Philosophie des Relationskonzepts und der Geometrischen Algebra

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Philosophie des Relationskonzepts und der Geometrischen Algebra
Philosophie des Relationskonzepts und der Geometrischen Algebra
Draft
©Paul Drechsel 2009
Alles ist Beziehung! Zunächst, weshalb postuliere ich die Relation oder Beziehung als
Voraussetzung allen natürlichen Seins und des Denkens? Die einfache Antwort - ebenfalls
relational: Weil es nichts gibt, was nicht in irgendeiner Beziehung steht; denn selbst das, was
nicht in einer Beziehung steht, ist eine Beziehung. Wenn aber auch die Nicht-Beziehung als
Beziehung vorliegt, ist die Beziehung selbst antinomisch konstituiert, denn die ist dann auch
das, was sie nicht ist. Das erinnert an die Russelsche Antinomie in der Mengenlehre, an die
Allmenge, die sich als Element enthält, wenn sie sich nicht enthält. Dies lässt sich auch anders
formulieren: Eine Relation R in allgemeinster Form aRb verbindet die Relata a und b, indem
sie sie zugleich trennt. Das sollte evident sein, denn R ist nicht identisch mit den Relata a und
b und vice versa; dennoch bezieht R beide Relata, ja macht deren Beziehung gerade erst aus;
hat also mit beiden Relata auch etwas zu tun, d.h. kann nicht völlig von a und b getrennt sein;
darf jedoch auch nicht mit beiden identisch zusammenfallen! Und es dreht sich der endlose
antinomische Kreis...Philosophisch gesehen hat die Relation aRb eine intrinsische konträre
Doppelbedeutung. Sie kann als Antinomie erscheinen, muss es aber nicht unbedingt.
Derartige konträre relationale Doppelbedeutungen sind nicht ungewöhnlich. Z. B. hat das
englische Verb to cleave dieselbe konträre Doppelbedeutung von verbinden und trennen, ohne
dass dies bisher einem Engländer oder einer Engländerin als problematisch aufgefallen wäre.
Nur das Substantiv cleavage könnte unter Umständen Probleme verursachen, denn es
verweist auf das Dekolleté einer Frau - honi soit qui mal y pense!
Spricht man nun statt verbinde' von Innen und statt trennen von Außen, so lässt sich die
Relation aRb als konträres oder antinomisches Produkt von Innen x Außen darstellen:
aRb: Innen x Außen oder InnenAußen
Das erinnert an Heraklit, der einmal formulierte: Gott ist TagNacht! Wer denkt, nun gehe eine
Welt unter, hat nicht mit der elementaren Geometrie gerechnet. Geometrisch entspricht dieses
Produkt von Innen x Außen als Relation z.B. einer Linie R zwischen zwei Punkten a und b.
Übersetzt: Das Außen zweier Punkte a und b ist die Linie R; die Linie R ist das Innen der
Punkte a und b! Das lässt sich iterativ in eine n- dimensionale Ordnung fortschreiben, in der
sogar die Grundregeln der bekannten aristotelischen oder booleschen Logik enthalten sind!ich komme darauf zurück.
Im Reich der traditionellen Relationenlogik - oder Logik der Relation -, ebenso der
Mathematik, spricht man nicht in dieser Weise; und denkt auch nicht in dieser Weise. Hier
denkt man die Relation funktionenlogisch im Sinne von
b = R(a); oder y = f(x)
und ihren Verkettungsmöglichkeiten, etwa einer transitiven Relation:
aRb und bRc → aRc
Das ist gewiss nicht falsch, philosophisch gesehen verschleiert es jedoch die konträre
Grundbedeutung der Relation als Synopse von Innen und Außen. Dieser Funktionalismus
verweist allerdings auf einen fundamentalen Grundaspekt der Relationenontologie.
