Funktionelle Dysphonien bei SängerInnen

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Funktionelle Dysphonien bei SängerInnen
UNIVERSITÄT FÜR MUSIK UND DARSTELLENDE KUNST WIEN
Institut für Musik- und Bewegungserziehung, sowie Musiktherapie
Funktionelle Dysphonien
bei SängerInnen
Behandlungstechniken und komplementärmedizinische
Alternativen mit Erfahrungsberichten
von CranioSacral Therapie Sitzungen
Diplomarbeit
zur Erlangung des akademischen Grades
Magister/Magistra artium (Mag. art.)
von
Generose Sehr
Betreuer: Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Matthias Bertsch
Studienrichtung: Instrumental(Gesangs)pädagogik (Gesang – Klassik)
Wien 2014/15
1
1.1 Kurzfassung
Diese Arbeit versucht einen Überblick über die Typologie der Stimmstörungen,
deren Verbreitung unter SängerInnen und diversen klassischen und komplementärmedizinischen Behandlungsmöglichkeiten zu geben. Da ausgeprägte gesangstechnische Probleme ihren Ursprung in einer funktionellen Störung haben können
oder im Umkehrschluss zu einer solchen führen können, liegt das Augenmerk auf
dieser Unterkategorie der Stimmstörungen. Das Streitthema Schulmedizin versus
Komplementärmedizin
und
unterschiedliche
Ansätze
zur
Erforschung
der
Effektivität von therapeutischen Verfahren werden im Mittelteil der Arbeit behandelt.
Eine
ausführliche
Beschreibung
der
CranioSacral
Therapie
als
manuelle
komplementär-medizinische Behandlungsmöglichkeit bildet die Überleitung zu einer
qualitativen Interviewstudie. In dieser wurden acht SängerInnen über ihre
Erfahrungen mit CranioSacral Therapie Behandlungen bei stimmlichen Problemen
befragt. Die Erfahrungen der Befragten deuten darauf hin, dass CranioSacral
Therapie eine hilfreiche Unterstützung für die Behandlung von Stimmstörungen
sein kann und weitere Forschungen in diesem Themenfeld interessant sein
könnten.
1.2 Abstract
This thesis aims to give an overview of various types of voice disorders, their
prevalence among singers and the various classical and complementary medical
therapies to treat them. As problems with singing technique could originate from
functional disorders or could result in these, the focus is on this sub-category of
voice disorders. The dividing views on academic medicine versus complementary
medicine and the different approaches to investigate the efficacy of therapeutic
methods are discussed in the mid-section of this thesis. An extensive description of
CranioSacral Therapy as a manual complementary medical treatment leads to a
qualitative interview study. Eight singers were interviewed on their experiences with
CranioSacral Therapy treatment for vocal problems. Their answers indicate that
CranioSacral Therapy could be helpful in the treatment of voice disorders.
Therefore this is a potential area for further research.
2
Inhaltsverzeichnis
1.1
Kurzfassung ............................................................................................... 2
1.2
Abstract ..................................................................................................... 2
2
Einleitung ................................................................................................... 5
3
Stimmprobleme bei SängerInnen – Epidemiologie und mögliche Ursachen
................................................................................................................... 7
4
Dysphonien .............................................................................................. 13
4.1
Organische Dysphonien .......................................................................... 13
4.2
Funktionelle Dysphonien ......................................................................... 14
4.3
„Nur“ funktionell oder doch psychogen? .................................................. 20
5
Therapiemöglichkeiten bei funktionellen Dysphonien .............................. 24
5.1
Klassische Therapiemöglichkeiten........................................................... 24
5.2
Wirksamkeitsstudien zu klassischer Stimmtherapie ................................ 30
5.3
Komplementäre Therapiemöglichkeiten .................................................. 32
5.4
Kurzbeschreibungen diverser Komplementärmedizinischer Verfahren bei
Stimmstörungen ....................................................................................... 33
6
Komplementärmedizin versus Schulmedizin ........................................... 49
6.1
Wer nutzt Komplementärmedizin? ........................................................... 51
6.2
Die Nutzung von Komplementärmedizin unter SängerInnen ................... 57
6.3
Biopsychosozial versus Körper-Seele-Geist-Einheit ................................ 60
6.4
Forschung in der Komplementärmedizin versus Forschung in der
Schulmedizin ........................................................................................... 64
6.5
7
Forschung bei Stimmstörungen ............................................................... 74
Die CranioSacral Therapie....................................................................... 78
7.1
Erklärungsmodelle ................................................................................... 78
7.2
Studienlage zur CranioSacral Therapie ................................................... 83
7.3
Anatomische Zusammenhänge bei Stimmstörungen .............................. 86
7.4
Mögliche Ansatzpunkte der CranioSacral Therapie bei Stimmstörungen 95
3
8
Interviewstudie ......................................................................................... 99
8.1
Methode ................................................................................................... 99
8.2
Ergebnisse ............................................................................................. 103
9
Zusammenfassung ................................................................................ 115
10
Ausblick ................................................................................................. 118
11
Literaturverzeichnis ................................................................................ 119
12
Anhang .................................................................................................. 126
12.1
Interview-Leitfaden ................................................................................ 126
12.2
Transkription der Interviews ................................................................... 127
13
Lebenslauf ............................................................................................. 231
14
Eidesstattliche Erklärung ....................................................................... 233
4
2
Einleitung
Viele Gespräche mit SängerInnen und GesangslehrerInnen und meine eigenen
Erfahrungen haben mir gezeigt, dass fast jede/r SängerIn im Laufe ihres/seines
Lernens oder Lehrens mit stimmlichen Problemen oder Störungen in Berührung
kommt. Dies ist jedoch ein Themenfeld, das – im Gegensatz zu Problemen mit den
eigenen SchülerInnen – nicht gern angesprochen wird. Störungen, Blockaden und
Selbstzweifel sind Tabu-Themen in Sängerkreisen, für die erst in den letzten
Jahren durch offene Statements von Stars wie Jonas Kaufmann oder Elisabeth
Kulmann ein Problembewusstsein entstanden ist.
Ursprünglich
sollte
diese
Arbeit
eine
Zusammenstellung
von
–
den
Gesangsunterricht positiv unterstützenden – (Körper-) Therapieformen werden. Ein
Ratgeber für gesangliche / gesangstechnische Probleme, die sich nicht durch Üben
lösen lassen. Doch wo beginnt ein technisches Problem und ab wann spricht man
bereits von einer Stimmstörung? Was, wenn ein technisches Problem vielleicht eine
psychische Ursache hat? Welche Therapieform hilft bei welchem Problem? Wie
lässt sich das herausfinden?
Viele Fragen und keine konkreten Antworten.
Literatur über technische Probleme im Gesangsunterricht gibt es kaum, wohl aber
über Stimmstörungen. Im Laufe der Beschäftigung stellte sich für mich heraus,
dass genau genommen jedes technische Problem, das zu stimmlichem
Unbehagen, Verkrampfungen oder rauer, behauchter oder heiserer Stimmgebung
führt, bereits zu den funktionellen Stimmstörungen zählt. Somit bildete dieser
Begriff einen wenigstens halbwegs greifbaren Ansatz für meine Arbeit.
Ausgehend von meinen eigenen Erfahrungen mit Therapieformen, die sich positiv
auf mein Singen ausgewirkt haben, beschäftigte ich mich dann mit diesen und
stellte fest, dass diese zur Gänze in den Bereich der Komplementärmedizin fallen.
Und über einen Satz stolperte ich immer wieder:
Bisher gibt es keinen evidenzbasierten Nachweis über die Wirksamkeit dieser
Therapie.
Und so geriet ein Stein ins Rollen. Was ist Komplementärmedizin? Wie
unterscheidet sie sich von der Schulmedizin? Warum gibt es Gegner und
Befürworter?
Was
ist
evidenzbasierte
Medizin?
Warum
ist
die
Komplementärmedizin so wenig erforscht? Wie ließe sich das ändern?
5
So soll diese Arbeit nun eine Zusammenstellung der verschiedenartigen
Stimmstörungen, der Epidemiologie unter SängerInnen und der unterschiedlichen
(klassischen und komplementärmedizinischen) Behandlungsmöglichkeiten sein. Ein
weiterer Schwerpunkt bildet die Beschäftigung mit der medizinischen Forschung im
Zusammenhang
mit
den
Möglichkeiten
der
Erforschung
komplementär-
medizinischer Verfahren.
Unsere Stimme bildet eine Schnittstelle zwischen Körper und Psyche und kann
nicht aus einem technischen Blickwinkel von Problem und Lösung, Fehler und
Reparatur verstanden werden. Die Stimme ist direkt mit der individuellen
Persönlichkeit verknüpft und in ihr äußern sich körperliche und seelische Zustände
direkt. So liegt es nahe, dass auch die Therapie, die zur Gesundung der Stimme
führen soll, einen umfassenden Blick auf Körper und Seele werfen muss.
Ich selbst erlebte diese Verknüpfung bisher am eindrücklichsten bei der
CranioSacral Therapie und entschloss mich deshalb, diese Therapieform
herauszunehmen, zu beschreiben und erste Schritte zur Erforschung von
CranioSacral Therapie bei SängerInnen zu wagen. Zur Frage „Wie ist – aus Sicht
der Behandelten – die Wirkung und Wirkweise der CranioSacral Therapie bei
stimmlichen Problemen und im Vergleich zu anderen Verfahren und welchen
Zugang haben die Befragten zur Komplementärmedizin?“ wurden acht Interviews
mit SängerInnen geführt. Die Sichtweisen der Befragten, die (zum Teil aufgrund
von Stimmstörungen oder stimmlichen Problemen) CranioSacral Therapie in
Anspruch nahmen oder nehmen, bilden eine Ergänzung zu den bisher
ausschließlich aus TherapeutInnensicht veröffentlichten Fallbeispielen und sollen
einen Anstoß zur weiteren Erforschung dieses Feldes geben.
6
3
Stimmprobleme bei SängerInnen –
Epidemiologie und mögliche Ursachen
„Schon die griechische Mythologie illustriert die Zusammengehörigkeit von
Musik, Schönheit und Heilkraft durch die Genealogie ihrer Götter: So wurde
Apollo als Gott der Musik und der Heilkunst verehrt. Er zeugte Orpheus, den
größten Sänger der Antike, dem er das Spiel auf der Lyra bis zur Meisterschaft
beibrachte, und Asklepios, den Vater der Medizin, den er in der Heilkunst
unterrichtete. Demnach sind Musik und Medizin Halbbrüder." (Spahn, Richter,
& Altenmüller, 2011, S. 1)
Ein schönes Bild, doch es scheint, die Halbbrüder seien lange Zeit getrennt
gewesen und entdecken erst jetzt wieder ihre Verbindung und vor allem ihre
Verantwortung füreinander. Über die heilende Wirkung der Musik wurde viel
geforscht und philosophiert und inzwischen wird die essentielle Bedeutung der
Musik von vielen anerkannt. Ob nun Operationen bei (klassischer) Musik
stattfinden, aktives Musizieren in der Work-Life-Balance und somit auch
Burnoutprävention hoch im Kurs stehen oder das Feld der Musiktherapie in der
klinischen Praxis immer mehr Beachtung und Verwendung findet - die Musik hat
ihren Platz im medizinischen Alltag.
Doch die Kunst der Musik, so heilend ihre Wirkung sein mag, birgt auch einiges an
gesundheitlichen Beanspruchungen für diejenigen, die sich ihr zur Gänze
verschrieben haben, sprich ihren Lebensunterhalt damit verdienen.
Schmerzen
und
Verspannungen
aufgrund
einseitiger
Belastung,
Beeinträchtigungen des Hörvermögens, Burnout oder Auftrittsangst sind nur einige
wenige gängige Krankheitsbilder von professionellen MusikerInnen.
Während es schon lange das Feld der Sportmedizin gibt, entwickelte sich erst
langsam in den letzten Jahren der Bereich der Musikermedizin. Musizieren ist –
professionell ausgeübt - eine Hochleistungssportart und bedarf der entsprechenden
Betreuung. Genauso wie Spezialisten in der medizinischen Betreuung von
SportlerInnen notwendig sind, braucht auch die Musikermedizin besonders
ausgebildete MedizinerInnen.
7
„Eine der Hauptaufgaben eines Musikermediziners ist es daher, quasi als
Übersetzer zwischen der Sprache der Musiker und Sänger und der Sprache
der behandelnden Ärzte und Therapeuten tätig zu sein. In der Regel sind Ärzte
mit musikermedizinischem Schwerpunkt selbst praktizierende Musiker oder an
Musik Interessierte und somit gewissermaßen "zweisprachig" kompetent in den
Begrifflichkeiten der Musik und der Medizin." (Spahn, Richter, & Altenmüller,
2011, S. 6)
Auch wenn sie hier mit den MusikerInnen zusammengefasst werden, kommt den
SängerInnen nochmal eine gesonderte Bedeutung zu. Im Gegensatz zu allen
anderen MusikerInnen haben sie kein externes Instrument sondern sind selbst das
Instrument.
Diese Tatsache bringt einige beachtenswerte Umstände mit sich:
Da nahezu der ganze Körper ist an der Stimmproduktion beteiligt ist, haben somit
auch Veränderungen des Körpers Auswirkungen auf diese. Wie genau die
Zusammenhänge sich darstellen und warum tatsächlich die kleinste Veränderung
schon zu großen Auswirkungen führen kann, wird später erst erläutert werden.
Zunächst
einmal
ein
kleiner
Abriss
über
die
Epidemiologie
von
Musikererkrankungen. In den letzten dreißig Jahren wurden einige große Studien
zum
Thema
Musikererkrankungen
durchgeführt,
die
wiederum
inzwischen
systematisch analysiert wurden. Trotz der enormen Differenzen in den Angaben
wie viele MusikerInnen nun tatsächlich an einer beeinflussenden Erkrankung
leiden, steht fest, dass eine spezielle Musikermedizinische Betreuung dringend
notwendig ist:
„Trotz einer Vielzahl methodischer Schwierigkeiten in den einzelnen
epidemiologischen Studien bei Musikern weisen die vorhandenen Daten
übereinstimmend darauf hin, dass Musiker relevante gesundheitliche
Beschwerden haben. Die Untersuchungen legen nahe, dass die Mehrzahl der
professionellen, im klassischen Bereich tätigen Musiker (je nach Studie bis zu
80%) unter medizinischen Problemen leiden, welche im Zusammenhang mit
ihrer Berufstätigkeit stehen und sie beim Musizieren und in ihrem
gesundheitlichen Befinden beeinträchtigen. Es handelt sich vornehmlich um
Schmerzen des Bewegungssystems - hier leidet etwa jeder zweite unter
chronischen Schmerzen - und um psychische Beeinträchtigungen,
insbesondere Auftrittsängste." (Spahn, Richter, & Altenmüller, 2011, S. 13;
Williams, 2003)
8
Während
es
für
viele
MusikerInnen-Gruppen
bereits
Studien
über
musikermedizinisch relevante Belastungssyndrome gibt, sind epidemiologische
Studien zu Stimmstörungen bei SängerInnen sehr dünn gesät.
Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass sogenannte Angehörige
eines stimmintensiven Berufs (SängerInnen, SprecherInnen (SchauspielerInnen),
LehrerInnen
und
ErzieherInnen
aber
auch
Call-Center-Agents,
Aerobic-
TrainerInnen, SeelsorgerInnen und SchalterbeamtInnen in der Kundenbetreuung)
(vgl. (Richter & Echternach, 2010)) aufgrund ihrer höheren Belastung auch einem
höheren Risiko für Stimmstörungen ausgesetzt sind.
In einer schwedischen Studie von Fritzell wurden in den Jahren 1992 und 1993 die
Anzahl von rund 1200 PatientInnen mit Stimmstörungen und deren Berufsgruppen
untersucht und mit der restlichen arbeitenden Bevölkerung verglichen. Eine
ebensolche Studie erfolgte zwischen 1991 und 1993 in den USA, allerdings mit
wesentlich weniger StudienteilnehmerInnen. Kombiniert man die Ergebnisse der
beiden Studien, kommt man zu dem Resultat „that the occupation 'singer' is at
greatest risk [...]". (Williams, 2003, S. 457)
Es gibt einzelne Studien, die sich mit Stimmstörungen bei SängerInnen
auseinandergesetzt haben und auch wenn die Ergebnisse höchst unterschiedlich
sind, kommen doch alle zu dem Schluss, dass SängerInnen im Vergleich zu NichtSängerInnen
vermehrt
an
Stimmproblemen
leiden.
Dass
Menschen
in
Stimmberufen wesentlich sensibler auf Störungen dieses Organs reagieren und
schon
kleine
Einschränkungen
große
Auswirkungen
auf
ihre
berufliche
Leistungsfähigkeit haben können, spielt bei diesen Angaben natürlich auch eine
Rolle.
So schreiben auch Phyland, Oates und Greenwood in ihrer Studie von 1997:
„Singers are a high-risk occupational group for the development of voice
problems [...].” (Phyland, Oates, & Greenwood, 1999, S. 603).
Allerdings
unterscheiden
sie
zwischen
stimmlicher
Beeinträchtigung,
Arbeitsunfähigkeit und Behinderung. Die unterschiedlichen Ergebnisse der
bisherigen Studien führen sie unter anderem darauf zurück, dass kein Unterschied
zwischen diesen drei Begriffen gemacht wurde. Es wurden nur SängerInnen in die
Studie inkludiert, die regelmäßig auf der Bühne tätig waren und ihr Einkommen
(zumindest teilweise) damit bestritten. Als klares Ziel galt die Häufigkeit von
9
Stimmproblemen unter ausübenden SängerInnen zu evaluieren und festzustellen,
ob es Unterschiede bei verschiedenen Genres (Oper, Musical und Jazz/Pop) gibt.
Mittels Fragebogen wurden Angaben zu Stimmgewohnheiten, stimmlichen
Erfahrungen und stimmlicher Gesundheit der letzten zwölf Monate erfragt. Ebenso
wurde nach Beeinträchtigungen und Behinderungen der Sprech- wie auch der
Singstimme und Arbeitsunfähigkeit aufgrund stimmlicher Erkrankungen in diesem
Zeitraum gefragt. Die SängerInnen gaben zudem ihre Stimmlage und den
Gesangsstil, die Anzahl der Aufführungen und die Anzahl an gesungenen Stunden
pro Monat an. Eine Kontrollgruppe, bestehend aus nicht-singenden Bekannten der
StudienteilnehmerInnen, beantwortete lediglich den Fragebogen zur Sprechstimme.
Insgesamt nahmen 171 Sänger und Sängerinnen und 86 Nicht-SängerInnen an der
Studie teil.
Bei rund 44% der SängerInnen wurde im Laufe der abgefragten zwölf Monate eine
Stimmstörung
von
einem/r
Arzt/Ärztin
diagnostiziert.
Die
Genre-Gruppen
untereinander unterschieden sich kaum, es gab jedoch einen signifikanten
Unterschied zu den Nicht-SängerInnen, die lediglich bei 21% lagen.
Während es keinen signifikanten Unterschied in den Angaben zur stimmlichen
Beeinträchtigung der Sprechstimme zwischen SängerInnen und Nicht-SängerInnen
gab, überwog die Rate der Arbeitsunfähigkeit aufgrund von Stimmstörungen bei
den SängerInnen deutlich.
„This discrepancy suggests that either singers and non-singers experience the
same prevalence of vocal impairment but differ in the perception of its
significance (vocal disability) or that the differences between the two groups
exist in the frequency of occurrence, duration and severity of symptoms, or that,
although singers experience similar symptoms of vocal impairment for the
speaking voice to the non-singers, they experience higher rates of vocal
disability due to problems related to the singing voice." (Phyland, Oates, &
Greenwood, 1999, S. 609)
Entgegen vieler gängiger Meinungen wurde bei den drei verschiedenen GesangsGenres kein Unterschied in der Häufigkeit oder Art der Beeinträchtigung durch
Stimmprobleme festgestellt. Die AutorInnen merkten jedoch an, dass bewusst
SängerInnen "härterer" Musik wie Rock oder Heavy Metal aus der Evaluation
ausgeschlossen wurden.
10
In ihren Ergebnissen sehen die AutorInnen „an obvious need for the development
and implementation of education programs for the prevention and management of
voice disorders among professional singers." (Phyland, Oates, & Greenwood, 1999,
S. 610)
Diese Zahlen und Ausführungen mögen zunächst erschreckend wirken, beachtet
man jedoch das komplizierte Zusammenspiel verschiedener Körperteile, das für
eine gesunde Stimmproduktion nötig ist, wird schnell klar, dass sehr viel
Angriffsfläche für Störungen vorhanden ist.
Natürlich ist der Kehlkopf mit den integrierten Stimmlippen das primäre
Stimmfunktionsorgan und als solches auch das empfindlichste Teil des ganzen
Systems. Dieser besteht aus der Schleimhaut, dem Knorpelgerüst sowie den
inneren und äußeren Muskeln. Die innere Muskulatur ist verantwortlich für die
Verengung und Erweiterung der Stimmritze und für die Spannung und
Entspannung der Stimmlippen. Die äußere Muskulatur bestimmt die Position des
Kehlkopfes im Hals.
Veränderungen der Schleimhautbeschaffenheit oder Verspannungen der inneren
und äußeren Kehlkopfmuskulatur sind somit die ersten Angriffspunkte für
Störungen.
Für die Klangbildung sind die oberhalb der Stimmlippen gelegenen Ansatzräume
verantwortlich. Genau genommen zählt dazu also schon der Kehlkopfeingang
gemeinsam mit
Rachen,
Mundhöhle mit
weichem
Gaumen,
Zunge
und
Zungenmuskulatur, Kiefer, Lippen und Wangen, Nase und deren Haupt- und
Nebenhöhlen.
„Alle Ansatzräume sind von Schleimhaut ausgekleidet. Aufgrund unwillkürlicher
Nervenimpulse wird eine ständige Absonderung von Schleim gewährleistet, der
für die normalen Funktionen dieser Räume sowohl bei der Nahrungsaufnahme
als auch bei der Stimm- und Lautbildung unerläßlich ist. Dabei führt zu wenig
Schleim ebenso zu Beeinträchtigungen wie zu viel." (Seidner & Wendler, 1997,
S. 113)
Für eine korrekte Stimmproduktion ist eine korrekte Atmung unerlässlich. Somit
spielen die Lunge und ihre Funktion sowie der Brustkorb mit seinen integrierten
Ein- und Ausatemmuskeln eine große Rolle. Die Zwerchfellaktivität ist für die
11
Einatmung unerlässlich und um die folgende Ausatmung bewusst zu steuern und
effizient zu gestalten, ist eine gut ausgebildete Bauchmuskulatur von Nöten.
„Proper abdominal training is essential to good singing, and the physician must
consider abdominal function when evaluating vocal disabilities." (Sataloff, S. 3)
Fehlhaltungen oder Fehlbelastungen und die daraus erfolgenden Verspannungen
können sowohl die Atemmuskulatur als auch die Kehlkopfmuskulatur beeinflussen
und somit für Störungen der Stimmfunktion (mit)verantwortlich sein.
Auch der psychische Zustand eines/r SängerIn hat direkte Auswirkungen auf die
Stimmfunktion.
„Psychologic phenomena are reflected through the autonomic nervous system,
which controls mucosal secretions and other functions critical to voice
production. The nervous system is also important for its medication of fine
muscle control." (Sataloff, S. 3)
Als direkter körperlicher Einflussfaktor ist nun noch das Alter zu nennen. Die
natürliche Spannung der Muskulatur lässt nach, die Lungenelastizität verringert sich
und hormonelle Umstellungen bewirken Veränderungen des ganzen Körpers.
Natürlich
können
auch
Schleimhautbeschaffenheit
verschiedene
oder
auf
Krankheiten,
Muskelfunktionen
die
sich
auf
die
auswirken,
für
eine
Stimmstörung verantwortlich sein. Hier sind vor allem Kiefergelenksstörungen,
Reflux, Allergien und verschiedene hormonelle Störungen oder Veränderungen wie
sie etwa bei Schwangerschaft, der Menopause oder Krankheiten wie der
Hypothyreose auftreten, zu nennen.
Auch Rauch, Alkohol, Klimaanlagen und verschiedene Nahrungsmittel haben
Auswirkungen auf die Schleimhäute und sind damit Negativ-Einflüsse für die
Stimmproduktion.
Anhand dieser Ausführungen wird sehr deutlich, welchen Unterschied es im
Gegensatz zu anderen MusikerInnen nun wirklich macht, dass ein/e SängerIn das
Instrument nicht ablegen und einpacken kann. Und es leuchtet auch ein, dass
Stimmfunktionsstörungen bei dieser Vielzahl an Einflussfaktoren keine Seltenheit
sein können. Umso wichtiger ist es jedoch, einen entsprechenden Umgang in der
Prävention und Behandlung zu finden.
12
4
Dysphonien
Neben dem gesunden normalen Stimmklang (Euphonie) unterscheidet man
krankhafte Zustände, die bei einer Störung des Stimmklangs als Dysphonie und bei
einem Ausfall der Stimme als Aphonie bezeichnet werden. Ist, wie es in seltenen
Fällen vorkommt, nur die Singstimme gestört, so nennt man dies Dysodie.
Bei der Dysphonie wird desweiteren noch unterschieden zwischen organischer und
funktioneller Dysphonie. (vgl. (Schneider-Stickler & Bigenzahn, 2007))
4.1 Organische Dysphonien
Bei den organischen Dysphonien sind sichtbare Veränderung der Stimmlippen
festzustellen, die jedoch die unterschiedlichsten Ursachen haben können, die hier
nur kurz und nicht mit dem Anspruch auf Vollständigkeit behandelt werden, da der
Fokus dieser Arbeit auf funktionellen Dysphonien und der Sonderform der Dysodie
liegt. Sofern nicht anders angegeben, sind die Informationen zu diesem Kapitel
überwiegend dem Buch „Stimmstörungen“ (Nawka & Wirth, 2008) entnommen. Die
beiden Autoren versuchen ein möglichst umfangreiches Kompendium zum Thema
Stimme zu liefern und haben sich im Zuge dessen auch mit den verschiedenen
Formen der Dysphonie auseinander gesetzt.
Eine häufige Ursache für eine organische Dysphonie könne eine akute oder
chronische Kehlkopfentzündung sein. Hier zeigten sich die Stimmlippen stark
gerötet und unterschiedlich stark geschwollen. Bei einer fibrinösen Laryngitis seien
zudem weiße Beläge zu erkennen. Im Speziellen ist bei den chronischen
Kehlkopfentzündungen noch die Refluxlaryngitis zu nennen, die bisher schon
Gegenstand ausführlicher Forschungen war. Der Rückfluss von saurem Magensaft
könne sich sowohl in der Speiseröhre als auch im Kehlkopf bemerkbar machen und
dort chronische Entzündungszustände auslösen, wodurch wiederum die Oberfläche
der Stimmlippen angegriffen werde.
Das Schreckgespenst einer jeden Sängerin, eines jeden Sängers sind die
Stimmlippenknötchen. Bei dieser direkten Erkrankung der Stimmlippen führten
Ödeme in der Lamina propria zu Verdickungen des Stimmlippenrandes, bei denen
in manchen Fällen eine operative Entfernung notwendig sei, so Nawka und Wirth.
Als Ursache sei bei SängerInnen meist eine Überforderung der Stimme durch
13
Forcieren, falschen Stimmeinsatz, Singen in falscher Lage oder körperliche
Fehlstellungen, die durch Krafteinsatz kompensiert werden festzustellen. Ebenfalls
als organische Veränderung der Stimmlippen seien die Stimmlippenpolypen zu
nennen, die ebenfalls durch eine mechanische Überbeanspruchung entstehen.
Chronische Entzündungen und Tabakrauch spielen in den meisten Fällen eine
große Rolle. Eine Heilung ohne eine Operation sei nur in seltenen Fällen möglich.
Bleiben Dysphonien über lange Zeit unbehandelt, könne dies sogar eine
Fehlbildung des Kehlkopfes zur Folge haben.
Im Aussehen ähnlich den Stimmlippenknötchen sei noch die Stimmlippenzyste zu
nennen, die jedoch meist nur einseitig auftritt und deren Ursache unklar ist, es sei
jedoch davon auszugehen, dass keine Fehlbelastung oder Überbelastung vorliegt.
4.2 Funktionelle Dysphonien
Auch
diesem
ausführlicheren
Kapitel
liegt
die
Lektüre
des
Buches
„Stimmstörungen“ (Nawka & Wirth, 2008) zugrunde. Die Einteilung, welche von den
Autoren in ihrem Übersichtswerk verwendet wird, wurde hier weitgehend
übernommen, jedoch signifikant gekürzt und zusammengefasst. Allgemeine
Informationen zur Einteilung der funktionellen Stimmstörungen wurden unter
anderem den Werken „Die Sängerstimme“ (Seidner & Wendler, 1997) und
„Stimmdiagnostik“ (Schneider-Stickler & Bigenzahn, 2007) entnommen.
Als charakteristisch für funktionelle Dysphonien werden in der gesamten
einschlägigen Literatur der gestörte Stimmklang und die verminderte stimmliche
Leistungsfähigkeit genannt. Grundsätzlich sind jedoch primär keine organischen
Veränderungen der Stimmlippen oder des Kehlkopfes vorhanden. Ein längerer
Fortbestand einer funktionellen Dysphonie kann aber sekundär organische
Veränderungen hervorrufen.
Ebenso könne sich aufgrund einer langen kompensatorischen Nutzung der
Stimmfunktion bei einer organischen Dysphonie nach Beheben dieser (durch
Operation) eine funktionelle Dysphonie entwickeln, die erst nach Entfernung der
eigentlichen Ursache erkannt wird, so Nawka und Wirth.
Bei funktionellen Dysphonien wird in der gängigen Literatur noch unterschieden
zwischen hyperfunktionell (zu viel Spannung) und hypofunktionell (zu wenig
14
Spannung). Diese Veränderungen des Muskeltonus können sich sowohl in der
Aktivität
des
Atemapparats,
der
Spannung
der
Stimmlippen
und
der
Kehlkopfmuskulatur als auch in muskulären Ver- oder Unterspannungen des
gesamten Körpers zeigen.
Störungen der Sprechstimme können Auswirkungen in der Singstimme haben und
ebenso umgekehrt. Auch ist es möglich, dass eine Störung nur in der Sprech- oder
nur in der Singstimme (Dysodie) auftritt.
Als Ursachen können verschiedene Faktoren in Frage kommen, die oft in
Kombination auftreten und nicht immer leicht voneinander zu unterscheiden sind.
Nawka und Wirth unterscheiden in ihrem Buch fünf verschiedene Faktoren (vgl.
(Nawka & Wirth, 2008, S. 187/188):
konstitutionell (anlagenbedingt)
habituell (gewohnheitsbedingt)
ponogen (anstrengungsbedingt)
organisch (primär organische Veränderungen des Stimmapparats oder Krankheiten
anderer Körperteile, die Auswirkungen auf den Gesamtzustand und damit auf die
Stimmfunktion nehmen)
psychogen (psychisch bedingt)
Stimmstörungen, die aufgrund von Überlastung oder falschem Stimmeinsatz
entstehen, nenne man Phonoponosen. Hier werde noch zwischen Über- und
Unterfunktion entschieden. Eine anlagenbedingte (primäre) Unterfunktion, das heißt
wenn anatomische oder physiologische Voraussetzungen nicht für eine gesunde
Stimmproduktion ausreichen (aufgrund von Muskelschwäche oder Fehlbildungen),
könne in weiterer Folge zu einer sekundären Überfunktion werden, wenn der
permanente Versuch bestehe, die Mangelleistung mit Anstrengung auszugleichen.
Ebenso könne eine primäre Überfunktion (eine dauerhafte Überlastung) im Laufe
der Zeit zu einer sekundären Unterfunktion führen.
Als Ursachen für eine Überfunktion werden vor allem Fehlbelastung aufgrund von
Überforderung oder mangelhafter Ausbildung der Stimmfunktion genannt. Auch
organische Probleme können bei nicht eingehaltenen Schonzeiten zu einer
hyperfunktionellen Dysphonie führen. Jegliche Veränderungen der Haltung
aufgrund von Verspannungen oder Fehlstellungen, die sich vor allem auf den
Bereich der Halswirbelsäule und damit auf die äußere Kehlkopfmuskulatur
15
auswirken können, zählen ebenfalls zu den Auslösern einer Überfunktion. Auch
psychische Belastung könne bei Personen, die eine aktive Persönlichkeitsstruktur
haben zu erhöhter Anstrengung in der Bewältigung ihrer Aufgaben und damit zu
einer Überfunktion führen.
Besteht eine hyperfunktionelle Dysphonie über einen längeren Zeitraum, könne es
zu Stimmlippenknötchen oder Stimmlippenhämatomen als sekundäre organische
Veränderungen der Stimmlippen kommen.
Eine Unterfunktion entstehe durch Muskelschwäche der Kehlkopfmuskulatur, was
einen unvollständigen Stimmlippenschluss zur Folge hat.
Die
Ursachen
hierfür
seien
anlagebedingte
Schwächen
der
Muskulatur,
Erkrankungen mit Auswirkungen auf den Kehlkopf, eine lange währende
Überfunktion, Fehlhaltungen und ein langer Intubationsprozess bei schweren
Operationen.
Eine Sonderstellung unter den Dysphonien geben die Autoren der sogenannten
Berufsdysphonien. In Kombination mit oben genannten Faktoren spielen vor allem
Umwelteinflüsse (Lärm, Belastung der Atemwege durch bestimmte Stoffe) eine
wesentliche Rolle in der Entstehung von Berufsdysphonien.
Aufgrund der hohen stimmlichen Belastung spiele vor allem aber die konstitutionell
gegebene Leistungsfähigkeit der Stimme eine große Rolle in der Ausübung von
stimmintensiven
Berufen.
Deshalb
gebe
es
für
einzelne
Berufsgruppen
(SprecherInnen, SängerInnen) bereits Tauglichkeitsbeurteilungen. Aufgrund der
Erfahrungen und Forschungsergebnisse der letzten Jahre sollten auch LehrerInnen
einen solchen Test durchlaufen.
„Versicherungsrechtlich sind die funktionellen Dysphonien bei Lehrern und
anderen Sprechberufen nicht in der Liste der Berufskrankheiten aufgeführt und
können somit nicht als Berufskrankheit anerkannt werden, obwohl solche
Dysphonien zur Berufsunfähigkeit führen können. Keineswegs liegt jeder
Stimmstörung bei Lehrern eine Schädigung durch berufliche Einflüsse
zugrunde. Es gibt Menschen mit einer anlagenbedingten Schwäche der
Kehlkopfmuskulatur. Diese können eben keinen Sprechberuf ergreifen."
(Nawka & Wirth, 2008, S. 200)
16
Seidner und Wendler, die sich in ihrem Buch "Die Sängerstimme" ausführlich mit
Funktion und Entwicklung der Singstimme befasst haben, behandeln natürlich auch
Störungen dieser. In diesem Zusammenhang wurde schon oben der Begriff
„Konstitution"
erwähnt.
Seidner
und
Wendler
sehen
dies
als
zentralen
Ausgangspunkt, wie auch die folgende Abbildung 1 veranschaulicht:
„Ein pragmatischer Standpunkt wird eingenommen, wenn wir in das Zentrum
der Aufmerksamkeit die Konstitution stellen, die für alle physischen,
psychischen und gewohnheitsmäßigen Leistungen eine wesentliche Grundlage
bildet." (Seidner & Wendler, 1997, S. 235)
Abbildung 1: Wechselwirkungen zwischen ursächlichen Faktoren bei funktionellen Stimmstörungen
(Seidner & Wendler, 1997, S. 236)
17
Als Konstitution meinen Seidner und Wendler in dieser Hinsicht sowohl die
körperliche Gesamtverfassung unter Berücksichtigung der Erbanlagen als auch die
individuellen Veranlagungen, die Stärken und Schwächen für bestimmte Bereiche
ausweisen.
„Konstitutionelle Merkmale, die für einen Stimmberuf bedeutsam erscheinen,
dürfen also nicht nur auf die Stimme bezogen werden. Eine
überdurchschnittliche Stimmveranlagung durch günstige Verhältnisse in bezug
auf Bau und Funktion des Kehlkopfes sowie der Ansatzräume, insbesondere
auch deren akustische Abstimmungsmöglichkeiten, hat zwar einen gewissen
Vorrang, aber auch körperliche Stärke, allgemeine Belastbarkeit,
Persönlichkeitsstruktur, Stabilität des Herz-Kreislauf-Systems, neurovegetative
Erregbarkeit oder Irritabilität, Steuerung und Arbeitsweise des Muskelsystems,
Schleimhautbeschaffenheit u. a. wirken sich wesentlich aus." (Seidner &
Wendler, 1997, S. 235 f)
Zwischen Stimmstörungen, die sich aufgrund von akuten oder chronischen
seelischen Störungen entwickeln (Phonoposen) und psychogenen Stimmstörungen
unterscheiden Nawka und Wirth. Zweiteres entstehe, weil aus einem psychischen
Ungleichgewicht heraus die Kontrolle über die korrekte Stimmgebung beeinträchtigt
sei. Sie werden eingeteilt in Neurosen (u. a. Zwangsstörungen, Hysterien,
Hypochondrien, Phobien und Angststörungen), psychisches Trauma (seelische
Verletzung nach Missbrauch jeglicher Art) und psychosomatische Störungen
(körperliche Krankheiten, die sich aufgrund von seelischen Störungen entwickeln).
Psychogenen Stimmstörungen ist, der Literatur zufolge, eine größere Bedeutung
beizumessen, weshalb sie an anderer Stelle noch ausführlicher diskutiert werden.
Die spasmodische Dysphonie, so Nawka und Wirth sei eine in der Ursache noch
nicht geklärte neurologische Erkrankung der zentralen motorischen Steuerung, die
den Kehlkopf während des Sprechens befällt und deren Therapie sich sehr
schwierig gestaltet.
Eine Sonderform der funktionellen Stimmstörungen stellt die Dysodie dar. Sie
äußert sich in einer Störung der Sing- und Sängerstimme und wurde von Seidner
und Wendler mehrfach ausführlicher untersucht.
Dies setze jedoch bereits vorhandene oder erlernte sängerische Fähigkeiten
voraus, die infolge der Erkrankung gestört oder eingeschränkt sind. Krankhafte
organische Veränderungen seien im Normalfall nicht zu sehen und meist seien die
18
subtilen Funktionen der Stimmgebung wie z. B. der weiche Stimmeinsatz oder das
Pianosingen betroffen. (vgl. (Seidner & Wendler, 1997))
Die Ursachen für eine Dysodie seien sowohl innere als auch äußere
Einflussfaktoren, die meist nicht einfach voneinander zu trennen sind. Oft werde der
eigentliche Auslöser erst nach einiger Zeit gefunden.
Als häufigste Ursachen der Dysodie werden eine mangelhafte körperliche,
psychische
und
stimmliche
Konstitution,
Überlastung
und
psychische
Einflussfaktoren genannt. Fordernde Probenarbeit mit wenigen Ruhepausen,
technische Schwächen durch zu kurze oder falsche Ausbildung, Rollen in der
falschen Stimmgattung und eine zu forcierte und zu dramatische Ausführung
könnten die Entstehung einer Dysodie begünstigen.
Um
die
stimmliche
Leistungsschwäche
auszugleichen
werden
von
den
SängerInnen oft Kompensationstechniken entwickelt, die meist in Form von
muskulären
Überfunktionen
als
Verspannungen
der
Halsmuskulatur
oder
vermeintlich unterstützende Bewegungen in Mimik, Gestik und Körper zu sehen
seien.
Als letzte Ausprägung unter den funktionellen Dysphonien nennen Nawka und
Wirth noch die sogenannte Taschenfaltenstimme. Durch eine verminderte Funktion
bei
Überbeanspruchung
werde
die
Stimmproduktion
gewaltsam
weiterhin
herbeigeführt, wodurch es zu einer extremen Form der hyperfunktionellen
Dysphonie komme. Die Produktion der Taschenfaltenstimme erfolge durch die
Kontraktion des Taschenfaltenmuskels.
Vom Übergang der Kinderstimme zur Erwachsenenstimme behandeln Nawka und
Wirth die speziellen Formen der Mutationsstörungen, die im Groben vor allem
durch das Ausbleiben, die Verzögerung oder die verfrühte stimmliche Mutation
gekennzeichnet sind.
Vor allem bei Frauen sei noch zusätzlich die Möglichkeit einer hormonellen
Stimmstörung zu berücksichtigen. Wie bereits im ersten Kapitel erwähnt, zeigen
nahezu alle körperlichen Veränderungen eine Auswirkung auf die stimmliche
Leistungsfähigkeit. So habe bereits der normale weibliche Menstruationszyklus
19
einen Einfluss auf die Stimmfunktion, allerdings nicht auf die Sprechstimme
sondern lediglich auf die subtilen Feineinstellungen der Singstimme.
So könne zum Beispiel eine prämenstruelle Dysodie etwa eine Woche vor der
Monatsblutung auftreten und sich in leichten Schleimhautschwellungen im
Kehlkopfbereich auswirken, die sich im Stimmklang (rau, brüchig, belegt,
intonationsunsicher etc.) niederschlagen. Die Menstruelle Dysodie sei als
Weiterentwicklung mit verstärkten Symptomen zu sehen. Da eine große Belastung
der Stimme in diesem Zustand leicht zu einer Überbelastung wird, könne dies zu
organischen Veränderungen führen. Früher wurde an Opernhäusern Rücksicht auf
den Zyklus der Sängerinnen genommen, heute ist dies leider nicht mehr der Fall,
weshalb erhöhte Vorsicht bei Anfälligkeit in dieser Richtung geboten ist.
Auch in der Schwangerschaft komme es zu Veränderungen des Kehlkopfes, die
ähnlich derer in der Menstruation sind. Durch den dauerhaft bestehenden Zustand
können sich latent vorhandene Störungen festigen. Ansonsten sollte Singen bis
zum 7. oder 8. Schwangerschaftsmonat nach Einschätzung der Autoren problemlos
möglich sein. Etwa ein Fünftel der Schwangeren leide jedoch unter der
Laryngopathia gravidarum, die ab dem 5. Monat bereits zum Tragen kommt. Hier
komme es zu Schwellungen oder Trockenheitszuständen, die Ödeme im Kehlkopf
und in der Nasen- und Nasen-Rachen-Schleimhaut zur Folge haben.
Im Klimakterium und der Menopause komme es meist ebenfalls zu stimmlichen
Veränderungen, die aufgrund der eingeschränkten Produktion der weiblichen
Sexualhormone entstehen. Männliche Hormone werden weiterhin gebildet, weshalb
sich die Stimme wesentlich verändern kann, d.h. sie wird rau, weniger tragfähig,
tiefer und generell weniger leistungsfähig. Durch Östrogenpräparate könne dies
ausgeglichen werden.
4.3 „Nur“ funktionell oder doch psychogen?
Ist beim Auftreten einer Stimmstörung einmal eine organische Veränderung der
Stimmlippen und des Kehlkopfes ausgeschlossen, wird meist eine funktionelle
Dysphonie diagnostiziert. Doch was sagt nun der Begriff „funktionell" über die
Krankheit eigentlich aus? Dass die Stimme in ihrer Funktion behindert ist. Doch
was bedeutet das für die weitere Vorgehensweise?
20
Die Frage, die bei einer Stimmstörung immer gestellt werden sollte, ist jene nach
der
Ursache.
Warum
reagiert
der
Körper
mit
der
Störung
unseres
Hauptausdrucksorgans? Die Klassifizierung in hypo- oder hyperfunktionell (im
englischen Sprachraum existiert sogar der Begriff der "muscle-misuse-disphonia")
ist nur bedingt hilfreich bei der Suche nach der Ursache. Ist nun eine Unter- oder
Überspannung festgestellt, die sich negativ auf die Stimmfunktion auswirkt, so stellt
sich immer noch die Frage, warum diese Spannungsverhältnisse in dieser Form
existieren und wo ihr Ausgangspunkt liegt.
Wird eine Stimmstörung diagnostiziert und sogar differenziert betrachtet bzw. kann
eine Aussage über eher hypo- oder hyperfunktionelle Tendenzen oder über
konditionelle Ursachen gemacht werden, so ist meist eine klassische logopädische
Stimmtherapie
das
Mittel
der
Wahl.
Jürg
Kollbrunner,
Vertreter
eines
tiefenpsychologisch orientierten psychosomatischen Ansatzes zum Verständnis der
Dynamik zwischen Gesundheit und Krankheit, sieht hierin keine befriedigende
Lösung:
„Sie (die unterschiedlichen Formen der „logopädischen Stimmtherapie")
beruhen aber alle auf irgendeiner Form des Trainings, des Übens. Ist das nicht
ein zu einfaches Grundprinzip? Haben funktionelle Stimmstörungen nicht viel
komplexere Hintergründe als nur ein Übungsdefizit, also ein mechanisches
Verlernen gesunder Stimmgebung, die durch Übung zurückgewonnen werden
sollte? Haben Stimmstörungen nicht mehr und tieferen Sinn? Jede
Aufforderung zum Üben einer Fertigkeit trägt ja auch die Botschaft in sich "Du
machst etwas falsch; mach es besser!", was bei sachlichen Lernstoffen auch
seinen guten Sinn hat. Was bewirkt diese Botschaft aber bei einer Fertigkeit,
die so persönlich wie die eigene Stimme ist?" (Kollbrunner, 2006, S. 14)
Seiner
Ansicht
nach
weisen
funktionelle
Stimmstörungen
auf
ein
psychosomatisches Krankheitsgeschehen hin und sollten deshalb auch als
psychosomatische Störung betrachtet werden. Zur Diagnose dieser kommen
jedoch nicht nur sämtliche beschriebene Methoden der Stimmdiagnostik zum
Einsatz, sondern es werden auch die Lebenssituation und Lebensgeschichte der
Betroffenen berücksichtigt.
21
„Funktionelle Stimmstörungen konsequent als psychosomatische Phänomene
zu begreifen, bietet die Möglichkeit, den Patienten eine Hilfe auf ursächlicher
Ebene anzubieten und so die therapeutische Arbeit mit ihnen für sie und die
Therapeutinnen und die Therapeuten fruchtbar zu gestalten." (Kollbrunner,
2006, S. 17)
Kollbrunner kritisiert den heute gängigen ganzheitlichen Therapieansatz, der
verschiedene Therapieelemente miteinander vereint, um eine Stimmstörung auf
mehreren Ebenen zu behandeln:
„Ganzheitlichkeit kann nicht entstehen, wenn man versucht, die Erkenntnisse
aus verschiedenen Wissensbereichen zu addieren oder gleichwertig
nebeneinander zu stellen, um dann im therapeutischen Handeln möglichst
vielen davon gerecht zu werden." (Kollbrunner, 2006, S. 53)
Seiner Ansicht nach sollte also jede Stimmstörung psychosomatisch betrachtet
werden, was das Problem beinhaltet, dass die wenigsten PhoniaterInnen,
LogopädInnen
und
SprachheiltherapeutInnen
eine
psychotherapeutische
Zusatzausbildung haben mit der sie die Erkenntnisse über die psychosomatischen
Zusammenhänge gewinnen und einen Umgang damit finden könnten. So plädiert
Kollbrunner
dafür,
dass
LogopädInnen
und
SprachheilpädagogInnen
ihre
therapeutische Arbeit ausweiten und „Grenzgänge" wagen. Mit Hilfe der
Selbsterfahrung
und
der
Supervision
soll
dies
auch
ohne
eine
psychotherapeutische Ausbildung verantwortbar sein und vor allem über die
Therapeut-Patient-Beziehung positive Auswirkungen in der Therapie zeigen. Eine
Sitzung beinhaltet demnach sowohl gesprächs- als auch übungstherapeutische
Teile.
Ziel einer solchen psychosomatisch orientierten logopädischen Therapie ist es,
dass der/die PatientIn es mehr und mehr schafft, die emotionalen Spannungen, die
hinter dem Symptom der Stimmstörung stehen, in Worte zu fassen. Da das
Bestehen des Symptoms als Schutz für den/die PatientIn angesehen wird, sollte
von einer zu schnellen Auflösung des Symptoms abgesehen werden, solange es
noch keinen emotionalen Ersatz gibt, welcher im Lauf der Therapie erarbeitet
werden soll.
22
Grundsätzlich ist dieser ursachenorientierte Ansatz der Stimmtherapie sicher ein
begrüßenswerter Weg. Als fragwürdig erweist sich jedoch der ausschließliche
Einsatz dieser Vorgehensweise. Vor allem der Bereich der stimmintensiven Berufe
wird damit nicht besonders gut betreut sein. Psychosomatische Ursachen bei
stimmintensiven Berufen sind natürlich in keinster Weise auszuschließen, doch
kann hier kaum davon ausgegangen werden, dass das Symptom tatsächlich als
Schutzmechanismus anzusehen ist. Sicher, es macht aufmerksam auf einen
Missstand oder eine Überforderung und der Verlust der Funktion schützt in
gewisser Weise vor der bestehenden Situation. Da Ausübende in stimmintensiven
Berufen jedoch auf die Funktion ihrer Stimmen angewiesen sind, entsteht ein
erheblicher Leidensdruck durch den Ausfall dieser, da dies meist eine
vorübergehende Berufsunfähigkeit zur Folge hat, die bei Freiberuflichen zudem mit
einem Verdienstausfall einher geht. Das heißt, es muss ein Weg gefunden werden,
der zwar die Ursache nicht aus den Augen verliert, aber dennoch den Leidensdruck
so schnell wie möglich verringert. Und hier sind wir wieder beim oben so hart
kritisierten ganzheitlichen Ansatz. Vielleicht ist es in manchen Fällen doch eine
Lösung,
auf
verschiedenen
Ebenen mit verschiedenen
wissenschaftlichen
Ansätzen zu arbeiten, weil so Symptom und Ursache gleichzeitig behandelt werden
könnten?
23
5
Therapiemöglichkeiten bei funktionellen
Dysphonien
5.1 Klassische Therapiemöglichkeiten
Für eine Stimmstörung gibt es, je nach Art ihrer Ausprägung, einige Möglichkeiten
der Therapie. Handelt es sich um eine Entzündung, wird meist medikamentös mit
entzündungshemmenden
Mitteln
oder
Antibiotika
behandelt.
Organische
Veränderungen des Stimmapparates können chirurgische Eingriffe notwendig
machen. Sollte der Kehlkopf sogar entfernt werden müssen, gibt es die Möglichkeit
für elektronische Sprechhilfen.
Handelt es sich hingegen um eine funktionelle Dysphonie, so wird meist die
klassische logopädische Stimmtherapie eingesetzt. Hier muss gesagt sein, dass es
aufgrund der Methodenvielfalt DIE klassische logopädische Stimmtherapie
eigentlich schon gar nicht mehr gibt. Trotzdem sollen ihre Grundsätze hier anhand
des Buches „Stimmtherapie mit Erwachsenen“ (Hammer, 2007) behandelt werden.
Hammer beschreibt in dieser klassischen Stimmtherapie fünf Therapiebausteine:

