Autor: - MediaCulture

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Autor: Friedrichs, Reiner.
Titel: Was freut uns so am Mord? Wir planen, gestalten und produzieren ein Feature.
Quelle: Praxis Deutsch, Nr. 44. 1980.
Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Autors.
Reiner Friedrichs
Was freut und so am Mord? Wir planen,
gestalten und produzieren ein Feature
A. Thema
Projekt Feature
Feature, engl., Gesicht, Gesichtszug, Gesichtsausdruck. Gesichtszüge sind wandelbar.
Sie können Freude und Trauer ausdrücken, Sorge oder Heiterkeit, Milde oder Strenge,
Erregtheit oder Gelassenheit. So das Feature im Rundfunk.
Diese Hörspielform, die Hermann Keckeis1 dem "Montageprinzip" zurechnet, trägt Züge
eines literarischen Journalismus. Der Hörer soll über bestimmte, oft aktuelle, Themen
informiert werden. Die Information wird nicht wissenschaftlich-distanziert verfaßt, sondern
bewußt engagiert. Motivierende "Aufmacher" (Musik, Interviews, Kommentare,
provokative Textstellen, die zum zuvor Gesagten einen Oppositionswert bilden u. a. m.)
sorgen für ständige Abwechslung und fesseln den Zuhörer. Für Otto Heinrich Kühner ist
das Feature eine Form des Hörspiels, die im Grunde formlos ist, "wie ein Mosaik aus
farbigen Steinchen, aus vielen Einzelteilen und Stilelementen zusammengesetzt, das
Ganze facettenhaft und vielseitig erfaßt"2.
1 Keckeis, Hermann: Das deutsche Hörspiel. 1923 bis 1973. – Frankfurt/M.: Athenäum 1973, S. 80 ff.
2 Kühner, Otto Heinrich: Mein Zimmer grenzt an Babylon (1954). In: Scheffner, Horst (Hrsg.): Theorie des
Hörspiels. Arbeitstexte für den Unterricht. – Stuttgart: Reclam 1978 (Nr. 9546), S. 32.
1
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Es ist nicht ganz ehrlich, dem Feature lediglich informative Intentionen zuzuschreiben. Die
meisten Features, auch das vorliegende "Krimi-Feature", haben einen stark appellativen
Charakter. Im genannten Fall sollen die Hörer zum Lesen bestimmter Texte angeregt
werden; andere Features wollen vor Rauschmitteln warnen, zur Toleranz aufrufen u. ä.
Features sind keine festen Gattungen. Sie sind einmal mehr dokumentarisch, ein
andermal mehr fiktonal-literarisch orientiert, oder sie spielen intensiver mit Original-TonMontagen.
Kreative Kombinationsmöglichkeit, Mehrdimensionalität des Gegenstandes der
Untersuchung, seiner "Verpackung", Vielfältigkeit der Untersuchungs- und
Darstellungsmöglichkeiten machen den Reiz des Features in Rezeption und – darin liegt
seine zentrale unterrichtliche Bedeutung- in Produktion aus.
Was Features wirklich sind, läßt sich – mit allen Vorteilen und Zwängen einer
projektorientierten Arbeitsweise, mit allen Freuden und Mängeln der laienhaften
Produktion erst in der Realisierung erfahren. Das gilt gleichermaßen für Schüler wie für
Lehrer.
Besser als theoretische Definitionsversuche, wie ich sie andernorts unternommen habe3,
dokumentiert eine Textauswahl des von Schülern einer neunten Hauptschulklasse
(Vorlaufklasse zum 10. Schuljahr) realisierten "Krimi-Features'' die Intentionen dieses HörSpiels. Einen Aufmacher hatten die Schüler rasch gefunden: eine Meldung aus der
Tageszeitung.
(Der abgedruckte Schülertext stellt nur einen kleinen Ausschnitt aus dem Feature dar. Er
ist allein schon deshalb nicht repräsentativ für das gesamte Featuremanuskript, weil aus
Raumgründen auf Schülerreferate und Stellungnahmen zu den gelesenen Krimis
verzichtet werden mußte.)
SPRECHER (hart/neutral):
Meldung in der Pfingstausgabe der Koblenzer Rhein-Zeitung von 1980:
SPRECHERIN (neutral):
3 Friedrichs, Reiner: Hörspiel. in: Watzke, Oswald/ Friedrichs, Reiner: Umgang mit Texten in der
Sekundarstufe 1. – München: List 1975, S. 48 f.
2
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Touristin ermordet.
