schul|bank - Bundesverband deutscher Banken
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schul|bank Ausgabe 04 2015 Wirtschaft für den Unterricht Arbeitskosten Arbeitskosten in Europa steigen moderat S. 2 Rente Rentenbezugsdauer deutlich gestiegen S. 3 Ölpreisbaisse – Ursache und Folgen S. 4 Foto: Dieter Schütz/pixelio Im Fokus Investitionen Deutsche Unternehmen verlagern Investitionen ins Ausland Die deutschen Unternehmen wollen verstärkt im Ausland in- Im Ergebnis werde so auch der Standort Deutschland abermals vestieren. Die Gründe sind unterschiedlich. von den Auslandsinvestitionen profitieren, erwartet der DIHK. Mit den zusätzlichen Aufträgen könnten einer Hochrechnung Mehr deutsche Unternehmen als je zuvor wollen im Ausland zufolge etwa 40.000 Industriearbeitsplätze im Inland entstehen. investieren – dies ist das Ergebnis einer Untersuchung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK). Von Produktionskosten im Inland 2.500 befragten Firmen aus dem verarbeitenden Gewerbe, da- Doch zugleich sind für eine neuerdings wieder wachsende Zahl runter Kleinbetriebe ebenso wie Großunternehmen, kündigten von Unternehmen hohe Produktionskosten im Inland der ent- 47 Prozent an, dass sie in diesem Jahr ihre Auslandsaktivitä- scheidende Anlass, im Ausland zu investieren: Immerhin 23 Pro- ten stärken wollen. Der im Vergleich mit früheren Erhebungen zent der im Ausland engagierten Firmen führten Kostengründe schon recht hohe Vorjahreswert von 45 Prozent wurde damit für ihre Pläne an. Dieses Motiv hatte vor zehn Jahren einmal nochmals übertroffen. eine sehr große Rolle gespielt und war dann zeitweilig in den Hintergrund gerückt. Seit 2013 aber gewinnt das Thema Kosten Hohe Auslandsinvestitionen sind nicht zwangsläufig vertane wieder an Bedeutung, wie die Studie belegt. Unter den mittel Chancen für die inländische Entwicklung. Im günstigsten Fall le- ständischen Firmen führten 28 Prozent dieses Motiv an. Die gen die Unternehmen damit die Grundlagen für weitere erfolg- Verlagerung aus Kostengründen bedeutet Investitionsverzicht reiche Exporte aus heimischer Produktion. Tatsächlich überwiegt und zumindest mittelfristig weniger Beschäftigung an heimi- für die deutliche Mehrheit der Firmen weiter das Motiv, auf den schen Standorten, warnt der DIHK. Die Unternehmen sicherten ausländischen Absatzmärkten – allen voran bei den großen EU- sich damit indes ihre Handlungsfähigkeit, wenn in Deutschland Nachbarn, aber auch in China und Nordamerika – besser Fuß zu Energiepreise, Arbeits- und Bürokratiekosten zu hoch sind oder fassen, wie die Erhebung belegt. Knapp die Hälfte plant, Vertrieb weiter steigen. Insgesamt würden die diesjährigen Auslands- und Kundendienst vor Ort zu stärken, gut 30 Prozent investie- investitionen der deutschen Unternehmen zu einem Aufbau ren dort in die Produktion, um Märkte besser zu erschließen. von 200.000 Arbeitsplätzen im Ausland führen. Arbeitskosten zählen. Die Lohnstückkosten wiederum bezeichnen den An- Arbeitskosten in Europa steigen moderat teil der Arbeitskosten, die auf eine Produkteinheit entfallen. Sie sind somit ein Schlüsselfaktor für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, wenngleich diese auch von den Die Höhe der Arbeitskosten in den verschiedenen europäi- Kapitalkosten (z.B. Zinsen auf Darlehen und Dividenden auf schen Ländern unterscheidet sich nach wie vor erheblich Eigenkapital) und nicht preisrelevanten Faktoren wie Inno- voneinander. vation und der Positionierung des Produkts auf dem Markt beeinflusst wird. Um die durchschnittlichen Lohnstückkosten In Deutschland sind die Arbeitskosten im vergangenen Jahr in einer Volkswirtschaft