als gottgewollt und als natürliche Bedingung des
Lebens und von Lebenskrisen angesehen.
Von der Chirurgie zur
Anästhesiologie
Die Emanzipation der Anästhesiologie
von der Chirurgie vollzog sich zunächst
über Methoden und erst später über
Kompetenzzuweisung: Ausgehend von
der Verwendung der gift igen und leicht
entflammbaren Substanz Chloroform
nahm sie eine stürmische Entwicklung
und hat bis heute wesentlich bessere und
verträglichere Anästhetika hervorgebracht. Auch der apparative Aufwand
Schmerzmedizin
2015; 31 (1)
Deutsche Gesellschaft für
Schmerzmedizin e. V.
www.dgschmerztherapie.de
hat sich in einem solchen Umfang zu
vollumfänglichen Sicherheitsstandards
entwickelt, dass sich heute durchgeführte Narkosen auch als balancierte Anästhesie zusammen mit intravenös verabreichten Schmerz- und Schlafmitteln zu
einer sehr sicheren, aber auch mit höchsten Anforderungen an den durchführenden Arzt verbundenen Form der Betäubung während Eingriffen und auch
nach Unfällen entwickeln konnte.
Anästhesie zwingend für Chirurgie
Die prä-, peri- und postoperative Sicherheit des Patienten erforderte die Entwicklung des Fachgebiets der Anästhesie
aus dem Fach Chirurgie heraus. Für die
Sicherung der vitalen Lebensfunktionen
des Patienten vor, während und nach
chirurgischen und anderen medizinischen Eingriffen sowie von kritisch
Kranken überhaupt, bis zur Notfall- und
Rettungsmedizin hat sich ein neues Spezialgebiet der Medizin entwickelt. Der
Facharzt für Anästhesiologie, der nicht
mehr (gleichzeitig) operiert, war eine
zwangsläufige Entwicklung. Der Anästhesist entwickelte sich vom Hilfsassistent chirurgischer Eingriffe im Operationssaal zum Spezialisten für die Narkose und Betreuung von Patienten in kritischen Lebenssituationen, vorzugsweise
auch im Bereich der Unfallchirurgie,
Chirurgie bis hin zur Inneren Medizin.
Heute ist von der Universitätsklinik bis
zum kleinsten Kreiskrankenhaus keine
Klinik mehr ohne eine Fachabteilung für
Anästhesie und Intensivmedizin denkbar. Als erster erhielt Werner Sauerwein
vom Bürgerhospital Saarbrücken seine
Facharzt-Anerkennung am 27. Mai 1953.
Von der therapeutischen Lokalanästhesie zur Schmerztherapie
Die Anästhesie verharrte jedoch nicht
beim Einsatz leicht flüchtiger Gase zur
Betäubung, sondern entwickelte sich weiter. Das historische Bindeglied zwischen
der Schmerzmedizin, wie wir sie heute
kennen, und der Anästhesie ist die therapeutische Lokalanästhesie. In den 40iger
-Jahren, im „Golden Age of Local Anaesthesia“, hatte die Lokalanästhesie unter
dem Namen „Neuraltherapie“ für operative Prozeduren sogar die übrigen Methoden der Anästhesie überflügelt. Bis in die
80iger-Jahre des 20. Jahrhunderts gab es
Schmerzmedizin
2015; 31 (1)
Krankenhäuser, in denen die Anästhesieabteilung für faktisch alle operativen Eingriffe auch Lokalanästhetika als Ersatz
für Vollnarkose oder zumindest adjuvant
angewendet hat, gerade auch für die postoperative Schmerztherapie. In Krankenhausabteilungen, wo die Lokalanästhesie
breit eingesetzt wurde, etablierten sich
folgerichtig auch therapeutische Anwendungen, Abteilungen und Sprechstunden
für Patienten mit chronischen Schmerzen. Die Erkenntnis, dass man durch eine
Beeinflussung des Nervensystems chronische Schmerzen bekämpfen kann,
führte letztlich zur Entwicklung der Methoden der modernen Schmerztherapie.
Moderne Schmerztherapie
In den 60iger- und 70iger-Jahren des 20.
Jahrhunderts hat sich aber auch die Erkenntnis durchgesetzt, dass es nicht ausreicht, Patienten mit chronischen oder
immer wiederkehrenden Schmerzen
eine Lokalanästhesie zu verabreichen.
Diese Patienten bedürfen einer ganzen
Palette an Behandlungsmöglichkeiten,
um anhaltende Erfolge zu erzielen. Mittlerweile ist die Liste der Erkrankungen
lang, die ein speziell schmerzmedizinisches Vorgehen in Diagnostik und Therapie erfordern. Sie reicht von schlecht
beeinflussbaren Rücken- und Kopfschmerzen, Zuständen nach fehlgeschlagenen Rückenoperationen über Nervenschmerzen nach Entzündungen oder
Nervenverletzungen bis hin zu Tumorschmerzen. Diese Schmerzen erfordern
mehr als anästhesiologische Fertigkeiten,
Kenntnisse und Behandlungsstrukturen.
Die Behandlung erfolgte nun auch
nicht mehr im Operationssaal, Aufwachraum oder auf der Intensivstation, sondern in Schmerzambulanzen. In den
USA entstanden sogar eigene Krankenhausabteilungen und Schmerzkrankenhäuser. Lehrstühle und Kongresse sowie
die Entwicklung von Fachgesellschaften
waren der Motor und die Folge.
So wurde 1973 die IASP (International Association for the Study of Pain)
gegründet. Nach und nach folgten „Local Chapters“ in vielen anderen Ländern
dieser Erde, etwa 1975 die Deutsche Gesellschaft zum Studium des Schmerzes
(DGSS). Das Ziel: Methoden und Strukturen der Schmerztherapie zu defi nieren.
Von der Schmerztherapie zur
Schmerzmedizin
Millionen von Menschen leiden unter
akuten und chronischen Schmerzen, für
die zwar immer mehr neue und wirksame Therapiestrategien entwickelt wurden, die aber bislang bei weitem nicht allen Menschen zugänglich gemacht werden konnten. In Deutschland nicht und
anderswo schon gar nicht. Hierzulande
fehlt es auch an Therapeuten und Einrichtungen. Dabei definiert sich der Anspruch an eine Versorgungswirklichkeit
an den definierten Behandlungsstandards und über die Qualifi kation der
Therapeuten.
Auf Basis der Erkenntnis, dass biopsychosoziale Determinanten das chronische Schmerzempfinden eines Patienten
bestimmen, hat sich die Schmerzmedizin zu einem komplexen Gebiet entwickelt, in dem Kenntnisse aus der Anästhesie, der Inneren Medizin, Rheumatologie, der Nervenheilkunde, der Psychotherapie, der Psychosomatik, der
Neurochirurgie und andere Fertigkeiten
von Nöten sind. Nur so kann man einem
Patienten mit chronischen Schmerzen
wirklich adäquat helfen. Viele der Methoden aus diesen Fächern, z. B. in Diagnostik und Therapie, müssen bei Patienten multimodal integriert angewendet
werden, auch spezielle Kenntnisse der
Pharmakologie mit Analgetika oder Medikamenten, die auf andere Weise
Schmerzen bessern können.
Dieses breite Feld haben Anästhesisten,
mittlerweile auch Allgemeinärzte und
Fachärzte anderer Gebiete, als spezielles
Betätigungsfeld für sich erschlossen. Neben Fachärzten für Anästhesie, Allgemeinmedizin, Orthopädie, Neurologie,
und Neurochirurgie sowie internistische
Rheumatologie setzen interventionell tätige Neurochirurgen und gar Radiologen
mit bildgebend gesteuerten Verfahren
und Injektionstechniken, sowie Kathetertechniken und Nervenstimulationsverfahren Methodenschwerpunkte zur
Therapie und Prävention von Schmerzen.
Meilensteine der Schmerzmedizin
Doch wie sollte man diese Spezialisten
definieren, wie für Patienten kenntlich
und zugänglich machen und wie etabliert
man diese Spezialisierung im FacharztKanon der Behandlungsstrukturen? Die
35
DGS
ersten Schmerzpraxen wurden von Dietrich Jungck in Hamburg und Thomas
Flöter in Frankfurt gegründet, von Anästhesisten, die keine Narkosen mehr
machten,
sondern
ausschließlich
Schmerztherapie. 1984 gründeten sie zusammen mit dem damaligen Präsidenten der DGSS, Manfred Zimmermann,
das schmerztherapeutische Kolloquium
(StK). Ziel war es, auch im niedergelassenen Bereich Schmerztherapie verfügbar zu machen und zu definieren. In den
80iger-Jahren des 20. Jahrhunderts wurde erreicht, dass die Versorgung chronisch schmerzkranker Patienten in Spezialverträgen der Krankenkassen mit
qualifizierten Ärzten zunehmend, wenn
auch längst nicht ausreichend, vergütet
wurde. 2005 wurde die Schmerztherapie
in den Gebührenkatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen.
1996 wurde dann die Zusatzbezeichnung
spezielle Schmerztherapie vom Deutschen Ärztetag eingeführt, die spezielle
Weiterbildung zu den Fertigkeiten in einem Curriculum definiert, die chronische Schmerzkrankheiten erfordern. Seit
2014 sind Palliativmedizin und Schmerzmedizin als „Querschnittsfächer“ (Q13
und Q14) in die Ausbildungsordnung für
Medizinstudenten aufgenommen.
All dies demonstriert die wachsende
eigenständige Bedeutung der Schmerzmedizin. Der Begriff „Querschnittsfach“ demonstriert allerdings auch die
nicht eindeutige Fach-Zuweisung der
Schmerzmedizin, die hier jedoch erstmals als eigene Begriffl ichkeit im Kontrast zu der Bezeichnung Schmerztherapie erscheint. Honoraraprofessuren
für Palliativmedizin, gestiftet von der
Pharmaindustrie, gibt es schon länger,
allerdings bislang keine für Schmerzmedizin. Die Lehre wird indes innerhalb der Lehrorganisation der Anästhesie derzeit mehr oder weniger breitflächig installiert.
Schmerzmedizin als Fachgebiet
So wie sich die Anästhesie als „Hilfsfach“
für die Chirurgie zu einer eigenständigen
Facharzt-Entität herausgebildet hat, so
schält sich momentan auch die Schmerzmedizin als eigenständiges Fach heraus.
Schmerzmedizin ist nicht mehr „nebenher“ von Fachärzten der Anästhesie, Neurologie, Neurochirurgie, Allgemeinmedi-
36
Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin e. V.
zin und Orthopäde zu leisten. Als erstes
Land hat Irland dieses Erfordernis wahrgenommen und umgesetzt: Den Facharzt
für Schmerzmedizin.
Hoher Versorgungsbedarf
Die Notwendigkeit eines eigenständigen
Facharztes für Schmerzmedizin erschließt sich dabei nicht allein im historischen Kontext, sondern resultiert aus
der ärztlichen und psychologischen
Versorgungswirklichkeit in Deutschland. Während im stationären Sektor
Schmerzambulanzen auch interdisziplinär denkbar und organisierbar scheinen, ist dies gemäß der Systematik des
deutschen Gesundheitswesens im ambulanten Bereich nicht darstellbar. Die
Bedarfsplanung des Gesundheitswesens
ist im ambulanten Bereich am FacharztStandard orientiert. Es gibt Planungsbereiche für Fachärzte, nicht für Zusatzbezeichnungen. Fachärzte bilden die
Grundlage dafür, einen Bedarf festzustellen, das heißt den ärztlichen Versorgungsgrad eines Planungsbereichs. Darüber werden die Zulassungen für die
Niederlassung und letztendlich auch die
Bezahlung geregelt und gesteuert.
Zu welchen Wild- und Auswüchsen
dies bezogen auf Schmerzpraxen und
Schmerzzentren führt, ist leidlich bekannt. Sitze können nicht ausgeschrieben
werden, die Nachfolge ist nicht regelbar,
Kooperationen sind erschwert und all
dies nur, weil es keinen Facharzt-Standard für Schmerzmedizin gibt und weil
Schmerzmedizin nicht als eigenständiges
Fach gleichberechtigt neben den anderen
Fachbereichen gelistet ist. Dies ist auch
der Grund, warum – ganz abgesehen von
der Diskussion um Art und Umfang des
Schmerztherapie-Kapitels im EBM – Zuweisungen aus den Gesamthonorar-Töpfen unterschiedlich an Schmerzmediziner fließen – bei vergleichbarer Arbeit –
und schon seit Jahrzehnten in sehr unterschiedlichem Ausmaß aber anhaltend
ANlass zu Existenzsorgen geben.
Doch es ist nicht nur dieses ordnungspolitische Problem, sondern vor allem
auch die Anerkennung als gleichberechtigte Fachrichtung, die im Ablauf der medizinischen Versorgung atmosphärisch
und in der gegenseitigen Anerkennung
außerordentlich stört. Überweisungen
werden fachgleich nur ungern ausgestellt
(z. B. vom Allgemeinmediziner ohne
„spezielle Schmerztherapie“ zum gleichen
Fachgebiet mit „spezielle Schmerztherapie und/oder Zulassung zu Schmerztherapievereinbarung), in der ambulanten
Versorgung, zu ermächtigten Ärzten, in
Alten- und Pflegeheimen, in der Zuteilung als Gutachter bei Gericht und damit
generell einfach als anerkannte Instanz
und Entität auf Augenhöhe im Kanon der
Facharztbezeichnungen.