Izmir. Eine Touristin aus West-Berlin ist in der Nähe der türkischen Hafenstadt Izmir von
zwei unbekannten Tätern erst vergewaltigt und dann ermordet worden.
Beim Versuch, der jungen Frau zu helfen, wurde der Ehemann verletzt. Er kam in ein
Krankenhaus. Der Überfall ereignete sich in der Nacht zum Freitag, als die Touristen mit
ihrem Mini-Bus 48 Kilometer vor der Hafenstadt eine Rast einlegen wollten.
ANDERE SPRECHERIN (fragend): Macht das Freude?
Aufblenden Tatortmelodie (ARD-Fernsehen)
ERSTE SPRECHERIN:
Die meisten Menschen freuen sich unbewußt über den Mord an einer Person, gleich, ob
es sich um Taschenbücher, Heftromane, Fernsehfilme oder Hörspiele handelt.
Daß die Freude meist unbewußt ist, haben wir durch mehrere Umfragen festgestellt.
Themenmelodie "Der Alte" (ZDF-Serie) ein- und nach den Schüssen ausblenden
In allen Medien liest, hört, sieht man kriminelle Handlungen, somit auch Morde.
Wir werden also täglich damit konfrontiert.
Was bereitet solche Freude am Krimi? Das hat uns interessiert. Unsere Eindrücke wollen
wir in diesem Feature weitergeben.
SPRECHER:
Wie kann man herausbekommen, was solche Freude macht?
SPRECHERIN:
Natürlich haben wir uns selbst Gedanken gemacht. Die werden wir nachher mitteilen.
ANDERER SPRECHER:
Und was macht man sonst noch?
ANDERE SPRECHERIN:
Man verschafft sich Informationen!
ERSTE SPRECHERIN:
3
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Wir sind mit einem Kassettenrecorder durch die Stadt gegangen und haben Leute
unterschiedlichen Alters nach ihren Meinungen gefragt.
Einblenden der Interviews
[...]
SPRECHER:
Wie reagieren eigentlich die direkt Betroffenen auf Kriminalfilme und Kriminalromane? Wir
haben Beamte der Schutzpolizei und der Kriminalpolizei auf dem Polizeipräsidium
Neuwied dazu befragt. Die Interviewer waren: Claudia Withum, Frank Polch, Heiko
Lindenlauf. Hier ihr Bericht.
SPRECHERIN:
Alle Befragten machen folgende Aussagen: Die Arbeit bei uns ist ganz anders, als sie im
Krimi dargestellt wird. Sie besteht hauptsächlich aus Schreibtisch- und Schreibarbeiten.
Wir haben keinen Star-Kommissar und arbeiten im Teamwork. Der Kommissar ist nur da,
um den Oberblick zu behalten und die Arbeit einzuteilen.
An einem einzigen Mordfall können bis zu 40 Mann arbeiten.
Es gibt ganz selten vorsätzliche Mordfälle in Neuwied, ein- bis zweimal im Jahr kommt so
etwas vor. Etwa 50 Prozent der Fälle werden aufgeklärt.
70 Prozent aller Delikte sind Diebbstahl und ähnliches, 30 Prozent Sitte, Betrug,
Rauschgift usw.
Es dauert mindestens ein paar Monate, bis ein Mordfall aufgeklärt ist, Unheimlich viel
Kleinarbeit. Nie wird einer nachts verhört. In Kriminalfilmen ist das unheimlich oft der Fall.
Kriminalfilme sind wirklichkeitsfremd, unrealistisch und bestehen aus Fantastereien. Nur
ganz wenige Kriminalfilme, z. B. "Sonderdezernat K 1", stellen die Arbeit der Polizei real
dar.
Kriminalfilme sind nur zur Unterhaltung da. Das Leben von uns Kriminalbeamten ist
meistens langweilig und stupide.
Die Uniformierten werden in den Kriminalfilmen oft als "dumm" dargestellt. Das stimmt in
der Wirklichkeit auch nicht.
Ein Leiter der Schutzpolizei schaute sich Krimis nur an, um mit Menschen über seine
Arbeit diskutieren zu können und dann mit Argumenten zu beweisen, daß die
Kriminalfilme von der Wirklichkeit stark abweichen.
4
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Kein Polizeibeamter hielt besonders viel von Krimis.
Themenmelodie "Derrick" (ZDF-Serie)
[...]
SPRECHERIN:
Der gefahrlose Nervenkitzel zieht also die meisten Zuschauer beim Kriminalfilm an. Die
Spannung interessiert die meisten Leser.
Allgemeine Freude am Krimi bereitet die Tatsache, daß alles gut ausgeht.
