G 7 einigt sich auf ehrgeiziges Klimaziel - ePaper
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D I E N STAG , 7 . J U L I 2 0 1 5 KU N D E N S E R V I C E 0 8 0 0 / 9 3 5 8 5 3 7 D 2,30 E URO Zippert zappt KOMMENTARE I THEMEN Deutschlands neue Macht Was für ein Abgang. Finanzminister Janis Varoufakis fährt mit seiner Frau Danae Stratou davon. Er trägt Helm, sie Sonnenbrille Griechische Wirtschaft steht vor dem Kollaps Banken bleiben noch mehrere Tage geschlossen. Merkel und Hollande fordern Vorschläge aus Athen. Finanzminister Varoufakis tritt zurück MARTIN GREIVE UND SEBASTIAN JOST AUS ALLER WELT Ein cooler Kiffer gründet seine eigene Kirche, und die Polizei ist machtlos Seite 23 WIRTSCHAFT Neue Streiks bei der Lufthansa drohen Seite 9 WISSEN Mäusemännchen täuschen Forscher Seite 20 FEUILLETON 2000 Menschen entscheiden über das kulturelle Welterbe N ach dem Referendum verschärft sich die Lage der griechischen Wirtschaft. Die Banken des Landes bleiben zumindest noch heute und morgen geschlossen. Das teilte der griechische Bankenverband mit. Weiterhin dürfen täglich maximal 60 Euro an Geldautomaten abgehoben werden. „Sollten die Banken länger nicht öffnen, droht der griechischen Wirtschaft ein Einbruch von fünf Prozent in diesem Quartal“, sagte der Chefvolkswirt der Berenberg Bank, Holger Schmieding, der „Welt“. Bereits seit vergangener Woche haben die Finanzhäuser in Griechenland den Betrieb nahezu eingestellt. Trotz der ständig prekärer werdenden Lage lehnte die Bundesregierung nach dem „Nein“ der Griechen zum Sparpaket der Gläubiger sofortige Gespräche über ein neues Hilfsprogramm ab. Angesichts des Ergebnisses der Volksabstimmung „gibt es zurzeit nicht die Voraussetzungen, um in Verhandlungen über ein neues Hilfsprogramm einzutreten“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Griechenlands Premier Alexis Tsipras sprachen am Telefon über die Lage. Merkel traf sich noch am Montag- DAX vielleicht helfen, eine Vereinbarung mit den Geldgebern zu erreichen, erklärte Varoufakis. Er galt im Kreise der Euro-Finanzminister als isoliert. Sein Nachfolger wird Euklid Tsakalotos, der zuletzt Chefunterhändler in den Gesprächen mit den Gläubigern war. Tsakalotos sollte noch am Montag vereidigt werden. Die Regierung in Athen hatte offenbar darauf gesetzt, durch die Volksabstimmung die europäischen Partner so unter Druck zu setzen, dass diese günstigeren Konditionen für Griechenland zustimmen würden. Die Fronten blieben vor dem Gipfel am Dienstag aber verhärtet. Den von Griechenlands Regierungschef Tsipras geforderten Schuldenschnitt lehne Berlin weiter strikt ab, sagte ein Sprecher von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Die Opposition forderte die Bundesregierung auf, sich für die rasche Aufnahme von Verhandlungen mit Athen einzusetzen. Linke-Parteichefin Katja Kipping brachte zudem den Einsatz eines Schlichters und die Einberufung einer Schuldenkonferenz ins Spiel. Die Grünen-Fraktionschefs Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter warnten vor einem Auseinanderbrechen der Euro-Zone und forderten „die Bereitschaft zu einem fairen Kompromiss von allen Seiten“. SÖDER FÜR EINEN „EHRLICHEN GREXIT“ Bayerns Finanzminister Markus Söder dringt darauf, dass Griechenland nach dem ablehnenden Referendum die Euro-Zone verlässt. „Griechenland will unser Modell nicht. Griechenland will Geld ohne Reformen“, sagte der CSU-Politiker der „Welt“. „Ich bin der Meinung, der Grexit wäre der fairste und ehrlichste Weg.