Fazit aus der Entwicklung
Die eigenständige Bedeutung des Faches
Schmerzmedizin leitet sich somit zwingend und aus der historischen Entwicklung sowie dem Versorgungserfordernis
für dezidierte Patienten gleichermaßen
ab. Ein eindeutiger Versorgungsauftrag
und dessen Voraussetzungen sind nicht
definiert. Die Qualitätsstandards, unter
denen Schmerzmedizin heute stattfindet,
wurden indes gerade von den Fachgesellschaften DGS und DSG/DGSS sowie dem
Berufsverband BVSD in extenso formuliert und werden in Kürze veröffentlicht.
Sie belegen klar die besonderen Anforderungen an Struktur, Qualität und Qualifikation eines Schmerzmediziners in der
heutigen Zeit hier in Deutschland.
Nicht zuletzt auch die Patienten selbst,
die an chronischen Schmerzen leiden,
formulieren für sich diesen Bedarf und
rufen vernehmbar nach dem Facharzt
für Schmerzmedizin. Die DSL macht die
Lücken der Versorgung in der Zahl und
Qualität der Schmerztherapeuten seit
Jahren öffentlich. Das Forum der Betroffenen sollte Anlass genug sein, endlich
das Engagement aller Fachgesellschaften
zu notwendigen Innovationen ernsthaft
umzusetzen.
Die Deutsche Gesellschaft für
Schmerzmedizin und der BVSD sind
sich deshalb in der Forderung nach einem eigenständigen Facharzt für
Schmerzmedizin einig, um dem jetzt
klar definierbaren Umfang der Schmerzmedizin in Ausbildung, Lehre und Versorgung von Patienten wirklich gerecht
zu werden und im Rahmen der hohen
Standards des Gesundheitssystems der
Bundesrepublik Deutschland einen neuen und notwendigen Akzent zu setzen.
Dr. med. Oliver M.D. Emrich, Ludwigshafen,
[email protected]
Schmerzmedizin
2015; 31 (1)
DGS
Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin e. V.
26. Deutscher interdisziplinärer Schmerz- und Palliativkongress
Dem Leben Zukunft geben
Von den in Deutschland lebenden Menschen leiden mindestens
160.000 an schweren chronischen Schmerzen und bedürfen einer
speziellen Behandlung, um ihrem Leben eine Perspektive zu geben.
Mit dem Motto „Dem Leben Zukunft geben“ stellt die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS) dieses Anliegen auf dem Deutschen
Schmerz- und Palliativtag in den Fokus.
— Symposium: Ärzte im Konflikt: Lebenshilfe – Sterbehilfe
Freitag, 6.3.2015; 15:45–17:15 Uhr
Plenarsaal Harmonie
Nahziele der DGS
2015; 31 (1)
auch die nachhaltige Beschäft igung mit
Schmerztherapie im Spannungsfeld zwischen Medizin, Ökonomie und Gesundheitspolitik.
Was aber sind die Ziele der DGS für die
nähere Zukunft? Schmerztherapie endlich besser verfügbar zu machen, hat als
Ziel die oberste Priorität. Ein Markstein
auf diesem Weg ist die Diskussion über
Struktur und Qualität der Schmerzmedizin in der Zukunft. Der Facharzt für
Schmerzmedizin ist dabei nur die vordergründig wichtigste Forderung. Viel
wichtiger aber ist der nationale gesundheitspolitische
Konsens
darüber,
schmerzmedizinische Standards in der
Versorgung breit über alle Ebenen der
Facharzt für Schmerzmedizin –
Irland als Beispiel
Camillus Power, Direktor des Pain Medicine Tallaght Hospital in Dublin, ist
einer der ersten, oder gar der erste Facharzt für Schmerzmedizin in Europa. In
Irland bereits Realität, könnte oder wird
der Facharzt für Schmerzmedizin ein
Modell für ganz Europa sein. Für die
Versorgung von Schmerzpatienten ist
der Facharzt für Schmerzmedizin ebenso notwendig wie die Bedarfsplanung
mit qualifizierten Schmerzmedizinern.
Dem stehen in Deutschland aber immer
noch gewichtige Verbandsinteressen gegenüber.
— Symposium: Wieviel Schmerzmedizin
kann, wieviel Schmerzmedizin muss
unsere Gesellschaft sich leisten?
Donnerstag, 5.3.2015; 8:15–10:00 Uhr
Plenarsaal Harmonie
Ärzte im Konflikt: Lebenshilfe –
Sterbehilfe
Eine der brennendsten politischen Diskussionen: Ärzte im Konflikt: Lebenshilfe – Sterbehilfe. Die wichtigsten Fragen im Zusammenhang mit Sterbehilfe
in der Diskussion. Mit dabei: Dr. Nikolaus Schneider, ehemaliger Vorsitzender
der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Eugen Brysch, Vorsitzender
der Deutschen Stiftung Patientenschutz
und Dr. Thomas Sitte, Vorsitzender der
© DGS
D
iesen 160.000 Schmerzpatienten
stehen derzeit nur etwa 1.000
speziell qualifizierte Ärzte gegenüber, die diese schwer betroffenen Patienten behandeln sollen. Nur ca. 300 davon sind weit überwiegend oder ausschließlich in eigener Praxis vor Ort
schmerzmedizinisch tätig und können
jeweils nur maximal 400 Patienten pro
Quartal behandeln. Dass diese Rechnung nicht aufgehen kann, sollte jedem
vernünft ig kalkulierenden Gesundheitspolitiker klar sein. Das Motto „Dem Leben Zukunft geben“ zielt deshalb auf das
Hauptproblem
der
praktischen
Schmerzmedizin, die Verfügbarkeit und
Sicherstellung einer hoch qualifizierten
schmerzmedizinischen Versorgung in
Deutschland. Die Betroffenen warten
immer noch auf schlüssige Antworten
für die Bewältigung alltäglicher Aufgaben in Beruf, Freizeit und Familie.
Traditionsgemäß widmet sich der
Schmerz- und Palliativtag den wichtigsten praktischen Themen in der Versorgung von Schmerzpatienten: den neuen
Entwicklungen und Trends in der Therapie, der spezialisierten ambulanten
Palliativversorgung (SAPV) und der
Versorgung in Hospizen, den ergänzenden oder alternativen Heilmethoden sowie allen anderen praktischen Problemen der schmerzmedizinischen, palliativmedizinischen Versorgung und ihrer
wirtschaft lichen Kompensation, z. B. der
Abrechnung und Qualitätssicherung in
der Schmerzmedizin.
„Dem Leben Zukunft geben“ meint für
die Schmerzmedizin im Jahr 2015 aber
Schmerzmedizin
Deutschen Palliativstiftung. Eine extrem
wichtige und spannende, aber ganz sicher nicht abschließende Diskussion
wird erwartet.
Der Deutsche Schmerz- und Palliativtag
hat Tradition (hier 2014): Schon zum 26.
Mal treffen sich Deutschlands Schmerztherapeuten im Jahr 2015.
37
DGS
Schmerzmedizin zu etablieren, vom Primärversoger, dem Hausarzt als wichtigster Station, über spezialisierte Fachärzte
und spezialisierte ambulante Versorgungszentren bis hin zu Ambulanzen
und Schmerzzentren an Kliniken und
Universitäten.
Vieles ist erreicht – vieles ist zu tun
Viele Forderungen wurden auf der
30-jährigen nationalen Wegstrecke in
der Schmerzmedizin umgesetzt:
— 1996: die Zusatzbezeichnung „spezielle Schmerztherapie“,
— 2005: die Qualitätssicherungsvereinbarung Schmerztherapie und
— 2014: der Eingang von Palliativmedizin und Schmerzmedizin in die Ausbildungsordnung (AO) von Medizinstudenten.
Vieles bleibt aber zu tun, denn diese
Marksteine sind noch lange nicht die
Antwort auf die drängendste Frage: Wie
sichern wir die schmerzmedizinische
Versorgung in der Zukunft? Die Konturen einer Antwort werden indes klarer.
Deshalb wird sich die DGS am 2. nationalen Schmerzforum in Berlin am 17.
September 2015 im Schulterschluss mit
der Deutschen Schmerzgesellschaft und
dem Berufsverband der Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten in der
Schmerz- und Palliativmedizin in
Deutschland beteiligen und darüber hinaus im Herbst 2015 das 1. Nationale Versorgungsforum Schmerzmedizin (bisher
„Innovationsforum“) in Berlin begehen.
— Symposium: Versorgungsstärkungsgesetz – in 4 Wochen zum Schmerztherapeuten? Auswirkungen der Gesundheitsreform auf die Schmerzmedizin
Samstag, 7.3.2014; 11:00–12:30 Uhr
Plenarsaal Harmonie
DGS-PraxisRegister und iDOCLive
Ganz besondere Schwerpunkte werden
das DGS-PraxisRegister Schmerzmedizin und das neue Internet-basierte Praxis-Dokumentationssystem Schmerz
(iDocLive) bilden. Beide revolutionieren die bislang rudimentäre, sträflich
vernachlässigte Versorgungsforschung
in der Schmerzmedizin in Deutschland.
iDOCLive ist das bislang modernste,
beste und allumfassendste standardisierte Dokumentationssystem in der
Schmerztherapie, einfach in der Anwen-
38
Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin e. V.
dung für Arzt und Patient gleichermaßen und mit keinen fortlaufenden Kosten verbunden. iDOCLive ist genauso
neu wie spannend und erleichtert essenziell und nachhaltig die Dokumentationspflicht in der Praxis und die Kommunikation zwischen Arzt und Patient.
— Anwenderseminar: Das DGS-PraxisRegister Schmerz und iDocLive® (1) –
Versorgungsforschung und Doku-Stress
im Praxisalltag einfach meistern
Donnerstag, 5.3.2015; 14:15–15:45 Uhr
Raum Spektrum 1
Praxistaugliche Leitlinien
Das wichtigste laufende Projekt derzeit
ist aber ohne Frage die Entwicklung von
praxistauglichen Leitlinien in der
Schmerzmedizin.
Die Praxisleitlinien der DGS (PLLDGS, www.dgs-praxisleitlinien.de) sind
für einige Bereiche der Schmerz- und
Palliativmedizin bereits erstellt und
konsentiert für Tumorschmerzen, tumorbedingte
Durchbruchschmerzen, Kopfschmerzen und die gute
Substitutionspraxis in der Schmerz- und
Palliativmedizin. Eine umfassende Arzneimittelbewertung steht im Internet bereit und am Schmerztag 2015 gehen die
Praxisleitlinien zur Anwendung von
Botulinumtoxin bei chronischer Migräne sowie die Praxisleitlinie Fibromyalgiesyndrom an den Start, das heißt in
die Konsentierungsphase und werden
vorgestellt. Die Praxisleitlinie Kreuzschmerz ist beinahe fertiggestellt und
weitere PLLs sind auf dem Weg.
— Anwenderseminar: Der Fibromyalgiepatient: Differentialdiagnostik mit
Fallbeschreibung/myofaszielles
Schmerzsyndrom
Freitag, 6.3.2014; 17:30–19:00 Uhr
Raum Illusion 2
DGS-Kurse für Qualifikationen in
der Schmerz- und Palliativmedizin
Ein Schwerpunkt der DGS-Arbeit im
Allgemeinen und des Schmerz- und Palliativtages 2015 im Besonderen sind die
DGS-Kurse für den Erwerb von notwendigen und nützlichen Qualifi kationen in
der Schmerz- und Palliativmedizin.
Dies sind die Ärztekammer-anerkannten Curricula „80-Stundenkurs“
„spezielle Schmerztherapie“ und der
Kurs „Palliativmedizin“. Darüber hi-
naus finden die Qualifikationskurse
Fachkunde Schmerzmedizin, algesiologische Fachassistenz (ALFA) für medizinische Fachangestellte, ein Kurs in Techniken der minimal invasiven Schmerztherapie (Lokal- und Regionalanästhesie), ein Kurs über die Besonderheiten
der Schmerzmedizin im Alter, Psychosomatik für Schmerzmediziner und ein
Kurs in den Techniken der neuroorthopädischen Untersuchung statt.
Neu sind auch die Qualifi kationskurse für Apotheker und Physiotherapeuten,
die das Schmerz-Kompetenz-Siegel der
DGS erwerben können. Diese notwendigen Kooperationen waren längst überfällig und entwickeln sich derzeit zu einem Erfolgsmodell.
Regionale Schmerzzentren DGS
Alle 150 regionalen Schmerzzentren DGS in Deutschland, die im Rahmen der Deutschen Gesellschaft für
Schmerzmedizin eine hochqualifizierte
regionale Versorgung von Schmerzpatienten sicherstellen, sind am Schmerztag
eingebunden.
Nirgends wird dies so deutlich wie bei
Schmerztherapie unter Extrembedingungen. Der DGS-Leiter Michael Petermeyer berichtet als Leiter der Rettungsaktion über die Rettung eines verschütteten und verletzten Höhlenforschers in
der tiefsten und längsten bekannten
Höhle in Deutschland, aus der Riesending-Höhle in der Nähe von Berchtesgaden, die der anteilnehmenden Öffentlichkeit den Atem stocken ließ.
— Special Lecture: Schmerztherapie unter
Extrembedingungen.