Die "Bösen" werden bestraft und die "Guten" werden belohnt. So einfach ist es in
Wirklichkeit nicht, wie wir im Interview mit der Kriminalpolizei gehört haben.
Sind Krimis also Märchen für Erwachsene?
Endmelodie – Hintergrund
Vordergrund: Namen der Mitwirkenden und Sprecher
B. Intentionen
Die Arbeit an dem Feature "Freude am Krimi"-die Formulierung "Mord" steht als
provokatives Reizwort – von den Vorarbeiten bis zur auditiven Produktion stellt eine
projektorientierte "komplexe" Schreib Lesesituation4 dar. Mit geringen, themenbedingten,
Varianten folgt dieser projektorientierte Unterricht den Gedanken von Nündel und
Röseler5. Projektorientiert kann diese Situation genannt werden, weil sie
– sich bemüht, von den Interessen und Bedürfnissen der Schüler auszugehen,
– verschiedene Lernbereiche des Faches Deutsch (mündliche/schriftliche
Kommunikation, Sprachreflexion, Textrezeption) miteinander verbindet,
4 Vgl. hierzu: Weinmann, Siegfried: Schaffung komplexer Schreibsituationen. In: Pielow, W./ Sanner, R.
(Hrsg.). Kreativität und Deutschunterricht. – Stuttgart: Klett 1973, S. 88- 104. Die Komplexität dieser
Situation ist auf die Textrezeption ausgeweitet. Ähnliche Versuche der Realisierung "komplexer
Schreibsituationen" hat auf dramatischem Gebiet Winfried Pielow unternommen. Vgl. W. Pielow: Der
dramatische Text als "komplexe Schreibsituation". In: Göbel, Klaus (Hrsg.): Das Drama in der
Sekundarstufe. – Kronberg: Scriptor 1977, S. 126-138.
5 Vgl. Nündel und Röseler in Behr/Gronwoldt et al: Folgekurs für deutschlehrer. Didaktik und methodik der
sprachlichen kommunikation. – Weinheim: Beltz 1975, S. 21-134 u. 547-696.
5
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– die Schüler als curriculare Instanz ernst nimmt,
– die soziale und kommunikative Integration der Schüler inner- und außerhalb des
Unterrichtes in Kleingruppen fördert,
– eine aus eigenen Interessen betriebene Beschäftigung mit einem Thema auch
außerhalb des Unterrichtes ermöglicht, begünstigt, fördert,
– starre statische Lernprozesse auflöst und die Selbsttätigkeit der Schüler auf
verschiedenen Arbeitsgebieten produktiv/rezeptiv, allein und in Gruppen anregt und
die Schüler zu vielfältigen Aktivitäten motiviert.
Die Schülererfahren den Lernbereich "Textproduktion" als eine kommunikative
Notwendigkeit für sich selbst, untereinander und für andere. Das Feilen am "Werkstück
Text" verliert den faden Geschmack der schulischen Übung, weil dieses "Werkstück"
seinen Platz im späteren "Produkt", dem Feature, hat, also – um im Bild zu bleiben – in
die "laufende Produktion" eingebaut wird.
Die Tatsache, daß in der Schlußphase, der Featureproduktion, eine Textauswahl unter
den Schülertexten erfolgt, schwächt (so meine Erfahrungen) bei entsprechenden
pädagogischen Hinweisen die Motivation nicht. Die Schüler fügen sich in diese
"Wettkampf"-Bedingungen ein. Sie haben außerdem vielfältig Gelegenheit, über
Diskussionen, Revisionen, Umfragen, Auswertungen und technische Arbeiten zum
Gelingen des Projektes beizutragen.
Im vorliegenden Feature geht es darum,
– anderen (nicht nur) jugendlichen Lesern/Hörern die Gründe der Freude am Krimi ins
Bewußtsein zu heben,
– den Gründen der Freude an der Darstellung des Verbrechens, dem Entspannungswert
der Krimis und dem Identifikationsangebot nachzuspüren,
– die Strukturen verschiedener gedruckt und/oder medial vermittelter Krimis zu
untersuchen und die Ergebnisse anderen unterhaltsam mitzuteilen,
– Untersuchungen über Lese- und Fernsehgewohnheiten im Blick auf Krimis anzustellen
und zu analysieren,
– erstarrte Lese- und Fernsehgewohnheiten zu verändern und Leseanregungen zu
geben.