zu errechnen, werden die Arbeits- moderat um 1,5 Prozent gestiegen, wie Zahlen vom europäi- kosten je Arbeitnehmer ins Verhältnis gesetzt zur erbrachten schen Statistikamt Eurostat zeigen. Damit liegt die Steigerung Wirtschaftsleistung je Erwerbstätigen (Produktivität). etwa auf EU-Durchschnittsniveau, das 1,4 Prozent betrug. Deutlich höher ist der Anstieg in den baltischen Ländern (Estland Unterschiedliche Entwicklung von Arbeitskosten in Europa zum Beispiel mit 6,6 Prozent) oder im Vereinigten Königreich Angaben in Prozent (6,7 Prozent). In einigen Ländern wurde Arbeit sogar billiger, Veränderungen der Arbeitskosten1) pro Stunde 2014 im Vergleich zu 2013 -4,2 Norwegen wie in Tschechien (-3,8 Prozent) oder Norwegen (-4,2 Prozent). -3,8 Tschechien Griechenland Spanien Frankreich Italien EU Deutschland Österreich Rumänien Estland Vereinigtes Königreich Betrachtet man die absolute Höhe der Arbeitskosten in Euro, fällt auf, wie stark die Unterschiede innerhalb Europas noch immer sind: Norwegen liegt trotz Rückgang weiter an der Spitze mit rund 54 Euro pro Stunde. Am anderen Ende befinden sich Bulgarien (3,80 Euro) und Rumänien (4,60 Euro). Lohnstückkosten Arbeitskosten setzen sich aus den Kosten für Löhne und Gehälter sowie den Lohnnebenkosten zusammen, zu denen vor 3,2 5,5 6,6 6,7 1) gesamte Wirtschaft ohne Landwirtschaft und öffentliche Verwaltung Quelle: Eurostat. allem die vom Arbeitgeber zu entrichtenden Sozialbeiträge 35,1 % 0,3 0,4 0,7 0,7 1,4 1,5 gegenüber weniger als im Januar 2014. Einen stärkeren Rückgang gab dem Vorjahres- es zuletzt im Oktober 2009, als die weltweite Finanzkrise monat sind im die Ausfuhren drosselte. Der heftige Einbruch kommt über- Januar die deutschen Exporte nach Russland nicht zuletzt raschend, sagen Experten für 2015 doch einen nicht mehr wegen der westlichen Sanktionen eingebrochen. Damit sum- ganz so starken Rückgang voraus. Deutschland liefert vor mierten sie sich im ersten Monat des Jahres auf nur noch allem Maschinen, Fahrzeuge und chemische Produkte nach knapp 1,44 Milliarden Euro – das ist gut eine Milliarde Euro Russland. um Lektüre-Tipp: Philipp Ther: Die neue Ordnung auf dem alten Kontinent. Eine Geschichte des neoliberalen Europa, Suhrkamp Verlag, Berlin 2014, 431 Seiten, 26,95 € Eine beeindruckende Analyse des ökonomischen Transfor- teressiert ist als am konkreten Alltag und an seinem Wan- mationsprozesses im östlichen Mitteleuropa hat der His- del. Besonders informativ ist der Vergleich zwischen den toriker Philipp Ther mit seinem jüngst auf der Leipziger beiden Hauptstädten Berlin und Warschau, die sich nach Buchmesse ausgezeichneten Buch „Die neue Ordnung auf 1990 unterschiedlich entwickelt haben. Einzig der Ansatz dem alten Kontinent“ vorgelegt. Thers Bewertungen sind Thers, die Geschichte Ostmitteleuropas als ein Kapitel zur aktuell, klar und anregend und sorgen für eine spannende Geschichte des Neoliberalismus zu begreifen, ist nicht Lektüre, wobei der Autor weniger an Grundsätzlichem in- durchweg überzeugend. Finanzmärkte im Blick Wirtschaft Chinas so wenig zu wie seit sechs Jahren nicht mehr, DAX gibt leicht nach was auch negative Spuren an den asiatischen Börsen hinterließ. Derweil setzte sich der Ansturm auf deutsche Bundesanleihen Nach einem fulminanten ersten Quartal mit neuen Rekordstän- fort. Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen fiel Mitte April den hat der DAX Mitte April zumindest zeitweilig den Rückwärts- erstmals unter die Marke von 0,1 Prozent. Hauptgrund sind die gang eingelegt und ist wieder unter die 12.000-Punkte-Grenze Anleihekäufe der Europäi- gefallen. Ob diese Korrektur von längerer Dauer ist, weil die Kur- schen Zentralbank (EZB), die se zuvor zu lange gestiegen waren und eine Überhitzung drohte, die ohnehin hohe Nachfrage Dauer ist oder ob es noch oder ob es noch Luft nach oben gibt – darüber gehen die Mei- nach deutschen Staatspapie- nungen naturgemäß auseinander. Als Belastung für den Index ren und deren Kurse weiter Luft nach oben gibt – darüber sahen einige Analysten, dass EZB-Chef Mario Draghi die Speku- steigen lassen. Weil die EZB lationen um ein vorzeitiges Auslaufen der geldpolitischen Stüt- vorhat, ihre Anleihekäufe zungsmaßnahmen aus ihrer Sicht nicht ganz ausräumen konnte, mindestens bis September auch wenn er ankündigte, die Wertpapierkäufe trotz Anzeichen 2016 fortzuführen, rechnen viele Marktbeobachter mit einer einer konjunkturellen Erholung vollständig durchzuführen. Eini- Fortsetzung dieser Tendenz. Ein Fall der Zehnjahresrendite unter ge Beobachter führten die Kursverluste auch auf die Furcht vor null Prozent gilt unter vielen Experten lediglich als eine Frage einem baldigen Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone der Zeit. Schon jetzt rentieren deutsche Staatsanleihen mit Lauf- zurück. Und schließlich: Im ersten Quartal des Jahres legte die zeiten von bis zu acht Jahren im Minus. Rente »Ob die Korrektur von längerer gehen die Meinungen naturgemäß auseinander.« rung: Die Beitragszahler müssen das Ruhegeld von immer mehr Rentenbezugsdauer deutlich gestiegen Senioren finanzieren. Allein zwischen 1995 und 2013 ist die Zahl der Rentner um gut ein Viertel auf 20,6 Millionen gestiegen. Da viele ältere Mitbürger nicht nur die eigene staatliche Altersver- Die Menschen in Deutschland sind in den vergangenen Jahr- sorgung beziehen, sondern auch Witwen- oder Witwerrenten zehnten immer älter geworden. Weil sie die zusätzlichen bekommen, muss die Rentenversicherung inzwischen Monat Jahre überwiegend im Ruhestand verbringen konnten, hat für Monat mehr als 25 Millionen Renten überweisen. sich die Zahl der Rentner erhöht. Länger in Rente Der gestiegenen Lebenserwartung sei Dank, können diejenigen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die heute in den Ruhe- Durchschnittliche Rentenbezugsdauer von Männern und Frauen in Jahren stand gehen, deutlich länger Rente beziehen als dies vor 50 Jah1960 ren der Fall war. Mitte der 1960er Jahre beispielsweise bekamen westdeutsche Männer im Schnitt rund zehn Jahre lang ihre ge- 1970 setzliche Rente ausgezahlt – mittlerweile sind es 17 Jahre. Die deutschen Rentnerinnen beziehen inzwischen durchschnittlich 1980 sogar mehr als 21 Jahre lang ihr gesetzliches Ruhegeld – verglichen mit 1960 bedeutet das ein Plus von knapp elf Jahren. Die 1990 hinzugewonnenen Lebensjahre waren für die Bundesbürger bislang also fast gleichbedeutend mit zusätzlichen Rentenjahren. 2001 Zwar ist das durchschnittliche Alter, in dem die Bundesbürger 2010 in Rente gehen, in den vergangenen Jahren wieder gestiegen. Doch weil es zuvor rückläufig war, sind die heutigen Neurentner 2011 mit gut 64 Jahren gerade einmal so alt wie jene Bundesdeutschen, die in den 1960er Jahren in den Ruhestand gingen. 