Donnerstag, 4.3.2014; 18:00–19:30 Uhr
Raum Fantasie 1+2
Genauso notwendig wie spannend die
Arbeit in der DGS, ist damit der alljährliche Kongress „Der deutsche Schmerzund Palliativtag“ 2015 in Frankfurt. Der
Vorstand der DGS und die Gemeinschaft
der DGS-Leiter in Deutschland erwarten erneut eine rege Beteiligung und einen neuerlichen Besucherrekord.
Dr. med. Oliver M.D. Emrich, Ludwigshafen,
für den Vorstand und das OrganisationsKomitee des 26. Deutschen interdisziplinären
Schmerz- und Palliativkongresses.
[email protected]
Schmerzmedizin
2015; 31 (1)
DGS
Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin e. V.
DGS-Innovationsforum
Schmerzmedizin – Fakten,
Hintergründe, Perspektiven
„Innovationsforum Schmerzmedizin – Fakten, Hintergründe,
Perspektiven“, unter diesem Titel
informierte die Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin e. V.
(DGS) über die aktuelle Versorgungssituation der Schmerzpatienten in Deutschland und
ihre neuen Vorhaben.
V
iele im Zusammenhang mit der
Schmerztherapie im Alltag relevante Fragen würden durch die
existierenden Studien und evidenzbasierten Leitlinien nicht beantwortet, erläuterte DGS-Vizepräsident Dr. Michael Überall. Die DGS starte daher ein neues, bundesweites Praxisregister für die Versorgungsforschung bei Schmerzpatienten.
Startschuss für DGS-PraxisRegister
Schmerz
Laut Überall gebe es derzeit einen durch
die Gesundheitspolitik und auch durch
die universitäre Forschung getriebenen
Trend zu einer sich rein an randomisierten Studien orientierenden Schmerztherapie. An den tatsächlichen Bedürfnissen
der Schmerzpatienten gingen diese Studien und damit auch die auf ihnen basierenden Leitlinien aber oft meilenweit
vorbei, ergänzte Dr. Johannes Horlemann, ebenfalls DGS-Vizepräsident.
Wie problematisch die evidenzbasierten Leitlinien zur Schmerztherapie seien,
zeige sich schon daran, dass die Einschätzung zur Wirksamkeit der Opioide insbesondere bei Nichttumorschmerzen in
den internationalen Leitlinien erheblich
voneinander abweiche. Dabei benutzten
alle Leitlinienautoren die gleichen Studien, so Horlemann. Deutliche Kritik äußerte er an den kürzlich vorgelegten deutSchmerzmedizin
2015; 31 (1)
schen LONTS-2-Leitlinien zur Therapie
von Patienten mit nicht krebsbedingten
Schmerzen. Zwar seien einige besonders
problematische Aussagen der vorausgehenden Version LONTS-1 entfernt worden, doch seien die Empfehlungen dieser
Leitlinie weiterhin für den Alltag in der
Schmerztherapie wenig hilfreich: Diese
Leitlinie beantworte Fragen, die niemand
gestellt habe. Von dem neuen DGS-PraxisRegister Schmerz, erhofft sich die DGS
robuste Daten zum Einsatz, zur Wirksamkeit und zur Häufigkeit unerwünschter Wirkungen in der ambulanten
Schmerztherapie. Die DGS hat dafür auf
eigene Kosten ein Online-System in Auftrag gegeben, das der Öffentlichkeit präsentiert wurde und den Namen iDocLive® trägt. Es ist für Mitglieder der DGS
kostenfrei nutzbar und unabhängig von
pharmazeutischen Unternehmen. Mittelfristig erhoffe man sich eine Basisfinanzierung durch ein Förderkonsortium, so Überall.
Für den Arzt ist das DGS PraxisRegister wenig aufwändig. Er kann die Stammdaten des Patienten aus seiner Praxissoftware übernehmen. Das dauert wenige Sekunden. Danach erfolgt die komplette
Schmerzdokumentation und Folgedokumentation online durch die Patienten
Nationales Versorgungsforum
Schmerzmedizin 2015
am 13. und 14. November 2015 in Berlin,
im Hotel Wyndham Garden Berlin Mitte
Osloer Straße 116 a, 13359 Berlin
Weitere Informationen:
DGS e. V.
Adenauerallee 18, 61440 Oberursel
Tel +49 (0) 61 71 / 28 60 60
[email protected]
www.innovationsforum-schmerzmedizin.
de
selbst. Dazu könne der Desktop-Rechner,
Tablet-PC oder Smartphone genutzt werden. Primär angesprochen seien zunächst
die etwa 150 regionalen Schmerzzentren.
Nach Überall könne aber auch jeder andere Arzt, der chronische Schmerzpatienten versorge, das System einsetzen und
so zum Datenpool für die Versorgungsforschung beitragen. Die Auswertung soll
in Kooperation mit Universitäten erfolgen. Details würden noch verhandelt.
Plädoyer pro „Facharzt für
Schmerzmedizin“
Um chronische Schmerzpatienten in der
Breite besser zu versorgen, fordert die
DGS nochmals nachdrücklich den Facharzt für Schmerzmedizin. Anders als bei
Patienten mit schmerzhaften Erkrankungen, bei denen sich Spezialisten eines
Fachgebiets um die jeweils schmerzauslösende Erkrankung kümmern und dem
Schmerz damit begegnen, seien Patienten
mit chronischem Schmerzsyndrom nicht
ohne weiteres innerhalb der Grenzen eines Fachgebiets behandelbar, erklärte
DGS-Präsident Dr. Gerhard MüllerSchwefe. Ein Behandlungserfolg stelle
sich nur dann ein, wenn die unterschiedlichen körperlichen, sozialen und psychischen Probleme gleichzeitig adressiert
würden. Einem einzelnen Arzt sei diese
fächerübergreifende Behandlung innerhalb des hiesigen Versorgungssystems
aber nicht gestattet – ein Dilemma, dass
sich erst mit einem entsprechenden Facharzt löse. Neben der „Interdisziplinarität
in Personalunion“ biete ein eigener Facharzt für Schmerzmedizin außerdem den
Vorteil, dass dann auch der Sicherstellungsauftrag für die Schmerzmedizin gelte, und sie in der Bedarfsplanung berücksichtigt werden würde.
Philipp Grätzel
Bericht vom Innovationsforum am
24. November in Berlin
39
DGS
Weitere Informationen zu den
Seminaren erhalten Sie über die
Geschäftsstelle der DGS
Tel.: 06171/286060,
Fax: 06171/286069,
E-Mail: [email protected]
oder im Internet unter
www.dgschmerzmedizin.de
März 2014
Update Rückenschmerzen – Update Migräne
und Clusterkopfschmerz: neue
Behandlungsverfahren
25.03.2015 in Kassel
Regionales Schmerzzentrum DGS – Kassel
Verhaltensveränderung: Alte Gewohnheiten
sterben zuletzt – Wie können wir
Veränderungen bei uns selbst und anderen
bewirken?
29.03.2015 in Halle
Regionales Schmerzzentrum DGS – Halle Saale
Craniomandibuläre Dysfunktion
22.04.2015 in Halle
Regionales Schmerzzentrum DGS – Halle/Saale
Kopf- / Gesichtsschmerz meets Muskulatur
22.04.2015 in Euskirchen
Regionales Schmerzzentrum DGS – Schleiden Eifel
Wann und wie? Motivation zum Sport und Angst
vor Bewegung - Wie passt das zusammen?
22.04.2015 in Wuppertal
Regionales Schmerzzentrum DGS – Wuppertal
Sankt Josef
April 2015
Schmerztherapie in der Palliativmedizin
22.04.2015 in Hechingen
Regionales Schmerzzentrum DGS – Albstadt
CME-Update Schmerz: Sonografie gesteuerte
Blockaden – Indikation und Durchführung
13.04.2015 in Ludwigshafen
Regionales Schmerzzentrum DGS – Ludwigshafen
Strukturelle Osteopathie und Sanfte
Chiropraktik nach Dr. Ackermann
24.04.-28.04.2015 in München/Tegernsee
Regionales Schmerzzentrum DGS – München
Neurodynamik und ihre Bedeutung –
Diagnostik und Therapie
15.04.2015 in Berlin
Regionales Schmerzzentrum DGS – Berlin Mitte
Wirkstoffunabhängige Wirkung der
Arzneimitteltherapie – Welche Rolle spielt die
Erwartung?
24.04.2015 in Wuppertal
Regionales Schmerzzentrum DGS – Wuppertal
Sankt Josef
Hypnose / Hypnotherapie II
16.04.2015 in Bad Säckingen
Regionales Schmerzzentrum DGS – Bad Säckingen
Curriculum
Algesiologische Fachassistenz (Kurs 2)
17.04.-18.04.2015 in Kassel
Geschäftsstelle DGS
Schmerztherapie-Praxisseminar: Triggerpunkte
erkennen und behandeln – exakte
Diagnosetechnik ermöglicht rationale
Therapieansätze
17.04.-19.04.2015 in Göppingen
Regionales Schmerzzentrum DGS – Göppingen
Curriculum: Spezielle Schmerztherapie (Block D)
18.04.-19.04.2015 in Frankfurt am Main
Geschäftsstelle DGS
Opiate bei chronischen Rückenschmerzpatienten: Pro & Contra
20.04.2015 in Augsburg
Regionales Schmerzzentrum DGS – Augsburg
Ärztlich assistierter Suizid :
Reflexionen der DPG und Diskussion
21.04.2015 in Solingen
Regionales Schmerzzentrum DGS – Solingen
40
Diagnostik an Beispielen aus dem neurologisch /
schmerzmedizinischen Alltag
04.05.2015 in Ludwigshafen
Regionales Schmerzzentrum DGS - Ludwigshafen
Ernährung und Genuss in der Schmerztherapie
06.05.2015 in Wiesbaden
Regionales Schmerzzentrum DGS – Wiesbaden
Methode der Verhaltensänderung – Motivation
(Workshop Teil II)
06.05.2015 in Berlin-Prenzlauer Berg
Regionales Schmerzzentrum DGS – Berlin
Prenzlauer Berg
Neuromodulation bei neuropatischen
Schmerzen
06.05.2015 in Dinslaken
Regionales Schmerzzentrum DGS – Dinslaken
Curriculum Biofeedback-Therapeut DGS /
Biofeedback-Trainer DGS
(Grundlagenseminar 1)
09.05.-10.05.2015 in Frankfurt am Main
Geschäftsstelle DGS
Myofasziale Schmerzsyndrome
13.05.2015 in Hürth
Regionales Schmerzzentrum DGS – Köln
Schmerztherapie mit Botulinumtoxin
25.04.2015 in München
Regionales Schmerzzentrum DGS – München
Schmerzen bei viralen Erkrankungen
14.05.2015 in Tübingen
Regionales Schmerzzentrum DGS – Tübingen
Curriculum Biofeedback-Therapeut DGS /
Biofeedback-Trainer DGS
(Fachseminar 1 Migräne/KS)
25.04.-26.04.2015 in Frankfurt am Main
Geschäftsstelle DGS
Schmerztherapie bei neuropathischen
Schmerzen – Systemisch oder topisch?
20.05.2015 in Bremen
Regionales Schmerzzentrum DGS – Bremen
Unterstützung geben – Gesundheitsberatung
zur Verhaltensänderung motivieren
(Vortrag und Workshop Teil I)
29.04.2015 in Berlin
Regionales Schmerzzentrum DGS – Berlin
Prenzlauer Berg
Was hat das Becken mit dem Kopfschmerz zu
tun?
29.04.2015 in Erfurt
Regionales Schmerzzentrum DGS – Erfurt
Mai 2015
CME-Update Schmerz: Neurologische
Diagnostik von unklaren Schmerzsyndromen.
Psychosomatik I
21.05.2015 in Bad Säckingen
Regionales Schmerzzentrum DGS – Bad Säckingen
Strukturelle Osteopathie und Sanfte
Chiropraktik nach Dr. Ackermann
21.05.-24.05.2015 in Bad Salzschlirf/Fulda
Regionales Schmerzzentrum DGS – Wuppertal
Wann welches Analgetikum? NSAR vs. Opiate
27.05.2015 in Halle
Regionales Schmerzzentrum DGS – Halle Saale
Curriculum Biofeedback-Therapeut DGS /
Biofeedback-Tariner DGS
(Grundlagenseminar 2)
30.05.-31.05.2015 in Frankfurt am Main
Geschäftsstelle DGS
Schmerzmedizin
2015; 31 (1)
© DSL
© DSL
Deutsche Schmerzliga im Fokus
© DSL
DGS
Der Patient und seine Anliegen im Mittelpunkt – dafür engagiert sich die Deutsche Schmerzliga.
25 Jahre Deutsche Schmerzliga e. V.
Schon viel erreicht, noch mehr zu tun!
Ein Vierteljahrhundert ist es her, dass sich eine kleine Gruppe von
Menschen unterschiedlichster Herkunft, Ausbildung und Betroffenheit aufmachte, den besonderen Bedürfnissen chronischer
Schmerzpatienten Gehör zu verschaffen.
V
or 25 Jahren wurde mit der Deutschen Schmerzliga (DSL) e. V. die
erste und bis heute größte bundesweit aktive Selbsthilfeorganisation
für Menschen mit chronischen Schmerzen gegründet:
— 25 Jahre, die gekennzeichnet waren
von Aufbruchstimmung, umfangreichen Aktivitäten auf regionaler und
überregionaler Ebene sowie vielfältigsten gesundheitspolitischen Aktionen.