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Diese Ziele, die sich recht anspruchsvoll anhören, lassen sich nur realisieren, wenn der
Besprechung und Durchführung antizipierender Hausaufgaben ein qualitativ und
quantitativ breiter Raum gegeben wird.6 Eine "Hausaufgaben"-Besprechung von 30 bis 45
Minuten Länge darf nichts Ungewöhnliches sein. In häuslicher Arbeit läßt sich allein, mit
Partnern oder in Kleingruppen, dies trotz räumlicher Entfernungen, vieles erledigen:
– die Lektüre verschiedener Krimitexte,
– die Analyse von Zeitungen, Hörspielen, Fernsehsendungen,
– die Auswertung und Kommentierung von Umfragen,
– die Produktion der Protokolle, Kommentare, Referate, Begleittexte zum Feature u. ä.
Textauswahl, Ausweitung oder Verkürzung des Projektes richten sich nach Bedürfnissen
und Interessen der Schüler und dem klassenspezifischen Leistungsniveau. Wesentlich
zum Gelingen des Projektes tragen Fähigkeit und Bereitschaft der Lehrerin/des Lehrers
bei, sich als primus inter pares in die Entscheidungsfindungs-, Planungs-, Durchführungsund Gestaltungsprozesse zu integrieren. Andererseits sind gewisse behutsame
"Lenkungsmaßnahmen" (zur Berücksichtigung der Lernziele, der Optimierung
gesellschaftsnotwendiger Qualifikationen in den Lernbereichen des Deutschunterrichts)
unumgänglich. Beispielsweise ist bei der freiwilligen Verteilung der Schreibaufträge darauf
zu achten, daß alle Schüler im Laufe des Projektes solche Aufgaben übernehmen.
Der Vergleich zweier Krimis als Klassenlektüre (z. B. Dürrenmatt: "Der Richter und sein
Henker" und Hoffmann: "Das Fräulein von Scuderi") kann arbeitsteilig vorgenommen
werden: Jeweils die "Hälfte- der Klasse (freiwillige Entscheidung!) liest und analysiert
einen Text und unterrichtet als "Experten" mündlich und schriftlich die andere Hälfte.
Auf diese Weise lassen sich innerhalb des Projektes reale Schreibsituationen schaffen.
Inhaltsangaben und Exzerpte sorgen dafür, daß alle einen vergleichbaren
Informationsstand über den Handlungsverlauf und die Personen haben.
6 Vgl. Derschau, Dietrich von (Hrsg.): Hausaufgaben als Lernchance. Zur Verknüpfung schulischen und
außerschulischen Lernens. – München: Urban & Schwarzenberg 1979, besonders: S. 20 ff- 47 ff- 64 ff 70
ff.
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C. Realisierung
Die folgende Verlaufsbeschreibung des Projektes (Varianten sind bei der Realisierung
möglich) basiert auf den (erfreulich positiven) Erfahrungen, die bei der experimentellen
Erprobung in einer 9. Hauptschulklasse gemacht wurden. Die Besonderheit dieser Klasse
bestand darin, daß es sich um die Vorlaufklasse zum "freiwilligen zehnten Schuljahr"
handelte. Vergleichbare Projekte in anderen neunten Hauptschulklassen bestärken mich
jedoch in der Ansicht, daß dieses Projekt mutatis mutandis in den neunten und zehnten
Klassen (teilweise bereits ab Ende der Klasse 8) der S 1 zu realisieren ist.
Aus der folgenden Auswahlliteraturliste sollten Schüler und Lehrer gemeinsam ihre
speziellen Untersuchungsobjekte zusammenstellen.
Literaturvorschläge:
Burger, Thomas: Die Messer-Ballade. In: Th. Burger: Das Gespenstergespenst.
Würzburg: Arena 1963, S. 108 f. (in zahlr. Lesebüchern f. d. Orientierungsstufe).
Jerry Cotton: Du lebst zu lange, G-man. Stuttgart: Klett 1980 ff. (Leseheft Nr. 26059).
Jerry-Cotton-Romane aus dem Bastei-Verlag.
Doyle, H. A. C.: Sherlock Holmes und der verschwundene Bräutigam. – München: Heyne
4
1973 (Nr. 1544).
Doyle, H. A. C.: Sherlock Holmes und die Spuren im Moor. – München: Heyne 1976 (Nr.
1684).
Doyle, H. A. C.: Das gefleckte Band. u. H. S. Harrison., Miss Hinch. – Stuttgart: Klett
(Leseheft Nr. 26031) 141980.
Dürrenmatt, Friedrich: Der Richter und sein Henker. – Reinbek: Rowohlt 1955 ff. (rororo
150.)
Finckh, Eckhard (Hrsg.): Theorie des Kriminalromans. Stuttgart: Reclam. 1974 (RUB
9512.)