“ Danach könne sich das Verhältnis zwischen Griechenland und dem Rest Europas wieder normalisieren. „Europa wird auch nach einem Grexit weiter funktionieren und bestehen“, betonte Söder. Siehe Kommentare, Seiten 4 bis 6 und 13 DAX #JeResteCharlie Im Minus Junge Reporter entwickeln internationales Digitalprojekt zur Meinungsfreiheit EURO DOW Xetra-Schluss EZB-Kurs 17.40 Uhr 10.890,63 1,1008 17.677,03 –1,52% –0,79% –0,30% Punkte abend in Paris mit Frankreichs Präsident François Hollande. Nach dem Treffen forderte sie die griechische Regierung auf, umgehend einen Lösungsvorschlag für die Schuldenkrise vorzulegen. Es sei wichtig, die Situation noch diese Woche aufzulösen. Hollande sagte: „Es gibt nicht mehr viel Zeit“. Das Land brauche langfristige Lösungen. Am Morgen war Griechenlands Finanzminister Janis Varoufakis zurückgetreten. Sein Schritt könne Regierungschef Tsipras US-$ Punkte ANZEIGE Schneller als der Schall „SR-71 Blackbird – Der schnellste Jet der Welt“ Heute um 20.05 Uhr Diskutieren Sie mit uns auf Facebook: facebook.com/welt Wir twittern live aus dem Newsroom: E s gab eine Schießerei in Paris – in den Redaktionsräumen des Satiremagazins „Charlie Hebdo“. Das war das Erste, was die Welt am 7. Januar erfuhr. Einige der Redakteure hätten nicht überlebt, hieß es. Schnell wurde davon gesprochen, dass die Täter einen islamistischen Hintergrund gehabt und dass sie Anstoß an den Mohammed-Karikaturen genommen hätten, die das Blatt druckte. Zeichnungen der bekanntesten Karikaturisten Frankreichs. Dann: eine bis dahin nicht gekannte Welle der Anteilnahme. „Je suis Charlie", das war ein Moment des kollektiven Zusammenstehens. Weltweit. Doch inzwischen ist die Welle abgeebbt, die Solidarität verblasst. Was bleibt, sind oft nur Angst und vorauseilende Selbstzensur. Heute, exakt sechs Monate nach dem Massaker, erscheint das internationale Dokumentationsprojekt „Je reste Charlie“ – eine dreisprachige Video-Website über religiös begründeten Terror. Entwickelt von 19 jungen Reportern der Axel Springer Akademie, die Journalistenschule und Thinktank des Verlags ist. Auf www.jerestecharlie.eu schildern sie, wie Menschen auf der ganzen Welt nach einem Anschlag nicht aufgehört haben, für ihre Sache einzustehen und gegen den Terror anzugehen. Dafür haben sie in London, Madrid, Oslo, New York, Belfast und Jerusalem recherchiert. Und natürlich in Paris. Im Mittelpunkt der Website steht ein bewegender Dokumentarfilm: Redaktionsmitglieder von „Charlie Hebdo“, Angehörige der Ermordeten und andere Betroffene erzählen teils zum ersten Mal, wie sie nach dem Attentat weiterleben und wie der Terroranschlag sie selbst und die französische Gesellschaft verändert hat. „Mit diesem Projekt möchten wir zeigen, wie wichtig es ist, sich im Kampf um das höchste Gut, das wir haben – die Meinungsfreiheit – nicht einschüchtern zu lassen, sondern mutig zu bleiben“, sagt Marc Thomas Spahl, der Direktor der Akademie. Die Botschaft ist klar: Bleibt Charlie! Seite 2 twitter.com/welt „Die Welt“ digital Lesen Sie „Die Welt“ digital auf allen Kanälen – mit