— 25 Jahre, in denen die Geschicke der
DLS ganz entscheidend getragen wurden vom ehrenamtlichen Engagement
ihrer zahlreichen Mitglieder, Selbsthilfegruppen und Vorstände.
— 25 Jahre voller Beharrungsvermögen,
Ausdauer und Geduld. Aber auch 25
Jahre voller Enttäuschungen, Frustrationen und Unmut über die progrediente Schwerfälligkeit eines zunehmend technokratischen und verwissenschaft lichten Gesundheitssystems,
welches in seinem Bestreben nach
Qualitätsstandards, Evidenz und
Ökonomie die individuellen Bedürfnisse der von einer chronischen
Schmerzkrankheit Betroffenen immer
mehr aus dem Blick verloren hat.
Trotz aller Erfolge der DSL sind die anstehenden Herausforderungen seitens des
Schmerzmedizin
2015; 31 (1)
Gesetzgebers, des Gemeinsamen Bundesausschusses, der ärztlichen Selbstverwaltungsorgane und der Krankenkassen
(um nur einige beim Namen zu nennen)
nicht weniger geworden. Hinzu kommen
gesellschaftliche Entwicklungen sowie
der Einfluss neuer Medien auf Kommunikationsverhalten und Interaktion, die
für sich alleine betrachtet interessant sind.
Zusammengenommen können sie aber
für den Gedanken der Selbsthilfe gerade
für chronisch Schmerzkranke fatale Auswirkungen haben, wenn man ihnen nicht
in geeigneter Weise begegnet bzw. sie für
die eigenen Ziele nutzt.
Die DSL kann mit Stolz auf diese 25
Jahre zurückblicken. Gleichzeitig gilt es
jedoch, den Blick nach vorne zu wenden
und sich für die kommenden Herausforderungen zu wappnen.
Nicht nur durch die betonte Fokussierung des Blickes aller gesundheitspolitisch Verantwortlicher auf die Bedürfnisse kranker Menschen in Deutschland
(Stichwort: Versorgungsstärkungsgesetz),
sondern auch angesichts der tsunamiartigen Zunahme gesetzlicher Regelungen für Patienten (Stichwort: Patientenrechtegesetz, Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz, etc.) könnte einem regelrecht warm ums Herz werden – wäre da
nicht, ja wäre da nicht dieses flaue Gefühl
im Magen, dass hier der Gesetzgeber mal
wieder berauscht von seiner sozialen Fürsorgepflicht weit übers Ziel hinaus schießt.
Mit Gesetzen ist es letztlich so wie mit
Medikamenten: die Dosis macht das Gift.
Sind sie in niedriger Dosis und bei gezielter Anwendung hilfreich und gut, so mutieren sie bei flächendeckender vollumfänglicher Anwendung mitunter zu
einem kaum mehr zu beherrschenden
Kontrollmonster, dessen Freisetzung
mehr Schaden verursacht als abwendet.
Gerade chronische Schmerzpatienten
wissen um die besondere Notwendigkeit
individuell maßgeschneiderter Therapiekonzepte – eine Erfahrung, die angesichts der zunehmenden Qualitätssicherungsbestrebungen zur Gewährleistung
einheitlicher Therapiestandards (auf
kleinstem gemeinsamem Nenner) zunehmend seltener werden wird.
Alles in allem also kein Grund für die
DSL und ihre Mitglieder, sich lange auf
ihren Lorbeeren auszuruhen. Gemeinsam haben wir in den vergangenen 25
Jahren vieles erreicht, aber bereits in naher Zukunft müssen wir nicht mehr nur
dafür Sorge tragen das bislang Erreichte
zu sichern, sondern vor allem für Neues
kämpfen. Somit gibt es noch viel zu tun
für uns und für die Deutsche Schmerzliga – gemeinsam, miteinander, füreinander und stets für Menschen mit chronischen Schmerzen.
PD Dr. med. Michael A. Überall,
Präsident der Deutschen Schmerzliga
[email protected]
41
DAGST
Deutsche Akademie für ganzheitliche Schmerztherapie e.V.
Studienteilnehmer gesucht
Studie zu nicht medikamentöser
Behandlungsform der kindlichen Migräne.
— Das Zentrum für Kinderschmerztherapie
Die DAGST e.V.
am Universitätsklinikum Homburg sucht für
eine klinische Studie ab sofort Kinder im
Unsere Ziele:
— bessere Behandlung von Schmerzpatienten durch ganzheitlichen
Ansatz
— berufsbegleitende qualifizierte
Schmerztherapie-Ausbildung mit
Zertifikat zum Tätigkeitsschwerpunkt
„Ganzheitliche Schmerzbehandlung“
— interaktive Vorträge mit Beteiligung
des Auditoriums und Demonstration
von Behandlungsverfahren
— Umsetzung der Ergebnisse aktueller
Schmerzforschung in die Ausbildung
und Therapie
— intensiver kollegialer Austausch
sowie Bildung von interdisziplinären
Netzwerken
Deutsche Akademie für ganzheitliche
Schmerztherapie e.V.
1. Vorsitzender Dr. med. Ludwig Distler
2. Vorsitzender Prof. Dr. med.
Sven Gottschling (Schriftleitung)
weitere Informationen:
Fortbildungsbüro DAGST
Amperstraße 20A
82296 Schöngeising
Tel. 0 81 41 / 35 55 30-20
Fax. 0 81 41 / 35 55 30-27
E-Mail: [email protected]
Redaktion:
Christine Höppner
E-Mail: [email protected]
www.dagst.de
42
© forestpath / fotolia.com
ist eine originäre Schmerzgesellschaft
und setzt sich seit Ihrer Gründung 2002
ausschließlich für eine qualitativ hochwertige Ausbildung in ganzheitlicher
Schmerztherapie ein.
Die Behandlung von Kindern mit
Migräne ist eine Herausforderung. Eine
Option ohne Pharmakotherapie wäre
eine Bereicherung.
Alter zwischen 8 und 17 Jahren, die an einer
Migräne leiden und mindestens zwei Anfälle pro Monat haben. Die untersuchte Methode ist ein nicht medikamentöses Verfahren, bei dem die Wirkung eines Neurostimulationssystem eingesetzt werden wird.
Konzipiert ist die Untersuchung ist als
Doppelblindstudie. Nach Studienende soll
auch den Patienten aus der Placebo-Gruppe
eine kostenfreie Therapie mit dem echten
Therapiegerät angeboten werden. Wir
würden uns sehr über die Zuweisung von
Patienten freuen.
red.
Genauere Informationen erhalten Sie über das
Zentrum für Palliativmedizin und Kinderschmerztherapie:
Tel. 06841 / 16-28510
Fax. 06841 / 16-28519
[email protected]
Alte Patienten
Schmerzerfassung und Schmerztherapie in
Alten- und Pflegeheimen
— Das Universitätsklinikum Homburg wird
mit den Zentren für Palliativmedizin und
Allgemeinmedizin, sowie zusammen mit
der pflegewissenschaftlichen Abteilung der
Hochschule für Technik und Wirtschaft im
Jahr 2015 systematisch in einer mehrstufigen Erhebung die Schmerzerfassung und
Schmerztherapie in Alten- und Pflegeheimen im Saarland erfassen.
Ziel ist es zum einen den Status quo festzustellen. Zum anderen sollen dann darauf
„Schmerzen ohne Grund“
Die Häufigkeit von Leiden wie Fibromyalgie, chronische Rückenschmerzen,
Neurasthenie oder Chronic-FatigueSyndrom, haben in den letzten Jahren
zugenommen. Mit dem Buch „Müdigkeit, Erschöpfung und Schmerzen ohne
ersichtlichen Grund“ beschreibt Peter
Peel ein stufenweise durchgeführtes _
Behandlungskonzept, das edukative
aufbauend spezifische Schulungsprogramme entwickelt werden, um nach einem gewissen zeitlichen Abstand Veränderungen/
Verbesserungen der Schmerzerfassung und
Schmerztherapie bei mitteilungsfähigen
sowie auch bei an Demenz erkrankten Bewohnern der Einrichtungen dokumentieren
zu können.
Projektleiter dieser Untersuchungen ist Prof.
Dr. Sven Gottschling, stv. Vorsitzender der
DAGST.
red.
Maßnahmen der kognitiven Verhaltenstherapie zum Ausgangspunkt hat.
Keel, Peter
Müdigkeit, Erschöpfung
und Schmerzen ohne
ersichtlichen Grund
Springer Verlag
Berlin, Heidelberg 2015
ISBN 978-3-642-55429-2
14,95 €
Schmerzmedizin
2015; 31 (1)
DAGST-Veranstaltungen
Jetzt anmelden:
Am 19. Juli 2014 findet
in Homburg/Saar
folgende Fortbildung statt:
Länderübergreifende Umfrage
Medizinischer
Cannabis bei Kindern
Palliativversorgung heute:
Zwischen Anspruch und Wirklichkeit
© RRF Fotolia
— Gefördert durch die DAGST wurde eine
länderübergreifende Umfrage in Deutschland, Schweiz und Österreich über den
ärztlich verordneten Einsatz von Dronabinol
bei Kindern durchgeführt.
Dazu wurden über 300 kinderonkologische
und neuropädiatrische Abteilungen angeschrieben. Von den antwortenden Institutionen erklärte fast die Hälfte Dronabinol bei
Kindern einzusetzen. Hauptanwendungsgebiete waren dabei Spastik, Schmerzen
und Appetitverlust.
Fast 90 % der Befragten berichteten über
positive klinische Effekte wenige Tage nach
Therapiestart.
Deutlich wurde auch, dass vor allem zwei
Gründe den Einsatz behindern:
— einmal die unklare Erstattungslage durch
die Krankenkassen sowie
— ein generelles Informationsdefizit bezüglich der Indikationen und Dosierungen
für Kinder darstellt.
Die detaillierten Ergebnisse dieser Untersuchung werden auf dem europäischen Palliativkongress, dem EAPC 2015, im Mai in
Kopenhagen vorgestellt werden.
„3. Homburger Schmerz- und
Palliativkongress“
Weitere Informationen unter:
www.dagst.de
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Datum
Kursort
Weiterbildungen
Von den Ärztekammern anerkannt!
Aufbaukurs Palliativmedizin; 120 h Fallseminar
06.05.–10.05.2015
Weinsberg (Heilbronn)
Modul 1
26.06.–28.06.2015
Weinsberg (Heilbronn)
Modul 1
04.09.–06.09.2015
Weinsberg (Heilbronn)
Modul 2
06.11.–08.11.2015
Weinsberg (Heilbronn)
Modul 2
05.02.–07.02.2016
Weinsberg (Heilbronn)
Modul 3
16.04.–18.04.2016
Weinsberg (Heilbronn)
Modul 3
06.05.–10.05.2015
Berlin
40 UE / 40 CME-Punkte
14.05.–17.05.2015
Berlin
Block 1 / 40 UE / 40 CME-Punkte
25.06.–28.06.2015
Berlin
Block 2 / 40 UE / 40 CME-Punkte
Basiskurs Palliativmedizin; 40 h
Spezielle Schmerztherapie; 2 Blockkurse à 40 h
Fortbildungen
Akupunktur und Schmerz
Sven Gottschling
14.03.–15.03.2015
Berlin
18.07.2015
Homburg/Saar
Praxisbezogene Konzepte der Körperakupunktur und
französischen Ohrakupunktur in der Schmerztherapie
/Dr. med. Karin Bushe-Centmayer; Hardy Gaus (Fallseminare)
© Dmytro Sukharevskyy/Fotolia.com
© manu / fotolia.com
4. Homburger Schmerz- und Palliativkongress
DAGST e.V. mit dem Zentrum für Palliativmedizin
und Kinderschmerztherapie, Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie des Universitätsklinikums des Saarlandes
Kleingruppenseminare
24.04.2015
Straßberg
RAC-kontrollierte Diagnose- und Therapietechniken
in der Schmerzbehandlung / Hardy Gaus
20.06.2015
Ludwigsburg
Therapeutische Lokalanästhetika (TLA) und Notfallmanagement in der Schmerztherapie / Alexander
Philipp
Programmänderungen vorbehalten
Der medizinische
Einsatz von Canabis wird
derzeit vielfach diskutiert.
Da gilt es, eine Datenbasis
zu schaffen – auch über den
Einsatz bei Kindern.
Schmerzmedizin
2015; 31 (1)
Alle Kurse können Sie auch bequem online buchen unter
www.dagst.de.
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43
DAGST
Deutsche Akademie für ganzheitliche Schmerztherapie e.V.
Typische Beispiele aus der täglichen Praxis
Schmerztherapie und Palliativmedizin
in der hausärztlichen Versorgung
Johannes Jäger
Schmerztherapie und Palliativmedizin sind feste Bestandteile der täglichen hausärztlichen
Arbeit. Einige Beispiele aus der Praxis verdeutlichen mögliche Stolperfallen und typische
Herausforderungen für Hausärzte in der schmerztherapeutischen und palliativmedizinischen
Versorgung von Patienten.
I
n einer saarländischen Grenzregion
arbeite ich seit 25 Jahren als niedergelassener Facharzt für Allgemeinmedizin. Ich betreue den großen Patientenstamm seit zehn Jahren gemeinsam mit
einer Kollegin, die sich unter anderem
palliativmedizinisch weitergebildet hat.