Gruhl, Hans:, Fünf tote alte Damen. Reinbek: Rowohlt 1971. (rororo 1423.)
Hoffmann, E. T. A..- Das Fräulein von Scuderi. – Stuttgart: Klett 1979 ff. (Leseheft Nr.
26021.)
8
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Hottinger, Mary. (Hrsg.): Morde. – Zürich: Diogenes 61972.
dies. (Hrsg.): Mehr Morde. – Zürich: Diogenes 41972
dies. (Hrsg.): Noch mehr Morde. – Zürich: Diogenes 21972. (Auswahl ab 9. Klasse.)
Kemelman, Harry: Quiz mit Kemelman. Kriminalstories. – Reinbek: Rowohlt 41971. (rororo
2172.)
Martin, Hansjörg: Gefährliche Neugier. Reinbek: Rowohlt 41970. (rororo 2069.)
ders.: Einer fehlt beim Kurkonzert. – Reinbek: Rowohlt 91974. (rororo 2109.)
ders.: Feuer auf mein Haupt. – Reinbek: Rowohlt 1972. (rororo 1423.)
Randow, Thomas von: "Der Kommissar" und "Derrick". Griechische Tragödien für den
Kleinen Mann. Herbert Reinecker ist der erfolgreichste deutsche Fernsehkrimi-Autor. In:
Die Zeit, Nr. 8, 15. 2. 1980, S. 62 (ab Klasse 9/10).
Sayers, Dorothy: Kriminalgeschichten. Frankfurt/M.: Fischer 1966. (Nr. 739.)
Schmidt Jochen: Die Einbürgerung des Kriminalromans. Die deutschen Schriftsteller
wollen ihr gestörtes Verhältnis zur Spannung überwinden. In: FAZ, Nr. 275, 6. 12.1976, S.
19. (Ab Klasse 10.)
Wallace, Edgar: Der rote Kreis. – München: Goldmann o. J. 13. Aufl. (Nr. 35.)
Willschrei, Karlheinz: Die Lust am Krimi. In: IWZ. Illustrierte Wochenzeitung (Beilage der
Koblenzer Rhein-Zeitung), Nr. 10, 8. 3.1980, S.- 10 (Stuttgart: IWZ-Verlag).
Kurzkrimis oder Fortsetzungskrimis in Tageszeitungen, Zeit-Magazin, Brigitte, Illustrierten
usf.
Analyse der laufenden Fernsehkrimis und der Sendung "Aktenzeichen XY- ungelöst"
1. Initiativ- und 2.Planungsphase (1-2 Unterrichtsstunden)
Die Initiativphase dient der Bedürfnisermittlung und der Problemauslotung. Der Anstoß
zur allgemeinen Diskussion kann von einem stummen Tafelimpuls ausgehen: "Was freut
uns so am Mord?"
Die provokative Formulierung soll die Schüler zur Diskussion über die möglichen
Ursachen der Freude an der Darstellung des Schrecklichen in Krimis anregen. Um das
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Interesse an einer detaillierteren Untersuchung zu wecken, kann eine kurze
Zeitungsmeldung über einen Mord vorgelesen werden. Wenn dies "keine Freude" bereitet,
was ist es dann, das am Krimi so interessiert? Im Experiment wurde eine Meldung aus der
Pfingstausgabe der Koblenzer Rhein-Zeitung von 1980 benutzt: "Touristin ermordet"
(s.S.42).
Signalisieren die Schüler Interesse an einer Untersuchung von Krimis in den Print- und
elektronischen Medien, so kann die weitere Planung anhand. eines vorbereiteten
Arbeitsblattes, das Literaturangaben und einige Untersuchungshinweise in Frageform
enthält, durchgeführt werden. In diesem Zusammenhang kann der Vorschlag der
Gestaltung eines Features eingebracht werden.
Die Schüler sollten darüber informiert werden, daß zahlreiche reale Schreibsituationen zu
bewältigen sind, die nur sekundär eine heuristische Funktion erfüllen.
Sobald die Schüler ihre Bedürfnisse artikuliert haben, kann mit der Planungsphase
begonnen werden. Zwei Protokollführer halten getrennt oder in Partnerarbeit die
Untersuchungsvorschläge, Fragen und Ergebnisse dieser Planungsarbeit fest. Die
Planungsarbeit im Unterricht kann nach Neigungsgruppen arbeitsteilig vorgenommen und
später im Plenum diskutiert werden. Den Schülern sollte bewußt sein, daß sie selbst
Adressaten des Ergebnisprotokolls sind, das sie später hektographiert für ihre
Arbeitsunterlagen (es empfiehlt sich, eine Mappe anzulegen) benötigen. Die Intentionen
dieses Textes sollten anhand des folgenden Kommunikationsmodells erarbeitet werden
(siehe oben).