der „Welt“-App auf dem Smartphone oder Tablet. Attraktive Angebote finden Sie auf welt.de/digital oder auch mit den neuesten Tablets auf welt.de/bundle Athens vergeblicher Heroismus ie Dinge auf die wohlgesinnt, im Osten TO R ST E N Spitze treiben und wächst die Türkei zum K R AU E L die Entscheidung Koloss heran, und im über das Entweder-oder Südosten formt sich eine durch eine Volksabstimmung zum Vo- islamistische Bedrohung. tum über Griechenlands Souveränität Und darum hat Griechenland eine überhöhen – das gehört seit bald 200 starke Armee, aber kein Katasteramt. Jahren zum griechischen Politikstil. Die Republik ist ein Schutzraum, kein Und wie es das tut, gerade mit Blick auf Verwaltungshebel. Athen fühlt sich als Europa! Dieses Land hat ja nach 1789 einsamer souveräner Vorposten, immer die erste und lange Zeit einzige erfolg- wieder in zwei feindliche Lager geteilt, reiche Revolution des Kontinents voll- Inselkoller eben; und Syriza hat mit bracht, es warf die türkische Herrschaft dem Referendum nun wieder den ganab und brachte so den rückwärtsge- zen hitzigen Abwehrstolz demonstriert, wandten Status quo des Wiener Kon- der daraus entsteht. Das Votum mag im gresses ins Wanken. Dieses Land ent- griechischen Empfinden aussehen wie schied aus seiner Sicht den Zweiten die vielen anderen, in denen die GrieWeltkrieg mit, indem es 1941 Mussoli- chen beschlossen, welcher europäische nis Überfall zurückschlug und Hitler Adlige ihr Monarch sein sollte. Aber die erst nach Süden zwang statt gleich EU ist keine Monarchie, und die Euronach Osten. Dieses Land kämpfte im Zone ist kein Wohlfahrtsamt. Sie ist ein griechischen Bürgerkrieg so hartnäckig fiskalischer Staatenbund, mit gemeingegen die Kommunisten, dass auch sei- samen volkswirtschaftlichen Pflichten. netwegen Harry Truman den MarshallDas ist neu für Griechenland. Mit plan und die Nato schuf. seinem Stolz und seinem Inselkoller Das kleine Land empfindet sich in hat es sich in die Euro-Zone gedrängt, der Erinnerung an Hellas und Byzanz und mit ihr kollidiert nun dieses ganze überhaupt nicht als klein; lange Zeit heroische Weltbild. Souverän ist jetzt war die Rückeroberung Konstantino- nur, wer seine Einzigartigkeit relatipels ein griechischer Traum. Megalo- viert. Der Nato-Beitritt passte zu manie ist nicht ohne Grund ein grie- Athens bisheriger Mentalität. Die Eurochisches Wort. Zugleich spürt das Land Zone erfordert ein anderes Denken. die Einsamkeit des Inseldaseins. Seine Das Referendum ändert daran nichts. nördlichen Nachbarn waren ihm nie [email protected] D ANZEIGE Seite 21 Seite 15 ULRICH enn die erste schen Regierungspolitik C L AU S S Reihe der Poliist auch aus einem grundtiker nach Luft sätzlichen Aspekt im schnappt, bleibt erst einwahrsten Sinne des Wormal der zweiten das Wort überlassen – tes alternativlos. Denn die griechische wie immer, wenn etwas wirklich Be- Taktik – von Strategie kann man in diedeutsames passiert ist. Und am Sonn- sem Zusammenhang wohl kaum reden tagabend ist in der Tat etwas sehr Be- – konterkariert auf existenzgefährdendeutsames geschehen. Gut zwölf Stun- de Art die Geschäftsgrundlage der euden vergingen, bevor sich Angela Mer- ropäischen Währungsunion. kel schließlich mit einem glasklaren Die Lesart dieser Gefährdung hat Satz von ihrem Regierungssprecher zi- Martin Schulz, Präsident des EU-Parlatieren ließ: „Angesichts der gestrigen ments, am Sonntagabend erneut forEntscheidung der griechischen Bürger muliert. Die griechische Regierung stelgibt es zurzeit nicht die Voraussetzun- le die „geteilte Souveränität“ infrage, gen, um in Verhandlungen über ein die Voraussetzung der Währungsunion neues Hilfsprogramm einzutreten.