Anhand einiger ausgewählter Beispiele
aus unserer Praxis möchte ich darstellen,
wie und wo sich Schmerztherapie und
palliative Medizin in der hausärztlichen
Tätigkeit darstellen, in welchen Bereichen es Besonderheiten oder gar Schwierigkeiten gibt oder geben kann.
Ich bin mir sicher, dass viele Kollegen
Ähnliches berichten können. Die Zahl
der Beispiele könnte ich beliebig erweitern. Im Folgenden soll jedoch nur das
Wesentliche für diesen Bereich der Patientenbetreuung gezeigt werden.
blette geben dürfe. Am Telefon kann ich
mich versichern, dass es keine anderen,
neuen Ursachen für die starken Schmerzen gibt. Deshalb bejahe ich die Frage
und bitte die Pflegende, eine vierte Tablette Oxycodon 10 mg zu verabreichen
sowie mich danach zu informieren, ob
es der älteren Dame besser geht. Die
Pflegeschwester bedankt sich und weist
mich darauf hin, dass sie dafür eine
schrift liche Handlungsanweisung brauche. Entweder komme ich jetzt zu einem
Hausbesuch ins Altenheim, um mein
Namenskürzel in die Patientenakte einzutragen, oder ich fahre in meine Praxis,
schreibe eine Handlungsanweisung und
faxe sie dann ins Heim. Ich entscheide
mich für Letzeres, weil es mich statt einer Stunde Zeit nur noch 20 Minuten
kostet.
Schmerztherapie in der
stationären Pflege
Schmerzmittel nach Sturz aus dem
Bett: Morgens werde ich in der Sprechstunde von der schichtführenden Pflegenden eines Heimes angerufen: eine
76-jährige Bewohnerin war in der Nacht
aus dem Bett gefallen. Nach Rücksprache mit dem ärztlichen Notdienst ließ
die diensthabende Nachtschwester die
Patientin mit dem Krankenwagen in ein
nahe gelegenes Krankenhaus bringen,
um mögliche knöcherne Verletzungen
auszuschließen. Der Kollege im Krankenhaus schickte die Heimbewohnerin
nach zahlreichen Röntgenaufnahmen
und abschließendem Frakturausschluss
wieder zurück.
Heimbewohnerin benötigt stärkere
Schmerzmedikation: Im ärztlichen
Notdienst werde ich nachts von der
diensthabenden Pflegerin eines Heimes
wegen einer 87-jährigen Bewohnerin angerufen. Die alte Dame ist seit sechs Monaten wegen ihrer starken Schmerzen,
verursacht durch Polyarthrose und eine
diabetische Polyneuropathie, auf dreimal täglich 10 mg Oxycodon eingestellt.
Weil sich die Bewohnerin im Tagesverlauf schon mehrfach wegen ihrer
Schmerzen gemeldet habe, möchte die
Pflegerin wissen, ob sie eine vierte Ta-
44
Nun klagt sie über Schmerzen im Bereich ihrer zahlreichen Prellmarken. Die
schichtführende Pflegeschwester möchte von mir wissen, ob die Patientin ein
Schmerzmittel bekommen dürfe (sie
nimmt nur Medikamente gegen Diabetes und Bluthochdruck ein). Natürlich
bejahe ich diese Frage und setze eine
zeitlich begrenzte Schmerztherapie an.
Bis die Patientin ihre Schmerzmedikation bekommt, werden aber noch mindestens zwei Tage vergehen: Das Heim darf
keinen Vorrat an Bedarfsmedikation bereithalten und lässt alle Medikamente
der Bewohner in einer 40 km entfernten
Vertragsapotheke verblistern.
Ich könnte den Vorgang jetzt beschleunigen, wenn ich das Rezept für
das Schmerzmedikament direkt in die
Apotheke faxen dürfte. Nach einem Gerichtsurteil aus jüngster Zeit ist dies jedoch für mich als Praxisarzt verboten.
Ich muss warten, bis ein Bote des Pflegeheims das Rezept abholt und es ins Heim
zurück bringt. Dort wird es dann per
Fax (normalerweise per Post) an die
Apotheke weitergeleitet. Diese wiederum schickt dann nach einiger Zeit die
verblisterte Medikation zurück. Da sich
die Patientin im Laufe des Vormittags
immer häufiger wegen ihrer Schmerzen
meldet, muss ich schließlich einen Hausbesuch machen, um ihr ein Schmerzmittel als Injektion zu verabreichen.
Wenn ich Musterpackungen in der
Praxis hätte, könnte ich auch noch Medikamente aus meinem Vorratsschrank
Schmerzmedizin
2015; 31 (1)
© giorgiomtb/fotolia.com
Schmerztherapie in der
hausärztlichen Sprechstunde
Schmerztherapie im Pflegeheim: Durch
Organisationsstrukturen erschwert.
mitbringen. Dieser ist jedoch nur noch
mit teuren, neuen Medikamenten für
Bluthochdruck und Diabetes gefüllt.
Kommentar
In den letzten Jahren ist die ärztliche Tätigkeit in Pflegeheimen durch zunehmende und in meinen Augen ausufernde Bürokratie immer komplizierter geworden. Manchmal fühlt man sich eher
dabei behindert als unterstützt, seine
Hausarzttätigkeit auszuüben. Die regelmäßigen Begehungen der Pflegeheime
durch den Medizinischen Dienst der
Krankenversicherung (MDK) erzeugen,
getrieben von der Angst vor schlechten
Benotungen, ein lähmendes Klima der
Bürokratieversessenheit in den Einrichtungen. Die medizinische Betreuung der
Heimbewohner scheint dabei nur eine
untergeordnete Rolle zu spielen.
Der MDK kontrolliert den BodyMass-Index (BMI) der Patienten und leitet daraus die Qualität der Pflege, aber
auch der hausärztlichen Versorgung ab!
In den Pflegeheimen ist jegliche akute
ärztliche Therapie, vor allem die Behandlung von Schmerzen, fast unmöglich, weil es keine Bevorratung von
Akutmedikamenten gibt. Die Zahl an
Hausbesuchen, auch im ärztlichen Notdienst in der Nacht und am Wochenende, wird dadurch unnötigerweise in die
Höhe getrieben; letztendlich ließen sich
auch viele stationäre Einweisungen in
der Nacht vermeiden, wenn es eine Möglichkeit gäbe, die Patienten schnell und
von Bürokratie ungehemmt schmerztherapeutisch zu betreuen.
Schmerzmedizin
2015; 31 (1)
Patient mit Schmerzen und Panikattacken: Einer der wenigen männlichen Patienten in unserer Praxis, die unter
Angst- und Panikattacken leiden, ist der
48-jährige Herr M. Leider konnte ich ihn
noch nicht dazu bewegen, sich einer verhaltenstherapeutisch ausgerichteten
Psychotherapie zu unterziehen. Er ist
immer noch davon überzeugt in Wirklichkeit rein somatisch krank zu sein.
Dies ist das Ergebnis seiner Patientengeschichte: Vor einigen Jahren wachte
Herr M. erstmals nachts mit Schmerzen
im Brustkorb auf. Seine Frau rief ohne
zu Zögern den Notarzt, der ihn in die
nächstgelegene Klinik brachte, in der die
Möglichkeit der invasiven Diagnostik
gegeben war. Nachdem ein Infarktgeschehen ausgeschlossen worden war, riet
man Herrn M. trotzdem zu einer Koronarangiografie. Er hatte einen Bluthochdruck, ein grenzwertig hohes LDL und
rauchte seit 25 Jahren täglich mindestens eine Schachtel Zigaretten. Nachdem
in der Angiografie keine stenosierenden
Plaques gefunden worden waren, entließ
man Herrn M. mit einem ACE-Hemmer,
einem Betablocker, einem Statin und
ASS wieder nach Hause.
In den nächsten Monaten veränderte
sich Herr M. merklich. Er war verängstigt, spürte er doch immer wieder mal
Stiche und Schmerzen im Brustkorb.
Ungefähr drei Monate nach dem ersten
Ereignis stellte ich ihn noch einmal ambulant bei einem Kardiologen vor. Dort
war er in der Ergometrie bis 150 Watt belastbar und hatte einen unauff älligen
Echokardiografiebefund. Nach weiteren
drei Monaten kam es erneut wegen starker Schmerzen zu einer notfallmäßigen
Einweisung ins Krankenhaus. Auch dieses Mal entschied man sich zur invasiven Diagnostik, die aber keine Befundänderung ergab. Man entließ Herrn M.
mit der persönlichen Gewissheit, er sei
bestimmt herzkrank, man fände es einfach nur nicht heraus.
Nach zahlreichen Gesprächen konnte
ich meinen Patienten dazu bewegen,
meinen Darlegungen Glauben zu schenken, dass es auch andere mögliche Ursachen für Thoraxschmerz geben kann –
selbst wenn er die typischen KHK-Risikofaktoren hat. Der schließlich mitbe-
handelnde Orthopäde fand eine mäßige
Osteochondrose der Brust- und Halswirbelsäule, aber keine Behandlungsmethode, die zur Besserung der Beschwerden von Herrn M. führte. Der Patient
bat mich um eine Überweisung zu einem niedergelassenen Schmerztherapeuten, die ich ihm auch gerne gab. In
den nun folgenden Monaten sah ich
Herrn M. etwa alle drei bis vier Wochen
in der Sprechstunde. Er wirkte immer
verängstigter, schlief sehr schlecht. Der
Schmerztherapeut stellte ihn bei jedem
Kontakt auf ein anderes Medikament
um, kombinierte auch mit einem Antidepressivum. Irgendwann sah ich meinen Patienten apathisch wirkend, verlangsamt, unter massiver Obstipation
leidend. Er klebte alle drei Tage 100 µg/h
Fentanyl als Pflaster. Ich sagte ihm, dass
es so nicht weiter ginge und er auf dem
falschen Weg sei.
Nach langem Gespräch, im Beisein
seiner Ehefrau, stimmte er der von mir
vorgeschlagenen Aufnahme in eine psychiatrische Abteilung zu. Ich war sehr
froh, dass es mir telefonisch gelang, zeitnah ein Bett auf einer offenen Station zu
organisieren, und erleichtert, als Herr M.
endlich stationär aufgenommen wurde.
Meine Überraschung war aber umso
größer, ihn bereits fünf Tage später wieder in der Sprechstunde vor mir zu sehen. Noch größer waren mein Zorn und
meine Enttäuschung, als ich den vorläufigen Entlassungsbericht las: Dort war
von einer „insuffizienten Schmerztherapie“ die Rede und dass ich doch bitte (eigentlich: gefälligst!) die Fentanyl-Dosis
erhöhen solle. Ganz ohne Zweifel, und
dies hatte man Herrn M. auch so mitgeteilt, war ich in der Therapie chronischer
Schmerzen einfach nur inkompetent
und würde immer noch glauben, man
müsse bei Schmerzmitteln sparen!
Kommentar
Ein unter Angst- und Panikattacken leidender Patient wird durch häufige technisch-apparative Untersuchungen in seinem Krankheitsverlauf sicherlich nicht
positiv beeinflusst, um es vorsichtig auszudrücken. Wie schwierig es aber für
uns und unsere Kollegen ist, schmerztherapeutisch mit solchen Patienten umzugehen, zeigt dieses Beispiel in anschaulicher Weise. Hier kann man als
45
DAGST
Hausarzt nur etwas erreichen, wenn
man über ein kleines Netzwerk kompetenter Kollegen verfügt, mit denen man
gut zusammenarbeitet. Ansonsten sind
solche Patienten wie Herr M. verloren!
Kollege habe sie geröntgt und an beiden
Hüftgelenken bereits deutliche Arthrosezeichen festgestellt. Auf seine Frage, ob
Frau B. einen empfindlichen Magen habe,
antwortete sie ihm, dies sei zwar der Fall,
sie nehme aber schon regelmäßig Pantoprazol als Magenschutz. Daraufhin verschrieb der Orthopäde eine Packung mit
50 Tabletten Ibuprofen 600 und verordnete der Patientin zweimal 600 mg am
Tag bis man sich wieder sähe. An der Anmeldung der orthopädischen Praxis erhielt Frau B. einen neuen Termin in acht
Wochen.
Kommentar
Ich denke, jeder Hausarzt war froh, als
das unsäglich aufwändige und peinliche
Einsammeln von 10 €-Scheinen zum
Quartalsanfang endlich abgeschafft wurde. Leider wurde den Hausärzten damit
aber gleichzeitig eine ganz wichtige
Funktion genommen: wir wissen nun
nicht mehr, bei wie vielen Spezialisten
(oder auch anderen Hausärzten!) unsere
Patienten sonst noch in Behandlung sind.