Die Interessen der Schüler konzentrierten sich im Experiment auf folgende Problemweise:
– Wer liest, hört, sieht mit weichen Absichten Krimis?
– Welche Romane und Fernsehkrimis werden aus welchen Gründen bevorzugt?
– Mit welchen Absichten wird die Sendung "Aktenzeichen XY-ungelöst" gesehen? Was
bereitet im Detail Freude am Krimi: Struktur, Sprache, Handlungsführung, Figuration;
Milieu, (bei Filmen: Schauspieler), die Art des Identifikationsangebotes usw.?
– Welche Untersuchungsobjekte (fiktionale und expositorische Print- und
Elektronikmedien) werden ausgewählt und wie von wem bearbeitet?
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– Wer führt wie die Umfragen (auch technisch) durch?
– Wie wird die gesamte Organisation des Projektes gestaltet?
Die Planungsphase mündet in eine antizipierende Hausaufgabe: Ihren Interessen
entsprechend verschaffen sich die Schüler Informationen zu Teilbereichen des Projektes
und arbeiten stichwortartig und als Kurzinformation einen Plan zur Untersuchung der von
ihnen gewählten Details (Romane, Filme, Hörspiele, Texte, Interviews usw.) aus.
Planungen und Realisierungen können einzeln, in Partnerarbeit oder Kleingruppen
ausgeführt werden und werden in der folgenden Unterrichtsstunde (am Folgetag oder
nach einigen Tagen) vorgestellt.
3. Akzentuierungsphase (1-2 Unterrichtsstunden)
In diese Phase bringen die Schüler ein
– das hektographierte Ergebnisprotokoll der ersten beiden Phasen,
– die Planungsvorschläge aus der antizipierenden Hausaufgabe,
– neue Ideen und Diskussionsvorschläge.
Im Laufe der Diskussion werden (Kreisanordnung der Runde ist wünschenswert)
inhaltliche und personale Akzente für die weitere Durchführung des Projektesgesetzt:
– Welche Texte werden für die "arbeitsteilige Klassenlektüre" ausgewählt und wie
verteilt?
– Wer liest, sieht und untersucht welche Kriminalromane und -filme? (Jeder Schüler
sollte neben der Klassenlektüre mindestens noch einen weiteren Roman und Film
intensiv analysieren.)
– Wer untersucht expositorische Texte?
– Wer führt schriftliche/mündliche Umfragen durch?
In dieser Phase sind die Intentionen der Texte/Textsorten im Blick auf Produktion und
Rezeption zu besprechen. Es ist zu klären, welche schriftlichen Texte nach den Analysen
der Krimis von welchen Gruppen angefertigt werden müssen/können/sollten. Die Modi der
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Information der übrigen Projektteilnehmer sind zu klären (Arbeitspapiere, hektographierte
Protokolle, Inhaltsangaben usw., mündliche Informationen u. a. M.).
Projektpause zur Bewältigung der gemeinsamen Klassenlektüre: 8-14 Tage
Innerhalb dieser "Pause" sollten in den übrigen Deutschstunden "Kurzinformationen" (310 Minuten) über den bisherigen Verlauf der privaten Arbeiten gegeben werden. So wird
die Motivation aufrecht erhalten, und es können anfallende Probleme erläutert werden.
4. Durchführungsphase (ca. 9 Unterrichtsstunden)
1. Stunde: Ich-bezogenes Schreiben:
Sich selbst Rechenschaft ablegen über seine Gedanken – Erste Eindrücke zu ...
(Friedrich Dürrenmatt: "Der Richter und sein Henker"/E. T. A. Hoffmann: "Das Fräulein
von Scuderi")
Die Texte werden mit zwei Grundintentionen geschrieben:
– Festhalten der Spontaneindrücke für das spätere Feature,
– Ermittlung von Zentralfragen und -problemen, die die Schüler am Text und dem
Kontext interessieren.
Von diesen, von den Schülern gesetzten, Signalen sollte die Plenumsdiskussion ihren
Ausgang nehmen. Die erarbeiteten Schülertexte werden für alle Projektteilnehmer
hektographiert.
2./3. Stunde (Doppelstunde): Inhaltliche Informationen zur Lektüre 1 und Analyse
Die Schüler tauschen hektographierte Inhaltsangaben und Kurzreterate (einschließlich der
schriftlichen Spontaneindrücke) über ihre "Klassenlektüre" aus. Im Zusammenhang des
biographischen und historischen Kontextes werden erste Informationen über beide
Lektüren ausgetauscht. Die Schüler entscheiden, welcher Text zunächst intensiver
besprochen werden soll.