Es gibt ein bisher leider noch zu wenig bekanntes mathematisches Modell, welches die
Kontrarität der Relation aRb als Synopse von Innen und Außen explizit beinhaltet. Es handelt
sich um die geometrische Algebra, und hierbei um das geometrische Produkt ab:
ab = a.b + a^b
a.b stellt das sog. Innere Produkt, a^b das sog. Äußere Produkt dar. William Kingdom
Clifford hat dieses geometrische Produkt im 19. Jhdt., aufbauend auf Vorarbeiten von
Hermann Günther Grassmann und William Rowan Hamilton, erfunden. Es geriet
anschließend wieder in Vergessenheit. Der amerikanische Physiker David Hestenes hat es
Mitte des letzten Jahrhunderts erneut aufgegriffen und seit 1960 quasi im Alleingang daraus
die geometrische Algebra entwickelt. Mittlerweile wird sie in Physik und Informatik
punktuell angewendet - siehe hierzu den Menüpunkt Quantentheorie.
Als ich mit dieser geometrischen Algebra Bekanntschaft machte, bin ich zunächst davon
ausgegangen, das geometrische Produkt als eine philosophische Ausdrucksform der
Kontrarität der Relation aRb in folgender Weise aufzufassen:
aRb:Innen x Außen → ab = a.b + a^b
Das ist jedoch relationslogisch und philosophisch gesehen inadäquat. Die mathematisch als
inneres Produkt a.b bezeichnete Größe misst nämlich genau genommen nur das
Außenverhältnis zweier Entitäten/Relata a und b - hier als Vektoren verstanden - welches sich
etwa im Kosinus von deren Winkel, oder was das gleiche ist, als Korrelationsverhältnis
artikuliert. Ko-Relation der Relata/Vektoren a und b nennt man das! Umgekehrt hierzu wird
mit dem äußeren Produkt a^b der Flächeninhalt erfasst, der von den beiden Relata/Vektoren a
und b aufgespannt wird. Hierin verschwinden die beiden Vektoren/Relata a und b, d.h. sie
gehen im Innenverhältnis dieser Fläche auf! Leider hat sich die mathematische Terminologie
entwickelt, wie sie sich eben historisch entwickelt hat; auch das war wohl einmal gut
begründet. Philosophisch im Sinne der Logik des Relationskonzepts aRb sollte man die
Terminologie jedoch gerade umgekehrt verstehen lernen. Die mathematische Schreibweise ist
allerdings nicht völlig inadäquat, da in der vom geometrischen Produkt induzierten
Dimensionsordnung ein Dualitätsprinzip waltet, welches ich schon angesprochen habe.
Hierbei werden auch die Inhalte von Innen und Außen vertauscht. Wenn man das weiß und
mitdenkt, kann man philosophisch auch mit der mathematischen Ausdrucksweise leben.
Damit ist schon die Grundphilosophie und Grundlogik einer mathesis universalis definiert. Es
ist jedoch nicht üblich, das geometrische Produkt ab als Repräsentant der konträren Logik der
Standardrelation aRb zu verstehen. Doch das soll uns nicht hindern, es philosophisch genau so
zu verstehen. Bevor ich jedoch im Folgenden noch ausführlicher auf die Logik des
geometrischen Produkts eingehe, zum besseren Verständnis noch einige historische
Hintergründe zum Relationskonzept, welche zum geometrischen Produkt geführt haben.
Zur Philosophiegeschichte oder einer Logik-/Mathematikgeschichte des Relationskonzepts
wird man kaum fündig werden. Die Publikationen zum Thema lassen sich an einer, maximal
an zwei Händen abzählen - und das seit den Zeiten der antiken griechischen Philosophie,
Logik und Mathematik! Trotzdem sie als universale Bedingung vorauszusetzen ist, scheint die
Beziehung den Menschen kaum in den Kopf gehen zu wollen; sie bevorzugt stattdessen
geistige und reale Klötzchen, d.h. Substanzen als Elemente und Mengen, die für sich
möglichst eindeutig sind: Tertium non datur. Auf diesem Prinzip aufbauend kann man mit
Elementen und Substanzen schöne Pyramiden erbauen, real und im Kopf.