Für viele Patienten mag dies eine neue
Freiheit bedeuten, auf die sie lange
gewartet haben. Erst wenn sie in unsere
Sprechstunde kommen, um nicht vorhandene Fremdbefunde zu besprechen
oder das Versorgungsamt oder die
Rentenversicherung Anfragen mit dem
Vermerk „keine Befunde vorhanden“
zurückgeschickt bekommen, – also zu
spät – ahnen sie, dass sie für diese neue,
scheinbare „Freiheit“ einen hohen Preis
© Alexander Raths/fotolia.com
Medikation von verschiedenen Ärzten
verschrieben: Frau B. ist eine 67-jährige
Patientin mit einem Diabetes mellitus
vom Typ 2. Im Rahmen des sogenannten
Disease-Management-Programms
(DMP) wird sie alle drei Monate einbestellt, unter anderem zur regelmäßigen
Laborkontrolle. Neben einem ACE-Hemmer nimmt sie eine Kombination aus
Metformin und Saxagliptin, zusätzlich
einmal täglich 100 mg ASS sowie 20 mg
Pantoprazol ein. Bei der letzten Blutuntersuchung fiel auf, dass der Kreatininwert zum ersten Mal auf 1,7 mg % angestiegen war (in unserem Labor geht der
Normalbereich bis 1,4 mg %). Frau B.
wird nochmal zu einer Kontrolle einbestellt, die sogar ein noch höheres Ergebnis (1,8 mg %) ergibt. Daraufhin wird
Frau B. gebeten, in die Sprechstunde zu
kommen. Dort berichtet sie, dass sie sich
seit einiger Zeit nicht wohl fühle; alles fiele ihr schwerer und die Beine trügen sie
kaum noch.
Auf den Rat ihrer Tochter hin ist sie seit
vier Wochen bei einem Orthopäden in
Behandlung. Auf meinen Einwand, davon wüsste ich ja gar nichts, entgegnet sie,
man habe ihr bei der Terminvereinbarung am Telefon bereits gesagt, dass sie
keine Überweisung mehr benötige. Der
Deutsche Akademie für ganzheitliche Schmerztherapie e.V.
Bei der hausärztlichen Versorgung von Patienten mit Schmerzen kann man über einige
Fallstricke stolpern.
46
bezahlen. Geradezu in höchste Gefahr
begeben sie sich, wenn sie sich nicht nur
Art und Umfang irgendeiner Diagnostik
selbst auswählen („Ich geh jetzt nur noch
zu Dr. X in Z; der hat ein Ultraschallgerät mit einem riesigen Bildschirm.“), sondern es zulassen, von beliebig vielen Ärzten mit beliebig vielen Arten von Medikamenten behandelt zu werden.
Früher gab es einmal auch unter Spezialisten das Gefühl, einer Fürsorgepflicht folgen zu müssen. Sicherlich gibt
es glücklicherweise auch heute noch einige seltene Exemplare dieser Kollegen.
Die allermeisten fühlen sich aber heute
offenbar nur noch als Leistungserbringer und haben für sich die Arzt-Patienten-Beziehung als reines Konsum-Modell etabliert.
Patient nutzt verschiedene Einzugsgebiete: Volker P. arbeitet in einem Fachmarkt für Elektronik und ist 42 Jahre alt.
Vor zwei Jahren kam er mit einem Impingement-Syndrom der rechten Schulter zum ersten Mal in unsere Sprechstunde. Er arbeitet zwar im Saarland,
wohnt aber in der Pfalz und damit nicht
im Einzugsbereich unserer Praxis. Jeglicher Versuch einer konservativen Behandlung war gescheitert, als er sich
letztendlich einer Operation seiner
Schulter unterzog. Die Nachbehandlung gestaltete sich schwierig; trotz
zahlreicher krankengymnastischer Behandlungseinheiten konnte Herr P. den
Arm nicht mehr vollständig und
schmerzfrei abduzieren.
Der mitbehandelnde Chirurg begann
mit einer begleitenden Schmerztherapie
und verordnete Tilidin-Tropfen. Schließlich erklärte er seine Behandlung für beendet und verwies den Patienten an seinen Hausarzt. Als uns klar wurde, dass
Volker P. bereits seit einem Dreivierteljahr Tilidin in Tropfenform konsumierte, versuchten wir eine Umstellung auf
die retardierte Galenik. Dies misslang
aus nicht zu klärenden Gründen. Herr P.
war auch nicht bereit, ein anderes
Schmerzmittel zu testen und bestand
imperativ auf „seine“ Tilidin-Tropfen.
Beim Drucken des obligatorischen
BTM-Rezepts bemerkte er zu der Arzthelferin, dass „in der Pfalz die BTM-Rezepte anders aussehen“. Daraufhin bekam er zu Antwort: „Dann lassen Sie
Schmerzmedizin
2015; 31 (1)
Kommentar
Natürlich sehen die BTM-Rezepte in der
Pfalz nicht anders aus als im Saarland.
Sicherlicht ärgert sich Herr P. über seinen Lapsus grün und blau. Andererseits
hat er nur bestätigt, was wir schon geahnt haben: er war längst Tilidin-abhängig geworden. Ohne ein Mitwirken des
Patienten kann man als Hausarzt hier
nichts erreichen. Solche Patienten wandern von Arzt zu Arzt und tauchen irgendwann in den auf rotem Papier gedruckten Warnhinweisen der Kassenärztlichen Vereinigungen wieder auf.
Die Frage, die sich in dem vorliegenden
Fall aber stellt, ist: Warum ist es überhaupt so weit gekommen? Meiner Meinung nach sollten auch operativ tätige
Kollegen über Schmerztherapie besser
informiert sein und zudem mit den
Hausärzten besser zusammenarbeiten.
Palliativmedizin im hausärztlichen
Alltag
Mangelnde Compliance bei starken
Schmerzen: Bei unserem 75-jährigen
Patienten wurde vor einem Jahr ein Lungenkarzinom festgestellt. Bereits weit
fortgeschritten, konnte es nur noch palliativ angegangen werden. Nach einer
entsprechenden Aufk lärung willigte der
Patient ein und unterzog sich einer Bestrahlungs- und auch Chemotherapie.
Zurzeit betreuen wir ihn zu Hause palliativ; eine weitere stationäre Therapie ist
nicht vorgesehen. Aufgrund stärkster
Schmerzen benötigt er mittlerweile kontinuierlich Morphine. Seltsamerweise
erreichen wir keine Compliance – trotz
zahlreicher erklärender Gespräche mit
dem Patienten und seinen Angehörigen.
Der Patient nimmt seine Medikamente
trotz stärkster Schmerzen nicht regelmäßig oder gar ausreichend ein. Wir
sind ratlos.
Schließlich kommt Licht in die Angelegenheit: während einer turbulenten
Montagmorgen-Sprechstunde ruft die
Ehefrau des Patienten an und verlangt in
vorwurfsvollem Ton, dass ich ihren Ehemann wegen seiner Schmerzen endlich
stationär einweisen soll. Schließlich hätte ich ihm bisher keine richtigen
Schmerzmedizin
2015; 31 (1)
Schmerzmittel verschrieben, sondern lediglich Betäubungsmittel. Dies habe ihr
die Apothekenhelferin gesagt, als sie das
Opiat-Rezept abgab: „Oh, das ist ja ein
Betäubungsmittel-Rezept. Da muss ich
die Chefin holen.“ Mein Versuch einer
Erklärung am Telefon schlägt fehl.
Kommentar
Eigentlich: ohne Kommentar! Ich schäme mich, dass es mir nicht gelungen ist,
Vertrauen zu gewinnen. Trotzdem: Muss
das gelbe Rezept unbedingt „BTMRezept“ heißen? Wie wäre es z. B. mit
„Schmerztherapie-Rezept“ (STR) oder
„spezielles Schmerzmittel-Rezept“ (SSR)?
Noch skurriler ist die Bezeichnung in
Österreich. Dort heißen die Formulare
ganz offiziell Suchtgift rezept! In der täglichen Sprechstunde ist ein typisches
Problem die gängige Einstellung der
meisten Patienten, dass man Schmerzmittel auf gar keinen Fall regelmäßig
einnehmen sollte und auch nur so sparsam wie möglich. Schmerzpatienten bedürfen einer intensiven Betreuung. Diesen Spagat zwischen Anspruch und
Wirklichkeit in der täglichen Flut von
Patienten und entsprechend knappen
Zeitressourcen zu leisten, ist eine unserer täglichen Herausforderungen.
Regressforderung wegen Off-LabelUse: Zusammen mit dem Team der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) betreuen wir eine 69-jährige Patientin mit amyotropher Lateralsklerose im Haus ihrer Tochter. Die
Patientin wird über ein Tracheostoma
beatmet. Weil sich sehr viel Bronchialsekret bildet, wird sie sehr häufig – bei
Tag und Nacht – endotracheal abgesaugt.
Nach zwei Behandlungsquartalen wurde unsere Praxis durch die zuständige
Krankenkasse mit hohen Regressforderungen konfrontiert, die aus der regelmäßigen und sehr zahlreichen Verordnung von Scopolamin-Pflastern resultierten. Es war uns nicht bewusst, dass
Scopolamin nur dazu verwendet wurde,
den Speichelfluss der Patientin zu reduzieren. Da dies jedoch ein sogenannter
Off-Label-Use ist, durfte das Pflaster
nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden.
Wir konnten uns noch mit viel Mühe
vor einer Regresszahlung retten, müssen
© Mark Bowden/bowdenimages/iStock
sich also auch in der Pfalz Ihre Tropfen
verschreiben?“ Der Patient kommt seitdem nicht mehr in die Praxis.
Für häusliche, palliative Betreuung ist
ein vertrauensvolles Verhältnis wichtig.
jedoch das Pflaster ab sofort als Privatrezept verordnen. Die Angehörigen der
Patientin zeigten sich überrascht und reagierten zunächst mit Unverständnis.
Kommentar
Die Zusammenarbeit mit SAPV-Teams
und Pflegediensten funktioniert in der
Regel hervorragend. Nicht nur diesen
sehr betreuungsintensiven Fall könnten
wir als Hausärzte allein nicht stemmen!
Natürlich müssen wir fast täglich Verordnungen und Rezepte unterschreiben,
die unsere Budgets für Medikamente,
Heil- und Hilfsmittel bei weitem überschreiten würden. Wir haben deshalb
rechtzeitig unsere besonderen Verordnungen bei der Kassenärztlichen Vereinigung angemeldet, damit diese aufgrund der Schwere der Erkrankung als
nicht budgetrelevant herausgerechnet
werden. Eine wirtschaft liche Sanktion
wegen kostenintensive Behandlungen
haben wir durch die Beachtung dieser
„Spielregel“ in unserer Praxis noch nie
erlebt. Trotzdem gibt es immer noch bestimmte Grenzen, wie der dargestellte
Fall aufzeigt.
Prof. Dr. med. Johannes
Jäger, MME
Zentrum
Allgemeinmedizin
Medizinische Fakultät der
Universität des Saarlandes
66421 Homburg/Saar
[email protected]
47
Berufsverband der Palliativmediziner
in Westfalen-Lippe e.V.
© photos.com/Sergey Borisov
Wir verneigen uns und trauern
Im Gedenken an Peter
Holtappels
Dr. jur. Peter Holtappels hat den Berufsverband der Palliativmediziner
in Westfalen-Lippe e. V. viele Jahre mit Rat und Tat unterstützt. Im
Dezember 2014 ist er verstorben. Wir bewahren ihm ein ehrenvolles
Gedenken in großer Herzlichkeit.
A
Unsere Ziele sind:
— Qualitätsindikatoren in der ambulanten Palliativmedizin zu definieren
und weiterzuentwickeln,
— Betroffene und Angehörige über die
Möglichkeiten einer fachgerechten
palliativmedizinischen Versorgung
zu informieren,
— die Diskussion über ethische und
rechtliche Fragestellungen am
Lebensende anzustoßen und zu
vertiefen,
— ein langfristiger Kulturwandel im
Umgang mit Tod und Sterben.
Berufsverband der Palliativmediziner
in Westfalen-Lippe e. V.
Geschäftsstelle:
Sabine Schäfer
Dieckmannstraße 200
48161 Münster
Tel. 02 51 / 5308-9960
E-Mail: [email protected]
Öffentlichkeitsarbeit:
Dr. med. Eberhard A. Lux
Klinik für Schmerz- und
Palliativmedizin am
Klinikum St.-Marien-Hospital Lünen
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Fax. 0 23 06 / 77-2921
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www.bv-palliativmediziner.de
Schmerzmedizin
2015; 31 (1)
m 10. Dezember 2014 verstarb
Herr Dr. jur. Peter Holtappels im
Alter von 79 Jahren in Hamburg.
Uns Palliativmedizinern in WestfalenLippe war Peter Holtappels über viele
Jahre ein enger Begleiter und lieber
Freund. Ohne seine kompetente, unermüdliche und selbstlose Hilfe in juristischen und organisatorischen Fragen hätten wir unseren Weg hin zu etablierten
ambulanten Palliativstrukturen nicht
derart erfolgreich beschreiten können.
Stets stand uns ein Vollblutjurist zur Seite – ausgestattet mit der tiefen Lebensweisheit eines Mannes, der sein Leben
trotz seiner körperlichen Behinderung
aktiv und vorwärtsstrebend meisterte.
Nach einer bewegten und äußerst erfolgreichen Tätigkeit als Jurist (spezialisiert
auf das Schiff fahrtsrecht) und Reeder
gründete Dr. jur. Holtappels in Hamburg
eine Anwaltskanzlei und leitete diese bis
zu seiner Pensionierung 1989. Seitdem
lag sein Fokus darauf, die junge, sich
langsam entwickelnde Palliativmedizin
zu unterstützen und die Rechte der Palliativpatienten zu fördern. In der deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin
stand die Sektion Rechtsberufe unter
seiner Führung. Mit unermüdlichem Eifer begleitete er auch die Entwicklung
ambulanter Palliativmedizin in Westfalen-Lippe, unterstützte uns in den Verhandlungen mit den Kostenträgern und
hatte stets ein offenes Ohr für unsere
vielfältigen Fragen. Sein hervorragendes
ehrenamtliches Engagement war uns
stets Vorbild und Ansporn.