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Nach der Festlegung der ersten Lektüre werden anhand einer vorbereiteten
Strukturskizze (Overheadprojektor) Figuration und Handlungsführung erarbeitet. Die
Lektüre wird so im Plenum verteilt, daß alle Schüler Einsicht haben. Anhand von
Exzerpten werden Detailprobleme und sprachliche Fragen geklärt. Die eingangs
erwähnten zentralen Untersuchungsfelder des Projektes werden zur Analyse
herangezogen. Die Ergebnisse werden wiederum von zwei Protokollführern festgehalten,
ebenso die offenen Fragen. Die "textfremden" Schüler fordern die "Experten" durch
inhaltliche und Problemfragen zur Analyse und Interpretation heraus. Es sollte nicht
vergessen werden, auch zu klären, was der Themenaspekt Freude (oder auch keine) an
der Lektüre bereitet hat.
4./5. Stunde (Doppelstunde): Inhaltliche Informationen zur Lektüre 2, Analyse und
Vergleich
Analysen, Interpretationen und Vergleich der Lektüren können auch – wenn notwendig –
um ein bis zwei Unterrichtsstunden ausgeweitet werden. Mit denen sich aus der
unterrichtlichen Arbeit ergebenden Varianten kann hier wie bei der Analyse von Lektüre 1
verfahren werden. Innerhalb dieser Arbeit haben auch Referate oder Gruppenarbeiten zur
Untersuchung strukturaler, figuraler, sprachlicher und rezeptionsästhetischer Probleme an
den ausgewählten Texten ihren Platz.
5./6. oder 6./7. Stunde: Analysen und Interpretationen
Vorausgegangen sein sollten antizipierende Hausaufgaben, die anhand von Leitfragen
angefertigt wurden. in arbeitsteiligen Gruppenarbeiten können untersucht und im Plenum
diskutiert werden:
– Darstellung und Wirkung der Figuration (Charakteristiken, Typisierung,
Identifikationsangebot, Realitätsbezug),
– sprachliche Besonderheiten und ihre Wirkung auf den Leser (Stil, Pausieren der
Handlung, Verheimlichung durch sprachliche Umschreibungen, Verb- und
Attributgebrauch, sprachliche Beschreibung des Milieus und Vergleich mit der
gesellschaftlichen Realität des Lesers),
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– Struktur und Handlungsführung (Aufbau, Pausen, Erzählstil, Erzählformen, Wirkung
von erzählter Zeit und Erzählzeit u. a. m.),
– intendierte Leserrollen (Wie kommt es, daß der Leser/Zuschauer trotz der Amoralität
der Taten eine gewisse Sympathie für den Verbrecher empfindet, "mit"leidet?
Untersuchung der Realitätsdarstellung, des Entspannungswertes u. a. m.).
Erste Ergebnisse und offene Fragen und Probleme können am Ende der Stunde diskutiert
werden. Die übrigen Analysen werden arbeitsteilig von verschiedenen
Gruppenmitgliedern zu Hause ausgearbeitet und für die übrigen Projektteilnehmer
hektographiert.
Nach einer mindestens dreitägigen Arbeitspause am Projekt werden diese Hausaufgaben
im Plenum diskutiert.
Zwischenzeitlich sollten die übrigen antizipierenden Hausaufgaben fertiggestellt sein/
werden:
– Referat über die Theorie des Kriminalromans/über Leser- und Zuschauerinteressen
von Krimis,
– Untersuchung über die Darstellung des Verbrechens in der Presse,
– Untersuchungen zu Struktur und Wirkung von Fernsehkrimis,
– Aufbau, Sprache, Realitätsdarstellung und Wirkung von Jerry-Cotton-Heften
einschließlich der Produktion, Distribution und Rezeption,
– Umfragen zum Lese-/Sehverhalten bei Krimis.
Diese Schülerarbeiten werden flexibel in die laufende Projektarbeit integriert.
7./8. oder 8./9. Stunde:
Plenumsdiskussion der Ergebnisse der vorangegangenen Gruppenarbeiten und der
weiteren Arbeit. Festlegen der folgenden Analysen und antizipierenden Arbeiten.
Projektpause (8-14 Tage) zur Erledigung häuslicher/privater Projektuntersuchungen. Die
Pause dient auch der "Ent"-Spannung.