In die Mitte des letzten Jahrhunderts präsentierte Dieter Leisegang gleichsam wie Phönix aus
der Asche in seinem Werk: Die drei Potenzen der Relation (1968) die konträre Logik der
Relation und machte daraus die Relationen erster Potenz als Außen-Beziehung, zweiter
Potenz als Innen-Beziehung und dritter Potenzen als AußenInnen-Beziehung. Er wieß nach,
dass die Relation aRb, einseitig im Sinne der 1. Potenz oder der 2. Potenz gedeutet, jeweils zu
Aporien führt. Im Sinne der Außen-Deutung führt sie zu der Aporie eines unendlichen
Substanzenaggregat der Relata a, b, c…ad infinitum, welches das Beziehungsvermögen R
vernichtet, und im Sinne der Innen-Deutung zu der Aporie einer panrelationistischen leeren
Allmenge R, die die Relata a, b, c,…ad infinitum vernichtet. Einmal also gigantische
Substantialität, ein andermal eine gigantische Leere ohne jede Suzbstanzialität. Die Relation
dritter Potenz erscheint als Antinomie oder Synopse von Innen und Außen mit ihren Aporien
1. und 2. Potenz. Dennoch, wie schon aus dem geometrischen Produkt ab herleitbar,
entwickelte Leisegang aus dem Zusammenspiel von Relation 1. Potenz und Relation 2.
Potenz in Orientierung auf die Relation 3. Potenz eine n-Dimensionsordnung, analog einer ndimensionalen Geometrie.
Leisegangs Relationsphilosophie erscheint wie ein erratischer Geniestreich zum Ende des
zweiten Jahrtausend, dennoch vollendete er eine Geschichte vom Wechsel der
Substanzenontologie in die Beziehungsontologie der Neuzeit. Diese Geschichte des
Relationskonzepts hat der Philosoph Heinrich Rombach in seinem zweibändigen Werk:
Substanz, System, Struktur. Die Ontologie des Funktionalismus und der philosophische
Hintergrund der modernen Wissenschaft. (1965/1966) ausführlich dargelegt. Sie begann mit
Nikolaus von Kusa, der im ausgehenden Mittelalter im Anschluss an die Scholastik und ihrer
hierarchischen Klötzchen-Ontologie - genannt: Substanzenontologie - die Moderne mit Hilfe
einer Beziehungsontologie eingeläutet hatte. Um zu artikulieren, was damit anstand, sprach er
gelegentlich in Rätseln, etwa derart: Der Mond ist in der Sonne Sonne und die Sonne ist im
Mond Mond. Übersetzt: Alles ist Eines als Verbindungs-Eines, gerade wenn es getrennt ist,
also K-eines ist. Der Mond ist getrennt nicht die Sonne, doch mit der Sonne verbunden in der
Sonne Sonne. Also ist der Mond Sonne gerade wenn er nicht Sonne ist; und vice versa.
Trennung ist, wie wir gesehen haben, auch Verbindung! Hierbei erscheint eine Ontologie des
Nichts, welches auch Alles sein kann. Diese konträre Gemengelage von Innen und Außen
bezeichnete Nikoluas von Kusa mit coincidentia oppositorum. Nur als schmückende Beigabe:
Der schon erwähnte amerikanische Philosoph Ralph Waldo Emerson sprach im 19. Jhdt. im
Sinne von Nikolaus von Kusa von einem transparent eyeball...”I become a transparent
eyeball - I am nothing; I see all; the currents of the Universal Being...” Man macht sich oft
darüber lustig, doch man sollte stattdessen weinen über die eigene substanzenontologische
Einfalt. Denn was sagt Emerson anders als: Ich bin als vernunftbegabtes Wesen Universum
wie dieses Universum in mir Nichts ist, weil ich zugleich Mensch bin: Verbinden + Trennen;
Innen + Außen!
Der Philosoph und Mathematiker Rene Descartes übernahm die relationale Ontologie des
Nikolaus von Kusa und sprach von einer res intensa und res extensa, also dem Innen und
Außen. In seiner Regulae entwickelte er eine funktionale Dimensionsordnung basierend auf
den drei Momenten: Extension, Extensivität und Dimension. Im Zusammenhang mit dem
ebenfalls von ihm konzipierten kartesischen Koordinatensystem lässt sich daraus eine ndimensionale Ordnung entwickeln, und zwar auf folgende iterative Art und Weise, die ich
zuvor schon angedeutet habe:




Das Außen zweier Punkte als 0-Dimensionalitäten ist die Linie als deren Innen oder
1-Dimension;
Das Außen zweier Linien als 1-Dimensionalitäten ist die Fläche als deren Innen oder
2-Dimension;
Das Außen zweier Flächen als 2-Dimensionalitäten ist der Raum als deren Innen oder
3-Dimension.
