Beitrag Onkologie - deutsches palliativsiegel
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Beitrag Onkologie - deutsches palliativsiegel
Autoren-PDF PRAXIS Neues Qualitätssiegel: Palliativ-freundliches Krankenhaus und Palliativ-freundliche stationäre Pflegeeinrichtung Wolfgang George und Andre Banat Entwicklung und Eigenschaften Die zentrale Herausforderung in der Betreuung Sterbender ist es, ein würdevolles Sterben unabhängig des Sterbeortes sicher zu stellen. Da annähernd 90 % aller Menschen Deutschlands in stationären Einrichtungen sterben, muss sich die primäre Aufmerksamkeit insbesondere auf diese Arbeitsbereiche konzentrieren. Zu diesem Zweck wurde das Qualitätssiegel „Palliativ-freundliches Krankenhaus“ entwickelt. Insgesamt wurden 101 relevante Kriterien aus den Bereichen Kommunikation, Entscheidungsfindung, räumliche und zeitliche Situation, Angehörigenintegration, Ausbildung, Symptomkontrolle, Therapie, interne und externe Kooperation identifiziert. Auf diese Weise werden die Kennzeichen einer würdevollen Sterbebetreuung, der hierfür notwendigen Strukturqualität, Prozessqualität und der bisher erreichten Ergebnisqualität erfasst. Mit der Sterbebetreuung beauftragte Einrichtungen haben die Möglichkeit, das neue Qualitätssiegel in einem eigenständigen Verfahren zu erwerben. Angestrebt wird indes, dass das Siegel im Rahmen der allgemeinen Qualitätsprüfungen der Einrichtungen erworben wird. In einem ersten Schritt wurden 5 unterschiedliche Settings als stationäre Orte der Versorgung Schwerstkranker identifiziert: Allgemeinstation, Intensivstation, onkologische/palliative Station, geriatrische Station und stationäre Pflegeeinrich- PRAXIS Zusammenfassung tung. Zusätzlich wurden die für alle Einrichtungen gültigen Bereiche Management, Aus-, Fort- und Weiterbildung und komplementäre Versorgungspartner als Prüfbereiche (relevante Handlungsbereiche) identifiziert. Insgesamt entstand auf diese Weise ein Prüfkriterienkatalog mit 101 Variablen. Dieser wird für die einzel- Schlüsselwörter: Palliation, Onkologie, Sterbebetreuung, Palliativ-freundliches Krankenhaus nen Versorgungsbereiche bzw. Versorgungsaufträge jeweils angepasst, sodass in der Praxis zwischen 70 und 80 Kriterien, mit unterschiedlichen Gewichtungen in über der Studie vor 25 Jahren ([2] – ob- den zu untersuchenden Versorgungsberei- wohl verbessert – noch immer deutliche chen (z.B. Krankenhäuser und stationäre Nach Aussage des Statistischen Bundesam- Entwicklungsmöglichkeiten und Pflegeeinrichtungen), zur Anwendung ge- tes verstarben 2011 etwas mehr als die auch die Pflegeeinrichtungen aufgefordert bracht werden. In einem vorbereitenden Hälfte aller Sterbenden in Krankenhäusern sind, die Betreuung der Sterbenden syste- Schritt wurden diese Kriterien in einem und 30–40 % in den stationären Pflegeein- matischer zu gewährleisten. Peer-Review mit unterschiedlichen Berufs- Herleitung und Begründung zeigt richtungen. Gleichzeitig sind sich alle mit Auch konnte gezeigt werden, dass sich bzw. Versorgungsexperten aus dem ärztli- der Versorgung Sterbender befasste Exper- einzelne stationäre Versorgungsbereiche chen und pflegerischen Versorgungsbereich, ten dahingehend einig, dass die zentrale in Betreuungsqualität der Administration und dem Qualitäts- Herausforderung darin besteht, eine best- signifikant besser entwickelt haben als management überarbeitet. Das Vorgehen mögliche Betreuung unabhängig des je- andere. Die Absicht des im Folgenden vor- wurde gewählt, um die Validität, Praktika- weiligen Sterbeortes zu organisieren [1]. gestellten Qualitätssiegels ist es, Kranken- bilität und den Nutzen für die Einrichtung Trotz unterschiedlicher Bemühungen fehlt häuser bzw. stationäre Pflegeeinrichtun- bereits im Entwicklungsprozess bestmög- bis heute eine Vorgehensweise, wie dieses gen, die bereits eine gute bzw. sehr gute lich zu sichern. Ziel erreicht werden kann. In zwei umfas- Versorgungsqualität Betreuung Aktuell werden erste Probe-Praxisim- senden Studien in den Jahren 2013 (212 Schwerstkranker und Sterbender durch plementierungen bzw. Verfahrensprüfun- Krankenhäuser mit über 1400 Teilneh- ihr Qualitätsmanagement erreicht haben, gen in unterschiedlichen Einrichtungen mern [3]) und 2014 (mehr als 300 Einrich- auszuzeichnen