Getragen von seinem christlichen
Weltbild und reich an menschlicher Erfahrung trieben ihn – wie viele von uns
– die Gedanken zum Lebensende um. So
entstanden in der Arbeitsgruppe Ethik
unseres Berufsverbandes die Empfehlungen der Palliativmediziner in Westfalen-Lippe zu Entscheidungen am Lebensende. Sie boten den Auftakt zu einer
breiten Diskussion über die Indikation
von medizinischen Maßnahmen am Lebensende und auch den möglichen Verzicht auf Interventionen. Streitbarkeit
und Liebenswürdigkeit, Seriosität und
die Vertretung von Gruppen- und Einzelinteressen waren für Peter Holtappels
keine Gegensätze. Für ihn war die Maxime „Würde“ kein abstrakter Begriff.
Wir verneigen uns und trauern. Wir
bedanken uns von ganzem Herzen für
die vielen wunderbaren Gespräche und
Gedanken. Seine Kompetenz und seine
Streitbarkeit werden wir ebenso vermissen wie seinen einzigartigen Humor.
Wir werden Peter Holtappels stets ein
ehrenvolles Gedenken in großer Herzlichkeit bewahren.
Für die Mitglieder des Berufsverbandes
der Palliativmediziner Westfalen-Lippe,
der Vorstand: Dr. Ulrike Hofmeister,
Dr. Ulrich Weller, Dr. Bettina Classen,
Dr. Regina Mansfeld-Nies, Dr. Alfons
Gersmann, Dr. Eberhard Albert Lux,
Dr. Dietmar Schlewing, Dr. Gerhard Weigl
49
SCHMERZMEDIZIN
Medizin Repor t aktuell
Angewandte Schmerztherapie und Palliativmedizin
Opioide bei Nichttumorschmerzen
Retardiertes Oxycodon/Naloxon von Vorteil
Bei Nichttumorschmerzen ist der Einsatz von Opioiden sinnvoll und ein integraler Bestandteil des multimodalen Therapiekonzeptes. Dies zeigen eine aktuelle Querschnittbefragung und eine nicht-interventionelle
Studie der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin e. V. (DGS) [1, 2]. Beide Untersuchungen bestätigen
zudem die Vorteile der Fixkombination aus retardiertem Oxycodon und retardiertem Naloxon: Die analgetische Wirkung war stärker, Funktionalität und Lebensqualität besserten sich signifikant.
Opioide: Ein Muss bei jedem Zweiten
Laut der befragten Ärzte sinken bei zwei
Drittel der Patienten die Schmerzen unter
Opioiden um mindestens 50 %. Parallel
dazu nehmen Einschränkungen des alltäglichen Lebens bei 64,8 % mindestens
um die Hälfte ab. Die Lebensqualität
steigt dadurch deutlich. In der alltäglichen Praxis profitieren viele Patienten mit
Nichttumorschmerzen von einer Opioidtherapie, resümierte der Studienleiter
PD Dr. Michael Überall, Nürnberg. Jeder
zweite Patient hätte aus Sicht der behandelnden Ärzte ohne die Verordnung eines
starken Opioids gar nicht behandelt werden können. Als häufigste unerwünschte Arzneimittelwirkung tritt in der Dauertherapie laut der Befragten Obstipation
mit 49,1 % auf. Unter Morphin und Oxycodon treten Nebenwirkungen weit häufiger auf als unter retardiertem Oxycodon/Naloxon [1].
Opioide bei chronischen
Rückenschmerzen
Starke Opioide sind bei chronischem Rückenschmerz sinnvoll, belegt auch die von
der DGS durchgeführte, nicht-interventionelle PROBE-Studie (prospectiv, ran-
Schmerzintensität (VAS100)
▬▬
An der Querschnittbefragung
CROSSECCO II [1] beteiligten sich 4.283
schmerztherapeutisch tätige Ärzte. 93,1 %
der Befragten sehen Opioide als einen
wichtigen Therapiebaustein bei Tumorschmerzen an. Bei degenerativen Gelenkerkrankungen halten 42,3 % der Ärzte
Opioide für sinnvoll, bei Kreuz-/Rücken-/
Schulter-/Nackenschmerzen 23,5 % und
bei neuropathischen Schmerzen 18,1 %.
Morphin
50
45
40
35
30
25
20
15
10
5
0
0
1
Oxycodon
2
3
Oxycodon/Naloxon
4
5
6
7
Zeit (Woche)
8
9
10
11
12
Abb. 1: Vorteile für die retardierte Fixkombination Oxycodon/Naloxon bereits ab der 1. Woche [2]
domisiert, offen mit verblindetem Endpunkt) [2]. Einbezogen wurden 901 Patienten mit chronischen Rückenschmerzen, deren Vortherapie mit Nicht-Opioiden oder schwachen Opioiden nicht ef
effektiv war. In der zwölfwöchigen Beobachtungsphase erhielten sie entweder
Morphin, Oxycodon oder die Fixkombination aus retardiertem Oxycodon und
Naloxon. Die Schmerzintensität verringerte sich in allen drei Gruppen bereits in
der ersten Woche signifikant gegenüber
der Vortherapie. Unter retardiertem Oxycodon/Naloxon
sank die
Schmerzintensität von 45,5 auf 17,8 auf
der visuellen Analogskala (VAS) (0=keine Schmerzen, 100=stärkste vorstellbare
Schmerzen). Das entspricht einer signifikanten Verbesserung von 60,9 %
(p<0,001), unter Oxycodon von 47,5 %
und unter Morphin von 46,1 % [2]. Opioide haben selbst bei schwer therapierbaren Patienten mit chronischen Rückenschmerzen eine starke analgetische Wirkung, erklärte Überall (Abb. 1).
Wirksam und gut verträglich
Neben der Wirksamkeit entscheidet die Verträglichkeit über den Therapieerfolg: Unter
Oxycodon/Naloxon lag die mit dem Bowel
Function Index (Leichtigkeit des Stuhlgangs,
Gefühl der unvollständigen Darmentleerung sowie Beurteilung der Obstipation,
Normbereich: unter 30) gemessene Darmfunktion zu Studienende bei 30,1 und somit weitgehend im Normbereich. Unter
Morphin und Oxycodon war die Darmfunktion stark eingeschränkt (BFI-Werte
53,6 und 48,3). Daher brachen unter der
Fixkombination deutlich weniger Patienten
die Therapie ab (25,3 % vs. 43,0 % unter
Morphin und 38,3% unter Oxycodon). Die
Lebensqualität und die Fähigkeit, alltägliche Aktivitäten durchzuführen, verbesserten sich unter Oxycodon/Naloxon deutlicher als bei den Vergleichstherapien [2].
Literatur
1. Überall M et al., MMW-Fortschr. Med. Originalien III/2014
(156 Jg.): 98–105
2. Überall M et al., (Poster); 15th World Congress on Pain
2014 (IASP), PS-23
Impressum Literaturarbeit • Medizin Report aktuell Nr. 410920 in: Schmerzmedizin, Band 31, Heft 1, Februar 2015 • Autor: Stephanie Kraus, Haidholzen • Redaktion: Teresa Windelen •
Leitung Corporate Publishing: Ulrike Hafner (verantwortlich) • Springer Medizin, Springer-Verlag GmbH, Tiergartenstraße 17, 69121 Heidelberg • © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015 •
Mit freundlicher Unterstützung der Mundipharma Deutschland GmbH & Co. KG, Limburg
Die Herausgeber der Zeitschrift übernehmen keine Verantwortung für diese Rubrik.
Industrieforum
Muskulär bedingte Rückenschmerzen –
Linderung durch Reduktion der Verspannung
— Schmerzen im Bewegungssystem sind
überwiegend durch langdauernde muskuläre Fehlhaltungen und -belastungen bedingt.
Typischerweise seien myofasziale Schmerzen mit einer meist reversiblen Funktionsstörung assoziiert und würden durch somatische und psychosoziale Faktoren verstärkt,
berichtete Prof. Dr. Hans-Raimund Casser,
Mainz. Das pathophysiologische Korrelat einer myofaszialen Störung sind Triggerpunkte
und reaktive Bindegewebsveränderungen.
Primäres Therapieziel dieser Schmerzen sei
es, die lokale Durchblutung zu verbessern
und die Rigorkomplexe aufzubrechen, sagte
Casser. Um die Patienten möglichst bald ak-
tivierenden Maßnahmen zuführen zu können und eine Schmerzchronifizierung zu
vermeiden, sind eine schnelle, effektive Analgesie und eine Lösung der verspannten
Muskulatur erforderlich. „Das einzige Myotonolytikum mit nachgewiesenem Nutzen für
die Therapie akuter muskulärer Schmerzen
ist Flupirtin“, so Casser. Flupirtin in modifizierter Galenik
zeigte in
der SUPREME-Studie eine schnelle analgetische und muskelentspannende Wirkung
[Überall MA et al. Curr Med Res Opin. 2012;
28(10):1617-34]. Die Europäische Arzneimittelagentur hat den Nutzen von Flupirtin für
die Akutschmerztherapie über die Dauer
Dresdener Wundsymposium 2014
— Der Mikrobiologe Dr. Matthias Hallhuber, Norderstedt, ging der Frage nach, ob
Silber als antiseptischer Wirkstoff in der
Wundversorgung eingesetzt werden sollte.
Aufgrund der Datenlage rät der Experte
dazu, Antiseptika den Vorzug zu geben.
Anhand von Beispielen verdeutlichte die
Wundmanagerin Marion Laubrich, Dresden,
dass die Größenanpassung der Stomaplatte
der zentrale Aspekt der Stomaversorgung ist.
Hilfreich können Schablonen und Messkarten sein. Zudem kann der richtige Einsatz
von Stomaprodukten dazu beitragen, Stomakomplikationen wie Malzerationen zu
verhindern oder deren Abheilung zu unterstützen. Laubrich demonstrierte den Einsatz
von Alginat, Silikonwundauflagen, Schaumverbänden und Hautschutz in Form von
Sprays und Puder. Stomapatienten bräuchten keine spezielle Ernährung, so Laubrich.
Mit einer guten Versorgung können sie zudem duschen, Sport treiben und reisen.
Hiervon unterscheiden sich Tumorwunden
wesentlich. „Das sind Wunden, die nicht
von bis zu 14 Tagen unter Berücksichtigung
der Anwendungsempfehlungen bestätigt.
Neue Daten weisen laut Prof. Dr. Jürgen
Borlak, Hannover, darauf hin, dass genetisch
bedingte Störungen im Arzneimittelmetabolismus kein erhöhtes Risiko für eine Leberschädigung unter Flupirtin darstellen
[Siegmund W et al. Br J Clin Pharmacol. 2014
Sep 29. (Epub ahead of print)]. Zudem ergab
die Studie, dass unter Flupirtin retard gegenüber der schnell freisetzenden Form um bis
25 % weniger reaktive Metabolite anfallen,
womit das Risiko einer Leberschädigung
reduziert werden kann.
Abdol A. Ameri
Symposium „Muskuläre Schmerzen im Bewegungssystem – verstehen, erkennen, therapieren“ anlässlich des Deutschen Schmerzkongresses, Hamburg, 24. Oktober 2014; Veranstalter:
Teva
mehr heilen, meist sehr großflächig sind und
schnell und stark bluten“, so die Wundtherapeutin Simone Lorenz, Pirna. Bei Tumorwunden geht es laut Lorenz darum, die Patienten
möglichst zu entlasten. Hierzu gehören die
Wundreinigung mit Nassphasen, der Wundrandschutz, sowie der Einsatz von speziellen
Auflagen, die sich gut vom Wundgrund lösen,
gut saugen, keimreduzierend und geruchslindernd sind.
Claudia-Viktoria Schwörer
Dresdener Wundsymposium 2014, Dresden,
26. November 2014; Veranstalter: BSN medical
in Kooperation mit der Akademie für Wundversorgung und der DGfW
Tapentadol: Weniger Schmerzen, höhere Lebensqualität
— Chronische Rückenschmerzen gehören
zu den häufigsten Schmerzen in der hausärztlichen Praxis. Mit herkömmlichen Opioidanalgetika lassen sie sich häufig nicht verbessern. Ein Grund dafür sei, dass die zugrundeliegenden Schmerzmechanismen bei der
Therapie nicht oder nicht adäquat adressiert
würden, erläuterte Prof. Dr. Ralf Baron, Kiel.
Da es sich bei Rückenschmerzen häufig um
ein „Mixed Pain“-Syndrom handele, müsse
besonders die neuropathische Schmerzkomponente bei der Therapieauswahl berücksichtigt werden. Der μ-Opiodrezeptoragonist und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer Tapentadol retard (Palexia® retard)
52
wirke sowohl antinozizeptiv als auch antineuropathisch, so Baron.
Nach neuen Daten profitieren opioidnaive
Patienten mit starken chronischen Rückenschmerzen und ausgeprägter neuropathischer Schmerzkomponente von Tapentadol
retard stärker als von einer Therapie mit
Oxycodon/Naloxon [Baron R et al. PAIN
Week. 2014;Abstr 121]. In dem mit Tapentadol retard behandelten Patientenkollektiv (n
= 117) wurde eine um 37 % stärkere Schmerzreduktion im Vergleich zur Ausgangssituation erzielt als im Kontrollkollektiv (p = 0,001).