Allgemein: Das Außen zweier n-Dimensionalitäten ist die n+1-Dimension als deren
Innen.
Die Kontrarität erscheint erneut u.a. geometrisch in der Dualität: Punkte sind Linien - Linien
sind Punkte, sowie in der Komplementarität der Unterräume der n-Dimensionsordnung. In der
entsprechenden booleschen oder aristotelischen Logik, wobei Begriffe oder Aussagen
Unterräumen entsprechen, erscheint dies als Negationsverhältnis von Komplementen. Also:
Kontrarität führt zu Komplementarität und dies zu logischen Negationsverhältnissen. Dies
wird weiter unten im Zusammenhang mit der Imaginarität wieder relevant.
Der von Heinrich Rombach analysierte relationale Funktionalismus, wobei ein Sein nicht
länger in sich, sondern im Anderen, nämlich einem y der Relation ... y = f(x) erscheint,
artikulierte sich in der Neuzeit in den Superkategorien des Systems und der Struktur.
Systemdenken und Systemtheorie ist immer noch en vogue, nur der Strukturalismus scheint
etwas nachgelassen zu haben. Was hat es damit auf sich?
Systeme als Dimensionsgebilde beruhen auf Sollwerten oder einer Control als deren
Identitätsvorgaben. Systeme können nur funktionieren, indem sie ihren Sollwert (Identität)
erhalten - auch in Schwankungsbereichen - ansonsten können sie nur kaputt gehen. D.h.
Systeme sind nicht in der Lage, ihre Identitäten gegenüber Störungen auf Dauer auszutarieren.
Das ist das Ende jedes Systems: Es geht kaputt. Das gilt auch für die jeweilige
Systemphilosophie. Die bessere Philosophie ist eine jenseits dieser identitätsstiftenden
Systemlogik, die von Rombach Strukturphilosophie genannt wird. Man kann darüber streiten,
ob dies eine passende Bezeichnung ist, doch es muss etwas jenseits der Identitätslogik des
Systems geben. Strukturphilosophie ist eine Philosophie der konträren Synopse der Identität
und Nicht-Identität. Der Soziologe Niklas Luhmann hat diesen Strukturtyp als
autopoietisches System bezeichnet. Es generiert seine Elemente und deren Beziehungen
sowie seine Identität - seinen Sollwert - aus seinen Beziehungen und Elementen selbst.
Strukturen sind deshalb hermetisch. Wer es nicht glaubt dass es derartiges gibt möge seinen
eigenen Kopf als Beispiel nehmen. Die Wissenschaft der Neurologie lehrt uns, dass das
Gehirn genau derart hermetisch operiert. Wir können niemandem von Außen in den Kopf
schauen und der Kopf, d.h. die Kognition, schafft sich die Welt selbst, in der er/sie lebt, ohne
Außenbezug. Das ist hermetisch. Wie formulierte es der Systemtheoretiker Heinz von
Foerster? Die Natur schreibt sich durch die Kognition des Menschen ihre Gesetze der Physik
und Biologie selbst! Hermetischer geht es nicht mehr!
Wie lassen sich nun aber System und Struktur in die Logik und Philosophie der
geometrischen Algebra einbinden? Man kann, wie es vielleicht naheliegen würde, wegen der
Systemidentität dem System nicht einfach den Aspekt des Innen und der Struktur darüber
hinausgehend die Kontrarität des Innen und Außen zusprechen. Ich schlage an dieser Stelle
etwas vor, was ich erst an anderer Stelle ausführlicher begründen kann. Die Identitätslogik des
Systems beruht wie die klassische Physik auf einem additiven Objekt-/Partikelraum, die
grundsätzlich separiert sind. Additive Separation ist die Grundontologie des Systemkonzepts,
also das Außen dominiert. Dialektisch gesprochen: Ein Innen, d.h. eine Identität, wird ihnen
von Außen vorgegeben. Sie können sich nicht selbst ihre Identität vorgeben. Systeme sind
deshalb Feedback-Systeme analog einem Heizungssystem mit Regler und Sollwert. Das
Modell der Uhr als Prototyp des Universums ist der Archetyp des Systems, mit dem
Uhrmachermeister als dem Sollwertgeber. Struktur beruht demgegenüber auf einem
multiplikativen Ereignisraum, wie er z.B. in der Quantenphysik vorliegt. Mathematisch
erscheint dies explizit in den sog. Korrespondenzregeln für Ort und Impuls. Objekte/Partikel
werden hierbei mit Hilfe der Operatoren in unendlich relationale Ereignisse transformiert.1
Sie erscheinen deshalb als unendliche WellenPartikel oder PartikelWellen. Nicht die
Separation, sondern die Superposition von allem und jedem ist ihre Grundontologie; man hat
es also mit so etwas wie einem Panrelationismus zu tun. Beruht das System auf der Separation
von Innen und Außen, beruht die Struktur auf der Superposition und damit der Kontrarität von
Innen und Außen.2 Das hat Auswirkungen auf die jeweilige Logik. Basiert die Systemlogik
auf dem Prinzip des tertium non datur - ein Drittes gibt es nicht -, basiert die Strukturlogik horribel dictu - zusätzlich auch auf einem Prinzip des tertium datur - es gibt ein Drittes!