2012 Zahl der Rentner gestiegen 2013 Weil aber nicht nur die Ruheständler länger leben, sondern auch 9,6 10,6 10,3 Männer Frauen 12,7 11,0 13,8 13,9 17,2 13,8 18,9 16,2 20,9 16,0 20,6 16,7 21,3 17,0 21,5 Bis 1990: Westdeutschland. Altersrenten und Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, ohne Hinterbliebenenversorgung Quelle: Deutsche Rentenversicherung. stets neue Rentner nachrücken, hat das Konsequenzen für das im Umlageverfahren organisierte System der Rentenversiche bankenverband Im Fokus Energie Ölpreisbaisse – Ursachen und Folgen Seit Mitte vergangenen Jahres hat sich der Rohölpreis zeit- zu kürzen. Im Ergebnis übersteigt das Angebot die Nachfrage weise mehr als halbiert. Den Ölverbrauchern beschert der um etwa 1,0 bis 2,0 Millionen Barrel am Tag. Zurückzuführen Preissturz unerwartete Gewinne, den Ölproduzenten kräfti- ist dies auch darauf, dass sich die Nachfrage Chinas und der ge Einnahmeausfälle. Schwellenländer seit etwa 2013 nicht ganz so dynamisch wie erwartet entwickelt. Im OECD-Raum stagniert die Nachfrage Während der Ölpreis für die Sorte Brent Ende Juni 2014 noch nach Öl ohnehin. All das führt zu der beispiellosen Situation, bei über 110 US-Dollar pro Barrel lag, ist er bis Januar 2015 zeit- dass in Zeiten enormer Krisen in den Hauptproduzentenregi- weise bis auf 45 US-Dollar gesunken. Seitdem bewegen sich die onen die Ölpreise schwächeln. Neben zyklischen können auch Barrelpreise in einem Band zwischen 48 und 60 US-Dollar. We- strukturelle Faktoren, z.B. die größere Rolle von Kondensaten nig spricht gegenwärtig für schnell steigende Ölpreise – und und Erdgas, den aktuellen Preisverfall erklären. Sie stützen das obwohl es in den wichtigsten Förderregionen erhebliche auch die Erwartung einer über mehr als ein Jahr anhaltenden geopolitische Risiken gibt. Preisbaisse. Entscheidend für die weitere Entwicklung sind nun die Anpassungsreaktionen der großen Förderländer und Pro- Die globale Ebene – Ursachen des Preisverfalls duktionsunternehmen. Schon wird sichtbar, dass kostspielige Einen vergleichbaren Preisverfall haben die Ölmärkte bereits Investitionsprojekte auf die lange Bank geschoben werden, so 1986, 1998 und während der Wirtschafts- und Finanzkrise dass mittel- bis langfristig wieder Angebotslücken und Versor- 2008/09 erlebt. Nach dieser letzten Tiefpreisphase stieg der Öl- gungsengpässe entstehen dürften. preis, getrieben von der boomenden Nachfrage in den Schwellenländern, zwischen 2010 und 2013 kontinuierlich an, womit Die Rolle Saudi-Arabiens sich auch der Anreiz erhöhte, in immer komplexere Erdöl- und Die OPEC trachtete in der Vergangenheit stets danach, die Pro- Erdgasförderprojekte zu investieren. In den USA wurde die Tech- duktion der Marktnachfrage anzupassen und die Preise so zu nik des hydraulic fracturing mit der des horizontalen Bohrens stabilisieren. Saudi-Arabien war der entscheidende „Swing Sup- (Fracking) kombiniert, was den Schieferöl- und -gasboom aus- plier“, der mit seinen freien Förderkapazitäten auf Engpässe löste. Unter dem Eindruck einer über viele Jahre rasant steigen- reagieren konnte. Das Königreich ist gegenwärtig aber nicht den Nachfrage in Asien gingen die Marktteilnehmer von einem bereit, die alleinigen Lasten zu tragen, um die Preise zu sta- anhaltend hohen Preisniveau aus, zumal zu erwarten war, dass bilisieren. Folglich wurde auf der OPEC-Sitzung Ende letzten sich die leicht zugänglichen Felder mit niedrigen Förderkosten Jahres beschlossen, die Fördermengen des Kartells trotz des erschöpfen würden und zunehmend geologisch, klimatisch und Überangebots auf den Weltmärkten nicht zu reduzieren. technisch komplexe Vorkommen erschlossen werden müssten. Schon zuvor hatte Saudi-Arabien asiatischen Staaten und den Doch dann setzte der Preisverfall ein. Wie war das möglich? USA Preisabschläge gewährt, um seine Marktanteile zu ver- Zunächst einmal weil sich das Angebot erhöht hat. Durch die teidigen. Das Kalkül Saudi-Arabiens ist vielschichtig: Die Füh- Fracking-Revolution hat die Rohölförderung in den USA seit rungsmacht unter den OPEC-Ländern will auf kurze Sicht ihre 2008 um mehr als ein Drittel zugenommen. Auch in anderen dominante Position am Markt