anzuerkennen) vollzogen. Erneut ist es das Ziel, einen be- tungen ihrer erreichten in (hierfür der Pflegeeinrichtungen bzw. Einrichtungen, welche die hierfür lastbaren und zugleich effizienten Vorge- mit über 2000 Teilnehmern [4]) konnte notwendigen Versorgungsprozesse entwi- hensprozess, der sich u.a. an den bereits gezeigt werden, dass die erreichte Ergeb- ckeln wollen, zu unterstützen [6]. im Aufbau eines systematischen Qualitäts- stationärer nisqualität in den Krankenhäusern gegen- managements (DIN, KTQ, etc.) gesammel- George W, Banat A. Palliativ-freundliches Krankenhaus und Palliativ-freundliche stationäre Pflegeeinrichtung Deutsche Zeitschrift für Onkologie 2014; 46: 131–133 131 Autoren-PDF Nutzen des Prüfsiegels werden verbindlich reguliert und soll- der Prozessentwicklung über das Patien- Der Erfolg des neuen Prüfsiegels wird sitiv auswirken. Es ergeben sich wün- tenrisikomanagement angeboten. Es ist maßgeblich davon abhängen, wie groß schenswerte Konsolidierungen mit den stationären dessen Nutzen von den Betroffenen be- den komplementären Versorgungs- Pflegeeinrichtungen möglich, nur das Prüf- wertet wird. Die Autoren sind sich sicher, partnern, z.B. dem ambulanten Sektor. siegel zu erwerben bzw. das Siegel im dass das Prüfsiegel substanziellen Nutzen Die Hospiz-Bewegung hat aufgezeigt, Rahmen einer allgemeinen Zertifizierung bietet. Die Wesentlichsten sollen kurz aus- dass sich breite, gesellschaftliche Ver- zu erwerben. Auch aus diesem Grund geführt werden: antwortlichkeit zugunsten einer best- wurde die Kooperation mit dem etablier- " Für den Sterbender: Die Ziele zur Be- möglichen Betreuung Sterbender und ten deutschen KTQ-Zertifizierungsinstitut treuung Schwerstkranker und Ster- Schwerkranker herstellen lässt. Hier- gewählt. bender, wie etwa in der „Charta zur von können die stationären Einrich- Betreuung Schwerstkranker und Ster- tungen profitieren: die Bürger wie Aufbau bender“ (http://www.charta-zur-be- auch der einzelne Patient und dessen treuung-sterbender.de/) oder den Familie verstehen, dass in zahlreichen Die insgesamt 101 Prüfkriterien fokussie- „Grundsätzen der Bundesärztekammer Situationen das Krankenhaus/die sta- ren mit ca. 30 % die erreichte Ergebnis- zur ärztlichen Sterbebetreuung“ tionäre Pflegeeinrichtung der best- qualität und mit ungefähr 40 % die struk- (http://www.bundesaerztekammer.de/ mögliche Ort zum Sterben ist. Dies turellen page.asp?his=0.6.5048) formuliert, verantwortungsbewusst zu ermögli- besonderer Bedeutung sind die auf die werden durch den Erwerb des Siegels chen, wird als Zeichen von Kompetenz Prozessentwicklung bezogenen Kriterien, in hohem Maß umgesetzt und sichern also etwa solche, die auf die kontinuierli- damit die verbleibende Lebensqualität che Entwicklung und Verbesserung der in- des Sterbenden bestmöglich. träger: Die Mitglieder (und auch deren Für die Angehörigen und Familie: Die Familienangehörigen, die häufig Mit- bleibenden ca. 30 % der Items ausmachen. Orientierung an der Situation, den Be- glied in derselben Krankenkasse sind) Zu den 3 Qualitätsdimensionen addieren dürfnissen und Möglichkeiten des fa- bestmöglich versorgt zu wissen, ist sich zusätzlich „offene Kriterien“, in wel- miliären Systems ermöglicht es, dass zentrales Anliegen aller Krankenkas- che spezifische Potenziale und Erfahrun- diese nach ihren Möglichkeiten in den gen des Versorgungsbereiches eingehen Versorgungsprozess einbezogen und können. Aufbau und Ablauf zur Ermittlung damit auch entlastet werden. Die Ab- die ambulanten bzw. sektoriellen Part- der Versorgungsqualität in den einzelnen schiednahme vom Verstorbenen wird ner ist es nützlich zu wissen, wie die Bereichen orientiert sich an dem Serv- ebenso sichergestellt wie die admini- Betreuung Sterbender in der stationä- Qual-Modell [5, 7], sodass der Versor- strativen Regulationen. Über den Tod ren Einrichtung organisiert ist. Sowohl gungsprozess des Sterbenden von dessen hinaus werden den Angehörigen orga- für eine begründete Einweisung als Aufnahme bis hin zur Abschiednahme ab- nisatorische als auch psychologische auch in der Entwicklung und Etablie- gebildet wird. Unterstützungen aktiv angeboten. rung integrierter Versorgungsangebote Für die beruflichen Helfer (insbeson- oder einer spezialisierten ambulanten