1
Diese Operatoren und die fundamentale Schrödinger Wellengleichung der Quantentheorie sind imaginär und
enthalten den Faktor i , d.h. die imaginäre Einheit i und Planck’s Konstante. Ich komme darauf weiter unten
zurück.
2
Ein schönes Beispiel hierfür ist Schrödingers Katze, die so tot wie lebendig ist.
Damit wieder zurück zum geometrischen Produkt und seine Philosophie und Logik. Das
Problem ist das konträre Relationskonzept, die coincidentia oppositorum. Es erhebt sich die
Frage, soll man sie als Vorausetzung oder als Folge des Innen/Außen-Verhältnisses verstehen?
Ich plädiere für Voraussetzung. Die Welt ist antinomisch oder konträr konstituiert und wir oder die Natur - schaffen darin Ordnungen, seien es diejenigen des Systems oder diejenigen
der Struktur. Das grundlegende Voraussetzungssystem ist hierbei das konträre
Relationskonzept aRb. Das sollte in das geometrische Produkt einfließen, etwa in folgender
Art und Weise:
aRb → coincidentia oppositorum = Außen + Innen -> ab
Hierbei sollte man die weiter oben angesprochene philosophische Umkehrung der
mathematischen Terminologie beachten! Der Physiker Martin Erik Horn hatte hierzu einen
genialen Einfall. Er schrieb ein Märchenbuch zur geometrischen Algebra Grass, Mann3 für
Kinder und Erwachsene und ordnete im geometrischen Produkt das innere Produkt einem
Engelchen und das äußere Produkt einem Teufelchen zu, also derart:
aRb → coincidentia oppositorum → ab = Engelchen + Teufelchen
Hierbei kommt der antinomische Zusammenfall der Gegensätze von Innen und Außen in den
märchenhaften Personifikationen eines Engelchen und Teufelchen im geometrischen Produkt
ab sehr schön zum Ausdruck. Man kann im Reich der lauteren Geister auch für etwas
Aufregung sorgen, speziell durch die folgende Setzung. Das äußere Produkt ist im
Unterschied zum inneren Produkt auch anti-symmetrisch. Also gilt:
aRb → conindicentia oppositorum → ab = symmetrisch + antisymmetrisch
oder:
aRb → conindicentia oppositorum → ab = kommutativ + anti-kommutativ
Hierbei ist die Logik nicht weit entfernt, weshalb auch gilt:
aRb → conindicentia oppositorum → ab = tertium non datur + tertium datur
Das trifft die wohlgeordnete Welt der traditionellen oder booleschen Logik des ‚schwarz vs.