Tonus, Haltung und Bewegung

Atmung

Artikulation

Phonation

Person
Da selten nur einer dieser Bausteine in seiner Funktion eingeschränkt sei, werden
diese nicht isoliert trainiert, sondern es gebe höchstens Therapieschwerpunkte, in
die jedoch die anderen Bausteine integriert werden.
24
Tonus, Haltung und Bewegung
„In der Stimmtherapie findet der Zustand des gesamten Bewegungsapparates
Berücksichtigung. Besonders wichtig sind dabei die Muskelgruppen, die in
unmittelbarer Nähe zum Kehlkopf liegen, das heißt, Hals-/Nacken- und
Schultermuskuatur. Die Arbeit an Haltung, Bewegung und Tonus fließt
ineinander, da für das Verharren in einer Haltung bestimmte Verhältnisse von
Muskelspannung zuständig sind und Bewegungen durch Muskelkontraktionen
bzw. durch einen Wechsel von An- und Entspannung zustande kommen."
(Hammer, 2007, S. 177)
Damit die Stimme optimal funktionieren kann, sollte sich der gesamte Körper in
Eutonie befinden, also in einem gesunden Mittelmaß von Spannung und
Entspannung. Ist dies nicht der Fall, werde in der Therapie versucht, diesen
Zustand durch Übungen wieder herzustellen. Besteht also eine Unterspannung,
werden Übungen zu einem gesunden Spannungsaufbau durchgeführt. Besteht eine
Überspannung so sei zunächst das Ziel, diese abzubauen, um anschließend eine
gesunde Grundspannung wieder aufzubauen.
Zur Tonusregulierung bedient sich die logopädische Stimmtherapie verschiedener
körpertherapeutischer Methoden, so werden zum Beispiel zum Abbau einer
Überspannung
Techniken
wie
Autogenes
Training,
Progressive
Muskelentspannung oder die Funktionale Integration nach Feldenkrais empfohlen
(diese werden in einem späteren Kapitel ausführlicher erläutert). Zur Eutonisierung
werden zum Beispiel Balanceübungen, Lockerungsübungen und gymnastische
Übungen angewendet.
Zu beachten sei hierbei, dass es DIE physiologische Körperhaltung nicht gibt. Nur
wenn die jeweilige Person sich in dieser Haltung wohl fühlt, könne auch eine
Verbesserung der Stimmfunktion eintreten.
Bewegung kann in dieser Hinsicht sowohl zum Spannungsabbau als auch zum
Aufbau einer gesunden Grundspannung hilfreich sein, zudem werde sie gerne in
Kombination mit Stimmübungen angewendet.
25
Atmung
„Aufgrund der unmittelbaren funktionellen Verbindung zwischen Atmung und
Stimmgebung stellt die Atemfunktion einen wichtigen Teilbereich der
Stimmtherapie dar. Eine »unphysiologische« Atmung kann dabei Symptom
oder Mitverursacher einer Stimmstörung sein. In der Stimmtherapie wird je
nach Methode entweder unmittelbar, das heißt durch absichtsvolle
Veränderung (z.B. »in den Bauch atmen«) oder mittelbar, z.B. über
Körperübungen, an der Atmung gearbeitet." (Hammer, 2007, S. 182)
Grundsätzlich wird die Atmung zur Erhaltung der Lebensfunktion unwillkürlich
gesteuert, beim Singen oder Sprechen kann sie jedoch bewusst eingesetzt und
beeinflusst werden. In Bezug auf die Atmung sei Vorsicht geboten, da sie einen
direkten Einfluss auf das vegetative Nervensystem hat und viele Menschen sich
unwohl fühlen, wenn Eingriffe in die natürliche Form der Atmung stattfinden. Eine
große Aufmerksamkeit auf die Atemvorgänge könne zu Unwohlsein oder aber auch
zu einem Entspannungszustand führen. Grundsätzlich seien isolierte Atemübungen
nur in einzelnen Fällen zu empfehlen, meist führe die Schulung einer differenzierten
Wahrnehmung zu einem sensibleren und damit gesünderen Umgang mit der
Atmung.
Ein beachtenswerter Punkt zur Ökonomisierung der Atmung während der
Phonation ist die sogenannte Reflektorische Atmung. Wird die Spannung der
Bauchdecke, der Flanken und des Zwerchfells am Ende der Ausatmung durch
einen Impuls gelöst, findet eine automatische Einatmung ohne den Einsatz von
Muskelkraft statt. Die Einatmung erfolgt also als Reflex auf das Ende der
Ausatmung.
Artikulation
„Artikuliert wird mit den Organen des Ansatzrohres. Entsprechenden Einfluss
nimmt die Artikulation auf die Resonanzbildung. Weiterhin wirkt sich die
Formung des Vokaltraktes auf Kehlkopfstand und -spannung aus. Auch
Rückwirkungen auf die Atemfunktion ergeben sich. So gelingt z.B. die
Reflektorische Atemergänzung bei deutlicher Artikulation leichter. Eine präzise
Artikulation erhöht die Verständlichkeit des Sprechers und entlastet die
Stimme." (Hammer, 2007, S. 186)
26
Zu den Artikulationsorganen zählen Zunge, Lippen, Unterkiefer, Gaumensegel und
die Rachenhinterwand. Oft bestünden Über- oder Unterspannungen in diesen
Organen, die sich ungünstig auf die Artikulation auswirken und im Rahmen einer
Stimmtherapie eutonisiert werden sollten. Vielfach fände man auch unökonomische
Bewegungen, die die Artikulation vermeintlich unterstützen, die jedoch zu
Verspannungen und damit zu einer eingeschränkten Beweglichkeit führen. Ziel der
Therapie sei es, trotz Artikulationsdeutlichkeit eine relative Weite im Ansatzrohr zu
erhalten. Gerade bei Artikulationsübungen empfehle es sich, einen Spiegel zu Hilfe
zu
nehmen,
da
der/die
Behandelte
so
selbstreflektierter
agieren
kann.
Verschiedene Lautkombinationen werden in der Stimmtherapie für bestimmte Ziele
eingesetzt, da sie alle in unterschiedliche Weise Einfluss auf die Kehlkopffunktion
und die Atmung haben. Die unten stehende Tabelle liefert eine Übersicht über die
unterstützenden
Lautkombinationen
bei
unterschiedlichen
stimmlichen
Gegebenheiten.
Abbildung 2: Einsatz von Lautfunktionen: Übersicht (Hammer, 2007, S. 187)
27
Phonation
„Da die Stimme stets im Mittelpunkt der Therapie stehen sollte, gilt letztendlich
jede Übung in der Therapie als Stimmübung, zumindest kann sie auf ihren
Einfluss auf die Stimme hin überprüft werden." (Hammer, 2007, S. 191)
Oft seien StimmpatientInnen versucht ihre Stimme (aufgrund der Störung oder eine
generellen Unzufriedenheit) zu verändern, was in den meisten Fällen zu einer
unphysiologischen Verwendung der Stimmfunktion führt. Ein Ziel in der Therapie
sei es, dass der/die Behandelte lernt, die eigene Stimme so zu akzeptieren, wie sie
ist. Wichtig hierfür sei zunächst das Erkennen und Festigen der eigenen
Indifferenzlage, also jener Lage, die für das normale Sprechen verwendet wird. Ist
diese abgesenkt oder erhöht, ergebe sich ein Spannungsungleichgewicht, das zu
einer Stimmstörung führen kann. Gleichzeitig könne aber auch eine Stimmstörung
für die Veränderung der Indifferenzlage verantwortlich sein. Weitere Ziele seien
unter anderem die Erweiterung des Stimmumfangs sowohl in der Brust-, als auch in
der Kopfresonanz, die Vorverlagerung des Stimmsitzes, die Kräftigung des
Stimmvolumens, die Verlängerung der Phonationsdauer und der Ausbau der
Tragfähigkeit der Stimme. Wichtig sei dabei, dass die Übungen auf den Alltag
übertragen
werden
können.
Als
Basis
hierfür
gelte
eine
differenzierte
Wahrnehmung der eigenen Stimme, denn nur so können Unterschiede festgestellt
und ein reflektiertes Üben ermöglicht werden.
28
Person
„Für den Therapiebereich Person ist es besonders wichtig, die Aufgaben der
Stimmtherapeutin genau zu definieren. Es wird davon ausgegangen, dass es
durchaus möglich ist, sich in der Stimmtherapie mit dem Bereich Person
auseinander zu setzen, ohne dabei zwangsläufig in Arbeitsgebiete zu geraten,
die der Psychotherapie überlassen werden sollten. [...] Ziel der Stimmtherapie
ist nicht, dass der Patient durch eine veränderte Stimme (oder sonstige
»therapeutische« Intervention) zu einer veränderten Persönlichkeit gelangt. Es
geht vielmehr darum, den stimmlichen Ausdruck zu finden, der der Person des
Patienten entspricht." (Hammer, 2007, S. 207)
Die Stimme ist das Ausdrucksorgan des Menschen, der Spiegel der Seele und
kann nicht nur in ihrer Funktion beurteilt und bearbeitet werden. Die Persönlichkeit
mit all ihren Emotionen und Problemen hat stets eine direkte Auswirkung auf die
Stimme, die bei längerem Bestehen pathologisch werden kann (siehe psychogene
Stimmstörungen).
Bereits das oben beschriebene Akzeptieren der eigenen Stimme sei, so Hammer,
ein Grenzbereich, der nicht nur der funktionalen Ebene zugeordnet werden könne,
sondern
ebenso
mit
dem
Akzeptieren
der
eigenen
Persönlichkeit
in
Zusammenhang stehe. Auch die Forschung nach der Ursache der Stimmstörung
könne unweigerlich zu Bereichen führen, die weit von der funktionalen Ebene
entfernt liegen. Zu diesem Thema sei auf die Diskussion des vorigen Kapitels
verwiesen und auf die Äußerungen Kollbrunners, der dem Grenzgebiet LogopädiePsychotherapie weit offener begegnet, als dies in der klassischen Stimmtherapie
üblich ist.
29
5.2 Wirksamkeitsstudien zu klassischer Stimmtherapie
Wie bereits erwähnt, ist DIE Stimmtherapie sehr schwer zu klassifizieren, auch
wenn im vorigen Kapitel ein Versuch stattgefunden hat. Dies fällt vor allem auf,
wenn man sich mit Studien zu Stimmtherapie bei funktionellen Dysphonien
beschäftigt. Während in der einen Studie von EINER klassischen Stimmtherapie
ausgegangen wird (Is voice therapy an effective treatment for dysphonia? A
randomised controlled trial, 2001), beschreibt eine andere Studie indirekte und
direkte Verfahren in der Stimmtherapie (A Study of the Effectiveness of Voice
Therapy in the Treatment of 45 Patients with Nonorganic Dysphonia, 1999).
Auch in der Anzahl der Studienteilnehmer unterscheiden sich die Studien stark. Die
zweite oben genannte Studie teilte die 45 Teilnehmer in drei Gruppen. Eine Gruppe
erhielt keine Therapie und diente als Kontrollgruppe.
Eine zweite Gruppe erhielt nur indirekte Stimmtherapie (Bewusstwerdung und
Handhabung der stimmschädigenden Faktoren).
„This approach assumes that the dysphonic patient needs to develop an
informed and rational approach to his or her voice problem. In this way the
patient should be capable of identifying the contributing psychological and
social factors in the voice problem. [..] Indirect therapy approaches do not
involve any work on correcting faulty voice production.” (Carding, Horsley, &
Docherty, 1999, S. 74)
Die
dritte
Gruppe
erhielt
eine
Kombination
aus
indirekter und
direkter
Stimmtherapie, wie sie im vorangehenden Kapitel beschrieben wurde.
„Direct therapy techniques aim to modify aspects of faulty voice production in
order to promote appropriate and efficient voice production.” (Carding, Horsley,
& Docherty, 1999, S. 74)
Während nur einige wenige PatientInnen positiv auf die indirekte Therapie
ansprachen, zeigten sich bei der Kombination aus indirekter und direkter Therapie
die meisten Erfolge. Neun PatientInnen der zweiten Gruppe erhielten im Lauf der
Zeit ebenfalls die Therapiekombination der Gruppe drei, wodurch schlussendlich
bei 23 von 25 PatientInnen signifikante Verbesserungen festgestellt werden
konnten.
30
Die andere Studie führte Untersuchungen an insgesamt 200 PatientInnen durch,
von denen 70 in der Interventionsgruppe und 63 in der Beobachtungsgruppe die
Studie abschlossen. Auch hier waren die Ergebnisse positiv:
„This first randomised controlled trial of the efficacy of voice therapy for
dysphonia has shown voice therapy to be effective in improving self rated and
expert rated quality of voice.” (MacKenzie, Millar, Wilson, Sellars, & Deary,
2001, S. 4)
Begleitend wurden Untersuchungen zu psychischem Stress bei PatientInnen mit
Stimmstörungen durchgeführt. Dieser konnte jedoch bei der Behandlung nicht
signifikant reduziert werden, was die AutorInnen zu dem Schluss bringt, dass eine
ganzheitliche Behandlung von Stimmstörungen stets angebracht sei:
„Indeed the level of psychological morbidity may also mainly reflect the greatly
reduced quality of life in patients with dysphonia. Such interrelations underline
the importance of a holistic treatment for reduction in symptoms and
improvement in overall functioning.” (MacKenzie, Millar, Wilson, Sellars, &
Deary, 2001, S. 5)
Eine systematische Übersichtsanalyse von Studien, die zu Therapien bei
Stimmstörungen durchgeführt wurde, kommt zu folgenden Aussagen. Tendenziell
sind die statistisch signifikanten Erfolge eher im mäßigen Bereich anzusiedeln und
unterscheiden sich stark von PatientIn zu PatientIn. Direkte Stimmtherapie zeigt
sich tendenziell erfolgreicher als die indirekte Stimmtherapie. Häufigere positive
Erfolge zeigen sich bei klar definierten Therapieformen wie z.B. der Laryngealen
Manuellen
Therapie.
Eine
generelle
Aussage
über
die
Effektivität
von
Stimmtherapie lässt sich aber laut dieser Übersichtsstudie nicht treffen:
„When trying to answer the question whether voice therapy in general is
effective, one may conclude that no single answer can be given to that
question, because of the diversity in phoniatric diagnoses, subject’s
personalities, voice therapies, as well as voice assessment instruments.“
(Speyer, 2008, S. 578)
31
5.3 Komplementäre Therapiemöglichkeiten
„Alle Interessierten, die sich diagnostisch und/oder therapeutisch mit Sprach-,
Sprech-, Stimm- und Schluckstörungen beschäftigen, haben mehr oder weniger
unbewusst komplementäre Verfahren bereits angewendet. Dabei werden
komplementäre Methoden vorwiegend in kombinierter Form, d. h. additiv zu
anderen Verfahren, als multimodale, therapeutische Interventionen in die
Gesamtstrategie integriert." (Böhme, 2010, S. VI)
Der Begriff „komplementär" wird im Folgenden in dieser Arbeit noch ausführlich
diskutiert werden. Auch die Schwierigkeiten der Erforschung der entsprechenden
medizinischen Verfahren werden in den folgenden Kapiteln nachzulesen sein.
Hier geht es darum, Verfahren zu beschreiben, die bereits von ExpertInnen bei
Kommunikationsstörungen
eingesetzt
wurden
und
werden.
Da
das
Hauptaugenmerk in dieser Arbeit auf funktionellen Dysphonien liegt, werden auch
ausschließlich Verfahren hier Erwähnung finden, zu denen in der Literatur die
entsprechende Indikationen zu finden sind. Fallbeispiele unterstützen die
Beschreibungen der Methoden, auch wenn diese keine SängerInnen betreffen, da
dieser Bereich bisher noch zu wenig evaluiert wurde. In dieser Hinsicht sei auf den
zweiten Teil dieser Arbeit verwiesen, zudem zeigen Ausführungen zu einzelnen
Studien komplementärmedizinischer Verfahren bei SängerInnen die Möglichkeiten
zu Herangehensweisen auf.
„It would appear that the categories that are most pertinent to the treatment of
voice disorders are mind/body control, which includes such techniques as
meditation and guided imagery, and structural and energetic therapies, which
includes massage and postural alignment techniques." (D'Antoni, Harvey, &
Fried, 1995, S. 308)
Nachdem im ersten Kapitel die vielschichtigen Zusammenhänge, die für eine
gesunde Stimmproduktion notwendig sind, aufgezeigt wurden, kann man diesem
Satz von Antoni, Harvey und Fried nicht ganz zustimmen. In ihrem Artikel haben sie
nur wenige Verfahren zusammengetragen, die ergänzend in der Stimmtherapie
eingesetzt werden.
Da es, wie festgestellt wurde, viele verschiedene Ursachen für Stimmstörungen
gibt,
kann
davon
ausgegangen
werden,
dass
nahezu
jedes
komplementärmedizinische Verfahren, das eine Auswirkung auf körperliche oder
seelische Zustände hat, auch bei jeweils geeigneter Indikation als unterstützende
Therapie bei Stimmstörungen angewendet werden kann.
32
Auch hier wird jetzt nur auf eine kleine Anzahl an Verfahren eingegangen, für
ausführlichere Informationen sei auf das Buch „Komplementäre Verfahren bei
Kommunikationsstörungen" verwiesen, das auch für diese Zusammenstellung als
Grundlage gedient hat.
5.4 Kurzbeschreibungen diverser
Komplementärmedizinischer Verfahren bei
Stimmstörungen
Akupunktur
Die Akupunktur ist eine Therapiemethode aus der Traditionellen Chinesischen
Medizin (TCM), die seit ca. 2000 Jahren in China praktiziert wird. Immer mehr findet
sie auch Verbreitung in Europa. Wenn das „Qi" - die Lebensenergie des Menschen
- blockiert sei, reagiere der Körper mit Krankheit, so Böhme. Die TCM gehe davon
aus, dass die Energie in zwölf Meridianen durch den Körper fließt. Auf diesen
liegen die Akupunkturpunkte, die bei verschiedenen Indikationen „genadelt"
werden, was die Blockaden lösen und damit zu Gesundheit führen könne.
Zur Akupunktur wurden mittlerweise schon verhältnismäßig viele klinische Studien
durchgeführt, die zu verschiedensten Ergebnissen kamen. Sehr verbreitet sei
immer noch eine Vergleichsstudie, in der in den Gruppen zwischen Akupunktur und
Scheinakupunktur keinerlei Unterschiede in der Wirksamkeit nachgewiesen werden
konnten, weshalb die Akupunkturbehandlung seit dem einem starken Plazeboeffekt
gleichgesetzt wird. Neuere Erkenntnisse (z. B. (Irnich)) zeigen jedoch, dass die
Akupunktur bei Kopfschmerzen, Schmerzen der Hals- und Lendenwirbelsäule und
der Schulter und bei Schmerzen aufgrund von Kniegelenksarthrose in jedem Fall
wirksamer war als die Nicht-Akupunktur und auch die Scheinakupunktur.
33
Abbildung 3: Unspezifische und spezifische Behandlungseffekte in der Akupunktur (Irnich, S. 35)
Dieser
Abbildung
ist
zu
entnehmen,
dass
sehr
viele
Anteile
der
Akupunkturbehandlung den unspezifischen Behandlungseffekten zuzuordnen sind,
jedoch durchaus auch spezifische Effekte vorhanden sind.
Böhme
merkt
an,
dass
es
für
den
Einsatz
von
Akupunktur
bei
Kommunikationsstörungen zwar noch keinen evidenzbasierten Nachweis gebe,
sehr wohl aber positive Erfahrungswerte.
Anhand eines Fallbeispiels soll die Möglichkeit der Akupunktur als Maßnahme bei
Dysphonien nun verdeutlicht werden.
Im Buch wird der Fall einer Lehrerin beschrieben, der nach langen Dienstjahren ein
Unterrichtsbesuch bevorsteht. Sie klagte über Heiserkeit, Globusgefühl und
Räusperzwang.
Die
Diagnose
ergab
eine
überwiegend
hyperfunktionelle
Stimmstörung mit Verspannungen im Nackenbereich und einer psychosomatischen
Störung aufgrund der dauerhaften seelischen Anspannung. Nach vorhergegangen
positiven Erfahrungen entschied sich die Patientin ausschließlich für eine
Akupunkturbehandlung ohne traditionelle Stimmtherapie.
Gestochen wurden Akupunkturpunkte, die als Indikation Stimmstörungen oder
Verspannungen haben und Anti-Stress-Punkte.
34
Nach zehn Sitzungen mit anfänglich schneller Verbesserung und zwischenzeitlicher
Verschlechterung aufgrund des psychogenen Anteils der Stimmstörung wurde die
Therapie beendet. Sowohl aus der subjektiven Empfindung der Patientin als auch
aus dem erneuten Stimmbefund konnte eine eindeutige Verbesserung festgestellt
werden.
Die Autorin Dr. med. Susann Ott, die mit diesem Fallbeispiel ihre Ausführungen
unterstrich, sieht das Vertrauen der/s Behandelten zum/r TherapeutIn und zum
Verfahren als notwendige Voraussetzung, ebenso wie eine klar spürbare
Auswirkung der Stiche. Für psychogene Stimmstörungen empfiehlt sie genügend
Raum für begleitende Gespräche zu lassen.
Alexandertechnik
Die Alexandertechnik (nach ihrem Erfinder Frederick Matthias Alexander benannt)
ist eine Körpertherapie, die auf das Bewusstwerden von Haltungs- und
Bewegungsgewohnheiten zielt. Böhme beschreibt, dass durch Analyse und
anschließender Änderung des Verhaltens ein Abbau von Dysfunktionen stattfände.
Entwickelt habe Alexander die Technik aufgrund eigener Stimmprobleme, so gelte
sie heute als ideale Therapie für Stimmstörungen, die auch in der Stotter-Therapie
und als Prävention für stimmintensive Berufsgruppen eingesetzt werden könne. Ein
Augenmerk liege vor allem auf der Haltung des Kopfes, des Nackens und der
Wirbelsäule zueinander und damit verbundenen muskulären Beeinflussungen des
Phonationstraktes.
„Die Methode nach F.M. Alexander in die Stimmtherapie zu integrieren, ist
besonders dann günstig, wenn Fehlhaltungen und Fehlfunktionen im Bereich
der Wirbelsäule, eine wesentliche Verursachung und Aufrechterhaltung für die
Stimmerkrankung darstellen. Die aufgerichtete Halswirbelsäulen- und
Kopfhaltung führt nicht nur in der hinteren, sondern auch in der vorderen
Halsmuskulatur einen Spannungsausgleich herbei. In der Folge öffnen sich
Resonanzräume im Brustraum ebenso wie im Rachen- und Kehlraum. Der
Kehlkopf stellt sich tiefer, der Brustkorb hebt und weitet sich, wodurch eine
gewünschte Inspirationstendenz während der Phonation beibehalten werden
kann." (Spiecker-Henke, 2008, S. 102)
35
Bisher gebe es keinen evidenzbasierten Nachweis für die Alexandertechnik bei
Kommunikationsstörungen. Allerdings existieren bereits seit den späten Achtzigern
Studien zu Auswirkungen der Technik auf das Atmungssystem von SängerInnen.
Im Journal of Singing erschien 2002 eine zweiteilige Publikation über die genauen
Zusammenhänge der Übungen mit dem Atmungsapparat und deren Auswirkungen
auf die Tätigkeit von SängerInnen und SchauspielerInnen. (vgl. (Hudson, 2002))
Atemtherapie nach Middendorf
Wie bereits mehrfach festgestellt wurde und allgemein bekannt ist, hat das
Atmungssystem
bei
der
Stimmproduktion
eine
tragende
Rolle.
Oft
sind
Stimmstörungen von Störungen des Atemapparates begleitet. Ilse Middendorf
entwickelte dazu eine Meditation- und Entspannungstechnik, die den Atem
„erfahrbar" machen soll. Ziel sei ein Bewusstwerden des Atems, im Gegensatz zu
anderen Techniken soll er aber nicht der willentlichen Beeinflussung unterliegen.
Nach
dem
Grundsatz
„sammeln
-
empfinden
-
atmen"
werde
den
StimmpatientInnen ein eigenverantwortlicher Umgang mit sich selbst näher
gebracht. Da die Atmung meist nur einen Teilbereich der existierenden
Stimmstörung ausmacht, sei eine isolierte Atemschulung nicht sinnvoll und diese
Technik daher nur ergänzend einzusetzen. Der Forschungsstand beläuft sich
bisher ausschließlich auf Erfahrungsberichte.
Biofeedback
Biofeedback bedeutet wörtlich übersetzt biologische Rückmeldung. Grundsätzlich
sei Biofeedback eine traditionell in der Stimmtherapie eingesetzte Methode, da
bereits ein Spiegel zur Reflektion der eigenen Haltung oder die Hände zum
Aufspüren von Spannungen als Rückmeldehilfen verwendet werden, so Böhme.
Inzwischen gibt es auch die Möglichkeit des apparativen Biofeedbacks. Mittels
eines Gerätes (bzw. mehrerer Geräte) können auch Rückmeldungen über
Körperfunktionen gegeben werden, die sich normalerweise der bewussten
36
Wahrnehmung nicht erschließen (Atemfrequenz, Blutdruck, EEG-, EMG und EKGSignale, Hauttemperatur und -widerstand). Auch die Videolaryngoskopie und die
Videolaryngostroboskopie zählen zu den Biofeedback-Verfahren. Mit diesen
Hilfsmitteln sei es möglich, PatientInnen ihre Stimmstörungen bewusst zu machen
und ihnen zu einer Selbstkontrollmöglichkeit während der Therapie zu verhelfen.
Außerdem können klinische Befunde dokumentiert werden. Biofeedback wäre also
denkbar als Hilfsmittel der klinischen Forschung, das Rückmeldung über nichtbeobachtbare Veränderungen im Körper während der Anwendung einer (neuen)
Therapiemethode geben kann.
Für den Einsatz von Biofeedback bei Kommunikationsstörungen gebe es derzeit
noch keinen publizierten evidenzbasierten Nachweis auf hoher Qualitätsstufe,
allerdings
seien
bereits
viele
systematische
Reviews
aus
anderen
Anwendungsbereichen veröffentlicht worden, die eine Effektivität der Wirksamkeit
von Biofeedback belegen.
Konzept Schlaffhorst - Andersen / Eutonie nach Gerda Alexander
Dem
Konzept
Schlaffhorst
-
Andersen
liege
(wie
vielen
komplementärmedizinischen Verfahren) ein Menschenbild zugrunde, das den
Menschen als Körper-Seele-Geist-Einheit betrachtet, beschreibt Böhme. Mit dieser
Methode solle der/die PatientIn zu einem verfeinerten Körperbewusstsein gelangen
und somit wieder die Möglichkeit zur Reduzierung von Dysfunktionen erhalten. Die
Therapie nutze die Wechselwirkung von Atem-, Stimm- und Bewegungsfunktionen
und emotionalen Vorgängen. Die weiterentwickelte Methode von Gerda Alexander
setze am muskulären Tonus des Menschen an. Über eine Regulierung des
Gesamttonus soll eine Spannungsbalance herbeigeführt werden, die wiederum
eine Entfaltung der Persönlichkeit ermögliche. Es werde eine ganzheitliche
psychophysische Ausbalancierung angestrebt, die dem Menschen in jeder
Lebenssituation die größtmögliche Ausgeglichenheit (Eutonie) geben soll. Auch hier
seien
die
Erfahrungswerte
in
der
Praxis
positiv,
ein
evidenzbasierter
Wirksamkeitsnachweis existiere jedoch nicht.
37
Feldenkrais
Die Feldenkrais-Methode ist nach ihrem Erfinder Moshe Feldenkrais benannt und
wird
als
eine
Körpertherapie
zur
Verbesserung
der
Körperwahrnehmung
angesehen. Durch die passive und aktive Ausführung von Bewegungsabläufen soll
die ganzheitliche Körperwahrnehmung verbessert und unphysiologische Abläufe
aufgespürt und verabschiedet werden:
„Für die Stimmtherapie ist eine Reihe von Elementen der Feldenkrais-Methode
besonders effektiv. Sie macht geringste Empfindungsdifferenzen bewusst und
schult systematisch die Ausführungen kleinster Bewegungsnuancen. Beide
Elemente der kinästhetischen Sensibilität werden permanent benötigt, sowohl
zur präphonatorischen Muskeleinstellung wie auch während des
Schwingungsvorganges der Stimmlippen, wenn ein fein abgestuftes
Gleichgewicht zwischen subglottischem Druck und Stimmlippenspannung
entstehen soll." (Spiecker-Henke, 2008, S. 103 f.)
Feldenkrais
habe
sich
als
geeignete
Therapiemethode
für
SängerInnen
herausgestellt, da eine fehlerhafte Haltung korrigiert und Muskelspannungen bei
Krankheiten gelöst werden könnten. Insgesamt führe ein längerfristiges Ausüben
der Methode zu einer ökonomischeren (weil bewussteren) und dadurch gesünderen
Stimmproduktion. Somit eigne sich diese Methode besonders für Stimmstörungen,
die
in
Verbindung
mit
Verspannungen,
Bewegungseinschränkungen
oder
Schmerzen vor allem im Oberkörperbereich stehen.
Anhand des folgenden Fallbeispiels soll das verdeutlicht werden.
Die Patientin, 38 Jahre alt litt an Stimmstörungen und Nacken-, Schulter- und
Halsmuskelschmerzen. Nachdem der offensichtliche Zusammenhang zwischen den
Verspannungen und der Stimmstörung erkannt war, wurde der Patientin zunächst
die Möglichkeit gegeben, ihren eigenen Stimmklang differenzierter wahrzunehmen.
Hierzu sollte sie ihn in „Klangbildern" beschreiben und sich selbst somit
Unterschiede vor und nach einer Anzahl von Übungen deutlicher machen.
Die Patientin führte zunächst Bewusstseinsübungen im Liegen durch und
schließlich Übungen zur Funktionalen Integration im Sitzen. Dabei wurden Arme
und Schultern sanft bewegt und anschließende Unterschiede erspürt und direkt in
der Stimmproduktion überprüft. In beiden Fällen konnte die Patientin eine deutliche
Verbesserung wahrnehmen.
38
Sabine S. Hammer lieferte die Sammlung der Fallbeispiele für Feldenkrais bei
Kommunikationsstörungen.
Durch
die
sanften
Bewegungen
werde
eine
Veränderung des Muskeltonus erzielt, von welcher auch die Kehlkopfmuskulatur
beeinflusst werden könne.
Obwohl verhältnismäßig viele Studien zur Feldenkrais-Methode existieren, konnte
die Wirksamkeit noch nicht evidenzbasiert nachgewiesen werden. Experten sehen
die Studienlage als „ermutigend, aber nicht überzeugend". (Böhme, 2010, S. 115)
Homöopathie
Im Gegensatz zu den bisher hier vorgestellten Körpertherapie- und EntspannungsMethoden
ist
die
Homöopathie
eine
Arzneimitteltherapieform.
Nach
dem
Grundprinzip „Ähnliches mit Ähnlichem heilen" werden Mittel, die in hoher
Dosierung starke Beschwerden verursachen in sehr starker Verdünnung zur
Heilung von Krankheiten mit diesen Beschwerden eingesetzt. Durch die leichte
Reizung des Körpers sollen die Selbstheilungskräfte aktiviert werden. In Form von
Globuli oder Tabletten gibt es sowohl gängige Mittel für häufige Beschwerden als
auch speziell zusammengestellte individuell auf den/die PatientIn abgestimmte
Kombinationen aus verschiedenen Mitteln in verschiedenen Potenzen. Die
Methode ist trotz großer Beliebtheit sehr umstritten, da ihre Wirkweise aus
schulmedizinischer Sicht nicht nachvollziehbar ist. Obwohl inzwischen korrekt
durchgeführte RCTs existieren, die einen evidenzbasierten Wirksamkeitsnachweis
der Methode liefern, wird sie nach wie vor heftig kritisiert und von vielen Seiten
nicht anerkannt.
Die Anwendung der Homöopathie bei Kommunikationsstörungen wurde nicht
explizit erforscht, Erfahrungswerte zeigen jedoch, dass sie als unterstützende
Methode zu schulmedizinischen und logopädischen Maßnahmen bei Laryngitis,
Reinke-Ödem,
organischen
Stimmlippenveränderungen
und
funktionellen
Dysphonien eingesetzt werden kann.
39
Progressive Muskelrelaxion
Die Progressive Muskelrelaxion nach Edmund Jacobsen wird von Böhme als eine
Methode mit drei Schritten beschrieben: Anspannen - Spannung halten Entspannen. Ein Grundprogramm enthalte Übungen für 16 verschiedene
Muskelgruppen. Diese Methode werde von vielen Stimmtherapeuten ergänzend zur
traditionellen Stimmtherapie empfohlen, da sich unbestritten Erfolge zeigen, auch
wenn
bisher
kein
evidenzbasierter
Wirksamkeitsnachweis
existiere.
Nach
Untersuchungen von Abate und Rehwinkel zeigte sich jedoch, dass nicht alle
PatientInnen mit einer Verbesserung der Stimmqualität auf die Methode reagierten.
Ihrer Ansicht nach ist die Methode eher für Personen mit hoher muskulärer
Grundspannung geeignet. Da sich ihre Beobachtungen nur auf vier Personen
beschränkten, sollte diese Vermutung überprüft werden.
Qigong
Als Teilbereich der TCM steht Qigong in einer Jahrtausende alten Tradition. Durch
die mögliche Verbindung der Übungen mit der Sing- und Sprechstimme eigne sich
die Methode besonders gut als unterstützende Maßnahme zur Stimmtherapie, so
Böhme. Für die Praxis ergeben sich drei verschiedene Einsatzmöglichkeiten. Ohne
Stimmeinsatz können die Übungen zur „Vorbereitung des Instruments" - des
Körpers - eingesetzt werden. Die Bewegungsabläufe der Übungen können mit der
Stimme kombiniert werden oder die Bilder des Qigong werden lediglich mental
unterstützend während der Stimmgebung ohne Bewegung eingesetzt.
Der Haltungs-Grundsatz des Qigong „unten fest und stabil - oben leicht und frei" sei
eine ideale Voraussetzung für die Stimmproduktion. Durch die Übungen könne ein
Ausgleich des muskulären Tonus und eine Öffnung der Atemräume erreicht
werden. Durch das Training von Bewusstheit und Gelassenheit werde die
Selbstakzeptanz gefördert. Die Logopädin Evemarie Haupt empfiehlt den Einsatz
von Qigong besonders bei funktionellen und psychogenen Stimmstörungen.
Anhand eines Fallbeispiels soll das mögliche Ausmaß einer Integration von Qigong
in die Stimmtherapie verdeutlicht werden.
40
Eine Patientin, 23 Jahre alt, Altenfachbetreuerin litt an einer funktionellen
Stimmstörung
mit
weichen
Stimmlippenknötchen
(sekundäre
organische
Stimmlippenveränderung). Der VHI (Voice Handicap Index) ergab einen Wert von
36 (mittelgradiges Handicap) vor Beginn der Therapie. Nach 10 Therapiestunden in
drei Monaten mit intensivem Qigong-Training ergab sich nur noch ein VHI-Wert von
13 (kein Handicap) und in der Stimmfeldmessung war ein Gewinn von 16
Halbtönen zu verzeichnen.
Yoga
Yoga etabliert sich in unsere Gesellschaft immer mehr als Sport oder auch als
Lebenseinstellung. Es finden sich Angebote zu den verschiedensten Ausformungen
des Yogas aus dem fernöstlichen Bereich, inzwischen europäisierte Formen oder
sogar auf bestimmte körperliche Probleme zugeschnittene Varianten (vgl. HormonYoga).
Böhme
merkt
an,
StimmtherapeutInnen
dass
als
Yoga
auch
ergänzende
von
Methode
vielen
bei
LogopädInnen
der
Behandlung
und
von
Stimmstörungen eingesetzt werde. Da Yoga grundsätzlich als Methode gelte, die
positive Auswirkungen auf die ganzheitliche Gesundheit des Menschen hat und zu
den Entspannungsmethoden zählt, könne der komplementäre Einsatz empfohlen
werden. Yoga sei jedoch nicht ausschließlich entspannend, bei den Übungen
werde auch der Muskelaufbau gefördert. So könne eine Balance zwischen
Spannung und Entspannung entstehen, die sich positiv auf die Stimmfunktion
auswirken kann. Ein evidenzbasierter Wirksamkeitsnachweis existiert nicht, es gab
jedoch eine Studie zur Auswirkung von Yoga bei Aufführungsangst, die auf positive
Ergebnisse hinweist und zu weiteren Untersuchungen anregt. Somit könnte Yoga
eventuell eine besondere Eignung für die Behandlung von psychogenen
(insbesondere Aufführungsangst-bedingten) Stimmstörungen haben. (vgl. (Stern,
Khalsa, & Hofmann, 2012))
Neben den Ausnahmen Homöopathie und Akupunktur finden sich auch hier fast
ausschließlich Verfahren, die jene oben erwähnte „mind/body control" zum Inhalt
haben. Auch Spiecker-Henke plädiert in ihren Ausführungen über „Körperzentrierte
41
Maßnahmen in der Stimmtherapie" für den Körper als Ansatzpunkt bei der
Behandlung von Stimmstörungen:
„Der Körper ist das Tor zur Stimmtherapie. Die Haltung des Körpers, seine
Bewegungen, der individuelle Tonus des Menschen - dies alles prägt unsere
Stimme bis in die feinsten Nuancierungen hinein. Die Körperarbeit mit dem
Fokus auf der Spannungsregulierung ist daher der Königsweg, um unser
Klanginstrument Körper so zu formen, das die Stimme allen kommunikativen,
wie auch ästhetischen Anforderungen gerecht wird." (Spiecker-Henke, 2008, S.
90)
Zudem merkt sie an:
„Bei der Auswahl der richtigen Methode spielt, neben der Erfahrung des
Therapeuten, nicht nur die Art der Stimmerkrankung eine Rolle, sondern immer
auch die Persönlichkeitsstruktur des Patienten."
Während bisher hauptsächlich aktive Übungstherapien vorgestellt wurden, folgen in
den nächsten Kapiteln noch ausführliche Beschreibungen zu manuellen Verfahren,
die aufgrund ihrer Verwandtschaft zur CranioSacral Therapie hier eine besondere
Beachtung verdienen.
5.4.1 Manuelle Therapieverfahren bei Stimmstörungen
Grundsätzlich ist die Manuelle Therapie der manuellen Medizin verbunden, die
schulmedizinisch anerkannt ist. Einzelne Verfahren, wie die Chiropraktik oder die
Osteopathie fallen jedoch ins Feld der Komplementärmedizin und wurden mit
Absicht im vorigen Kapitel noch nicht behandelt. Es gibt nämlich einen ganz
wesentlichen
Unterschied
zwischen
Verfahren
wie
der
Alexandertechnik,
Feldenkrais oder der Progressiven Muskelrelaxion und den Manuellen Therapien.
Bis auf die ebenfalls erwähnte Homöopathie und Akupunktur handelt es sich in
allen Fällen um Übungstherapien, die die Mitarbeit des/der PatientIn voraussetzen.
Bei manuellen Therapieformen hingegen nimmt der/die Behandelte eine eher
passive Rolle ein.
Manuelle Therapien im Generellen zielen auf die „handwerkliche" Lösung von
Muskelverspannungen und Fehlstellungen, werden aber auch zur Lösung von zum
Beispiel verklebten Faszien angewendet. In der Stimmtherapie kann dies bei
Verspannungen der Kehlkopf-, Hals-, Artikulations- und Atemmuskulatur zum
42
Einsatz kommen. Aber auch eine Behandlung von Haltungsanomalien, die zu
Stimmstörungen
führen
oder
diese
begünstigen
können,
ist
Teil
dieser
Therapieform.
Die CranioSacral Therapie, die im folgenden Kapitel gesondert behandelt wird,
zählt ebenfalls zu den Manuellen Therapien.
Es folgen nun Beschreibungen der Osteopathie und der Manuellen Stimmtherapie
in Bezug auf ihren Einsatz bei Stimmstörungen.
Osteopathie
Die Grundform der parietalen Osteopathie geht auf Andrew Taylor Still (1828 1917)
zurück.
Diese
legt
einen
Schwerpunkt
auf
die
Behandlung
von
Verspannungen und Ungleichgewichte im Bindegewebe, in der Muskulatur und in
den Gelenken. Still ging vom Konzept des Körpers als Funktionseinheit aus,
wodurch es seiner Ansicht nach zu Wechselwirkungen in allen Bereichen kommt. In
der gängigen Literatur (z.B. bei Andrew Taylor Still und William Garner Sutherland)
wird
die
Technik
der
Osteopathie
als
Aktivierungsmöglichkeit
der
Selbstheilungskräfte des Körpers beschrieben. Zwei weitere Unterbereiche der
Osteopathie bilden die viszerale Osteopathie, die die inneren Organen und ihre
Bindegewebe-Aufhängungen behandelt und die Craniosacrale Osteopathie, die
sich mit Atem- und Herzfrequenz-unabhängigen Rhythmen des Organismus
beschäftigt.
Die Diagnose erfolgt durch palpatorische Befunderhebung und die Therapie wird
durch manipulative Techniken ausgeführt.
Ein Unterbereich der Osteopathie, den Böhme in seinem Buch behandelt, ist die
Manuelle Faszilitation, die als Entspannungstechnik für die Gesichtsmuskulatur in
der Stimmtherapie häufig zum Einsatz komme. Durch das Strecken (Faszilitation),
werde eine Entspannung der hypertonen Muskulatur erreicht. Behandelt werde vor
allem
der
Kieferbereich,
die
Mundhöhle
und
der
Halsbereich
inklusive
eingeschlossenem Kehlkopf und seinen muskulären Aufhängungen. Da ein
besonderes Augenmerk auf den Beziehungen zwischen Körperhaltung, Atmung
und Kehlkopffunktion während der Phonation liegt, könnten Spannungen und
Ungleichgewichte erkannt und behandelt werden, so Böhme.
43
Vor allem bei hyperfunktionellen Dysphonien zeigte sich die Manuelle Faszilitation
als geeignete unterstützende Technik. Oft befinden sich bei dieser Form der
Stimmstörung die innere und äußere Kehlkopfmuskulatur in einer erhöhten
Spannung. Diese könne einerseits zu direkten Auswirkungen auf den Kehlkopf und
weitere Teile des Stimmapparates führen und zusätzlich andere Muskelgruppen,
die kompensierend wirken, und ebenfalls in direkter oder indirekter Verbindung zur
Stimmproduktion stehen, in Mitleidenschaft ziehen.
Die
palpatorische
Befunderhebung
fände
bei
den
meisten
ausführlichen
Stimmuntersuchungen nur spärlich oder gar nicht statt, so kommt es vor, dass
Befunde
weitgehend
Beeinträchtigungen
unauffällig
der
Sing-
sind,
der/die
oder/und
PatientIn
Sprechstimme
trotzdem
beklagt.
enorme
Auch
bei
Auffälligkeiten des Befundes sei die Ursache der Beschwerden oft nicht eindeutig
festzustellen. In vielen Fällen könne hier die Technik der Manuellen Faszilitation
helfen, da diese einen differenzierten palpatorischen Zugang biete.
Weder die Osteopathie noch die Manuelle Faszilitation sind eine eigenständige
Stimmtherapie, sie könnten jedoch effizient den klassischen Therapieverlauf
unterstützen, wie das folgende Fallbeispiel zeigen soll.
Ein 32-jähriger Bariton (Opernsolist) stellte seit 8 Monaten eine zunehmende
Anstrengung beim Singen in der Mittellage und Höhe fest. Zudem beklagte er eine
Schwächung des Klanges und der Tragfähigkeit seiner Stimme sowie schnelle
Ermüdung und verlängerte Erholungsphasen. Nach dem Singen verspürte er
vermehrt Verspannungen im rechten Halsbereich und im Mundboden. Für ihn
wurde ein interdisziplinäres Konzept entwickelt, das aus zwei logopädischen
Einheiten, einer gesangspädagogischen Einheit und einer Einheit der manuellen
Faszilitation bestand. Sechs Wochen lang nahm er an den Therapiestunden teil
und bemerkte bereits am Anfang eine deutliche Verbesserung der Verspannungen.
Im Lauf der Zeit verbesserte sich auch die Stimmfunktion und er beschrieb eine
psychologische Erleichterung, da seine Auftrittsangst, die er aufgrund der
Beeinträchtigung entwickelt hatte, wieder nachließ. Nach der Therapie war er in der
Lage, seinen Beruf wieder normal auszuüben.
44
Manuelle Stimmtherapie
Neben der bereits eher bekannten und vorher beschriebenen Osteopathie gibt es
eine Manuelle Therapieform, die sich speziell mit der Stimme und den
dazugehörigen Funktionen wie z.B. der Atmung beschäftigt. Aufbauend auf
manuellen
und
sprechtechnischen
osteopathischen
Erkenntnissen
Grundlagen,
beruhenden
die
von
speziellen
Handgriffen ergänzt
auf
werden,
entwickelte Gabriele Münch die Manuelle Stimmtherapie. Dies kann man zumindest
so in ihrem Buch „Manuelle Stimmtherapie (MST), eine Therapie, die berührt“
lesen. Wirklich klar ist die Trennung zu anderen manuellen Verfahren in der
Stimmtherapie jedoch nicht. Zu Beginn werden Fallbeispiele zweier Studien zur
Zirkumlaryngealen Therapie angeführt, um die Effizienz und Effektivität der
Manuellen Stimmtherapie zu unterstreichen. Diese sind jedoch (neben der
Laryngealen Manuellen Therapie und der Therapieform VoiceRelease laut
(Lehnert, 2011, S. e145) voneinander zu unterscheiden. Eine Herausarbeitung der
Gemeinsamkeiten und Unterschiede würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen,
könnte jedoch Aufschluss darüber geben, wie viel Münch bei ihrer Therapieform
nun wirklich selbst entwickelt hat, zumal sie sich auf Ergebnisse einer Studie beruft,
die noch vor der Entwicklung ihrer Therapieform veröffentlicht wurde. Trotzdem ist
es eine Therapieform, die in vielen Fällen die klassische Stimmtherapie unterstützt
oder sogar ersetzt und deshalb hier in ihren Grundzügen beschrieben werden soll,
unabhängig von wem sie nun wirklich erfunden wurde.
Als Ziele der Therapieform werden eine funktionierende Tiefatmung, eine
physiologische Haltung, eine Weite im Kehl- und Kieferraum, eine Verbesserung
der Motorik der Artikulation, des Kauens und des Schluckens und eine gute
Durchblutung der an der Stimmgebung beteiligten Organe genannt. Vgl. (Münch,
2011, S. 15)
45
Nach durchgeführten Studien könne die Manuelle Stimmtherapie vor allem bei
funktionellen Dysphonien zum Erfolg führen und bei organischen und psychogenen
Stimmstörungen zumindest eine Erleichterung verschaffen, nicht jedoch die
Ursache der Störung lösen.
"Was genau funktionelle Stimmstörungen hervorruft, ist unklar. Eine exakte
Einordnung in hyper- und hypofunktionelle Stimmstörungen [...] mit der
Auswahl von passenden Therapiemethoden ist somit schwierig. Deshalb ist es
für den Therapeuten umso wichtiger, seine Augen und Hände hinzuziehen zu
können, um Spannungsdysbalancen der atem- und stimmgebenden Organe
diagnostizieren und behandeln zu können." (Münch, 2011, S. 27)
Da Verspannungen eines Körperteils meist mit Unterspannung anderer Bereiche in
Zusammenhang
stehen,
könne
der/die
TherapeutIn
durch
Ertasten
der
Überspannung auf Unterspannung anderer Körperteile schließen. So sieht zum
Beispiel Hammann auf der Grundlage seiner Studie mit LehramtsstudentInnen mit
Stimmstörungen
einen
Verspannungen
der
Zusammenhang
Brust-,
Hals-
zwischen
und
falscher
Atmung
Schultermuskulatur.
Da
und
diese
Verspannungen sich wiederum auf die Kehlkopfmuskulatur auswirken, könne durch
eine unphysiologische Atmung eine Stimmstörung entstehen.
Münch beschreibt in ihrem Buch eine grundsätzliche Ursache für Fehlspannungen
im gesamten Körper. Aus ihrer Sicht spielen die Nervensysteme Parasympathikus
und Orthosympathikus hier eine tragende Rolle. Während der Orthosympathikus
über den Neurotransmitter Noradrenalin für die Anspannung verantwortlich sei,
sorge der Parasympathikus mit dem Neurotransmitter Acetylcholin für die
Entspannung. Geraten diese beiden Systeme aus ihrem natürlichen dynamischen
Gleichgewicht, sei eine Erkrankung des Körpers die Folge. So könne auch die
Stimme von einer generellen Über- oder Unterspannung des Körpers betroffen sein
wodurch sich mit der Zeit eine Stimmstörung manifestieren könne. Vgl. (Münch,
2011, S. 33)
Von den veränderten Spannungszuständen können sowohl die Atemmuskulatur mit
Zwerchfell,
Interkostalmuskulatur
Sternocleidomastoideus),
die
äußere
und
und
Atemhilfsmuskeln
innere
Kehlkopfmuskulatur,
(z.B.
die
Halsmuskulatur und die Halsfaszien und die Gesichts- und Kaumuskulatur betroffen
sein. Da, wie bereits oben erwähnt, die Muskelgruppen sich alle untereinander
46
beeinflussen und auch Fehlhaltungen, bakterielle, virale oder neurologische
Erkrankungen zu Verspannungen führen können, sei es wichtig, im Laufe der
Therapie die eigentliche Ursache für die Stimmstörung ausfindig zu machen.
Wie oben bereits beschrieben, werden manuelle Verfahren in der Stimmtherapie
eingesetzt, da Beeinträchtigungen im Bewegungsapparat (vor allem im Bereich der
Halswirbelsäule) die Entstehung einer Stimmstörung begünstigen können und so
durch Lösen des Problems im Bewegungsapparat auch die Stimmstörung einfacher
behandelt werden kann.
„Die klassischen stimmtherapeutischen Verfahren versuchen Haltungsfehler
durch Haltungskorrektur aufzuheben. Die um Manualmedizin bereicherte
Stimmtherapie versucht durch gezielte Muskeldehnung und auch durch
Deblockierungen den Vorgang der Haltungskorrektur zu beschleunigen und zu
vereinfachen. Die klassische Stimmtherapie versucht durch Übungen eine
ausgewogene costoabdominale Atmung herbeizuführen. Eine durch
Manualmedizin bereicherte Stimmtherapie versucht dies z.B. durch
Deblockierung blockierter Wirbel-Rippen-Gelenke oder durch Behandlung
verspannter Ansätze des Zwerchfells am Rippenbogen zu erleichtern.“
(Lehnert, 2011, S. e146)
Eine Studie zur „Effektivität der manuellen Medizin in der HNO“ untersuchte die
Auswirkungen von manuellen Interventionen bei Schwindel, Hörstörungen,
Stimmstörungen und Tinnitus. Die Studie wurde an der Universitäts-HNO-Klinik in
Mannheim durchgeführt, wo eine dort entwickelte „Kombinationsmethode der
Manualtherapie aus „occipital base release technique“ und Atlasimpulstherapie
nach Arlen“ (Hülse & Hölzl, 2004, S. 229/230) zur Anwendung kam. Mit
durchschnittlich zwei bis drei Behandlungen konnten in allen vier Gruppen
Therapieerfolge erzielt werden, die bei Stimmstörungen rund acht Monate, bei
Hörstörungen und Tinnitus rund 10 Monate und bei Schwindel sogar rund 14
Monate anhielten. Bei den Stimmstörungen konnte nur in 17% der Fälle keine
Besserung erwirkt werden.
47
Den Erfolg in über 80% der Stimmstörungen sehen die Autoren in folgendem
Phänomen begründet:
„Bei den funktionellen Dysphonien steht v. a. die hyperfunktionelle Form im
Vordergrund. Für eine solche Dysphonie typisch ist die ausgeprägte
Muskelverspannung im prälaryngealen, aber auch im nuchalen Bereich. Eine
funktionelle HWS-Störung führt ebenfalls zu einem Muskelhypertonus, so dass
sich eine hyperfunktionelle Dysphonie und eine funktionelle HWS-Störung
potenzieren. Durch eine manualtherapeutische Lösung der HWS-Blockierung
kann ein wesentlicher Faktor des Muskelhypertonus ausgeschaltet werden,
sodass dann eine logopädische Therapie deutlich schneller zu einem Erfolg
führen kann.“ (Hülse & Hölzl, 2004, S. 233)
Natürlich ist es ein Unterschied, ob manuelle Techniken an der Halswirbelsäule
(siehe Studie) oder direkt am betroffenen stimmgebenden Organ (siehe Manuelle
Stimmtherapie) ausgeführt werden. Ziel beider Interventionen ist jedenfalls ein
Abbau von Überspannung. Die Erfolge der einen Studie lassen sich natürlich nicht
auf die andere Therapiemethode übertragen, es gibt jedoch Anzeichen dafür, dass
die Reduzierung einer Überspannung in den betroffenen Bereichen positive
Auswirkungen auf die Therapie einer Stimmstörung hat.
48
6
Komplementärmedizin versus Schulmedizin
„Wer daran glaubt..."
„Das ist ja alles nicht bewiesen!"
Solche
Sätze
hört
man
immer
wieder,
wenn
es
um
das
Thema
Komplementärmedizin geht. Neben diesem inzwischen gängigen Begriff werden
dafür
auch
Ausdrücke
wie
Alternative
Medizin,
Integrative
Medizin,
Ganzheitsmedizin, sanfte Medizin oder aus dem englischen „belief based medicine"
oder CAM („complementary and alternative medicine") verwendet.
Ihr gegenüber steht die sogenannte Schulmedizin, also jene Medizin, die nach
naturwissenschaftlichen Grundsätzen gelehrt wird und deren Wirkweisen als
bewiesen und wissenschaftlich nachweisbar gelten.
Schon aus den Begrifflichkeiten lässt sich der Konflikt herauslesen.
Dass die Schulmedizin über ihren Titel angesichts des heutigen Images der Schule
nicht glücklich sein kann, ist wohl verständlich. Das heutige Verständnis des
Ausdrucks (ob negativ oder positiv hängt unabhängig vom Image der Schule meist
von der individuellen Sicht auf die Medizin ab) prägte der Homöopathie-Begründer
Samuel Hahnemann, der damit sein Therapiekonzept von der damals etablierten
Medizin abzugrenzen versuchte.
Der Begriff der Komplementärmedizin ist wesentlich jünger und damit auch (im
Gegensatz zu den oben teilweise verwendeten Synonymen) passender formuliert.
Komplementär bedeutet ergänzend, das heißt, dieser Zweig der Medizin stellt
keinen Alleinherrschaftsanspruch sondern versteht sich als ergänzende Möglichkeit
zu bestehenden und etablierten Methoden der Schulmedizin.
Oft wird auch von einer wissenschaftlichen und unwissenschaftlichen Medizin
gesprochen.
Hier
wiederum
wird
der
Komplementärmedizin
die
Wissenschaftlichkeit abgesprochen, wohingegen diese dann mit dem Begriff der
menschlichen
Medizin
kontert,
die
der
Schulmedizin
im
Gegenzug
die
Menschlichkeit abspricht.
Während die Schulmedizin der Meinung ist, die Komplementärmedizin habe ihre
Erfolge nur dem sogenannten Placebo-Effekt zu verdanken, weil diese oder jene
49
Therapiemethode
gar
nicht
funktionieren
könne,
kommt
von
der
Komplementärmedizin der Vorwurf, dass ihrerseits wissenschaftlich korrekt
durchgeführte Studien mit positiven Ergebnissen für die Therapiemethode von
Seiten der Schulmedizin nicht veröffentlicht würden.
Professor Doktor Herbert Pietschmann, ehemaliger Vorstand des Instituts für
theoretische Physik der Universität Wien, sieht die Ursache des Problems
folgendermaßen:
„Wir haben uns in unserem Denkrahmen auf Aristoteles zurückgezogen, [...].
Von anderen Kulturen werden wir Abendländer gerne als die „Entweder-oderDenker" bezeichnet. Wir kennen keine Grautöne, nur schwarz und weiß.
Entweder Wissenschaft oder Meinung. [...] Und wenn es nicht wissenschaftlich
bewiesen ist, ist es bloß eine Meinung, und die zählt nicht." (Pietschmann,
SpringerMedizin.at, 2012)
Bei Diskussionen in diesem Feld stößt man auf das Stichwort der evidenzbasierten
Medizin. Hierbei handelt es sich um eine jüngere Entwicklungsrichtung aus den
90er Jahren, die fordert, dass jede medizinische Behandlung sich an einer
empirisch nachgewiesenen Wirksamkeit orientiert. Der Begriff entstammt dem
Englischen (evidence-based medicine) und hat seinen Gegenpart in der oben
bereits genannten belief-based medicine, die ähnlich wie im Deutschen die beiden
Begriffe Wissenschaft bzw. Evidenz und Glauben gegeneinander stellt.
Pietschmann sieht auch hier einen problematischen Ansatz:
„[...] die evidenzbasierte Medizin bezieht sich wieder nur auf unseren
Denkrahmen, und das heißt, als Evidenz wird nur anerkannt, was messbar,
widerspruchsfrei reproduzierbar und kausal begründbar ist. Alles andere fällt
unter den Tisch. […] Ich sage darauf immer: Bei Gericht wird auch eine
eidesstattliche Erklärung ernst genommen. Warum dieses Prinzip nicht
übernehmen? Also nicht unbedingt gerade eidesstattlich, aber glaubwürdige
Aussagen des Menschen, ob er sich nach der Behandlung besser oder
schlechter fühlt, ebenso ernst nehmen wie irgendwelche Messungen, die am
Menschen gemacht werden. Aber das wird nicht gemacht, weil es nicht in
unseren Denkrahmen passt." (Pietschmann, SpringerMedizin.at, 2012)
50
Um unsere Denkweise zu verstehen, müsse man, laut Pietschmann sehr weit in der
Geschichte zurückgehen. Bei Galilei angefangen, der den Satz „Alles was messbar
ist, messen und was nicht zu messen ist, messbar machen!" prägte, über
Descartes, der propagierte, dass man zu einem Verständnis des Ganzen alles in
kleinste Teile zerlegen müsse, stößt man auf das oben bereits angesprochene
„Entweder-Oder-Denken" von Aristoteles und schließlich auf Newton, der forderte
„Für
alles
muss
eine
Ursache
gefunden
werden!".
Vgl.
(Pietschmann,
SpringerMedizin.at, 2012)
Dieses naturwissenschaftliche Modell sei aber in der Medizin nicht haltbar:
„Nach Kant liegt die Würde des Menschen gerade in seiner Einmaligkeit und
Unauswechselbarkeit. Und diese muss übersehen werden, wenn wir unsere
Medizin auf diesen Denkrahmen, auf das naturwissenschaftliche Modell,
gründen. [...] Wir konstruieren eine Wirklichkeit, die mit dem unmittelbaren
Empfinden des Menschen nichts mehr oder nur noch wenig zu tun hat. Wenn
ein Mensch sagt: Ich habe Schmerzen, dann muss das erst objektiviert werden,
bevor man etwas dagegen tut. Und das ist, wenn man so will, eine
Entwürdigung des Menschen". (Pietschmann, SpringerMedizin.at, 2011)
6.1 Wer nutzt Komplementärmedizin?
Wie
bei
vielen
umstrittenen
Themenfeldern
gibt
es
auch
in
der
Komplementärmedizin Befürworter und Gegner. Von beiden Seiten existieren
Vorurteile, die zum Teil schon in den vorigen Seiten beschrieben wurden.
In
den
letzten
Jahrzehnten
hat
jedoch
ebenfalls
eine
wissenschaftliche
Auseinandersetzung mit der Komplementärmedizin begonnen. Ausgehend von
ihrer starken Verbreitung und Popularität halten es viele MedizinforscherInnen und
auch ÄrztInnen für eine Notwendigkeit, den verschiedenen Meinungen und
Aussagen einen wissenschaftlichen Boden zu geben.
Immer häufiger findet man Forschungen zu Evidenz und Wirksamkeit aus dem
komplementärmedizinischen Bereich, die nach den gängigen Kriterien der
Schulmedizin durchgeführt werden aber auch theoretische Auseinandersetzung zu
möglichen alternativen Forschungsmethoden. Diesem Themenbereich wird sich ein
späteres Kapitel noch ausführlicher widmen.
Die Fragen, die zunächst interessieren, lauten:
Wie viele Menschen nutzen eigentlich komplementärmedizinische Verfahren?
51
Wer sind die NutzerInnen und (wie) lassen sie sich charakterisieren?
Warum werden diese Methoden genutzt?
Und in welchem Zusammenhang steht die Nutzung mit der sogenannten
Schulmedizin?
In Verbindung damit steht natürlich auch die Frage:
Worin unterscheiden sich Schul- und Komplementärmedizin?
Um die folgenden Ausführungen besser zu verstehen, ist es wahrscheinlich
notwendig, sich zuerst dieser Fragestellung zu widmen.
Gibt man im Internet den Begriff "Komplementärmedizin" ein, so erhält man die
unterschiedlichsten Definitionsmodelle.
„Unter dem Begriff Komplementärmedizin wird ein breites Spektrum von
Disziplinen und Behandlungsmethoden zusammengefasst, die auf anderen
Modellen der Entstehung von Krankheiten und deren Behandlung basieren als
jene der Schulmedizin. Definitionsgemäß werden sie ergänzend zur
Schulmedizin eingesetzt." (Bundesministerium für Gesundheit)
„Unter Komplementärmedizin, oft auch „Alternativmedizin" genannt, versteht
man eine „sanfte", „biologische" Anwendung von Heilverfahren oder
Medikamenten (z.B. „pflanzliche" Arzneimittel). Diese Art der Behandlung ist in
den meisten Fällen nicht belastend für den Körper und hat keine oder kaum
Nebenwirkungen. Die alternativen Heilmethoden sind ebenso vielfältig wie
unterschiedlich, ihre Definitionen unüberschaubar und nicht eindeutig, aber
ihnen allen gemeinsam ist die Abgrenzung gegenüber der Schulmedizin."
(Österreichische Krebshilfe Wien)
„Komplementärmedizin wird ähnlich wie die Begriffe „CAM“ und
„Alternativmedizin“ als Überbegriff für eine Vielzahl von Verfahren außerhalb
der konventionellen Medizin benutzt. Der Begriff umfasst sowohl mündlich und
schriftlich überlieferte traditionelle Medizinsysteme aus den unterschiedlichsten
Regionen der Welt, als auch neu entwickelte unkonventionelle medizinische
Verfahren. Die Naturheilkunde mit ihren klassischen Bereichen (HydroBewegungs- Phyto- Ernährungs- und Ordnungstherapie) stellt ebenso wie das
traditionelle volksmedizinische Heilwissen eine Unterkategorie dar."
(Dokumentationszentrum für traditionelle und komplementäre Heilmethoden)
52
An diesen drei Beispielen lassen sich einige gängige Auffassungen herauslesen,
die hier zusammengefasst, verkürzt dargestellt und anschließend diskutiert werden
sollen.

breites Spektrum von Disziplinen und Behandlungsmethoden, vielfältig, in
ihrer Definition unüberschaubar und nicht eindeutig, außerhalb der
konventionellen Medizin

basieren auf anderen Modellen der Entstehung von Krankheiten als die der
Schulmedizin

werden ergänzend zur Schulmedizin eingesetzt

„sanfte", „biologische" Anwendung von Heilverfahren oder Medikamenten, in
den meisten Fällen nicht belastend für den Körper und keine oder kaum
Nebenwirkungen

Abgrenzung gegen die Schulmedizin

umfasst
mündlich
als
auch
schriftlich
überlieferte
traditionelle
Medizinsysteme aus den unterschiedlichsten Regionen der Welt und neu
entwickelte unkonventionelle medizinische Verfahren
Nach
einer
im
Jahr
2007
veröffentlichten
kritischen
Analyse
der
Komplementärmedizin von Edzard Ernst gibt es derzeit rund 400 verschiedene
komplementärmedizinische Verfahren, die seiner Ansicht nach „herzlich wenig
miteinander zu tun haben". (Ernst, 2008, S. 218)
Ebenso hält er es für schwierig, eine Definition für diesen Bereich der Medizin
festzulegen und versucht aber trotzdem einen gemeinsamen Nenner zu finden (der
nicht nur darin besteht, sich gegen die Schulmedizin abzugrenzen).
In vier Thesen formuliert er den häufig ganzheitlichen Ansatz, ein individualisiertes
Vorgehen
in
der
jahrhundertelange
Therapie,
meist
Tradition
der
natürliche
Verfahren
Interventionen
als
und
die
Gemeinsamkeiten
oft
des
komplementärmedizinischen Bereichs.
53
Er warnt allerdings davor, den Begriff „natürlich" mit „nebenwirkungsfrei"
gleichzusetzen und weist darauf hin, dass eine lange Tradition noch lange keinen
Wirksamkeitsnachweis ersetzt. Zudem merkt er an:
„Individualisiertes Vorgehen wird oft angeführt als Grund dafür, dass
herkömmliche Studien zur Überprüfung der Wirksamkeit unangebracht seien.
Dies ist ein Missverständnis, das auf der Unkenntnis beruht, was solche
Studien leisten können [4]." (Ernst, 2008, S. 219)
Vor allem der Begriff der „Ganzheitlichkeit" lässt sich schwer fassen. Hier kommt es
natürlich immer auf den Horizont und die Weltanschauung der jeweiligen Person
an, was von ihr als ganzheitlich verstanden wird. Ein spiritueller Ansatz in der
Medizin wird auch nur von Menschen als ganzheitlich empfunden werden, die
Spiritualität in ihr Leben integriert haben.
Vielleicht stellt sich die Sache klarer da, wenn man nun doch die andere Seite
betrachtet - die des Patienten.
Untersuchungen darüber, wie viele Menschen in der Bevölkerung eines Landes die
Komplementärmedizin nutzen, gibt es sehr viele. So haben laut unterschiedlicher
Studien in Deutschland, der Schweiz und Österreich zwischen 63 % und 89 % der
Bevölkerung mindestens einmal komplementärmedizinische Verfahren in Anspruch
genommen.
Weit weniger häufig findet man systematische Untersuchungen darüber wer genau
diese Methoden in Anspruch nimmt und warum und wie sie genutzt werden.
Dass sich dies auch wesentlich schwieriger gestaltet ist nachvollziehbar, ist doch
die Krankheitsgeschichte eines jeden Menschen so individuell, dass man sie kaum
mit einem standardisierten Fragebogen, der eine repräsentative Aussage zum Ziel
hat, erforschen kann. Trotzdem konnte Sabine Köntopp 2005 im Bericht zu ihrer
Studie „Verhalten und Motivation von Patienten in der Komplementärmedizin"
zumindest drei Nutzertypen herausarbeiten, die nicht, wie bisher angenommen,
durch die Nutzung von Komplementärmedizin eine „homogene Nutzergruppe"
bilden, sondern die sich gerade in „ihren Überzeugungen, Motivationen und
gesundheitsbezogenen Verhaltensweisen" (Köntopp, 2005, S. 780) voneinander
abgrenzen lassen.
54
Lediglich der „Ersatznutzer" erfüllt die als allgemein verbreitet angenommene
Nutzercharakteristik
für
komplementären
Verfahren.
Er
ist
von
der
Komplementärmedizin überzeugt und nutzt sie als Ersatz für die Schulmedizin, gilt
als „spirituell und psychologisch" interessiert und „emotionale Gesichtspunkte im
Umgang mit Gesundheit und Krankheit" spielen eine große Rolle. Ebenso nutzt er
die Möglichkeit zur Selbstbehandlung und hat eine „dogmatische und ideologische
Grundhaltung gegenüber der Komplementärmedizin".
Der „Ergänzungsnutzer" hingegen zeichnet sich durch seine „Affinität zur
konventionellen Medizin und seiner distanzierten Haltung gegenüber esoterischspirituellen Denkstrukturen" aus. Er nutzt die Komplementärmedizin tatsächlich als
Ergänzung (Komplement) zur Schulmedizin.
Der „Wechselnutzer" sucht sich das Beste aus beiden Systemen zusammen und
lässt sich durch seine „pragmatische und gesundheitsbewusste
Haltung"
charakterisieren.
Inwieweit diese drei Typen ihre Verbreitung in der Gesellschaft finden, gibt die
Studie leider keine Auskunft. Generell ist lediglich zu sagen, dass vor allem
Personen mit höherer Schulbildung zu den Nutzern der Komplementärmedizin
zählen.
Neben einer besseren Einschätzbarkeit der Patienten (z.B. wer aufgrund welcher
Einstellung was wie oft nutzen wird) stellt sich auch die Frage, ob man diese
Erkenntnisse
jetzt
als
komplementärmedizinischen
Beweis
dafür
Verfahren
ihre
sehen
mag,
Berechtigung
im
dass
die
allgemeinen
Medizinsystem verdient haben - oder aber als Aufforderung, die Forschung in
diesem Bereich zu vertiefen, weil sich ihre Verbreitung offenbar schon durch weite
Teile der Gesellschaft erstreckt und längst nicht mehr nur die „Gläubigen" von den
komplementären Verfahren profitieren.
Während die vorher beschriebene Studie eher die „Wer-Frage" herausarbeitet,
widmet sich eine weitere Erhebung aus dem Jahr 1998 in den USA eher dem
„Warum".
Bei einer Email-Studie mit über 1000 TeilnehmerInnen untersuchte John A. Astin
drei Hypothesen, die Gründe dafür liefern könnten, dass PatientInnen sich der
Komplementärmedizin zuwenden. In einem schriftlichen Fragebogen wurde
55
getestet ob die PatientInnen aus Unzufriedenheit mit der Schulmedizin, aus dem
Bedürfnis nach mehr Selbstbestimmung oder aufgrund philosophischer Ansichten
den „anderen" Weg einschlagen.
NutzerInnen der Komplementärmedizin sind laut dieser Studie - entgegen vieler
Annahmen - nicht unzufriedener mit der Schulmedizin als PatientInnen, die diese
Verfahren nicht nutzen. Eindeutig ausschlaggebend zeigt sich jedoch die
Einstellung, dass Körper, Geist und Seele eine Einheit bilden und alle Bereiche sich
gegenseitig beeinflussen und aufgrund dessen auch im Krankheitsfalle alle drei
Bereiche
berücksichtigt
werden
müssen
(siehe
bio-psychosoziales
Krankheitsmodell):
„Users tend to be better educated and to hold a philosophical orientation toward
health that can be described as holistic (ie, they believe in the importance of
body, mind, and spirit in health). They are more likely to have had some type of
transformational experience that has changed their worldview in some
significant way, and they tend to be classified in a value subculture as cultural
creatives. [...] A central finding is that users of alternative health care are no
more dissatisfied with or distrustful of conventional care than nonusers are."
(Astin, 1998, S. 1552)
Generell zeigt sich, dass die erbitterten Grabenkämpfe der beiden Parteien
(Schulmedizin und Komplementärmedizin) gar nicht notwendig wären, wird doch
vom Patientenvolk beides akzeptiert und genutzt. Ein wesentlicher Punkt, der zu
der in der Praxis immer gängigeren Vernetzung der beiden Systeme beitragen
kann, ist die wissenschaftliche Forschung in der Komplementärmedizin. So fordert
auch Edzard Ernst:
„Die öffentlichen Forschungsmittel sollten (nicht zuletzt wegen der Vielzahl
unbeantworteter Fragen) in etwa der Prävalenz dieser Methoden angeglichen
werden." (Ernst, 2008, S. 221)
56
6.2 Die Nutzung von Komplementärmedizin unter
SängerInnen
„We believe that singers tend to be highly conscious of their bodys and
frequently turn to alternative medical methods to optimize their health." (Surow
& Lovetri, 2000, S. 398)
So erklären die AutorInnen ihre Motivation, die Haltung von SängerInnen
gegenüber komplementärmedizinischen Verfahren und ihr Nutzungsverhalten zu
untersuchen.
Der Körper als Instrument, die Stimme in einer Doppelrolle - privat und beruflich das ist die Situation eines jeden Sängers, einer jeden Sängerin. Krankheit heißt für
SängerInnen, mit einem defekten, nicht optimal gestimmten Instrument umgehen
zu müssen. Und nicht umsonst spricht man von „Verstimmungen" im körperlichpsychischen Bereich (Magenverstimmung, Gemütsverstimmung). Eine Vielzahl von
Muskeln und Körperfunktionen müssen perfekt zusammenspielen um einen
optimalen Stimmklang zu erhalten und im Idealfall unterstützt die richtige Stimmung
und Emotion den künstlerischen Vortrag.
Doch der Körper ist nicht nur zum Singen da und auch die Emotionen des
Menschen sind nicht dem künstlerischen Ausdruck vorbehalten. So ist es
einleuchtend, dass körperliche und emotionale Unstimmigkeiten auch die
Sängerpersönlichkeit wesentlich beeinflussen.
Und ebenso einleuchtend ist es, dass die KünstlerInnen versuchen, dieses
Gesamtsystem gesund zu halten bzw. jede Unstimmigkeit schnellstmöglich zu
beheben.
Die
Komplementärmedizin,
die
weitgehend
auf
der
Grundlage
des
bio-
psychosozialen Modells arbeitet, das den Menschen als Körper-Geist-Seele-Einheit
versteht, erscheint als passende Herangehensweise für Menschen, die in dieser
Dringlichkeit auf ihre körperliche und seelische Gesundheit angewiesen sind.
So
wundert
es
nicht,
dass
71%
der
142
Befragten
angaben,
häufig
komplementärmedizinische Verfahren zu nutzen. Die Bandbreite der genutzten
Angebote war, wie zu erwarten war, enorm. Allein 43 verschiedene Kräuter,
Präparate, homöopathische und ayurvedische Arzneimittel wurden genannt.
Zusätzlich wurde noch nach Körpertechniken gefragt, die ebenso vielfältig zum
57
Einsatz kamen. Am häufigsten verwendeten die SängerInnen Vitamine in normaler
(73,8%) und hoher (44,7%) Dosierung, Kräuter (60,2%), Massage (52,3%) und
Nährstoffe (45,5%). Auch Chiropraktik (41,2%), Homöopathie (37,8%) und
Akupunktur (21,9) zählen noch zu den beliebteren Verfahren. Wesentlich weniger
kamen Aromatherapie (12,8%), Biofeedback (11,6%) und die Kristalltherapie (9%)
zum Einsatz.
Es konnte herausgefunden werden, dass vor allem professionelle SängerInnen bei
stimmlichen Problemen häufiger zuerst in der Komplementärmedizin Hilfe suchen,
wobei dies dem Hausarzt oft verschwiegen wird:
„It is significant that singers frequently do not tell their physicians that they are
using AM therapies." (Surow & Lovetri, 2000, S. 401)
Auffallend ist jedoch, dass der Grad der Krankheit eine große Rolle spielt. Bei
leichter Krankheit tendieren vor allem professionelle SängerInnen zuerst zur
Komplementärmedizin,
wohingegen
bei
starker
Krankheit
und
auch
bei
Stimmproblemen dann doch zuerst der konventionelle Arzt aufgesucht wird. Rund
30% bevorzugen aber eine Betreuung von beiden Seiten.
„Active professionals consistently choose to use a combination of AM and
traditional providers more often when they have severe illness and voice
problems." (Surow & Lovetri, 2000, S. 403)
In der abschließenden Diskussion ihrer Studie weisen Surow und Lovetri aber auch
auf die Gefahren der unwissenden Nutzung von komplementären Methoden vor
allem bei der Einnahme von diversen Präparaten hin:
„It is necessary, therefore, for consumers to take a more active role in
researching the risks and benefits of the products they choose to take. The
special physical demands of singers and their frequent use of alternative
medicines make that chore even more important for them." (Surow & Lovetri,
2000, S. 404)
Wie oben bereits erwähnt, verschweigen viele SängerInnen ihrer/m traditionellen
MedizinerIn, dass sie komplementäre Therapien in Anspruch nehmen, einerseits
aus dem Glauben heraus, der Arzt / die Ärztin wisse sowieso nicht darüber
Bescheid, andererseits aus der Befürchtung, er/sie müsse sich mit feindlichen
Äußerungen auseinandersetzen.
58
Hier sehen Surow und Lovetri die ÄrztInnen in der Pflicht:
„Physicians should acquaint themselves with the therapies being used by
singers so that they can serve as a resource to their patients. At minimum, the
physician should be able to comment on whether the therapy is contraindicated
with any medical therapy being provided, and as to whether they have any
concerns over the special effects the product may have upon the voice."
(Surow & Lovetri, 2000, S. 404 f.)
Erst 2011/2012 widmeten sich einige ForscherInnen der Nutzung von spezieller
Ernährung und Komplementärmedizin unter SängerInnen. Sie schreiben:
„ [...] „alternative" and „complementary" medicines and approaches are used
extremely commonly by singers." (Edmann, Kondrad, & Rakel, 2011, S. 165)
Auch dieser Artikel zeigt, dass SängerInnen der Komplementärmedizin sehr
zugetan sind und bei entsprechendem Wissensstand auch sehr davon profitieren
können. Deutlich wird aber auch, dass weitere Untersuchungen und auch die
Forschung in dieser Richtung dringend nötig sind, da Verwirrungen und
Unsicherheit in Bezug auf Wirkweisen der Methoden bei deren Vielfalt leicht
möglich sind.
Da ihre Ausführungen sich nur am Rande mit Körpertherapien beschäftigen, die
aber für diese Arbeit vor allem von Bedeutung sind, soll ihr Versuch, eine Übersicht
über das Methodenangebot zu geben, hier nur kurz erwähnt werden.
59
6.3 Biopsychosozial versus Körper-Seele-Geist-Einheit
Beschäftigt man sich mit den unterschiedlichen medizinischen Ansichten über den
Menschen, so stößt man auf die verschiedensten Definitionen.
In der Schulmedizin wird nach Definition der WHO (World Health Organisation) der
Mensch als biopsychosoziale Einheit gesehen.
Nach der Psychoanalyse von Freud ist der Mensch ein triebgesteuertes
psychodynamisches Wesen, das heißt er wird von unbewussten Prozessen
gesteuert.
Nach Pawlows behavioristischem Menschenbild werden das Verhalten und die
Eigenschaften des Menschen ausschließlich von der Umwelt beeinflusst.
Die Biopsychologie geht davon aus, dass Verhalten, Erleben und Bewusstsein des
Menschen auf molekularer Ebene verstehbar, also biologisch zu erklären sind.
In der humanistischen Psychologie finden wir den Menschen als ganzheitliche
Körper-Seele-Geist-Einheit, der fähig und bestrebt ist, sein Leben selbst zu
bestimmen.
Die Komplementärmedizin geht bezüglich des Menschenbildes weitgehend mit der
humanistischen Psychologie konform:
„Krankheit hat eine somatisch beschreibbare Symptomatologie, die sich jeweils
in einem von seelischen und geistigen Faktoren mitbestimmten
Krankheitsprozess manifestiert. Umgekehrt hat Heilung nicht nur eine
somatisch interventionelle Ebene, sondern verlangt die Berücksichtigung der
salutogenen Kräfte des menschlichen Organismus sowie seiner inneren
seelisch-geistigen Ressourcen." (Willich, et al., 2004, S. 1317)
Dass sich diese Sicht auf den Menschen vom schulmedizinischen Bild des
Patienten unterscheidet, ist recht offensichtlich.
Betrachtet man aber den Begriff „biopsychosozial", so fragt man sich, wo denn nun
genau der Unterschied zur komplementärmedizinischen Sichtweise besteht. Fragen
nach der Natur der Psyche stellen sich. Ist Psyche gleich Geist? Ist Psyche gleich
Seele? In der Literatur findet man die unterschiedlichsten Ansätze.
60
Abbildung 4: Körper-Seele-Geist (Zuerner, S. 1)
Wie später noch ausgeführt wird, sieht Arnim Bechmann das Problem der
gegenseitigen Anerkennung in der unterschiedlichen Auffassung über den Geist
des Menschen. Betrachtet man die obige Abbildung, so scheint dies bestätigt zu
werden.
Liest man dann jedoch Ausführungen über das biopsychosoziale Krankheitsmodell,
so fallen dort Begriffe wie „ganzheitlich", „Leib-Seele-Theorie", „Körper-GeistDichotomie". Also scheint der Geist doch in das Verständnis von Gesundheit und
Krankheit integriert zu sein.
Um dem Verständnis dieser Begriffsunklarheit näher zu kommen, hilft es, wenn
man die Erläuterungen von Professor Josef Egger von der Universitätsklinik für
Medizinische Psychologie und Psychotherapie in Graz betrachtet.
Er formuliert deutliche Kritik an der unangemessenen Verwendung des Begriffs der
biopsychosozialen Medizin:
„Auch in der medizinischen Alltagssprache ist der sperrige Begriff inzwischen
so geläufig, dass man den Eindruck gewinnen könnte, die moderne Medizin
verstehe sich in weiten Bereichen als eine biopsychosoziale [...]. [...] de facto
hat der ausgerufene Paradigmenwechsel von einer biomedizinischen zu einer
(„ganzheitlichen") biopsychosozialen Medizin nicht stattgefunden - die aktuelle
Publikationstätigkeit zeigt ganz nüchtern die gewaltige Dominanz der
biologisch-medizinischen Wissenschaft." (Egger, 2005, S. 3)
61
Er betont, dass es bei der Betrachtung eines kranken Menschen nicht reicht, wenn
man die verschiedenen Faktoren (biologisch, psychologisch und öko-sozial)
getrennt voneinander am Rande beachtet, sondern es gilt zu beachten, dass „bei
jedem Krankheitsprozess psycho-soziale Faktoren als potentielle Einflussgrößen zu
kalkulieren sind." (Egger, 2005, S. 4)
Das biopsychosoziale Modell geht von der Natur als einem hierarchischen Modell
aus, dessen einzelne Systeme alle miteinander verbunden sind und sich
gegenseitig beeinflussen können. So wird Gesundheit als Fähigkeit des
menschlichen
Systems
verstanden,
Störungen
auf
allen
Systemebenen
eigenständig zu bewältigen. Nicht Nicht-Krankheit wird als Gesundheit angesehen,
sondern die Fähigkeit, die Kontrolle über krankmachende Faktoren zu behalten.
Krankheit
entsteht
demzufolge,
wenn
diese
Form
der
Kontrolle
und
Selbstregulierung nicht mehr möglich ist und dadurch Störungen auf beliebigen
Systemebenen nicht mehr bewältigt werden können.
„Wegen der parallelen Verschaltung der Systemebenen ist es nicht so
bedeutsam, auf welcher Ebene oder an welchem Ort eine Störung generiert
oder augenscheinlich wird, sondern welchen Schaden diese auf der jeweiligen
Systemebene, aber auch auf den unter- oder übergeordneten Systemen zu
bewirken imstande ist." (Egger, 2005, S. 5)
So wird davon ausgegangen, dass eine Störung nicht entweder biologisch oder
psychologisch ist sondern stets Faktoren aus beiden Bereichen zusammenspielen.
Damit ist auch davon auszugehen, dass „sowohl physiologische als auch
psychologische Interventionen prinzipiell gleichermaßen in der Lage [sind],
Änderungen im Organismus zu erzeugen, die sowohl physischer wie psychischer
Natur sind - d.h. die potentiell sowohl in der materiell-körperlichen wie auch in der
psychologisch-mentalen Begrifflichkeit beschreibbar sind." (Egger, 2005, S. 9)
Egger beschreibt in seinen Ausführungen das Idealmodell der Simultandiagnostik
und -therapie, wo sowohl auf somatischer, psychologischer als auch sozialer Ebene
gearbeitet wird. Trotz Erhaltung der naturwissenschaftlichen Herangehensweise
der evidenzbasierten Wissenschaft, fordert er die Integration der Erkenntnisse der
psychologischen und öko-sozialen Wissenschaften.
62
„In einer solchen Medizin ist der naturwissenschaftliche Ansatz weiterhin von
zentraler Bedeutung, er wird aber auf der Grundlage eines biopsychosozialen
Verständnisses sowie auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse um
psychologische und öko-soziale Dimensionen erweitert. Die (objektivierbaren
Aspekte von) Krankheit und (die subjektivierbaren Aspekte des Erlebens von)
Kranksein sind damit nicht mehr nebeneinander stehend, sondern zwei Seiten
ein und derselben Medaille.“ (Egger, 2005, S. 12)
Laut WHO sollte also die Schulmedizin bereits „ganzheitlich(er)" diagnostizieren
und therapieren und die scheinbar unüberwindbare Trennung zwischen Schul- und
Komplementärmedizin wäre quasi nicht mehr vorhanden. In der Realität sieht das
offensichtlich noch anders aus.
Auch wenn alles auf eine Annährung hindeutet - ein kleiner Unterschied an den
medizinischen Fronten ist doch noch festzustellen.
Wie
bereits
erwähnt
macht
nicht
das
Menschenbild
als
solches
den
hauptsächlichen Unterschied, sondern die Herangehensweise an die Begriffe
Krankheit und Gesundheit.
Dass alles irgendwie zusammenhängt und sich gegenseitig beeinflusst stellt noch
eine Gemeinsamkeit dar. Beim Begriff Gesundheit zeigt sich dann schon die
unterschiedliche Sichtweise. Während Gesundheit im biopsychosozialen Modell
eine erfolgreiche Kontrolle über krankmachende Faktoren bedeutet, geht die
Komplementärmedizin von einem sich in Balance befindenden System aus, in dem
interne und externe Kräfte im Gleichgewicht stehen. Krankheit entsteht demnach
durch ein Ungleichgewicht und nicht durch fehlende Kontrolle.
Der größere Unterschied besteht jedoch darin, dass auch das biopsychosoziale
Modell die Hauptaufmerksamkeit noch auf die Störung und ihre (möglichen)
Auswirkungen legt und sich die meisten komplementärmedizinischen Verfahren
gleichzeitig auch mit der Ursache der Störung beschäftigen. Da gilt es durchaus als
wichtig, wo eine Störung primär entstand. Denn auch der Entstehungsort einer
Krankheit gibt Aufschluss über deren Charakter und Heilungsmöglichkeiten.
63
„Den pathogenetisch orientierten Therapieprinzipien der heutigen Schulmedizin
(zum Beispiel Kontrolle oder Suppression eines Krankheitsprozesses,
Substitution fehlender Organfunktionen) steht der Anspruch vieler
komplementärmedizinischen Methoden gegenüber, bei dem erkrankten
Menschen diejenigen Prozesse zu unterstützen, die der Organismus selbst in
der Auseinandersetzung mit der Erkrankung aufruft. Heilung bedeutet unter
diesen Gesichtspunkten nicht nur ein Zurückdrängen der Erkrankung in
geringere Manifestationsgrade und damit in eine Zeit früherer Gesundheit,
sondern auch ein Lernen an und mit der Erkrankung." (Willich, et al., 2004, S.
1317)
6.4 Forschung in der Komplementärmedizin versus
Forschung in der Schulmedizin
Randomisierte kontrollierte Studien (Randomised controlled trials => RCTs) gelten
in der medizinischen Forschung als "Goldstandard", also als die mit der höchsten
Evidenz angesehene Studienmethode.
Abbildung 5: Evidenzklassen in der evidenzbasierten Medizin (EBM Netzwerk)
Hierzu wurden die Forschungsmethoden in der sogenannten evidenzbasierten
Medizin in Evidenzklassen eingeteilt (siehe Abbildung).
64
Die erste Klasse bilden die RCTs, also entweder eine hoch qualitativ durchgeführte
Studie oder eine systematische Auswertung mehrerer durchgeführter RCTs zur
gleichen Anwendung.
Studien ohne Randomisierung und mit „quasi-experimentellem" Charakter befinden
sich in der zweiten Klasse. Nicht experimentelle, beschreibende Studien bilden die
dritte Klasse und die nach dieser Einteilung am wenigsten aussagekräftigen
Studien in der vierten Klasse sind Experten-Berichte und Meinungen, sowie die
klinischen Erfahrungen von ÄrztInnen und TherapeutInnen.
Auch die Einteilung in die Härtegrade A (Evidenzklasse I, aus klinischer Sicht
erstrangig), B (Evidenzklassen II und III, aus klinischer Sicht zweitrangig) und C
(Evidenzklasse IV, aus klinischer Sicht drittrangig) ist üblich.
Wie bereits in vorigen Kapiteln erwähnt, ist die Forschungssituation eines der
großen Streitthemen zwischen Schul- und Komplementärmedizin. Während die
Schulmedizin der Komplementärmedizin vorwirft, dass sie zu wenige oder gar keine
wissenschaftlichen Wirksamkeitsnachweise ihrer Methoden erbrächte, stellt sich in
der Komplementärmedizin immer wieder die Frage inwieweit die Studienmethoden
der Schulmedizin bzw. evidenzbasierten Medizin überhaupt sinnvoll anwendbar
sind und wieso Studien, die nach den üblichen Standards durchgeführt wurden,
trotz positiver Ergebnisse nicht anerkannt werden.
„Selbst wenn klinische Studien therapeutische Wirksamkeit belegen, führt dies
in aller Regel keineswegs zu einer Akzeptanz der komplementärmedizinischen
Ansätze, weil deren erkenntnistheoretischen Voraussetzungen aus Sicht der in
der Medizin vorherrschenden Paradigmen als nicht plausibel erscheinen und
insofern nicht sein kann, was nicht sein darf." (Willich, et al., 2004, S. 1317)
Die Ursache hierfür sieht Arnim Bechmann, Professor für Landschaftsökonomie in
Berlin und Zukunftsforscher, vor allem im überholten Weltbild der Schulmedizin. In
seiner Abhandlung „Die Wissensgesellschaft und die Neuen Unkonventionellen gesellschaftlicher Wandel durch Kulturkraft" fordert er die Entwicklung eines
„nachmaterialistischen
Menschenbildes"
(Bechmann,
S.
43).
In
seinen
Ausführungen beschreibt er, warum „ein Verständnis komplementärmedizinischer
Methoden im Rahmen des herrschenden medizinischen Weltbildes nur sehr
begrenzt und lediglich in sehr verzerrter Form möglich ist." (Bechmann, S. 43)
65
Den Kern des Konflikts sieht er in den unterschiedlichen Überzeugungen über die
Rolle
des
menschlichen
Geistes.
Während
in
der
Komplementärmedizin
weitgehend davon ausgegangen wird, „dass zentrale materielle Lebensprozesse
ganz oder teilweise geistgesteuert sind" (Bechmann, S. 43), wird dies im in der
Schulmedizin vorherrschenden materialistischen Weltbild bestritten. Nach Ansicht
von Bechmann liegt die Zuständigkeit, die Entwicklung in diesem Bereich
voranzutreiben, eindeutig in den Händen der Komplementärmedizin:
„Die Komplementärmedizin unserer Tage ist ein Sammelsurium
unterschiedlichster, nur teilweise sinnvoller, wissenschaftlich unzulässig oder
fragwürdig beschriebener Verfahren, deren bisheriger gesellschaftlicher Erfolg
nicht auf ihrer wissenschaftlichen Verständlichkeit, sondern auf ihrer Praxis
gründet. Die heutige Komplementärmedizin stellt damit einen elementaren
Wissensimpuls sowie viel Ausgangsmaterial für eine nachmaterialistische
Medizin der Zukunft bereit, das allerdings noch der wissenschaftlichen
Durchdringung sowie angemessenen Weiterentwicklung bedarf." (Bechmann,
S. 45)
Eine Chance zum Erfolg sieht er jedoch erst, wenn das entwickelte neue Weltbild
„nicht nur komplementärmedizinische Vorgehensweisen unterstützt, sondern wenn
es sich auch als fähig erweist, große Bereiche der empirischen Erkenntnisse der
herrschenden Schulmedizin zu integrieren und in neuem Lichte erscheinen zu
lassen." (Bechmann, S. 46 f.)
Sowohl aus Patientensicht als auch aus Sicht vieler ÄrztInnen haben Schulmedizin
und Komplementärmedizin bereits jetzt schon nebeneinander Platz und führen
nicht zu einer gegenseitigen Ablösung sondern können sich in den meisten Fällen
problemlos ergänzen.
So scheint es bei genauerem Hinsehen, dass viele Missverständnisse (abgesehen
von Unterschieden bzgl. des Menschenbildes) durch die komplexe und komplizierte
Forschungssituation entstehen.
66
Zunächst einmal seien einige problematischen Tatsachen dargestellt:

Die Meinungen von ExpertInnen (d.h. ÄrztInnen und TherapeutInnen) haben
in den Evidenzklassen den geringsten Stellenwert (s.o.).