Der Nutzen der Therapie zeigte sich auch in
einer besseren Lebensqualität und körperli-
chen Funktionfähigkeit [Schwittay A et al.
PAIN Week. 2014;Abstr 121]. Die bessere
Wirkung von Tapentadol retard gegenüber
Oxycodon/Naloxon retard zeigte sich bei
den meisten der mit dem Fragebogen SF 12
erfassten Kriterien zur Lebensqualität.
Zudem war Tapentadol retard mit einer
besseren gastrointestinalen Verträglichkeit,
besonders einer geringeren Obstipationsrate assoziiert als der Opioid-Komparator (15,4
vs. 25,8 %; p = 0,045).
Abdol A. Ameri
Meet-the-Expert „Aktuelle Studie belegt:
wirksam und verträglich“ anlässlich
des Deutschen Schmerzkongresses, Hamburg,
23. Oktober 2014; Veranstalter: Grünenthal
Schmerzmedizin
2015; 31 (1)
Praxis konkret
IT + online
Internet im Wartezimmer und auf Station
Sicherer WLAN-Zugang für Patienten
Ärzte und Krankenhäuser, die Patienten in Wartezimmern oder auf der
Station WLAN-Zugänge anbieten möchten, dürfen dabei technische
und haftungsrechtliche Sicherheitsfragen nicht außer Acht lassen.
Erfreulicherweise reagieren erste Anbieter auf diese Anforderungen –
mit bezahlbaren, aber dennoch durchdachten Lösungen.
D
er Lesezirkel kommt allmählich in Bedrängnis:
Gerade jüngere Patienten vertreiben sich die Zeit im
Wartezimmer heute fast ausnahmslos mit ihren Smartphones. Und zu stationären
Krankenhausaufenthalten
bringen die Patienten nicht
selten sogar ihre Tablets oder
Notebooks mit. Dabei sind Arztpraxen und Krankenhäuser in puncto Mobilfunkempfang eher die problematische Umgebungen: Abschirmungen
durch Bausubstanz und technische Einrichtungen verschlechtern den an vielen
Standorten ohnehin schwierigen „InHouse-Empfang“ zusätzlich. Motiviert
vom Servicegedanken überlegen manche Ärzte und Krankenhausbetreiber
deshalb, ihren Patienten gezielt den kostenlosen Zugang in das Internet per
WLAN (drahtloses lokales Netzwerk)
anzubieten.
© Palto / iStockphoto.com
Praxis- und Krankenhaussysteme
isolieren
Das an sich naheliegende Internetangebot stellt die Betreiber bei näherer Prüfung jedoch vor neue Herausforderungen: Denn während die Patienten einen
ungestörten und leistungsfähigen Zugang zum Internet schon fast als selbstverständlich voraussetzen, gilt es für
Praxen und Krankenhäuser mehrere
Fragen zu berücksichtigen: Wie lässt
sich gewährleisten, dass der für die Patienten zugängliche Internetanschluss zuverlässig von den Daten- und Laufwerksfreigaben der Praxis- oder Krankenhaussysteme isoliert bleibt? Wie
Schmerzmedizin
2015; 31 (1)
kann man die WLAN-Versorgung technisch so auslegen, dass sie an den benötigten Empfangsorten wie im Wartezimmer oder auf Stationen auch mit ausreichender Qualität und Leistung zur Verfügung steht?
Sicherheit durch Gastzugang für
Patienten
Kaum außer Acht zu lassen sind nicht
unerhebliche haftungsrechtliche Aspekte. In Deutschland gilt das Prinzip der
sogenannten Störerhaftung: Werden
über einen Internetanschluss illegale
Angebote abgerufen oder gar in das Netz
eingestellt – wie etwa Raubkopien, verbotene pornografische oder politisch radikale Inhalte – und ist der tatsächlich
verantwortliche Nutzer nicht zu ermitteln, können Polizei und Staatsanwaltschaft ersatzweise den Inhaber des Anschlusses in Anspruch nehmen. Dabei
ist unerheblich, dass der Betreiber tatsächlich kaum eine Chance hat, den
Rechtsverstoß zu verhindern, da er ihn
meist überhaupt nicht bemerkt.
Eine technische Lösung, mit der sich
die geschilderten Probleme umschiffen
lassen, ist die in manchen Routern beziehungsweise WLAN-Basisstationen
angebotene Funktion „WLAN-Gastzugang“. In dieser Betriebsart erzeugt die
WLAN-Basis ein eigenes Funknetz für
die Nutzung durch die Patienten und
sorgt mit speziell konfigurierten Filterbeziehungsweise Firewall-Funktionen dafür, dass dieses eigenständige WLAN vom restlichen Praxis- oder Krankenhausnetzwerk
getrennt
bleibt. Zudem können die
Filterfunktionen den öffentlich nutzbaren Internetzugang so weit einschränken,
dass der Betreiber vor den größten haftungsrechtlichen Risiken
geschützt wird. Um dies zu erreichen,
lässt sich das WLAN-Gastnetz so konfigurieren, dass die Patienten nur ganz bestimmte Internetfunktionen wie zum
Beispiel E-Mail und Web-Zugriffe nutzen können. Problematische Funktionen wie der Download und Upload aus
Filesharing-Börsen (also Plattformen
zum Tausch von potenziell urheberrechtlich geschützten Medieninhalten
wie Musik oder Filme) werden dagegen
gesperrt.
Sperrfunktion für bedenkliche
Internetangebote
Die Problematik des möglichen Zugriffs
auf verbotene Inhalte im Web lässt sich
auch über konfigurierbare Filter entschärfen, die von den Herstellern in erster Linie mit der Zielsetzung Kinderund Jugendschutz eingebaut wurden.
Denn zu diesem Zweck veröffentlicht die
Bundesprüfstelle für jugendgefährdende
Medien (BPjM) eine schwarze Liste von
bedenklichen Internetangeboten, die
sich auch gut als Grundlage entsprechender Sperrfunktionen verwenden
lässt. Um zu vermeiden, dass diese Liste
mögliche Interessenten überhaupt erst
53
Praxis konkret
auf „interessante“ Fundstellen aufmerksam macht, bleibt ihr Inhalt dabei unsichtbar und wird von der Sperrfunktion
automatisch und im Hintergrund berücksichtigt.
Ein praktisches Beispiel für die Implementierung von Gastzugang und Filter
sind die Router vom Typ „Fritzbox“ des
in Deutschland marktführenden Herstellers AVM aus Berlin. Dieser hat stark
verbesserte Modi für den WLAN-Gastzugang und Inhaltsfi lter erst kürzlich im
Rahmen eines Soft ware-Updates
(FritzOS 6.20) für seine „Fritzboxen“
veröffentlicht. Selbst die Top-Geräte
sind zum einmaligen Anschaff ungspreis
zwischen 180 und 290 € erhältlich.
Router lassen sich auch
zwischenschalten
Router lassen sich entweder zusätzlich
zur bereits installierten Internettechnik
der Praxis oder des Krankenhauses betreiben, wobei sie als „WLAN-AccessPoint“ die vorhandene Internetleitung
IT + online
mit benutzen. Oder sie können bei kleineren Praxen oder Krankenhäusern
auch die komplette Internetversorgung
übernehmen und dann neben dem separat betriebenen Patienten-WLAN
auch Funk- und/oder Festnetzzugänge
zum Datennetz für die ärztlich genutzten PC und Geräte bereitstellen. Dabei
bietet die Betriebssoft ware der AVMRouter weitere für den beschriebenen
Einsatz nützliche Funktionen. So lässt
sich die Verfügbarkeit des Gastzugangs
etwa auf bestimmte Zeiträume einschränken – zum Beispiel die Öff nungszeiten der Praxis, oder um die in einem
Krankenhaus defi nierte Nachtruhe
durchzusetzen.
Zumindest in der Basisausstattung sehr
ähnliche Funktionen bieten auch die
Hersteller anderer WLAN-Router an.
Eventuell kann der in der Praxis oder
im Krankenhaus eingesetzte Router
ebenfalls ein Gastnetz aufbauen – es
lohnt sich also, beim Anbieter nachzuhaken.
E-Health-Gesetz: Heiland oder Teufelskreis
Die Erwartungen der eHealth-Community an das angekündigte
deutsche E-Health-Gesetz sind hoch. Es gäbe viel zu regeln.
arten auf den Heiland – diesen
Eindruck kann bekommen, wer
auf das in Deutschland angekündigte EHealth-Gesetz vertraut und hofft, dass
dieses alle offenen Baustellen für einen
sicheren und schnellen Informationsaustausch etwa zwischen Krankenhäusern und Arztpraxen schaffen wird. Wie
die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte aber leidlich bewiesen
hat, scheinen sich viele Herausforderungen auf dem Papier problemlos lösen zu
lassen. Nur: Die Realität hinkt dem
Wunschdenken immer wieder hinterher.
Das zeigt nicht zuletzt der Knackpunkt
Interoperabilität. Sage und schreibe
mehr als 200 IT-Schnittstellen gibt es
derzeit im Gesundheitswesen. Das allein kann schon das Todesurteil für ein
Telemedizinprojekt bedeuten. Denn:
Wer noch nicht einmal mit einem
potenziellen Mitbehandler kommunizieren und systemübergreifend behand-
54
lungsrelevante Patientendaten austauschen kann, kann auch gleich jeden
telemedizinischen Gedankenansatz begraben.
Sicher kann das E-Health-Gesetz die
rechtlichen Rahmenbedingungen für
den Aufbau einer telemedizingerechten
Telematikinfrastruktur abstecken. Die
Bewährungsprobe muss dann allerdings
wieder in der Praxis erfolgen. Das kann
zu einem circulus vitiosus führen.
Matthias Wallenfels
Schmerzmedizin
2015; 31 (1)
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W
Impressum
Ausgabe 02/15
erscheint am 10. April 2015
Spinalkanalstenose
Der Patient im Fokus
Opioide und Sucht
Was bringen epidurale
Glukokortikoide?
Neues vom Schmerz- und
Palliativtag 2015
Schmerzbehandlung bei
Suchtproblemen
Alle Beiträge aus dieser Zeitschrift
finden Sie auch im Internet unter
www.springermedizin.de/
schmerzmedizin
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Raths / fotolia.com; Elisanth / iStock / Thinkstock
Änderungen vorbehalten
SCHMERZMEDIZIN
Angewandte Schmerztherapie und Palliativmedizin
31. Jahrgang
Organ der Deutschen Gesellschaft für
Schmerzmedizin e.V. (DGS)
www.dgschmerzmedizin.de
Organ der Deutschen Akademie für
Ganzheitliche Schmerztherapie e. V. (DAGST)
www.dagst.de
Organ des Berufsverbands der
Palliativmediziner in Westfalen-Lippe e. V.
www.bv-palliativmediziner.de
Schriftleitung
Oliver Emrich, Ludwigshafen; Johannes
Horlemann, Kevelaer; Klaus H. Längler, Wegberg;
Silvia Maurer, Bad-Bergzabern; Gerhard H. H.
Müller-Schwefe, Göppingen; Michael A. Überall,
Nürnberg;
Ludwig Distler, Saarbrücken; Sven Gottschling,
Homburg/Saar; Johannes Jäger, Homburg/Saar;
Eberhard Albert Lux, Lünen
Beirat
Christoph Baerwald, Leipzig; Ralf Baron, Kiel;
Wolfgang Bartel, Halberstadt; Klaus Borchert,
Greifswald; Burkhart Bromm, Kiel; Thomas Cegla,
Wuppertal; Peter Engeser, Pforzheim; Gideon
Franck, Petersberg; Ingunde Fischer, Halle; Gerd
Geißlinger, Frankfurt am Main; Astrid Gendolla,
Essen; Hartmut Göbel, Kiel; Olaf Günther,
Magdeburg; Winfried Hoerster, Gießen; Hilmar
Hüneburg, Bonn; Uwe Junker, Remscheid; Bruno
Kniesel, Hamburg; Marianne Koch, Tutzing;
Torsten Kupke, Dresden; Michael Küster, Bonn;
Christof Müller-Busch, Berlin; Norbert Schürmann,
Moers; Joachim Nadstawek, Bonn; Hans-Günter
Nobis, Bad Salzuflen; Thomas Nolte, Wiesbaden;
Manfred Oberling, Bad Camberg; Michael
Petermeyer, Diez; Robert F. Schmidt, Würzburg;
Thomas Schindler, Berlin; Günther Schütze,
Iserlohn; Hanne Seemann, St. Leon-Rot; Ralph
Spintge, Lüdenscheid; Matthias Strittmatter,
Merzig; Reinhard Thoma, München; Thomas Tölle,
München; Roland Wörz, Bad Schönborn; Kati
Thieme, Marburg; Hans-Joachim Willenbrink,
Bremen; Walter Zieglgänsberger, München;
Manfred Zimmermann, Schriesheim
Schmerzmedizin
2015; 31 (1)
Redaktion
Doris Berger, Dipl.-Biol. (db; Leitung),
Dr. Kim Jené (hkj),
Sabrina Graß, Dipl.-Biol. (sg, Redaktion)
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