Weiß‘ ins Mark, weshalb nun Holz gesammelt werden darf. Auch hierfür kann man wieder
den amerikanischen Pragmatisten Emerson zitieren: „A foolish consistency is the hobgoblin of
little minds, adored by little statesmen and philosophers and divines...“ Ja nun, ich rede von
der geometrischen Algebra als Philosophie und Logik! Doch meine These: Die antinomische
Kontrarität artikuliert sich im geometrischen Produkt ab, ohne dass es überhaupt auffällt, d.h.
kognitiv relevant wird. Trotzdessen, wenn es derart relevant sein sollte wie ich behaupte,
müsste es auch logisch oder mathematisch in Erscheinung treten. Das tut es auch, und nun
begehe ich wohl eine Todsünde, denn ich hole hierfür die Imaginarität aus der Mottenkiste, in
der sie laut einhelliger Meinung aller Logiker, Mathematiker und Physiker eigentlich
3
Siehe: http://www.physik-coaching.de/grassmann-algebra/grass0102_access=open.pdf
verschwinden sollte. Eines meiner Argumente: Das geometrische Produkt ab läßt sich als
komplexe Zahl darstellen, die es ohne Imaginarität gar nicht gäbe:
ab = a.b + a^b = |a||b|cos(x) + I|a||b|sin(x)
Man beachte hierbei das fette I. Im Kalkül der geometrischen Algebra wird es als
Pseudoskalar bezeichnet. Sein Quadrat bildet aber, wie das gewöhnliche imaginäre i der
komplexen Zahlen, ein −1; also ein MINUS - und kein Plus! D.h. es gibt etwas, was in
X x X = MINUS - und NICHT PLUS resultiert. Dieses X ist die Leestelle, die es zu füllen gilt.
Der Pseudoskalar und das imaginäre i sind nicht identisch, doch sie haben isomorphe
Eigenschaften. Am schönsten artikuliert sich dies in der Eulerformel
ab  a b e I 
mit
eI   cos   I sin 
Dies gilt für i wie für I. Diese Euler-Formel hat der Physiker und Nobelpreisträger Richard
Feynman ein Juwel der Physik genannt.
Philosophisch gesehen ist es wohl nachvollziehbar, dass wenn die Relation aRb die Synopse
von Innen und Außen beinhaltet, eine antinomische Kontrarität von Innen und Außen
notwendigerweise vorliegen muss und deshalb zum Ausdruck gelangen sollte. Mathematisch
erscheint es als Imaginarität - oder - ich erlaube mir diesen Neologismus - Pseudoskalarizität.
Man könnte dies der formalen Relation aRb folgendermaßen hinzufügen:
i(aRb)
mit i als Symbol für Imaginarität.
Mathematisch versteht man darunter die Wurzel aus Minus   . Das ist wohl etwas, was das
Vorstellungsvermögen der meisten Menschen übersteigt. Es gibt auch nur ganz wenige
Physiker und Mathematiker, die diese Imaginarität i zu schätzen wissen. Eine herausragende
Ausnahme ist der amerikanische Mathematiker Louis H. Kauffman4. Es erhebt sich natürlich
die Frage, was man sich unter einer Wurzel aus Minus vorstellen soll? Es ist allerdings noch
gar nicht so lange her, da wusste man logisch, mathematisch und philosophisch noch nicht
einmal mit einem ‚Minus‘ etwas anzufangen. Man kann insofern nachvollziehen, dass das
normale Vorstellungsvermögen angesichts einer ‚Wurzel aus Minus‘ vollends versagt. Um
dieses ‚Teufelszeugs‘ - es passt so gut zu dem oben erwähnten ‚Teufelschen‘ - kurz zu
erläutern:
Den arithmetischen Operator Minus kann man als das algebraische Pendant des logischen
Operators Nicht verstehen. ‚Nicht‘ in der traditionellen Logik artikuliert die
Komplementarität, die, wie ich weiter oben angedeutet habe, aufs innigste mit der Dualität der
Dimensionsordnung zusammenhängt und dort als Komplementarität von Unterräumen
4
Siehe: http://www.math.uic.edu/~kauffman/
erscheint. In der Booleschen Algebra und Logik gibt es keine Multiplikation, die ein Minus
ergibt. Minus x Minus ist immer ein Plus. Nein x Nein ist immer ein Ja. Das Minus lässt sich
nun sowohl als Vorzeichen als auch als Operator verstehen. Als Operator führt es z.B. ein
Plus in ein Minus und ein Minus in ein Plus über. Wenn nun solch eine Multiplikation in
einem Vorzeichen-Minus resultiert, muss der Minusoperator eine Eigenschaft besitzen, die
ihm dies ermöglicht. Bezeichnet man diese Eigenschaft mit i, resultiert aus der Multiplikation
oder dem Quadrat von i x i = i 2  MINUS . Rein algebraisch kann diese Eigenschaft i des
Minus-Operators nur in der Wurzel aus −1 oder MINUS   MINUS bestehen. Wer meint,
der Geist des Autors habe nun Kapriolen geschlagen sollte sich belehren lassen, dass z.B. die
Logik des Quantencomputers eine Wurzel aus Not = NOT kennt.