Auch in der Schulmedizin sind nur ca. 10-20 % der anerkannten und
praktizierten Therapien wissenschaftlich untersucht, nur 1-4% davon sind
wissenschaftlich einwandfrei erforscht , vgl. (Heusser, 2001, S. 18)

Die klinische Forschung wird weitgehend von der Pharmazeutischen
Industrie
finanziert.
(Kienle,
Gibt
es
Gründe
für
Pluralistische
Evaluationsmodelle? Limiatationen der Randomisierten Klinischen Studie,
2005, S. 290)
„Medizin ist [...] eine praktische Wissenschaft, eine Erfahrungswissenschaft [...],
die sich auch der Erkenntnisse anderer Wissenschaften [...] bedient." (Hoppe,
2005, S. 943)
Der Goldstandard des medizinischen Wirksamkeitsnachweises erfordert: eine
Studie unter experimentellen Bedingungen mit einer hohen Patientenanzahl an
denen
wiederholte
Beobachtungen
durchgeführt
werden,
die
mit
einer
ebensogroßen Gruppe von Patienten, die das zu untersuchende Verfahren nicht
erhalten (oder ein anderes), verglichen wird. Die Zuteilung zu den Gruppen erfolgt
zufällig (Randomisierung).
Nun stellt sich die Frage: Was hat das mit der Praxis zu tun? Und wo bleibt die
Erfahrung?
Schon die Bezeichnung „experimentell" zeigt, dass eine künstliche Situation kreiert
wird. Es werden also Menschen gesucht, die an der gleichen Krankheit leiden, da
dies eine hohe Anzahl sein sollte, können zum Beispiel seltene Krankheiten nicht
oder nur unter weniger geeigneten Studienbedingungen untersucht werden. Nun
müssen diese Menschen nicht nur an der gleichen Krankheit leiden, sondern auch
noch an keiner anderen, was realistisch gesehen, kaum möglich ist. Viele
Krankheiten haben Begleiterscheinungen oder sogar Nebenerkrankungen, die
jedoch von Patient zu Patient unterschiedlich ausfallen. Schon hier kann man
kritisch ansetzen:
67
„Patienten werden zu statistischen Größen, so als lasse sich jeder Patient mit
einem anderen "Träger" der gleichen Krankheit vergleichen." (Hoppe, 2005, S.
943)
Um vergleichen zu können werden oft nur Patienten mit vernachlässigbaren
Nebenerkrankungen in RCTs aufgenommen wodurch die in der Praxis zu
erwartenden Wechselwirkungen weder dokumentiert noch untersucht werden
können.
Nun wird ein Verfahren getestet, d.h. es wird die spezifische Wirkung dieses
Verfahrens auf die existierende Krankheit untersucht. Soweit so gut. Doch was
passiert, wenn dieses Verfahren zwar keine positiven oder negativen Auswirkungen
auf die studienausschlaggebende Krankheit hat, wohl jedoch auf eine häufige
Begleiterkrankung?
Und sollte dieses Verfahren nun positiv wirken, das heißt, zur Heilung der Krankheit
beitragen, wie rechtfertigt man nun, dass es eine Kontrollgruppe gibt, die dieses
Verfahren nicht erhält, obwohl die Menschen ebenfalls krank sind und eine Heilung
erhoffen?
So wichtig die RCTs in der klinischen Forschung sind, so haben sie doch eindeutig
ihre Grenzen, die ein kritisches Hinterfragen ihres „Goldstandard"-Status dringend
erfordern.
Neben der bereits thematisierten Praxisferne ist im Besonderen auch die Form der
Finanzierung solcher Studien zu untersuchen. RCTs sind in ihrer Durchführung
enorm teuer und werden somit häufig von Pharmafirmen durchgeführt, die zwar die
Investition tätigen, aber im Gegenzug auch ihre Interessen durchsetzen:
„Die Folge ist, dass prioritär nur Therapien erforscht werden, die patentierbar
und Gewinn versprechend sind." (Kienle, Gibt es Gründe für Pluralistische
Evaluationsmodelle? Limiatationen der Randomisierten Klinischen Studie,
2005, S. 290)
Da Gewinn jedoch mit Nachfrage verbunden ist, muss sichergestellt sein, dass der
Bedarf vorhanden ist.
„Verlierer sind dagegen Therapien ohne Aussicht auf breite Vermarktung bzw.
ohne finanzstarke industrielle Rückendeckung: [...]" (Kienle, Gibt es Gründe für
Pluralistische Evaluationsmodelle? Limiatationen der Randomisierten
Klinischen Studie, 2005, S. 290)
68
Die geforderten großen Patientenzahlen in RCTs begünstigen diesen Umstand
noch zusätzlich:
„Das bedeutet, dass RCTs hauptsächlich nur zu Massenerkrankungen
durchgeführt werden können, und dass viele Studien an der
Patientenrekrutierung scheitern." (Kienle, Gibt es Gründe für Pluralistische
Evaluationsmodelle? Limiatationen der Randomisierten Klinischen Studie,
2005, S. 290)
Aber nicht nur in der Durchführung sondern auch in der Auswertung gibt es
Schwachstellen. RCTs haben ja deshalb ihren Status in der medizinischen
Forschung, weil bei ihnen möglichst viele subjektive Beeinflussungsfaktoren
ausgeschaltet werden sollen. Es gibt aber Untersuchungen, die zeigen, dass
Auswertungen identer Studien zu komplett unterschiedlichen Ergebnissen führen
können und auch in systematischen Reviews mehrerer RCTs zu einer Intervention
kommen verschiedene Personen auf verschiedene Ergebnisse - von wirksam bis
unwirksam.
Des Weiteren gibt es noch einige Punkte, die diese kritische Betrachtung abrunden
könnten, dazu sei aber auf einschlägige Literatur (siehe oben) verwiesen.
All diese Argumente sprechen ja nicht gegen die Durchführung von RCTs, sie
sprechen nur für eine gleichwertigere Gewichtung anderer Evaluationsmodelle vor
allem bei komplexen Interventionsverfahren, die sich nur durch Verlust ihrer
Authentizität auf das Studiendesign einer Randomisiert kontrollierten Studie
reduzieren lassen. Auch im Zuge eines neuen ganzheitlicheren Menschenbildes
(oder nach Bechmann „nachmaterialistischen Menschenbildes") sollte davon
abgesehen werden, eine solch reduzierte Betrachtung von Handlung und Wirkung
als „Goldstandard" anzusehen.
In
der
Schweiz
existiert
schon
seit
rund
15
Jahren
eine
intensive
Auseinandersetzung mit dieser Forschungsproblematik. 2001 wurde ein Essay zum
Thema „Kriterien zur Beurteilung des Nutzens von komplementärmedizinischen
Methoden" herausgegeben, das sich mit Alternativen zur bisher gängigen EvidenzErmittlung der Schulmedizin beschäftigt.
Die
im
Auftrag des
entstandene
Arbeit
Schweizerischen
von
Dr.
med.
Bundesamts für Sozialversicherung
Peter
Heusser
(im
Dialog
mit
Hauptverantwortlichen des Gesundheitswesens und internationalen Experten)
kommt zu dem Schluss, dass zur Beurteilung von komplementärmedizinischen
69
Verfahren nicht ausschließlich experimentelle Studien zum Einsatz kommen
können, sondern „alle verfügbaren Arten von Evidenzgewinnung, von dem auf
Erfahrung beruhenden individuellen ärztlichen Urteil bis zur randomisierten
Doppelblindstudie" in die Beurteilung über die Wirksamkeit eines Verfahrens mit
einfließen müssen. Wichtig ist vor allem, dass die jeweilige Methode in ihrer
Authentizität erhalten bleibt und eine möglichst praxisnahe Erforschung angestrebt
wird.
So kommen die Experten zu dem Schluss, dass es zur Evaluation von
Komplementärmedizinischen Verfahren einigen methodologischen Änderungen
bedarf, angefangen bei der Gewichtung der bisher gängigen Evidenzklassen:
„Im Hinblick auf die reale Zielpopulation und die hauptsächliche Präsenz der
Komplementärmedizin in der Grundversorgung sind dabei die praktischen
Erfahrungen der Ärzte, die vorhandene Anwendungstradition sowie einfache,
praxisnahe
Evaluationsverfahren
von
prioritärer
Bedeutung.
Evaluationsmethoden mit experimenteller Veränderung der Intervention und mit
komplexen Studiendesigns kommen an zweiter Stelle und bedürfen der
Interpretation im Kontext der praktischen Erfahrung." (Heusser, 2001, S. 18)
Es wird also eine Umkehrung oder zumindest Angleichung der Wertigkeit der
Evidenzklassen gefordert was eine umfassendere Erforschung der Methode und
ihrer Wirkweisen ermöglichen würde. Während experimentelle Studien klarere
Aussagen zu einzelnen Faktoren geben können, sind experimentelle Studien eher
in der Lage die reale Praxis, in der verschiedene Faktoren zusammenwirken, und
auch den wichtigen Faktor der individuellen Arzt-Patienten-Beziehung zu
untersuchen.
Aus allen gewonnenen Daten der verschiedenen Studienmethoden kann dann eine
qualitative
Metaanalyse
erfolgen,
die
„eine
sinnvolle
ausgewogene
Informationssynthese aus allen verfügbaren Arten von Evidenz" (Heusser, 2001, S.
19) enthält.
Eine Übersicht über mögliche Evaluationsmethoden bietet die nachstehende
Tabelle.
70
Abbildung 6: Gewinn und Verlust bei der Entwicklung von experimentellen Studien
(Heusser, 2001, S. 19)
Auch Gunver S. Kienle hat im Zuge seiner Beschäftigung mit pluralistischen
Evaluationsmodellen Vorschläge zu einer weiteren Vorgehensweise in der
klinischen Forschung erarbeitet. Er sieht es als Notwendigkeit, die bisher
existierenden Hierarchien, d.h. oben genannte Evidenzklassen aufzuheben (Kienle,
Gibt
es
Gründe
für
Pluralistische
Evaluationsmodelle?
Limiatationen
der
Randomisierten Klinischen Studie, 2005, S. 293) und sich einem „System der
Informationssynthese aus verschiedenen Arten der Evidenz" zuzuwenden.
„Eine hierarchische Wertigkeit könnte, individuell für jede Fragestellung, nach
methodischer Qualität sowie medizinischer Sinnhaftigkeit und praktischer
Modellvalidität der Evidenzen festgelegt werden, wobei dann Evidenzen der
jeweils höchsten Qualitätsstufe gleichwertig in die Synthese eingehen." (Kienle,
Gibt es Gründe für Pluralistische Evaluationsmodelle? Limiatationen der
Randomisierten Klinischen Studie, 2005, S. 293)
71
Auch er plädiert also dafür, jede medizinische Intervention in ihrer Eigenheit zu
erfassen und zu beurteilen. Dafür existieren verschiedene Möglichkeiten, die von
prospektiven Vergleichsstudien über elaborierte Kohortenstudien und konsekutiven
Fallserien bis hin zu professionellen Einzelfallbeschreibungen reichen. Zudem
können auch ethische, rechtliche, ökonomische und sicherheitstechnische
Gesichtspunkte in die Bewertung des Verfahrens mit einfließen und auch die
Patienten- und Ärztesicht berücksichtigt werden.
Abbildung 7: Informationssynthese aus verschiedenen Arten von Evidenz, die auch den Einbezug
des wissenschaftlich aufgearbeiteten ärztlichen Urteils ermöglicht. (Kienle, Gibt es Gründe für
Pluralistische Evaluationsmodelle? Limiatationen der Randomisierten Klinischen Studie, 2005, S.
293)
72
Während die Existenz einer positiv abgeschlossenen RCT zu einer Methode als
Wirksamkeitsnachweis anerkannt wird, gerät oftmals in Vergessenheit, dass eine
Nicht-Existenz einer solchen Studie nicht gleichbedeutend mit der NichtWirksamkeit einer Methode ist.
Gleichzeitig wird aber von jedem Arzt und jeder Ärztin erwartet, dass er/sie nach
bestem Wissen und Gewissen die richtige Therapie für die jeweilige kranke Person
findet. Die Meinung der Experten über eine Therapiemethode bildet aber lediglich
die letzte und somit aussagenschwächste Evidenzklasse in der heute gängigen
medizinischen Forschung. Somit wären die behandelnden ÄrztInnen, wollten sie
nach korrektem wissenschaftlichen Standard handeln, auf die existierenden RCTs
angewiesen.
Da
diese
jedoch
für
viele
Therapiemethoden
der
Komplementärmedizin nur schwer oder gar nicht durchführbar sind (siehe oben),
müssen die ÄrztInnen entweder nach ihrer (nicht wissenschaftlich anerkannten)
Erfahrung handeln oder auf nicht erforschte Therapiemethoden verzichten. Womit
wir wieder bei der Problematik der RCTs in der Komplementärmedizin wären (siehe
oben).
Aus diesem existierenden Dilemma heraus, hat Helmut Kiene als Gegenmodell zur
evidenzbasierten
Forschung
die
sogenannte
Cognition-based
medicine
(Erkenntnis-basierte Medizin) entwickelt.
Während in der evidenzbasierten Medizin ausschließlich ein Wirksamkeitsnachweis
am Kollektiv möglich ist, kann in der Cognition-based Medicine (CBM) nach der
Gestalttheorie
von
Karl
Duncker
auch
anhand
eines
Einzelfalles
ein
Wirksamkeitsnachweis erbracht werden:
„Ihre Grundlagen liegen in erster Linie in der Schule der Gestalttheorie, speziell
bei Karl Duncker, und im weiteren in der erkenntniswissenschaftlich
begründeten und anhand von klinischen Beispielen belegten Möglichkeit von
singulärem Kausalerkennen und individueller Wirksamkeitsbeurteilung." (Kiene,
Komplementäre Methodenlehre der klinischen Forschung, 2001, S. 118)
So könne laut Kiene der „Gefahr einer Nivellierung der Medizin durch einseitige
Wissenschaftskriterien" (Kiene, Komplementäre Methodenlehre der klinischen
Forschung, 2001, S. 115) entgegengewirkt werden und der „menschliche
Erkenntnisfaktor" wieder in die medizinische Forschung integriert werden.
Anstatt
einer
ausschließlich
externen
Evidenz,
wo
der
Arzt
lediglich
Forschungsergebnisse am Individuum überprüfen kann, wäre mit der Cognition-
73
based
Medicine
eine
interne
Evidenz
auf
der
Grundlage
des
erkenntnistheoretischen analysierten ärztlichen Urteils möglich.
Als Zukunftsperspektive fordert Kiene die Entwicklung der Einzelfall-Methodologie
und somit eine Möglichkeit zur Spezifizierung und Differenzierung der Forschung in
unterschiedlichen medizinischen Bereichen.
Als weiteren Punkt führt Kiene an, dass bei einer positiv abgeschlossenen RCT
lediglich der Beweis vorliegt, dass die angewendete Methode hilft, nicht jedoch wie
sie hilft. In der CBM könne man über die individuellen Wirksamkeitsnachweise auch
Informationen über Wirkformen und Wirkprinzipien erhalten.
Die genaue Ausführung der Paradigmen, die in der Cognition-based Medicine zum
Tragen kommen, übersteigt diese Arbeit und lässt sich in Kienes Buch
„Komplementäre Methodenlehre der klinischen Forschung" nachlesen.
6.5 Forschung bei Stimmstörungen
Wie im vorhergehenden Kapitel ausführlich erläutert, ist für viele Therapiemethoden
– vor allem in der Komplementärmedizin – die evidenzbasierte Forschung nicht
sinnvoll. Betrachtet man das Krankheitsbild von Stimmstörungen, insbesondere bei
funktionellen Dysphonien, so wird auch hier deutlich, dass es sich um eine
multidimensionale Angelegenheit handelt, bei der viele unterschiedliche Faktoren
ursächlich oder krankheitserhaltend sind. Abgesehen davon, dass sich die meisten
Krankheiten aus diesem Blickwinkel betrachten lassen, ist das Bewusstsein im Feld
der Dysphonien dafür schon geschärft.
So kann eine funktionelle Dysphonie, wie bereits beschrieben, die verschiedensten
Ursachen haben, oft spielen psychische Komponenten eine wesentliche Rolle. Dies
wird mittlerweile auch bei vielen Therapieansätzen berücksichtigt. Wie bereits in
3.3. erwähnt, gibt es Experten, die propagieren, dass eine Stimmstörung immer als
psychosomatisches Phänomen betrachtet werden muss.
Auch wenn dies ein wenig übertrieben erscheint, so gibt es doch andere Faktoren,
die Gemeinsamkeiten von Stimmtherapie und Psychotherapie zeigen. Nahezu jede
Form von Stimmtherapie gleicht im Setting einer Psychotherapiesitzung und
Faktoren wie die Beziehung von KlientIn zu TherapeutIn oder die Motivation des
Patienten, der Patientin spielen genauso eine Rolle.
74
Im Folgenden werden zwei Modelle vorgestellt, die sich mit den Wirkfaktoren in der
Psychotherapie auseinandersetzen. Im Generic Model of Psychotherapy zeigen
Orlinsky et al. ein komplexes Geflecht von Einflüssen, die Auswirkungen auf den
Verlauf und das Ergebnis einer Psychotherapie haben können.
Abbildung 8: Orlinskys Generic Modell of Psychotherapy (Tritt, 2009, S. 1)
„Das „Generic Model of Psychotherapy“ […] unterscheidet zwischen dem
therapeutischen Prozess, der die unterschiedlichen Aspekte der Therapie
umfasst und individuellen und sozialen Kontexten, in welchen die Therapien
(sic) abläuft.“ (Zharkova, 2010, S. 43)
Der therapeutische Prozess beginnt zunächst mit dem Therapeutischen Vertrag,
einer klaren Vereinbarung und Definition der therapeutischen Situation und der
Rollen von PatientIn und TherapeutIn.
Im weiteren Verlauf stehen dann die therapeutischen Maßnahmen in direkter
Verbindung zur therapeutischen Beziehung. Die therapeutischen Maßnahmen
beinhalten das Fachwissen des Therapeuten / der Therapeutin und die konkrete
75
Anwendung einer psychotherapeutischen Intervention. Auch die Kooperation des
Patienten / der Patientin sind hier einzuordnen.
Die therapeutische Beziehung steht nach den Forschungen von Orlinsky in
direktem Zusammenhang mit dem Therapieerfolg, in 60% der untersuchten Fälle
war der Behandlungserfolg mit einer positiven therapeutischen Beziehung
verbunden.
Auch
die
Selbstbezogenheit
von
PatientIn
und
TherapeutIn
ist
in
den
therapeutischen Prozess mit einzubeziehen, da diese die Auswirkungen der
Sitzung mit beeinflussen und so wesentlich zum weiteren Verlauf der Therapie
beitragen.
Dieses Modell lässt sich weitgehend mit geringen Modifikationen auch auf die
klassische Stimmtherapie beziehen, wobei hier nach momentanem Wissen noch
keine Untersuchungen stattgefunden haben.
Asay
und
Lambert
gehen
von
vier
verschiedenen
Wirkfaktoren
in
der
Psychotherapie aus, die wie
nebenan
ersichtlich
schiedlich
gewichtet
untersind.
Auffällig ist, dass nach ihren
Ermittlungen
die
Methodik
lediglich 15% der Wirkung
einer
Psychotherapie
machen
soll.
Die
ausExtra-
therapeutischen
Veränderungen umfassen die
Persönlichkeit des Patienten /
der
Patientin,
die
Unter-
stützung durch das Umfeld
und
die
vorherrschende
Lebenssituation.
Abbildung 9: Faktoren für die Wirksamkeit einer Behandlung nach Asay und Lambert (Pölz, 2009)
76
Den Begriff Placebo in den Wirkfaktoren einer Psychotherapie zu verwenden ist
eher fragwürdig. Auch wenn eine Verbesserung schon durch den Glauben an die
Psychotherapie eintritt, so lässt sich dies doch nicht als Placebo-Effekt bezeichnen,
da eine Nicht-Behandlung (was dem Placebo bei der Gabe von Medikamenten
entsprechen würde) quasi nicht möglich ist.
Dieses Modell lässt sich nicht so leicht auf die Stimmtherapie übertragen, da hier
bereits
Forschungen
existieren,
die
(siehe
Effektivität
der
klassischen
Stimmtherapie) zum Beispiel darauf hinweisen, dass direkte Stimmtherapie
signifikant bessere Erfolge erzielt als indirekte Therapie, was bei nur 15%
Methoden-Anteil kaum möglich wäre.
77
7
Die CranioSacral Therapie
Bei der CranioSacral Therapie handelt es sich um eine alternativmedizinische
Behandlungsform, die sich aus der Osteopathie entwickelt hat und auf den
Osteopathen Dr. John E. Upledger (1932 - 2012) zurückgeht.
Hier sollen zunächst nur unkommentierte Erklärungsversuche der CranioSacral
Therapie aus der biomechanischen und der biodynamischen Sicht der Therapeuten
gegeben werden. Später erst folgen genauere Erläuterungen zur Entstehungsgeschichte und vor allem auch zur Studienlage. Die bereits im Verlauf der Arbeit
verwendeten unterschiedlichen Schreibweisen dieser Therapieform haben ihren
Ursprung in den verschiedenen Richtungen, die sich im Laufe der Zeit entwickelt
haben. Ist vom biomechanischen Ansatz nach Upledger die Rede, wird
ausschließlich die vom Upledger-Verband Österreich geschützte Form verwendet
(CranioSacral Therapie, kurz CST). Handelt es sich um andere Ausprägungen oder
Ausführungen zu der Therapieform, die nicht klar einem jeweiligen Ansatz
zuzuordnen sind, wird die Schreibweise Craniosacral Therapie verwendet.
7.1 Erklärungsmodelle
7.1.1 Das biomechanische Modell nach Upledger
Upledger gilt als Begründer von CranioSacral Therapy ® und SomatoEmotional
Release (R). Hier spricht man vom biomechanischen Ansatz der CranioSacral
Therapie.
Es wird davon ausgegangen, dass jeder Mensch ein CranioSacrales System (CSS)
in sich hat, welches sich vom embryonalen Zustand bis zum Tode stets rhythmisch
bewegt. Der Schädel (Cranium) und das Kreuzbein (Sacrum) bilden mit der
Wirbelsäule eine bewegliche knöcherne Einheit. Das CSS umgibt das zentrale
Nervensystem (ZNS), das aus Gehirn und Rückenmark besteht. Dem CSS
zugehörig sind das dreischichtige Membransystem aus Dura mater, Arachnoidea
und Pia mater, die zerebrospinale Flüssigkeit (Liquor cerebrospinalis), die im
System eingeschlossen ist und die Knochen des Schädels und der Wirbelsäule.
Beim CSS handelt es sich um ein halbgeschlossenes hydraulisches System. Die
Dura mater (harte Hirnhaut) schließt an die Schädelknochen an und ist die
78
äußerste der drei Membranschichten. Sie ist wasserdicht und schließt somit die
Flüssigkeit ein. Die zerebrospinale Flüssigkeit bildet die hydraulische Komponente,
während das Aderhautsystem in den Gehirnkammern für den Flüssigkeitszufluss
und das Arachnoideasystem für den Abfluss der Flüssigkeit zuständig ist. Das
System ist also in ständiger Bewegung.
Diese Bewegung, die sich mittels Palpation am ganzen Körper überprüfen lässt, ist
der CranioSacrale Rhythmus (CSR), ein dritter - von der Atmung und vom
Blutkreislauf unabhängiger - Rhythmus im Körper.
Upledger, der als Chirurg tätig war, entdeckte diesen Rhythmus während einer
Operation an der Dura mater eines Patienten. Er stellte eine Bewegung der
Hirnhaut fest, die weder im Zusammenhang mit dem Atemrhythmus noch mit der
Herzfrequenz stand.
Das CSS umschließt sowohl Gehirn und Rückenmark als auch Hypophyse und
Zirbeldrüse, weshalb davon ausgegangen wird, dass hierüber auf eine Vielzahl der
Körperfunktionen als auch auf das endokrine System und den Hormonhaushalt
Einfluss genommen werden kann.
Der CSR dient hierbei als Indikator:
"Wenn sich bestimmte Körperteile oder -bereiche nicht in Erwiderung auf das
sanfte Drängen des CranioSacralen Systems rhythmisch bewegen, können wir
sagen, dass hier eine Störung vorliegt." (Upledger, S. 28)
Im Normalfall liegt die Frequenz des CS-Rhythmus beim Menschen zwischen 6 und
12 Zyklen pro Minute. Bei pathologischen Zuständen wurden von Therapeuten
sowohl weniger als 6 als auch mehr als 12 Zyklen pro Minute beobachtet. Ein
Zyklus besteht aus einer Flexionsbewegung, einer Extensionsbewegung und einem
Neutralpunkt dazwischen.
Es wird davon ausgegangen, dass ein Spannungsungleichgewicht im CSS zu
sensorischen,
motorischen,
vegetativen
Symptomen
und
Entwicklungsauffälligkeiten führen kann. Ebenso können jedoch Faktoren von
außen (Traumata psychischer oder physischer Natur), Haltungsanomalien oder
chronische und akut entzündliche Prozesse eine Spannungsänderung im CSS zur
Folge haben.
79
Das Ziel einer CranioSacralen Behandlung ist also der Spannungsausgleich und
die damit verbundene Normalisierung des CranioSacralen Rhythmus.
Mit dem Modell der EnergieZyste erklärt Upledger, warum sich Verletzungen
physischer
und
psychischer
Natur
im
Körper
festsetzen
und
die
Spannungsverhältnisse ins Ungleichgewicht bringen können. Erfährt der Körper
zum Beispiel einen Unfall, tritt eine ungewöhnlich große Energie in den Körper ein.
Diese Verletzungsenergie durchdringt das Gewebe und kann sich somit an einer
ganz anderen Stelle im Körper als "Energieball" festsetzen. Oft ist der Körper in der
Lage durch seine eigene Kraft, die Energie zu verteilen und so den normalen
Heilungsprozess zu ermöglichen. Ist dies nicht möglich, wird die Energie immer
weiter zusammengedrängt um das beeinflusste Gewebe so gering wie möglich zu
halten. So entsteht die sogenannte EnergieZyste, die oft an der jeweiligen Stelle im
Körper Schmerzen verursacht oder den Gesamtorganismus schwächt. Mit Hilfe der
CranioSacralen Techniken können diese EnergieZysten aufgelöst werden.
Die Auflösung der EnergieZysten ist eng mit der Technik der SomatoEmotionalen
Entspannung verknüpft. Von der inneren Weisheit des/der PatientIn ausgehend,
vertraut der/die TherapeutIn auf die Intuition, den Körper an einer bestimmten Stelle
zu berühren. Er/Sie lässt sich also vom Körper des/der Behandelten leiten und tritt
in eine Form der Kommunikation mit ihm. Ein therapeutisches Gespräch über
Bilder, die der/die PatientIn im Moment hat, kann zu einem unbearbeiteten und
verdrängten Problem führen, das durch das Gespräch ins Bewusstsein kommt und
bearbeitet und gelöst werden kann. Ebenso können bei dem/der TherapeutIn Bilder
entstehen, die zu Handlungen, Äußerungen oder der Hinführung zu hilfreichen
Körperpositionen des/der PatientIn zur Bearbeitung verdrängter Geschehnisse
führen. Durch diese spezielle Form der Kommunikation, entscheidet der Körper
des/der PatientIn, wozu er im Moment in der Lage ist. Versuche, die
SomatoEmotionale Entspannung einzuleiten können auch scheitern und/oder
mehrere Anläufe brauchen. Ist eine Sitzung jedoch erfolgreich, können Probleme
oder Schmerzen, die sich schon seit Jahren manifestiert haben, in nur wenigen
Sitzungen gelöst werden.
80
7.1.2 Das biodynamische Modell
„Der Begriff Biodynamik bezieht sich auf den Lebensatem, welcher aus der
Stille entsteht und sich durch drei unterschiedliche, gezeitenartige Rhythmen –
die craniosacralen Schwingungen - im menschlichen Körper ausdrückt.“
(Biodynamik)
Hier zeigt sich bereits der größte Unterschied zwischen dem biomechanischen und
dem biodynamischen Ansatz in der CranioSacral Therapie. Upledger geht von
EINEM craniosacralen Rhythmus im Körper aus. In der Biodynamik wird mit drei
unterschiedlichen Rhythmen gearbeitet. Während der genaue Unterschied
zwischen den beiden Ansätzen für die Behandelnden selbst wohl sehr deutlich ist,
scheint eine verallgemeinerte Darstellung und Charakterisierung jedoch kaum
möglich zu sein. Zumindest lässt sich kaum Literatur finden, welche die
Unterschiede der beiden Ansätze herausarbeitet.
Michael Shea, ein amerikanischer Craniosacral-Therapeut des biodynamischen
Ansatzes, veröffentlichte einige Videos zu diesem Thema, die auf youtube zu
finden sind.
Seinen Erklärungen nach entstand der biodynamische Ansatz aus Sutherlands
Osteopathy in the cranial field. Dort wurde zunächst auch biomechanisch
gearbeitet, in den 1940er/50er Jahren entwickelte sich dann aber über die
funktionelle Arbeit der biodynamische Ansatz. Mit 76 Jahren entdeckte Sutherland
die der Flüssigkeit innewohnende Kraft. Seine neueste Erkenntnis: nicht der/die
TherapeutIn macht mit den Händen die Korrekturen sondern die der Flüssigkeit des
Körpers innewohnende Kraft führt selbst die Korrekturen aus („observing a
correction that was made by the body himself“ (Shea, 2010)).
Laut Michael Shea und Ged Summer, der 2012 einen Vortrag in Brighton hielt, der
ebenfalls auf Video festgehalten wurde (Summer, 2012), charakterisieren sich die
drei Rhythmen (am ehesten vergleichbar mit der Ein- und Ausatmung)
folgendermaßen:
Der erste Rhythmus, der in einem etwa 10 sekündigen Zyklus auftritt (Cranial
Rhythmic Impulse) verbindet den/die Behandelnden mit dem physikalischen,
strukturellen Zustand der Person. Spürt der/die Behandelnde den langsameren
etwa 20 Sekunden dauernden Rhythmus (mid tide), so ist eine Verbindung zum
flüssigen Zustand der Person vorhanden. Die Verbindung zum energetischen
81
Zustand der Person gelingt über den etwa 100 Sekunden dauerenden Rhythmus
(long tide). Dies nennt Shea „primary respiration“, was wohl am ehesten mit
ursprünglichem Atem übersetzt werden kann. Dieser wird auch in Verbindung der
embryonalen Entwicklung gebracht, die ebenfalls in rhythmischen Ein- und AusrollPhasen stattfindet.
Eine der wichtigsten Grundlagen der biodynamischen Craniosacral Therapie ist die
Entwicklung der Wahrnehmung, essentiell dafür sind Stille und Beruhigung und die
dadurch entstehende Klarsichtigkeit. Eine weitere Grundlage bildet das Studium der
lebendigen Ganzheit. Dazu zählt sowohl die Entwicklung des Gefühls für die
Ganzheit als auch die Fähigkeit Ganzheit zwischen TherapeutIn und KlientIn zu
schaffen.
Im Gegensatz zum biomechanischen Ansatz kommen weder Kraft und Druck noch
Dehnung und Zug zum Einsatz. Der Körper der Person wird von der/dem
Behandelnden ohne eine bestimmte Intention berührt.
„We’re listening to how the system organises itself around its own inherent
ability to heal itself.” (Shea, Youtube, 2011)
82
7.2 Studienlage zur CranioSacral Therapie
Generell existieren verhältnismäßig wenige Studien zur CranioSacral Therapie. Die
Effektivität von CranioSacral Therapie bei Stimmstörungen wurde bislang nicht
untersucht. Gesammelte Fallbeispiele von TherapeutInnen und Erfahrungsberichte
(siehe folgendes Kapitel) deuten aber darauf hin, dass dieses Feld genauer
erforscht werden sollte.
Unter dem Titel „Craniosacral Therapy: The Science of Belief“ wurde 2012 eine
Übersichtsarbeit zu verschiedenen Studien zur Craniosacral Therapie veröffentlicht.
Der Titel trägt die Ergebnisse in sich. Die AutorInnen fanden bei den meisten
Studien
methodologische
Fehler,
schlechtes
Studiendesign
und
schlechte
Studienkontrolle. Zudem üben sie Kritik an den Wirkmechanismen, auf die sich die
Craniosacral Therapie beruft:
„This review is not proposing that craniosacral therapy is ineffective. Instead, it
questions the proposed biological mechanisms of effectiveness of craniosacral
therapy. Various research and studies have shown that the mechanisms
claimed by craniosacral specialists and the founder are not valid." (Cooley,
Jensen, Kresse, Ritter, & Teerlinck, 2012, S. 7)
Auf der Suche nach Studien zur Craniosacral Therapie findet man auch einige
Untersuchungen über die Ertastung des Craniosacralen Rhythmus. Hier gab es
Experimente, wo zwei TeilnehmerInnen an einer Person den Rhythmus gleichzeitig
ertasten sollten. Die unterschiedlichen Ergebnisse werden von Kritikern als
Anhaltspunkt für die Nicht-Existenz des Craniosacralen Rhythmus gesehen.
Betrachtet man aber die unterschiedlichen Ansätze der biomechanischen und
biodynamischen Craniosacral Therapie so können insgesamt bis zu drei
verschiedene Rhythmen ertastet werden, die gleichzeitig im Körper stattfinden.
83
Karl-Ludwig Resch und Torsten Liem, die sich mit den Mythen und Fakten des
Begriffes „kraniosakral“ auseinandersetzten (Resch & Liem, 2004), merken jedoch
ganz richtig an, dass ein Streit über den zugrundegelegten Mechanismus noch in
keinem Falle zu einer Erkenntnis geführt hat, die den Patienten dienlich sein
könnte:
„Es ist der Sache kaum zuträglich, wenn positive und negative
Voreingenommenheit aufeinander prallen. Man denke nur an die fruchtlosen
Diskussionen der Homöopathen und ihrer Kritiker, ob Wasser ein Gedächtnis
hat. Demgegenüber hängt die zunehmende Akzeptanz der Akupunktur in der
Schulmedizin wohl nicht unwesentlich damit zusammen, dass die Existenz von
Meridianen und der Mechanismus von Fernpunkten vollständig in den
Hintergrund getreten ist. Was alle „Lager” sachlich diskutieren können sind
Zahlen, aus denen hervorgeht, wie wahrscheinlich Patienten wie viel von einer
Behandlung profitieren.“ (Resch & Liem, 2004, S. 9)
Eine 2009 veröffentlichte “Wissenschaftliche Bewertung osteopathischer Verfahren”
von der deutschen Bundesärztekammer untersuchten verschiedene osteopathische
Verfahren und deren Sicherheit und Wirksamkeit.
Wie bereits früher beschrieben, teilt sich die Osteopathie in drei verschiedene
Bereiche, die parietale, die viszerale und die kraniale bzw. kraniosakrale
(craniosacrale) Osteopathie. In deren Weiterentwicklung ist die biodynamische
Craniosacral Therapie einzuordnen.
Diese Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass „die Studiendichte im Sinne
einer evidenzbasierten Medizin in diesem Feld therapeutischen Handelns eher
gering“ (Haas, Hoppe, & Scriba, 2009, S. A 2328) ist.
Die Beurteilung der Wirksamkeit gestaltet schwierig, da eine Differenzierung der
drei Bereiche der Osteopathie kaum möglich ist, da diese grundsätzlich gemischt
zur Anwendung kommen (können). Problematisch ist auch der Begriff Krankheit in
der Beurteilung, da Krankheit im osteopathischen Sinne nicht im Sinne der
Internationalen Klassifikation für Krankheiten verstanden wird und stets eigene
Befundkonstellationen erstellt werden.
In der Untersuchung wurde festgestellt, dass einige Bereiche der Osteopathie
bereits in einem guten Umfang wissenschaftlich untersucht wurden und dass eine
Effektivität aber nur bei wenigen Krankheitsbildern nachgewiesen werden konnte.
84
„Unter Berücksichtigung der Schwierigkeiten der Differenzierung der drei
osteopathierelevanten Bereiche parietal, viszeral und kraniosakral wird klar,
dass für den Bereich der viszeralen „Osteopathie“ deutlich weniger
wissenschaftliche Grundlagen vorhanden sind und diese für den Bereich der
kraniosakralen „Osteopathie“ fast vollständig fehlen. Studien über die
Wirksamkeit der Kraniosakraltherapie weisen methodische Mängel auf, die
Wirkweise bleibt spekulativ.“ (Haas, Hoppe, & Scriba, 2009, S. A 2329)
Anne Jäkel und Philip von Hauenschild veröffentlichten 2012 eine systematische
Überprüfung zu wissenschaftlichen Untersuchungen zur CranioSacral Therapie.
„The aim of this review was to identify and critically evaluate the available
literature regarding CST and to determine the clinical benefit of CST in the
treatment of patients with a variety of clinical conditions.” (Jäkel & Hauenschild,
2012, S. 456)
Frühere systematische Überprüfungen kamen zu dem Schluss, dass bisher keine
nennenswerte klinische Effektivität der CranioSacral Therapie nachgewiesen
werden konnte.
Jäkel und Hauenschild entwarfen folgende Einschlusskriterien:
Die
Studien
mussten
als
randomisiert
kontrollierte
Studie
oder
als
Beobachtungsstudie und an Personen ohne Altersbeschränkung durchgeführt
worden sein. Es gab keinerlei Beschränkungen bezüglich des Krankheitsbildes,
allerdings
musste
die
CranioSacral
Therapie
die
einzige
angewendete
Behandlungsform sein und von einem / einer ausgebildeten CranioSacral
Therapeutin durchgeführt worden sein. Nur englischsprachige Veröffentlichungen
wurden mit einbezogen und die Studien mussten die Überprüfung der Effektivität
der CranioSacral Therapie beinhalten.
Von den sieben inkludierten Studien waren vier Beobachtungsstudien und drei
RCTs. Die genaue Beschreibung der verschiedenen Studien ist hier nicht von
Nöten, da in keinem Fall das Feld der Stimmstörungen untersucht wurde.
Jäkel und Hauenschild kamen zu dem Schluss, dass eine generelle Aussage zur
Effektivität
der
CranioSacral
Therapie
schwer
möglich
ist,
da
zu
viele
unterschiedliche Behandlungstechniken angewendet wurden und die Anzahl der
StudienteilnehmerInnen stark variierte. Am häufigsten wurden die Auswirkungen
von CST auf die Parameter Schmerzen und Lebensqualität / generelles
85
Wohlbefinden untersucht, wo eine Verbesserung durch CST festgestellt werden
konnte.
Bei anderen untersuchten Parametern konnte die Effektivität von CST nicht
festgestellt werden, da die Ergebnisse zu unterschiedlich waren. Generell zeigten
die einzelnen untersuchten Studien aber eine Reihe von positiven Auswirkungen
von CST auf unterschiedliche Krankheiten.
Da nur englischsprachige Veröffentlichungen untersucht wurden, ist davon
auszugehen, dass einige für diese Übersicht eventuell relevante Studien nicht
berücksichtigt wurden. Trotzdem liefert diese Untersuchung ein halbwegs aktuelles
Bild über den aktuellen Forschungsstand in der Craniosacral Therapie:
„[…] this systematic review provides an improvement and an update on existing
evidence in the field of CST in terms of quality of trial methodology as well as
the finding that CST assessment in RCT settings is feasible and has the
potential to provide invaluable data for patients suffering from a variety of
pathological conditions.“ (Jäkel & Hauenschild, 2012, S. 461)
7.3 Anatomische Zusammenhänge bei Stimmstörungen
Geht man von den Bausteinen der klassischen Stimmtherapie aus (siehe Kapitel
4.1.), so finden sich viele Anknüpfungspunkte für die CranioSacral Therapie.
Zunächst soll jedoch ein Überblick über die muskulären Zusammenhänge im
Körper gegeben werden, der sich natürlich auf an der Stimmproduktion beteiligte
Muskelgruppen bezieht, aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt.
„Muskelketten reichen von den unteren Körperabschnitten bis hinauf zur
Schädelbasis. Somit ist der Kehlkopf in alle Bewegungsabläufe des Kopfes,
des Schultergürtels, der Arme, des Beckens, der Wirbelsäule und der Beine
eingebunden. Sind diese Teilbereiche optimal aufeinander abgestimmt,
beeinflussen sie auch den Kehlkopf und den Stimmklang positiv. Treten
dagegen Störungen in Teilbereichen auf, sind Funktionssysteme mit ihren
Abhängigkeiten nicht angemessen integriert.“ (Spiecker-Henke M. , 2014, S.
160)
86
In den folgenden beiden Abbildungen wird deutlich, wie aus einer Fehlstellung
eines Körperteils eine Fehlhaltung wird und wie sich diese durch den ganzen
Körper fortsetzt.
Abbildung 10: Bauklotzmodell des Körpers (Grafik:
Sieghild Piper)
a: Anordnung der Körperabschnitte zueinander wie
aufeinander liegende Klötze
b: Anpassung der Körperabschnitte an ein nach vorne
gekipptes Becken
(Spiecker-Henke, Leitlinien der Stimmtherapie, 2014, S.
161)
87
Abbildung 11: Normale Haltung und ihre Abweichungen vom Schwerelot (1: Rückenstrecker;
2: Zwerchfell; 3: Bauchmuskulatur; 4: Psoas; 5: hintere Oberschenkelmuskulatur;
7: oberer Beckenkamm). (Grafik: Sieghild Pieper)
a: normale Haltung b: Hohlkreuzhaltung c: schlaffe Muskulatur
(Spiecker-Henke, 2014, S. 162)
88
Spiecker-Henke beschreibt in ihrem Buch „Leitlinien der Stimmtherapie sehr
eindrücklich die anatomischen Zusammenhänge bei der Stimmproduktion. Ihre
Ausführungen dienen als Grundlage für dieses Kapitel.
Im Körper gibt es Muskeln, die für Halt und Stütze (tonische Muskeln) und andere,
die für die Bewegungen (phasische Muskeln) verantwortlich sind. Verkürzte
tonische Muskeln und geschwächte oder verspannte phasische Muskeln wirken
sich auf die an der Stimmgebung beteiligten Organe aus und können so
Stimmstörungen verursachen oder dazu beitragen.
Abbildung 12: Halsmuskulatur und ihre Verbindungen (Leutert & Schmidt, 2000, S. 174)
89
Diese Zusammenhänge kann man sich laut Spiecker-Henke in etwa so vorstellen:
Sei der Musculus trapezius verspannt, führe dies zu einer Bewegungseinschränkung des Halses, da er die Schultern nach oben zieht. So könne der
Musculus omohyoidei (Verbindung von Schulterblatt und Zungenbein), der für das
Senken des Zungenbeins verantwortlich ist, nicht mehr genügend Spannung
aufbauen. Das Zungenbein wiederum ist über die muskulär-fasziale Membrana
thyrohyoidea mit dem Kehlkopf verbunden und könne somit durch die Verspannung
des Trapezmuskels ebenfalls in einen unnatürlichen Hochstand kommen. Eine
ähnliche Situation entstehe, wenn das Zungenbein durch einen verspannten
Mundboden nach oben gezogen wird und der Kehlkopf durch die muskulär-fasziale
Verbindung ebenfalls angehoben wird.
Auch der Musculus sternocleidomastoideus (Kopfwender) sei mit dem Brustbein
verbunden und könne so zum Beispiel durch eine Verspannung des Trapezmuskels
beeinträchtigt sein. Der Kopfwender ist jedoch nicht nur für die Bewegungen des
Kopfes zuständig, sondern zählt auch zu den Hilfsatemmuskeln, da er eine Hebung
des Thorax steuert. Bilden sich wiederum durch eine unphysiologische Atmung
Spannungen im Musculus sternocleidomastoideus, könne sich dies über die
gemeinsame Verbindung zum Schulterblatt auf das Zungenbein auswirken.
Die Scalenus-Gruppe (Musculus scalenus anterior, Musculus scalenus medius und
Musculus scalenus posterior) verbindet die Halswirbelsäule mit den oberen beiden
Rippen und zählt ebenfalls zu den Hilfsatemmuskeln.
Eine enge Verbindung zum Kehlkopf hat das Platysma, der sogenannte
Halshauptmuskel, der am oberen Brustkorb entspringt und zum Kinn hinauf führt.
Er bedeckt den ganzen vorderen Teil des Halses und spannt sich sozusagen über
die Vorderseite des Kehlkopfes. Das Platysma liegt zwischen der Haut und der
oberflächlichen Halsfaszie.
Dies waren nur einige Beispiele der muskulären Zusammenhänge, die in
Verbindung mit der Stimmfunktion stehen. Grundsätzlich kann davon ausgegangen
werden, dass – wie bereits oben erwähnt – der Kehlkopf in alle Bewegungen des
Körpers eingebunden ist und so durch Fehlstellungen, Fehlhaltungen und dadurch
90
entstandene Verspannungen verschiedener Muskelgruppen mehr oder weniger
direkt in Mitleidenschaft gezogen wird.
Eine weitere große Rolle spielen die Faszien:
„Jeder Muskel, jedes Organ wird von elastischen Faszien umhüllt und
durchzogen. Wie ein weit verzweigtes Netzwerk fügen sie die verschiedenen
Teile des Körpers zu einer Ganzheit zusammen. […] Faszien tragen zahlreiche
sensorische Nervenendigungen (Mechanorezeptoren). Sie reagieren auf
mechanischen Druck, Zug und Schmerz. Sie sind die Rezeptoren des
Körpersinns (Propriozeption). Sie weisen uns auf die Lage des Körpers hin und
zeigen feinste Spannungsveränderungen in den Geweben an.“ (SpieckerHenke, 2014, S. 167)
Eine Faszie, die mehrere Muskeln umschließt, dient sie sowohl als Abgrenzung der
Muskeln voneinander und stellt aber gleichzeitig eine Verbindung unter diesen her.
Abbildung 13: Querschnitt durch den unteren Halsbereich mit den verschiedenen Faszienfächern
(Upledger, 2002, S. 132)
Diese Abbildung zeigt, dass die Fascia superficialis, also die oberflächliche
Halsfaszie, alle oben erwähnten Muskeln miteinander verbindet und die
Zusammenhänge dadurch noch dichter werden.
91
Faszien können durch verschiedenste Ursachen verkleben und dadurch die
Bewegung von Muskelketten stören. Da, so Spiecker-Henke, eingeschränkte
Funktionen bestimmter Strukturen stets eine erhöhte Aktivität in angrenzenden
Strukturen verursachen, können sich so Spannungen aufbauen, die sich mit der
Zeit durch den ganzen Körper ziehen.
Nachdem schon einige Verbindungen im Halsbereich veranschaulicht wurden,
sollen nun die weitläufigeren Zusammenhänge verschiedener Teile des Körpers mit
der Stimmfunktion erläutert werden.
Unten angefangen ist der Beckenboden ein beachtliches Gebilde unserer
Anatomie. Diese Muskelplatte steht in Verbindung zu allen Strukturen unseres
Körpers. Eine direkte Verbindung besteht zum Zwerchfell, zu Faszien der oberen
Brustkorböffnung, dem Zungenbein und der Schädelbasis. (vgl. (Spiecker-Henke,
2014, S. 175)).
„Bestehen im Beckenboden Dysbalancen, führt dies zu einer Kettenreaktion bei
allen darüberliegenden Querstrukturen. Ist bspw. der Beckenboden hyperton,
überträgt sich dessen Spannung nach oben bis in den Kehlkopf.“ (SpieckerHenke, 2014, S. 175)
Der Beckenboden fungiert bei der Atmung als Partner des Zwerchfells. Drückt
dieses bei der Einatmung die Organe nach unten, so werden diese durch die
Gegenspannung des Beckenbodens sozusagen aufgefangen. Gemeinsam mit den
unteren Bauchmuskeln fungiert der Beckenboden als sogenannte Stütze bei der
Ausatmung:
„Bei allen stimmgebenden Prozessen ist er dynamisch eingebunden in den
Regelungsprozess subtil aufeinander abgestimmter Wechselbeziehungen
zwischen subglottischem Druck und Stimmlippenspannung.“ (Spiecker-Henke,
2014, S. 175)
Fehlstellungen des Beckens verursachen Unter- oder Überspannungen im
Beckenboden, die sich nach oben hin fortsetzen.
92
Die nächste Station auf dem Weg zum Kehlkopf bildet die Lendenwirbelsäule mit
ihren Gegenspielern, den Bauchmuskeln. Verbunden ist sie auch mit dem
Zwerchfell und damit direkt am Atemprozess beteiligt. Ein Muskel, der hierbei noch
eine große Rolle spielt, ist der Musculus psoas, der Darmbein-Lendenmuskel. Er ist
unter anderem für die Aufrichtung des Beckens zuständig, zusätzlich mit den
Zwerchfellschenkeln verbunden und hat die Rückenstreckern als Gegenspieler.
Laut Spiecker-Henke bestehe ebenso eine reflektorische Verbindung zum den
Musculi sternocleidomastoidei, den oben bereits erwähnten Kopfwendern. Ist das
Zusammenspiel
von
Rückenstreckern,
Zwerchfell,
Musculus
psoas
und
Bauchmuskulatur gestört, so zeige sich dies vor allem in der Funktion der Atmung
und der Flexibilität und Funktion des Kehlkopfs.
Im Brustkorb sind unter anderem die beiden Lungenflügel, die Luftröhre und die
Bronchien eingelagert. Die Flexibilität des Brustkorbes ist notwendig, dass die
Atmung physiologisch stattfinden kann. Zwischen den Rippen befinden sich die
äußeren und inneren Zwischenrippenmuskeln, die zur Atemhilfsmuskulatur zählen.
Während
die
äußeren
Zwischenrippenmuskeln
den
Einatmungsprozess
unterstützen, erleichtern die inneren Zwischenrippenmuskeln die Ausatmung.
Das Zwerchfell, der Hauptmuskel für die Inspiration ist am Centrum tendineum, der
zentralen Sehnenplatte angesetzt. Es kleidet die unteren Rippenbögen aus und ist
mit seinen Schenkeln an der Lendenwirbelsäule befestigt. Gesteuert wird das
Zwerchfell aus dem 4. Segment der Halswirbelsäule durch den Nervus phrenicus.
So wird deutlich, dass eine Funktionseinschränkung der Halswirbelsäule auch auf
diesem Wege zu einer Stimmstörung beitragen kann, da das Zwerchfell
unphysiologischen Spannungsverhältnissen ausgesetzt ist.
Eine Funktionseinheit weiter oben befinden wir uns bereits wieder in der Nähe des
Kehlkopfes. Zwischen Brustkorb, Halswirbelsäule und Schultergürtel besteht eine
muskuläre und fasziale Verbindung. Muskeln, die für die Senkung des Kehlkopfes
zuständig sind, setzen an Brust- und Schlüsselbein an,
ebenso gibt es eine
muskuläre Verbindung von Zungenbein zum Schulterblatt. Und eine weitere
Komponente spielt eine wichtige Rolle:
93
„Die Funktionseinheit von Wirbelsäule, Schultergürtel und HWS ist besonders
stark mit emotionalem Ausdrucksgeschehen verwoben. Zwar „platzt nicht
jedem gleich der Kragen“, oft aber werden latente Aggressionen in die SchulterNacken-Muskulatur somatisiert, die mit überhöhter Spannung reagiert.“
(Spiecker-Henke, 2014, S. 188)
Zuletzt soll nun noch die Rolle des Kiefers in diesem Zusammenspiel betrachtet
werden. Die Gelenkpfanne, wo die beiden Teile des Kiefers (Oberkiefer/Maxilla und
Unterkiefer/Mandibula) miteinander verbunden sind, befindet sich in der Seite des
Schädels, im Schläfenbein (Os temporale). Der Oberkiefer ist somit Teil des
Schädels, während der Unterkiefer beweglich ist.
Über die Halsfaszien ist der Kiefer mit dem oben bereits beschriebenen Komplex
von Zungenbein, Kehlkopf und Brustbein verbunden:
„Die einzelnen Teilbereiche sind wechselwirksam miteinander verbunden – hat
eines von ihnen Probleme, werden alle anderen in Mitleidenschaft gezogen.
Daher führen Probleme im Kiefergelenk über Verschaltungen mit der
Muskulatur und den Gelenken auch zu Funktionsstörungen im Bereich der
HWS und des Schultergürtels. Es entsteht ein Teufelskreis, der auch den
Aufhängemechanismus des Kehlkopfs mit einbezieht, seine freie Beweglichkeit
behindert sowie die Schwingungsabläufe der Stimmlippen verändert.“
(Spiecker-Henke, 2014, S. 293)
Zudem ist der Kiefer direkt mit den Gefühlen verbunden. Der Kiefer ist in unsere
Mimik eingebunden und dient oft dazu ungewollte Emotionen zurückzuhalten oder
Stress zu bearbeiten. Durch diese zusätzlichen Spannungen werden die
Kiefergelenke oder die Kaumuskulatur zu stark belastet, was sich wiederum auf
den Rest des Systems überträgt.
94
7.4 Mögliche Ansatzpunkte der CranioSacral Therapie bei
Stimmstörungen
Nach dieser ausführlichen Beschreibung der anatomischen Zusammenhänge
können sehr schnell die Anknüpfungspunkte für die CranioSacral Therapie erklärt
werden.
Upledger entwickelte ein 10-Schritte-Programm in dem alle wichtigen Strukturen
des Körpers auf Spannungsungleichgewichte des Bindegewebes untersucht und
behandelt werden. Folgende zehn Schritte werden der Reihe nach durchgeführt:
(Vgl. (Landeweer, 2010, S. 20))
1. Behandlung des CSR mit Hilfe eines Ruhepunktes
2. Behandlung der quer verlaufenden Bindegewebsstrukturen
3. Behandlung der Hinterhauptstrukturen
4. Behandlung der Beckenstrukturen
5. Behandlung der Rückenmarkshaut und der Wirbelsäule
6. Behandlung der Dura mater im Schädel
7. Behandlung und Befreiung der Schädelbasis
8. Behandlung der weichen Teile des Gesichtsschädels
9. Behandlung der Verbindungen zwischen Hirn- und Gesichtsschädel
10. Behandlung des CSR mit Hilfe eines Ruhepunktes
Für die Selbst-Übungen werden folgende Behandlungsschritte empfohlen:
(vgl. (Landeweer, 2010, S. 32))
1. quer verlaufendes Bindegewebe
2. Muskeln
3. Gelenke von Brustkorb, Schultergürtel und Becken
4. Gelenke der Wirbelsäule mit Kreuzbein und Hinterhauptbein
5. Rückenmarkshäute
6. Hirnhäute
7. bindegewebige Verbindungen zwischen Hirnschädel und Gesichtsknochen
95
In
beiden
Behandlungsabfolgen
stehen
die
quer
verlaufenden
Bindegewebsstrukturen an erster Stelle (nach der einstimmenden Anwendung der
Ruhepunkttechnik). Diese Querstrukturen sollten zuerst behandelt werden, da sie
die hauptsächlich vorhandenen Längsstrukturen „quetschen“ und somit eine
Behandlung dieser verhindern können. Zu den Querstrukturen zählen:

der Beckenboden

das Zwerchfell

die Schulter-Nacken-Hals-Strukturen

das Zungenbein und die damit verbundenen Muskeln

der Übergang der Halswirbelsäule zum Kopf
Vergleicht
man
diese
Liste
mit
den
oben
beschriebenen
anatomischen
Zusammenhängen bei der Stimmfunktion, so begegnen einem erstaunliche
Parallelen. Das Standard-Programm der CranioSacral Therapie behandelt
demnach alle an der Stimmproduktion beteiligten Körperstrukturen.
7.4.1 Fallbeispiele
Wie bereits im vorigen Teil beschrieben, gibt es zahlreiche anatomische
Zusammenhänge von bestimmten Körperregionen mit der Stimmfunktion. Genau
hier sind die Ansatzpunkte der CranioSacral Therapie auf körperlicher Ebene. Die
Verbindungen zur Stimmfunktion wurden ausführlich im vorigen Teil beschrieben.
Hier zeigen nun einige Fallbeispiele aus unterschiedlicher Literatur den konkreten
Einsatz in der Praxis.
Beate Pietsch, Logopädin und Craniosacral Therapeutin erläutert in ihrem Artikel
„Cranio-Sakrale Therapie in der logopädischen Praxis“ die Einsatzmöglichkeiten
der Therapieform bei Stimmstörungen:
„Bei funktionellen Störungen, die bereits strukturell fixiert sind, kann der Erfolg
von Übungen vergrößert und schneller erreicht werden. […] Auch ist es
möglich, direkt Spannungen in Mundboden, Kiefergelenk, Hals, Rachen und
Zwerchfell zu verringern und somit eine leichtere Stimmbildung zu
ermöglichen.“ (Pietsch, 1998, S. 99/100)
96
In ihren Fallbeispielen beschreibt sie eine Berufssprecherin mit hyperfunktioneller
Dysphonie, die bereits viele logopädische Sitzungen hinter sich hatte bevor sie zu
ihr kam. Unter Druck verschlechterte sich ihre Stimmfunktion stetig, obwohl sie
durch die logopädischen Therapien bereits viel gelernt hatte. Durch eine
Craniosacral-Behandlung lösten sich Blockaden im Bereich des 5. – 7.
Brustsegments. Bei der Einbindung von aktiven logopädischen Übungen zeigten
sich jedoch wieder die gleichen stimmlichen Verspannungen. Erst durch die
Kombination von craniosacraler Behandlung und freiem Stimmeinsatz konnte eine
lockere Stimmgebung erreicht werden. Nach dieser Erfahrung konnte die Patientin
erkennen, dass ihre eigenen Bemühungen und die Kontrolle zu einer Verkrampfung
der Stimmfunktion führten und sie an dieser Stelle etwas ändern sollte.
Susanne Codoni beschreibt ihre Erfahrungen in der Arbeit mit sprachauffälligen
Kindern.
„Prinzipiell haben […] statistische[n] Erhebungen gezeigt, dass rund 50% aller
sprachauffälliger Kinder auch einen Parameter aufweisen – den man
„körperliche Unausgeglichenheit und Stress“ nennen könnte. Ein Prozentsatz
der verpflichtet, Konzepte neu zu überdenken.“ (Codoni, 2002, S. 5)
Nach ihren Erfahrungen lassen sich diese und andere Dysfunktionen körperlicher
Art sehr gut mit der Craniosacral Therapie behandeln.
Der folgende Fall (Böhme, 2010, S. 130/131) zeigt ein Beispiel für die Entstehung
und Auswirkung einer sogenannten EnergieZyste.
Der Patientin, 56 Jahre alt, wurden aufgrund anhaltender Heiserkeit und
ödematöser Schwellung der rechten Stimmlippe – nach einer Kehlkopfentzündung
und medikamentöser Therapie dieser – logopädische Therapieeinheiten verordnet.
Die Therapeutin stellte bereits beim Erstgespräch eine Schonhaltung der rechten
Körperhälfte fest, die sich vor allem im Kopf, Hals und Schulterbereich äußerte.
Craniosacral Therapie kam zum Einsatz und bereits beim ersten Kontakt zeigte die
Patientin eine deutliche Reaktion. Sie erinnerte sich plötzlich an einen
Zusammenstoß mit einem Mann, bei dem sie auf die rechte Schulter und den Kopf
gestürzt war. Sie selbst hatte dieses Ereignis bereits vergessen, ihr Körper
erinnerte sich jedoch offensichtlich noch gut daran. Mit Hilfe von Craniosacral
Therapie wurde versucht, die Beweglichkeit im Kopf, Hals und Schulterbereich
97
wieder zu verbessern, was sich schon nach wenigen Behandlungen eindeutig auf
die Stimmfunktion auswirkte. Die Patientin verspürte weniger Anstrengung beim
Sprechen und konnte wieder stimmlich größeren Belastungen standhalten.
98
8
Interviewstudie
Nach der ausführlichen Behandlung der Schwerpunktthemen Stimmstörungen und
den traditionellen und komplementärmedizinischen Möglichkeiten diese zu
behandeln, sowie einer genauen Beschreibung der CranioSacral-Therapiemethode,
soll nun im folgenden Teil eine qualitative Interviewstudie einen Eindruck aus der
Praxis vermitteln.
8.1 Methode
Da das Feld der Stimmstörungen im Zusammenhang mit komplementärmedizinischen Verfahren bisher nur sehr wenig untersucht wurde und für den
(unterstützenden)
Einsatz von
CranioSacral
Therapie
bei Stimmstörungen
ausschließlich Fallbeschreibungen und therapeutische Beobachtungen vorliegen,
soll mit Hilfe von Interviews die Seite der StimmpatientInnen untersucht werden.
Ziel ist es, einen Eindruck über das Erleben der Therapiemethode aus Sicht
des/der Behandelten zu erhalten und zu überprüfen, ob weitere Untersuchungen
nach evidenzbasiertem Standard möglich und sinnvoll wären. Hier sei jedoch auf
die Diskussion zur Forschung in der Komplementärmedizin hingewiesen, die für
eine umfangreiche qualitative Forschung spricht.
„Die Praxis qualitativer Forschung ist generell dadurch geprägt, dass es (1)
nicht die Methode gibt, sondern ein methodisches Spektrum unterschiedlicher
Ansätze, die je nach Fragestellung und Forschungstradition ausgewählt werden
können." (Flick, von Kardoff, & Steinke, 2000, S. 22)
Für die Methode des qualitativen Interviews entschied ich mich aus verschiedenen
Gründen. Zunächst gibt es bisher zu wenige Informationen zu diesem Thema, als
dass es sinnvoll wäre, bereits eine quantitative Studie durchzuführen. Zweitens
handelt es sich bei stimmlichen Problemen (Stimmstörungen) gerade bei
SängerInnen, die sich viel mit der Funktion ihrer Stimme beschäftigen, um sehr
individuelle Probleme, die (vor allem ohne ein standardisiertes Untersuchungsverfahren) kaum kategorisierbar sind. Ebenso ist die CranioSacral Therapie eine
äußerst komplexe Behandlungsmethode, die standardisiert nur schwer in ihrer
Authentizität erfassbar ist. Das qualitative Interview ist eine Methode der
99
qualitativen Sozialforschung, die inzwischen jedoch auch in der medizinischen
Forschung verwendet wird.
„Qualitative Forschung hat den Anspruch, Lebenswelten "von innen heraus"
aus der Sicht der handelnden Menschen zu beschreiben. Damit will sie zu
einem besseren Verständnis sozialer Wirklichkeit(en) beitragen und auf
Abläufe, Deutungsmuster und Strukturmerkmale aufmerksam machen." (Flick,
von Kardoff, & Steinke, 2000, S. 14)
Mir geht es um ein tieferes Verständnis des stimmlichen Problems in seinem
Gesamtzusammenhang und des Erlebens der Behandlung und ihrer Auswirkungen
im Kontext der ideologischen Ansichten der/des Befragten.
Als
Form
des
Interviews
habe
ich
das
sogenannte
teilstandardisierte
Leitfadeninterview gewählt. Durch die im Vorfeld ausgearbeiteten Fragen, die auf
Informationen zu den verschiedenen Themenbereichen zielen, ist der Dialog auf ein
bestimmtes Ziel ausgerichtet. Da ich jedoch eine nur teilweise strukturierte Form
gewählt habe, liegt der Schwerpunkt trotzdem auf einem natürlichen Gespräch.
Offene Fragen geben viel Raum für Erzählungen seitens der/des Interviewten und
liefern aber gleichzeitig Anhaltspunkte für die gewünschten Informationen.
Wichtig bei der Führung des Interviews sind vor allem die Nicht-Beeinflussung
des/der InterviewpartnerIn, eine Herausarbeitung der genauen spezifischen
Wirkungen und Bedeutungen von Ereignissen o.ä. für den/die Befragte/n, die
Bearbeitung aller relevanten Aspekte und Themenbereiche für das Interview und
eine gewisse Tiefe, die das tatsächliche subjektive Erleben des/der Befragten
widerspiegelt.
Besonders der Punkt der Nicht-Beeinflussung ist ein sehr umstrittenes Thema in
der qualitativen Forschung. Schon durch die zwischenmenschlichen Anteile des
Interviews, an dem beide - InterviewerIn und BefragteR - als Individuen beteiligt
sind,
ist
das
das
Geschehen
wesentlich
beeinflusst.
Natürlich
müssen
Suggestivfragen und Bewertungen seitens des/der InterviewerIn vermieden
werden, trotzdem werden die Wertevorstellungen in Bezug auf die Forschungsfrage
nicht verborgen bleiben können.
100
Die nicht ausschaltbare Subjektivität ist jedoch Teil der qualitativen Forschung:
„Ein weiteres Kennzeichen qualitativer Forschung ist, dass die Reflexivität des
Forschers über sein Handeln und seine Wahrnehmungen im untersuchten Feld
als ein wesentlicher Teil der Erkenntnis und nicht als eine zu kontrollierende
bzw. auszuschaltende Störquelle verstanden wird (6)." (Flick, von Kardoff, &
Steinke, 2000, S. 23)
Gesucht wurden Sänger und SängerInnen (Hobby, Studium oder Beruf), die
aufgrund eines stimmlichen Problems bereits einmal die CranioSacral Therapie als
Behandlungsmethode gewählt haben. Aufgrund der Praktikabilität habe ich mich für
ein Sampling durch einen sogenannten "Gatekeeper" entschieden. Eine Logopädin
und CranioSacral-Therapeutin konnte mir aufgrund ihres Expertendaseins Kontakte
zu geeigneten Personen aus ihrem Behandlungsfeld als auch zu PatientInnen von
Kollegen herstellen.
Im Zeitraum von rund vier Wochen wurden die acht InterviewpartnerInnen befragt.
Ein Probeinterview zu Beginn gab Aufschluss über die zu erwartende Länge der
Interviews und über eventuell notwendige Änderungen des Leitfadens. Nachdem
der Ablauf des Probeinterviews zufriedenstellend war, wurde dieses ebenfalls für
die Endauswertung verwendet. Die meisten Interviews dauerten zwischen 30 und
40 Minuten, einzelne waren etwas länger, jedoch nicht länger als 50 Minuten.
Nur in einem Fall gab es technische Schwierigkeiten, weil das Aufnahmegerät voll
war und ca. 15 Minuten des Gesprächs nicht aufgenommen und anschließend
wiederholt werden mussten.
In Fachliteratur zur Durchführung von qualitativen Interviews wird immer wieder
davon abgeraten, Personen aus dem Bekanntenkreis zu interviewen. Da das
Einzugsfeld für meine Forschungsfrage jedoch recht eng gesteckt war, konnte ich
nicht umhin, auch mir bekannte Personen einzuschließen. Für das Interview
bedeutet
das
natürlich
eine
andere
Ausgangssituation,
da
bereits
viele
Vorinformationen vorhanden waren und sich vor allem im Laufe des Gesprächs
eine sehr vertrauliche Gesprächsatmosphäre einstellte. Mir als Interviewerin fiel es
teilweise schwer, auf quasi neutralem Boden zu bleiben und nicht in ein Gespräch
unter Bekannten zu verfallen. Auch die Vermeidung von Suggestivfragen bei
bereits
bekannten
Informationen
zu
dem
Thema
stellte
für
mich
eine
Herausforderung dar. Grundsätzlich hielt ich mich zu meinen eigenen Sichtweisen
101
zu den Fragestellungen sehr bedeckt, auch wenn konkrete Fragen von Seiten der
InterviewpartnerInnen auftauchten, versuchte ich diese zumindest innerhalb des
Interviews zu vermeiden, um eine Beeinflussung so gering wie möglich zu halten.
Die Transkription der Interviews erfolgte weitgehend in Schriftsprache. Einzelne
Dialekt-Ausdrücke wurden nicht angepasst, da es meiner Ansicht nach keinen
adäquaten Ersatz gegeben hätte oder die Anpassung den Sprachfluss der
Aussagen gestört hätte. Da auch anhand des Satzbaus zum Teil deutlich der
dialektische Hintergrund erkennbar ist, entschied ich mich dafür, zum Beispiel das
Wort „bissl“, das häufig von den Befragten verwendet wurde, nicht zu korrigieren.
Pausen wurden mit (…) oder (überlegt) gekennzeichnet. Nonverbale Äußerungen
wie zum Beispiel der Verweis auf bestimmte Körperteile oder Lachen wurden
ebenfalls
in
Klammern
angemerkt.
Abgebrochene
Sätze
wurden
mit
/
gekennzeichnet.
Nach der Transkription wurde eine Kategorisierung der Interviews vorgenommen.
Durch die Orientierung am Leitfaden kamen folgende Kategorien zustande:

Sängerische Ausbildung, Erfahrung und ausgeübter Beruf

Ursache für CranioSacral Therapie (CST) Sitzung

Stimmliche Probleme, die mit CranioSacral Therapie behandelt wurden

Zeitraum, Abstand, Häufigkeit der CST-Sitzungen

Ablauf einer CST-Sitzung

Wirkweise einer CST-Sitzung

Auswirkungen allgemein und stimmlich

Erfahrungen mit anderen Therapieformen und Vergleich zur CST

Zugang zur Komplementärmedizin

Entscheidungsgrundlagen
für Wahl
einer
Ärztin,
eines
Arztes
und
Therapiemethode

Vorgehensweise bei einem stimmlichen Problem

Rolle der Therapeutin, des Therapeuten

Sonstige Anmerkungen zum Themenkomplex
102
8.2 Ergebnisse
Insgesamt wurden acht Personen für diese Interviewstudie befragt, sieben Frauen
und ein Mann. Bis auf eine Person (IP5w) sind alle InterviewpartnerInnen als
SängerInnen und/oder als PädagogInnen tätig. Zwei der Befragten (IP1w und IP3w)
haben ihren Schwerpunkt momentan auf Studium und Unterrichten an einer Schule
gelegt. Zwei andere Befragte (IP2w und IP8w) gaben an, sowohl selbst viel zu
singen, als auch pädagogisch tätig zu sein. Zwei der acht Befragten haben ein
Gesangs- bzw. IGP-Studium bereits abgeschlossen, vier befinden sich noch im
Studium. Während IP5w Hobbysängerin ist und über die gesangliche Ausrichtung
(klassisch oder populär) nichts bekannt wurde, begann IP6m vor sieben Jahren als
Quereinsteiger mit dem Gesangsunterricht und ist heute als Liedermacher und
Sänger seiner eigenen Lieder tätig. Die anderen sechs Befragten erhielten im Zuge
ihres Studiums klassischen Gesangsunterricht. Eine Interviewpartnerin (IP8w) hat
selbst eine Ausbildung in Craniosacraler Energiearbeit fast abgeschlossen.
Die Mehrheit der Befragten gaben an, die erste CranioSacral Therapie (CST)
Sitzung nicht aufgrund eines stimmlichen Problems in Anspruch genommen zu
haben. Unterschiedliche Beweggründe hatten dazu geführt. IP4w und IP8w kamen
durch Erzählungen von Bekannten und aus Neugier und Interesse zu ihrer ersten
Sitzung, IP7w durch die CST- Ausbildung einer Freundin. Erst später wurde durch
das Auftreten eines stimmlichen Problems in einzelnen Sitzungen der Fokus auf die
Stimme gelegt. Bei einer Person (IP6m) gibt es keine Verbindung von CST zur
Stimme.
Die stimmlichen Probleme waren unterschiedlichster Natur. In fünf Fällen existierte
ein Befund des HNO-Arztes, der jedoch nicht in allen Fällen ausschlaggebend für
die CST war. Diagnostiziert wurde z.B. zu viel Druck auf den Taschenfalten,
Kieferprobleme, eine leichte Dysphonie, ein Stimmbandknoten
oder eine
Phonationsverdickung. In einem Fall war der Befund des HNO-Arztes unauffällig,
die Probleme mit der Stimme jedoch so schwerwiegend, dass die Teilnahme an
Prüfungen nicht möglich war (IP3w).
103
Konkret behandelt wurden in den Sitzungen:
Probleme durch Körperbau (Schiefstellung, Skoliose), Überdruck beim Singen,
unterbewusste Blockaden beim Singen, Verkrampfung des Kehlkopfs, Engegefühl
beim Kehlkopf im Zusammenhang mit der Psyche, leichte Dysphonie nach
Stresssituation, Probleme mit der Dauer der Ausatmung beim Singen (Engegefühl
im Brustkorb), Probleme beim Öffnen des Kiefers, Kehlkopfstand und beanspruchte
Atemwege durch Allergie.
Wirkung und Auswirkungen der CranioSacral Therapie
Die Auswirkungen der CST-Sitzungen waren vielfältig und können aber insgesamt
bei allen Befragten als positiv beschrieben werden. Als allgemeine Auswirkungen
der Therapie wurde zum Beispiel ein „besseres Körpergefühl“ (IP1, Z. 47) genannt.
Einige Befragten beschrieben typische Verhaltensweisen ihres Körpers, die zu
Beginn oder während einer Behandlung einsetzten. So sprach IP3 von einem
„Schnurren“ (IP3, Z. 125) ihres Bauches, was sie als Einstellung ihres Körpers auf
die Behandlung wertete, IP5 beschrieb starke Reaktionen ihres Bindegewebes und
IP2 spürte „ganz feine ruckartige Bewegungen im Körper“ (IP2, Z. 183/184).
Generell scheint sich bereits während der Behandlung eine Entspannung
einzustellen:
„Ja, was mir immer wieder passiert ist, dass ich so richtig wegdrifte eigentlich,
ich bin auch schon eingeschlafen bei Cranios.“ (IP4, Z. 159-161)
Laut Beschreibung der Befragten konnte bei allgemeinen Auswirkungen zum
Beispiel eine Besserung bei Schulterschmerzen, Magen-Darm-Problemen und
Beschwerden im unteren Rücken erreicht werden. Kopfschmerzen nach einem
Unfall wurden nicht so erfolgreich behandelt. (vgl. IP2w) Bei den meisten Befragten
sind die CST-Behandlungen inzwischen regelmäßig in den Alltag integriert. Einige
kennen diese Behandlungsform schon länger (10 Jahre, IP8w), andere sind erst vor
relativ kurzer Zeit darauf aufmerksam geworden (vor einigen Monaten, IP3w). Die
Häufigkeit der Behandlungen variiert von alle drei Wochen über einmal im Monat
104
oder ein bis zwei Mal im Jahr. Bei Auftreten von Problemen werden die
Behandlungen intensiviert:
„Also ich habs die erste Zeit so alle drei Wochen oder was immer gemacht.
Nachdem sich das dann relativ gut gelegt hat, hab ich ein bissl pausiert und bin
aber jetzt so, dass ich sag, ich mach das relativ oft, wenn ich irgendwelche
anderen Beschwerden auch hab.“ (IP5w, Z. 126-129)
Die konkret behandelten stimmlichen Probleme konnten laut Angaben der
Befragten in allen Fällen nach einer CST-Sitzung verbessert oder sogar gelöst
werden.
IP1 erlebte stimmlich positive Auswirkungen, die sich unabhängig vom Fokus der
Behandlung einstellten, IP4w hat „das Gefühl von Weite“ (IP4w, Z. 138) nachdem
das Engegefühl beim Kehlkopf behandelt wurde und bei IP3w konnte eine
Verspannung im Kehlkopf in einer Sitzung gelöst werden.
IP2w beschreibt ihre Erlebnisse in einer Gesangsstunde direkt nach einer CSTSitzung:
„[…] und das war ganz faszinierend, wie durchlässig das auf einmal war und
wie flüssig das gegangen ist. Also da hab ich gemerkt, dass der ganze Körper
einfach so von unten bis oben eines war, nicht mehr dieses Feste, Kantige, das
war irgendwie auf einmal weg.“ (IP2w, Z. 89-93)
Auch IP7w konnte nach der Behandlung ihres Kiefers positive Auswirkungen in der
Stimme feststellen. Durch die verbesserte Kieferöffnung sei eine Entlastung des
Kehlkopfes möglich und dadurch ein verbesserter Stimmklang.
Für IP8w zählt vor allem die Durchlässigkeit der Körperstrukturen zu den
Auswirkungen einer CST-Sitzung. Durch die Verbesserung sei ein sinnvolleres
Zusammenspiel der einzelnen Körperteile möglich und dadurch eine effektivere
Nutzung des Körpers für das Singen. Auch die steigende Achtsamkeit sich selbst
gegenüber oder das „bessere Körpergefühl“ (IP1w) führen zu einem verbesserten
Zugang zum Singen, da Gesangstechnik leichter angewendet werden kann und
man Blockaden schneller und genauer selbst lokalisieren kann.
105
Ablauf einer CranioSacral Therapie Sitzung
Sechs der acht Befragten beschrieben sozusagen technisch den Ablauf einer CSTSitzung, wobei klar wird, dass sie alle Einzelteile positiv erleben. Bei einigen
beginnt der Vorgang schon beim Ausmachen des Termins.
„Diese Stunde schenkst du deinem Körper.“ (IP1w, Z. 155)
Die Behandlung beginnt meist mit einem Gespräch über das allgemeine
Wohlbefinden und über die Gründe des Besuchs. Auf bestimmte Anliegen
(Unwohlsein oder Schmerzen bei bestimmten Körperstellen) wird in der folgenden
Therapie eingegangen. Die Behandlung findet im Liegen statt, die Behandelten
bekommen, falls sie es wünschen, eine Decke. Manche Befragten gaben für sie
sehr konkret erkennbare einzelne Schritte der Therapieabfolge an:
„Also beginnt bei den Füßen, geht dann weiter zum Becken, legt da ihre Hände
drauf und spürt mal irgendwas, geht dann bei mir meistens zum Kopf weiter
oder arbeitet direkt am Magen, Verdauung. Je nachdem, was ich brauche.“
(IP2w, Z. 154-157)
Andere beschrieben eher ein allgemeines Gefühl während der Sitzung:
„Und meine Therapeutin sagt auch, wir kommen dann beide ein bisschen wie in
Trance. […] wir schwingen gleich […].“ (IP7w, Z. 107/108, 110)
Auch wenn sie mit einem konkreten Anliegen zur Sitzung kommen, haben einige
erwähnt, dass unabhängig davon noch der Rest des Körpers auf Ungereimtheiten
überprüft wird:
„Dann schaut man halt grundsätzlich, ist da jetzt irgendwas schief im Körper,
weil es könnte ja auch von woanders herkommen.“ (IP5w, Z. 195/196)
Ein weiterer Punkt, den einige Befragten erwähnt haben, ist die Rolle des
Gesprächs im Laufe der Therapie. Nur eine erlebt die CST als rein körperliche
Behandlungsform (IP7w), die anderen beschrieben therapeutische Gespräche, die
mittels Fragen von Therapeutenseite aus gesteuert werden. Darauf soll jedoch
später genauer eingegangen werden. Nach dem Ende der Behandlung wird Zeit
gegeben zum Aufstehen, es kann zu einem Feedback über die erfolgte Behandlung
kommen. Drei der Befragten beschrieben eine Nachwirkung der Behandlung in den
folgenden Tagen und gaben an, dass das konkrete Ergebnis der Therapie erst
106
nach ca. 48 Stunden festgestellt werden könne. IP7w beschrieb auch
unangenehme Nachwirkungen:
„Danach, was schon oft ist jetzt bei diesen Behandlungen, dass ich einen Tag
lang, da kommt dann oft Kopfweh. Also direkt den Tag drauf – weiß ich jetzt
schon, Gott sei Dank – da kanns wirklich sein, dass es mir nicht gut geht, […]
Und dann hab ich das Gefühl, dann nach ein oder zwei Tagen geht das durch
eben und ich merk meistens ein Resultat.“ (IP7w, Z. 115 – 118, 120 – 122).
Behandlungstechniken und Wirkmechanismen
Die Frage nach der Wirkung der CranioSacral Therapie oder was denn nun
eigentlich in einer Sitzung wirklich gemacht wird beantworteten viele spontan mit
„keine Ahnung“. Bei genauerem Nachfragen kamen jedoch recht ähnliche weitere
Antworten. Generell scheine es um Energie und Energiefluss im Körper zu gehen,
so die Befragten:
„[…] dass da ein Energiefluss passiert, durch die zweite Person, dass da die
zweite Person energetisch durchlässig ist und sich drauf konzentriert, dass
dann die Energien im anderen, im behandelten Körper auch zu fließen
beginnen kann.“ (IP6m, Z. 151-155)
Auch eine Sensibilisierung der eigenen Wahrnehmung sei durch die Sitzungen
festzustellen:
„Ja, eben dieses Gleichgewicht, diesen Fluss wieder herstellen und man selber
wird auch wieder sensibilisiert.“ (IP4w, Z. 211/212)
Doch was konkret MACHT der/die TherapeutIn?
Hier zeigen sich die Antworten sehr unterschiedlich. Manche empfinden die
Behandlung als reines Hand auflegen, andere wiederum beschreiben kleine
Bewegungen, vereinzelt wird auch Druck auf bestimmte Körperstellen eingesetzt.
„[…] die Hände legt sie auf den Bauch und spürt, wo jetzt grad Verspannungen
im Gewebe sind, nehm ich an. […] Und versucht diese Verspannungen durch
Verschieben und Richten des Gewebes wieder zu lösen. […] Manchmal, also
die ersten Sitzungen waren wirklich richtig schmerzhaft, also da hat sie dann
durchaus richtig fest hineingedrückt.“ (IP2w, Z. 167-173)
107
Die
Aktivierung
der
Selbstheilungskräfte,
die
vielen
Therapieformen
der
Komplementärmedizin zugeschrieben wird, beschreiben auch die Befragten bei der
Wirkung der CST:
„Also ich glaub, dass da eigentlich die (überlegt) Körperheilung oder die
Funktionen des Körpers da irgendwie auch gestärkt werden und dass man dem
hilft, diese Dinge von sich aus zu beseitigen auch.“ (IP5w, Z. 247-249)
IP8, die selbst bereits als Therapeutin tätig ist und aufgrund dessen natürlich eine
„Insider-Sichtweise“ hat, erklärt die Wirkung folgendermaßen:
„Ja, der erste große Punkt ist eben die Durchlässigkeit, also Strukturen des
Körpers, die vielleicht nicht mehr so zueinander stehen, miteinander tun, wie
sie sollten oder könnten, werden durch bestimmte Griffe oder nur durch
Vorstellung mit oder ohne Berührung, Vorstellung vom Therapeuten oder
Klienten irgendwie wieder durchlässiger gemacht.“ (IP8w, Z. 477-482)
Gehe es jedoch um wirklich kaputte Körperstrukturen, die man „reparieren“ müsse,
so sei die CST nicht geeignet, lediglich könne eine bessere Durchlässigkeit des
Gewebes nach der „Reparatur“ unterstützt werden, so IP8w.
Wie bereits oben erwähnt, beschreiben sieben der acht Befragten die CST als eine
Verbindung von körperlich, manueller Technik und therapeutischem Gespräch. In
der Beschreibung werden Vergleiche zur Psychotherapie gezogen. Das Gespräch
an sich sei sehr „assoziativ“, es werde viel mit Bildern gearbeitet und die Antworten,
die sich im Moment ergeben, werden von den TherapeutInnen in die weitere Arbeit
mit einbezogen:
„[…] und dann geht sie eigentlich sehr gut auf diese komischsten Dinge, die da
kommen eigentlich ein und arbeitet gleich damit […].“ (IP2w, Z. 198-200)
Generell wird der Verlauf des Gesprächs als spontan und unvorhersehbar
empfunden, eine Führung von TherapeutInnen-Seite sei jedoch festzustellen:
„Also man selber ist ganz frei, aber man hat schon das Gefühl, dass man so auf
einen wunden Punkt hingesteuert wird oder auf einen zu lösenden Punkt.“
(IP4w, Z. 193-195)
Wie die Wirkung dieses Gesprächs in Zusammenhang mit den körperlichen
Beschwerden steht, beschreibt IP6. Der Therapeut spüre in die Stellen hinein, in
denen er Verspannungen feststellen konnte und es komme dann vor, dass in der
Situation Bilder von früheren Erlebnissen auftauchen.
108
„Und das interessante war, dass über die Verbalisierung dieser Bilder sich
diese Spannungen […] auflösen. Dass die dann rausgehen.“ (IP6m, Z. 118121)
Die vom Körper gespeicherten Erlebnisse, könnten durch die Rückkehr zur
verursachenden Situation in der Behandlung anschließend losgelassen werden, so
IP6m. Diese Theorie unterstreicht IP8w. Der Körper habe ein Gedächtnis und
speichere Ereignisse im Gewebe. So könne es zu Wechselwirkungen von Psyche
und Körper
kommen, da emotionale Ereignisse zu körperlichen Beschwerden
führen können und umgekehrt. In der Bearbeitung dieser Beschwerden zeige sich
dann oft eine Besserung auf der jeweils anderen Ebene.
Auch wenn viele über die Wirkweise der CST nur spekulieren konnten, waren sich
doch alle Befragten einig: es wirkt.
Unterschiede und Gemeinsamkeiten verschiedener Therapieformen
Alle Befragten gaben an, bereits Erfahrungen mit den unterschiedlichsten
Verfahren gesammelt zu haben. Von klassischen schulmedizinischen Therapien
wie Stromtherapie, Streckbank oder Hyposensibilisierung bei Allergien über die
klassische Physiotherapie und Massagen bis hin zu den verschiedensten
Komplementärmedizinischen Therapieformen wurde vieles genannt. Am häufigsten
wurden Berührungen mit der Osteopathie, der Akupunktur, der Homöopathie und
mit Shiatsu angegeben. Auch Yoga und Feldenkrais zählen für einige zu den
(hilfreichen) körpertherapeutischen Verfahren.
Da alle Befragten mit unterschiedlichen Verfahren in Berührung gekommen sind,
kann kein allgemeiner Vergleich zwischen der CST und einer anderen
Therapieform gezogen werden. Mehrfach genannt wurde jedoch, dass die CST im
Vergleich mit unterschiedlichen Verfahren jeweils als die sanftere und auch
passivere Methode empfunden wurde.
„Ja, Cranio fast auch die ruhigste Behandlungsform und die, wo man auch das
Gefühl hat, es kommt sehr tief, es geht sehr tief. Weil man wirklich die ganze
Zeit einfach daliegt und spürt und selber jetzt nicht ablenkt mit Bewegungen.“
(IP4w, Z. 269-273)
109
Während IP1 die Osteopathie im Vergleich zur CST als „das Gegenteil von
guttuend“ (IP1w, Z. 185) empfand, sieht IP7 auch die Vorteile der Osteopathie:
„[…] die [CST-Therapeutin] war sehr zart und das war dann fast ein bisschen
zu wenig. Ich bin dann gegangen zu einem französischen Osteopathen […] der
hat dann schon richtig rein gegriffen. […] ich glaub, zwei oder dreimal sogar
war ich – das hab ich wirklich gebraucht, ja das war wichtig.“ (IP7w, Z.136/137,
141-143)
Zwei der Befragten konstatierten eine Veränderung ihrer Bedürfnisse in Bezug auf
körpertherapeutische Verfahren mit der Zeit. Die Beschäftigung mit diesem Gebiet
habe zu einer Erhöhung ihrer Sensibilität geführt und einer immer feineren
Wahrnehmung, wodurch inzwischen eine sehr feine Therapieform wie die CST eine
starke Wirkung zeige und „mehr als genug“ (IP7w, Z. 280) sei.
Vielfach wurde die Einzigartigkeit der CST in Bezug auf die Verbindung von
körperlicher Therapie und therapeutischem Gespräch genannt. IP4w zog den
Vergleich zur Psychotherapie. Während die Wirkweise der Psychotherapie ihrer
Erfahrung nach auf Gespräch, Reflektion und Objektivierung der eigenen
Handlungen und der damit gegebenen Möglichkeit der Änderung seiner Muster
bestehe, sei die CST durch die direkte Verbindung zum Köper vermutlich der
schnellere Weg:
„Vielleicht manifestiert sich das dann schneller im Körper, wenn man das mit
der Cranio einmal umprogrammiert hat.“ (IP4w, Z. 302-304)
Auch IP5 sieht in der CST eine geeignete Behandlungsform für Probleme, die sich
sowohl auf körperlicher als auch psychischer Ebene abspielen:
„[…] wenns eher so eine psychosomatische Thematik ist, also sehr viel auch
mit Geist und ein bissl mit Psyche zu tun hat, sag ich, ist die CranioSacral
Therapie schon gut.“ (IP5w, Z. 336-339)
IP8w fügt eine weitere Komponente hinzu, die in der CST stark zum Tragen kommt:
„[…] dass es keine Methode ist, die sagt, so und so muss es sein […], sondern
dass man schaut, was da ist und mit dem arbeitet. Das ist für mich der ganz
große Punkt bei Cranio und der große Unterschied zu vielen anderen
Körperarbeitsmethoden. Man muss nicht üben, der Körper übt es vielleicht von
selbst.“ (IP8w, Z. 462/463, 465-469)
110
Speziell für sie als Sängerin sei interessant, dass die CST eine Auswirkung auf den
Atem zeige, der sowohl beim Singen als auch im Leben „überhaupt das wichtigste“
(IP7w, Z. 300/301) sei.
Die Einzigartigkeit der CST lässt sich sicher auch der enorm unterschiedlichen
Empfindungen der einzelnen Befragten zuschreiben, allerdings schneidet die CST
im Vergleich zu anderen Therapieformen durchgehend positiv ab:
„Also wenn man das einmal gemacht hat, Cranio-Therapie, dann merkt man,
dass die feinen Bewegungen von innen heraus, dass die eigentlich, bei mir
zumindest, den Körper am besten wieder richten können. Sämtliches
Massieren oder so […] hat für mich nicht diese Wirkung und nicht das Gezielte
von einer Cranio-Therapie. Also ich hab wirklich das Gefühl, die Cranio ist das,
was sein sollte, das Eigentliche.“ (IP2w, Z: 289-295)
Zugang zur Komplementärmedizin – von Hardfacts, Goethe und der
Schulmedizin
Während sie früher nicht „daran geglaubt“ hätten, seien sie inzwischen der
Komplementärmedizin gegenüber positiv eingestellt, erklärten zwei der acht
Befragten. Gute Erfahrungen, vor allem bei Problemen, die von schulmedizinischer
Seite nicht gelöst werden konnten, gaben den Ausschlag für die Kehrtwende.
Verschiedene andere Gründe wurden für die Nutzung der Komplementärmedizin
angegeben. IP3w zum Beispiel gab an, seit ihre Kinesiologie-Sitzungen keine
ärztliche Hilfe mehr benötigt zu haben. Neben den Stichworten „ganzheitliche
Behandlung“ und „persönlicher Kontakt“ zu den ÄrztInnen und TherapeutInnen,
empfanden einige die Sichtweise der Schulmedizin auf den Menschen als
problematisch:
„Naja, die Schulmedizin reduziert sich quasi meiner Meinung nach nur so auf
die Hardfacts.“ (IP6m, Z. 207/208)
Speichere man einen Text von Goethe als PDF gebe ihn einem Schulmediziner,
sehe dieser nur Nullen und Einsen und versuche dort den Fehler durch den
Austausch einer Zahl zu beheben, anstatt das ganze Werk in seiner Einheit zu
betrachten. (vgl. IP6m, Z.209-221)
111
Für IP4w passt die Komplementärmedizin in ihrem Wesen einfach besser zum
„unerklärlichen Feld“ der Stimme.
Die Vorgehensweise bei einem stimmlichen Problem ist bei den meisten Befragten
recht ähnlich. Eine Abklärung mit dem HNO ist (nach der Besprechung mit der
Gesangslehrerin) der erste Schritt bei einem schwerwiegenderen Problem, das
nicht selbst durch den Einsatz von Tees, Lutschtabletten oder Ruhe gelöst werden
könne. Anschließend kommt bei den meisten eine alternative Behandlung oder die
Kombination
von
Logopädie
und
CranioSacral
Therapie
oder
anderen
körpertherapeutischen Verfahren in Frage. Allerdings sei der Faktor Zeit
ausschlaggebend für die Wahl des Verfahrens, so IP4w. Sei viel zu tun, so habe sie
meist nicht die Geduld für die schonendere komplementärmedizinische Therapie
und greife dann doch zur Schulmedizin. (vgl. IP4w, Z. 333, 360-363)
Bei der Auswahl der Ärztin/des Arztes oder des Verfahrens verlässt sich die
Mehrzahl der Befragten auf Empfehlungen von GesangslehreInnen oder aus dem
Freundeskreis.
Wichtig
erscheint
auch
der
Vergleich
der
vorhandenen
Möglichkeiten:
„[…] ich würde darauf achten, was für Medikamente mir verschieben würden
und dann immer mit anderen Ärzten oder Therapeuten vergleichen.“ (IP1w, Z.
253-255)
Für IP5w ist das eigene Vertrauen in ein Verfahren noch ein wichtiger Punkt für die
Entscheidung:
„[…] wenn ich jetzt glaube, ich kanns mir nicht vorstellen oder es ist für mich ein
absoluter Humbug und das mach ich nicht, dann würd ichs nicht ausprobieren.
Weil ich glaub, dass sich dann der Körper viel zu sehr dagegen sträubt
irgendwie, als dass es wirksam sein könnte.“ (IP5w, Z. 474-478)
112
Die Rolle der Behandelnden in der CST
Eine Thematik, die sich aus den einzelnen Interviews heraus ergeben hat und nicht
als ursprüngliche Frage im Leitfaden geplant war, ist die Rolle der Therapeutin/des
Therapeuten in der CranioSacral Therapie. Viele der Befragten beschrieben
Eigenschaften ihrer Therapeutin / ihres Therapeuten und brachten diese in
Verbindung mit dem Erfolg der Sitzung. Mehrfach wurde auch ein Vergleich von
verschiedenen TherapeutInnen mit dem gleichen Verfahren gezogen und so wurde
klar, dass die Persönlichkeit augenscheinlich eine ganz entscheidende Rolle für
den Erfolg der Therapie spielt.
Sei eine gute Basis gegeben, so spiele die eigentliche Methode eine
untergeordnete Rolle:
„Weil das Heilsame ist alleine, sich gemeinsam mit diesem Menschen mit sich
selbst auseinander zu setzen.“ (IP4w, Z. 387/388)
Auch IP7w sieht den Erfolg weniger in den technischen Fähigkeiten als in der
mentalen Ausrichtung der Behandelnden.
Andere wiederum (IP2w und IP5w) gehen von bestimmten Fähigkeiten aus, die bei
den TherapeutInnen besonders ausgeprägt sind oder gezielt geschult wurden:
„[…] es gibt Menschen, die spüren besser als andere und Menschen, die
Cranio-Therapie machen, […] dass die einfach drauf geschult worden sind,
dass sie einen Körper einfach im Ganzen wahrnehmen können in seinen
ganzen Schwingungen, Verspannungen und allem drum und dran.“ (IP2w, Z.
310-314)
Die Erfahrung, dass die Persönlichkeit eine große Auswirkung auf den Verlauf der
Behandlung hat, machte IP8w sowohl als Klientin, als auch in ihrer eigenen
Ausbildung in der Craniosacralen Energiearbeit. Sowohl im zwischenmenschlichen
Bereich:
„[…] bei so feiner Arbeit und wenn es um Verbalbegleitung geht, dann muss es
einfach stimmen.“ (IP8w, Z. 340/341)
113
Als auch in den Hintergrundkenntnissen der/des jeweiligen Behandelnden:
„Und ich glaub, dass es da halt einfach auch wirklich im kleinen Wissen große
Unterschiede geben kann, die der Patient spürt.“ (IP8w, Z. 321/322)
Vor allem in der Verbalbegleitung spielen die kommunikativen Fähigkeiten aber
auch die eventuelle Zusatzausbildungen eine große Rolle:
„Wenn es jemand ist mit einer psychotherapeutischen Ausbildung, da kommst
du wahrscheinlich viel weiter in der Prozessbegleitung.“ (IP8w, Z. 537-539)
Anmerkungen zum Thema oder darüber hinaus
Die gestellte Abschlussfrage über Anmerkungen zum Thema ergab in vielen Fällen
ein Plädoyer für die Verbreitung der CranioSacral Therapie. Während IP1w und
IP3w der Meinung waren, dass es unter Studenten weiter verbreitet werden müsste
und auch das Angebot an der Universität mehr genutzt werden könnte, wies IP5 auf
die generellen Vorteile einer CST-Sitzung fürs Singen hin:
„Selbst wenn ich jetzt keine Störung hab […], dann sing ich immer besser,
wenn es mir besser geht. […] Man fühlt sich ja nachher immer besser und das
wirkt sich ja aus.“ (IP5w, Z. 537-541, 548/549)
IP7w war der Meinung, dass die CST und auch die Osteopathie unter SängerInnen
bekannter sein sollten, da das Singen immer eine Balance zwischen Entspannung
und Spannung darstelle und sich somit körperliche Dysbalancen negativ auswirken
können.
„[…] dann nutzt alles Üben irgendwann nicht mehr. […] Und ich glaub, dass
genau diese Therapieformen, genau zu diesem Thema Spannung,
Entspannung im Körper, das Ideale wären.“ (IP7w, Z. 488-491)
114
9
Zusammenfassung
Diese Magisterarbeit ist ein Versuch, sich komplexen Themen, die allesamt
umstritten sind, auf eine wissenschaftliche Art und Weise zu nähern. Eine
umfangreiche Literaturrecherche und die Beschäftigung mit der Methode der
qualitativen Interviewforschung bilden die Grundlage dieser Arbeit.
Zunächst werden die verschiedenen Ausprägungen von Stimmstörungen näher
betrachtet. Da der Übergang von einem gesangstechnischen Problem zu einer
Stimmstörung oft fließend ist und nicht genau getrennt werden kann, kommt
nahezu jede/r SängerIn im Laufe seines/ihres Wirkens (teilweise unwissentlich) mit
diesem Feld in Berührung. Daher liegt das Augenmerk auf der Unterkategorie der
funktionellen Stimmstörungen. Diese sind durch einen beeinträchtigten Stimmklang,
subjektive Missempfindungen und einen meist unauffälligen organischen Befund
charakterisiert. In den meisten Fällen wird hier eine logopädische Therapie
verschrieben. Zur Diskussion steht das Feld der psychogenen Stimmstörungen,
also jene, die mit einer psychischen Komponente in Verbindung gebracht werden.
ExpertInnen sind sich nicht einig, inwieweit diese – verschiedenen medizinischen
Fachrichtungen zugehörige – Krankheit behandelt werden sollten. Während in den
meisten
Fällen
eine
Trennung
zwischen
klassischer
Stimmtherapie
und
Psychotherapie stattfindet, plädiert zum Beispiel Jörg Kollbrunner für eine basale
psychotherapeutische Zusatzausbildung von StimmtherapeutInnen.
Bei
den
Therapiemöglichkeiten
unterscheidet
diese
Arbeit
zwischen
der
klassischen Stimmtherapie und komplementärmedizinischen Verfahren. Nach
ausführlicher Literaturrecherche lässt sich feststellen, dass DIE klassische
Stimmtherapie nicht existiert, da inzwischen Übungen und Anregungen aus
verschiedensten Verfahren in diese einfließen. Auch in den Studien zur
Wirksamkeit der Stimmtherapie wird deutlich, dass es keine einheitliche Form gibt.
Anhand des Buches „Stimmtherapie mit Erwachsenen“ (Hammer, 2007) wird
trotzdem
der Versuch
unternommen, eine
Beschreibung der
klassischen
Stimmtherapie zu geben. Diese Therapie ist auf den fünf Therapiebaustein Tonus,
Haltung und Bewegung, Atmung, Artikulation, Phonation und die zu behandelnde
Person
aufgebaut.
In
der
anschließenden
Beschreibung
der
komplementärmedizinischen Verfahren, die (positive) Erfahrungswerte in der
Behandlung von Stimmstörungen angeben, wird deutlich, dass meist nur einige
115
dieser Bausteine integriert sind. Aufgrund dessen kann davon ausgegangen
werden,
dass
eine
isolierte
Behandlung
von
Stimmstörungen
mit
komplementärmedizinischen Verfahren nicht sinnvoll und eine Kombination der
klassischen
und
komplementärmedizinischen
Ansätze
wahrscheinlich
am
zielführendsten wäre. Die ebenfalls zu den komplementärmedizinischen Verfahren
zählende Osteopathie und Manuelle Stimmtherapie bilden ein gesondertes Kapitel
und werden genauer beschrieben, da sie in Verwandtschaft zur CranioSacral
Therapie stehen. Deutlich wird vor allem, dass eine genaue Trennung der
unterschiedlichen Ansätze kaum möglich ist, weil sie sich zum Teil parallel aus den
gleichen
Ursprüngen
entwickelten
und
ähnliche
Grundlagen
und
auch
Behandlungstechniken aufweisen.
Umfangreicher als ursprünglich beabsichtigt wurde das folgende Kapitel, da aus
wissenschaftlichen
Gründen
die
überaus
kontroverse
Diskussion
Komplementärmedizin versus Schulmedizin und Überlegungen zur medizinischen
Forschung eingeschlossen werden mussten. Zusammenfassend ist hier zu sagen,
dass eine Annäherung der beiden Parteien aufgrund ihres unterschiedlichen
Verständnisses von Krankheit und Gesundheit nur langsam vonstatten gehen kann.
Dies wirkt sich auch in der Diskussion bezüglich der Forschungsmethoden aus, da
sich die Anwendung eines schulmedizinischen Forschungsdesign zur Erforschung
von komplementärmedizinischen Verfahren aufgrund ihrer Komplexität schwierig
gestaltet. Für die vergleichbar komplexen Wirkmechanismen der Psychotherapie
wurden bereits Forschungsmodelle entwickelt, die eventuell für die Untersuchung
von Stimmstörungen und komplementärmedizinischen Verfahren adaptiert werden
könnten.
Eine Beschreibung der CranioSacral Therapie aus TherapeutInnensicht bildet die
Überleitung zum Studienteil dieser Arbeit. Bei der CranioSacral Therapie muss
zwischen verschiedenen Ansätzen unterschieden werden, hier werden der
biomechanische
Ansatz
nach
Upledger
und
der
biodynamische
Ansatz
beschrieben. Der wesentlichste Unterschied dieser beiden Ansätze ist in der
Ertastung des sogenannten CranioSacralen Rhythmus zu finden. Während
Upledger von einem Rhythmus im Körper ausgeht, existiert in der Biodynamik die
Annahme, dass drei verschiedene Rhythmen in unterschiedlichen Zyklen im Körper
ablaufen und ertastet werden können. In der Forschung zu dieser Therapieform
wurde darauf bisher keine Rücksicht genommen, wobei allein die Existenz dieses
116
Rhythmus bzw. dieser Rhythmen noch als umstritten gilt. Jäkel und Hauenschild
konnten in ihrer 2012 veröffentlichten Übersichtsstudie jedoch eine Wirksamkeit der
CranioSacral Therapie bei den Parametern Schmerzen und Lebensqualität
feststellen.
Die dargestellten anatomischen Zusammenhänge bei der Stimmproduktion und die
gegenüber gestellten Behandlungsabfolgen in der CranioSacral Therapie weisen
viele Parallelen auf. Diese können natürlich nicht als Beweis für die Wirksamkeit
der Methode gelten, könnten jedoch einen logischen Zugang zu den bisher
veröffentlichten positiven Erfahrungen geben.
Da bei der Recherche zum Thema Stimmstörungen und CranioSacral Therapie nur
Erfahrungsberichte
aus
TherapeutInnensicht
zu
finden
waren,
liefert
die
durchgeführte Interviewstudie einige Sichtweisen der behandelten PatientInnen.
Diese qualitative Forschungsmethode eignet sich für die Sammlung von Daten von
bisher nicht oder nur wenig erforschten Themengebieten. Die Befragung der acht
SängerInnen ergab, dass durch die Behandlung mit CranioSacral Therapie die
stimmlichen Probleme in allen Fällen verbessert oder gelöst werden konnten. Die
Einschätzung dieser Therapieform ist durchgehend positiv. Ausgehend von den
beschriebenen Fallbeispielen und den Ergebnissen der Interviewstudie kann davon
ausgegangen werden, dass eine weitere Erforschung des unterstützenden
Einsatzes von CranioSacral Therapie bei Stimmstörungen interessant sein könnte.
117
10 Ausblick
Anhand der hier dargestellten Themenbereiche und Erkenntnisse, ergibt sich ein
breites
Feld
für
weitere
Forschungsansätze.
Abgesehen
davon,
dass
komplementärmedizinische Verfahren generell noch nicht besonders umfangreich
erforscht wurden, bietet auch der Einsatz von komplementärmedizinischen
Verfahren bei Stimmstörungen viele Forschungsmöglichkeiten, da einige positive
Erfahrungen bereits bekannt sind, ein evidenzbasierter Nachweis aber noch in
keinem Fall erbracht werden konnte.
Denkbar wäre ein Studiendesign, bei dem eine Gruppe von StimmpatientInnen
ausschließlich klassische Stimmtherapie, eine andere Gruppe jedoch eine
Kombination von klassischer Stimmtherapie mit beispielsweise CranioSacral
Therapie erhält. Eine ähnliche Studie wurde von Friederike Fleischer und Petra
Weese (Fleischer & Weese, 2008) bei der Kombination von Osteopathie und
klassischer
Stimmtherapie
durchgeführt.
Damals
konnte
kein
signifikanter
Unterschied zwischen den beiden Gruppen festgestellt werden, allerdings bekamen
die PatientInnen nur eine osteopathische Behandlung im Untersuchungszeitraum.
Eine weitere Möglichkeit, die Auswirkungen der CranioSacral Therapie auf die
Stimmfunktion zu erheben, wäre eine Vorher-Nachher-Studie. So könnten
klassische Diagnoseverfahren vor und nach einer CranioSacral Therapie Sitzung
durchgeführt werden und verglichen werden. Bei entsprechenden Ergebnissen
ließen sich daraus Einsatzmöglichkeiten bei speziellen stimmlichen Problemen
erkennen.
Generell sollte zunächst eine Erforschung der Wirksamkeit der CranioSacral
Therapie und sonstiger komplementärmedizinischer Verfahren durchgeführt
werden, bevor genaue Untersuchungen zu den Wirkmechanismen stattfinden.
118
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125
12 Anhang
12.1 Interview-Leitfaden
Einleitende Fragen zu Alter, Studium, sängerischer Erfahrung, Beruf
Welche Probleme gab es mit der Singstimme? Wann? Wie oft? Welcher Zeitraum?
Wie kam es zur CranioSacral Therapie?
• Was war davor? Andere Behandlungen?
• wann => wie lange her?
• wie oft?
• was war das Ergebnis?
Wie wurde die CranioSacral Behandlung erlebt?
• was ist das Spezielle an einer CranioSacral Behandlung?
• was wurde in der Behandlung gemacht?
• welche Auswirkungen (außerhalb der evtl. stimmlichen)?
Warum CranioSacral Therapie?
Wo liegen die Unterschiede und Gemeinsamkeiten von der CranioSacral Therapie
zu anderen Therapiemethoden?
Die CranioSacral Therapie zählt zur Komplementärmedizin. Genereller Zugang?
• wann Komplementärmedizin/wann nicht?
• welche anderen Verfahren wurden genutzt?
• andere Verfahren bei stimmlichen Problemen?
• Entscheidungsgrundlagen für Arzt/Ärztin und Verfahren?
Anmerkungen
126
12.2 Transkription der Interviews
12.2.1
Interview IP1w
1
Gut, also, ich hab dir ja am Telefon schon kurz gesagt, worum es
2
ungefähr geht.
3
IP 1: Ja.
4
Also meine Arbeit handelt eben von Stimmstörungen und die
5
Möglichkeit das zu behandeln.
6
IP 1: Mhm (bejahend).
7
Mit dem Schwerpunkt auf der CranioSacral Therapie und die XXX
8
hat mir schon gesagt, dass du nicht aufgrund einer Stimmstörung
9
die Cranio hattest, aber für mich ist das jetzt trotzdem interessant,
10
weil ich einfach jetzt da so ein bisschen herumfragen werde.
11
Ja, erst einmal so von den Sachen, die ich halt brauch.
12
Wie alt bist du?
13
IP 1: 29
14
29. Und du studierst ME und?
15
IP1: ME, IME und IGP Gesang
16
Ok. Und welches Stimmfach bist du? Auch Mezzo oder?
17
IP1: Mezzo ja, Mezzo-Alt
18
Ok. So im Allgemeinen, wenn du ganz kurz erzählst, was du
19
machst?
20
IP1: Ich unterrichte in der Schule. Seit, also heuer ist es das fünfte Jahr.
21
Ich hatte nie eine volle Lehrverpflichtung, weil ich das Studium nebenbei
22
laufen hatte. Und (…) Gesang. Also ich komm aus Griechenland und
23
hab in Griechenland zwei Jahre Gesang studiert und dann bin ich nach
24
Wien gekommen.
25
Und dann hab ich hier ein Vorbereitungsjahr gemacht auf der MDW und
26
dann eben wurde ich, das Jahr darauf wurde ich dann angenommen.
27
Ok, das heißt du studierst jetzt seit?
28
IP1: fünf, also das ist das fünfte Jahr.
29
Fünf Jahren. (…) Bei dir ist es jetzt ja ein bisschen anders, das
30
heißt, ich frag jetzt von der anderen Seite her. Normalerweise frag
31
ich eben also welches stimmliche Problem da war.
32
IP1: Mhm (bejahend)
33
Wenn es für dich ok ist, frag ich dich jetzt einfach, was so der
34
Grund war, warum du zur Cranio gegangen bist?
127
35
IP1: Ähm, ich weiß nicht, was es heißt, zur Cranio gehen, aber es war
36
damals so: Ich musste Sprechtechnik 1 und 2 machen fürs IGP-Studium
37
und fürs ME-Studium und bei Sprechtechnik 2 war es dann so, dass wir
38
– weiß ich nicht mehr – zwanzig Minuten (überlegt) oder vierzig Minuten
39
alleine mit der XXX hatten.
40
Und da hab ich sie einmal gebeten, dass sie mir den Nacken einstellt,
41
weil sie bemerkt hat, dass mein Kopf zu weit vorn steht. Und sie hat
42
mich einfach hingelegt, hat sich mit dem Nacken beschäftigt und wie ich
43
dann aufgestanden bin, konnte ich gerade stehen, ich glaube das erste
44
Mal in meinem Leben (lacht).
45
Und das war auch für mich so eine super Erfahrung, wo ich mir gedacht
46
habe, ja, das brauch ich, das tut mir gut, ich bekomme dadurch ein
47
besseres Körpergefühl.
48
Also Sachen, die ich bei mir nie gespürt habe, so wie Nackenstellung
49
und so weiter, egal, wie oft es mir erklärt wurde, ich konnte das nicht so
50
einfach anwenden, weil ichs selber nicht gespürt hab. Aber mit diesen
51
leichten Bewegungen, keine Ahnung, was die XXX da macht mit ihren
52
Händen, wird man (überlegt), es wird einfach einem bewusst, dass –
53
also bei mir war das so - dass ich auf einmal gespürt hab, aha mein
54
Kopf geht von alleine nach rechts oder nach links und ich spüre sehr
55
kleine Berührungen und das bewirkt irgendetwas. Und danach hat
56
meine Gesangsprofessorin mir mal geraten, dass ich zu einem anderen
57
CranioSacral-Therapeuten geh, das hab ich auch gemacht. Ähm, das
58
war glaub ich nach einem Jahr danach.
59
Und der hat mich dann von Kopf bis Fuß durchgecheckt und irgendwie
60
zurecht geschoben.
61
Das Gefühl war super. Und nach drei, wie ich dann aufgestanden bin,
62
war das super und nach drei Sekunden wars wieder weg.
63
Also mir hat das bei diesem Therapeuten nix gebracht. Und dann, ich
64
glaub ich mach das immer einmal oder zweimal im Jahr bin ich dann bei
65
der XXX immer wieder. Nicht weil ich irgendein Problem hab, sondern
66
weil sie immer irgendetwas bewirken kann körperlich bei mir.
67
Und das letzte Mal war ich glaub ich im September, ähm, das war, mit
68
was haben wir uns da beschäftigt? (überlegt)
69
Was hat sie da gemacht? Ah ja, äh Regelschmerzen. Ich hab starke
70
Regelschmerzen und da hat sie ein bisschen herumgetan und Steißbein
71
auch und so, ja, diesen Bereich, Unterleibsbereich.
128
72
Und ich weiß jedes Mal, dass ich mich dann beim Singen dann auch
73
wohler fühle. Egal, ob ich jetzt stimmlich was mache bei ihr oder nicht.
74
Aber ein besseres Körpergefühl wirkt sich dann auch aufs Singen aus
75
bei mir.
76
Ok, das heißt, das ist jetzt, wenn ichs richtig verstanden hab, nicht
77
dein vordergründiger Beweggrund dass du dort hin gehst wegen
78
dem Singen, aber es hat Auswirkungen?
79
IP1: Ja.
80
Aufs Singen?
81
IP1: Ja.
82
Kannst du das noch irgendwie /
83
IP1: (unterbricht) naja, es ist gleichwertig, würde ich sagen. Es ist mir
84
wichtig, CranioSacral Therapie zu machen hie und da, damit ich besser
85
meinen Körper spüre fürs Singen.
86
Und es mir aber auch für mich persönlich wichtig, dass ich meinen
87
Körper besser spüre und fühle, abgesehen vom Singen her.
88
Ich glaube, das ist mir gleich wichtig. Weil auch für die Schule ist mir
89
das, meine Körperhaltung und ja, für meinen Beruf finde ich das gut,
90
sehr gut.
91
Ok und wenn du jetzt konkret überlegst, außer jetzt einem besseren
92
Körpergefühl, hat es irgendwelche, jetzt speziell für die Stimme
93
irgendwelche Auswirkungen, die du spürst?
94
IP1: (seufzt) (überlegt) speziell für die Stimme. Na, ich kann glaub ich
95
leichter (überlegt) das umsetzen, was meine Gesangsprofessorin von
96
mir verlangt. Aber das geht auch durchs bessere Körpergefühl, glaub
97
ich, weil ich spür mein Zwerchfell vielleicht besser und ähm (überlegt)
98
Verspannungen im (sucht nach Begriff) Unterkiefer spüre ich dann auch
99
besser oder eben mit dem Nacken auch. Ich glaub das hilft mir dann
100
schon, dass ich einfacher die Techniken dann anwenden kann oder
101
umlernen kann.
102
Ok. Um nochmal zur CranioSacral BEHANDLUNG zu gehen, du
103
hast vorhin schon gesagt, sie macht irgendwas mit ihren Händen.
104
IP1: Mhm (bejahend)
105
Wie spürst du das, oder – aus deiner Sicht – was macht sie?
106
IP1: (lacht) Ich hab keine Ahnung. (lacht). Sie hat mir nur einmal erklärt,
107
dass sie ganz – ah, das ist schon lange her – dass sie ganz sanft
108
irgendwas irgendwie drückt, oder keine Ahnung aber das so sanft, dass
129
109
ich den Druck nicht einmal spüre und dass die Muskeln dann drauf
110
reagieren. Äh, ich spür gar nix, ich spür nur, dass sie ihre Hand auflegt
111
und die Muskeln tun dann alleine irgendetwas. Entweder sie entspannen
112
sich oder sie drehen sich oder sie gehen nach rechts und nach links ja.
113
Aber ich hab keine Ahnung, wie das funktioniert.
114
(lacht) Ok. Wenn du das jetzt vergleichst mit – du hast gesagt, du
115
warst bei einer anderen Cranio – was ist für dich der Unterschied
116
von der Cranio bei der XXX zu der Cranio bei diesem Typen.
117
Gab es da irgendwas, was anders war oder?
118
IP1: Ich glaub, dass die XXX vom Typ aus viel angenehmer ist, aber das
119
ist eine individuelle Sache wahrscheinlich. Ich hab mich wohler gefühlt,
120
weil sie eine Frau ist. Und der andere Therapeut war erstens sauteuer
121
und das erste, was er zu mir gesagt hat war, ja ziehen sie sich aus bis
122
äh Unterhose, BH und das hat mich einfach überfordert. Das war für
123
mich der erste Punkt wo ich gedacht habe, äh hoppala, was (entrüstet),
124
warum, das kenn ich nicht so. Bei der XXX war das alles viel lockerer
125
und man hat vorher mit ihr gesprochen über das Thema, was soll sie
126
behandeln und warum und sie hat mir dann auch immer erklärt, was sie
127
vor hat zu machen und dann hab ichs eigentlich nicht mehr nötig, dass
128
sie mir sagt, du ich greif dich jetzt da an, ist das für dich ok. Das ist mir
129
dann eigentlich egal. Sie fragt zwar immer nach, aber bei der XXX
130
brauch ich das dann nicht mehr. Und beim Mann hab ich mir gedacht,
131
der der sagt nix, der macht einfach sein Ding und ich weiß nicht, wo er
132
mich danach angreift von Kopf bis Fuß also mhm (verneinend). Das war
133
keine gute Erfahrung.
134
Ok. Und hast du schon mal irgendwie, irgendwelche anderen
135
körpertherapeutischen Verfahren ausprobiert?
136
IP1: Nein
137
Ok, das heißt du hast nur die Cranio?
138
IP1: Ja.
139
Ok.
140
IP1: Ich weiß nicht, ob das von Bedeutung ist. Ich spiele ja auch Klavier,
141
als IME zweites Fach hab ich Klavier. Und ich hatte auch immer
142
Schulterschmerzen. Und diese sind – mittlerweile glaub ich, dass diese
143
Schmerzen mittlerweile stressbedingt sind – aber ich glaube, dass da
144
Cranio auch eine Rolle gespielt hat, weil es mir momentan besser geht.
145
Und wenn ich bedenke, dass ich im Jänner Klavier Abschluss hab
130
146
(lacht) ist der Stresspegel eigentlich hoch. Und ich hab aber trotzdem
147
keine Schmerzen (lacht). Ja, vielleicht hat das auch damit zu tun.
148
Ok. So, du hast eh grad schon kurz den Ablauf von so einer Cranio-
149
Sitzung beschrieben. Kannst du es nochmal ganz kurz genauer –
150
also wie sind die Schritte aus deiner Sicht, wie erlebst du eine
151
solche Sitzung von A bis Z eigentlich?
152
IP1: Mhm (bejahend) Es beginnt ja schon beim Termin ausmachen.
153
Weil, wenn ich mir einen Termin ausmache, dann denk ich mir schon
154
vorher, das machst du jetzt damit es dir gut geht oder das machst du
155
jetzt für dich. Diese Stunde schenkst du deinem Körper. Und wenn ich
156
dann bei der XXX bin fragt sie einmal generell ja, wie geht’s dir so und
157
es ist eine offene Frage und man kann erzählen, was man will. Sie gibt
158
einem den Raum den man braucht. Und (überlegt) danach fragt sie
159
meistens, ob es eine bestimmte Stelle gibt, mit der sie sich beschäftigen
160
sollte oder was für Wünsche ich hätte. Und dann geht sie auch meistens
161
drauf ein und dann arbeitet sie sich einfach durch. U während der
162
Therapie eben fragt sie dann auch, ist es ok, wenn ich dich jetzt da
163
angreife oder sie sagt ich greif dich jetzt da an, nicht erschrecken oder
164
es kann weh tun. Oder es kann – wenn es um den Darmbereich geht –
165
es kann glucksen oder es kann Geräusche machen, das ist dann gut.
166
Und egal was sie macht, man hat immer (überlegt) einen Freiraum und
167
man kann immer das sagen, was man gerade fühlt, hab ich das Gefühl.
168
Also mir geht es so, dass/ Du, XXX, jetzt spüre ich das, ja, dann sagt sie
169
wieder warum und wieso, also und diese ruhige Art, das ist ein
170
Wahnsinn. Das hat dann nicht nur mit dem Körper zu tun, sondern auch
171
mit der Seele (lacht). Ja und wenn sie dann zu Ende (überlegt) kommt
172
(…) ist das eigentlich auch, sie sagt jetzt nix besonderes, ist mir aufgef/,
173
fällt mir gerade auf, aber man weiß, jetzt ist die Therapie vorüber. Sie
174
gibt einem Zeit bis man aufstehen will, dass man langsame
175
Bewegungen macht, also langsam aufsteht und ja und die Stunde klingt
176
dann eben so langsam aus. (…)
177
Und ich schätze Cranio sehr, weil ich auch einmal eben mit meiner
178
Schulter damals halt, einmal hab ich mir das gegeben, dass ich
179
einrenken war. Ich hab gedacht, ich, ich werd verrückt. Der Osteopath
180
hat mich da irgendwie hingelegt und hat mich an/ von hinten irgendwie
181
in eine Stellung hingebracht und auf einmal gings kracks und krucks und
182
ich hab/ nie wieder in meinem Leben, nie wieder. Das ist so, so ungut
131
183
und wenn man, man hört ja die ganzen Knochen wie sie sich dann
184
zurecht/, ich weiß nicht, ob das dann wirklich, und wie lange das auch
185
anhaltet. Aber das ist echt, das war echt das Gegenteil von guttuend. Ja.
186
Ok. Jetzt hab ich noch so eine bissl umfassendere Frage. Und
187
zwar, die Cranio zählt ja zur Komplementärmedizin. Ich weiß nicht,
188
ob dir dieser Begriff was sagt?
189
IP1: Nein. (fragend)
190
Es gibt die Schulmedizin, also die uns bekannte. Und dann gibt es
191
eben die Komplementärmedizin, also manche sagen auch
192
Alternativmedizin oder/
193
IP1: so wie Homöopathie?
194
Zum Beispiel. Homöopathie zählt dazu. Es zählt eben auch die
195
Cranio dazu. Wie ist denn dein Zugang generell zu diesen, ich sag
196
jetzt mal alternativen Heilmethoden?
197
IP1: Ähm, ich glaub, meine Eltern haben mich mit vier oder fünf zum
198
ersten Mal zur Homöopathie geschickt in Griechenland und seitdem hab
199
ich das weitergemacht und es hat bei mir meistens gewirkt und es hat
200
mir geholfen, wobei ich das auch logisch nicht verstehen kann, wie
201
sowas helfen kann, aber ok, es hat mir geholfen. War es jetzt hohes
202
Fieber oder Migräneanfälle oder was hatte ich noch? Na eigentlich diese
203
zwei Punkte waren die schlimmsten bei mir, also die schlimmsten
204
Erfahrungen, die ich gemacht habe. Und das einzige wo nichts geholfen
205
hat waren dann die Regelschmerzen, da hat Cranio auch nicht geholfen.
206
Ähm (überlegt) aber ich steh offen dem gegenüber, weil ich eben mit
207
Homöopathie gute Erfahrungen gemacht hab, mit der XXX auch gute
208
Erfahrungen gemacht hab, obwohl ich nicht wusste, dass CranioSacral
209
Therapie zu dieser Art gehört. Aber ich probier gern etwas aus.
210
Ok. Ich mach das jetzt im wenn-es wäre-Fall. Also wenn du jetzt ein
211
stimmliches Problem hättest, was wäre deine Vorgehensweise,
212
also wie würdest du jetzt versuchen damit umzugehen?
213
IP1: Hmm. Ich hatte vor dem Sommer ein paar Beschwerden beim
214
Singen. Und meine Gesangsprofessorin hat nix gehört, eine Kollegin
215
von ihr hat eine Verdickung gehört und dann hab ich eben mit meiner
216
Professorin ausgemacht, es kommen eh die Sommerferien und Schule
217
hört auch auf, also ich hab mir dann wirklich Zeit gegeben und hab
218
einmal pausiert. Und wie ich nach dem Sommer wieder angefangen hab
219
zu singen, hab ich gemerkt, aha, die Stimme bleibt mir weg, nachdem
132
220
ich geübt hab. Und das erste was ich gemacht habe, war zu einem
221
guten HNO-Arzt zu gehen, der sich auch mit Sängern auskennt. Der hat
222
dann wiederum überhaupt nix gesehen, dann hab ich gewusst, aha ok,
223
jetzt hab ich mich versungen, weil ich eben so lange pausiert habe, bin
224
ich dann falsch wieder eingestiegen. Und (überlegt) das worauf ich jetzt
225
irrsinnig gut achte ist, in der Schule meine Singweise und meine
226
Lautstärke zu dressieren. Ich hab nämlich auch eine laute Stimme und
227
setze die meistens auch ein und das ist nicht gut. Deswegen versuch ich
228
das eben jetzt schon seit ein paar Jahren immer mehr zu reduzieren und
229
andere Wege zu finden natürlich. Ähm, aber falls etwas ganz schlimmes
230
jetzt vorfallen würde, glaube ich, würde ich mich sofort an irgendeinen
231
Arzt wenden und (überlegt) jede weitere Hilfe, die es diesbezüglich gibt
232
auch in Anspruch nehmen.
233
Weil ich glaub, das wär schrecklich.
234
Und worauf würdest du achten, wenn du den Arzt auswählst?
235
IP1: Naja, der Tipp von der Gesangsprofessorin ist mir wichtig, dadurch
236
dass ich die XXX kenne ist mir ihre Meinung auch wichtig und würde sie
237
dann auch fragen, hab ich auch gemacht wie ich dann beim Arzt war.
238
Ähm. Und sonst vielleicht eventuell Kollegen, Studienkollegen, aber da
239
kennt man sich im IGP-Studium zu wenig untereinander finde ich, dass
240
man solche Sachen irgendwie bespricht. Ja oder eben von Professor zu
241
Professor fragen oder eben ja eigentlich der beste Ansprechpartner
242
wäre die Gesangsprofessorin. Und die XXX dann auch.
243
Und wenn du jetzt mehrere Verfahren zur Auswahl hättest, die die
244
helfen könnten bei diesem Problem, wie würdest du dich
245
entscheiden, was wäre deine/ worauf würdest du achten?
246
IP1: Ähm, es ist schwer, sich in diese Situation hineinzuversetzen. Weil
247
wie ich jetzt eben nach dem Sommer gedacht habe, oh, wahrscheinlich
248
hab ich was mit der Stimme, hab ich dann gemerkt, wie wichtig mir das
249
ist und wie selbstverständlich es für mich ist, dass, es funktioniert ja eh
250
alles und es ist eh immer alles gesund. Und wie ich eben diesen kleinen
251
Schock hatte, hab ich gemerkt na wie mir die Knie zittern, wenn ich so
252
etwas haben würde und es ist mir echt nicht sehr gut gegangen. Ähm,
253
ich glaube (…), ich würde drauf achten, was für Medikamente mir
254
verschrieben würden und dann immer mit anderen Ärzten oder
255
Therapeuten dann vergleichen. Also irgendwie glaube ich würde ich
256
mich da richtig durchsuchen und nicht einfach nur zu einem
133
257
Schulmediziner hingehen und er würde mich dann vollpumpen mit
258
Medikamenten und abwarten. Das ist mir, da ist mir die Stimme zu
259
sensibel und zu wichtig. Ich glaub ich würde da nach Meinungen fragen
260
und suchen, ja, und alles Mögliche ausprobieren. Ja.
261
Ok. (überlegt). Ja, die Frage stell ich jetzt auch noch kurz. Würdest
262
du auf die Idee kommen, dich von XXX therapieren zu lassen, wenn
263
du jetzt ein/
264
IP1: also wenn ich jetzt ein stimmliches Problem hätte?
265
Mhm (bejahend)
266
IP1: dass ich nur zur XXX gehe?
267
Nur oder auch.
268
IP1: Auch auf jeden Fall! Auch auf jeden Fall. Aber ich glaube ich würde
269
zu erst einmal zu einem Schulmediziner gehen, damit ich auch das Bild
270
sehe, was ist mit den Stimmbändern oder was ist mit meiner Stimme los,
271
damit ich das einmal sehen kann. Und (überlegt) mit diesem Resultat
272
würd ich dann schon zur XXX gehen.
273
Ich würde diese zwei Sachen verbinden. Und ich glaub das ist auch in
274
ihrem Sinne so, weil sie auch mit einem HNO-Arzt arbeitet in der Praxis.
275
Ja, ich würde das verbinden.
276
Ok. Gibt es noch irgendwas was du so zu diesem Thema oder was
277
dir jetzt noch einfällt, wo du sagst, ah, da wär noch irgendwas oder
278
das hab ich vergessen oder irgendwas, was dir einfach wichtig
279
erscheint so in diesem Rahmen jetzt noch?
280
IP1: (überlegt) Was ist mir wichtig? Dadurch dass ich in der Schule
281
arbeite, würde ich es sehr gut finden, wenn die Schulmusiker auch
282
dieses Fach besuchen könnten oder Cranio mal ausprobieren dürften im
283
Laufe des Studiums. Besonders die Musiker. Weil ich bin immer
284
schockiert, wenn ich Kollegen sehe, also Musiklehrer, die mit ihrem
285
Körper nicht gut umgehen können und ich glaub, das ist natürlich vom
286
gesanglichen her, bin ich da sehr voreingenommen und wie muss ich
287
stehen oder wie soll ich stehen, was zeige ich, wenn ich so und anders
288
stehe. Aber ich finde das so wichtig, dass besonders die Musiker und für
289
alle Lehrer, das ein sehr interessantes Fach wäre, glaube ich, das sie
290
mal ausprobieren sollten. (…)
291
Und im Zusammenhang auch mit Stimmbildung im Sinne vom
292
rhetorischen Verhalten, glaube ich wär das auch sehr interessant.
134
293
Die XXX macht nächstes Semester in unserer Schule ein Seminar und
294
ich bin neugierig eben, wie sie das machen wird, weil ich finde, dass das
295
so gut zusammenpasst, diese Sprechtechnik – richtig sprechen als
296
Lehrer als Professor – und Körperhaltung. Ich glaube das würde sehr
297
viele entlasten. Oder die Stimme könnte ja ersetzt werden mit
298
Körperhaltung.
299
Ok. Dann danke ich dir sehr!
300
IP1: Ja, gern.
135
12.2.2
Interview IP2w
1
Gespräch davor
2
Ja, das heißt, du weißt schon ein bisschen worum es geht oder?
3
IP 2: Naja, das was du mir gesagt hast. Stimmstörungen, Stimme,
4
Cranio.
5
Genau, das ist so das Feld und ich hab da so meine Fragen dazu.
6
IP 2: Ok, dann schieß los.
7
Also zuerst einmal, um einmal das Umfeld ein bisschen zu
8
eroieren: was genau machst du jetzt oder auch bisher?
9
IP 2: Ähm, also ich hab Lehramt Musik studiert, abgeschlossen, hab
10
Bachelor IGP Gesang, also gemacht und abgeschlossen, mach jetzt
11
grad den Master IGP Gesang und unterrichte seit letztem Jahr in einem
12
Gymnasium. Also letztes Jahr hab ich mein Unterrichtspraktikum
13
gemacht am BORG in XXX und dieses Jahr bin ich in XXX an einem
14
Gymnasium, an einem ORG mit 6 Stunden und hab dort 5., 6., 7.
15
Klassen. Daneben sing ich immer ein bisschen.
16
Ok. (lacht)
17
IP 2: Soviels halt geht.
18
Und jetzt so von deinen sängerischen Erfahrungen her, hast du da
19
irgendwelche speziellen Sachen, was weiß ich, Chor oder Solo oder
20
irgendwas was du so regelmäßig machst?
21
IP 2: Also ich hab eigentlich so lang ich denken kann, hab ich immer in
22
irgendwelchen Chören gesungen. Also ich hab angefangen in der
23
Kirchenmusik, ähm und in Kinderchören, so das übliche. Und deswegen,
24
die Chöre begleiten mich eigentlich immer, wobei mich das Chorsingen
25
jetzt nicht mehr wahnsinnig interessiert, sondern eher Ensemblesingen.
26
Da mach ich regelmäßig bei XXX Programme, ich weiß nicht, ob du das
27
kennst. Das XXX leitet der XXX, der war XXX, den haben sie aber leider
28
ein bisschen raus gemobbt. Genau, aber der macht dieses XXX immer
29
noch und das sind so 10 – 15 Leute und das taugt mir recht, so im
30
Ensemble singen. Und was ich ganz viel und immer wieder mach ist bei
31
uns daheim in der Kirche singen, also so die Soli, ist eh klar und ganz
32
regelmäßig mach ich auch Kantorendienst in der Kirche also so
33
Psalmen und so dieses Zeugs. Und daneben, also die letzten zwei
34
Jahre hab ich bei so einem Volkshochschulkurs mitgemacht, da sind so
35
Opern erarbeitet worden und hab bei der Wiener Taschenoper immer
136
36
wieder Dinge gemacht. Vor drei, vier Jahren haben wir das kleine
37
Gespenst gemacht in Graz an der Oper und im Museumsquartier im
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Dschungel. Da hab ich so eine kleinere Rolle gesungen und in
39
Barcelona waren wir mit der Taschenoper und haben das
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Dreimäderlhaus gemacht. Ja. Ansonsten halt auf der Uni das übliche.
41
Ok. Und was genau hattest du dann für Probleme mit der
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Singstimme oder mit der Stimme überhaupt?
43
IP 2: Ok (überlegt)
44
Also erzähl das, was du erzählen willst und was du nicht erzählen
45
willst, erzähl nicht.
46
IP 2: Na, ich überleg grade, weil so zusammengefasst hab ich das auch
47
noch nie für mich. (…) Ich glaub das sind verschiedene Richtungen ein
48
bisschen, wo es bei jedem Sänger irgendwie hakt. Das eine ist
49
irgendwie der Körperbau, ich hab ein bisschen eine schiefe Hüfte und so
50
eine leichte Skoliose und / Also nichts Schlimmes oder so aber dadurch
51
zieht sich das rauf bis in den Kopf. Und ich hab am Übergang einfach
52
das Problem, ich kann drüber schön singen und drunter schön singen
53
aber dazwischen ist einfach irgendwie ein bisschen haklig. Es geht
54
einfach nicht so richtig drüber. Und die Töne rutschen mir immer zu weit
55
zurück und solche Dinge. (…) Ich geb wahrscheinlich auch zu viel Druck
56
beim Singen. Also ich war einmal bei einem / Die XXX kennst eh gell?
57
Genau.
58
IP 2: Und bei der angeschlossen ist ja der Dr. XXX und bei dem war ich.
59
Und der hat dann eben gemeint, dass zu viel Druck auf den
60
Taschenfalten oder so ist. Weiß nicht genau, wie sich das dann äußert
61
und ja, er hat mir dann zehn Einheiten Logopädie eigentlich
62
verschrieben, wobei ich dann sehr schnell draufgekommen bin, dass bei
63
der XXX die Cranio einfach viel sinnvoller ist als die Logopädie. Wir
64
haben das dann einfach so hingedreht, dass ich auch auf
65
Krankenkassenkosten dann diese Cranio bekomm. Ich hoff, du leitest
66
das jetzt nicht weiter an die Krankenkasse. (lacht).
67
Nein (lacht auch)
68
IP 2: Ja, das ist das. Da bin ich halt immer wieder draufgekommen, dass
69
ich sängerisch dann ansteh, wenn ich einfach psychisch eher die
70
Blockaden hab. Wenn ich zu wenig Selbstbewusstsein hab, wenn ich
71
mich nicht aussingen trau, (…) wenn ich/
137
72
Ja das kommt bestimmt auch alles irgendwie aus der Geschichte und
73
aus der Kindheit, weißt, wenn dir der Papa einmal sagt: du quietscht ja
74
nur herum oder irgend sowas, dann ist das halt nicht im Bewusstsein
75
sondern halt irgendwo unterbewusst drinnen: sing jetzt nicht.
76
Und dadurch glaub ich, dass es halt einfach zu sehr zurückrutscht, dass
77
ich es nicht vorne raus transportieren will, sondern dass es halt eher so
78
verhalten in mir drinnen ist. Ja und das ist so bissl diese Problematik,
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dass ich zu viel nachdenke und immer drüber nachdenke, was denken
80
sich die anderen jetzt von mir, wenn ich sing. Und damit verbunden sind
81
dann auch so Magenprobleme und Darmprobleme gekommen und wenn
82
die XXX das behandelt, dann geht’s besser. Und im unteren Rücken bin
83
ich immer recht steif beim Singen und ich glaub schon, dass das auch
84
von dieser Schiefstellung kommt, ich weiß es nicht genau. Und das hat
85
sie halt auch öfters behandelt. Und danach hab ich wirklich, vor allem
86
die ersten Male, hab ich wirklich das Gefühl gehabt, unglaublich, wie frei
87
das jetzt ist. Ich bin einmal direkt nach der Cranio in die Gesangsstunde
88
gegangen und es war auf einmal da oben alles so locker (deutet auf
89
Hals-Kopf-Bereich) in der Kehle eben und das war ganz faszinierend,
90
wie durchlässig das auf einmal war und wie flüssig das gegangen ist.
91
Also da hab ich gemerkt, dass der ganze Körper einfach so von unten
92
bis oben eines war, nicht mehr dieses Feste, Kantige, das war irgendwie
93
auf einmal weg.
94
Das heißt, du bist eigentlich eben über einen Arztbesuch auf die
95
Cranio gekommen?
96
IP 2: Nein, ich hab die XXX natürlich gekannt von der XXX und hab
97
gewusst, dass sie eine super Therapeutin ist, auch Logopädie toll
98
macht. Ich hab sie eigentlich mal nur wegen einer Frage angeschrieben.
99
Ich weiß gar nicht, es ist schon so lang her. Ich hab damals noch nicht
100
dran gedacht, dass ich Cranio bei ihr machen könnte oder Therapie. Ich
101
wollte sie einfach fragen, weil meine Gesangslehrerin gemeint hat, dass
102
es in der Höhe immer so nasal klingt. Da hab ich sie dann halt gefragt.
103
Sie hat mich dann glaub ich zum XXX noch einmal geschickt und dann
104
bin ich wieder zurück zu ihr mit halt einer Überweisung.
105
Ok. Und das war wann ungefähr so das erste Mal oder hat sich das
106
überhaupt wiederholt?
107
IP 2: Vor zwei Jahren war das ungefähr.
108
Ok und seitdem/
138
109
IP 2: Seitdem bin ich eigentlich recht regelmäßig bei ihr. Jetzt in letzter
110
Zeit überhaupt wieder. Mir ist vor anderthalb Monaten ein Bücherregal
111
auf den Kopf gefallen im Schlaf und dann hab ich eine
112
Gehirnerschütterung und Prellungen im Rücken gehabt und war dadurch
113
recht verschoben und deswegen war ich jetzt ein bisschen öfter bei ihr.
114
Ok und hast du das beim Singen auch gemerkt den Unfall?
115
IP 2: (überlegt) Hmm, ich hab es glaub ich eher auf Umwegen emotional
116
und psychisch gemerkt, weil es mir in der Zeit einfach nicht gut
117
gegangen ist und ich überhaupt keine Kraft gehabt habe und dadurch
118
war dann die Stimme auch sehr steif einfach und überhaupt nicht
119
beweglich und ich hab keine Kraft gehabt das emotional und psychisch
120
zu leisten und dadurch halt auch nicht stimmlich. Ist klar, also wenn es
121
einem nicht gut geht, kann man nicht singen, also ich zumindest.
122
123
Unterbrechung durch Umgebungslärm – Ortswechsel (ca. 5 Minuten)
124
125
Auf ein Neues.
126
So, also. Das heißt, wie viele Cranio-Sitzungen hattest du
127
ungefähr? Oder so überschlagsmäßig.
128
IP 2: Puh, es müssten so an die / Also am Anfang sind mir zehn
129
verordnet worden, da haben wir vielleicht sechs davon gemacht und
130
jetzt / Ich glaub, ich hab bis jetzt zehn gehabt.
131
Und wenn du jetzt so Cranio-Sitzung beschreibst, so von A bis Z.
132
Wie läuft das ab? Und auch was wird aus deiner Sicht gemacht?
133
IP 2: Sind die ganzen Leute, die du interviewst bei der XXX?
134
Fast, nein, es gibt zwei, die nicht bei ihr sind.
135
IP 2: Also, ich komm meistens mit dem Rad hin und sie ist meistens
136
schon/ Wenn ich vor der Tür steh, dann kommt sie meistens grade raus.
137
Und macht die Tür auf und begrüßt mich und ist immer sehr positiv
138
gestimmt und sehr gut gelaunt meistens. Dann gehen wir hinein in
139
diesen Raum, setzen uns zuerst einmal an den Tisch und (lacht kurz)
140
besprechen, wie es mir geht und wie die letzte Zeit so war und kommen
141
meistens sehr schnell auf den Punkt. Und sie versucht dann immer
142
herauszufinden, ob ich jetzt grad eben (sucht nach dem Wort)
143
Logopädie, wie sagt man denn? Eine Logotherapeutische Einheit (lacht)
144
brauch oder Cranio und sie fragt mich da auch eigentlich, was ich grade
145
brauche. (…) Nachdem sie dann mich einmal gefragt hat, wo es eckt
139
146
und was nicht passt, leg ich mich auf die Liege. Vorher darf ich immer
147
noch einen Schluck Wasser trinken, das find ich immer so nett, dass sie
148
ein Glas Wasser dort stehen hat. Dann fragt sie, ob ich eine Decke
149
brauche und beginnt dann unten an den Füßen, legt einmal die Hände
150
von/ also nicht legt sondern greift eigentlich von unten auf die Füße
151
drauf und spürt einmal – also ich hab eigentlich keine Ahnung was sie
152
macht – aber ich hab das Gefühl sie spürt einmal so ein bisschen die
153
Energie, hab ich das Gefühl, dass sie am Anfang einmal ein paar Punkte
154
durchgeht und abcheckt, wo es aus ihre Sicht grade irgendwo fehlt. Also
155
beginnt bei den Füßen, geht dann weiter zum Becken, legt da ihre
156
Hände drauf und spürt mal irgendwas, geht dann bei mir meistens zum
157
Kopf weiter oder arbeitet direkt am Magen, Verdauung. Je nachdem,
158
was ich brauch. Also am Anfang wars bei mir immer eben so Darm - /
159
Magen-Geschichten. Und sie hat dann /
160
Entschuldigung, dass ich dir nicht so in die Augen schau, ich versuch
161
mich grad zu konzentrieren.
162
Kein Problem.
163
IP 2: und in diese Dings hineinzuversetzen (lacht). Musst dir schon
164
denken, he, redet die noch mit mir oder nicht.
165
Nein, nein, tu was du brauchst.
166
IP 2: Ähm, am Anfang eben waren diese Magen-Darm-Geschichte und
167
sie hat dann immer die Hände legt sie auf den Bauch und spürt, wo jetzt
168
grad Verspannungen im Gewebe sind, nehm ich an. So erklärt sie es
169
zumindest. Und versucht diese Verspannungen durch Verschieben und
170
Richten des Gewebes wieder zu lösen (lacht). So irgendwie hab ich das
171
verstanden. Wobei es ganz verschieden ist. Manchmal, also die ersten
172
Sitzungen waren wirklich richtig schmerzhaft, also da hat sie dann
173
durchaus richtig fest hineingedrückt. Sie hat mir das so erklärt: wenn
174
man eine Faust hat und eine offene Hand und man drückt mit der
175
offenen Hand in die Faust oder auf die Faust drauf, dann löst sich
176
automatisch auch die Faust. Also wenn man auf eine Stelle mit einem
177
Druck hingeht, dann kann sich dadurch diese andere Stelle eben lösen.
178
(…) Hmm (überlegt). Und jetzt in letzter Zeit, seit mir das Regal auf dem
179
Kopf gefallen ist, arbeiten wir halt hauptsächlich an den Kopfschmerzen.
180
Also zum Bauch noch. Sie fährt auch mit der einen Hand immer unters
181
Becken drunter und mit ganz feinen Bewegungen, hab ich das Gefühl,
182
richtet sie die untere Lendenwirbelsäule wieder ein. (…) Das Spannende
140
183
find ich immer, sind diese ganz feinen ruckartigen Bewegungen, die es
184
dann im Körper drinnen gibt. Also wenn man da so entspannt liegt und
185
sie arbeitet, dann zuckt das immer irgendwie so. Das ist irgendwie ganz
186
faszinierend. Ja (…)
187
Die XXX ist dann glaub ich auch eine, die versucht, das mit Reden zu
188
kombinieren, ihre Therapie, mit ganz interessanten Fragen, die wirklich
189
oft ins sehr abstrakte gehen, wo sie halt auch den Körper dann teilweise
190
befragt, was der jetzt braucht. Also schon richtig eigentlich in die
191
Psychotherapie hinein. Oder dass sie sagt, wo mir jetzt diese Bücher
192
drauf gefallen sind, dass sie sagt: stell dir vor, dass die Bücher aus dem
193
Körper wieder heraus gehen und zurück aufs Regal, also quasi in der
194
umgekehrten Reihenfolge. (…) Ja und sie lässt es immer eigentlich
195
recht offen. Also wenn sie eine Frage stellt und keine Antwort kommt, ist
196
es auch ok. Oft fällt einem einfach dazu nichts ein. Oder wenn jetzt
197
irgendwo eine Verspannung ist und sie sagt dann, wenn du dir das jetzt
198
bildhaft vorstellen müsstest, wie schaut das aus und dann geht sie
199
eigentlich sehr gut auf diese komischsten Dinge, die da kommen
200
eigentlich ein und arbeitet gleich damit und ja, das gefällt mir recht gut
201
bei ihr.
202
Ja, dann geht sie eben weiter zum Kopf, legt ihre Hände unter den Kopf
203
drunter. Jetzt bei meinen Kopfschmerzen/ Ich weiß nicht genau, sie hat
204
mir einmal erklärt, dass sie nicht diese Bewegung macht, sondern dass
205
der Kopf diese Entwirr-Bewegungen eigentlich selber macht. Und am
206
Anfang bei der ersten Einheit, wo sie mit mir am Kopf gearbeitet hat, hab
207
ich das nicht gewusst. Ich hab geglaubt, diese Bewegungen macht sie
208
und hab das so angenehm gefunden und bin immer ganz mit diesen
209
Bewegungen mitgegangen, die sie gemacht hat und irgendwann hat sie
210
mir dann eben einmal erzählt, dass das der Kopf selber macht und seit
211
diesem Zeitpunkt ist es für mich irgendwie recht seltsam, weil ich weiß,
212
mein Kopf macht das selber und dadurch ist man irgendwie, denkt man
213
drüber nach und ist irgendwie nicht mehr so frei, dass das von selber
214
passiert, sondern versucht gleich in irgendeine Richtung zu gehen mit
215
dem Kopf, also mit dem Denken. Ja, das war für mich so ein
216
interessanter Punkt einfach.
217
Ja (…) Am Schluss von einer Sitzung geht sie dann noch einmal diese
218
Punkte durch, die sie am Anfang auch durchgegangen ist. (…) Und ich
219
hab dann das Gefühl, dass sie spürt: jetzt passts wieder. Ein- zweimal
141
220
wars so, dass ich eher das Gefühl gehabt hat, naja, da hat sich jetzt da
221
unten noch irgendwas verklemmt oder so. Ja, das war dann einfach so,
222
ich hab das dann auch nicht mehr erwähnt.
223
Und ist das dann verschwunden im Lauf der Zeit oder?
224
IP 2: Ja, das ist dann eh wieder verschwunden. Also sie sagt es eh
225
immer, dass es zuerst einmal noch schlimmer werden kann. Oder es
226
könnte sein und dann sollte es besser werden. Die Cranio hat bei mir
227
nicht jedes Mal wirklich gut geholfen. Grad bei den Kopfschmerzen, das
228
war dann schon im Moment oft einmal besser, wenn sie den Kopf dann,
229
sagen wir so, wenn der dann ganz extrem auf der linken Seite gelegen
230
ist, dann waren die Kopfschmerzen besser und dann am Nachmittag
231
oder so sind sie dann halt wieder gekommen. Aber grad beim Bauch
232
hab ich das Gefühl, dass mir das wirklich sehr sehr gut hilft. Und auch
233
beim – das hab ich dir eh erzählt – mit dem unteren Rücken, dass sie
234
das irgendwie wieder eingerichtet hat.
235
Und dann auch eben im Zusammenhang mit der Stimme?
236
IP 2: Genau ja. Genau.
237
Ok. Hast du irgendeine andere Form der Behandlung schon
238
ausprobiert? Jetzt speziell im stimmlichen Bereich? Also wenn du
239
ein Problem hattest, welche Dinge hast du da so probiert?
240
IP 2: Also eigentlich noch gar nicht viel. (…) Hmmm. (überlegt). Wart
241
mal. Nein, also eigentlich außer Cranio-Therapie und eben zwei-drei
242
Logotherapie-Einheiten. Logo/ Logopädie, nicht Logotherapie, sag mal,
243
Logotherapie. Logopädie! (lacht). Die Fremdwörter. Nein, nicht wirklich.
244
Einmal hab ich, hmm, was war denn das das? Was gibt’s da. Osteo –
245
Osteopathie, ich glaub das war vielleicht was in diese Richtung aber das
246
war nur einmal und das war so teuer, dass ich einfach nicht mehr
247
hingegangen bin. Ich glaub, die hat 150 Euro verlangt die gute Dame.
248
Das war mir dann einfach ein bisschen zu viel. Nein, aber sonst halt
249
entweder einmal einen anderen Gesangslehrer für kurz oder/ Ich hab
250
das Gefühl, wenn man dann ein anderes Stück singt oder einfach einmal
251
zwei Tage gar nicht singt, danach geht’s eh wieder. Aber wirklich
252
Stimmstörungen oder so hab ich nicht wirklich gehabt.
253
Ok. Und hast du ansonsten, also für andere Beschwerden, in
254
irgendeiner Form schon ein anderes Verfahren versucht oder
255
angewendet?
256
IP 2: Für Beschwerden am restlichen Körper?
142
257
Ja.
258
IP 2: jetzt nicht mit der Stimme zusammenhängend?
259
Nicht unbedingt mit der Stimme zusammenhängend.
260
IP 2: (…) Ich hab einmal eine gebrochene Rippe gehabt, da ist dann so
261
ein neues Verfahren ausprobiert worden, wo mit so einem Hammer
262
drauf geklopft wird und dadurch soll das dann besser durchblutet
263
werden und das Zusammenwachsen gefördert werden. Ansonsten (…)
264
Akupunktur. Da bin ich bei einer chinesischen TCM-Ärztin, die auch
265
immer wieder so Kräuter verschreibt, vor allem jetzt für den Magen und
266