bewahren und langfristig eine Ländern wird kräftig gefördert. Aktuell speist sich das Welt- stabile Weltnachfrage nach Rohöl auf hohem Niveau sicherstel- marktangebot von circa 93 Millionen Barrel pro Tag (b/d) zu len. Saudi-Arabien und die verbündeten arabischen Golfstaaten gut 30 Millionen b/d aus der Fördermenge der Organisation fördern zu den niedrigsten Kosten, verfügen über die größten erdölexportierender Länder (OPEC). Davon werden 21,7 Milli- und am weitesten in die Zukunft reichenden Reserven und onen b/d im Mittleren Osten gefördert; über 10 Millionen b/d haben daher trotz notwendiger hoher Investitionen im Ener- steuern jeweils die USA und Russland bei. Je mehr der Preis ver- giesektor einen langen Atem, um eine Tiefpreisphase durch- fiel, desto mehr versuchten Produzenten und Exporteure, den zustehen. Erklärtes Leitziel ist es nun, die Marktkräfte wirken Gewinnverlust über höhere Mengen zu kompensieren. Russ- zu lassen: Produzenten mit hohen Förderkosten und Grenzan- land beispielsweise fördert auf Höchstniveau. Innerhalb der bieter sollen aus dem Markt gedrängt werden, so dass sich die OPEC erodierte die Kartelldisziplin: Der Iran produziert über Märkte einpendeln können. Sporadisch auftretende längerfris- seiner Quote, der Irak, nicht an Quoten gebunden, verzeich- tige Niedrigpreisphasen sollen Öl-Substitutionsprozessen ent- net steigende Förderraten. Venezuela, Nigeria, Algerien oder gegenwirken und damit garantieren, dass die Golfstaaten auch Ecuador haben keinen wirtschaftlichen Spielraum, die Mengen künftig Abnehmer für ihr Öl finden. Im Fokus Fracking und die gewachsene Rolle der USA Profiteure des Preisverfalls Und tatsächlich: Ernüchtert von den gesunkenen oder zumin- Die EU und Deutschland gehören zweifellos zu den Nutznie- dest unsicher gewordenen Renditeaussichten stellen Inves- ßern des Ölpreissturzes. Mussten die EU-Mitgliedstaaten im toren weltweit Öl- und Gasförderprojekte auf den Prüfstand. Jahr 2013 bei einem Durchschnittspreis von 109 US-Dollar pro Dies gilt auch für die nordamerikanische Öl- und Gaswirtschaft. Barrel 2,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Ölimporte Infolge der niedrigeren Preise sind in den USA die Bohrakti- aufwenden, wird die Ölrechnung 2015 und vermutlich auch vitäten allein in diesem Jahr um 40 Prozent zurückgegangen. 2016 deutlich niedriger ausfallen. Von dem Preisverfall profi- Allerdings ist die Effizienz der Bohrungen zugleich signifikant tieren Europa und Deutschland auf zweifache Weise: Erstens gestiegen, weswegen die Fördermenge weiter ansteigt. Zwar steigen – dank niedriger Kosten für Wärme und Verkehr – die scheiden kleine Wettbewerber aus der Förderung aus, inter- Realeinkommen, so dass die privaten Haushalte ihren Konsum nationale Unternehmen aber steigen zunehmend ein. Sie ausweiten können. Zweitens sinken die Beschaffungs- und Her- schätzen an der Schiefer- bzw. Tight-Ölförderung, dass Förder- stellungskosten der Unternehmen. Je nach Marktlage können mengen und Risiken überschaubar sind, eine leistungsfähige sie ihre Produktion steigern, ihre Gewinne erhöhen und gege- Service-Industrie besteht und Reaktionszeiten relativ kurz sind. benenfalls Erweiterungsinvestitionen vornehmen. Insgesamt Haben große Felder eine Vorlaufzeit von fünf bis 15 Jahren, las- wirkt der Preisverfall für Rohöl als ein positiver Angebotsschock sen sich Fracking-Bohrungen in den USA binnen weniger Mo- auf die Volkswirtschaften Europas. Allerdings ist Europa von nate realisieren. der Preisbaisse weniger begünstigt als etwa die sehr viel ölintensiveren Schwellenländer. Zudem hat der Euro parallel zum Die Technologie-Revolution des