Implementierung dere Pflegende und Ärzte): Die Ver- palliativen Versorgung (SAPV). Die Implementierung erfolgt unter Anpas- höht. Informations- und Kommunika- Das Prüfsiegel wird anlässlich des 2. Kon- sung des in der Einrichtung etablierten tionssituationen werden etabliert bzw. gresses „Sterben im Krankenhaus und sta- QM-Systems und orientiert sich idealty- verbindlicher eingeführt. Dies führt tionären Pflegeeinrichtungen“ am 22.11. pisch an: nicht nur zu Entlastungen, sondern 2014 in Gießen vorgestellt. a. Vorgespräch, Randbedingungen und auch zu verbesserter Einsatzplanung, Vertragsabschluss koordinierter Fortbildung etc. Ärzte ten Kompetenzen orientiert, zu etablieren. PRAXIS Zusätzlich wird optional die Möglichkeit Krankenhäusern bzw. Qualitätsvoraussetzungen. Von ternen Abläufe zielen und welche die ver- " " begehung Begutachtungsaudit (vorausgegangene Selbsteinschätzung) d. Siegelvergabe und schriftlicher Bewere. der Einrichtungsträger eingeschätzt. " Für den Kosten- bzw. Versicherungs- sen. " Für die komplementären Partner: Für bindlichkeit des Vorgehens wird er- b. Prüfung der Dokumentation und Ortc. ten sich auch auf das Arbeitsklima po- " Autorenerklärung: Die Autoren erklären, und Pflegende, die sich für Sterbende dass keine finanziellen Interessenkonflikte engagieren, werden fachlich bestärkt im Zusammenhang mit diesem Beitrag be- und erhalten Anerkennung. stehen. Für das Management/Einrichtungsträger: Die Auszeichnung mit dem Quali- tung online: tätssiegel ist dem externen und inter- http://dx.doi.org//10.1055/s-0033–1357710 Wiederholungsaudit nen Image der Einrichtung zuträglich. Interne Zuständigkeiten und Abläufe 132 George W, Banat A. Palliativ-freundliches Krankenhaus und Palliativ-freundliche stationäre Pflegeeinrichtung Deutsche Zeitschrift für Onkologie 2014; 46: 131–133 Autoren-PDF Prof. Dr. phil. Wolfgang George TransMit Projektbereich für Versorgungsforschung und Beratung Medizinisches Seminar George Jahnstr. 14 35394 Gießen E-Mail: [email protected] Literatur [1] Al-Qurainy R, Collis E, Feuer D. Dying in an Acute Hospital Setting: The Challenges and solutions. Int J Clin Pract 2009; 63(3): 508–515 [2] George W. Aktuelle empirische Daten zur Sterbesituation im Krankenhaus. Medizinische Welt 1990; 41: 375–378 [3] George W, Dommer E, Szymczak V. Sterben im Krankenhaus. Gießen: Psychosozial; 2013 [4] George W. Sterben in stationären Pflegeeinrichtungen. Gießen: Psychosozial; 2014 [5] Lages LF, Fernandes JC. The SERPVAL scale: A multi-item instrument for measuring service personal values. J Business Res 2005; 58(11): 1562–1572 Summary The central challenge in the care for the dying is to provide a dignified death regardless of the place of death safely. Because approximately 90 % of all people in Germany die in inpatient facilities, the primary attention should particularly focus on these areas of work. For this purpose, the quality seal „palliative-friendly hospital“ was developed. A total of 101 relevant criteria in the areas of communication, decision making, spatial and temporal situation, family integration, training, symptom control, treatment, internal and external co-operation were identified. In this way, the hallmark of a dignified death care, of the necessary structural quality, process quality and the quality of results achieved to date are recorded. With the death care mandated institutions have the opportunity to purchase the new quality seal in a separate process. The aim is, however, that the seal is acquired as part of the general audits of the facilities. Keywords: palliation, oncology, death care, palliative-friendly hospital [6] McKeown K, Haase T, Pratschke J, Twomey S, Donovan H, Engling F. Dying in Hospital in Ireland: An Assessment of the Quality of Care in the Last Week of Life, Report 5, Final Synthesis Report, Dublin: Irish Hospice Foundation; 2010. Available at http://www. hospicefriendlyhospitals.net [7] Parasuraman A, Zeithaml V, Berry L. SERVQUAL: A multiple-item scale for measuring consumer perception of service quality. J Retailing 1988; 64(1): 12–40 George W, Banat A. Palliativ-freundliches Krankenhaus und Palliativ-freundliche stationäre Pflegeeinrichtung Deutsche Zeitschrift für Onkologie 2014; 46: 131–133 PRAXIS Korrespondenzadresse 133