Darm war das jetzt bei mir öfter. Ja. (…) Einmal hab ich so (lacht), war
267
ich glaub ich so, wie hat das geheißen, Heiler oder bei so einem
268
Energetikermenschen. Ich weiß gar nicht mehr was der genau gemacht
269
hat. Ich kann mir nur mehr gut dran erinnern, dass er dann am Schluss/
270
Genau, der hat immer die Hände irgendwie so drüber gehalten (lacht)
271
und am Schluss hat er dann seine Hand über eine Kerze gehalten
272
(lacht) und da war dann dieser Ruß drauf und dann hat er ganz
273
dramatisch aus diesem Ruß irgendwas herausgelesen, (lacht) irgend
274
einen Scheiß. Da bin ich dann auch nicht hingegangen (lacht). Das war
275
mir dann zu esoterisch. Ja. Ja, aber so Yoga und solche Dinge sind halt
276
überhaupt find ich fürs Gleichgewicht ganz gut.
277
Und wenn du jetzt diese Dinge nimmst und soweit halt möglich mit
278
der Cranio vergleichst. Was sind da jetzt so die wesentlichen
279
Unterschiede oder wo vielleicht auch Gemeinsamkeiten?
280
IP 2: Mir ist vor einer Woche, hats mir voll den Rücken verrissen. Also
281
ich weiß, das war noch von diesem Regal, weil das einfach noch nicht fit
282
war hinten und weil das alles noch sehr fragil war, hat einfach bei die
283
kleineste Bewegung genügt, dass ichs mirs wirklich voll verrissen hab
284
und ich hab mir wirklich gar nicht mehr bewegen können. Und ich bin
285
eigentlich am Boden gelegen und mir ist ganz schwarz vor Augen
286
gewesen und es nichts mehr gegangen. Ich hab meinen Kopf nicht mehr
287
zur Seite drehen können und bei jeder Bewegung hats mir irgendwie
288
weg getan. Und da hab ich gespürt, dass das Einzige, was mir jetzt
289
helfen kann, eine Cranio ist. Also wenn man das gemacht einmal,
290
Cranio-Therapie, dann merkt man, dass die feinen Bewegungen von
291
innen heraus, dass die eigentlich, bei mir zumindest, den Körper am
292
besten wieder richten können. Sämtliches Massieren oder so oder was
293
man so mitgekriegt hat in den Jahren hat für mich nicht diese Wirkung
143
294
und nicht das Gezielte von einer Cranio-Therapie. Also ich hab wirklich
295
das Gefühl, die Cranio ist das, was das sein sollte, das Eigentliche.
296
Und was glaubst du, woran das liegt?
297
IP 2: (überlegt) Ich glaub, dass der Körper grundsätzlich ein Gesunder
298
ist und dass man immer davon ausgehen kann, dass alles passt. Und
299
wenn irgendwie psychisch was nicht stimmt oder, ja bei mir ist es halt
300
meistens psychisch, dann schlägt sich das einfach irgendwie auf den
301
Körper und dann wird der Körper krank, wenn er nicht psychisch die
302
Unterstützung hat. Und (…) jetzt hab ich ein bissl den Faden verloren.
303
(lacht)
304
Macht nix.
305
IP 2: Ich hab ihn gleich wieder. Was war nochmal die Frage
306
zwischendurch bitte? (lacht)
307
Was du glaubst, woran es liegt, dass die Cranio diese Wirkung hat,
308
die du jetzt vorhin beschrieben hast.
309
IP 2: (überlegt) Ich glaub, dass man sehr viel spüren kann und es gibt
310
Menschen, die spüren besser als andere und Menschen, die Cranio-
311
Therapie machen, also praktizieren, so wie die XXX, dass die einfach
312
drauf geschult worden sind, dass sie einen Körper einfach im Ganzen
313
wahrnehmen können in seinen ganzen Schwingungen, Verspannungen
314
und allem drum und dran. Und ich glaub, dass keine Schulmedizin mit
315
irgendwelchen Medikamenten die Wurzel von einem Problem so packen
316
kann. (…) Die Verspannungen und das alles, das kann halt, find ich, da
317
doch besser gelöst werden, im Ursprung einfach irgendwie. Und die
318
Schulmedizin, ich find das wäscht nur so drüber. Natürlich muss man
319
sich dann immer überlegen, was ist die Wurzel von dem Problem. Wo
320
fängt das an? Warum geht’s mir nicht gut? Ja, das ist jetzt grad alles ein
321
bissl schwammig, was ich da red, aber es fällt mir grad nicht besser ein.
322
(…) Hmm. (…) Ja, es will mir grad nicht besser einfallen.
323
Na, das passt eh. Du bist quasi eh von selber schon in mein
324
nächstes Themengebiet gerutscht. (lacht) Und zwar ist es ja so,
325
dass eben die CranioSacral-Therapie zur Komplementärmedizin
326
zählt. Der Begriff sagt dir was?
327
IP 2: Ist das sowas wie Alternativmedizin?
328
Genau. Alternativmedizin ist ein anderer Begriff dafür oder
329
alternative Heilmethoden oder was auch immer. Und die Cranio
330
zählt eben zu dieser Form. Und ich hab jetzt für diesen Bereich
144
331
noch ein paar Fragen die sich da so generell eben auf die
332
Komplementärmedizin beziehen.
333
IP 2: Du versuchst grad, besonders schön zu sprechen oder? (lacht) In
334
besonders zusammenhängenden Sätzen.
335
(lacht) Ja, genau. Mit möglichst wenig ähm dazwischen.
336
IP 2: Es waren nur zwei oder drei dabei, geht schon.
337
Ok. Ähm (lacht)
338
IP 2: (lacht)
339
Was ist denn dein genereller Zugang zur Komplementärmedizin?
340
Oder um die Frage anders zu stellen: wenn du krank bist, was sind
341
deine Schritte? Und zwar können wir das jetzt gerne trennen in
342
wenn du krank bist allgemein und wenn du krank bist Stimme. Das
343
wären jetzt so meine zwei Gebiete, die mich interessieren.
344
IP 2: Ok. Also ich merk, dass ich dann krank werde, wenn ich Stress
345
hab, einen Druck hab, wenn es mir psychisch nicht gut geht.
346
Grundsätzlich bin ich gesund und sobald irgendwie etwas kommt, wo ich
347
nicht mehr zurecht komm, ist mein Körper einfach geschwächt und hat
348
einfach die Möglichkeit oder die ganzen, was es da auch immer gibt,
349
Bakterien, Erreger oder was auch immer, haben halt die Möglichkeit,
350
dass sie mich krank machen. Und wenn ich krank bin, dann weiß ich
351
eigentlich immer recht gut, woran es liegt und versuch einfach, dass ich
352
wieder mehr zur Ruhe komm. Das ist bei mir eigentlich das, dass ich
353
genau merk, dass mein Körper sagt: so, jetzt legst du dich so lange ins
354
Bett, bis du dich einfach wieder erholt hast. Und das hat meistens gar
355
nichts damit zu tun, dass ich irgendwie (…) wie soll ich sagen. (Magen
356
von Interviewerin knurrt) (lacht) Hast auch schon einen Hunger.
357
Ja, ein bisschen.
358
IP 2: Ich weiß einfach, dass es daher kommt, dass es mir psychisch
359
nicht gut geht, das ist bei mir halt immer irgendwie so.
360
Und wenn ich stimmlich krank bin, dann hab ich da schon eine genaue
361
Abfolge, was ich da tu (lacht). Das erste ist, ich koche mir einen
362
Salbeitee und gurgel mit Tonsillol und nehm Strepsils. Also das ist für
363
mich dieses Programm. Und bestrahl mich mit einer Infrarotlampe und
364
spüle meine Nase mit Emser Nasensalz (lacht). Ja und trink zusätzlich
365
Thymiantee und dann mach ich mir immer noch einen Eibischwurzeltee.
366
Also das ist so mein Programm und ich weiß, wenn ich das mach, dann
367
geht’s mir einfach wieder gleich einmal gut und weiß aber auch, dass ich
145
368
stimmlich dann krank werd, wenn ich nicht krank werden sollte und
369
wenn ich mich anscheiß vor irgendwas. Also wenn ich mir denk, ei, da
370
gibt’s jetzt keine zweite Besetzung, ich darf jetzt auf keinen Fall krank
371
werden, na bumm zack, bin ich krank. Und hab aber für mich auch
372
schon versucht irgendwie Strategien zu finden, dass ich da gut drüber
373
komm.
374
Ok. Das heißt, du nimmst ärztliche Hilfe eigentlich nicht in
375
Anspruch?
376
IP 2: Hmmm (überlegt)
377
Oder vielleicht anders gestellt die Frage: Wann nimmst du ärztliche
378
Hilfe in Anspruch?
379
IP 2: Also wenn eine Halsbeschwerde, irgendwie Kehlkopfentzündung
380
oder was auch immer, länger als (…) anderthalb Wochen dauert, dann
381
schon. Und so, jetzt allgemein auf die Gesundheit (…) Wenn ich eine
382
Blasenentzündung hab, das hab ich ungefähr einmal im Jahr, dann geh
383
ich zum Arzt, weil dann brauch ich ein Antibiotikum und das ist das
384
einzige Mal, wo ich dann wirklich ein Antibiotikum nehm für
385
Blasenentzündung. Das halt ich gar nicht aus. Ich hasse
386
Blasenentzündung.
387
Das kann ich verstehn.
388
IP 2: Aber sonst eigentlich nicht. Ich mein, jetzt mit dem Rücken halt.
389
Ok. Und worauf achtest du, wenn du dir einen Arzt aussuchst?
390
IP 2: (…) (überlegt) Naja, ich hab eigentlich eh meine fixen Ärzte. Also
391
ich hab einen Allgemeinmediziner in Wien, den brauch ich nur, damit er
392
mir Überweisungen schreibt und damit ich Medikamente krieg, die ich
393
brauch. Also da weiß ich meistens recht genau, wenn ich zum
394
Allgemeinmediziner geh, was ich will von ihm. Also da geh ich nicht hin,
395
weil ich sag, das und das tut mir weh, was hab ich? Also ich schau, dass
396
ich relativ bald zu einem Spezialisten komm. HNO-Arzt schau ich, dass
397
er gleichzeitig auch ein Phoniater ist. (…) (überlegt) Naja, natürlich, dass
398
er kompetent ist, ich weiß nicht, also.
399
Achtest du auf komplementärmedizinische Zusatzausbildungen?
400
IP 2: Hmm, nicht wirklich. Also, eben wie gesagt, zum
401
Allgemeinmediziner geh ich sowieso nur, hab ich eh erklärt. Und sonst
402
geh ich eh entweder zu einer chinesischen Ärztin oder zur Cranio-
403
Therapie und beim HNO ist es mir eigentlich relativ wurscht, weil ich das
404
Gefühl hab, da bringt für mich jetzt irgendwie Alternativmedizin dann
146
405
nicht so viel. Also das was ich mach, mach ich eh selber mit Tees
406
trinken und so und wenn ich das Gefühl hab, es geht so nicht mehr weg,
407
dann vertrau ich eh drauf, dass der mir irgendein Medikament gibt, das
408
was hilft.
409
Ja, da war jetzt so das, was ich wissen wollte.
410
IP 2: Ich hasse Interviews. (lacht)
411
Und jetzt gibt’s noch die obligatorische Abschlussfrage.
412
IP 2: Ja bitte.
413
Gibt’s noch irgendwas, was dir wichtig erscheint oder wo du das
414
Gefühl hast, dass du da noch irgendwas vergessen hast oder wo
415
du das Gefühl hast, dass das ein Thema wär, das damit jetzt noch
416
zusammenhängt, das ich jetzt nicht gefragt hab. Was dir einfällt.
417
IP 2: (überlegt) Nein!
418
Nein! Gut!
419
IP 2: Vielleicht ist es einfach nur, weil ich schon einen Hunger hab.
420
(lacht)
421
Das kann schon sein. (lacht). Ja, passt! Dann dank ich dir!
422
IP 2: Gerne.
147
12.2.3
Interview IP3w
1
So, also lass dich von diesem Ding da nicht schrecken. Erzähl mir,
2
was du erzählen willst und was du nicht erzählen willst, erzählst du
3
nicht. Und wenn du überlegen musst, überleg. Wenn du – keine
4
Ahnung – wenn du dich verhaspelst, verhaspel dich, es ist total
5
wurscht. Einfach, wie es halt kommt.
6
IP 3: Ok. Ja.
7
Und ich hab dir eh schon gesagt. Es geht um Cranio in
8
Kombination mit Stimmstörungen bzw. mit Stimmproblemen. Also,
9
Störung oder Problem oder auch im Zusammenhang mit anderen
10
körperlichen Problemen, die sich auf die Stimme auswirken. Also
11
das ist so das Themenfeld und ich hab ein paar Fragen, die ich dir
12
einfach stellen werde und ja, so läuft das dann ungefähr ab.
13
IP 3: (lacht) Ok.
14
Gut, ich schreib mir jetzt nur ganz kurz auf (…). Heut ist der 13. Ich
15
muss das ein bissl protokollieren. Im Endeffekt, in meiner Arbeit ist
16
das alles total anonymisiert, dein Name wird nirgends aufscheinen,
17
es wird auch niemand wissen, dass du das bist, weil ich alle
18
Sachen, die drauf hinweisen, dass es du sein könntest, irgendwie
19
mit XXX oder so markier.
20
IP 3: Ok.
21
Und auch so Personen, die hier genannt werden, werd ich einfach
22
neutralisieren. Ja.
23
Gut. Erst einmal so zur Einleitung: Was genau studierst du und was
24
machst du beruflich?
25
IP 3: Also ich hab Musikerziehung studiert und bin im Prinzip schon fast
26
fertig, schreib nur noch meine Diplomarbeit und bin jetzt schon für sechs
27
Stunden in XXX in der Schule. Also ich bin halb Studentin, halb Lehrerin
28
und bin jetzt schon, Moment, (Rest des Satzes wurde auf Wunsch der
29
Interviewpartnerin neutralisiert). Diplomarbeit und Gesang.
30
Darf ich fragen, wie alt du bist.
31
IP 3: 25
32
Und hast du irgendwelche sonstigen sängerischen Erfahrungen
33
jetzt außerhalb von der Uni?
34
IP 3: Chor gesungen hab ich und zu Hause haben wir halt so eine
35
Volksmusik-Truppe, da singen wir auch relativ viel, aber das wars.
148
36
Ok. Ja und jetzt um gleich in das Thema einzusteigen: Welches
37
stimmliche Problem hattest du oder hast du?
38
IP 3: Ich hab ja XXX Semester Gesang gehabt schon und war da bei
39
XXX und es hat alles gut funktioniert, es war nie irgendwie ein Problem
40
und im letzten Sommer wollte ich dann die Aufnahmeprüfung für IME
41
noch machen und auf einmal ist nichts mehr gegangen. Ich hab nicht
42
mehr gescheit singen können. Ich hab jedes Mal, wenn ich in die Stunde
43
gegangen bin, nur mehr geweint, weil es nicht mehr gegangen ist. Ich
44
hab wirklich gar nicht mehr singen können. Und dann sind wir eben
45
draufgekommen, dass das Problem vor allem hier sitzt (deutet auf den
46
Hals). Also meine Kehle ist immer nach oben gewandert und ich hab
47
immer so ein Engegefühl gespürt und ja, das ist einfach nicht
48
weggegangen. Sämtliche Übungen, es hat nicht funktioniert. Und an
49
dem arbeite ich jetzt auch noch. Also es ist jetzt eigentlich (zögert kurz)
50
weg. Und was man auch noch sagen muss, das Ganze hat glaub ich
51
deswegen angefangen, weil ich zwei Mal davor eine
52
Rippenfellentzündung gehabt habe. Rippenfellentzündung ist ja, dass du
53
da dann (deutet auf Brustkorb seitlich und atmet) nicht mehr aufmachen
54
kannst, weil es so arg schmerzt und dadurch hab ich glaub ich das
55
Ganze da (deutet auf Hals) ein bisschen herbekommen. Also das war
56
glaub ich der Ursprung, aber es hat sich so rein verlagert, dass es da
57
richtig fest geworden ist. Und in dem Sommer eben, letzten Sommer,
58
war das dann so, dass es einfach mit XXX nicht mehr funktioniert hat,
59
dass ich gesagt hab, es geht einfach nicht mehr. Ich kann nicht mehr
60
singen, ich kann weder die Aufnahmeprüfung machen und ich kann
61
auch nicht meinen Abschluss machen, weil ich hab wirklich nicht mehr
62
singen können. Und dann bin ich eben zur XXX gekommen und
63
aufgrund dessen – ich hab schon Kinesiologie auch gemacht – dann
64
auch zur XXX, also mit Cranio.
65
Ich hoff, das war jetzt nicht zu verwirrend.
66
Nein, nein! Hast du für dieses stimmliche Problem auch einen Arzt
67
aufgesucht?
68
IP 3: Ja, war ich auch. Beim HNO, das hat eben alles gepasst, da war
69
nichts irgendwie auf Stimmbändern oder sonst was. Alles in Ordnung, es
70
war wirklich nur das, dass das da (deutet auf Hals) so arg verkrampft
71
war und dass ich wirklich dieses Engegefühl – also ich kanns nicht
149
72
anders beschreiben – also dass das da so raufwandert (deutet auf
73
Kehlkopf) und nichts mehr geht. Und ja.
74
Und hat der dich irgendwo anders hin verwiesen oder war das die
75
Diagnose?
76
IP 3: Nein, da haben wir eigentlich nur geschaut, ist eh nicht irgendwie
77
ein anderes Problem da. Also einfach geschaut, ob nicht irgendwas
78
drauf liegt oder sonst was.
79
Ok. Und davor, hattest du irgendwann schon einmal irgendwelche
80
stimmlichen Probleme oder?
81
IP 3: Eigentlich nicht. Also ich glaub, dass ich es prinzipiell sowieso nicht
82
immer GANZ richtig gemacht hab, das Singen jetzt, aber so richtig
83
ausgewirkt, hat es sich dann erst letzten Sommer. Das ist dann richtig
84
aufgetreten, dass nichts mehr gegangen ist.
85
Ok. Und du bist dann zur Cranio gegangen, weil?
86
IP 3: Weil das eben nicht funktioniert hat. Weil erstens einmal die XXX
87
halt auch Logopädin war und natürlich rausfinden wollte, was ist da. Und
88
dann ist sie aber drauf gekommen, dass das da drinnen eben wirklich so
89
was ist, wie ein Muskelkater. Also dass ich da wirklich eine richtige
90
Verspannung drinnen gehabt hab und die hat sie mir dann quasi gelöst.
91
Also die ist dann durch sie gelöst worden.
92
Wie oft warst du bei ihr?
93
IP 3: Ich war insgesamt sicher fünf oder sechs Mal schon bei ihr, aber
94
das hat sie in einer Sitzung schon gelöst. Also dieses Kehlkopfproblem
95
hat sie gelöst.
96
Und wie war das danach beim Singen?
97
IP 3: Hmm (überlegt). Es hat sich viel besser angefühlt, es hat sich so
98
(lacht kurz), wie soll ich sagen, es hat sich warm und (lacht) so nicht so
99
fest sonder so einfach irgendwie gepflegt und weich angefühlt. Das war
100
ganz arg. Das hat glaub ich eine Woche gedauert, dass ich das so
101
richtig gemerkt hab, dass das da richtig so wohltuend war. Allerdings
102
sind wir halt dann auch draufgekommen, es war nicht nur das das
103
Problem, sondern es, also es kommt immer wieder. Also jetzt nicht der
104
Krampf oder der Muskelkater, sondern einfach immer wieder, dass ich
105
ein bisschen in das reinrutsche, in das, dass ich da ein bisschen
106
draufdrücke. Und an dem arbeiten wir halt jetzt noch immer.
107
Mit der XXX auch oder im Gesang?
150
108
IP 3: XXX war ich jetzt seit dem Sommer nicht mehr. Also hat schon
109
auch mit mir gearbeitet, ja, so Übungen gezeigt, aber halt eher mit der
110
Logopädie.
111
Ok. Das heißt, du warst bei ihr sowohl logopädisch, als auch in der
112
Cranio. Wie war das Verhältnis ungefähr?
113
IP 3: Vier Sitzungen Cranio sicher, eine war dann fifty-fifty und eine
114
wirklich Logopädie, also mehr nicht.
115
Ok. Kannst du einmal beschreiben, wie du so eine Cranio-Sitzung
116
erlebst. Also so von A bis Z eigentlich, was passiert da oder auch
117
schon davor und danach?
118
IP 3: Ok, Naja, anfangen tun wir ja immer, dass wir zuerst besprechen,
119
was möchten wir heute machen quasi. Dann darf ich mich hinlegen
120
(lacht). Und eigentlich geht’s dann schon los. Weil dann denkst du dir:
121
so, jetzt lasst dich einmal fallen, weil jetzt wird eh an dir gearbeitet und
122
die XXX wird’s schon richten (lacht). So quasi. Und ja, ich weiß nicht,
123
alleine wenn du da so da liegst und du spürst einfach, dass sich was tut.
124
Was bei mir ganz arg ist, ist mein Bauch. Also, oder mein Bauch halt,
125
das Zentrum da herunten halt, dass das zum Schnurren anfängt. Also
126
ich nenn das halt einfach Schnurren. Das fängt so, wie wenn man
127
Hunger hat, zum Arbeiten an. Sobald das losgeht, weiß ich, ok jetzt ist
128
mein Körper auf den Modus eingestellt und es geht los. Also es fließt
129
irgendwie alles durch und ja, es fühlt sich einfach gut an. Also (überlegt)
130
ja, ich hätt noch nie erlebt, dass ich jetzt bei der Cranio etwas als
131
unangenehm empfunden hätte, also es ist immer wohltuend eigentlich.
132
Man merkt schon, dass sich was tut und man merkt auch manchmal,
133
welchen Bereich sie grade angreift, aber es ist nie unangenehm.
134
Und wie geht’s dann weiter?
135
IP 3: Wir reden dann viel, die XXX kommt dann auch auf viele Sachen
136
oft drauf und fragt, könnte das sein, warum, warum, hast du da schon
137
einmal eine Verspannung gehabt, erinnerst dich an was, hat das mit
138
deiner Geburt zu tun und sonstige Sachen. Und du redest dann drüber,
139
sie sieht irrsinnig viele Sachen, also von Lebensmittelallergien bis hin zu
140
psychischen Sachen. Über das redest du dann auch oder redest auch
141
nicht sondern sie sagts halt nur oder erwähnt es nur und du weißt
142
schon, ok das hat sie jetzt auch behandelt quasi. Und sonst, ja
143
(überlegt). Ja, es läuft eigentlich dann eh immer so ab.
151
144
Du hast gesagt, sie sieht irrsinnig viel. Was heißt das? Oder wie
145
würdest du das beschreiben?
146
IP 3: (überlegt) Naja, ich glaub erstens einmal, sie hat eine gute
147
Menschenkenntnis. Das ist einmal das erste und zweitens, wenn sie
148
jetzt mit deinem Körper arbeitet, merkt sie total viele Sachen. Also wie
149
zum Beispiel, es war bei mir noch was mit der Verdauung und dann hat
150
sie sofort gesagt, schau einmal bei den und den Lebensmittel, verzichte
151
auf die, sie glaubt, dass das mein Körper nicht wirklich verträgt zum
152
Beispiel. Oder ob da irgendwas tiefergründig mit meinen Eltern ist, weil
153
sie irgendwas beim Kopf gespürt hat. Solche Sachen halt.
154
Ok. Und was aus deiner Sicht macht sie, um das zu lösen oder um
155
das zu behandeln.
156
IP 3: Sie (überlegt) weiß ja, welche Punkte im Körper für das
157
verantwortlich sind, dass die quasi Energie oder der Fluss halt im Körper
158
nicht dort ist und den bringt sie halt wieder, oder den Punkt greift sie halt
159
an und bringt dadurch das System wieder in Ordnung. Also so hab ich
160
das Gefühl, ganz simpel erklärt.
161
(überlegt) Natürlich manchmal ists auch ein bisschen Gewalt, naja,
162
Gewalt ist bissl zu, aber kraftvoller, die Aktion, die sie macht, das sind
163
dann nicht immer nur Berührungen, sondern es ist schon einmal, dass
164
sie mal wo reindrückt und das vielleicht kurz schmerzt aber, ja.
165
Ok, das heißt, sonst ist es eher
166
IP 3: Ja, find ich so / ja, wie wenns halt eben so her greift oder so, das
167
ist halt eben eher, ich find so punktweise, dass sie weiß, ok, da muss sie
168
jetzt was arbeiten. Oder bei den Füßen.
169
Und hast du irgendwelche / bzw. erst mal eine andere Frage.
170
Warum hast du dich für die Cranio entschieden?
171
IP 3: Ich selber hab schon Kinesiologie auch vorher schon gemacht und
172
dort war ich auch Patientin, quasi, und hab einfach gewusst, dass das
173
(…) funktioniert. Also ich war nicht mehr / ich war früher sehr kritisch
174
dem gegenüber, also so Alternativsachen und da eben das bei der
175
Kinesiologie schon irrsinnig bei mir geholfen hat, also von Auftrittsangst,
176
sonst alles Mögliche, hab ich gewusst, nachdem mir die XXX gesagt hat,
177
ich soll einmal zur XXX gehen, dass ich das wirklich probieren will, weil
178
es ja sehr ähnlich ist. Also, es ist nicht das Gleiche, aber Kinesiologie
179
und Cranio sind sich ja ähnlich.
152
180
Das ist gut, dass du das grad sagst, weil mein nächster Punkt ist
181
eben: wenn du jetzt die Cranio mit anderen Verfahren vergleichst,
182
zum Beispiel mit der Kinesiologie oder ich weiß nicht, was du noch
183
ausprobiert hast? Ob du da noch irgendwelche anderen
184
Erfahrungen hast?
185
IP 3: Nein, eigentlich nicht.
186
Ok, dann nimm einfach die Kinesiologie. Und wenn du jetzt die
187
Cranio mit der Kinesiologie vergleichst, aus deiner Sicht jetzt, wo
188
liegen die Unterschiede und wo liegen die Gemeinsamkeiten?
189
IP 3: Gemeinsam ist einmal, dass man selber eigentlich nur da liegt und
190
man über die Sachen einmal spricht. Und dass eben auch die Punkte
191
halt berührt werden. Unterschied ist ein großer, dass in der Kinesiologie
192
viel mehr noch mit Energie zu tun hat, find ich oder spür halt ich, ich
193
kanns jetzt nicht genau sagen. Und ein bisschen kleinere Berührungen
194
sind, also dass jetzt so/ zum Beispiel, sie greift mir oft mit dem
195
Zeigefinger da her (deutet auf Schulterbereich). Und bei der XXX ist es
196
irgendwie (lacht kurz) flächiger. Also das ist irgendwie/ und auch
197
manchmal eben wirklich, dass sie irgendwo reindrückt oder halt ja,
198
irgendwas mehr spürbar macht, das ist in der Kinesiologie weniger. Also
199
das funktioniert wirklich immer nur mit angreifen und Energie. Das ist der
200
wesentlichste Unterschied.
201
Und von der Wirkweise her, was glaubst du, wie soll man sagen/
202
Wirkt das beides gleich oder wirkt das auf anderen Ebenen oder
203
wirkt das eine mehr auf den Körper und das andere mehr auf den
204
Geist oder die Seele oder wo auch immer man das jetzt trennen
205
will. Aber gibt’s Unterschiede in diesen feinen Wirkweisen?
206
IP 3: Für meine Empfindung ist die Cranio ein bisschen körperlicher.
207
Also so wie die XXX den Krampf hat lösen können, dass hätte
208
wahrscheinlich die Kinesiologin nicht ganz so gut können, glaub ich.
209
Also weil halt die Kinesiologie mehr/ Zum Beispiel wenn ich eh so was
210
wie vom Kopf aus irgendwelche Blockaden oder so hab, das funktioniert
211
einwandfrei mit der Kinesiologie. Also überhaupt kein Ding. Aber eben
212
das was mehr den Körper betrifft, glaub ich, funktioniert Cranio besser.
213
Einfach, was ich selber erlebt hab.
214
Ja, darum geht’s ja. (lacht)
215
IP 3: (lacht auch)
153
216
Und wenn du jetzt/ Also ich stell jetzt so eine hypothetische Frage:
217
Für welches Problem, also versuchs einfach ein bisschen zu
218
kategorisieren, für welches Problem würdest du jetzt eher die
219
Kinesiologie wählen und für welches würdest du eher die Cranio
220
wählen. Ich mein, du hast es eh schon angedeutet, aber vielleicht
221
fällt dir noch was anderes ein.
222
IP 3: Ja, wenns mir seelisch oder psychisch nicht so gut geht, geh ich
223
auf jeden Fall IMMER zur Kinesiologie. Und zur Cranio bin ich halt vor
224
allem bedingt wegen Gesang gegangen, also das hab ich halt so eher
225
getrennt. Also die Kinesiologin hat auch mit der Stimme nicht so viel zu
226
tun, da kennt sich halt einfach dann die XXX besser aus. Das kommt
227
auch noch dazu. Also mit Gesang war ich eigentlich immer bei der XXX,
228
höchstens, es ist darum gegangen, dass ich Angst hab, dass ich da jetzt
229
singen muss, dann kann ich genauso zur Kinesiologin gehen. Also
230
solche Sachen funktionieren gut bei der Kinesiologin.
231
Gut. Ja, du hast ja vorhin eh schon den Begriff Alternative Medizin
232
ins Spiel gebracht. Die Cranio als auch eben die Kinesiologie
233
zählen ja zur Alternativmedizin, man nennt es
234
Komplementärmedizin auch. Wie stehst du generell da dazu?
235
IP 3: Ja, eben, seit ich bei der Kine/ Vorher hab ich an das weniger
236
geglaubt, also das muss ich ganz ehrlich sagen. Also an so Sachen,
237
dass das wirklich funktioniert, dass mir wer helfen kann, nur durch das
238
dass er irgendwelche Sachen berührt. Also dass er mich heilen kann
239
unter Anführungszeichen. Aber wie ich eben dort meine erste
240
Rippenfellentzündung gehabt hab und bei der Kinesiologie war und mir
241
vorher nichts geholfen hat. Und ich muss halt auch sagen, ich hab mich
242
gegen Antibiotikum gewehrt, da bin ich halt kein Vertreter von dem. Da
243
hab ich mir gedacht, ok probierst es halt damit und das war einfach dann
244
ein Wahnsinn. Ich war ja bei meiner Kinesiologin und hab immer zu ihr
245
gesagt, nein, jetzt schaun wir mal, ich glaub dir das sowieso nicht, dass
246
das nur so funktioniert. Und sie ist halt auch so der Typ, der sagt, ja ok,
247
dann glaubst es halt nicht, ist mir eh wurscht, aber schaust es dir mal
248
an. Und dann war ich gleich nach der ersten Sitzung, ich hab das so
249
gemerkt, eh so wie bei der Cranio, man setzt sich auf und man ist
250
einmal komplett tüt, also so (lacht), nicht ganz, entweder, wie wenn man
251
was getrunken hätte oder keine Ahnung. Und dann eben, wie das dann
154
252
in den darauffolgenden Tagen war, wie ich das gemerkt hab, wie das auf
253
mich wirkt. Also seitdem bin ich der volle Vertreter.
254
Und WIE hats gewirkt, wenn ich fragen darf?
255
IP 3: Natürlich, die Rippenfellentzündung war nicht gleich weg, aber es
256
war einfach für mich so/ ich war nicht mehr so schwach. Ich war ja
257
richtig schwach, ich hab ja die Treppen nicht hinaufgehen können, zum
258
Beispiel. Ich hab ja nicht mehr gescheit atmen können und ich hab mich
259
total immer rein gesteigert, weil ich mir gedacht, ich hab jetzt einen
260
Asthmaanfall oder so, weil ich überhaupt nicht atmen hab können. Und
261
das hat sich total wieder durch das Ganze beruhigt und hat wieder
262
funktioniert. Und auch die Heilung ist sicher schneller gegangen. Also es
263
war die zweite Rippenfellentzündung und an der ersten bin ich zwei, drei
264
Monate drangehängt und an der zweiten halt dann einen Monat dann
265
insgesamt.
266
Das heißt, du hast es davor schon schulmedizinisch probiert?
267
IP 3: Ja, also Antibiotikum hab ich auch bei der ersten verweigert, wo
268
mir dann alle gesagt haben, du bist selber schuld, deswegen dauert es
269
auch drei Monate. Aber da war ich früher schon immer ein Gegner
270
gegen solche Sachen, hätt ich vielleicht doch dort nehmen sollen,
271
stimmt schon, hätte es wahrscheinlich beschleunigt, wäre nicht so ein
272
Leidensdruck gewesen. Das wollte ich dann eben das zweite Mal
273
verändern, aber auch nicht durch das, dass ich das Antibiotikum nehm.
274
Was sich aber auch noch geändert hat, ist seit ich das Alternative mach,
275
ich nehm wirklich keine chemischen medizinischen Sachen mehr. Wenn,
276
dann nur mehr homöopathisch.
277
Das heißt, du arbeitest homöopathisch schon auch?
278
IP 3: Ja. Naja, arbeiten. Das heißt, ich besorg mir halt in der Apotheke
279
das homöopathische und nicht das chemische, sag ich jetzt einmal
280
(lacht).
281
Machst du einen Unterschied, wenn du krank bist, ob du dir
282
schulmedizinische Hilfe suchst oder ob du dir
283
komplementärmedizinische Hilfe suchst?
284
IP 3: Das witzige ist, seit ich bei der Kinesiologie bin, war ich eigentlich
285
nie krank. (lacht) Also maximal einmal vielleicht, dass es mir nicht gut
286
gegangen aber dass ich jetzt/ Ich war jetzt schon ewig nicht mehr beim
287
Arzt.
155
288
Kann sein, dass das jetzt Zufall ist oder dass das eben nicht Zufall ist
289
(lacht).
290
Das weiß ich dann nicht. Ja wirklich jetzt. Mir würd jetzt nicht einfallen,
291
warum ich jetzt zum Arzt gehen hätte sollen. Nein. Gar nichts.
292
Was wäre ein Punkt, wo du dir einen Arzt suchen würdest? Ist jetzt
293
natürlich eine total hypothetische Frage wieder, aber
294
IP 3: Ich weiß es nicht. (…) Nur einen Frauenarzt und einen Zahnarzt.
295
(lacht). Ja, ich wüsste wirklich nicht, weil, ja, da müsste ich wirklich
296
sterbenskrank glaub ich sein. Wenn das jetzt nur wieder mit normal
297
krank ist, glaub ich, kriegt man das in den Griff, ja.
298
Ja, eine Frage hab ich noch und zwar. Was sind deine
299
Entscheidungsgrundlagen, wenn du dich jetzt für ein Verfahren
300
entscheidest? Also worauf achtest du?
301
IP 3: Was meinst du jetzt?
302
Also angenommen, es würd dir jetzt jemand sagen, probier einmal
303
das aus. Wann würdest du das ausprobieren bzw. auf was würdest
304
du achten?
305
IP 3: Jetzt nur im Alternativbereich oder allgemein?
306
Sowohl als auch.
307
IP 3: Also Alternativ würd ich jetzt definitiv, wenn jemand sagt, das ist
308
eine gute Person im Bereich Alternativ-Energiesachen, dann würd ich es
309
auf alle Fälle ausprobieren.
310
(überlegt) Das ist eigentlich das wichtigste, also dass eine
311
vertrauenswürdige Person zu mir sagt: geh dort hin, der oder die kann
312
dir helfen. Also das ist für mich ein ganz entscheidender Punkt, dann
313
würd ich es ausprobieren. Und probieren heißt ja nicht, dass etwas
314
schief geht, denk ich mir. Probieren würd ich immer was.
315
Auf die Gefahr hin, dass ich mich ein bisschen wiederhole: Wenn
316
du jetzt ein erneutes stimmliches Problem hättest, was wären deine
317
Schritte, wie würdest du vorgehen?
318
IP 3: Mit meiner Gesangslehrerin sprechen, eigentlich mit ziemlicher
319
Wahrscheinlichkeit eben auch zur XXX gehen, eigentlich sicher. Und
320
einfach/ Ich würds genau wieder so machen, wie ich es jetzt gelöst hab.
321
Eigentlich mit dem so arbeiten, logopädisch wie auch Cranio und eine
322
gute Gesangslehrerin haben, das ist halt auch wichtig. Die auch auf das
323
schwört, also das ist natürlich auch wichtig. Ich war nämlich vorher beim
324
anderen Extrem, der selber Arzt ist und das ist jetzt halt ganz anders,
156
325
also diese zwei Ebenen zu fahren. Der eine, der Arzt ist und
326
Gesangslehrer, der immer ein Problem hat, sobald irgendwas, du ein
327
bisschen Schnupfen hast oder. Das ist ja zum Beispiel bei der XXX
328
überhaupt nicht. Bei der XXX darfst du dich auch räuspern, ich mein
329
jetzt nicht andauernd, aber sie ist nicht so eine, die dann sagt, um
330
Gottes Willen oder so. Also das ist auch wichtig, dass dann die
331
Gesangslehrerin und an dem wie du alternativ arbeitest, dass das
332
zusammenpasst.
333
Ja, gut. Meine Fragen sind jetzt so generell beantwortet. Also
334
gestellt und beantwortet. Und es gibt für mich immer noch so die
335
Abschlussfrage, weil ich natürlich auch nicht in dich jetzt
336
hineinschauen kann, ob es von deiner Seite aus jetzt noch
337
irgendwas gibt, wo du das Gefühl hast, dass es zu dem Thema
338
passt, was ich jetzt nicht gefragt hab oder was dir noch wichtig ist
339
zu erzählen?
340
IP 3: (überlegt) Ich weiß es nicht. Nein, ich weiß eigentlich nichts mehr.
341
Außer dass, das vielleicht noch viel mehr publik gemacht gehört, die
342
Sachen. Es gibt auf der Uni auch so viele Angebote mit diesen
343
Alternativsachen und dass das irgendwie auch noch mehr unter die
344
Studenten gebracht wird. Ich glaub, das wissen viele noch gar nicht,
345
dass es das da eigentlich auf der Uni gratis erstens mal gibt, zweitens,
346
wo man jede Woche hingehen kann und was wirklich was bringt.
347
Was meinst du jetzt da genau?
348
IP 3: Da gibt’s, wie heißt das, individuelle Atemübung für Sänger, nein,
349
ich weiß nicht, irgendwie so was, gibt’s die, äh, der XXX ist dort, die
350
XXX, die XXX und die XXX, ich weiß nicht, wer noch alles. Das fände
351
ich noch wichtig im Ansatz, aber ich glaub, das hilft dir nicht wirklich.
352
Das hat nichts mit deinen/ (lacht)
353
Mir hilft alles! (lacht)
354
IP 3: Aber dass das einfach noch mehr publik gemacht wird, dass das
355
wirklich was ist, was wirklich sehr viel hilft, die Sachen.
356
Gut, dann vielen herzlichen Dank!
357
IP 3: Ja, bitte.
157
12.2.4
1
Interview IP4w
Gespräch davor.
2
3
Nein, es ist völlig wurscht. Ich transkribier dann in Schriftsprache,
4
aber es ist egal, wenn es dann im Dialekt ist oder wenn es
5
irgendwelche Überlegungspausen oder sonst irgendwas gibt, es ist
6
alles kein Stress.
7
Ok, ich schreib mir nur ganz kurz auf, wann ich das Interview wo
8
gemacht hab.
9
IP 4: 19.11.
10
Ok. Ich hab hier meinen Leitfaden, an den ich mich ein bisschen
11
halten werde. Ich weiß nicht, ob du Interview-Erfahrung hast?
12
IP 4: Ein bisschen.
13
Ok, das heißt, du weißt eh, dass ich dann so einfach ab und zu mal
14
drauf schauen werd.
15
IP 4: Jaja.
16
Gut, generell geht’s in meiner Arbeit ja um Stimmstörungen und
17
CranioSacral Therapie, bzw. Stimmstörungen ist ein sehr harter
18
Begriff, also einfach auch um stimmliche Probleme. Und wenn du
19
ganz kurz nur erzählst, was du studiert hast und was so deine
20
sängerische Laufbahn ist, quasi.
21
IP 4: Also ich hab IGP studiert, bin jetzt im April fertig geworden, hab
22
vorher vier Jahre lang Vorbereitungslehrgang gemacht, also seit
23
meinem 18. Geburtstag bis zu meinem 31. Geburtstag hab ich eigentlich
24
Gesang studiert (lacht). Ja, sängerische Laufbahn (…). Über
25
Kirchenchor zu Hause zum klassischen Gesang gekommen, zuerst
26
Musikschule, dann in Wien eben mit dem Studium begonnen nach
27
meinem Umzug, ziemlich schnell im Chor gelandet, also XXX relativ
28
lange, hab auch immer eigentlich schon von 16, 17 an solistisch
29
gesungen durch die Kirchenchorgeschichte. Ja und hab dann diese
30
Chor/Solo Laufbahn fortgeführt bis jetzt eigentlich. Andere Chöre, ja.
31
Viel unterwegs, viel gereist und ja jetzt sing ich viel Ensemble, a
32
cappella, Alte Musik Ensemble und da bin ich jetzt so ein bisschen
33
gelandet.
34
Ok. Und ich komm jetzt gleich zur Kernfrage. Welche Probleme
35
hattest du mit der Singstimme oder / hast du?
158
36
IP 4: Ja, Probleme. Also meine Stimme ist eigentlich sehr robust, so,
37
also ich hab eigentlich immer viel ausgehalten. Ich hab (räuspert sich) /
38
das ist der Morgenschleim (lacht). Ich hab immer wieder mal eine
39
Luftröhrenentzündung, das ist so meine Schwachstelle, wobei ich da
40
eigentlich immer singen konnte trotzdem. Ich hab mich ein bisschen
41
geplagt mit Vibrato, mit meinem Gefühl immer zu wenig Vibrato zu
42
haben und das wollte ich dann eine Zeitlang MACHEN und dadurch
43
haben sich ein paar Sachen manifestiert in meinem Körper, die sehr fest
44
waren, weil ich halt eben so Tremolo-Geschichten versucht hab, weil ich
45
das Gefühl gehabt hab, wenn ein Ton länger dauert, da muss ich doch
46
was machen, da muss doch was passieren und das muss ich MACHEN.
47
Ja und hab dann also vor allem jetzt im Frühjahr gekämpft, also
48
zwischen meinen zwei Prüfungen, zwischen der Internen und der
49
Öffentlichen Gesangsprüfung mit einer leichten Dysphonie, verdickte
50
Stimmbänder, ja, das hatte ich. Davor hab ich auch immer wieder mal
51
das Gefühl gehabt, dass ich da wenig Platz hab bei meinem Kehlkopf.
52
Vor allem im Zusammenhang mit psychischen, also wo es mir nicht so
53
gut gegangen ist, einfach psychisch/ Da ist es mir dann um den
54
Kehlkopf eher eng geworden und da war das erste Mal, wo ich wirklich
55
gezielt zu einer Cranio gegangen bin für meine Stimme.
56
Ok. Wann war das ungefähr?
57
IP 4: Das war (…) wahrscheinlich so im Frühjahr oder Herbst 2011, ich
58
weiß es jetzt nicht mehr ganz genau, aber so am Anfang von meinem
59
Masterstudium.
60
Mhm, ok. Und zwischen dem und der leichten Dysphonie war dann
61
dieser Abstand oder war dazwischen immer wieder/
62
IP 4: Nein, also das war dann quasi behandelt. Da ist es auch um eine
63
Familiengeschichte gegangen und das wirklich eher Psychosomatik.
64
Dazwischen war eigentlich, also natürlich, ich mein, es ist immer die
65
Frage, was stimmliche Probleme, was ähm, wie soll ich sagen, was
66
pathologisch ist und wo man einfach selber kämpft. Also einfach wars
67
nicht dazwischen, also da waren sicher keine Stimmstörungen, das war
68
halt der Kampf mit einem selber (lacht) und der Gesangslehrerin (lacht).
69
(lacht auch) Ok. Und wie wurde diese leichte Dysphonie
70
diagnostiziert?
71
IP 4: Vom HNO.
72
Ok, das heißt, es war/
159
73
IP 4: Also ich bin nach der internen Prüfung sofort krank geworden
74
eigentlich. Die war für mich (spricht leiser) total scheiße diese interne
75
Prüfung. Weil so viel Gefühle von früher hervorgekommen sind, diese
76
ganze Aufnahmsprüfungsgeschichte und das „bin ich eh gut genug und
77
hab ich überhaupt die Berechtigung hier zu sein“. Und ich glaub auch,
78
dass ich einfach diese Doppelbelastung mit viel Unterrichten und die
79
Prüfungsvorbereitung und der Stress und ich hab einfach immer das
80
Gefühl gehabt, ich muss alles machen, ich darf nichts absagen und das
81
hat dann einfach/ Wo ich dann nicht mehr so stark war, weil eben diese
82
Prüfung vorbei war und ich nicht zufrieden war damit, bin ich dann
83
sofort, in der nächsten Gesangsstunde, das hat einfach krank geklungen
84
und dann bin ich zum HNO gegangen, weil es nicht besser geworden ist
85
und der hat dann gesagt, naja, die schließen nicht richtig, Ödem – und
86
Ruhe geben. Ja. Und wir sind eigentlich recht cool geblieben, also alle
87
miteinander, die XXX auch und sie hat dann eben auch gesagt, ja, geh
88
mal zur XXX. Weil meine Sprechstimme war eigentlich ok. Und es war
89
überhaupt die Frage, ob das mit dem Ödem oder der Verdickung, ob
90
das nicht sowieso, ob es sich nicht in einem Bereich befindet, wo eine
91
Asymmetrie eh noch ok ist. Also ich hab einen HNO, den XXX, der da
92
sehr genau ist, der das gerne hätte, dass es total symmetrisch ist und
93
total super ausschaut, aber ich bin dann halt einfach davon
94
ausgegangen, dass sich das im Kopf abspielt und dass ich jetzt gar nicht
95
mich stressen lass von dem, wie jetzt das ausschaut, bei der, wie sagt
96
man, Sono/äh
97
Videostroboskopie
98
IP 4: Was er da halt, genau, Stroboskopie.
99
Ok. Das heißt, es kam quasi mehrfach zu einer Craniobehandlung
100
aufgrund von ich sag jetzt mal stimmlichen Engpässen.
101
IP 4: Genau. Ja. Genau.
102
Ok. Und gabs davor andere Versuche, das in irgendeiner Form zu
103
behandeln?
104
IP 4: Ja, also klar. Jetzt im Frühling, hab ich natürlich dazu diesen Spray
105
genommen, also Wobenzym und diesen Spray, jetzt weiß ich gar nicht,
106
wie er heißt, halt so einen antibakteriellen Spray, den man halt so auf
107
die Stimmbänder sprüht. Und ja, aber halt unterstützend die Cranio
108
dazu.
160
109
Ok. Und was war dann im Endeffekt das Ergebnis von der Cranio.
110
Also bei beiden Sachen jetzt?
111
IP 4: Ja, also ich hab ja nicht nur bei der XXX Cranio gemacht, sondern
112
auch bei der XXX, aber bei der XXX, zur XXX bin ich quasi immer
113
gezielt wegen der Stimme hingegangen, weil sie ja auch diese
114
logopädische Zusatzqualifikation hat. Und das Ergebnis war einfach,
115
dass ich auch hingekommen bin und sie mir vorher schon gesagt hat,
116
dass sich das alles total gesund anhört und dass ich mich nicht stressen
117
soll und dass das auch schon sehr viel geholfen hat, dass man einfach
118
von einer Logopädin hört, „das ist gesund, stress dich nicht, das wird
119
schon wieder, das braucht Zeit.“ Und ich hab ja auch drei Wochen Zeit
120
gehabt dazwischen, zwischen den zwei Prüfungen. Und dass sie dann,
121
dass das / (…) Das war so ein Gesamtpaket, dass dann die Cranio dazu
122
einfach auch noch sehr angenehm war und wahrscheinlich noch einiges
123
was vielleicht so ein bisschen fest oder verstockt war, wieder in Fluss
124
gekommen ist. Ja, mir ist es nachher allgemein viel besser gegangen.
125
Auch mit dem Gefühl, es muss jetzt nicht sofort wieder total gesund sein
126
aber es ist alles auf einem guten Weg und es wird sich alles ausgehn.
127
Und beim ersten Mal, wo du bei der Cranio warst?
128
IP 4: Da wars zwar eine geführte Cranio mit viel reden dazu oder mit so
129
einer quasi Zeitreise, also so ein bisschen eine Psycho-Cranio (lacht),
130
weil es darum gegangen ist, dass bei mir sich viel fest gesetzt hat, was
131
Kommunikation betrifft und unausgesprochene Sachen, meine
132
Familiengeschichte betreffend und ich mich da quasi nochmal zurück
133
gebeamt hab im Laufe der Cranio und das gesagt hab, was ich damals
134
nicht gesagt hab. Und dieser Kloß, den ich da gehabt hab, dass der
135
irgendwie weicher geworden ist und eine andere Farbe gekriegt hat. Ja.
136
Das heißt, was würdest du da jetzt als Ergebnis bezeichnen von
137
dieser Sitzung?
138
IP 4: Das Gefühl von Weite. Ja.
139
Ok. Jetzt kommt noch so eine (lacht)/ Also die nächste Frage ist
140
eigentlich: Kannst du eine Cranio-Sitzung und damit mein ich jetzt
141
gern auch diese zwei unterschiedlichen Arten, die du jetzt grad
142
auch schon genannt hast, einer Cranio-Sitzung, einfach so mal von
143
A bis Z beschreiben. Also du kannst da jetzt persönliche
144
Geschichten konkret oder nicht konkret mit hineinnehmen und du
161
145
kannst es aber auch abstrahieren. Einfach aus deiner Sicht: was
146
passiert in so einer Sitzung?
147
IP 4: Ok. Also man kommt hin und es gibt ein kurzes Gespräch. Warum
148
man jetzt da ist, weil meistens gibts so irgendeinen Trigger. Oder ein
149
Anliegen. Ja, dann legt man sich hin, schaut, dass man bequem liegt,
150
dass einem nicht kalt ist (lacht). Und dann fängts, ich glaub meistes bei
151
den Füßen an. Dann hab ich immer dieses Gefühl, dass sich die
152
Praktizierende auch von ihrem eigenen Gefühl so leiten lässt. Beim mir
153
fängt, wenn ich bei einer Cranio bin, sofort mein Sacrum, also das wird
154
total warm und pocht. Das kennt sich sofort aus, dass es da jetzt
155
irgendwie losgeht. Ja und dann verläuft es ganz unterschiedlich. Also
156
dann gibt’s halt die verschiedenen Griffe, die da drankommen und je
157
nachdem – was ich immer sehr angenehm empfunden hab, sind diese
158
ganzen Kopfgeschichten. Viel was auch dann auch so im
159
Rückenbereich passiert. Ja, was mir immer wieder passiert ist, dass ich
160
so richtig wegdrifte eigentlich, ich bin auch schon eingeschlafen bei
161
Cranios. Außer, das entwickelt sich auch aus der Cranio heraus, wie viel
162
gesprochen wird. Also manchmal redet man durch und manchmal gibts
163
einfach nur so punktuelle Reaktionen, wenn ich irgendwie lachen muss,
164
weil irgendwas reagiert oder irgendwas zuckt oder weil mir irgendwas
165
auffällt. Ich finds auch immer sehr interessant, nachher quasi so als
166
Feedback zu kriegen, was man selber empfunden hat und was die
167
Praktizierende empfunden hat. Und meistens denk ich mir die ganze
168
Zeit, es ist total schade, dass es jetzt bald aus ist. (lacht). Das denk ich
169
mir schon am Anfang: hoffentlich dauerts noch lang. (lacht). Ja, aber der
170
Verlauf ist ganz unterschiedlich.
171
Und wie würdest du dieses Gespräch, oder wenn viel gesprochen
172
wird, jetzt nicht konkret, was DU gesprochen hast, aber vielleicht in
173
einer abstrahierten Form, was wird da gesprochen oder was
174
passiert da?
175
IP 4: Ja, es ist sehr assoziativ. So (überlegt). Also (…) es wird halt
176
gefragt oder/ Wie ich da wegen diesem Kloß hingekommen bin, überlegt
177
man sich halt, woher kenn ich das schon oder wo hab ich das schon
178
erlebt und vielleicht wo war das erste Mal, dass ich das so gefühlt hab
179
und wahrgenommen hab. Und ja, das entwickelt sich dann und man
180
weiß oft selber nicht mehr am Schluss, wie man genau dorthin
181
gekommen ist. Es ist halt so, man versucht halt die Filter auszuschalten
162
182
und einfach nur das zu sagen, was einem jetzt in den Sinn kommt, ohne
183
richtig und falsch. Ja, oft ist man selber überrascht, wo das jetzt
184
herkommt und denkt sich nachher, ja das wär jetzt vielleicht, eine
185
andere Antwort hätte mich ja ganz woanders hingebracht. Ja, hätte,
186
hätte…
187
Also das Gespräch ist, also mir kommts so vor, ich will nicht sagen
188
zufällig, aber halt unvorhersehbar für einen selber oft. Vielleicht weil man
189
da grad so offen ist.
190
Und wie wird das von der Therapeutin oder vom Therapeuten
191
begleitet?
192
IP 4: Ja, das wird schon durch viel Fragen und, ja es wird richtig geleitet
193
eigentlich. Also man selber ist ganz frei, aber man hat schon das Gefühl,
194
dass man so auf einen wunden Punkt hingesteuert wird, oder auf einen
195
zu lösenden Punkt.
196
Und gibt’s dann einen Zusammenhang zu dem, was dann manuell
197
passiert?
198
IP 4: Ja (überlegt). Ich weiß jetzt gar nicht mehr. Aber ich weiß, dass die
199
XXX da sehr viel in meinem Kopfbereich war, ob sie nicht sogar direkt
200
auf dem Kehlkopf drauf war, bin ich mir jetzt nicht sicher. Ja (…) kann
201
ich jetzt nicht mehr sagen. Manuell in der Nähe auf jeden Fall. Ich kenn
202
mich auch nicht aus, wie das mit den Punkten ist, was da was
203
entspricht.
204
Und wenn du jetzt noch aus einer Sicht die Cranio beschreibst.
205
Was genau macht sie oder was genau passiert körperlich, seelisch,
206
psychisch?
207
IP 4: Ja, äh (…) Ich glaub, also es wird ein Gleichgewicht hergestellt,
208
hab ich so das Gefühl. Also es wird geschaut, dass wieder alles in
209
einem gleichmäßigen Fluss ist. Es geht ja um diese Schichte da, oder,
210
die da so unter der Haut ist (lacht), wie heißt das? Wurscht, egal. Ja,
211
eben dieses Gleichgewicht, diesen Fluss wieder herstellen und man
212
selber wird auch wieder sensibilisiert. Also ich merk dann oft, weil ich
213
auch so jemand bin, der gern so über Grenzen drüber geht und gern
214
durchbeißt und so, merk ich dann oft Sachen gar nicht, die mir dann erst
215
klar werden, wenn ich in einer Cranio lieg. Einmal bin ich in einer Cranio
216
gelegen zum Beispiel und bin draufgekommen, eigentlich sind meine
217
Beine total tot. (lacht) Eigentlich hab ich mich schon ewig nicht mehr mit
218
meinen Beinen auseinander gesetzt. Ich geh laufen und mach alles
163
219
Mögliche und die tragen mich überall hin, aber eigentlich spür ich sie
220
grade gar nicht. Und das eines viel länger ist als das andere oder halt
221
sich das halt so anfühlt oder ja. So eine Sensibilisierung passiert da für
222
einen selber auch. Ja.
223
Ok. (…) Und wenn du jetzt noch konkret auf die stimmlichen
224
Auswirkungen eingehst von einer Craniobehandlung.
225
IP 4: Naja, das ist natürlich immer, man weiß nie, wie wärs ohne
226
gewesen. Aber es passiert schon so eine Erdung und auch eine
227
Entspanntheit, die dann auch was macht mit dem Klang, wo du dich
228
nachher wieder runder und voller und körperlicher fühlst. Entspannter.
229
(…) Ja.
230
Unabhängig vom Problem das vorher da war oder im
231
Zusammenhang mit dem Problem?
232
IP 4: (überlegt) Naja. Natürlich wollte man das erreichen, sonst wär ich
233
ja nicht hingegangen wahrscheinlich, also in dem bestimmten Fall. Also
234
schon auch im Zusammenhang mit dem Problem.
235
Nur weil du vorhin auch gesagt hast, dass du auch
236
Craniobehandlungen ohne jetzt ein konkretes Problem hattest.
237
IP 4: Ja, klar, da war ich bei der XXX. Und ja natürlich, es ist beides. Ja,
238
also wenn ich wegen dem Problem hingeh, dann hab ich das Gefühl,
239
dass dadurch das Problem dadurch besser im Griff ist oder besser
240
gelöst wird, aber dieses allgemein wohligere Gefühl nach einer Cranio
241
wirkt sich natürlich auch auf die Stimme aus. Also es ist beides.
242
Und gabs einen Grund, warum du dich genau für die Cranio
243
entschieden hast?
244
IP 4: Naja, also das erste Mal bin ich zur XXX gegangen, weil mich das
245
einfach interessiert hat, was sie da für eine Ausbildung macht. Also das
246
war halt einfach persönliches Interesse. Und warum ich dann gezielt
247
wegen der Stimme hingegangen bin, das war eigentlich, da hat mir die
248
XXX gesagt, da rufst jetzt an und das machst du jetzt (klopft zweimal auf
249
den Tisch).
250
Und hast du Erfahrungen mit anderen Therapieformen?
251
IP 4: Ja, also ich hab jetzt ein paar Mal Shiatsu gemacht. Jetzt Körper
252
oder überhaupt? Na, Psychotherapie hab ich auch Erfahrung. (überlegt)
253
Ja, ich hab im Rahmen vom Studium, ich hab Funktionelle Entspannung
254
gemacht, ich hab Kinesiologie gemacht, ich hab Feldenkrais gemacht,
255
ich hab (überlegt) bei der XXX, das ist glaub ich immer so eine
164
256
Mischung gewesen von allem möglichen. Also ich hab relativ viel
257
Körperarbeitsgeschichten gemacht.
258
Ok. Und wenn du jetzt diese Dinge, die du kennst an
259
Körpergeschichten mit der Cranio vergleichst, wo liegen da für
260
dich die Unterschiede bzw. wo gibt’s vielleicht Gemeinsamkeiten?
261
IP 4: Also bei der Cranio, das ist für mich, also so für einen selber fast
262
die passivste Behandlungsform, weil man wirklich nur liegt und die
263
Sachen geschehen lässt. Bei Shiatsu musst du dich zumindest hin und
264
wieder mal umdrehen, (lacht) auf den Bauch oder auf die Seite. Und die
265
ist auch nicht so sanft. Also Shiatsu ist ein bisschen mit mehr Gewicht,
266
und mit mehr Einsatz. Ja, funktionelle Entspannung, das macht man
267
selber (lacht), da wird man jetzt nicht / Genauso wie Feldenkrais und/
268
Kinesiologie hab ich jetzt nicht so viel Erfahrung, da kenn ich auch mehr
269
so die Übungen, die man mit sich selber macht. (überlegt) Ja. Cranio
270
fast auch die ruhigste Behandlungsform und die, wo man auch das
271
Gefühl hat, es kommt sehr tief, es geht sehr tief. Weil man wirklich die
272
ganze Zeit einfach daliegt und spürt und selber jetzt nicht ablenkt mit
273
Bewegungen. Und diese Verbindung von Sprache und Körperarbeit
274
natürlich auch. Shiatsu redest du eigentlich gar nichts. Also ich
275
zumindest nicht.
276
Ok und von der/ Ist vielleicht ein bisschen eine schwierige Frage,
277
aber wenn du dir jetzt deine Erfahrungen anschaust und aus deiner
278
Sicht beschreibst, WIE etwas wirkt. Also quasi die Wirkweise von,
279
such dir, weiß ich nicht, zwei aus, bei denen du sagst, das kannst
280
du irgendwie benennen, im Vergleich zur Cranio.
281
IP 4: Wie es wirkt. (überlegt) Hmm.
282
Oder was daran wirkt.
283
IP 4: (überlegt) Naja, bei der Psychotherapie wirkt, dass ich drüber
284
gesprochen hab und reflektiere und Sachen besser objektivieren kann
285
und dadurch meine Verhaltensweisen und Muster besser verstehe, und
286
sie dann hoffentlich auch irgendwann einmal ändern kann und die
287
Automatismen sich auch ändern. Da ist aber der Körper gar nicht dabei.
288
Ähm, oder der folgt halt dann oder wie auch immer. Bei Shiatsu wirkt,
289
das ist mir noch nicht ganz klar, was bei Shiatsu wirkt, also da war ich
290
jetzt drei oder vier Mal. Wirkt auf jeden Fall auch das Reinspüren und
291
das dass manche Punkte wirklich schmerzen und ich mich nachher auch
292
immer erkundige, was das für Punkte sind und das, wenn ich weiß, ok,
165
293
das ist jetzt mein Entscheidungsorgan, was da so geschmerzt hat, dass
294
ich mir dann denk, ja ok gut, alles klar, es muss was entschieden
295
werden. Bei Cranio wirkt (überlegt). Es wirkt, nur die Frage wie und was.
296
(lacht). Es ist sicher auch diese Auseinandersetzung mit sich selbst. Es
297
wirkt auch grade diese geführte sprachliche Cranio, wirkt ähnlich wie die
298
Psychotherapie, nur hat man das Gefühl, dass dadurch, dass auch
299
körperlich was passiert, es vielleicht ein bisschen schneller geht. Oder
300
weil der Körper reagiert ja oft und um Automatismen zu ändern muss
301
man ja etwas ganz oft anders machen, was man vorher vielleicht schon
302
ganz oft für einen selber falsch gemacht hat. Vielleicht manifestiert sich
303
das dann schneller im Körper, wenn man das mit der Cranio einmal
304
umprogrammiert, so. Ja und es wirkt auch dieses, einfach das Liegen
305
und Spüren, vor allem, wenn man so ein Mensch ist, der immer macht,
306
dass man einfach einmal zulässt. Das wirkt auch. Dass man so ein
307
bisschen, dass man einfach weicher und durchlässiger wieder rausgeht.
308
Ja.
309
Ok. Die Cranio zählt ja, wie auch diese anderen Sachen, jetzt bis
310
auf die Psychotherapie, zu den komplementärmedizinischen
311
Verfahren. Der Begriff sagt dir was?
312
IP 4: Ja.
313
Also das ist noch so ein anderes Interessensgebiet von mir. Wie
314
stehst du jetzt generell zur Komplementärmedizin?
315
IP 4: Ich find das toll. Also, das ist jetzt nicht einmal, ja, ist die Frage, für
316
mich ist das gar nicht so komplementär, sondern/ Komplementär heißt ja
317
immer, was anderes ist die Hauptsache und das kann man noch dazu
318
machen, wenn man Lust hat. Aber für eine ganzheitliche Behandlung
319
find ich das ganz wichtig, also ich schau immer, dass ich irgendwas
320
Komplementärmedizinisches (stockt beim Begriff) dabei hab, wenn ich/
321
äh, zählt da die Homöopathie eigentlich auch dazu? Schon gell?
322
(nickt) Mhm.
323
IP 4: Ja, ich find das wär vielleicht sogar eine gute Basis und das andere
324
(lacht) die Komplementärmedizin.
325
Aha. Ok. Jetzt eine fiktive Frage oder du kannst auch gern in der
326
Vergangenheit schauen: bei welchen Problemen wählst du die
327
Komplementärmedizin und bei welchen Problemen wählst du die
328
Schulmedizin?
166
329
IP 4: Hmm. (überlegt) Also ich wähl eigentlich/ Also ich hab echt das
330
Glück (klopft dreimal auf den Tisch), dass ich noch nie wirklich krank war
331
und ich glaub, dass alles was ich bis jetzt gehabt hab, eigentlich
332
komplementärmedizinisch mit Zeit zu lösen gewesen wären, nur hab ich
333
dann manchmal nicht die Geduld, was eigentlich blöd ist. Also dann hab
334
ich bei einer Blasenentzündung, dann nehm ich halt einmal Antibiotika,
335
müsste wahrscheinlich gar nicht sein. (überlegt) Ich glaub, es wird dann
336
schwierig, wenn es wirklich lebensbedrohlich wird. Also dann würd ich
337
glaub ich alles nehmen, was es so/ Ich weiß nicht, ob ich dann die –
338
nachdem ich jetzt schon manchmal ungeduldig bin – ob ich dann
339
wirklich die Nerven hätte, der Komplementärmedizin ganz zu vertrauen,
340
aber auf jeden Fall würd ich sie dazu nehmen, glaub ich.
341
Und in Bezug auf die Stimme? Wie ist da das Verhältnis
342
Schulmedizin – Komplementärmedizin?
343
IP 4: Ich hab bis jetzt sehr wenige Medikamente für die Stimme nehmen
344
müssen eigentlich. Aber da, also ich mach zum Beispiel viel mit Ölen,
345
ich weiß nicht, ob du Young Living Öle kennst, das sind so ätherische
346
Öl-Mixturen, die auch also heilende Wirkung haben anscheinend – ich
347
hab die von meiner Mama. Die nehm ich eigentlich immer, wenn es was
348
gibt. Und da hab ich auch die Erfahrung gemacht, dass es wirklich hilft,
349
auch präventiv. Meine Mutter macht auch viel mit Orgon, äh, kann man
350
sich einmal informieren. Also Orgon ist auch umstritten, aber ich find, es
351
wirkt. Also, da strahlt man quasi Energie. Und das hat mir extrem
352
geholfen auch zwischen den Prüfungen. Also da hat meine Mama ganz
353
viel gemacht und ich hab das Gefühl, dass es wirklich gewirkt hat. Also
354
da nehm ich eigentlich, da vertrau ich eigentlich, nachdem das sowieso
355
so, (lacht) wie soll ich sagen ein unerklärliches Feld ist, die Stimme so
356
oft. Für die passt die Komplementärmedizin dann oft besser als
357
irgendwelche Hämmer. Ja.
358
Und wenn du dich jetzt für ein Verfahren entscheidest, was sind
359
deine Entscheidungsgrundlagen?
360
IP 4: (überlegt) Was muss ich wann leisten? Wenn ich was absagen
361
kann und ich mir Zeit nehmen kann, dann gern das langsamere,
362
schonendere, aber oft glaub ich es nicht zu können und schnell gesund
363
werden zu müssen, dann entscheidet das halt.
364
Ja, also ich bin grundsätzlich mit meinen Fragen jetzt soweit durch.
365
Und jetzt gibt’s natürlich noch die Schlussfrage.
167
366
IP 4: Gibt’s Fragen (lacht)
367
Ja, gibt’s Fragen (lacht), die gibt’s natürlich auch, gerne auch das.
368
Und aber auch, ob du vielleicht irgendwie das Gefühl hast, dass du
369
noch irgendwas zu dem Thema zu sagen hast, wo ich jetzt nicht
370
gefragt hab, oder was dir noch wichtig ist oder was dir noch einfällt
371
rund um diesen ganzen Themenbereich herum.
372
IP 4: Eigentlich nicht, nein. Also ich hab oft das Gefühl, dass die
373
Methode gar nicht so wichtig ist. Ich hab das Gefühl, dass sich das auch
374
alles irgendwo trifft. Sondern dass (überlegt) ja, dass es wichtiger ist,
375
dass man sich irgendwie mit der Wurzel auseinander setzt und nicht nur
376
mit den Symptomen. Und ich glaub, das ist so das, was allen
377
komplementärmedizinischen Methoden zu Eigen ist und was die
378
Schulmedizin versäumt.
379
Inwieweit spielt der Therapeut oder die Therapeutin da eine Rolle?
380
IP 4: Meinst jetzt auch bei den Ärzten?
381
Ich mein jetzt eher in Bezug auf diese (überlegt) Methode oder
382
Nicht-Methode.
383
IP 4: Ich glaub, das ist ähnlich wie bei einem Gesangslehrer oder wie in
384
der Schule, dass man das Fach am liebsten mag, wo der Lehrer am
385
besten ist. Ich glaub, dass eben auch da, wo man mit dem Therapeuten
386
irgendwie eine gute Basis findet, eben die Methode gar nicht so wichtig
387
ist, die er anwendet. Weil das Heilsame ist alleine, sich gemeinsam mit
388
diesem Menschen mit sich selbst auseinander zu setzen. (…) Und es oft
389
sehr heilsam ist, wenn man sich diese Zeit leistet und wenn man quasi
390
jemand anderen zahlt, sich gemeinsam mit sich selbst auseinander zu
391
setzen. Das wirkt oft Wunder. Ja.
392
Ja, gibt’s irgendwelche Fragen von deiner Seite?
393
IP 4: Nein, eigentlich nicht. Machst du auch eine Ausbildung?
394
Nein.
395
IP 4: Aber dich interessiert das einfach?
396
Ja, also ich werd irgendwann eine machen.
397
IP 4: Du hast sehr gute Erfahrungen damit oder?
398
Ja. Und ich finds total spannend.
399
IP 4: Machst du andere Sachen auch?
400
Kinesiologie. Ja. Akupunktur, Homöopathie.
401
IP 4: Stimmt, Akupunktur hab ich auch schon gemacht. Ahja und
402
Osteopathie hab ich auch schon gemacht.
168
403
Das wär vielleicht noch interessant: der Unterschied zwischen
404
Osteopathie und Cranio-Therapie.
405
IP 4: Ja, die Lage. Ich bin bei der Osteopathie auch manchmal
406
gestanden oder gesessen. Ich hab mir manchmal gedacht/ Ich hab dann
407
oft so Mitleid mit den Therapeuten (lacht) weil ich bei der Osteopathie
408
echt so voll drauf gehängt bin auf meinem Osteopathen. Weil ich mir
409
gedacht hab, wie packt der das, wie hält mich der gerade. Weil man sich
410
dann halt auch so rein bewegt oft in eine und dann halt wieder raus
411
kommt. Da müsstest du die XXX fragen, die hat da eben, das sind zwei
412
Freunde von mir, die XXX, die Cranio macht und der XXX macht
413
Osteopathie. Die haben sich auch schon viel drüber unterhalten. Die
414
wollten auch irgendwann mal gemeinsam was machen. Die wollten mich
415
auch mal gemeinsam behandeln, aber es ist dann nie dazu gekommen,
416
was schade ist eigentlich, es hätte mich interessiert.
417
418
Auslaufendes Gespräch.
169
12.2.5
Interview IP5w
1
Sie wissen ungefähr, worum es geht, nehm ich an?
2
IP 5: Ganz rudimentär, ja.
3
Dann erklär ich das ganz kurz. Also ich schreib meine
4
Magisterarbeit über das Thema Stimmstörungen bzw. stimmliche
5
Probleme und der Möglichkeit, das zu behandeln. Sowohl eben ich
6
sag jetzt mal im schulmedizinischen Bereich als auch eben im
7
komplementärmedizinischen Bereich. Und ein besonderes
8
Augenmerk hab ich eben auf die CranioSacral Therapie gelegt,
9
deswegen hab ich mir für Interviews Leute gesucht, die aufgrund
10
von stimmlichen Problemen oder körperlichen Problemen, die sich
11
auf die Stimme ausgewirkt haben bereits eine Cranio in Anspruch
12
genommen haben und meine Fragen, die ich hab, beziehen sich
13
halt sehr auf diesen ganzen Bereich.
14
IP 5: Ja, ok.
15
Grundsätzlich ist es so, dass das Interview anonymisiert wird, das
16
heißt alle Namen und Daten, die in irgendeiner Form Rückschlüsse
17
auf Ihre Person zulassen oder auf andere Personen wie Behandler
18
oder Therapeuten oder so, werden mit XXX versehen, das heißt, es
19
wird nicht erkennbar sein, um wen es sich handelt.
20
IP 5: Ok.
21
Und ich werd das Interview zwar eins zu eins transkribiert hinten in
22
meine Arbeit dranhängen, aber im Endeffekt gibts eine
23
Zusammenfassung von allen Interviews, die ich mache, die ich
24
dann schreib und das heißt, es wird zum Nachlesen sein, aber eben
25
wie gesagt total anonymisiert. Alles, was irgendwie Rückschlüsse
26
zulässt, wird weggelassen.
27
IP 5: Ok. Ja.
28
Ja, ich hab hier meine paar Fragen, die aber nur für mich als
29
Richtlinie sind, dass ich nichts vergesse. Grundsätzlich geht’s
30
darum, dass Sie sehr frei erzählen und auch wenn Sie überlegen
31
müssen oder das Gefühl haben, dass es jetzt nicht so
32
zusammenhängen ist, das ist total egal.
33
IP 5: Ok.
170
34
Es geht einfach darum, dass es eine Beschreibung Ihrer Erlebnisse
35
ist und da gilt auch einfach: was sie erzählen wollen, erzählen sie,
36
was nicht, nicht. Ganz frei.
37
IP 5: Ok, gut!
38
Also anfangen tu ich immer mit der Frage: Was ist denn ihre
39
sängerische Laufbahn? Was (Unterbrechung durch Kellnerin)
40
IP 5: Ja, ich mein, ich hab immer gesungen, also schon im Schulchor
41
und es hat mir immer sehr viel Spaß gemacht. Ich hab dann, wo ich
42
nach Wien gezogen bin, eine Zeit lang nicht gesungen, hab dann in
43
einen Chor gewechselt, der sehr anspruchsvoll war jetzt einmal, was die
44
Stimme anbelangt hat. Also er war sehr anspruchsvoll von den Werken
45
her und man musste innerhalb von kürzester Zeit auch dann mit den
46
Werken schon auftreten. Also das war jeden Sonntag einfach eine
47
Messe und zwar jeden Sonntag eine andere Messe und es wurde halt
48
erwartet, dass man gesagt hat/ Ich hab meine erste Probe gehabt in der
49
Krönungsmesse und musste am nächsten Sonntag in der XXX stehen
50
und die Krönungsmesse mitsingen. Ich hab das dann eine Zeit lang
51
gemacht und hab dann festgestellt, dass halt aufgrund dieses großen
52
Repertoires auch nicht die Zeit dort ist großartig aufzuwärmen. Also das
53
war nicht so, wie man es halt von anderen Chören kennt, dass man
54
sagt, da kommt man hin und singt sich einmal ein eine Viertelstunde,
55
eine halbe Stunde, sondern da gings wirklich wenn man hinkommt mit
56
den Noten sofort, wir machen jetzt den und den Takt. Was sich dann
57
herausgestellt hat, dass das für die Stimme halt irrsinnig anstrengend ist
58
und ich dann eben angefangen habe Stimmbildungsstunden zu nehmen
59
und dann halt über diese Stimmbildungsschiene in eine bissl andere
60
Richtung gekommen bin. Das ist eine Gesangslehrerin, die halt auch
61
sehr im Solobereich unterwegs ist, was dann wieder meine
62
Chorlaufbahn ein bissl torpediert hat, weil ich dann einfach zu laut
63
geworden bin. Das war dann der Grund warum ich gesagt hab, ich muss
64
jetzt irgendwas tun in Richtung Stimmbildung weil es sonst ganz
65
schlecht ist für die Stimme, wenn ich dort so singe ohne dass ich mich
66
selber aufwärmen kann und ohne dass ich die richtige Technik
67
verwende.
68
Welche Stimmlage singen Sie?
69
IP 5: Ich war damals Alt, also man hat mich in den Alt eingestuft und war
70
aber eigentlich ein Sopran. Ich hab dann eine Zeit lang Sopran
171
71
gesungen und jetzt ist es so, dass sich die Stimme eigentlich eher
72
wieder nach unten – ich glaub das ist auch altersbedingt – eher wieder
73
nach unten orientiert.
74
Und welche Probleme stimmtechnisch sind dann aufgetreten?
75
IP 5: Ja, bei mir wars so, dass ich halt sehr oft dann durch diese Proben
76
auch die Stimme überanstrengt hab, dass ich einfach gesagt hab ja, es
77
kratzt mir jetzt im Hals irgendwie und ich halt nie wirklich dosieren
78
konnte, sondern halt einfach immer Vollgas gesungen hab, wo ich halt
79
dann Probleme hatte mit einem Stimmbandknoten auch. Also der zwar
80
dann wieder weggegangen ist, Gott sei Dank, ohne OP. Und das zweite
81
war bei mir, dass ich – und da kommt jetzt der Punkt zur CranioSacral
82
Therapie – dass ich immer im Kopf oft das Gefühl hatte, es geht sich
83
jetzt nicht aus, luftmäßig zum Beispiel. Also das war bei mir so im Kopf
84
dann, es wär sich ausgegangen rein körperlich, es war noch genügend
85
Luft da, aber ich hab mir gedacht, es geht sich nicht aus. Und hab mir
86
dann auch in den Stücken immer ganz genau diese Stellen gemerkt und
87
bevor ich dorthin gekommen bin, hats im Kopf gemacht „klick jetzt geht
88
dir die Luft aus“ und dann ist es auch passiert. Also das war immer mein
89
Thema wo ich gesagt hab, es mach nicht ich mit dem Körper sondern
90
der Körper macht mit mir.
91
Das heißt, das war dann der ausschlaggebende Punkt für eine
92
Cranio-Sitzung oder wie kam es dazu?
93
IP 5: Ja, als Cranio-Sitzung war so, dass ich es schon von vielen gehört
94
hab, dass es halt einfach prinzipiell ganz gut ist für Körper, für einen
95
selbst, wenn man das einmal macht. (…) Und ich hab mir dann lang
96
überlegt, ob ich es machen soll, weil ich ein sehr kontrollierter Mensch
97
bin und weil halt die CranioSacral Therapie halt doch wieder was ist, wo
98
man halt sagt, da passieren Dinge, die man nicht steuern kann. Und ich
99
hab halt mit mehreren Leuten gesprochen, die dann gesagt haben, ja,
100
das ist also ganz spannend, was da passiert und ich hab mir gedacht
101
um Gottes Willen. Und ich habs aber gemacht, weil ich halt immer das
102
Gefühl hatte (…) (deutet auf Brustkorb-Bereich), da ist der Körper
103
irgendwie verkrampft, irgendwo. Also geistmäßig ist das alles ok, aber
104
beim Körper funktioniert irgendwas nicht und deshalb hab ich dann
105
gesagt, ich machs einmal. Und da wurde dann halt auch in der ersten
106
Sitzung schon festgestellt, dass ich halt da einen kompletten
107
Brustpanzer hatte, der natürlich auch dafür verantwortlich war, dass das
172
108
mit dem Singen nie funktioniert hat, also mit der Luft zum Beispiel. Dass
109
ich eigentlich immer das Gefühl hatte, das ist mir jetzt zu eng, ich
110
bekomm keine Luft und deshalb halt immer abgebrochen hab eigentlich
111
wenn ich den Ton noch halten sollte. Oder mir das nie ordentlich
112
einteilen konnte, weil ich immer das Gefühl hatte, so viel Luft hab ich
113
nicht. Und die Gesangslehrerin hat immer nur gesagt, da geht noch viel
114
viel mehr, also du brichst immer schon ab und ich habs aber im Kopf
115
drin gehabt, weil vom Körper her das Signal einfach da war, das geht
116
sich nicht aus. Und da hab ichs dann gemacht und das war ganz
117
erstaunlich, dass ich schon nach dem ersten Mal halt irgendwie das
118
Gefühl hatte, dass das jetzt freier ist und wir habens dann auch sofort in
119
der ersten Stunde ausprobiert gesangstechnisch wirklich mit Stücken,
120
die vorher immer problembehaftet waren. Und da haben wir das probiert
121
und das ist alles lustigerweise dann gegangen.
122
Wie oft waren dann die Behandlungen oder bzw. wann war die
123
erste Behandlung? Ungefähr Zeitraum?
124
IP 5: Ich sag jetzt einmal vor drei, vier Jahren ungefähr.
125
Wir oft sind jetzt Behandlungen gefolgt?
126
IP 5: Also ich habs die erste Zeit so alle drei Wochen oder was immer
127
gemacht. Nachdem sich das dann relativ gut gelegt hat, hab ich ein
128
bissl pausiert und bin aber jetzt so, dass ich sag, ich mach das relativ
129
oft, wenn ich irgendwelche anderen Beschwerden auch hab. Also, dass
130
ich sag, ich geh jetzt immer hin und schau einmal was passiert. Also
131
wenn man zum Beispiel sagt, ja, ich hab Schmerzen gehabt in der
132
Schulter und es war jetzt halt organisch nichts zu finden, wo ich dann
133
gesagt hab, ich geh einmal hin und lass mir das einmal anschauen und
134
so. Also ich habs jetzt eigentlich auch auf viele Sachen außerhalb von
135
der Stimme schon gelegt, wo ich gesagt hab, das ist noch was, wo ich
136
mich irgendwie unwohl fühle körperlich und das lass ich mir jetzt mal
137
anschauen.
138
Und wenn Sie jetzt einmal eine Beschreibung abgeben, was in so
139
einer Cranio-Sitzung passiert. Also wie erleben Sie das von A-Z?
140
Also bleiben wir erst einmal bei der Frage: Wie läuft so eine Cranio-
141
Sitzung ab von A-Z, so wie Sie das erleben?
142
IP 5: Ja, also es gibt zuerst halt ein Gespräch, dass man sagt, ist jetzt
143
irgendwas total akut oder gibts irgendwas, was man sich besonders
144
anschauen sollte oder ist es jetzt rein einmal so, dass man sagt, ok, ich
173
145
hätte gern einmal wieder eine Behandlung. Wenns jetzt konkret was
146
gibt, dann wird halt das Augenmerk dahin gelegt und wenns nix gibt,
147
dann halt einmal grundsätzlich so geschaut, wo irgendwas sein könnte.
148
Wenns jetzt konkret was gibt, dann (…) ist es halt auf diesen Körperteil
149
jetzt einmal in erster Linie einmal bezogen, dass man sagt, gibts da
150
irgendwas, wo sich irgendwelche Blockaden lösen oder nicht. Und beim
151
ersten Mal wars halt so, dass ich gesagt hab, ich wusste ja nicht, wo es
152
herkommt sondern ich hab einfach nur gesagt, ja es ist irgendwie
153
unwohl. Und ich kann nur beim ersten Mal sagen, dass es irrsinnig
154
spannend ist, weil man ja nicht weiß, was passiert. Also man liegt dann
155
einmal dort und denkt sich, was passiert jetzt und kann es selber aber ja