“ sei. Das heißt nichts anderes, als dass Als einzige Frontfigur der deutschen jedes Mitglied im Euro Souveränität Politik war SPD-Chef Sigmar Gabriel über eigene Staatsbelange abgeben noch am Sonntagabend mit der ebenso muss. Wer sich dieser Notwendigkeit klaren Feststellung vorgeprescht, der verweigert, zwingt die anderen ihrergriechische Regierungschef habe „letz- seits, Souveränität über ihre eigenen te Brücken“ zwischen Griechenland unmittelbaren Staatsbelange hinaus und Europa „eingerissen“. Da mag die auszuüben. Opposition noch so laut zetern und laDie Referendums-Entscheidung vom vieren – die Grundhaltung der Bundes- Sonntag war deshalb so bedeutsam, regierung zum weiteren Umgang mit weil offenbar wurde, dass Griechender griechischen Schuldenkrise ist da- lands fundamentale Regelverweigerung mit wohl eindeutig umrissen. Wenn geahndet werden muss – will man nicht kein Wunder geschieht, ist der Ab- die gesamte Währungsunion gefährden. schied Griechenlands aus dem Euro Im Schatten dieses unabweisbar gewornur noch eine Frage der Zeit. denen Souveränitätszuwachses schwieDiese Grundhaltung der maßgebli- gen die Spitzen der deutschen Politik chen politischen Kräfte hierzulande erst einmal am Sonntag. Zu Recht. Die entspricht nicht nur der überwiegen- Lage verlangt ein kühles Gemüt – und den Meinung in der Bevölkerung. Ein nur wenige Worte. [email protected] wahrscheinlicher Grexit-Kurs der deut- W DPA/FOTIS PLEGAS G.; AARON P. BERNSTEIN FOR THE NEW YORK TIMES n einem reinen Wohngebiet dürfen keine Gänse gehalten werden. Das entschied das Verwaltungsgericht Köln (Az.: 23K 42/14). Erlaubt sei nur die Haltung von Tieren, die regelmäßig in Wohngebieten anzutreffen sind. Kinder, Bofrost-Fahrer, Pizzalieferanten und osteuropäische Pflegekräfte fallen also glücklicherweise nicht unter das Verbot, genauso wenig wie Silberfische, Weberknechte oder Wühlmäuse. Was aber ist eigentlich ein reines Wohngebiet? Eins, wo die Bewohner sich mindestens einmal am Tag duschen, an heißen Tagen sogar zweimal, und die Bettwäsche nach einer Woche wechseln? Diese Bewohner ziehen dann irgendwann auf die Straße und skandieren „Unser Wohngebiet soll gänsefrei werden!“ oder auch „Gänse raus aus unserem reinen Wohngebiet!“. Es gibt erregte Diskussionen. Man hat ja grundsätzlich nichts gegen Gänse, aber warum müssen die ausgerechnet im reinen Wohngebiet wohnen? Die Gänse sollen wieder dahin zurückgehen, wo sie herkommen, und zwar gans schnell! B ** Jetzt anmelden und mitbieten! Entdecken Sie auf welt-bietet.de wöchentlich neue spannende Produkte und Dienstleistungen. Bieten Sie für Ihr Wunschangebot mit und sparen Sie bis zu 50% vom Originalpreis. DIE WELT, Axel-Springer-Straße 65, 10888 Berlin, Redaktion: Brieffach 2410 Täglich weltweit in über 130 Ländern verbreitet. Pflichtblatt an allen deutschen Wertpapierbörsen. 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