Ein Wort zum Interpretationsfrieden: Es muss sich niemand über eine Wurzel aus Minus
Gedanken machen, sowenig wie sich jemand über das Hilfverb sein Gedanken machen muss.
Doch wie aus letzterem die okzidentale Philosophie entstehen konnte, die die Natur bisher nur
boolesch versteht, so könnte vielleicht aus einer Wurzel aus Minus oder Not ein besseres
philosophisches Verständnis der Ordnung der Natur entstehen. Die Frage nach dem Sinn der
Wurzel aus Minus als Unsinn abzutun ist billig. Dann dürfte man nur noch philosophisch
hinterfragen, was irgendjemand erlaubt, ohne begründen zu müssen, weshalb dies und nicht
das. Und sollte diese Frage niemanden interessieren, dann interessiert sie eben niemanden,
was aber auch kein Kriterium für eine philosophische Ergründung dieser Fragestellungen ist.
Derart schließt sich nun der Kreis der Grundlagen einer mathesis universalis, die ich in ihrer
Grundstruktur in der geometrischen Algebra verwirklicht sehe. Die Imaginarität gehört
meines Erachtens fundamental dazu, auch wenn das gewöhnlich anders verstanden wird.
Genau genommen ist sie nämlich schon in den Basiselementen des geometrischen Produkts
vorhanden, weshalb ich dies umforme und auf folgende konträre Relation i(aRb) zurückführe
i(aRb) = a +ib
a+ib ist die Grundform einer komplexen Zahl, auch in der geometrischen Algebra.
Erstaunlicherweise sind auch die Vertreter der geometrischen Algebra der Überzeugung, der
Imaginarität i endgültig den Garaus gemacht zu haben. Was soll man dazu sagen? Gar nichts
und einfach den imaginären Geist aus der Flasche lassen...er ist nämlich im elementarsten
Kern der geometrischen Algebra vorhanden, den Basisvektoren, die als Pauli-Matrizen
vorliegen, die eindeutig dem komplexen Zahlenkörper als 2-stellige Matrix und damit der
Imaginarität zugehören! Es ist dazu noch mehr zu sagen. Das Produkt dieser drei
Paulivektoren als Basisvektoren des 3-dimensionalen Raums unserer euklidischen Lebenswelt
ist isomorph zur Imaginarität i, und dies wiederum isomorph zu den vier Diracmatrizen als
Basisvektoren des 4-dimensionalen Einstein-Minkowskiraums der Speziellen
Relatitivitätstheorie.
123  i   0 1 2  3
 0 ist die Zeitdimension der Einsteinschen 4-dim RaumZeit. Über das Relationskonzept in der
Erscheinungsform der geometrischen Algebra lässt sich demnach der Raum der euklidischen
Lebenswelt mit der relativistischen RaumZeit in Beziehung bringen. Beides basiert auf
quantischer Imaginarität. Doch darüber mehr in einem folgenden Beitrag.
Um zu einem Abschluss zu kommen. Mythologisch-philosophisch - was immer das sein mag
- lassen sich die beiden Welten des Systems und der Struktur auch mit den Figuren des Apollo
und des Hermes der griechischen Mythologie umschreiben. Apollo als die Lichtgestalt des
Tages, der Ordnung des Geistes und des tertium non datur, aber auch der systemischen
Herrschaft. Hermes dagegen als der Gott der Händler und Diebe, von TagNacht, der Schalk
der Zwischenwelten des tertium datur, und Agens der Anti-Herrschaft. Heinrich Rombach hat
ihm in seinem Buch Welt und Gegenwelt(1983) ein Denkmal gesetzt. In der Gestalt des
Dionysos gefällt er mir am besten. Doch erst Apollo und Hermes zusammen bilden unsere
Wirklichkeit, und das könnte als das mytholgische Pendant zum geometrischen Produkt ab
artikuliert werden:
ab = Apollo + Hermes