156
gar nicht einschätzen. Und bei mir wars dann halt so, dass dieses
157
Bindegewebe überall komplett arg reagiert hat. Und ich immer das
158
Gefühl dann hatte, dass da jetzt mit irrsinnig viel Druck gearbeitet wird
159
oder dass mich da jetzt irgendwer rein kneift und das war aber eigentlich
160
nur das Bindegewebe. Also ich war im ersten Moment total irritiert und
161
hab halt immer nachgefragt, ja drückst du jetzt so fest und nein, das ist
162
nur so. Und ich finds ja total spannend, was der Körper produzieren
163
kann auf diese Art und Weise, das find ich total spannend, was da mit
164
dem Körper wirklich passiert. Es ist in der ersten Sitzung glaub ich fast
165
ein bissl spooky würd ich sagen, wenn man das nicht gewohnt ist, dass
166
man sagt, ok, was ist da jetzt wirklich. Dann bei den anderen Sitzungen
167
ist man es eh gewohnt irgendwo, also es passieren schon noch Sachen
168
irgendwo, wo was total arg reagiert, aber die erste Sitzung glaub ich ist
169
schon so ein bissl mind-opening. Und ich glaube, wenn man ein bissl
170
ängstlich ist, dann denkt man sich oh je.
171
Und ja, und das ist es dann eigentlich, dass ich sag, man muss dann
172
halt auch warten so diese 48 Stunden nachher, dass man sagt, wenn ich
173
jetzt konkret was habe, dass sich das in diesen 48 Stunden jetzt auch
174
leicht verschlechtern könnte und dann kann man halt sagen nach den 48
175
Stunden, hats jetzt wirklich angeschlagen, merke ich jetzt irgendeine
176
deutliche Besserung oder hats jetzt nicht so viel gebracht. Ich glaub,
177
dass es auch auf diesen Therapeuten ankommt. Ich war dazwischen
178
jetzt bei jemand anders, der die Cranio nur so als Nebenprodukt
179
anbietet. Das war so Sporttherapie und Osteopathie noch. Und da wars
180
ganz lustig, dass ich eigentlich wegen der osteopathischen Dinge
181
hingegangen bin und dann aber so eine kurze Cranio-Session
174
182
dazwischen war und die für mich komplett wertlos unter
183
Anführungszeichen war, weil da nichts passiert ist. Und wär das meine
184
erste Sitzung gewesen, hätt ich gesagt, ok, das ist nichts für mich. Und
185
ich wusste aber, dass ich eigentlich normalerweise auf die Therapie sehr
186
gut reagiere und dass da eigentlich immer was passiert. Und da war
187
aber gar nichts, das heißt ich glaub es kommt auch sehr entweder auf
188
den Therapeuten an oder auf dieses wie fühlt man sich mit dem. Also
189
ich glaub, dass das so ein bissl eine gute Mischung sein muss, weil es
190
sonst glaub ich nicht funktionieren kann.
191
Und wie verläuft das dann weiter, wenn man behandelt wird? Was
192
ist dann der Abschluss der Sitzung? Was passiert dann noch?
193
IP 5: Ja, im Endeffekt gibt es halt/ also man schaut sich diese Dinge an,
194
wo man gesagt hat, da ist es jetzt nicht ganz rund oder was immer.
195
Dann schaut man halt grundsätzlich, ist da jetzt irgendwas schief im
196
Körper, weil es könnte ja auch von woanders herkommen. Es wird
197
schon ganzheitlich das angeschaut irgendwie und dann ist es eigentlich
198
immer so, dass der Therapeut dann sagt, ich glaub, das ist jetzt
199
aufgelöst. Also da war irgendwas und ich glaub, das ist aufgelöst und
200
dann muss man halt selber für sich feststellen nach der Sitzung, wie
201
geht’s mir jetzt damit. Hab ich jetzt trotzdem noch was oder ist es ok.
202
Und bei mir wars immer so, dass ich mir dann halt offen gelassen hab,
203
wann ich wieder komme. Also ich wollts mir mal selber anschauen und
204
sagen, wie fühl ich mich jetzt damit und hab ich das Gefühl, dass ich
205
jetzt in zwei Wochen schon wieder kommen muss oder kann ich länger
206
pausieren. Also ich wollt mir das immer ein bissl frei lassen. Es gibt
207
sicherlich Dinge, wo man dann sagt, also wenns jetzt schlimmere
208
Störungen auch sind, dass man wahrscheinlich dann relativ oft in
209
kürzeren Intervallen halt auch gehen muss.
210
Und was haben Sie sonst an Erfahrungen von anderen Verfahren?
211
Also jetzt eben Osteopathie zum Beispiel oder?
212
IP 5: Also Sie meinen jetzt abseits der Schulmedizin (lacht)?
213
Ja, oder auch in der Schulmedizin. Einfach generell, welche
214
Verfahren haben sie da schon genutzt?
215
IP 5: Ja, in der Schulmedizin, ja, da gibt’s halt nicht viel. Ich mein
216
Verspannungen, sag ich jetzt einmal, dass man da eine Heilmassage
217
hat, sonst mach ich regelmäßig Shiatsu. Also so Shiatsu–
175
218
Sesselmassage. Und ich habe auch gemacht, vor ziemlich langer Zeit
219
allerdings, eine Bioresonanztherapie.
220
Ja, das wars dann eigentlich. Aber das heißt, ich bin durch diese
221
Bioresonanztherapie eigentlich so bissl, die mir sehr gut geholfen hat,
222
auch in diese Richtung gekommen, dass ich gesagt hab, ich kann mir
223
andere Dinge jetzt vorstellen. Weil ich glaub, wenn einer jetzt ein reiner
224
Anhänger der Schulmedizin ist und man dem erklärt, was CranioSacral
225
Therapie ist, dann wird der sagen, das ist ein absoluter Humbug, das
226
mach ich nicht. Und ich glaub, wenn man vorher andere Dinge schon
227
gemacht hat, die dann funktioniert haben, dass man dann sagt, ich kann
228
mir das auch vorstellen.
229
Weil Sie es grad sagen WAS CranioSacral Therapie ist. Was aus
230
Ihrer Sicht ist denn CranioSacral Therapie?
231
IP 5: (lacht) Ja, man sagt normalerweise immer, ja das ist Hand
232
auflegen. Also Hand auflegen find ich, hört sich immer so spooky an.
233
Das ist sowas wo man sich denkt, ja Hand auflegen ist so was wie
234
Handlesen oder sowas, was man nicht greifen kann. Ich glaub halt, dass
235
es für den Therapeuten eine bestimmte Gabe braucht, sich da auch
236
drauf einzulassen auf den jeweiligen, den man grad behandelt. Ich
237
glaub, das kann auch nicht jeder. Und da einfach, sag ich jetzt einmal,
238
Kräfte sich austauschen (lacht). Irgendwie, ich tu mir ein bissl schwer es
239
auch das zu beschreiben, weil ich glaub, das ist irgendwie was, was von
240
der Definition her irrsinnig schwierig ist. Dass man da sich irgendwie /
241
also ich glaub, der braucht ein irrsinniges Gespür, dass er sagt, ist da
242
jetzt irgendwas in Urordnung, weil wenn man so jemanden angreift
243
(fasst auf den Arm), na ist eh fein. Aber der braucht ein irrsinniges
244
Gespür für die ganz feinen Dinge, die da passieren.
245
Und was wird eigentlich gemacht? Was ist das Greifbare, was
246
gemacht wird?
247
IP 5: Also ich glaub, dass eigentlich die (überlegt) Körperheilung oder
248
die Funktionen des Körpers da irgendwie auch gestärkt werden und
249
dass man dem hilft, diese Dinge von sich aus zu beseitigen auch.
250
(überlegt) Weil ich könnte halt viele Dinge dann auch, wenn ich jetzt zu
251
einem Schulmediziner geh, der sagt, ja dieser Schmerz in der Schulter,
252
dann verschreib ich dir irgendwas gegen die Schmerzen und dann tun
253
wir es ein bissl schonen und dann wird’s wieder gehen – oder auch
254
nicht. Und das ist halt die andere Methode, dass man halt sagt, ok, ich
176
255
geb jetzt nichts, was die Schmerzen wegnimmt und praktisch jetzt
256
einmal den Körper irgendwie chemisch in einen anderen Zustand bringt,
257
sondern ich schau mir halt an, was ist da. Weil Schmerzen kommen
258
immer von Verspannungen. Also diese Schmerzen von Verspannungen,
259
wo man sagt, man sollte eigentlich eher die Verspannung lösen, als
260
irgendwie den Schmerz bekämpfen in erster Linie einmal. Und ich glaub,
261
dass es eigentlich eine Unterstützung des Körpers ist, da seine
262
Mechanismen in Gang zu bringen.
263
Und Sie haben jetzt gesagt Hand auflegen. Wird da irgendwas
264
gemacht oder ist es wirklich nur ein Hand auflegen? Oder gibts da,
265
weiß ich nicht, Druck Bewegung oder?
266
IP 5: Es ist ein bissl ein Druck, aber es ist eigentlich ein (überlegt), also
267
das ist eigentlich zu vernachlässigen. Das ist ja gerade das Spannende,
268
dass man selber dann immer das Gefühl hat, dass man sagt, der drückt
269
jetzt irrsinnig. Also das war bei mir bei diesen Brustkorbdingen, dass ich
270
mir gedacht hab, die lehnt sich jetzt da mit aller Kraft, die sie hat auf
271
meinen Brustkorb drauf und ich mir dann gedacht hab um Gottes Willen,
272
was tut die. Und das war ein ganz feiner Druck, der sich aber durch den
273
Körper so irrsinnig aufgebaut hat. Oder auch diese Bindegewebsdinge.
274
Also das ist so richtig wellenförmig spürt man das da, wie das da hin und
275
herfährt und man sich denkt, was passiert da jetzt genau und es ist
276
eigentlich nur, dass da jetzt die Hand drauf liegt mit ein bissl einem
277
Druck. Aber das ist zu vernachlässigen eigentlich. Also das ist nichts, wo
278
man sagt, die drückt ordentlich drauf. Also es ist eigentlich so, dass die
279
Hände immer wo liegen und dass man halt einmal auch ein bissl
280
arbeitet, aber nie mit / Also das ist nicht wie eine Massage oder was,
281
dass ich sag, da knetet wer in der Gegend rum.
282
Also sie haben ja ein bissl Erfahrung bei anderen Verfahren auch.
283
Wenn Sie jetzt aus Ihrer Sicht einfach diese Verfahren miteinander
284
vergleichen, soweit sie halt vergleichbar sind, wo liegen da die
285
Gemeinsamkeiten und wo sind die Unterschiede? Sie können sich
286
entweder Shiatsu, Osteopathie oder Bioresonanz, entweder, Sie
287
fassen es zusammen und abstrahieren oder Sie suchen sich ein
288
Verfahren aus, wo Sie irgendwie das Gefühl haben, das lässt sich
289
ganz gut vergleichen.
290
IP 5: Also ich würd sagen, es ist bei der Bioresonanz auch so, dass man
291
sagt, man kanns/ Also ich konnte es relativ schwer greifen auch von
177
292
dem, wenn man erklärt, was da passiert. Weil man bei der Bioresonanz
293
ja auch sagt, es werden durch diese Stoffe, auf die man jetzt allergisch
294
reagiert, werden im Körper jetzt negative Schwingungen produziert und
295
die werden dann in der Bioresonanztherapie in positive umgewandelt.
296
Also das hört sich für mich (überlegt)/ Im ersten Moment hört sich das
297
auch total spooky an, weil man sich denkt, da geht jetzt nicht wirklich. Es
298
ist aber glaub ich was, wo man sich erstens mal drauf einlassen muss
299
und man sagen muss, ok ich probier das einmal. Und was ich glaube,
300
dass bei all diesen Verfahren der Punkt ist, dass wenn ich ein Problem
301
damit hab und mir nicht vorstellen kann, dass das jetzt irgendwie
302
funktioniert, dann glaub ich, brauch ichs gar nicht machen. Weil ich
303
glaub, dass dann einfach dieser Widerstand dagegen - und ich darf ja
304
keinen Widerstand haben, weil das eine Sache ist, wo der Körper halt
305
mitmachen muss bzw. wo man akzeptieren muss, dass der Körper was
306
macht. Und wenn ich da jetzt irgendwie Ressentiments dagegen hab,
307
dann wirds nicht funktionieren, weil ich mich dann nie so drauf einlassen
308
kann, dass diese Dinge auch passieren. Also das glaub ich ist wichtig,
309
dass man halt sagt, ich lass mich jetzt einmal drauf ein. Und ja bei der
310
Bioresonanz, es ist halt auch ziemlich abstrahiert, weil man halt einfach
311
sagt, man sitzt dann da und sagt ok, ich bekomm jetzt diesen Stoff in die
312
Hand oder was immer und dann schlägt dieses Pendel aus. Und das ist
313
also kaum zu greifen, dass man sagt, wie passiert das jetzt genau. Also
314
es ist eher so, dass man das Gefühl hat, da passiert jetzt wieder was,
315
was ich nicht kontrollieren kann. Und das ist halt auch bei diesen
316
Verfahren so ein bissl das Thema, dass man halt die Kontrolle ein bissl
317
weggeben muss.
318
Und von der, ich sag jetzt mal Wirkweise her, was wirkt bei
319
welchem Verfahren? Gibt’s Unterschiede?
320
IP 5: Naja, also so Shiatsu ist halt schon sehr mit Druck, also das lehnt
321
sich ja an an die klassische Massage bzw. an eine Heilmassage. Da
322
passiert schon mehr eigentlich und die arbeiten halt mehr in das hinein.
323
Auch bei der Osteopathie. Ich würd ja sagen die Bioresonanz und auch
324
die CranioSacral Therapie, das ist irgendwie ein bissl feinstofflicher
325
(lacht). Also um es jetzt irgendwie zu beschreiben. Also ich glaub da
326
passieren eher Sachen auf einer anderen Ebene, als es in der
327
Osteopathie und im Shiatsu der Punkt ist. Weil da spür ich ja, die knetet
328
mich jetzt da hinein und dadurch löst sich irgendeine Verspannung. Da
178
329
hab ich immer mehr das Gefühl, dass ich sag, da wird auf den Körper
330
eingewirkt und bei der Bioresonanztherapie und auch bei der
331
CranioSacral Therapie hab ich eher das Gefühl, dass halt der Körper
332
macht irgendwas von sich aus. Da wird weniger eingewirkt jetzt einmal,
333
sondern eher unterstützt.
334
Und jetzt eine fiktive Frage. Für welches Problem würden Sie
335
welches Verfahren wählen?
336
IP 5: (überlegt) Ich sag jetzt einmal, wenns eher in eine (…) wenns eher
337
so eine psychosomatische Thematik ist, also sehr viel auch mit Geist
338
und ein bissl mit Psyche zu tun hat, sag ich, ist die CranioSacral
339
Therapie schon gut. Also ich glaub all diese anderen Dinge sind eher so
340
auf rein/ Ich hab jetzt ein gesundheitliches Problem was halt von
341
irgendwas kommt, weil ich sag, ich hab mir den Rücken verrissen, weil
342
ich mich falsch irgendwie bewegt hab. Ich glaub, wo die Sachen so
343
hineinspielen so ein bissl mit der Psyche auch, ist die CranioSacral
344
Therapie schon gut, weil sie halt jetzt nicht unbedingt bezogen ist auf
345
einen Teil des Körpers, sondern weil das halt den ganzen Körper betrifft
346
irgendwo.
347
Und weil sehr viele Dinge halt auch aufkommen bei der Therapie, die
348
man vielleicht jetzt noch gar nicht spürt oder wo man sagt, ah da ist aber
349
auch noch irgendwas. Und das spürt man vielleicht noch gar nicht und
350
es könnte später dann Probleme machen. Bei den anderen Dingen ist
351
es eher so, dass man halt wirklich drauf eingeht, dass man sagt ok, da
352
ist jetzt eine Verspannung, da ist jetzt irgendwas und man behandelt
353
eben das und bei der CranioSacral Therapie ist es irgendwie so auf den
354
ganzen Körper bezogen. Dass man schon auf Dinge eingehen kann,
355
wenn ich sag, ich hab jetzt da einen Schmerz, aber dass trotzdem der
356
ganze Körper noch einmal angeschaut wird, ob nicht irgendwas anderes
357
auch noch irgendwo ist.
358
Und weil Sie sagen psychosomatisch. Heißt das, dass die Psyche
359
mit betreut wird oder geht das nur von der körperlichen Seite aus?
360
IP 5: Ich glaub schon, dass die Psyche ein bissl mit betreut wird, weil es
361
gibt am Anfang diese Gespräch auch, das ja auch einmal sagt, warum
362
bin ich da, gibts da irgendwas. Das ist jetzt bei den anderen Dingen jetzt
363
auch nicht unbedingt so, wo man halt nur beschreibt jetzt einmal, da tut
364
dir was weh. Also das ist in der CranioSacral Therapie schon so, dass
365
man sagt, wieso bin ich jetzt da, gehts mir sonst gut, gibts irgendwelche
179
366
Probleme. Also das ist schon so ein bissl ganzheitlicher für mich als die
367
anderen Dinge. Und ich glaub ohnehin, dass sehr viel Verbindung ist
368
zwischen Psyche und dem Körper.
369
Und in der Therapie wird auch drauf eingegangen oder ist das rein
370
körperlich?
371
IP 5: Es sind schon oft so Fragen, dass man halt sagt, wie fühlt sich das
372
jetzt an oder welche Farbe man sich grad vorstellt (lacht). Also das sind
373
Sachen, die halt dann im ersten Moment ein bissl komisch auch sind.
374
Wie fühlt sich das jetzt an, dass man sich überlegt, was geht mir jetzt
375
grad durch den Kopf. Oder wenn man sagt, ich hab jetzt ein komisches
376
Gefühl, ja, was ist das für eine Farbe, dass man oft so Fragen bekommt,
377
die halt bei den anderen nicht unbedingt da sind.
378
Wir waren ja eh schon dort. Die CranioSacral Therapie zählt ja – wie
379
auch diese anderen Verfahren – zur Komplementärmedizin. Wie ist
380
denn ihr genereller Zugang zur Komplementärmedizin?
381
IP 5: Mittlerweile sehr gut. Früher war das für mich so, dass ich gesagt
382
hab, ich kanns mir nicht vorstellen. Bei mir wars halt so, dass ich
383
ziemliche Probleme hatte mit Nahrungsmittelallergien, die allerdings
384
nicht am Anfang als Nahrungsmittelallergien diagnostiziert wurden. Und
385
ich da ein Jahr lang wirklich von Arzt zu Arzt gelaufen bin und dann
386
schon ziemlich verzweifelt war. Dann die Allergien diagnostiziert wurden
387
und man halt gesagt hat, ja das ist halt jetzt ein Pech, mit dieser
388
Unverträglichkeit, da muss man halt damit leben. Und bei mir waren es
389
halt so Sachen wie Zucker und Weizen. Und das war Mitte der 90er, wo
390
es halt auch diese ganzen Möglichkeiten sich jetzt alternativ zu
391
ernähren, noch nicht so gab wie jetzt. Ich mein jetzt ist es kein Problem,
392
es gibt diese ganzen Biosupermärkte, es gibt auch heute bei den
393
besseren Bäckern jetzt auch schon die Möglichkeit Brot ohne Weizen/
394
Aber zu dem Zeitpunkt wars halt einfach ein Hammer, wo man gesagt
395
hat, was soll ich jetzt tun, ich kann ja nichts mehr essen und man da halt
396
schon leicht verzweifelt ist und man sagt, wie mach ich das jetzt. Und
397
dann bin ich eben auf diese Bioresonanztherapie gekommen, die mir
398
dann super geholfen hat und ich hab keinerlei Beschwerden nachher
399
mehr gehabt. Und ich glaub, wenn sie gar nicht geholfen hätte, dann
400
wärs vielleicht auch anders gewesen, aber mir hat sie halt sehr gut
401
geholfen. Und das war nach dieser ganzen Odyssee in der
402
Schulmedizin, war das für mich halt so, dass ich gesagt hab, oh wow,
180
403
das geht auch ohne jetzt eine besondere Einschränkung im Leben zu
404
haben. Dass man das irgendwie anders behandeln kann auch. Weil das
405
wurde halt von der Schulmedizin gar nicht aufgezeigt.
406
Und haben Sie bei stimmtechnischen Problemen auch bereits
407
Schulmedizin in Anspruch genommen?
408
IP 5: Ja, also es war schon so, dass wenn ich gesagt hab, ich hab jetzt
409
irgendein Problem mit den Stimmbändern oder was immer schon auch
410
HNO einmal zum Abklären, dass ich gesagt hab, ist da jetzt irgendwas,
411
weil wenn ich halt ein Knötchen am Stimmband hab, dann muss ich es
412
eh behandeln lassen. Da wär ich sonst nicht so weit kommen. Das
413
schon ja.
414
Wie war die Behandlung von dem Stimmbandknötchen?
415
IP 5: Das war mit Antibiotika einfach, also Antibiotika und wirkliche
416
Stimmschonung.
417
Wie lang hat das ungefähr gedauert?
418
IP 5: Naja, ich schätze so zwei Monate oder so. Es war Gott sei Dank
419
so, dass es halt, wenn man einmal in der Woche im Gesangsunterricht
420
ist, dass halt kleine Dinge sofort auffallen irgendwo. Schon beim
421
Aufwärmen hat dann die Gesangslehrerin gesagt, oh, ich hör da was.
422
Da ist irgendwas geschwollen und sie dann halt auch sagt, du lass dir
423
das abklären. Also das ist der große Vorteil, wenn man das einmal in der
424
Woche hat, dass Dinge halt gleich im Anfangsstadium irgendwie dann
425
behandelt werden können. Bis man so ein Stimmbandödem dann
426
wirklich merkt, glaub ich, wenn man jetzt nicht ständig unter Betreuung
427
ist, glaub ich wird das dauern. Bis man dann einfach sagt, ok, die
428
Stimmbänder schließen nicht mehr ordentlich. Und dann ist es aber
429
schon so weit, dass man dann halt wahrscheinlich in die Not kommt,
430
dass man dann irgendwann halt operativ was machen muss, weil man ja
431
die ganze Zeit dann noch drauf singt. Und bei mir das immer war, wenn
432
auch schon der kleinste Punkt war, ich zum HNO gegangen bin, das
433
behandeln ließ und dann gleich gesagt hab, ok, ich sing jetzt einmal
434
nicht.
435
Und wieder eine fiktive Frage: Wie wäre jetzt die Vorgehensweise,
436
wenn ein stimmliches Problem auftreten würde von Ihrer Seite
437
aus?
438
IP 5: Ja (lacht). Also ich würde mich wieder auf meine Gesangslehrerin
439
verlassen, die halt auch sich mit den medizinischen Sachen sehr gut
181
440
auskennt. Also die halt einfach, wenn die sagt, geh jetzt dorthin zum
441
HNO, dann weiß sie, wieso sie es tut. Würde das zuerst so abklären
442
lassen und dann halt auch mit ihr besprechen, kann man andere Dinge
443
auch noch machen. Also sie ist Gott sei Dank jetzt auch in der
444
Komplementärmedizin sehr gut bewandert. Das heißt, wenns irgendwas
445
gibt, was man da machen könnte, dann würde sie es auch vorschlagen.
446
Ok, das heißt, eigentlich ist so die Gesangslehrerin das, wie soll ich
447
sagen, das Zentrum, auf das Sie sich berufen?
448
IP 5: Ja, ja, genau!
449
Kommt auch wieder an auf die Gesangslehrerin, glaub ich, weil es gibt
450
auch Gesangslehrer, denen das ziemlich egal ist, die halt sagen, du
451
musst da jetzt singen. Also sie ist schon sehr vorsichtig, was das
452
anbelangt und hatte auch schon Schüler, die halt Stimmbandknoten
453
gehabt haben vorher, mit denen sie halt dann ganz anders arbeitet, als
454
es halt jemand anders machen würde. Also das ist so wie beim Friseur.
455
Dass ich sag, es gibt Friseure, die halt sagen, wenn sie jetzt unbedingt
456
heute total blondiert wollen und morgen dann ganz schwarz, dann mach
457
ich ihnen das, auch wenn die Haare abbrechen. Und dann gibt es
458
Friseure, die sagen, sie können es gerne machen, aber nicht bei mir.
459
Jetzt muss ich nur kurz nachschauen. (…) Das heißt, wenn ihnen
460
jetzt ihre Gesangslehrerin etwas vorschlagen würde, das würden
461
sie einfach ausprobieren?
462
IP 5: Ja.
463
Und wenn sie sich selber für ein Verfahren entscheiden, also wie
464
sie es ja auch früher gemacht haben. Was ist da so die
465
Entscheidungsgrundlage? Also worauf achten Sie?
466
IP 5: Also bei mir kommts drauf an, ob ich jetzt jemanden kenne, der es
467
schon gemacht hat, der mir irgendwas drüber sagen kann auch, wie das
468
jetzt genau passiert, wie das gewirkt hat oder obs nicht gewirkt hat. Also
469
so Erfahrungsberichte wären mir schon wichtig. Wenn ich jetzt gar
470
niemand kenne, würd ich vielleicht im Internet ein bissl nachschauen
471
(lacht) und mich dort auch ein bissl schlau machen und dann halt
472
feststellen, obs für mich irgendwas gibt, was ich jetzt nicht glaube, oder
473
was sich für mich halt widersprüchlich darstellt. Weil wie ich vorhin
474
schon gesagt hab, wenn ich jetzt glaube, ich kanns mir nicht vorstellen
475
oder es ist für mich ein absoluter Humbug und das mach nicht, dann
476
würd ichs nicht ausprobieren. Weil ich glaub, dass sich dann der Körper
182
477
viel zu sehr dagegen sträubt irgendwie, als dass es wirksam sein
478
könnte.
479
Ja, also bin grundsätzlich mit meinen Fragen durch. Eine
480
Abschlussfrage, die ich immer gern stelle. Obs von Ihrer Seite jetzt
481
noch irgendwas gibt, was Sie jetzt zu diesem Thema zu sagen
482
haben oder wo ich vielleicht auch nicht gefragt hab, was Ihnen aber
483
wichtig wäre, dass das noch irgendwie dann mit reinspielt?
484
IP 5: Ja, ich mein so grundsätzlich find ichs halt immer schade, dass es
485
diese ganzen Sachen zwar gibt, dass es auch erwiesen ist, dass sie
486
durchaus wirksam sein können und dass man aber natürlich so wenig
487
die Möglichkeit hat, das auch zu machen. Das ist so ein bissl diese
488
Zweiklassen-Medizin, die mich halt ein bissl stört. Wo ich sagt, es wird
489
halt jemand, der finanziell sich das nicht leisten kann, ja, also ich weiß
490
das von der Bioresonanztherapie, die/ Ja, man konnte sie einreichen,
491
aber es war halt immer, man hat glaub ich 20% bekommen. Und das
492
war damals Mitte der 90er Jahre, wo das aufgetreten ist, das erste
493
Institut in Wien, das das angeboten hat und das war ein ziemlich teures
494
Institut. Das war so, dass man gesagt hat, da geht man halt im
495
Normalfall nicht hin. Und dementsprechend waren die Preise auch. Und
496
ich hab damals, das waren noch Schillingzeiten, also für diese Therapie
497
15000 Schilling bezahlt. Wobei die Krankenkasse wirklich einen sehr
498
geringen Teil übernommen hat. Und ich war vorher, wie gesagt, ein bis
499
eineinhalb Jahre, sehr XXX (Wort nicht verstanden) mit diesen Allergien
500
und bin auch oft in der Firma ausgefallen. Hab Internisten besucht,
501
Röntgenbilder vom Scheitel bis zur großen Zehen en masse. Und für
502
mich ist es halt dann so, dass ich sag, wenn ich das jetzt
503
gegenüberstelle, dann hab ich wahrscheinlich in der Schulmedizin
504
glaube ich jetzt einmal sogar mehr als diese 15000 Schilling verbraucht
505
und es hat mir aber nichts geholfen. Also das ist für mich immer so ein
506
bissl schwierig, dass ich sag, es ist so diese Zweiklassenmedizin auch in
507
diesen Dingen. Also es wird halt einfach nicht gefördert im Endeffekt.
508
Und das ist das, was ich ein bissl schade finde.
509
Ja, es ist die Erforschung dieser Verfahren sehr schwierig.
510
IP 5: Ja (lacht).
511
Ja, sie haben natürlich vollkommen recht. Es ist ja nicht umsonst,
512
dass ich dieses Thema gewählt hab.
183
513
IP 5: Also das ist schon ein Wahnsinn, dass man sagt/ Vor allem, wenn
514
man dann verzweifelt genug ist, dann sagt man, es ist mir jetzt egal, was
515
das kostet. Also es wär mir vollkommen egal gewesen, ich hab auch
516
dann nicht mehr auf die Kosten geschaut sondern ich hab gesagt, ok ich
517
mach das jetzt. Es hat allein dieses Austesten der Allergien – weil das
518
jetzt natürlich noch viel weiter geht, als dieser klassische Allergietest
519
vom Hautarzt – allein dieses Austesten hat damals gleich an die 4000
520
Schilling gekostet. Wo man halt nur sitzt und ein Flascherl nach dem
521
anderen in die Hand bekommt und man feststellt, was ist es jetzt genau.
522
Ja, das ist ziemlich ins Geld gegangen und wenn sich das jemand nicht
523
leisten kann, dann sagt er halt, ok, dann bin ich halt die nächsten drei
524
Jahre auch noch außer Gefecht. Und vor allem es ist ja auch, es ist ja
525
nicht nur so, dass ich sag, ich fall jetzt aus, sondern es fangen ja dann
526
ganz andere Dinge an. Also wenn man ständig Beschwerden hat, das
527
schlägt sich halt auch auf die Psyche, weil wenn man grundsätzlich
528
sonst ein gesunder Mensch war und dann ständig Beschwerden hat und
529
dann sagt, es geht mir immer schlecht also das schlägt sich extrem auf
530
die Psyche.
531
Ja. Ja, dann vielen Dank!
532
IP 5: Gerne, gerne!
533
534
Gespräch dazwischen
535
536
IP 5: Gut ich glaub bei der CranioSacral Therapie / Ich mein, es ist ja
537
grundsätzlich so, dass ich sag, jetzt in Bezug aufs Singen. Selbst wenn
538
ich jetzt keine Störung hab also wie bei mir mit dem Atmen oder mit
539
meinen Stimmbandproblemen, sondern grundsätzlich, dass ich sage,
540
wenn ich heute singe, dann sing ich immer besser, wenn es mir besser
541
geht. Es gibt wenig Leute, ich mein ich gehör auch ab und zu dazu,
542
wenns mir manchmal absolut schlecht geht, dann gibt’s Tage, da sing
543
ich extrem gut, aber das sind dann wirklich nur die Tage, wo es wirklich
544
ganz schlecht ist. Aber alles so dazwischen, singt man ja nicht gut, weil
545
das kommt ja aus einem raus und wenns jetzt da drin chaotisch
546
ausschaut und man sich unrund fühlt, dann wirds nicht super sein, was
547
da rauskommt. Und deshalb find ichs ja auch ziemlich interessant
548
grundsätzlich für die Stimme. Man fühlt sich ja nachher immer besser
549
und das wirkt sich ja aus. Also ich kenn eigentlich niemand, der sagt, mir
184
550
gehts heut total schlecht und ich würd jetzt gern ein Liedchen trällern.
551
Also es ist ja Singen eigentlich ein Ausdruck von Freude oder dass ich
552
irgendwas mitteilen will und ich glaub halt, dass die wenigsten, denen es
553
jetzt schlecht geht, sagen, ich würd jetzt gerne etwas mitteilen. Das ist ja
554
dann das Schwierige dann. Deshalb glaub ich, dass es einfach auch
555
wichtig ist, weil das so auf den ganzen Körper wirkt, dass man sagt, das
556
ist positiv grundsätzlich für den Gesang. Es ist egal, ob ich jetzt
557
irgendeine besondere Störung hab oder nicht, sondern es ist schon
558
positiv. Also bei mir wars ja auch immer so, dass die Gesangslehrerin
559
gesagt hat, ich bin ein sehr kontrollierter Mensch und das stimmt auch.
560
Und das ist natürlich fürs Singen auch total schlecht, dass man sagt,
561
man soll ja eigentlich nicht kontrolliert sein. Also bei mir zum Beispiel,
562
ich mach irgendeinen schweren Fehler, ich mach irgendeinen Einsatz,
563
der gar nicht stimmt und man sieht es mir nicht an. Also ich hab ein
564
absolutes Pokerface. Dann steh ich dort und sing einfach weiter und es
565
merkt keiner. Und meine Gesangslehrerin hat zu mir gesagt, das ist eine
566
super Gabe, das können von 100 Leuten vielleicht 10, aber es ist ganz
567
schlecht, weil du viel zu kontrolliert bist. Also die sagt natürlich, es ist
568
besser, wenn man jetzt einen Fehler macht und es dann zumindest
569
irgendwer merkt, weil sie sagt, ich kenn dich so gut und nicht einmal mir
570
fällts auf. Und das glaub ich, ist auch so ein Thema wo man sagt, man
571
muss ich halt dort ein bissl hineinlassen und man muss halt sagen, ich
572
kontrolliers jetzt nicht, weil ich es auch nicht kontrollieren kann. Also das
573
war für auch so ein bissl die Hürde da zu sagen, ich probier das jetzt
574
aus, obwohl mir Leute, die das schon gemacht haben, gesagt haben,
575
das ist total arg und da passiert dann irgendwas. Und dann hab ich mir
576
gedacht, na super, wunderbar, da passiert irgendwas. Also das ist das
577
Spannende glaub ich.
578
Ja, das ist alles sehr spannend.
579
IP 5: Und wie gesagt, es funktioniert nicht bei allen. Ich hab wirklich
580
diesen direkten Vergleich gehabt und es tat mir fast ein bissl leid, weil
581
der hat sich wirklich bemüht, wollte da jetzt irgendwie und ich hab mir
582
gedacht ok, es passiert gar nichts. Und es ist aber sehr gut in den
583
anderen Bereichen, da hat es super funktioniert, nur das Cranio war
584
eigentlich gar nicht vorhanden. So wie wenn irgendjemand sagt, so, ich
585
leg da jetzt die Hand drauf und das war für mich gar nichts.
185
586
Ja, das ist sehr spannend. Das hab ich jetzt schon in mehreren
587
Interviews schon gehört, dass es sehr auf den oder die Therapeutin
588
ankommt.
589
IP 5: Ja, also ich glaub, das ist wie in der Psychotherapie, glaub ich.
590
Wenn ich jetzt einen Therapeuten hab, wo ich sag, der ist mir
591
unsympathisch, dass ich dem dann natürlich nicht alles erzähle, das ist
592
ganz klar. Dass ich sag, es gibt zum Beispiel Männer, wo man sich
593
denkt, die gehen eher zu Männern und dann sagen die, nein, ich hätt
594
gern, wenn ich mirs aussuchen könnt, eine Frau als Therapeutin, was
595
ganz spannend ist. Find ich jetzt einmal. Weil ich würde jetzt glaub ich
596
keinen Mann wollen als Therapeuten. Also das find ich ganz spannend,
597
dass man von Männern oft hört, dass sie zu Frauen tendieren als
598
Therapeuten, das find ich ganz lustig eigentlich.
599
Ja, da hab ich jetzt nicht so die Erfahrung.
600
IP 5: Und da glaub ich ist es, wenn das nicht so funktioniert, dann glaub
601
ich funktioniert/ Es gibt ein paar Sachen, wo man sagt, das sind so
602
Vertrauensstellungen. Also bei mir sinds, weiß ich nicht, Zahnärzte,
603
Gynäkologen, Psychotherapeuten, Gesangslehrer (lacht) Wo es wirklich
604
funktionieren muss, weil sonst glaub ich, ist es nicht gut.
605
Ja, eh, ich mein, je persönlicher das Thema umso besser muss die
606
Beziehung sein. Ja, super, dann vielen Dank!
607
IP 5: Ja gerne!
186
12.2.6
Interview IP6m
1
Gespräch davor
2
Ja, also ich hab hier eh meine Fragen vorbereitet, die ich jetzt nicht
3
eins zu eins so stellen werde, aber wo ich einfach ein bisschen
4
schau, dass ich selber den Faden nicht verlier.
5
Ja, erst einmal so ein paar einleitende Sachen. Was genau ist dein
6
Berufsfeld? Also was machst du und wo sind die
7
Berührungspunkte mit dem Singen?
8
IP 6: Also mein Berufsfeld ist Auftritte spielen, Konzerte spielen, Klavier
9
unterrichten, einen Chor, den ich in der Musikschule mach, die
10
Lehrveranstaltung auf der Musikuni (Lehrpraxis an der Musikschule
11
heißt das), das Studio hier, was ich betreibe und Lieder schreiben. Also
12
das ist es im groben Umriss. Und von der Gewichtung: ich mach im Jahr
13
zwischen 150 - 180 Auftritte, Musikschule hat sich die letzten Jahre
14
immer mehr reduziert oder jetzt hab ich vor zwei Jahren wieder Stunden
15
abgegeben, einfach weil es mit dem Spielen irgendwie sonst zu viel
16
wird, weil ich quasi mir auch diesen Freiraum schaffen wollte fürs
17
Komponieren und fürs Lieder schreiben und für die Konzerte. That‘s it.
18
Und vom Singen her, wann singst du?
19
IP 6: Also ich hab ja erst vor sieben Jahre zum Singen begonnen, also
20
vor sieben, acht Jahren, mit 35. Bis dahin war ich Pianist und Sideman
21
und hab alle möglichen Leute begleitet, die es hier so gibt und, also von
22
Barpiano, Big Bands, Rock'n'Roll Bands, Jazz-Trio, Bälle, Hochzeiten,
23
also alles gespielt, was gegangen ist und dann, so nachdem ich das
24
zehn Jahre gemacht hab, so nach dem Studium ist das eigentlich 10
25
Jahre so gelaufen, hab ich sagen wir auf dem Klavier, hab ich gespürt
26
irgendwie, ich verbieg mich da zu sehr. Und hab dann zum Singen
27
begonnen und zum Lieder schreiben. Und da war so die Initialzündung
28
die Lieder vom Hermann Leopoldi und das ist auch quasi der Großteil/
29
Also ich sing quasi fast quasi ausschließlich Mundart und hab so
30
mehrere Programme, wo ich im Stil dieser alten Klavierhumoristen -
31
Gerhard Brunner, Georg Kreisler, Hermann Leopoldi - auftrete. Und halt
32
Soloauftritte mach, aber auch mit Band. Und mittlerweile hat sich das
33
quasi von 100% nur Klavierspielen, hat sich das eigentlich gedreht, so
34
dass ich ja sicher 80, 85% meiner Auftritte spiele und singe.
187
35
Und hast du das dann irgendwie mit Unterricht nehmen oder total
36
autodidaktisch/
37
IP 6: (unterbricht) Jaja, natürlich. Also ich hab da meine Lehren gezogen
38
aus dem Klavierspielen, wo ich mir von Anfang an nie etwas sagen hab
39
lassen und das quasi auch schmerzhaft bezahlen hab müssen. Also
40
damals wie ich die Aufnahmsprüfung fürs Konservatorium der Stadt
41
Wien und der Musikhochschule gemacht hab, hab ich dann beides
42
geschafft und auch beides fertig studiert, aber quasi das Jahr oder die
43
eineinhalb Jahre davor acht bis zehn Stunden täglich nur geübt und
44
sonst nichts gemacht und bin dann quasi nach geschaffter
45
Aufnahmsprüfung ein Jahr mit Sehnenscheidenentzündung auf beiden
46
Händen gehängt. Und dann hab ich mir gedacht, naja beim Singen bin
47
ich nicht mehr so dumm, sondern ich lass mich da von Anfang an
48
begleiten und hab da so die ersten zwei, drei Jahre schon intensiv
49
immer wieder regelmäßig Stunden genommen bei verschiedenen
50
Leuten. Zuerst war ich bei einem klassischen Opernsänger, das war
51
aber dann ein bisschen eine Sackgasse, vor allem für das, was ich
52
wollte und dann hab ich einfach so punktuell immer wieder so Serien
53
von Stunden genommen bei der XXX und bei anderen.
54
Und wie kam es dann, ich weiß nicht obs vom Singen aus war, zur
55
CranioSacral Therapie?
56
IP 6: Naja, den XXX hab ich deswegen kennengelernt, weil ich vor zwei
57
Jahren eine Hüft-OP/ Ich hab rechts eine neue Hüfte, komplett mit
58
Pfanne und Gelenk und allem was dazu gehört. Und da hab ich halt im
59
Anschluss Physio-Stunden gekriegt und deswegen auch CranioSacral,
60
weil einfach da die ganzen Schonhaltungen im rechten Fuß und ich hab
61
vor sieben Jahren auch einen Bandscheibenvorfall gehabt, der auch
62
irgendwie damit zusammenhängt und einfach so dieser ganze
63
Bewegungsapparat. Und ja, das Ziel war oder ist eigentlich, quasi diese
64
Bewusstwerdung des Bewegungsapparates, quasi was die Arme und
65
Hände betrifft beim Klavierspielen eben im Zuge der
66
Sehnenscheidenentzündung, ich quasi da geschafft hab, das quasi auf
67
ein Level zu stellen, wo es funktioniert, wo ich mittlerweise sechs, sieben
68
Stunden wieder spielen kann ohne dass es was ausmacht, das quasi
69
nicht nur für die Arme sondern auch für die Beine zu schaffen.
70
Ok, das heißt, der XXX ist Physiotherapeut
71
IP 6: Genau, richtig ja.
188
72
mit Zusatzausbildung CranioSacral Therapie.
73
IP 6: Genau ja. Und wahrscheinlich ein Haufen anderer Ausbildungen
74
auch noch. Keine Ahnung.
75
Und der Berührungspunkt war quasi dann damals aufgrund der
76
Hüfte.
77
IP 6: Genau. Also nach wie vor, ich geh nach wie vor zu ihm.
78
Ok, und wie hat sich das dann weiterentwickelt, dass da dann/ Oder
79
gabs irgendwann eine Verbindung zur Stimme oder?
80
IP 6: Nein, eigentlich gar, nein. Also was die Stimme und das Singen
81
betrifft, war meine Prämisse immer, und ich mein, da hab ich halt meine
82
Kilometer gemacht über das Klavierspielen vorher, indem ich da dann
83
schon gewusst hab, und auch als Lehrer eben, ich mein ich unterrichte
84
glaub ich seit dreißig Jahren mittlerweile, dass ich gesagt hab, beim
85
Singen leg ichs einfach anders an. Und das erste, was ich mir
86
vorgenommen hab und das zieh ich bis heute durch, ich sing wirklich nur
87
dann, wenn ich Lust hab. Und nicht, weil ich mir einbilde, ich muss jetzt.
88
Ich mein, ich bin natürlich oft auch in der Situation, klar, wenn ich ein
89
Solokonzert hab, wo ich 60 Minuten alleine auf der Bühne bin, klar muss
90
ich dann. Aber bei anderen Situationen wie Veranstaltungen oder so,
91
dann hab ich oft irgendwie das Glück, dass ich eine Sängerin dabei hab
92
oder einen Sänger und dann kann ich singen wenn ich will und muss
93
aber nicht. Und das war beim Klavierspielen schon, ich mein damals war
94
das beim Klavierspielen schon auch ein großer Druck, weil ich das halt
95
unbedingt zu meinem Beruf machen wollte. Ja. Und da ist irgendwie die
96
Freude an der Sache verloren gegangen. Also eigentlich hab ich es mir
97
selber kaputt gemacht dadurch. Und der Körper hat es halt dann
98
gemeldet. Und beim Singen ist es gar nicht so. Also weil das Singen für
99
mich nach wie vor einfach Freizeit ist, obwohl es mein Beruf ist. Also es
100
ist von der Attitude, es ist einfach/ Deswegen sing ich quasi auch auf
101
Deutsch und auch auf Mundart und schreib meine Lieder quasi
102
ausschließlich in Mundart und hab da nicht den Anspruch wie am Klavier
103
alle Stile zu erfüllen und jeder Situation gewachsen zu sein. Überhaupt
104
nicht, nein. Also wenn ich sing, dann möcht ich mein Publikum
105
erreichen, fertig. Mehr hab ich gar nicht vor.
106
Ok. Wenn du jetzt eine CranioSacral Therapie Sitzung einfach mal
107
beschreibst von A bis Z. Was wird da gemacht, bzw. wie beginnt
108
es, was wird gemacht, wie ist der Abschluss?
189
109
IP 6: Naja, ich kenn das jetzt nur vom XXX, keine Ahnung, ob das
110
generell so gemacht wird, aber er macht das halt so, dass er quasi die
111
Körperstellen, wo er Verspannungen spürt oder wo ich halt sag, da tut
112
es mir weh, dass er da hin spürt, oft auch nicht direkt, sondern halt über/
113
Wenn es in der Hüfte weh tut, kann es ruhig auch sein, dass er auch
114
den Fuß am Knöchel hält, ja. Und dann quasi dorthin spürt und dann
115
das Ganze begleitet wird mit Bildern, die quasi auftauchen in der
116
Situation. Ja, also da ist dann die Aufgabe halt zu beschreiben, das was
117
gerade mir einschießt oder halt dem Patienten in dem Fall. Und das
118
interessante war, dass über die Verbalisierung dieser Bilder sich diese
119
Spannungen - und er spricht da oft immer von frischen Verspannungen
120
oder alten, tiefer liegenden Verspannungen - dass die über die
121
Verbalisierung sich auflösen. Dass die dann rausgehen.
122
Ok. Und was genau macht er?
123
IP 6: Ja, das weiß ich nicht. (lacht) Keine Ahnung. Ja, der hält, der hält
124
den Fuß oder was auch immer. Keine Ahnung wie das funktioniert, aber
125
es funktioniert.
126
Ok. Was ist deine Vorstellung davon, was da passiert? Also was
127
glaubst du, was da passiert?
128
IP 6: Ich glaub, dass da (...) dass quasi er dazu da ist, um jetzt diesem
129
Bereich einfach Zeit und Aufmerksamkeit zu geben. Ja und dass man
130
quasi rundherum die Dinge ausblendet und ausschaltet und quasi jetzt
131
wirklich bewusst sich einige Minuten Zeit nimmt, da sich dem zu
132
widmen. Dass alleine durch das Hinsehen im eigenen Körper schon was
133
passiert, weil ich mein, ich weiß nicht, wie es bei anderen Menschen ist,
134
aber ich vermute mal, dass das so ein Grundbedürfnis ist, dass man
135
eigentlich gern spannungsfrei leben will. In der Kommunikation, in
136
Beziehungen, aber der Körper in sich selbst wahrscheinlich auch. Ich
137
glaub auch so prinzipiell, dass einfach auch Konflikte, auch globale
138
Konflikte, oder zwischenmenschliche eins zu eins Konflikte eigentlich
139
immer nur so den Ursprung darin haben, dass irgendjemand Spannung
140
auflösen will. Und nicht um Spannung zu erzeugen. Und durch den
141
Umstand, dass man da quasi diesem Körperteil jetzt die Aufmerksamkeit
142
gibt, vermute ich mal, dass der dann die Möglichkeit hat, loszulassen.
143
Und in Kombi mit diesen Bildern, die dann kommen, die in meinen
144
Sitzungen halt Erinnerungen waren von Fußballspielen wie ich dreizehn,
145
vierzehn war, unaufgewärmt auf einen Ball draufgehauen hab und dann
190
146
hat mir die Hüfte weh getan oder eine Situation beim Bergsteigen, wo
147
ich mir nachher den Meniskus gerissen hab irgendwie. Dass halt solche
148
Erlebnisse der Körper speichert und wenn man dann in so einer Sitzung
149
quasi wieder da zurückkehren kann, oder dass dieses Bild kommt dann
150
irgendwie, dann kann der Körper da wieder loslassen. Vielleicht ist es
151
auch eine zweite Komponente, dass er einfach durch das Halten, dass
152
da ein Energiefluss passiert, durch die zweite Person, dass da die
153
zweite Person energetisch durchlässig ist und sich drauf konzentriert,
154
dass dann die Energie im anderen, im behandelten Körper auch zu
155
Fließen beginnen kann. Wahrscheinlich eine Kombi, also so stell ich mir
156
das vor.
157
Und welche Auswirkungen sind dann spürbar? Also was ist dann
158
so das Ergebnis von so einer Sitzung? Oder wann merkt man das?
159
Ist es sofort besser, dauert es länger? Braucht man mehrere
160
Sitzungen?
161
IP 6: Ja, also ich würd schon sagen mehrere. Oft ist es schon sofort
162
besser, aber damit es nachhaltig ist, dann schon mehrere.
163
Und hast du schon irgendwelche anderen Verfahren probiert? Jetzt
164
außer der CranioSacral Therapie?
165
IP 6: Naja, halt Kraftübungen, Dehnen.
166
Ok, also sportlich. Und jetzt aus medizinischer Sicht.
167
IP 6: Naja, mit der Hüfte jetzt nicht, aber mit den Armen damals war
168
Akupunktur.
169
Ok. Wie waren da die Erfahrungen?
170
IP 6: Sehr gut. Ja.
171
Und/
172
IP 6: Massage, ganz normale Sportmassage. Ist auch gut.
173
Und das ist jetzt vielleicht ein bisschen eine nicht so einfache
174
Frage. Aber wenn du jetzt versuchst, diese Verfahren, soweit es
175
möglich ist, zu vergleichen. Was sind da die Gemeinsamkeiten und
176
was sind die Unterschiede? Also eben, du hast jetzt gesagt
177
Akupunktur, Sportmassage, Cranio.
178
IP 6: Naja, das was quasi bei der Cranio, jetzt von dem wie ich es erlebt
179
hab, halt einzigartig ist, ist quasi dass die psychologische Ebene
180
mitgenommen wird, einfach in Form der Bilder.
181
Und sonst von den Gemeinsamkeiten her? Gibts Gemeinsamkeiten
182
oder?
191
183
IP 6: (überlegt) Naja, das, ich mein dass dieser Energiefluss, dieses Qi
184
im Körper oder was auch immer das ist, halt wieder ins Fließen kommt,
185
ist wahrscheinlich eine Gemeinsamkeit. Ich mein wenn jemand da den
186
Körper hält und quasi das ermöglicht oder irgendwo Nadeln rein
187
gestochen werden an Punkten, wo es sich staut und dann fließt es
188
wieder, ja, das ist wahrscheinlich das Gleiche.
189
Ok. Und gabs einen bestimmten Grund, warum du dich jetzt für die
190
Cranio entschieden hast?
191
IP 6: Nein, gar nicht. Ich hab einfach Physio-Stunden gebucht und dann
192
bin ich gekommen und hab gesagt, na, jetzt hab ich zu viel trainiert, jetzt
193
hab ich wieder drei Tage mich nicht rühren können und dann hat er
194
gesagt, ok, machen wir eine Behandlung. Und nachher hat er gesagt,
195
ah, das war jetzt Cranio.
196
(lacht) Ok, alles klar. Wie ich ja vorher schon kurz gesagt hab: die
197
Cranio zählt auch zur Komplementärmedizin, das heißt, andere
198
Begriffe dafür sind Alternativmedizin oder ja, alternative
199
Heilmethoden oder so. Also quasi das Pendant zur Schulmedizin
200
oder die Ergänzung zur Schulmedizin. Wie ist da generell dein
201
Zugang dazu?
202
IP 6: Ein positiver.
203
Aufgrund von?
204
IP 6: Aufgrund von/ Einfach, dass ich viele Erlebnisse bis jetzt gehabt
205
hab, wo ich gemerkt habe, das macht Sinn, das funktioniert.
206
Worin siehst du den Unterschied zur Schulmedizin?
207
IP 6: Naja, die Schulmedizin reduziert sich quasi meiner Meinung nach
208
nur so auf die Hardfacts. Also und ein Freund von mir hat mal einen
209
guten Vergleich in einer Diskussion auf den Tisch gebracht. Er hat
210
gesagt, das ist so, wie wenn man ein (stockt) Werk von Goethe als pdf
211
auf einen USB-Stick speichert. Dann stehen in diesem Werk grandiose
212
Ideen und Zusammenhänge und Reime und Inhalte drinnen, die, wenn
213
man es liest, einem Bilder aufgehen oder Erkenntnisse haben kann oder
214
Glücksgefühle, einfach, weil das so toll ist, was der geschrieben hat, die
215
quasi nur im Kopf passieren. Und wenn der Schulmediziner den USB-
216
Stick nimmt und den aufmacht liest er lauter Nullen und Einsen und
217
sagt, na was ist denn das, das ist eigentlich nur Nullen und Einsen und
218
wenn irgendein Fehler ist, dann müssen wir da eine Null gegen eine
219
Eins austauschen. Aber diese übergeordneten Ebenen sind nicht
192
220
erkennbar und das einfach wirklich dumm, nicht den Goethe zu lesen so
221
wie er von der Idee her gedacht ist.
222
Ok. Ja, sagt mir was, das Bild. Und gibts bei dir irgendwie
223
besondere Entscheidungsgrundlagen, wenn du dich für einen Arzt
224
entscheidest oder wenn du dich für ein bestimmtes Verfahren
225
entscheidest?
226
IP 6: Ja, Empfehlung, sonst nichts.
227
Und jetzt noch eine fiktive Frage. Wenn du ein stimmliches Problem
228
hättest, das irgendwie auftreten würde, welche Vorgehensweise
229
würdest du da wählen.
230
IP 6: Nicht singen.
231
Nicht singen? Ok.
232
IP 6: Ja, einfach nichts machen.
233
Warten bis es?
234
IP 6: Dann gehts von selbst.
235
Gut.
236
IP 6: Das hat bis jetzt immer funktioniert. Erfolgsquote 100%.
237
Ok. Alles klar. Ja, ich glaub, das war eigentlich eh schon von
238
meiner Seite aus/
239
IP 6: Also ich mein, ich muss dazu sagen, das funktioniert jetzt in
240
meinem Fall, einfach weil ich, was das Singen betrifft, 100% einfach auf
241
Schiene bin mit einer Intention. Und ich glaub, das ist das wichtigste,
242
eine Intention und ein Ziel zu haben, was man will. Also diesen Auftritt
243
gut zu machen oder dieses Lied singen zu können. Oder diese Leute
244
begeister wollen. Also wenn es da ein klares Ziel gibt, dann tut der
245
Körper von selber um das zu erreichen. Probleme entstehen in erster
246
Linie dann, wenn das Ziel unklar ist, wenn man so schwammige Ziele
247
hat wie: ich würde gerne gut Klavier spielen. Was auch immer das heißt.
248
Also dann entstehen a la long Troubles und das ist wahrscheinlich beim
249
Singen sehr ähnlich. Oder schlechte Ziele: ich möchte besser sein als
250
der. Also das ist auch irgendwie sehr auf der, ich sag mal auf der
251
psychologischen oder spirituellen Ebene. Ich glaub, wenn man wirklich
252
Intentionen hat, die quasi im Reinen mit der Umgebung und mit einem
253
selbst sind und mit dem übergeordneten ich, dann tut der Körper
254
automatisch richtig.
193
255
Und gibts jetzt sonst von deiner Seite aus noch irgendwas, wo du
256
sagst, das hat vielleicht noch mit dem Thema zu tun, das hab ich
257
nicht gefragt oder?
258
IP 6: Die Kombi von CranioSacral und Stimme. (überlegt) Ja, nein,
259
eigentlich. Ich mein, ich bin jetzt kein Sänger-Sänger, sondern ich bin ja
260
Musiker, der auch singt. Und von dem her ist mein erster Fokus immer
261
bei der Musik und jetzt nicht/ Das Instrument steht immer an zweiter
262
Stelle. Eigentlich an dritter Stelle muss man sagen. Weil nach meiner
263
Wahrnehmung funktioniert Musik quasi auf den drei Ebenen, nämlich
264
Hören, Wissen, Spüren. Und die wichtigste Ebene ist einfach das Hören.
265
Also quasi eine klangliche Vorstellung von dem zu haben, was man will.
266
Und als zweites dann quasi die Analyseebene irgendwie dazuzuschalten
267
und zu sagen, ok, das ist jetzt die Terz oder die Quint oder hier sing ich
268
eine Achtel und da ist ein Vier-viertel-Takt oder was auch immer. Oder
269
einen Text auswendig zu lernen, das ist quasi so die analytische Ebene.
270
Und erst an dritter Stelle kommt für mich beim Klavierspielen die
271
haptische Ebene oder eben die Körperebene, das Spüren. Und in dieser
272
Reihenfolge sollte für mich halt immer sich das eine dem anderen
273
unterordnen. Und wenn man das quasi für sich richtig reiht, dann
274
funktioniert es auch und dann kann es zu keinen Problemen kommen.
275
Die Analyse und das Körpergefühl folgen immer dem klanglichen Ziel.
276
Und dann ist es rund und das ist auch quasi beim Unterrichten so, quasi
277
als Lehrer, wenn der Schüler kommt und er spielt was vor und er baut
278
sich bei einer Stelle ein und es funktioniert nicht, dann ist der
279
Lösungsansatz immer auf einer der drei Ebenen zu suchen. Entweder
280
wissen die Finger nicht genau, wo sie hingehören oder er weiß nicht,
281
was der siebente Ton im siebzehnten Takt ist auswendig, ja, oder er hat
282
eigentlich keine Ahnung wie das Stück klingen soll. Und da greift man
283
halt dann punktuell ein, aber die wichtigste Ebene ist quasi immer das
284
Hören. Deswegen mach ich quasi auch in der Musikschule es immer so,
285
dass ich immer sag irgendwie es ist Musiklernen ist wie ein natürlicher
286
Prozess, wie wenn ein Kind sprechen lernt. Zuerst über Zuhören und
287
Nachsprechen lernts die ersten Worte und mit sechs Jahren erst Lesen
288
und Schreiben. Und nicht zuerst einmal das Notenblatt und die Linien
289
und dann über das zu erfahren, wie es eigentlich klingt, sondern, die
290
Reihenfolge ist da wichtig. Und dann funktioniert das in den meisten
291
Fällen. Und dann ist es auch für denjenigen der da musiziert oder spielt
194
292
oder singt nach meiner Erfahrung ein positives und befriedigendes
293
Erlebnis. Und ich mein, wenn es zu Problemen kommt, wie im
294
Bewegungsapparat oder beim Singen, dann stimmen diese
295
Reihenfolgen nicht. Dann ist vielleicht der Anspruch - das gibts ja - beim
296
Komponieren oder Spielen möglichst komplizierte Musik zu machen.
297
Dann reiht man quasi den analytischen Faktor vor den gehörten Faktor.
298
Oder der Anspruch ist technisch irrsinnig schwierige Sachen zu können.
299
Dann reiht man die Haptik oder die Motorik vor dem Hörerlebnis. Und
300
ich mein jeder hält unterschiedlich viel aus als Mensch und deswegen
301
kommt das bei einem dann früher oder später, dass er halt dann
302
Probleme kriegt im Bewegungsapparat. Aber ich glaub, wenn die
303
Reihenfolge ist: das wichtigste ist einfach, wie soll es klingen, dann wie
304
funktionierts und dann wie spürt sich das an, was muss der Körper
305
machen. Wenn das eingehalten wird, ist alles easy, dann hat man nur
306
Spaß an der Sache.
307
Für mich als Klassikerin sehr spannend. Was mir jetzt grade noch
308
zwischendurch eingefallen ist. (überlegt) Naja, ich muss jetzt
309
überlegen, wie ich die Frage stelle, dass ich sie nicht zu assoziativ
310
stelle. Hast du schon direkt nach Cranio-Sitzungen gesungen und
311
gab es für dich da einen Unterschied zu nicht?
312
IP 6: Also direkt nach Cranio-Sitzungen jetzt nicht, aber was ich schon
313
kenne, ist, wenn ich eine Sportmassage mache, so eine
314
Ganzkörpermassage und dann geh ich da her ins Studio und sing was
315
ein, plötzlich geht das alles viel besser (lacht). Das kenn ich schon, ja.
316
Ich hatte auch schon mal so die Idee vor ein paar wichtigen Tracks zum
317
Einsingen eine Stunde vorher eine Massage zu buchen und dann
318
Einsingen zu gehen. Ich mein die Cranio-Sachen sind halt bei mir fast
319
auf die Hüfte beschränkt.
320
Ja, also ich glaub, ich bin von meiner Seite aus durch.
321
IP 6: Vielleicht eine Sache, die jetzt quasi noch um das Thema, dann bin
322
ich quasi alle meine Weisheiten losgeworden (lacht). Weil du grad
323
gesagt hast, dieses Spannungsfeld von Klassik und Popular, dass das
324
interessant ist. Ich hab meine Diplomarbeit damals geschrieben über
325
Komposition und Improvisation im Jazz anhand österreichischer
326
Fallbeispiele und die Fragestellung war quasi, ab wann ist etwas
327
komponiert und ab wann ist was improvisiert. Weil man kann sich
328
hinsetzen und ein paar Töne hinein klopfen, wie es einem grade kommt
195
329
und sag mal, das ist improvisiert. Und ab dem Moment, wo ich das
330
aufgenommen hab auf einem Gerät und dann runter schreib auf Noten,
331
ist es schon komponiert. Also es ist ja so eine Sichtweise, die Dinge, ab
332
wann macht man sie fest und ab wann nicht. Und im Zuge diese Arbeit
333
zu schreiben, bin ich dann auf etwas gestoßen, wieder quasi so ein
334
Kastlsystem, aber bis jetzt hab ich noch niemanden getroffen, der quasi
335
da nicht hineinfallen würde oder der das widerlegen könnte. Da bin ich
336
draufgekommen, dass der Faktor beim Improvisieren und Komponieren,
337
dass es da quasi keinen Unterschied gibt. Komponieren und
338
Improvisieren ist der gleiche Prozess, nämlich Output. Der einzige
339
Unterschied ist der Faktor Zeit. Beim Improvisieren rennt die Time und
340
es muss sofort in der Sekunde passieren. Beim Komponieren hat man
341
Zeit nachzudenken, wie man etwas hinsetzt. Aber es ist ein kreativer
342
Prozess des Outputs. Im Gegensatz dazu der Prozess des Inputs, wenn
343
ich ein Notenblatt vor mir hab und mir erarbeite, wie dieses Stück
344
funktioniert, dann saug ich das in mich ein. Oder ich hab eine Aufnahme
345
und schreib mir das Solo vom Charlie Backer runter, dann hol ich quasi
346
Information in mich hinein. Und hab quasi im Zuge dessen dann eben
347
gesehen, dass es einfach beim Musizieren und auch beim Üben, also
348
jedes Mal, wenn man mit Musik in Kontakt und in Berührung kommt, es
349
quasi immer diese zwei Räume gibt, in denen man sich bewegt.
350
Einerseits die Output-Phase, Lieder schreiben, komponieren,
351
improvisieren, arrangieren auch, wenn man sich neue Stimmen
352
ausdenkt und die Input-Phase, Solos lernen, einen Bach lernen, sich
353
was zeigen lassen von wem anderen. Und ich bin dann
354
draufgekommen, auch im Zuge der Arbeit mit meinen Schülern, dass –
355
der Mensch sucht ja immer nach Ausgleich, um da quasi den Bogen zu
356
spannen von ganz am Anfang vom Interview – dass quasi der
357
Musizierende dann für sich selbst am glücklichsten ist und das größte
358
Glückserlebnis hat, wenn diese Output und Input-Phase ungefähr 50-50
359
ausgeglichen ist. Was auch gut zu beobachten war bei Leuten, die zu
360
stark in der Input-Phase sind. Input-Phase, das sind unter
361
Anführungszeichen oftmals die Klassiker, aber es gibt auch viele Jazzer,
362
die quasi dann irrsinnig weit kommen können, weil sie sich alles
363
reinziehen und die großartigen Erfindungen von anderen Menschen
364
quasi lernen und in sich speichern und auch reproduzieren können, aber
365
die sind irrsinnig stark in der Input-Phase und haben oftmals das
196
366
Problem, sag ich mal, dass sie insofern unglücklich sind, weil viele das
367
Gefühl haben, diesen großen Meistern nie genügen zu können. Weil die
368
Vorbilder, Mozart, Bach, Coltrane, wer auch immer, einfach irrsinnig
369
hoch vom Level und von der Informationsflut sehr dicht und von der
370
Genialität einfach groß sind. Und sie haben oft das Gefühl, dass sie
371
sagen, wer bin schon ich, ich lern halt das, was die ganz Tollen, aber
372
sonst kann ich eigentlich nichts. Und auf der anderen Seite, die Leute,
373
die zu stark in der Output-Phase sind, das sind oftmals die, die ein
374
Leben lang nur die Blues-Tonleiter spielen, weil sie von sich selber auf
375
nichts anderes kommen und ein Leben lang halt so Stücke komponieren
376
mit sechs, sieben Akkorden und keine Zwischendominanten kennen.
377
Und deshalb quasi schau ich auch bei meinem Unterricht und auch in
378
meinem Umgang mit der Musik immer drauf, dass das möglichst
379
ausgeglichen ist. Einerseits den Input nicht zu verlieren, um sich selber
380
ständig mit quasi neuem Material zu füttern um sich selbst quasi von
381
den einzelnen Levels, was man kann immer weiter hochzuschrauben,
382
von den Fähigkeiten immer besser zu machen. Auf der anderen Seite
383
immer im Schreiben und im Kreativsein, Lieder komponieren,
384
arrangieren, bei Sessions oder bei anderen Situation sich einfach
385
drüberzuhauen über ein Lied improvisatorisch, einfach um dieses, ich
386
sag einmal dieses Gefühl der Allmacht, das man hat, wenn man kreativ
387
ist, das ist ja quasi ein Gefühl der Mächtigkeit, das quasi zu bewahren
388
und quasi mit den anderen, die kreativ waren in den letzten
389
Jahrhunderten quasi auf Augenhöhe stehen zu können und sagen zu
390
können, du hast dir das ausgedacht, ich hab mir das ausgedacht.
391
Ja, das ist natürlich für die Klassiker nicht so leicht. Also grad vor
392
allem für die Instrumentalisten oder Sänger, weil da der Faktor des
393
Komponierens oder selbst Kreativwerdens im Normalfall nicht da
394
ist. Und da ist der Output ja eigentlich, ich sag jetzt mal nur, in der
395
Interpretation von etwas.
396
IP 6: Ja, aber das kann auch schon viel sein.
397
Jaja, eh.
398
IP 6: Ich glaub, es ist oft einfach nur ein Schalter, den man im Kopf
399
umlegt. Wenn man sagt, ok, man ist der Glenn Gould und interpretiert
400
das jetzt so.
401
Ja, eben. Es gibt ja ganz viele, die quasi nur reproduziert haben
402
und trotzdem so einzigartig irgendetwas geschaffen haben, weil sie
197
403
halt sich quasi da auch allmächtig gemacht haben und gesagt
404
haben: so seh ich das.
405
IP 6: Aber ich vergleich es ein bisschen so mit meiner Phase, wo ich
406
quasi 10 Jahre drauf geschaut hab am Klavier und am Keyboard, alle
407
Stile spielen zu können, jeder Situation gewachsen zu sein, im Theater
408
spielen zu können, bei einer Rock'n'Roll Band und so weiter und so fort.
409
Einfach quasi nur Anforderungen zu genügen und das ist quasi ein
410
Prozess, wo man tendenziell dann unglücklich wird. Weil eben die
411
Output-Phase fehlt. Aber in der Kombination funktioniert es ganz gut,
412
auch bei meinen Schülern, die quasi zu fleißig sind und nur das machen
413
was ich sag, die zwing ich dazu, sie müssen mir Kompositionen liefern.
414
Ok. Ja. Gut. Ich wär soweit fertig. Vielen Dank.
415
IP 6: Gerne.
198
12.2.7
Interview IP7w
1
Einfach ignorieren (zeigt auf Aufnahmegerät). Das ist das Beste.
2
IP 7: Ja. Gut. (lacht) Genau.
3
Ja, danke erst mal, dass Sie sich die Zeit nehmen. Ich hab Ihnen ja
4
schon kurz erklärt, worum es geht. Also ich schreib meine
5
Magisterarbeit über Stimmstörungen und die Möglichkeit das zu
6
behandeln, im Speziellen konzentrier ich mich eben auf die
7
CranioSacral Therapie. Und ja, ich wollte jetzt einfach ganz kurz so
8
zur Einleitung fragen, was Ihr Hintergrund ist, was Sie jetzt
9
beruflich tun, ob sie beruflich singen bzw. unterrichten oder so
10
was?
11
IP 7: Genau. Ich hab Gesang studiert in Wien vor vielen Jahren und
12
singe selber und unterrichte aber vor allem. Und zwar jegliches, ich sag
13
mal jede Art, einmal angefangen von Anfängern, dann hab ich auch eine
14
Sängerin, also die auch Gesang studiert hat und genau.
15
Ok. Und was hat im Endeffekt dazu geführt, dass Sie eine
16
CranioSacral Therapie Behandlung hatten oder haben?
17
IP 7: Ich hab das immer wieder gemacht. Eigentlich, was war dann zum
18
ersten Mal? Da war ich/ Es wurde mir glaub einfach empfohlen, das war
19
jetzt aber nicht speziell stimmlich, sondern so wegen, wie das beim
20
ersten/ das ist schon so lange her, da kann ich mich nicht mehr erinnern,
21
warum ich da war. Und ich hab jetzt eine sehr gute Freundin, die die
22
Ausbildung hat und da geh ich einfach regelmäßig auch mal wieder hin
23
und dann meine Osteopathin, weil ich glaub Cranio ist ein Teil auch von
24
der Osteopathie, wenn ich mich nicht irre. Ich weiß nicht, ob Sie die Frau
25
XXX kennen, nicht irgendwie?
26
Nein.
27
IP 7: Nicht, ok. Bei der bin ich jetzt ganz ganz regelmäßig. Und
28
(überlegt) genau, schon auch immer wieder in Bezug auf/ also ich kann
29
jetzt nicht sagen nur in Bezug auf Stimme und Singen. Aber ich sag
30
immer, ich merk dort am besten oft die Veränderungen. Ja, dort merk
31
ichs wirklich.
32
Und das heißt, es gab jetzt nicht speziell ein stimmliches Problem
33
aufgrund dessen Sie eine Cranio-Behandlung in Anspruch
34
genommen haben oder?
199
35
IP 7: Ein stimmliches nicht. Ich habe Kieferprobleme. Ja und da geh ich
36
eben zur Frau XXX, die dann auch, die macht Osteopathie und Cranio
37
auch, das, man könnts als stimmliches Problem nennen, weil da stellt
38
sich natürlich die Frage, was ist Stimme. Also in dem Sinn die
39
Stimmbänder, das ist nicht viel, gell. Also das ist eben alles was zur
40
Tongebung gehört und das Ansatzrohr ist etwas von sehr wichtigem,
41
Zwerchfell ist total wichtig. Weil Singen, sag ich mal, ist 80% Atem. Also
42
insofern, das jetzt speziell mit dem Kiefer hat sich schon sehr auf die
43
Stimme geschlagen, immer schon. Da kann man schon sagen, dass ich
44
es dann speziell fürs Singen mache.
45
Darf ich fragen, was genau da/ Also wenn es Ihnen irgendwie zu
46
persönlich ist, dann sagen Sie stopp, danke.
47
IP 7: Also Kieferschmerzen ein bisschen, bzw. ich merk, dass ich das
48
Kiefer, dass es mir relativ schwer fällt, das so zu öffnen, wie man es zum
49
Singen öffnen sollte, nämlich ganz grade, ganz korrekt. Das ist so eine
50
Mischung von Lockerheit, das ist nicht, wie tot über den Zaun hauen,
51
irgendwie, wie meine Lehrerin immer sagt, aber es ist so eine trotzdem
52
sehr entspannte Öffnung. Und da bin ich draufgekommen, nachdem ich
53
das so im letzten Jahr vermehrt selber auch geübt habe, weil ich selber
54
auch immer forsche, weil ich teilweise auch mit Leuten eben arbeite, die
55
wirklich Stimmprobleme haben grad, das ist ja sehr interessant. Und da
56
komm ich natürlich bei mir selber immer drauf auch, wo es hakt. Und
57
das war einfach, dass ich diese Kieferöffnung richtig, einerseits richtig
58
üben muss und dass es einen Teil gibt, den ich fast nicht kann. Und das
59
wird jetzt schon besser, muss ich sagen. Also das hab ich zuerst nur mit
60
Singen versucht mit Übungen, aber da hab ich gemerkt, irgendwie reicht
61
das nicht, weil es gibt irgendwas das geht nicht nur durchs Üben. Und
62
genau, da bin ich jetzt in Behandlung.
63
Und wissen Sie, was genau gemacht wird für den Kiefer?
64
IP 7: Vom Gefühl, also ich kanns nur laienhaft beschreiben, wie es sich
65
anfühlt. Schon wird viel (...) so irgendwie, ich würd fast bezeichnen, so
66
ein bisschen so ausgestrichen. Ja im Prinzip. Ich mein, das ist schwierig
67
für mich jetzt. Da müssten Sie jetzt wahrscheinlich irgendjemanden
68
fragen, der sich besser auskennt, weil so viel/ Also manchmal drückt die
69
Frau XXX schon auch recht, ich weiß nicht, ob das dann schon nur noch
70
Osteopathie ist, da kenn ich keinen Unterschied. Und dann sind das
71
aber ja sehr feine Bewegungen auch, wo ich das Gefühl hab, das ist
200
72
einfach sehr stark energetisch, wenn man jetzt einfach die Hand drauf
73
legt, und wartet bis sich das quasi von selber löst, was es dann auch tut.
74
Also es ist so eine Mischung zwischen sehr sehr fein und dann schon
75
auch, also sie drückt mir da dann ab und zu auch richtig rein.
76
Ok. Und wie genau sind die Auswirkungen auf die Stimme? Also
77
was spüren Sie stimmlich?
78
IP 7: Dadurch dass ich das Kiefer richtig, in der richtigen Mischung
79
zwischen doch eine Spannung und Entspannung und grad beim Singen
80
ist da so - also wir reden jetzt vom klassischen Singen, gell, also das ist
81
ein Unterschied zu diesen Popsachen - ist da eine Öffnung, eine
82
Entspannung wichtig, ist der Kehlkopf entlastet, das ist mal ganz wichtig
83
und die Stimme, und ich hab jetzt am Freitag ein großes Konzert gehabt
84
und hab mich irrsinnig über das Feedback gefreut, weil ganz viele
85
gesagt haben, die Stimme ist viel runder, viel größer, lauter, sie trägt
86
besser. Also es hat sehr viele Auswirkungen auf den Stimmklang.
87
Eine Frage, die ich jetzt schon eigentlich immer gestellt hab, weil
88
ich das ganz interessant finde: wie erleben Sie so eine
89
CranioSacral Therapie Sitzung so von A bis Z, also vielleicht sogar
90
vom Termin ausmachen bis zum was passiert danach?
91
IP 7: Ok. Also da bin ich vielleicht ein bisschen ein/ da tick ich vielleicht
92
ein bisschen anders. Ich hab, wie soll ich sagen, ich komm ein bisschen
93
aus einem Therapeutenumfeld, also ich hab sehr viele Freunde, das
94
heißt, ans erste Mal kann ich mich jetzt eben nicht mehr/ Ich kann mich
95
erinnern, dass es toll war, aber das war jemand, der wurde mir
96
empfohlen, aber jetzt geh ich quasi zu Freundinnen. Das ist für mich
97
sehr wichtig, weil ich bin sehr anspruchsvoll und ich lass mich nicht
98
gerne von jedem anfassen. Und bei denen weiß ich, es passt und denen
99
vertrau ich sehr. Das heißt, das ist dann etwas, ich mach mir den Termin
100
aus und freu mich drauf, weil mir die Behandlung unheimlich gut tut, vor
101
allem im Moment, sogar wenns ein bisschen, wie gesagt, wenn sie
102
reindrückt, also, das sind jetzt beide Freundinnen. Für mich ist das
103
immer angenehm, also der Körper, ich hab immer das Gefühl, der
104
Körper sagt immer ja. Da gibts so Unterschiede, ja, es gibt manchmal
105
auch Leute, die einen anfassen und man merkt einfach, irgendwas passt
106
da jetzt nicht. Das heißt, auch wenns mal, also arg schmerzhaft ist es
107
eigentlich eh nie, muss ich sagen, wirklich nicht. Und meine Therapeutin
108
sagt auch, wir kommen dann beide ein bisschen wie in Trance. Sie
201
109
arbeitet dann sehr intensiv und wir sind beide wirklich (...) / Ich hab so
110
das Gefühl, wir schwingen gleich und ich bin immer baff, wie sie dann
111
irgendwie Stellen erwischt oder sie macht auch hier (deutet auf Schulter-
112
/Nacken-Bereich), weil natürlich auch Verspannung auf den Schultern,
113
das gehört ja immer alles zusammen, das wissen Sie besser als ich.
114
Das heißt, das ist wirklich für mich ein Luxus und ein Genuss und ein
115
absolutes Must, ja, muss ich sagen. Danach, was schon oft ist jetzt bei
116
diesen Behandlungen, dass ich einen Tag lang, da kommt dann oft
117
Kopfweh. Also direkt den Tag drauf - weiß ich jetzt schon Gott sei Dank -
118
da kanns wirklich sein, dass es mir nicht so gut geht, dass ich irre früh
119
schlafen geh. Also da bin ich unter Umständen um halb acht im Bett und
120
da weiß ich einfach, ok das war jetzt die Behandlung (lacht). Und dann
121
hab ich das Gefühl, dann nach ein oder zwei Tagen geht das durch
122
eben und ich merk meistens ein Resultat.
123
Und Sie haben eh schon ein bisschen beschrieben, was genau
124
gemacht wird, also dass sie drückt, aber eben auch mal nur die
125
Hände auflegt. Was wird sonst gemacht? Ist sie nur am Kiefer oder
126
gibts andere Stellen?
127
IP 7: Sie ist jetzt, weil ich das ganz explizit gewünscht habe, nur
128
heroben, allerdings gibt es ganz viele andere Stellen, also hinten, da
129
auch, am Kopf überhaupt, dann hier, also ich würd sagen der ganze so
130
obere Bereich. Und das ist das was für mich jetzt aktuell ist. Wir haben
131
eine Zeitlang ein bisschen mit dem Zwerchfell gearbeitet, also ich sag
132
auch / Wobei sie schon alles abcheckt und wie gesagt momentan sind
133
wir so/ Aber wirklich auch so auch hinten, das ist ganz toll, so am
134
Hinterkopf, keine Ahnung, was sie da macht, aber es ist super. (lacht)
135
Und beim Zwerchfell, wie waren da die Erfahrungen?
136
IP 7: Also da hatte ich die XXX, die war sehr zart und das war dann fast
137
ein bisschen zu wenig. Ich bin dann gegangen zu einem französischen
138
Osteopathen, ich weiß nicht, ob Sie den Herrn kennen, den XXX, der ist
139
ziemlich bekannt, XXX, ein Kapazunder. Das war dann ein bisschen
140
unangenehm, aber ich glaub, das war eher wahrscheinlich Osteopathie,
141
weil der hat dann schon richtig rein gegriffen, das war dann Osteopathie.
142
Was ich aber auch sagen muss, ich glaub zwei oder dreimal sogar war
143
ich - das hab ich wirklich gebraucht, ja, das war wichtig.
144
Ok. Und hat er gesagt, was er gemacht hat?
202
145
IP 7: Eigentlich nicht. Also naja, ohja, er hat mir gesagt, dass das
146
Zwerchfell hier (deutet auf rechten Rippenbogen) eine Spur, also so
147
hühnerbrustmäßig heißt das glaub, zu sehr angewachsen ist, das ist
148
sowieso, Zwerchfell ist ein bisschen Thema für mich durch Kaiserschnitt
149
und verschiedenste Sachen. Also ist das quasi ein anfälliger Punkt auch
150
für mich. Da hat er mich drauf hingewiesen und hat mir gesagt, ich soll
151
versuchen, wirklich sehr nach vorne zu denken beim Atmen und selber
152
da immer wieder weit machen. Und das merk ich auch, also ich merks,
153
wenn ich in Stress komm, dann ist da, wobei ich glaub, das gehört
154
wahrscheinlich sogar irgendwie zusammen, nehm ich fast an. Fürs
155
Gesamtbild (lacht).
156
Ja, also sängerisch gesehen auf jeden Fall.
157
IP 7: Sängerisch auf jeden Fall, aber ich glaub auch jetzt von der
158
Osteopathie beziehungsweise von der Cranio oder?
159
Ja, es gibt Zusammenhänge auf jeden Fall. Ja, naja, sie haben es
160
eh schon beschrieben, was gemacht wird. Eine Frage: was aus
161
Ihrer Sicht WIRKT an dieser Therapie, der CranioSacral Therapie?
162
IP 7: Für mich ist das (...) eine Verbindung von einer gewissen Technik,
163
wahrscheinlich, also wo greifen, wie greifen, wie halten, in Verbindung
164
mit der Person, die das macht. Also ich glaub, dass das die (zögert),
165
nicht jetzt die technische Fähigkeit, sondern die Einstellung und die
166
mentale Ausrichtung der behandelnden Person ganz wichtig ist.
167
Weil dadurch was passiert?
168
IP 7: Also wie soll ich sagen, was wir eh alle wissen, wenn diese Person