Fracking schafft neue Realitä- Ölpreisverfall seit Juni 2014 gegenüber dem US-Dollar deutlich ten. Bei anziehenden Ölpreisen werden sich Investoren wieder an Wert verloren. Die Terms of Trade haben sich daher für die verstärkt engagieren. Allerdings erwartet die Internationale Länder der Eurozone nur halb so stark verbessert wie etwa für Energieagentur (IEA), dass der Höhepunkt des per Fracking ge- die USA. förderten Öls um 2020 erreicht sein wird und danach die Förderkurve abfällt. Wird jetzt vorübergehend weniger gefördert, Die ölimportierenden Schwellenländer dürften aus mehreren verschiebt sich der »Peak« entsprechend nach hinten. Gründen die größten Profiteure der Ölpreisbaisse sein. Erstens ist die Energieintensität ihrer Volkswirtschaften generell sehr Folgen des Preisverfalls hoch. Zweitens können die aufgrund geringerer Kosten für Die Austauschrelationen im Welthandel – die Terms of Trade – Energie und Dünger gefallenen Nahrungsmittelpreise für reale haben sich infolge des Preissturzes auf den Ölmärkten dras- Einkommensgewinne breiter Bevölkerungsschichten sorgen. tisch verändert. In der Konsequenz findet international eine ge- Drittens haben die gesunkenen Ölrechnungen einen aktivie- waltige Umverteilung der Einkommen von Ölproduzenten zu renden Einfluss auf die Zahlungsbilanz, die sich oft chronisch Ölverbrauchern, von Nettoexporteuren zu Nettoimporteuren im Defizit befindet. Die positiven Effekte sind generell umso statt. Der konjunkturelle Impuls, der von dieser Umverteilung größer, je höher der Anteil der Öl- und Gasimporte am Brutto- ausgeht, ist für die Weltwirtschaft deutlich positiv, da die Im- inlandsprodukt ausfällt. portländer im Durchschnitt einen höheren Anteil ihres Bruttonationaleinkommens konsumieren als die Exportländer und da Die Ölexportländer als Verlierer Letztere zur Kompensation ihrer Einkommensverluste Erspar- Die großen Verlierer der Ölpreisbaisse sind hingegen die tra- nisse auflösen. Simulationsrechnungen des IWF zufolge führt ditionellen Ölförderländer mit ihren Rentenökonomien. Die eine 45-prozentige Preissenkung für Rohöl in den Jahren 2015 Öl- und Gaswirtschaft befindet sich meist in staatlicher Hand, und 2016 zu einem Anstieg des Weltbruttosozialprodukts von weswegen sich durch einbrechende Gewinne auch die Trans- jährlich 0,3 bis 0,8 Prozent. fers an den Staat unmittelbar verringern. Die negativen Effekte fallen umso stärker ins Gewicht, je größer der Anteil von Öl und Wie sich die Ölpreisbaisse ökonomisch auf die einzelnen Gas an der nationalen Wertschöpfung, an Exporten, Devisener- Volkswirtschaften auswirkt, hängt aber von verschiedenen lösen und den Staatseinnahmen ist. Gemessen an diesen Krite- Faktoren ab. Dazu zählen unter anderem der relative Anteil rien stehen neben Russland, das unter einer Mehrfachkrise lei- der ölbasierten Produktion an der nationalen Wertschöpfung, det, insbesondere afrikanische Länder, der Irak und Venezuela die Höhe der Importe oder Exporte, das aktuelle konjunkturel- unter starken Anpassungszwängen. Die gefallenen Einnahmen le Umfeld und nicht zuletzt die Reaktionen der Marktakteure haben in den Exportländern die Spielräume sowohl für eine und der Politik. Die wirtschaftlichen Effekte des Preisverfalls klientelistische Verteilungspolitik als auch für eine petrofinan- sind je nach Land und Region sehr unterschiedlich. zierte offensive Außenpolitik dramatisch eingeengt. bankenverband Bargeld Milliarden D-Mark werden immer noch gehortet Über 13 Jahre nach Einführung des Euro-Bargeldes schlum- als Erinnerung aufgehoben haben. Bei den Münzen handelt es mern noch immer fast 13 Milliarden DM irgendwo in privaten