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9. od. 10. Stunde:
Kritische Sichtung der bisherigen Erarbeitung. Diskussion offener Fragen und der
weiteren Planung. Revision bestehender Planungsphasen. Diskussion der privaten
Arbeiten.
5. Strukturierungs- und Reflexionsphase
(1./2. Unterrichtsstunde)
Referate zu:
– Jerry Cotton,
– Darstellung des Verbrechens in der Presse,
– Struktur und Wirkung von Fernsehkrimis.
Krimimitschnitte auf Videobändern können die Intensität der Untersuchung erhöhen.
Metakritische Besprechung und Revision der bisherigen Planung für das Feature.
Überarbeitung sämtlicher Texte, die in das Feature aufgenommen werden sollen. (Nur die
Kriterien für die Überarbeitung werden im Unterricht besprochen.)
3./4. Stunde:
Referate über:
– Struktur, Typisierung, Lesefreude privater Krimilektüre,
– Ergebnisse der schriftlichen Umfrage und der mit Cassettenrecorder durchgeführten
Interviews.
Anschließend wird die Grobplanung des Features selbst diskutiert und revidiert. Die
Schüler werden in die Wirkung akustisch-textlicher Parallelismen und Oppositionen von
Geräusch/Musik und Sprache eingeführt. Informationen zur akustischen und sprachlichen
Gestaltung werden mit Aspekten der Weckung des Hörerinteresses gekoppelt.
Adressaten, deren mögliche Erwartungen, die Intentionen der Produzenten und der
zeitliche Rahmen (max. 50-60 Minuten) werden festgelegt. Das auditive Feature soll
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später in einer Doppelstunde im Deutschunterricht einer anderen Klasse eingesetzt
werden und die Hörer zum Lesen anregen. Hausaufgabe: Entwurf eines Bauplanes für
das Feature: "Was freut uns so am Mord?" – Ein unterhaltsames Feature mit
Lesehinweisen. (Der Titel kann nach Wünschen der Schüler gewählt werden.) Es wird
festgelegt, wer Einführung-, Kommentar-, Verbindungs- und Schlußtexte zum Feature
schreibt.
8 Tage Projektpause zur häuslichen Arbeit
6. Gestaltungsphase
(2 Unterrichtsstunden und private Weiterarbeit in der Schule an ein bis zwei
Nachmittagen)
Die erarbeiteten Baupläne werden, vorgestellt, diskutiert, revidiert und miteinander
kombiniert.
In häuslicher Arbeit wird nach diesem Bauplan der Text des Features mit Angaben über
die Musik und die technische Gestaltung (Positionen der Sprecher bei Stereoaufnahme,
Wechsel des Kanals, Auf- und Abblenden der Musik oder Hintergrundvertonung u.a.m.)
zusammengestellt und für alle Schüler hektographiert. Die eigentliche auditive Gestaltung
muß aus zeitlichen Gründen an ein bis zwei Nachmittagen vorgenommen werden. (Bei
der Durchführung des Experimentes in Neuwied-Niederbieber beteiligte sich freiwillig die
gesamte Klasse.) An technischer Ausstattung genügen:
2 Tonbandgeräte,
1 Cassettenrecorder und- (bei Stereoaufnahme)
2 Mikrofone.
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7. Kontrollphase
Das fertige Feature wird einmal in der Produktionsklasse selbst angehört und kritisch
besprochen. Nun kann der Einsatz in einer anderen Klasse vorbereitet werden
(Absprachen mit Kollegen). Mindestens drei Schüler der Produktionsklasse sollten als
Beobachter mit folgenden Kontrollfragen an dieser Unterrichtsstunde teilnehmen:
– Wie haben die Hörer das Feature aufgenommen?
– Welche positiven oder negativen Äußerungen kamen?
– Haben sich die Hörer mit den Anregungen und Fragen auseinandergesetzt? In welcher
Weise geschah dies?
– Konnte beobachtet werden, daß die Hörer zum Diskutieren oder vermutlich zum Lesen
angeregt worden sind?
– Empfanden die Hörer das Feature als unterhaltsam?
(Weitere Kontrollfragen, die die Schüler interessieren, sind jederzeit möglich.)
Abschließend sei noch vor einem verhängnisvollen Irrtum gewarnt: Es geht bei dieser
Feature-Produktion nicht um die Perfektion des fertigen Produktes. Von primärem
Interesse sollten die erlebten Erfahrungen aller am Projekt Beteiligten sein. Und diese
Erfahrungen lassen sich eben nur sehr unscharf in Worte kleiden.
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede
Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne
Zustimmung des Rechteinhabers unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für
Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Speicherung und
Verarbeitung in elektronischen Systemen.
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