169
sich ausrichtet darauf, was, sag ich einmal, eine positive, liebevolle
170
Ausrichtung hat, dann wirkt sich das natürlich auch auf mein ganzes
171
System, also das übernimmt dann einfach mein System. Oder diese, ich
172
nenns oft eine Weite, also meine beiden Therapeutinnen, da hab ich
173
immer so das Gefühl, das ist jetzt nicht so, dass die unbedingt was
174
verändern wollen, also natürlich wollen sie mir helfen, aber in einer sehr
175
großen Sanftheit. Und es ist schon auch / Und ich glaub, es sind
176
verschiedene Teile, ja, für mich, ja, so genau kenn ich mich nicht aus.
177
Sie haben mich gefragt. Ich sags, wie ich es seh. Eine gewisse Technik
178
und dann diese Einstellung, diese mentale Einstellung von den
179
Behandelnden, die natürlich auch den Selbstheilungsprozess aktivieren,
180
so dass der Körper im Prinzip eine Richtung ein bisschen vorgegeben
181
kriegt, aber dadurch, dass es ja die gute Richtung ist, das ist ja
203
182
eigentlich etwas, was der Köper eigentlich will, das ist ja nie etwas, was
183
nicht normal ist, bekommt er durch diese Einstellungen ein Gefühl dafür
184
und will selber in diese Richtung gehen. So seh ich das halt immer, weil
185
ich es spür, weil ich auch das Gefühl hab, dass das relativ lang
186
weiterarbeitet. Man geht ja auch nicht so oft, ja, ich geh jetzt einmal im
187
Monat und das ist für mich schon relativ viel eigentlich.
188
Ja, also jede Frage, die ich stelle, ist total auf das bezogen, was Sie
189
fühlen und was Sie denken, es geht nicht um richtige oder falsche
190
Antworten, überhaupt nicht (lacht).
191
IP 7: Ja (lacht) Ja.
192
Überhaupt nicht, nämlich gar nicht, weil es eben genau darum geht.
193
Die Theorie zur Cranio gibts natürlich, aber die Frage ist was
194
erleben die Behandelten und wie erleben die diese Therapieform.
195
Das ist eben der Punkt, den ich grad auch versuch zu erforschen.
196
IP 7: Was wahrscheinlich schwierig ist, weil ich stell mir wirklich vor,
197
dass es extrem unterschiedlich ist, wie halt jeder ist oder, wie jeder
198
funktioniert, oder?
199
Erstaunlicherweise, also jetzt nach sieben Interviews kann ich
200
sagen, erstaunlicherweise gar nicht so unterschiedlich.
201
IP 7: Ok. Aha. Spricht dafür.
202
Ja. (lacht)
203
IP 7: (lacht auch)
204
Eine Frage noch, weil ich es eben auch aus anderen Interviews
205
gehört hab: Bewegt sich die gesamte Therapie rein auf der
206
körperlichen Ebene oder gibts auch noch, jetzt außer dieser
207
Therapeuten-Klienten-Ebene, gibts noch was anderes, was mit
208
reinspielt?
209
IP 7: Da versteh ich jetzt die Frage nicht ganz, weil ich weiß von einer,
210
von der Karin, die mich auch behandelt, dass die schon, jetzt außerhalb
211
vom körperlichen eben mental dann sehr konzentriert ist irgendwie und
212
sehr dabei ist. Und ich glaub, die XXX macht das mehr gar nicht so
213
bewusst, aber die eigentlich auch. Aber das ist natürlich diese Kunden
214
oder Patienten-Therapeuten-Ebene. Deswegen versteh ich jetzt nicht
215
ganz genau.
216
Was ich meine ist, wird einfach nur, wie jetzt bei der Massage
217
einfach quasi körperlich gearbeitet oder gibts auch ein
204
218
begleitendes Gespräch oder irgendwas, was auf dieser Ebene
219
stattfindet?
220
IP 7: Also während der Behandlung eigentlich nicht. Also vorher und
221
nachher wenn ich will. Während nicht, wobei ich jetzt einmal davon
222
ausgeh, dass die spüren, dass ich da wirklich nicht reden will. Also sie
223
sagen zwar, wenn irgendwas ist, kann ich es sofort sagen oder wenns
224
whatever, wenns weh tut. Aber eigentlich ganz ganz selten. Wie gesagt,
225
das ist dann, wir sind dann beide irgendwie wie in Trance und ich hätte
226
das Bedürfnis gehabt, ganz im Gegenteil, ich will dann eigentlich nicht
227
reden.
228
Wissen Sie, welche Ausbildung die beiden gemacht haben? Es gibt
229
ein paar verschiedene Richtungen. Es gibt zum Beispiel Upledger
230
CranioSacral Therapie. Und es gibt biodynamische, die sich eher
231
auf Still beruft.
232
IP 7: Keine Ahnung. Also ich weiß nicht, ob Ihnen das was sagt, die
233
XXX hat die Ausbildung gemacht in der Schweiz, bei diesem hm-hm,
234
irgendein Hof. Das ist ein sehr bekanntes Ausbildungszentrum im
235
Emmental. (...) Aber ich hab keine Ahnung.
236
Ok, na, da kann ich eh nachschauen. Ok. Was haben Sie an
237
anderen Verfahren schon ausprobiert? Jetzt nicht unbedingt im
238
stimmlichen Bereich sondern einfach generell?
239
IP 7: Körperlich jetzt? Zur/
240
Genau. Einfach so körperlich-medizinisch zur/
241
IP 7: Also Yoga mach ich regelmäßig. (überlegt) Osteo, Cranio, was hab
242
ich denn sonst, hab ich sonst irgendwas gemacht? Was gibts denn da
243
so? Jetzt fällt mir nichts ein.
244
Hmm, ich weiß nicht, manche haben Shiatsu genannt, oder/
245
IP 7: Genau, Shiatsu hatte ich auch schon, stimmt, genau. Ja, Shiatsu
246
hatte ich, weil diese Freundin war, zuerst hat sie Shiatsu gemacht und
247
jetzt macht sie mehr und mehr Cranio. Genau, aber das wars dann auch
248
schon so, würd ich sagen.
249
Ok. Und wenn Sie jetzt versuchen diese Verfahren einmal
250
miteinander zu vergleichen. Entweder eines rausnehmen und der
251
Cranio gegenüberstellen oder generell einfach kurz durchdenken,
252
wo sind da so die Gemeinsamkeiten von diesen Verfahren und wo
253
sind aber die Unterschiede jetzt im Speziellen zur CranioSacral
254
Therapie? Auch wieder aus Ihrer Sicht.
205
255
IP 7: Also ich denk mir, wenn ich jetzt unterscheide zwischen Cranio und
256
Osteopathie, kann ich das, weil das gehört ja eigentlich zusammen?
257
Dann find ich die Cranio, also die Behandlungen, die ich hatte, waren
258
schon zarter in der Berührung - viel, ist irgendwie stiller, oft auch mit
259
einfach einem, wo ich das Gefühl hab, jetzt ist da etwas, aber eigentlich
260
bewegt sich nichts. (...) Während genau, die Osteopathie, die ist im
261
ersten Moment körperlicher. Dann ist der Unterschied auch, ich weiß
262
nicht, ob das jeder, ich glaub es macht nicht jeder Osteopath, bei
263
meinem Osteopathen bin ich in der Unterwäsche. Es ist ok, aber ich
264
finds oft angenehmer nicht, muss ich sagen. Das sind für mich so die
265
Unterschiede. Also (...) Osteopathie (...) wann geh ich wohin? Ja, also
266
wenn ich das Gefühl hab, ich hab mir einfach mal wieder einen Wirbel
267
ein bisschen verdreht, geh ich eher zum Osteopathen. Oder eben beim
268
Zwerchfell, das hat sich dann für mich herausgestellt, dass ich jetzt das
269
ein bisschen brauch. Ich mein im Prinzip tut der ja auch die
270
Selbstheilung aktivieren, aber trotzdem ein bisschen massiver. Also ich
271
glaube mit der Erhöhung meiner eigenen Sensibilität in den letzten, was
272
weiß ich, zehn, fünfzehn Jahren, bin ich jetzt eher bei Cranio, weil ich
273
einfach so viel spür in der Cranio. Weil ich das Gefühl hab, woah, das
274
geht ab. Und das wär vielleicht vor zehn, fünfzehn Jahren hätt ich mir,
275
es tut sich ja genauso was, aber wenn ichs nicht spür dann denk ich mir,
276
ok jetzt zahl ich da ein Geld und hab eigentlich irgendwie/ Also es kann
277
sein, dass ich da noch mehr Panzer hatte auch körperlich irgendwie,
278
dass ich das Gefühl hab, na, jetzt brauch ich jemand, der so richtig
279
eingreift. Und je sensibler ich geworden bin umso mehr ist das schon
280
mehr als genug eine gute Cranio (lacht).
281
Ok. Und in Bezug zu Shiatsu?
282
IP 7: Ich habs ein bisschen ähnlich eigentlich empfunden, wenn ich so
283
überleg. Na, wobei Shiatsu ist auch, Shiatsu find ich, ist extrem
284
unterschiedlich. Ich weiß nicht, ob Cranio auch so unterschiedlich ist.
285
Manche machen das auch ganz ganz fein und andere wiederum tun
286
auch/ Also was jetzt für mich einfach war und da weiß ich nicht warum,
287
ganz ehrlich. Ich war eben bei dieser Freundin von mir, die sehr tolle
288
und ganz viele Ausbildungen hat und sowohl Shiatsu und jetzt ist sie mit
289
Cranio glaub auch schon bald fertig. Und da war ich jahrelang in Shiatsu
290
und dann hatte ich eine Craniobehandlung und die war einfach/ Also da
291
bin ich einfach dann aufgestanden und hab mir gedacht, jetzt glaub
206
292
mach ich nur noch Cranio bei ihr. Weil das hat für mich da eine stärkere
293
Wirkung gehabt. Und zwar in Form von, dass ich wirklich rausgegangen
294
bin, das ist nämlich noch nicht so lange her, dass ich rausgegangen bin
295
und hab so das Gefühl gehabt, ich spür das so ganz, ich geh jetzt
296
irgendwie anders. Für mich hat zum Beispiel Cranio auch, also sie hat
297
so am Kopf, sie hat eigentlich überall, ich glaub hauptsächlich oben,
298
aber so ein bisschen überall, weiß ich nicht mehr. Also die Cranio für
299
mich hat auch eine Auswirkung auf den Atem und das wissen wir alle,
300
das ist etwas, das ist Leben, Atem ist eigentlich überhaupt das
301
wichtigste. Beim Singen auch, aber allgemein. Ja und sobald etwas eine
302
Auswirkung hat auf den Atem, wird es sehr spannend. Und genau, da
303
hab ich mir gedacht, für mich war - das hängt vielleicht damit
304
zusammen, wie ich ticke - war dann schlicht und ergreifend die Wirkung
305
der Cranio-Behandlung stärker bemerkbar. Kann auch Zufall gewesen
306
sein, das kann ich jetzt irgendwie nicht (lacht)
307
Ich auch nicht. (lacht auch). Die CranioSacral Therapie zählt ja zur
308
Komplementärmedizin. Der Begriff wird Ihnen was sagen? Ja. Wie
309
stehen Sie generell zur Komplementärmedizin?
310
IP 7: Ich, (stottert) wie soll ich sagen, für mich ist das fast das einzige,
311
was zählt. (Satz nicht verstanden). Na, ich steh total positiv dazu. Aber
312
mittlerweile hab ich gelernt, dass auch die Schulmedizin ihre großen
313
großen Vorteile hat, wenn etwas akut ist, wenns, naja, wirklich um
314
Leben und Tod geht. Ja. Aber grundsätzlich mal bin ich viel mehr der
315
Typ für Komplementärmedizin.
316
Warum?
317
IP 7: (überlegt) Weil ich gute Erfahrungen gemacht habe damit. (...) Ich
318
glaube, für mich hängt es schon auch ein bisschen einfach mit den
319
Menschen zusammen, ja, denn Komplementärmediziner haben fast alle/
320
Es gehört halt zur Komplementärmedizin, dass der persönliche Kontakt
321
auch passt, das Menschliche, dass man als Mensch gesehen wird und
322
das ist leider nach wie vor sehr oft in der Schulmedizin viel zu wenig.
323
Gut, die Armen haben wahrscheinlich auch viel zu wenig Zeit, aber
324
trotzdem, das ist ja der halbe Heilungsprozess. Also das find ich wirklich,
325
dass das System - nicht nur in Österreich sondern überall - das ist ganz
326
ganz schiach eigentlich. Ja, also da läuft vieles ganz ganz falsch.
327
Wie müsste es aus Ihrer Sicht sein?
207
328
IP 7: Dass diese, ich sag einmal klassischen Ärzte irgendwie mehr Zeit
329
haben auch. Ja, dass sie (...)/ Es geht vor allem um Zeit, es geht vor
330
allem auch drum, dass sie Zeit haben, eben auch zum Beispiel das
331
Seelische abzuchecken bei jemandem, zu fragen. Also tatsächlich
332
ganzheitlicher und ja. Und den Mensch irgendwie, ja, als ein Ganzes
333
besser erfassen zu können. Ich weiß nicht, wie, ich denk das ist in der
334
Ausbildung jetzt auch nicht unbedingt so ein Thema aber es ist sicher
335
auch eine zeitliche Sache.
336
Und wenn Sie sich jetzt einen Arzt aussuchen oder einen
337
Therapeuten, wo liegen da Ihre Entscheidungsgrundlagen, also
338
worauf achten Sie?
339
IP 7: Für Komplementärmedizin nur auf Empfehlung von Freunden und
340
Freundinnen, die mich gut kennen. Weil dann weiß ich, meistens passts,
341
weil die wissen, was ich brauche. Und Schulmediziner probier ich aus.
342
Ja. Da hab ich jetzt sogar einen gefunden, einen Allgemeinmediziner für
343
eben so Sachen, wie man es dann doch hie und da braucht, der zwar
344
das Wartezimmer unglaublich voll hat und das ist so mühsam, aber der
345
nimmt sich tatsächlich Zeit. Der nimmt einen ernst irgendwie auch und
346
so diese Mischung von ernstnehmen und trotzdem ein Hausverstand.
347
Ist er reiner Allgemeinmediziner oder hat er irgendwelche
348
Zusatzausbildungen?
349
IP 7: Er hat Zusatzausbildungen, das fällt mir jetzt grad ein. Das hängt
350
im Wartezimmer. Er hat Zusatzausbildungen und zwar auch
351
Komplementärmedizin. Jaja, er hat Zusatzausbildungen, genau (lacht).
352
Nona, net.
353
Also das ist jetzt eine fiktive Frage: Wenn Sie jetzt ein stimmliches
354
Problem hätten, wie wäre Ihre Vorgehensweise?
355
IP 7: Zuerst besprech ich das mit meiner Gesangslehrerin, also ich
356
nehm selber auch immer noch Unterricht. Das ist überhaupt der ganz
357
erste/ Also ganz zuerst, wenn ich ein Problem hab, dann versuch ich
358
ganz zuerst keinen Alkohol mehr zu trinken, Luftbefeuchter überall
359
aufzustellen, zu schauen, dass ich genug schlafe, also so diese ganz/
360
Zu schauen, dass ich genug trink, wieder zu checken, wie sprech ich,
361
ich sprech doch relativ viel, ist es halbwegs gestützt, also kann es was
362
simples sein, hab ich ein bisschen eine Verkühlung, Vitamin C, ja, es
363
muss nicht immer ein Stimmproblem oder Heiserkeit, das sind
364
manchmal/ Ich hab eine Schülerin, ja, die ist eigentlich leider chronisch
208
365
ein bisschen heiser in einer gewissen Lage, aber die unterrichtet selber
366
was anderes und die redet einfach nonstop und spricht tatsächlich ein
367
bisschen auf der Stimme. Die spricht sehr breit, das geht auf die Kehle,
368
ja, also es ist eher das vertikale angesagt. Das ist nicht jetzt das große
369
Wunder, dass die Probleme hat. Also ich versuch so das Normale zuerst
370
abzuchecken. Dann ist das nächste, check ich es mit der
371
Gesangslehrerin ab. Was würd ich dann tun? Ich glaub, ich war seit 15
372
Jahren nicht mehr bei einem Phonologen oder HNO-Arzt, aber hab jetzt
373
da lustigerweise auch wieder eine gute Adresse. Dann, wenn ich das
374
Gefühl hab, ich bin in einem guten Zustand eigentlich körperlich, ja und
375
es ist alles ok und alles richtig und ich bin ausgeruht und man spürt das
376
ja auch ein bisschen. Wenn ich das Gefühl hab, ich hab irgendwas,
377
dann würd ich das einfach mal medizinisch abchecken lassen.
378
Und von der/ Ja, ich mein das ist fiktiv natürlich, das kann man
379
dann eigentlich erst im Moment sagen, aber von der
380
Therapievorgehensweise, was würden Sie da in Erwägung ziehen.
381
IP 7: Das kommt natürlich ganz drauf an. Ich mein natürlich, der Arzt
382
muss sagen, wie er das sieht. (...) Ich kann jetzt schwer was sagen, weil
383
ich noch nie wirklich was hatte, aber ich denk mir (...) Also wenn ich
384
wirklich das Gefühl hab, ich hab was, würd ich es sicher abchecken
385
lassen, aber im Prinzip würd ich nachher dann eben eine alternative
386
Behandlung, wie ich es jetzt auch mach. Ich bin mit diesen
387
Kieferproblemen, bzw. das stimmt gar nicht. Also es hat sich dann aufs
388
Innenohr ein bisschen ausgewirkt und war beim HNO-Arzt und der hat
389
dann gemeint, das hängt halt zusammen, das feste Kiefer, das Beißen
390
ein bisschen und der wollte mich - ich beiß ja in der Nacht auch. Der hat
391
mir verschrieben Physiotherapie und hat mir aber jemand empfohlen,
392
der auch Cranio-Ausbildung hat. Das war sehr toll. Und dann hat er
393
gesagt, ich soll mir vom Zahnarzt eine Beißschiene machen lassen, was
394
ich natürlich nicht mach. Also da hab ich wirklich genügend Vertrauen in
395
die Cranio. Das, ja, reizt mich nicht mit der Beißschiene in der Nacht.
396
Aber wenn ich wirklich das Gefühl hab, ich hab was, dann muss man
397
das schon auch abchecken lassen, find ich. Und dann kann man ja
398
machen, was man will damit. Eben, also Beißschiene brauch ich nicht.
399
Ok. Ja. Ahja nein genau, was ich noch fragen wollte, was ich mir
400
aufgeschrieben habe. Dadurch, dass Sie ja unterrichten und eben
401
auch gesagt haben, dass sie Schüler/ Schülerinnen mit
209
402
Stimmproblemen haben: Was empfehlen Sie denen? Also natürlich
403
arbeiten Sie auf eine bestimmte Art und Weise mit denen, nämlich
404
anders als mit den andern.
405
IP 7: Ja, genau, ja.
406
Und unabhängig davon empfehlen Sie außerhalb therapeutische
407
Verfahren oder gar nicht?
408
IP 7: Also die, die wirklich Probleme haben sind oft Leute, die eh schon
409
was dazu machen. Sei es eben Cranio, Shiatsu, interessanterweise.
410
Und so würds natürlich drauf ankommen, wenn ich jetzt seh, dass
411
jemand/ Weil ich brauch auch Zeit um herauszufinden, zum Beispiel, so
412
viele Leute kriegen den Mund nicht auf (demonstriert) und das braucht
413
ziemlich viel Zeit herauszufinden, ist das jetzt einfach, sind das Ängste
414
und Schüchternheit oder ist es noch was anderes. Gibts da wirklich
415
Probleme? Ich muss aber zugeben, das wären bis jetzt / Sagen wir mal
416
so, ich wär manchmal froh, wenn sie wenigstens die Übungen machen
417
würden, die ich ihnen gebe. Also da würd ich mir manchmal ein
418
bisschen mehr wünschen. Und da noch zu sagen, geh zusätzlich - weil
419
ich bin überzeugt, dass diese ganzen, zum Beispiel eben Cranio und
420
Shiatsu, für manche auch Osteopathie, Gold wert wäre für diese Leute.
421
Aber es wär mir jetzt, muss ich ehrlich sagen, noch nicht eingefallen,
422
weil ich so merk, dass es ihnen schon so, es ist für sie schon so
423
aufwändig, diese wenigen Sachen zu machen, die ich ihnen angebe. Sei
424
es auch nur ausstreichen zum Beispiel oder mal aaaaaa (singt einen
425
Ton mit offenem Mund) so machen. Oder einfach die natürliche
426
Bauchatmung, das ist ja ein Wahnsinn, wie viele Leute atmen
427
umgekehrt, das ist ganz beeindruckend. Und wenn man sie dann soweit
428
hat, alles zu vergessen und dann gehts nämlich eh. Es ist ja nicht so,
429
dass sie es nicht können, aber sobald sich das Hirn einschaltet. Und das
430
sind im Prinzip, geb ich dann da sehr simple Übungen dann auch mit.
431
Was sie jetzt zusätzlich machen/ Ich glaub, ich würd das machen bei
432
Fortgeschrittenen oder Profisängern und die machen das eh schon. Die
433
machen das eigentlich alle.
434
Ok. Was haben Sie da an Erfahrungen? Also wenn Sie als Lehrende
435
jetzt wissen, dass Ihre Schülerin, ihr Schüler, sag ich jetzt mal, es
436
muss ja nicht unbedingt ein Problem sein, aber einfach in einem
437
bestimmten Zustand ist. Merken Sie Unterschiede, wenn die bei
438
einer Therapie waren, was auch immer Cranio, Shiatsu oder.
210
439
IP 7: Ich hab jetzt ganz speziell eine im Kopf, die Cranio macht. Da (...)
440
merk ichs eigentlich nicht, wenn ich jetzt ganz ehrlich bin. Ja, aber das
441
mag an vielen anderen Sachen auch liegen. Höchstwahrscheinlich
442
sogar. Weil üben muss man trotzdem. Es geht einfach nicht von selber.
443
(lacht)
444
Stimmt.
445
IP 7: Und ein Freund von mir geht, aber den hör ich so nicht, aber/ Also
446
viele, eigentlich wirklich viele Sänger nutzen Cranio, Osteopathie, das
447
gehört schon, wenn man jetzt wirklich singt, gehört es eigentlich schon
448
ein bisschen zum Standard-Programm. Mittlerweile, so viel ich weiß hat
449
sich das schon durchgesprochen, dass das wichtig ist.
450
Mhm. Spannend. Ich erleb es fast eher ein bisschen als Neuland.
451
IP 7: Wirklich? Aber das kann schon sein, wie gesagt, ich beweg mich
452
ein bisschen privat in so einem Umfeld wo man sehr offen ist dafür. Und
453
es ist ja immer so, wie so das Umfeld ist, so glaubt man dann, die Welt
454
ist so. Also bei meiner Umgebung kenn ich schon - ich bin jetzt nicht nur
455
mit Sängern zusammen - aber es ist schon eher bekannt und wird
456
genutzt.
457
Ok. Ja. Also ich bin grundsätzlich mit meinen Fragen durch. Die
458
Abschlussfrage ist für mich immer, ob es noch irgendwas gibt, was
459
Sie zu dem Thema zu sagen haben? Sei es, weil ich es vergessen
460
hab oder sei es, weil es ein Randgebiet ist, das da mit reinspielt
461
Ihrer Meinung nach und das in irgendeiner Form erwähnt gehört.
462
IP 7: Also was ich schon find und das find ich auch interessant, weil sie
463
eben gesagt haben, das ist noch nicht so, wird noch nicht so genutzt,
464
sag ich einmal, für Sänger. Im Prinzip ist das wahnsinnig wichtig und
465
Gold Wert und das gehört wirklich bekannt gemacht. Also, weil natürlich,
466
grad zum Beispiel, wenn ich an das Studium denke. Meine Güte, ich
467
weiß nicht, ob es sich, ich glaub nicht, dass es sich so massiv geändert
468
hat. Es gibt ein bisschen, wir hatten Atemgymnastik, ja nona net, da
469
haben wir ein paar Verrenkungen gemacht und rein geatmet, aber viele
470
Probleme, die da entstehen, AUCH irgendwie durchs viele Singen, dann
471
ist halt irgendwo was falsch, wo ich denk, wo eigentlich würd, wenn man
472
das so intensiv betreibt, würds fast obligatorisch dazugehören, dass
473
man noch eine, ja, für mich ist es entweder die Cranio oder die
474
Osteopathie, dass man da so begleitet wird. Weil es würd so vieles, wo
475
man dann irgendwie gesangstechnisch auch sucht, wo tatsächlich der
211
476
Student - also ich red ein bisschen auch aus eigenem Leidensweg, weil
477
ich hab mir meine Sachen dann auch selber zusammensuchen müssen
478
- wo ich mir denk, mein Gott, wenn ich das vor 20 Jahren gemacht hätte
479
oder gewusst hätte, grad mit Kiefer, mit Zwerchfell, mit dieser
480
energetischen Veränderung, die da passieren kann, dann wär
481
wahrscheinlich vieles auch ein bisschen anders gewesen. Also ich denk
482
mir, es sollte viel bekannter sein, weil Singen ist eine ganzheitliche
483
körperliche Sache, die zu 80% oder noch mehr auf Atem basiert und
484
genau für sowas/ Die drauf basiert, dass Resonanzräume genutzt
485
werden. Beim Singen gehts um die Balance von Entspannung und
486
Spannung und zwar auf einem ganz ganz ganz hohen Niveau. Und
487
wenn der Körper da schon in einer Dysbalance ist oder in eine
488
Dysbalance kommt, dann nutzt alles Üben irgendwann nicht mehr. Und
489
dann wirds halt ein bisschen zur Glückssache. Und ich glaub, dass
490
genau diese Therapieformen, genau zu diesem Thema Spannung,
491
Entspannung im Körper, das Ideale wären. Also da bin ich schon eine
492
große Verfechterin von diesen Sachen.
493
Machen Sie es bekannt bei den Sängern!! Vor allem auch bei den
494
Gesangslehrern, ja, das ist schon auch eine gute Idee. Also ich hab jetzt
495
nur quasi eine sehr fortgeschrittene Sängerin und wie gesagt, die
496
andern, wenn da jetzt jemand kommt und wirklich Ehrgeiz entwickelt,
497
würd ich sofort sagen, du dann mach das unbedingt dazu. Ist jetzt in
498
meinem Fall, also ich bin auch nicht an einem Institut. Aber an einem
499
Institut, dass der Lehrer an der Uni bei jemandem, dass die einfach so
500
viel Gefühl entwickeln und sehen, ok, diese Studentin verzweifelt, aber
501
irgendwie ist das jetzt nicht nur dass sie, die braucht jetzt einfach
502
irgendwas, um in die Balance zu kommen - ab zur Cranio. Dafür geben
503
sie ein Vermögen aus für private Gesangslehrer, ich mein, da kann man
504
schon einen Teil abzweigen für die Cranio-Therapie.
505
(...) Hugh! (lacht)
506
(lacht auch) ich habe gesprochen.
507
IP 7: Ja, weil ichs kenn, wissen Sie. Auch vom Studium. Also ich war
508
sehr begabt und hab aber auch gewisse wirkliche Handicaps gehabt,
509
durch, was weiß ich, schwierige Geburt, nicht ganz angstfreie Kindheit,
510
was weiß ich, ist ja nicht wichtig. Und das sind dann körperliche Sachen,
511
die kann man im Hirn nicht lösen. Da kann ich nicht sagen, ich muss da
512
jetzt aber entspannen und das Zwerchfell muss jetzt runtergehen. Da
212
513
gibts einen Punkt, man kann viel trainieren, aber irgendwann mal ist
514
Schluss. Und wenn dann auf diese Dysbalance im Körper noch ein
515
bisschen eine Nervosität kommt, da nutzt einem dann die Begabung und
516
die ganze Musikalität nichts mehr. Und das gehört einfach körperlich,
517
wirklich rein therapeutisch körperlich bearbeitet. Grad bei jungen
518
Sängern, finde ich.
519
Ja, dann vielen herzlichen Dank!
520
IP 7: Gerne!
521
522
kurzes Gespräch anschließend
213
12.2.8
Interview IP8w
1
Du kennst das Prozedere. (deutet auf Aufnahmegerät) Es läuft mit,
2
es soll dich nicht stören. Ich stells hinter die Tasse, dann siehst du
3
es nicht. (lacht)
4
IP 8: (lacht).
5
Ja. Du weißt, jegliche Überlegungen, Pausen oder sonstiges, sind
6
total egal. Auch Dialekt ist total egal, ich transkribiere in
7
Schriftsprache. Ja, soweit möglich (lacht). Ja, genau. Wenn du
8
irgendwelche Fragen dazwischen hast – stellen, wenn irgendwas
9
nicht klar ist, eh klar.
10
Grundsätzlich das Thema hab ich dir ja schon erzählt. In den
11
Grundzügen ist es jetzt das geworden, dass ich mich mit konkret
12
Stimmerkrankungen auseinandergesetzt hab, also funktionelle
13
Dysphonien eigentlich, wobei ich bei den Interviews nicht nur
14
Personen gesucht hab, die wirkliche Stimmprobleme in dem Sinn
15
hatten, sondern die einfach Stimme, Herausforderungen, wie auch
16
immer man es nennen mag, hatten und irgendwann eine Cranio-
17
Therapie aufgrund dessen gemacht haben. Wobei ich auch Leute
18
hatte, die nicht aufgrund dessen, und dann halt über andere Wege
19
dazu gekommen sind.
20
Ja, genau. Die einleitende Frage wäre einfach kurz, dass du
21
erzählst, was du gemacht hast, was so dein Werdegang ist –
22
sängerisch – und was jetzt so dein Berufsbild ist.
23
IP 8: Werdegang sängerisch: ich hab begonnen mit Einzelunterricht erst
24
nach der Schule, also mit 19 am Kirchenkons in St. Pölten, hab da
25
dieses Vorbereitungsjahr gemacht und dann das C-Diplom, Lied, Messe,
26
Oratorium. Und hab dann auf der Uni angefangen, wiederum im
27
Vorbereitungsjahr, eben Lehrerwechsel. Und dann Bachelor. Nachdem
28
das alles irgendwie, ich hab alles überall ausgekostet, das heißt, ich hab
29
eigentlich fast sieben Jahre die selbe Lehrerin gehabt da, vorher auch
30
schon vier Jahre denselben, genau. Und dann noch Master, wo ich jetzt
31
aktuell drei Semester konsumiert hab vom Gesangsunterricht, weitere
32
drei offen hätte (schmunzelt kurz). Bin aktuell beurlaubt, also hab jetzt
33
keinen Unterricht grad, zum ersten Mal, seit ich solistisch sing (lacht).
34
Oder seit ich da überhaupt, weil ich mein, ich hab vorher halt immer so
35
Gruppenunterricht und so Sachen gehabt in der Schule, genau. Und ich
214
36
hab zehn Schüler, wo die meisten schon wöchentlich kommen. Zwei
37
oder drei kommen alle zwei Wochen. Ich hab drei Chöre, wovon zwei
38
alle zwei Wochen sind und einer dreimal im Monat, also ein bisschen
39
mehr. (...) Ja, ist auch verschieden, ob ich die allein mach oder nicht.
40
Also teilweise geht’s halt wirklich eineinhalb Stunden durch wo nur ich
41
da bin und auch niemand am Klavier oder so und beim XXX zum
42
Beispiel haben wir zwar längere Proben, aber dafür sind wir zu zweit
43
und wechseln uns ein bisschen ab. Nebenbei mach ich Cranio, aber
44
eher wenig, also ich hab dafür noch nie Werbung gemacht irgendwo.
45
Sondern einfach, was sich ergibt, Mundpropaganda. Lustigerweise
46
kommt das so phasenweise daher. Also das ist so ein bisschen meine
47
Vormittagstätigkeit, jetzt, wo ich nicht auf die Uni geh. Genau. Ich fang
48
meistens irgendwie zu Mittag an, weil ich hab Schüler, die gerne in der
49
Mittagspause kommen. Also weil ich ja in XXX arbeite, gibt’s jetzt
50
zumindest drei, die das irgendwie gern als alternative
51
Mittagspausengestaltung machen. (lacht) Also ich fang dann meistens
52
irgendwie um zwölf, halb eins an zu unterrichten. Und dann irgendwie
53
am späteren Nachmittag einen Chor und am Abend vielleicht selber
54
noch eine Probe. Ich sing relativ viel im XXX, vor allem jetzt wieder, das
55
letzte halbe Jahr nicht so viel, aber jetzt hab ich mir wieder mehr
56
eingeteilt – das GANZE Ostergeschäft. (lacht) Zum Beispiel.
57
(lacht auch)
58
IP 8: Genau, hab jetzt grad mit einem meiner Chöre ein Theaterprojekt,
59
das ich auch betreu, wo ich die regelmäßig einsing und dort auch dirigier
60
in der Vorstellung. Ja und so halt. Und sonst – hab selber ein kleines
61
Ensemble, zehn Leute, so mehr in unserem Alter und auch ein bisschen
62
Fortgeschrittener, also wo man schon mehr Literatur machen kann.
63
Genau, das ist das so.
64
Und Cranio hast du die Ausbildung gemacht?
65
IP 8: Mhm (bejahend). Mir fehlt der allerletzte Kurs, also es hängt noch
66
kein Diplom an meiner Wand, aber hab ich gemacht, schon vor einigen
67
Jahren begonnen, eben dadurch, dass ich dazwischen ausgestiegen
68
bin, ist das jetzt ein bisschen auf Eis gelegen. Blöderweise, weil meine
69
Lehrerin, zu der ich wieder zurück will, immer nur eine Gruppe von
70
Anfang bis Ende macht. Und das dauert halt dann anderthalb Jahre.
71
Und wenn ich wieder einsteigen will und der Termin ist grad so, dass er
72
zum Beispiel mit Klosterneuburg zusammenfällt, so wie fast jedes Jahr
215
73
(lacht), dann muss ich wieder verschieben. Also wir suchen grad einen
74
Modus, dass eventuell sie das einfach mit mir nachholt. Ja, werd ich
75
schauen müssen, ob ich mir das leisten kann, schlicht und einfach.
76
Wo hast du die Ausbildung gemacht?
77
IP 8: In XXX. In Niederösterreich, am Land irgendwo. Also sie kommt
78
aus der biodynamischen Cranio und zwar gibt’s da den Ramraj Ulrich
79
Löwe, der ist sehr bekannt, der hat auch eines der großen Cranio-
80
Bücher geschrieben. Genau. Aus dessen Schule kommt sie, also auch
81
direkt. Sie hat längere Zeit als seine Assistentin in den Ausbildungen in
82
Deutschland gearbeitet. Und hat aber jetzt das da mit sich selber
83
gegründet, eben da jetzt bei ihr daheim sozusagen. Hat ein großes,
84
großes Haus gekauft, wo sie im oberen Stock Kursräumlichkeiten hat
85
und unten wohnt. Genau. Und sie mischt das durchaus ein bisschen
86
auch mit ihren anderen Sachen. Also sie ist auch Homöopathin, hat
87
schon ganz ganz lang eine Homöopathie-Ausbildung gemacht und
88
arbeitet mit 15 Jahren damit oder so und macht auch andere
89
Ausbildungen. Sie hat auch, wie heißt das, dieser Engel-Typ? Leo (…)
90
Irgendwas mit Wegbegleiter und systemische Aufstellungen und solche
91
Sachen hat sie auch Ausbildungen gemacht und deshalb ist das jetzt
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nicht eins zu eins das, was sie von diesem Löwe mitbringt, was sie
93
unterrichtet, Cranio-Grundlagen natürlich, aber es fließen auch andere
94
Sachen ein. Deshalb heißt es bei ihr Craniosacrale Energiearbeit, was
95
auch den Grund hat, weil dann jeder die Ausbildung machen kann. Ich
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darf mich ja nicht CranioSacral Therapeutin nennen, weil ich keine
97
medizinische Grundausbildung hab.
98
Genau, das ist ja bei Upledger.
99
IP 8: Genau, deshalb Craniosacrale Energiearbeit, obwohl wir dasselbe
100
machen. Und wir haben natürlich auch Anatomie-Unterricht und alles.
101
Und der Anfangskurs, wo ich war, war sogar noch mit einem Arzt, der
102
extra gekommen ist als anderer Vortragender und so weiter.
103
Aber es gibt ja schon – es ist jetzt nicht ganz in meinem
104
Themenbereich, also es ist voll in meinem Themenbereich, aber
105
nicht in meinem Interviewbereich – es gibt ja schon einen
106
Unterschied zwischen Upledger und biodynamischer, aber der ist
107
glaub ich sehr schwer/ Also ich hab versucht, ein bisschen was
108
herauszufinden, das ist sehr schwer zu fassen, find ich.
216
109
IP 8: Es ist mehr philosophisch. Wenn ich das mal so sagen darf. Oder
110
auch energetisch oder vielleicht sogar esoterisch (lacht). Es ist nur die
111
Idee eine andere. Weil, ob ich jetzt hingeh und ich nehm zum Beispiel
112
den Kopf und ich hab linke und rechte Hälfte so in der Hand oder irgend-
113
, das ist jetzt nur als Beispiel, irgendeine zweigeteilte Struktur,
114
Unterkiefer ist auch gut, das bewegt sich oft einmal so links und rechts
115
einzeln sozusagen. Und entweder greif ich hin – also ich hab natürlich
116
keine Upledger-Ausbildung, aber – entweder greif ich hin und sage, ok
117
ich teste, wie weit kann ich da jetzt nach rechts, aha, mhm, ah, geht’s da
118
noch ein Stück, ah, soweit geht’s nach rechts und wie wär denn das,
119
geh doch mal rüber, geh doch mal nach links. Oder ob ich hingeh und
120
sag (sehr sanft gesprochen): „Hallo, erzähl erst mal. Oh wow, du kannst
121
nach rechts, Wahnsinn.“ Also so ungefähr ist der Unterschied, glaub ich.
122
Eben, ich mein, es geht genauso um Energie und alles, aber es ist die
123
Frage, wie invasiv man es angeht von der Grundeinstellung her.
124
Ja, weil ich hab nämlich auch mit einer Biodynamikerin geredet, die
125
gesagt hat, dass die Biodynamiker eigentlich nicht von EINEM
126
Rhythmus im Körper ausgehen/
127
IP 8: /auch nicht, ja/
128
sondern von drei Rhythmen.
129
IP 8: /richtig/
130
also von dem/
131
IP 8: Und das ist auch so. Bevor ich jemals gewusst hab, in welcher
132
Richtung ich mich bewege oder irgendwas. Also ich hab ja einfach mit
133
der Ausbildung angefangen ohne vorher viel darüber zu wissen oder
134
mich zu entscheiden für eine Richtung oder irgendwas. Das ist einfach
135
durch diese eine Person gekommen, dass ich dort gelandet bin. (stockt
136
kurz) Du greifst einmal hin und lernst es gibt einen Rhythmus und dann
137
glaubst du schon das erste Mal, du kannst es nicht, weil du überhaupt
138
nicht einen Rhythmus spürst, sondern drei mindestens. Und ja, die
139
schauen, die arbeiten mit dem, was da ist. Nicht so, man muss es nicht
140
so medizinisch eingrenzen und sagen, das ist deshalb und das ist
141
deshalb, weil früher oder später geht sich das sowieso nicht aus, das
142
alles logisch zu erklären.
143
Ja, eh, ich weiß. Naja, vielleicht kommen wir da dann später
144
nochmal kurz drauf zurück. Ich mach jetzt wieder den großen
145
Bogen zurück und die Grundfrage, die die Motivation für das
217
146
Interview darstellt ist, welches Problem du stimmlicher Natur
147
hattest oder welches andere Problem, das sich auf die Stimme
148
ausgewirkt hat, dass du eine Cranio in Anspruch genommen hast.
149
IP 8: Es ist verschieden. Ganz ursprünglich bin ich zur Cranio
150
gekommen einfach so. Selbe Geschichte, also ich hab einfach die
151
Cranio-Therapeutin privat gekannt, durchs Singen eigentlich sogar
152
lustigerweise. Und bin dann einfach da einmal hin und hab so nach und
153
gelernt, dass mein Körper das eh alles selber weiß. Dass ich zum
154
Beispiel zur XXX gekommen bin, war tatsächlich dann im
155
Zusammenhang – naja, das stimmt nicht, ich hab sie von XXX gekannt –
156
und dann – ich kanns zeitlich sehr schwer einordnen. Also ich hab schon
157
zwei Mal eine Phonationsverdickung gehabt. Wobei die zweite nicht lang
158
her ist, beziehungsweise ich erst jetzt seit ich von meinem letzten
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Schnupfen gesund worden bin, ich erst jetzt das Gefühl hab, jetzt bin ich
160
übern Berg. Und vorher war das auch irgendwann während dem
161
Bachelor-Studium, genau. Es war aber beide Male so, dass jetzt rein
162
logopädisch das alles nicht so tragisch war. Dass sie zum Beispiel
163
gesagt hat, ich mach eh richtig und so weiter und dass ich dann einfach
164
auch diese bewilligten Logopädie-Einheiten einfach, was ja praktisch ist,
165
wie du weißt, mit der XXX für Cranio verwendet hab. Natürlich haben wir
166
dann Stimme schon auch geschaut, aber es war jetzt meistens
167
trotzdem, obwohl da ein Problem vorhanden war, nicht das allererste
168
Hauptaugenmerk oder weiß ich nicht, wie man sagen soll. Genau.
169
Sonst, ist es bei mir so, dass ich durch die Allergie leicht einmal – da
170
weiß ich nicht, wie ich das sagen soll – eher gereizte Schleimhäute hab,
171
sagen wir es einmal so. Und dann oft der Fokus einer Cranio-Sitzung
172
auf den Atemwegen liegt, wo es zur Stimme natürlich nicht weit ist.
173
Ok. Das heißt, das Ganze ist/ beziehungsweise andere Frage: Gabs
174
dann Sitzungen, wo du konkret gesagt hast: Problem – ich brauch
175
eine Lösung oder?
176
IP 8: Auch ja. Also zwischendurch halt in einem längeren Prozess
177
einfach. Also es war nicht so, dass ich gesagt hab, Hilfe, es ist eine
178
Phonationsverdickung diagnostiziert worden, jetzt bitte Cranio dagegen.
179
Sondern wir haben halt trotzdem in der Zeit an dem gearbeitet, was sich
180
gerade gezeigt hat. Aber ja, es kommt natürlich auch vor. Weil wenn es
181
mich jetzt gerade stört, wenn ich hin komm, dann ist das natürlich
182
Thema oder zumindest der Ausgangspunkt.
218
183
Und wie viele Sitzungen ungefähr hattest du?
184
IP 8: Wie jetzt, auf welchen Zeitraum soll ich das beziehen oder auf
185
welche der zwei Probleme?
186
Du kannst es aufs Problem an sich beziehen oder du kannst es
187
einfach generell.
188
IP 8: Mhm (verneinend). Kann ich nicht. Weil ich mein, ich konsumier
189
Cranio seit 10 Jahren. (lacht) Mehr oder minder regelmäßig. Am Anfang
190
bei der XXX, sicher einmal im Monat, dann weniger, dann wieder viel
191
mehr natürlich durch die Ausbildung, wo du ja selber auch die ganze
192
Zeit in Behandlung bist. Wo ich aber auch schon gemischt hab, also da
193
bin ich trotzdem auch zur XXX gegangen. Und ja. Ich weiß nicht so
194
richtig zum Thema Stimme, werd ich wahrscheinlich, wo es wirklich so
195
Achtung fertig los, darum geht’s jetzt, waren es vielleicht alles in allem
196
fünf.
197
Ok. Ja.
198
IP 8: Circa. (lacht).
199
Ja, wurscht, ich brauch keine genaue Zahl, es geht einfach nur so
200
um die Richtung. Weil hast du nur eine gehabt oder hast du
201
zwanzig gehabt, das ist einfach ein Unterschied.
202
IP 8: Ja, jetzt in letzter Zeit und ich sag einmal im letzten Jahr, wo es
203
eben um diese Phonationsverdickung und erneut um eben nochmal
204
erschwerte Bedingungen durch diese ganze Allergie- und
205
Histamingeschichte gegangen ist, war es glaub ich nur eine, wo ich
206
wirklich gesagt hab, so jetzt das.
207
Ok. Gut. Und hast du andere Verfahren davor probiert, um die
208
Phonationsverdickung zu lösen? Gabs irgendwelche anderen
209
Ansätze?
210
IP 8: (…)
211
Schulmedizinisch? Medikamente?
212
IP 8: Nein. Ja. Nein, in Sachen Phonationsverdickung wenig. Also nein,
213
eigentlich nicht. Logopädisch quasi, wobei das nicht viel war, weil sie
214
gesagt hat, also es geht über kleine Tipps nicht hinaus, weil sie meint,
215
es ist eh alles richtig. Bei mir ist es wahrscheinlich eher wirklich dadurch,
216
dass halt die Nasennebenhöhlen chronisch entzündet sind und ich einen
217
Platz und eine Resonanz suche, die ich wahrscheinlich nicht hab. Und
218
da hab ich mich letztes Jahr um die Zeit einfach versungen.
219
219
Und dann ist es natürlich schulmedizinisch rundherum um das
220
gegangen und ich hab dann auch mal zum Beispiel auch mal Cortison
221
genommen wegen den Nasennebenhöhlen. Das war im Frühjahr letzten
222
Jahres, glaub ich. Ich kann das alles zeitlich total schwer zuordnen, das
223
ist ein Wahnsinn. Da hab ich dann zehn Tage mal Cortison genommen
224
und hab schon gemerkt, dass sich das direkt auswirkt und so. Aber ich
225
mein jetzt, ein halbes Jahr später, muss ich sagen, es ist wieder alles so
226
wie vorher. Ja. Also es wird vielleicht einfach eine technische Frage sein
227
oder notwendig sein, dass ich und – wer auch immer in Zukunft mein
228
Lehrer ist – der Lehrer einfach einsehen, dass es da ansteht und aus ist.
229
Das war glaub ich jetzt das Hauptproblem. Und eben natürlich kann man
230
versuchen das da irgendwie frei zu kriegen, aber das bezieht sich jetzt ja
231
nicht auf die Phonationsverdickung selber. Also insofern ja,
232
schulmedizinisch, aber nicht direkt auf das hin.
233
Ok. Und wenn du jetzt an die Cranio-Sitzungen denkst, die jetzt
234
konkret sich mit der Stimme beschäftigt haben, ja, erst mal so,
235
kannst du da irgendwie eine Form von Ergebnis feststellen, wo du
236
sagst, das ist rausgekommen nach ein paar Tagen oder nicht?
237
IP 8: Ja, bei der aktuellen letzten da, vor eineinhalb Monaten oder so
238
(überlegt) da war großes Thema die Stellung des Kehlkopfes und da ist
239
jetzt gar nicht so viel weitergegangen, wie ich das, also da ist noch was
240
drin sozusagen, wie das dieser Idealfall wäre. Also mir gefällt ja da
241
immer dieser Cranio-Ausdruck von State of Balance. Es hat sich schon
242
einen neuen Platz gefunden sozusagen. Der Kehlkopf ist sehr sehr hoch
243
gesessen, sicher auch aus einer Schutzfunktion heraus. Ich glaub auch,
244
dass das damit zu tun hat, dass mir einfach seit JAHREN IMMER
245
ununterbrochen hinten aus der Keilbeinhöhle, also hinten im Rachen
246
mittig Schleim runter rinnt. Und ich glaub, dass da bei mir ziemlich viel
247
so wup zumacht, damit das nicht überall hinkommt sozusagen oder ich
248
schluck öfter oder ich weiß nicht. Und auch wenn ich lieg am Abend,
249
macht das da zu. Also das war zum Beispiel Thema und das war ein
250
paar Tage später dann natürlich besser, aber vor allem wieder
251
bewusster, so dass ich halt selber wieder damit umgehen kann.
252
(kurze Unterbrechung durch Mitbewohner)
253
Ok, das heißt, du hast vor, dort quasi noch weiterzuarbeiten oder?
254
IP 8: Sicher, ja! Also vor allem jetzt auch, wo ich merk, dass das
255
vielleicht überstanden ist sozusagen. Wo es sich für mich so anfühlt, als
220
256
wär es jetzt weg. Als wär ich wieder da, wo ich vor einem Jahr vorher
257
war. Und grad dann lohnt es sich, dem jetzt einen anderen
258
Ausgangspunkt zu geben.
259
Ok. Und jetzt im Generellen, hast du das Gefühl, dass es bei
260
Cranio-Sitzungen ein – das ist vielleicht eine blöde Frage, aber ich
261
stell sie jetzt trotzdem – hast du das Gefühl, dass es bei Cranio-
262
Sitzungen ein Ergebnis gibt von einer Sitzung?
263
IP 8: Meistens. Für mich schon. Aber, ich mein, das hab ich natürlich
264
auch gelernt für mich selber so damit umzugehen, dass es überall ein
265
Ergebnis gibt, weil ich das in meiner Ausbildung halt gelernt hab. Weil
266
du musst ja als Therapeut dann auch immer das Gefühl haben, es ist eh
267
was passiert. Also, weißt, jede kleinste Regung hat da Gültigkeit. Und
268
das kann ich natürlich mit mir selber auch gut. Und wenns nur ist, ich
269
hab mich eine Stunde entspannt. Also für mich gibt’s schon immer ein
270
Ergebnis. Manchmal wird die Tragweite von dem was passiert ist erst
271
Tage später klar, aber für mich gibt’s schon auch immer ein konkretes
272
Ergebnis. Aber ich arbeite halt selber auch so, dass ich das Ergebnis
273
nochmal festhalte am Schluss und quasi veranker. Also mit Leuten, die
274
das noch nicht so lange konsumieren sozusagen oder ausprobieren
275
oder üben halt wirklich durch ein Bild oder irgendwas, sodass die das
276
daheim wieder holen können. Und so geh ich natürlich mit mir selber
277
auch um, egal, was der Therapeut am Ende der Einheit macht.
278
Es ist lustig, weil das Interview jetzt natürlich total anders ist als
279
alle anderen, eh klar, aber es ist eh gut. Wie viel verschiedene
280
Therapeuten hattest du schon, ungefähr?
281
IP 8: Das ist jetzt die Frage, ob ich die Kollegen mitzähle aus den
282
Ausbildungen. Weil dann sinds viele.
283
Naja, grundsätzlich/
284
IP 8: Wenn die dabei sind, sind wir bei 30. Wenn die nicht dabei sind,
285
sind wir bei, kommt jetzt drauf an, ob ich dann Osteopathie und so auch
286
noch mit zähl, (…) fünf.
287
Ja, es ist eigentlich wurscht, obs fünf oder dreißig sind, weil die
288
Frage ist: merkst du unabhängig von der Technik, die angewendet
289
wird, einen Unterschied zwischen den verschiedenen Personen
290
und wie könntest du am besten den Unterschied beschreiben?
291
IP 8: Ja, definitiv gibt’s einen Unterschied. Und da geht’s jetzt gar nicht
292
um die Schule aus der die kommen sondern um den persönlichen
221
293
Zugang, um Vorlieben, zum Beispiel in der Verbalbegleitung. Da arbeitet
294
halt auch jeder mit dem, was er besser kann, was ihm halt selber besser
295
liegt. Wenn jemand am visuellen Kanal irgendwie stark ist und wenn er
296
wen angreift, sofort Bilder sieht, dann wird er mehr damit arbeiten. Zum
297
Beispiel. Und da ist natürlich dann auch die Frage, was kann ich davon
298
mitnehmen und da gibt’s halt Unterschiede. Und es ist halt schon die
299
Frage, wie greif ich zu. Weil manche Probleme brauchen vielleicht einen
300
stärkeren Kontakt oder um es wieder so zu formulieren, einen
301
invasiveren Anstoß. Und andere Themen oder Regionen brauchen
302
vielleicht das nicht. Und da ist natürlich einfach jede Person anders. Und
303
es ist natürlich auch so, dass eine Sitzung zur Stimme mit jemandem,
304
der sich anatomisch besser auskennt, wahrscheinlich schon ergiebiger
305
ist. Weil ich bin der Meinung, je besser sich der Therapeut anatomisch
306
orientieren kann, vor allem bei Strukturen, die man nicht direkt angreifen
307
kann, wie zum Beispiel eben die Stimmbänder oder die ganze
308
Muskulatur da drinnen, der kann sich das besser vorstellen und besser
309
nachvollziehen und besser spüren, was passiert, wenn er sich besser
310
auskennt damit und sich wirklich intensiv damit beschäftigt hat und das
311
schon auf verschiedenen Ebenen erfahren hat. Wenn jemand überhaupt
312
keinen Zugang zur Stimme hat, der kann noch so ein guter Therapeut
313
sein, also ich denk jetzt an einen, wo ich auch gerne hingeh, der auch
314
mehr aus der handfesten Physiotherapie und Osteopathie-Ebene kommt
315
aber trotzdem sehr sehr fein arbeiten kann, der aber mit Singen
316
überhaupt nichts am Hut hat und auch nichts mit Sprechberuf oder
317
irgendwas, in die Richtung nie eine Zusatzausbildung gemacht hat,
318
außer halt irgendwo dreimal in seinem Leben in jeder Ausbildung einmal
319
einen Kehlkopf kurz besprochen hat, einen Querschnitt. Mit dem hab ich
320
jetzt noch nie eine Stimmsitzung gemacht, aber es wird sich auch nicht
321
ergeben. Und ich glaub, dass es da halt einfach auch wirklich im kleinen
322
Wissen große Unterschiede geben kann, die der Patient auch spürt.
323
Und jetzt rein auf der Persönlichkeitsebene: was würdest du jetzt
324
sagen selber als Therapeutin, wie viel Anteil hat jetzt rein die
325
Persönlichkeit des Therapeuten und sein Zugang zu jetzt sag ich
326
mal einer erfolgreichen Sitzung?
327
IP 8: (schnauft) Aber wenn der Zugang zur Persönlichkeit zählt, was
328
bleibt dann noch?
222
329
Das ist die Frage. Also wie würdest du es gewichten, also Technik
330
und Person? Aus deiner Sicht jetzt als Therapeutin, mit deinen
331
Erfahrungen, was ist ungefähr das Gewicht von einer, jetzt sag ich
332
mal erlernten Technik und aber der Persönlichkeit, die/
333
IP 8: Ja mindestens die Hälfte, wenn nicht mehr. Also einfach auch jetzt
334
auch so zum Beispiel mit den Kollegen in der Ausbildung. Da hat es
335
einfach welche gegeben, mit deren Art konnte ich nicht, wenn die mich
336
behandelt haben. Keine Ahnung, wenn eine dasteht und den ganzen
337
Tag Suggestivfragen stellt, dann krieg ich schon solche Kabeln. (lacht)
338
Als Beispiel. Und natürlich geht dann nichts weiter in der Sitzung.
339
Vielleicht sinds 75 %. Keine Ahnung, ist sehr schwer zu sagen. Aber
340
grad in dem Fall, bei so feiner Arbeit und wenn es um Verbalbegleitung
341
geht, dann muss es einfach stimmen. Dann ist es sicher weit mehr als
342
die Hälfte.
343
Ok. Du hast gesagt, grundsätzlich, du hast die Ausbildung
344
angefangen ohne dich jetzt wirklich damit auszukennen oder dir
345
irgendwas anzuschauen davor großartig. Aus jetziger Sicht –
346
warum Cranio?
347
IP 8: Naja, ich hab es selber sehr genossen als Klientin. Dann war (…)
348
irgendwann die Rede davon, dass ich einfach nur so ein Wochenende
349
Schnupperkurs mache, wo man die andere Seite kennenlernen kann.
350
Also ich bin da hingegangen, nichtwissend, was die macht, die Frau. Ich
351
hab gewusst, die macht irgendwas. So hab ich angefangen. Und dann
352
hab ich nach und dort einfach erfahrend gelernt, was die macht. Oder
353
was es mit mir macht, mehr. Wie sie das jetzt macht, dass es das mit
354
mir macht, das war mir nicht klar. Und dann war irgendwann die Rede
355
davon, dass sie halt an einem Wochenende so einen kurzen Einblick
356
gibt. Dass man vielleicht jemandem daheim bei einer Kleinigkeit helfen
357
kann, dass man besser versteht, was sie tut und fertig. Das ist nie
358
zustande gekommen. Und Jahre später ruft mich eine fremde Frau an
359
und sagt: sie stehen da auf einer Liste für Interessenten für eine Cranio-
360
Ausbildung. Sag ich: nein, sicher nicht. Das ist eben aus dieser
361
damaligen Interessenten-Liste gekommen und dann haben sie sich aber
362
nochmal gerührt und haben gesagt: ja, das erste Wochenende ist eben
363
eh so ein Einstiegs-Wochenende und man meldet sich nicht gleich für
364
alles an. Und dann hab ich gesagt: naja, dann schaun wir uns das an.
365
Und der XXX ist auch mitgefahren. Und das Wochenende war so, dass
223
366
ich das Gefühl gehabt habe, ich könnte das auch. Genau. Und so hab
367
ich angefangen. Ohne mich jemals selbst drum gekümmert zu haben.
368
Es hat mich einfach angerufen. (lacht) Und ich hab ja nie geschaut, was
369
es für Schulen und für Möglichkeiten und irgendwas gibt. Ja.
370
Und welche anderen Verfahren hast du jetzt so ausprobiert?
371
IP 8: Ja, ich bin halt irgendwie immer feiner geworden sozusagen. Also
372
ich komm von einem Cerivkalsyndrom und furchtbar schlechter Haltung
373
aus der Schule. Gepaart mit einem Tinnitus nach einer Mandeloperation.
374
Alles mit 19 aufgetreten oder diagnostiziert worden, vielleicht war es eh
375
viel länger da. Und hab dann angefangen verschiedene Sachen
376
auszuprobieren. Natürlich die Klassiker: beim Orthopäden in den Strom
377
reinhängen, massieren und was weiß ich was alles. Keine Ahnung und
378
halt alles das ganze Zeug. Und dann wird’s halt immer feiner. Wenn sich
379
da eigentlich nichts tut und man sich damit nicht ganz wohl fühlt, dann
380
ergibt sich halt irgendwann ein anderer Weg. Und lustigerweise war das
381
damals der Vater vom XXX, wir waren damals aber noch nicht
382
zusammen oder irgendwas, der mir dann gesagt hat, da gibt’s eine
383
Osteopathin. Und ich hab auch gar nicht gewusst, was eine Osteopathin
384
ist und bin dann da mal hingefahren. Das war irgendwie eine wilde
385
Henne, leicht hexig angehaucht, aber da waren ein paar Momente, wo
386
ich mir gedacht hab, da schau her, es geht anders auch. Also ich hab
387
zum Beispiel immer so ein leichtes Zittern am Kopf und im Nacken
388
verspürt, als würde der Kopf nicht mehr richtig sitzen. In der Zeit hab ich
389
mich zu Mittag hinlegen müssen, weil ich das Gefühl gehabt hab, mein
390
Körper kann den Kopf nicht mehr tragen. Und das war die erste, die das
391
verstanden hat und genau beschreiben hat können, was ich da jetzt hab
392
und was ich da spür. Und ich hab früher immer mit dem Kiefer
393
geknackst, einmal Apfel abbeißen zum Beispiel – knack. Und sie hat
394
dann, ohne ein Wort drüber zu verlieren, mein Kiefer behandelt und ich
395
hab auch kein Wort drüber verloren und bin bei der Tür rausgegangen
396
und hab den Mund einmal gescheit aufgerissen und es hat nie wieder
397
geknackst. Und so hab ich gesehen, es gibt da irgendwie was anderes
398
und dann hab ich langsam irgendwie/ Ja und dann wieder der Zufall mit
399
der XXX. Da ist eigentlich die XXX als erstes hingegangen und ich hab
400
gewusst, die macht da irgendwas, wo sie hingeht und die sagt, das tut
401
ihr gut und ja.
224
402
Und sonst jetzt an/ was gabs außer Osteopathie und Cranio sonst
403
noch?
404
IP 8: Naja, richtig Physiotherapie im Sinne von Turnen und Massieren
405
und alles. Ja, mit dem Tinnitus natürlich zuerst auch einmal ganz wilde
406
Medikamente, die die Durchblutung beeinflussen hätten sollen, was
407
überhaupt nichts hilft. Ich hab noch nie wen getroffen, der auf dieses
408
Medikament anspricht, das kriegt aber jeder. Das sind ganz arge
409
Hämmer. Ja, was halt so daher kommt. Was halt auch Ärzte und
410
Schulmedizin auch immer wieder verschreiben. Halt, wie gesagt, viel
411
Turnen, Massieren, Stromtherapie, Streckbank, so halt.
412
Und dann wird’s halt immer feiner. Ja, Homöopathie natürlich auch, also
413
jetzt wenn wir zurück zur Allergie wollen. Homöopathie immer wieder,
414
auch da die schulmedizinischen Klassiker, Hyposensibilisierung, die wir
415
nie steigern haben können, die Dosis, weil ich es einfach nicht vertragen
416
hab. Und so halt.
417
Und jetzt auf, jetzt sag ich mal manueller Ebene noch irgendwas?
418
IP 8: Manuell in dem Fall weniger, aber ich hab ganz viel Feldenkrais
419
gemacht, aber das ist wohl sinnvoll. Also das hat mich auch zu viel
420
Durchlässigkeit und Achtsamkeit gebracht mit mir selber, viel
421
ökonomischeres Bewegen. Also das ist eines von den erfolgreichen
422
Sachen dieser Geschichte. Und sonst jetzt richtig Methoden, die ich
423
länger verfolgt hätte. Also wie gesagt, klassische Physiotherapie,
424
Osteopathie (…). Eigentlich nichts, was jetzt da/ Zwischendurch
425
irgendwelche Energetiker oder so, wo ich dann irgendwie nach einem
426
Mal schon gesagt hab, nicht mein Fall. Ja, Dornpreuß-Methode, da war
427
die Methode nicht schlecht, aber der Typ komisch.
428
Was ist das für eine Methode?
429
IP 8: Hmm, da geht’s um Schiefstellungen des Beckens eigentlich, also
430
um verschieden lange Beine, die dann sich nach oben hin auf die
431
Wirbelsäule und auf alles auswirken. Und der arbeitet halt dann wirklich
432
dann manuell, fest, das spürst du, das tut vielleicht auch weh.
433
Gradstellen von Becken und Wirbelsäule, was ganz cool war, aber der
434
Typ komisch und irgendwo. Weißt eh, das kommt ja noch dazu, weil
435
wenn ich da mal eineinhalb Stunden hinfahr. Das ist auch lang her, da
436
hat man noch nicht so schnell nach Stammersdorf fahren können (lacht)
437
oder der war sogar noch weiter draußen. Und außerdem hat der gesagt,
438
ich bin ein Sonderfall, meine Beine sind gleich lang und mein Becken ist
225
439
grade. (lacht) Jetzt hat er gar nicht so genau gewusst, was er tun soll. Ja
440
und auch so Meridian-Sachen, auch mit diesem Stift da, wo man die
441
Meridiane nachziehen kann – ja, was weiß ich. Irgendwelche Sachen
442
halt ausprobiert.
443
Wenn du dir jetzt irgendwas aussuchst, was vielleicht am ehesten
444
mit der Cranio vergleichbar wäre (…) Das ist natürlich in deinem
445
Fall sehr schwierig, das ist mir schon klar. Oder einfach so: Wo
446
siehst du die Unterschiede zu anderen Methoden in der Cranio –
447
jetzt im negativen oder im positiven Sinn.
448
IP 8: Die Dinge, die bei mir wirksam waren, also phasenweise
449
Osteopathie, Feldenkrais, Cranio, waren immer die Dinge – persönliches
450
Problem wahrscheinlich (lacht), aber es ist ja auch die Frage einfach,
451
wie geht man mit Menschen um – waren immer die Dinge, die mir nicht
452
sagen: jetzt musst du aber das und du solltest aber das und das ist nicht
453
gut und das musst du. Wenn eine Methode mir das nicht sagt, sondern
454
mir mit der Sicherheit entgegen kommt, dass das eh irgendwo in mir ist,
455
dass ich das selber kann, vor allem, dass der Körper das kann und nicht
456
ich dem was beibringen muss, dann funktionierts. Wahrscheinlich mein
457
Ding, aber für mich ist das der große Punkt, warum Cranio für mich so
458
toll ist und das wars auch bei Feldenkrais. Wobei, auch da kommt es auf
459
die Person an, weil ich hab Feldenkrais-Trainer erlebt, wo ich mir
460
gedacht hab: hmm? Was ist das für eine Sport-Stunde da? Und andere,
461
wo das überhaupt nicht der Fall ist. Ja. Das ist für mich der große
462
Unterschied, also dass es keine Methode ist, die sagt, so und so muss
463
es sein und nichts – du als Ganzes nicht und keine Struktur von deinem
464
Körper – in irgendein Eck geschoben wird und jetzt musst du das hier
465
üben bis das geht, weil das kann ja nicht sein, sondern dass man
466
schaut, was da ist und mit dem arbeitet. Das ist für mich der ganz große
467
Punkt bei Cranio und der große Unterschied zu vielen anderen
468
Körperarbeitsmethoden. Man muss nicht üben, der Körper übt es
469
vielleicht von selbst. Es geht natürlich/
470
471
Unterbrechung, da Aufnahmegerät voll – 15 Minuten Gespräch nicht
472
aufgenommen – Fragen wiederholt
473
474
Und es nimmt auch wieder auf. So, also noch einmal die Frage.
475
IP 8: Was war die letzte Frage?
226
476
Was wird in einer Cranio gemacht? Deine Lieblingsfrage.
477
IP 8: (…) Vielleicht kann ich es jetzt besser sortieren. Ja, der erste
478
große Punkt ist eben die Durchlässigkeit, also Strukturen des Körpers,
479
die vielleicht nicht mehr so zueinander stehen, miteinander tun, wie sie
480
sollten oder könnten, werden durch bestimmte Griffe oder nur durch
481
Vorstellung mit oder ohne Berührung, Vorstellung vom Therapeuten
482
oder vom Klienten irgendwie wieder durchlässiger gemacht. (lacht) Was
483
war vorher das, was ich behauptet hab, es ist das zweite? Aber es ist
484
wurscht, weil es hat bei mir sowieso nur wieder zum ersten geführt.
485
(lacht) Stimmt.
486
IP 8: Und eben, wenn mich normal jemand fragt, was die Cranio ist,
487
dann gehört für mich zu diesen Säulen eben das, was nachher du extra
488
nachgefragt hast, schon auch dazu, dieses, ich nenn es gerne
489
körperliche Gedächtnis. Der Körper merkt sich mehr oder minder
490
traumatische Erlebnisse, er merkt sich natürlich auch schöne Erlebnisse,
491
was beim ressussieren (? Wort?) oft sehr hilft, aber jeden noch so
492
kleinen Schreck speichert er irgendwo, das Gewebe kann sich erinnern.
493
Und das ist halt dann die Wechselwirkung von der seelischen oder
494
psychischen Komponente der Cranio-Arbeit mit der körperlichen, weil es
495
kann passieren, dass jemand mit einem psychischen Problem kommt
496
und sich herausstellt, wenn man das bearbeitet - natürlich immer im
497
ständigen Dialog mit dem Körper - dass plötzlich irgendeine körperliche
498
Sache, die einen immer so ein bisschen sekiert schon seit Jahren, weg
499
ist. Oder umgekehrtes Beispiel: jemand kommt mit einer Verspannung,
500
die er so und so lang schon mit hat und dann kann es sein, dass durch
501
die rein körperlich „Bearbeitung“ von dem Problem irgendwelche
502
Geschichten, Erlebnisse, Emotionen erst auftauchen. Und eben das
503
Zusammenspiel von den beiden Dingen, also Durchlässigkeit und dieses
504
körperliche Gedächtnis, die Tatsache, dass sich das Gewebe halt
505
irgendwelche Sachen merkt, sind da der wichtige Grundstock und –
506
irgendwas hab ich jetzt gerade noch gewusst, jetzt ist es schon wieder
507
weg – (…) hmm, jetzt schau ich mal kurz, ob der Zug pünktlich ist.
508
Was war das jetzt? (überlegt) Ich weiß nicht, ein Gedanke
509
zwischendurch, das könnt ich auch noch sagen und dann ist es wieder
510
weg.
227
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Was du vorhin glaub ich noch gesagt hast, ich glaub die Frage ist
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auch nicht mehr drauf, was die Cranio kann und was sie nicht kann
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und eben auf körperlicher Ebene als auch auf psychischer Ebene.
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IP 8: Auf körperlicher Ebene: wenn etwas wirklich kaputt ist. Also wann
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man flicken müsste, zwei Teile oder ein Teil, der zusammengehört
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vielleicht sogar, ist nicht mehr zusammen. (lacht) Da kann die Cranio
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natürlich nicht mit, also Reparaturabteilung hab ich vorhin gesagt. Aber
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sie kann zum Beispiel helfen, dem Körper helfen, das schneller wieder
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herzustellen, was wieder das Thema Durchlässigkeit ist. Und bei der
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Prozessbegleitung kommt es ganz ganz stark drauf an, auf den
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Therapeuten oder die Therapeutin. Weil es ein großer Unterschied ist,
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was der für einen Hintergrund mitbringt. Da geht es einfach auch um
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Ausbildungen in andere Bereichen oder einfach jahrelange Erfahrung
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oder nicht. Eine gewisse Begabung, eine gewisse verbale Begabung
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schlicht und einfach. Das hab ich auch in den Kursen mit den
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Kolleginnen immer wieder erlebt, dass die einfach gar nicht so, dass
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manche Leute nicht so geübt sind im Sprechen und im Umgehen mit
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Menschen, dass sie die Dinge sinnvoll formulieren können. Die vielleicht
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gute Ideen haben, aber nicht vom Fleck kommt mit dem Klienten, weil
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sie es gar nicht können. Also da steht man halt genau dann an, wenn
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man persönlich mit dem Therapeuten nicht weiter kann. Es kann
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natürlich sein, weil der eine völlig andere Art verfolgt als ich irgendso
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was anzugehen oder es kann sein, dass der einfach fachlich ansteht
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und dem die Ideen ausgehen. Es ist natürlich dann auch schwierig,
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wenn man sich in einem Graubereich bewegt zur Psychotherapie, da
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muss man halt sehr vorsichtig sein. Aber grade da kommt es drauf an,
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wen hab ich als Therapeut. Wenn es jemand ist mit einer
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psychotherapeutischen Ausbildung, da kommst du wahrscheinlich viel
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weiter in der Prozessbegleitung.
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Ok. Wo sind jetzt für dich bei der Cranio die Hauptansatzpunkte
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zum Singen oder zur Stimme überhaupt?
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IP 8: Ja, genau das, wieder Durchlässigkeit. Viel auch - also jetzt aus
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Klientensicht - viel Vertrauen lernen auf den eigenen Körper, dass der
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das eh kann und eh weiß. Dann Durchlässigkeit im Sinne von zur
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Verfügung stellen des Körpers fürs Singen. Wenn ich jetzt zum Beispiel
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irgendwo eine Verspannung hab oder mein Brustkorb sich nie frei
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bewegt beim Atmen, wird mir das Singen schwerer fallen. Wenn mein
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Zwerchfell zusammen gekrampft ist, wie ein Stein, hart, werden gewisse
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Dinge einfach nicht funktionieren. Und das ist das, wo meines Erachtens
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die Cranio ins Spiel kommt. Ich hab auch, ich hab nicht wirklich, aber ich
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hab sowas wie eine Homepage, also die wird nirgends beworben,
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deshalb schaut es sich auch keiner an, aber da hab ich mir natürlich
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irgendwann überlegen müssen, was ich da drauf schreib und ein paar
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Texte dazu geschrieben, die Großteils gar nicht da oben steh jetzt. Aber
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für mich war da der Zusammenhang eben die Durchlässigkeit, das
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Schwingen. Weil egal, ob es jetzt drum geht, dass ich will, dass der
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CranioSacral Rhythmus oder irgendein anderer durch schwingt. Oder ob
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ich will, dass ein musikalischer Rhythmus oder eine Schwingung, auch
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im Sinne von physikalisch Ton irgendwie sich fortpflanzen kann durch
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die Strukturen, das geht beides nur, wenn es nicht dazwischen irgendwo
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hakt. Und das ist das, was die Cranio sehr wohl zu beheben vermag.
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Das ist auch das, was sich für mich so gut verträgt. Also für mich jetzt
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als Klientin und Sängerin. Zusätzlich für mich als Therapeutin und
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Lehrerin muss ich sagen, dass ich da einfach noch ganz viel gelernt hab
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einfach im Umgang, Arbeit mit Bildern, wie seh ich beim Schüler oder
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wie spür ich beim Schüler ganz schnell, wo jetzt was noch leichter
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gehen könnte. Und Arbeit einfach mit Personen, Nähe, Distanz und so
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weiter. Aber jetzt allein als Sängerin und Klientin, muss ich sagen, das
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ist der große Punkt, wo sich die zwei treffen und wo die Cranio helfen
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kann. Einfach wieder Durchlässigkeit und dass der ganze Körper
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sinnvoll zusammenspielt, sich neu sortiert. Und natürlich – kommt auch
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auf den Therapeuten an, der mit dir arbeitet – dass du viel achtsamer
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wirst und viel genauer spüren kannst, viel genauer lokalisieren, was jetzt
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nicht so tut, wie es soll.
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Ok. Wie viel Zeit hast du noch? Zwei Minuten?
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IP 8: Keine. Ja, genau, zwei Minuten.
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Nur kurz zum Schluss noch die übliche Frage. Gibt es irgendwas
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was du jetzt zu dem Thema noch sagen möchtest, wo ich jetzt nicht
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nachgefragt hab?
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IP 8: Nein, eigentlich nicht. Also ich mein, da kann man ja ewig drüber
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reden und in viele verschiedene Richtungen nachdenken. Und es ist halt
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auch schwierig, das alles in Worte zu fassen, vor allem, wenn es um das
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geht, das jetzt irgendwie zu beschreiben als Klientin und jemand der
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singen will. Weil ich kann jetzt natürlich mit den ganzen Cranio-Vokabeln
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daher kommen, die ich auch manchmal fragwürdig find. Und damit ist dir
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nicht geholfen, vor allem nicht für eine halbwegs wissenschaftliche
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Arbeit. (lacht)
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Ja. (lacht)
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Kurzes Abschlussgespräch
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13 Lebenslauf
Bakka.art. Generose Sehr
02.03.1985
Rüsselsheim, Deutschland
Rotenkreuzgasse 10/8, 1020 Wien
0650/9112490
[email protected]
Mezzosopran / Alt
Schule
2001-2004
Zweites Städtisches Gymnasium Rottenburg, Deutschland
1995-2001
Mädchenrealschule St. Klara Rottenburg, Deutschland
1991-1995
Carl-Joseph Leiprecht Grundschule Rottenburg,
Deutschland
Ausbildung
seit Okt 11
Magisterstudium Gesangspädagogik an der Universität für
Musik und darstellende Kunst Wien: zentrales künstlerisches
Fach Gesang (Klassik) bei Prof.in Ruth Gabrielli-Kutrowatz
Okt 06 – Jun 11 Bakkalaureatsstudium Gesangspädagogik: zentrales
künstlerisches Fach Gesang (Klassik) bei o. Univ. Prof.in
Georgia Michaelides (2006 – 2008) und Prof.in Ruth
Gabrielli-Kutrowatz
Okt 05 – Jun 06 Musik-, Theaterwissenschaft und Italienisch an der
Universität Wien
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Beschäftigungen als Sängerin und Pädagogin
Februar 15
Stimmbildungsreferentin und Alt-Solistin bei der
Kirchenmusikwoche „Laudate Dominum“ in St. Pölten
Mai 14
Rolle des Hänsel bei der Kinderopernwanderung „Hänsel
und Gretel“ in der Blockheide Gmünd
seit Okt 12
Stimmbildnerin beim Jugend-Opernprojekt „Jugend an
der Wien“ im Theater an der Wien
Juli 12
Rolle des Ramiro bei der Opernproduktion „Die
scheinbare Gärtnerin“ in Aschbach-Markt
seit Feb 10
Kursleiterin von Eltern-Kind-Musik-Workshops in der
Spielwerkstatt Musik und an der Volkshochschule Wien,
Elementares Musizieren in privaten Kindergruppen und
Kindergärten
seit März 10
privater Gesangsunterricht, u. a. Stimmbildung bei
Chören
seit Jan 08
Mitglied im Arnold Schoenberg Chor Wien, regelmäßige
Tätigkeit bei Konzert- und Opernprojekten
07 – 14
diverse solistische Tätigkeiten bei Messen, Konzerten
und Opern im In- und Ausland
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14 Eidesstattliche Erklärung
Ich erkläre hiermit an Eides Statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbständig
angefertigt habe.
Die aus fremden Quellen direkt oder indirekt übernommenen Gedanken sind als
solche kenntlich gemacht.
Die Arbeit wurde bisher weder in gleicher noch in ähnlicher Form einer andern
Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröffentlicht.
Wien, Februar 2015
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