sich insbesondere um Fünf- und Zehnmarkstücke (über 4 Milliar- Heimen – davon 6,1 Milliarden DM an Banknoten und 6,8 Milli- den DM). Davon dürfte ein beachtlicher Teil nicht mehr existie- arden DM an Münzen. Was tun damit? In den Filialen der Deut- ren, da es sich in den vergangenen Jahren aufgrund des hohen schen Bundesbank können die Münzen und Banknoten nach Silberpreises lohnte, diese Münzen einzuschmelzen, soweit sie wie vor in Euro getauscht werden – zum offiziellen Kurs von aus Silber bestehen. Ein erheblicher Teil an Münzen findet sich ein Euro = 1,95583 DM. Der Umtausch dort ist weiterhin unbe- auch in Schatullen von Sammlern. Von den kleineren Münznomi- grenzt und kostenfrei möglich. nalen dürften viele schlicht und einfach verloren gegangen sein. Wo aber befinden sich die vielen Scheine und Münzen? Ein Teil Steigendes Interesse an Immobilien ist wahrscheinlich noch in deutschen Haushalten „versteckt“. Generell hat das „billige“ Geld zu einem gestiegenen Interesse Nicht selten werden ganze Mengen an D-Mark bei Wohnungs- an Immobilien nicht nur zur Eigennutzung, sondern auch als auflösungen gefunden. Viele Banknoten sind von den Millionen Geldanlage geführt. Trotz der sehr günstigen Konditionen soll- Touristen aus aller Welt, die Deutschland vor der Euro-Einfüh- te aber ein Immobilienerwerb nicht überstürzt erfolgen. Der rung besucht haben, mit in ihr Heimatland genommen worden Kauf eines Hauses oder einer Eigentumswohnung ist eine lang- und kleben womöglich als Souvenir in einem Fotoalbum. Auch fristige Investition, mit der man sich in der Regel auch finanziell allerhand Deutsche werden sich den einen oder anderen Schein auf lange Zeit bindet. Verbraucher Wie die Deutschen sparen Weniger Sparen, mehr Konsumieren Angaben in Prozent1) 2015 Sparbuch / Spareinlagen 53 Sparen auf Girokonto Das niedrige Zinsniveau nimmt den Deutschen ein wenig die 44 Bausparvertrag Lust am Sparen und stachelt den Konsum an – das geht aus 37 Lebensversicherung mehreren Umfragen hervor, die kürzlich veröffentlicht wor- 35 Kurzfristige Geldanlagen den sind. So hat die Direktbank der Commerzbank, die Comdirect, bei der Befragung von 1.600 Bundesbürgern ermittelt, dass diese 28 Immobilien 25 Riester-Rente 25 Investmentfonds nur noch 7,0 Prozent ihres verfügbaren Haushaltsnettoein- 19 Aktien kommens zurücklegen, nachdem es Anfang des Jahres noch 13 Festverzinsl. Wertpapiere 7,3 Prozent waren. 80 Prozent der Befragten rechnen mit kei- Andere Sparformen nem baldigen Ende der Niedrigzinsphase, mehr als ein Drittel befürchtet sogar noch einen weiteren Rückgang. 6 3 Quellen: TNS Deutschland/Verband der Privaten Bausparkassen. 1) Mehrfachnennungen möglich Konsumlust gestiegen Nach einer Umfrage von TNS Deutschland, die der Verband nur noch 61 statt 64 Prozent der Bürger Geld zurück. Dass die der Privaten Bausparkassen in Auftrag gegeben hat, sparen die Deutschen sich in Konsumlaune befinden, geht auch aus einer Deutschen stärker für Konsumausgaben und deshalb kurzfristi- Umfrage des Verbraucherfinanzierers Credit Plus unter 2.000 ger als früher: Für 65 nach zuvor 59 Prozent ist inzwischen der Bürgern hervor. Rund drei Viertel möchten ihr Geld demnächst Konsum das wichtigste Sparziel. Für die Altersvorsorge legen in neue Möbel oder ein Auto investieren. Impressum | Herausgeber: Bundesverband deutscher Banken e.V., Postfach 04 03 07, 10062 Berlin | Verantwortlich: Iris Bethge Redaktion: Dr. Henrik Meyer, Annette Matthies-Zeiß (Assistenz), Telefon +49 30 1663-1293, [email protected], schulbank.de Druck: Druckstudio GmbH, Professor-Oehler-Straße 10-11, 40589 Düsseldorf | Gestaltung: KD1 Designagentur, Köln 6