NEWSLETTER - Kanzlei FELLA FRICKE WAGNER

Transcription

NEWSLETTER - Kanzlei FELLA FRICKE WAGNER
NEWSLETTER
PRIVATES BAURECHT – VERGABERECHT –
IMMOBILIENRECHT – WIRTSCHAFTSRECHT
JULI 2013
www.ffwkanzlei.de
Inhalt
Editorial
Seite 4
Privates Baurecht
Abnahme trotz langer Mängellisten
Seite 5
Verkürzung der Gewährleistungsfrist durch Vereinbarung im Abnahmeprotokoll
Seite 6
Auch ein "garantierter Pauschalfestpreis" schützt nicht vor Mehrforderungen aus geänderten oder zusätzlichen Leistungen
Seite 7
Jetzt also doch? Anordnungsrecht des Auftraggebers umfasst auch die
Bauzeit
Seite 9
Stillschweigende und fingierte Abnahme eines Bauwerks nach polnischem Recht unter Berücksichtigung der standardmäßigen FIDICKontraktbedingungen („FIDIC Red Book“)
Seite 10
Werkvertragsrecht
Sicherungsumfang einer Vorauszahlungsbürgschaft
Seite 12
Vergaberecht
Das Vergabeverfahrensrisiko liegt beim Auftraggeber
Seite 14
Zu welchem Zeitpunkt muss ein Bieter über eine notwendige Maschine
verfügen?
Seite 15
Architektenrecht
Nicht geschützte Planung darf durch Dritte weiterverwendet werden
Seite 16
Architekt muss Bauherrn auf erforderlichen Vertragsstrafenvorbehalt
hinweisen
Seite 17
Immobilienrecht
Immobilienerwerber haftet für die Kautionsrückzahlung auch in der
Zwangsversteigerung
Seite 18
Veräußerer eines vermieteten Grundstücks haftet dem Mieter für die
Rückzahlung der Kaution
Seite 19
2
Inhalt
Immobilienrecht
Zur verschuldensunabhängigen Haftung des Vermieters bei "kalter"
Wohnungsräumung
Seite 21
Verjährung von Nachforderungen aus Betriebskostenabrechnungen bei
Vorbehalt der Nachberechnung einzelner Positionen
Seite 22
Mietrechtsänderungsgesetz – Was ändert sich für Mieter und Vermieter?
Seite 23
Umstrittene Reservierungsgebühren für Makler
Seite 25
Wirtschaftsrecht
Die Insolvenzantragspflicht des GmbH-Geschäftsführers
Seite 27
Den Generationswechsel im Unternehmen erfolgreich gestalten
Seite 29
Gastbeitrag
Prüfung von Mehrforderungen aus angeblicher AGK-Unterdeckung im
angeblich gestörten Bauablauf
Seite 30
Brauchen Unternehmen wirklich eine Anti-Stressverordnung?
Seite 32
Sonstiges
Folgen und Risiken der Vernachlässigung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes - Zahlen und Fakten zum Thema Arbeits- und Gesundheitsschutz
Seite 33
Firmenwagen steuerfrei
Seite 34
News
Koalition will Öffentlich-Private Partnerschaften mittelstandsfreundlich
gestalten
Seite 35
HOAI 2013: Referentenentwurf online
Seite 35
Änderungsentwurf zur polnischen Körperschaft- und Einkommensteuer
Seite 36
3
Editorial
Das Vertrauen unserer Mandanten ist unser Anspruch und unsere höchste Auszeichnung
Liebe Leserin, lieber Leser,
Sie erhalten unseren neugestalteten Newsletter zu den Themen






Privates Baurecht
Werkvertragsrecht
Vergaberecht
Architektenrecht
Immobilienrecht
Wirtschaftsrecht
mit den besten Grüssen aus
unserer Rechtsabteilung.
Durch die Neugestaltung des
Newsletters möchten wir unsere Mandanten noch zielgerichteter und umfassender über
rechtliche Probleme und Neuerungen in den Schwerpunktbereichen unserer Tätigkeit informieren.
Über Anregungen, Feedback
und Verbesserungsvorschläge würden wir uns sehr freuen.
Um einen Blick über den (juristischen) Tellerrand zu wagen,
wird jede Ausgabe unseres
Newsletters einen oder mehrere Gastbeiträge enthalten. In
dieser Ausgabe stammen die
Gastbeiträge aus den Bereichen
des
betrieblichen
Gesundheitsmanagements und
der Mehrforderungen aus AGKUnterdeckung beim gestörten
Bauablauf.
Neuer Standort – neuer Partner
Weiterhin möchten wir Sie darüber informieren, dass sich
unsere Kanzlei personell und
örtlich erweitert hat. Seit
01.04.2013 besitzen wir nun
auch ein Büro in Hamburg. Wir
hoffen durch unsere Präsenz im
Norden Deutschlands, die bestehenden Kontakte zu den dort
ansässigen
Mandanten
zu
intensivieren und neue Kontakte zu knüpfen.
Der
Standortleiter
unseres
Hamburger Büros ist Herr
Rechtsanwalt Bence Horváth,
der seit 01.01.2013 auch als
neuer Partner bei FFW aufgenommen wurde. Rechtsanwalt
Horváth verfügt über langjährige Erfahrungen in den Bereichen des Privaten Baurechts,
insbesondere
bei
PPPProjekten, des Anlagenbaus
und des internationalen Vertragsrechts. Er war sowohl als
Rechtsanwalt als auch als Justitiar bei mehreren großen Bauunternehmen und Bauherren in
Deutschland tätig und verstärkt
unser Team daher in unseren
Kernkompetenzen.
Unseren nächsten Newsletter
erhalten Sie zum Ende des
4. Quartals.
Ihr FFW-Team
4
PRIVATES BAURECHT
Abnahme trotz langer Mängellisten
Sachverhalt:
Auftraggeber (AG) und Auftragnehmer (AN) haben einen Bauvertrag geschlossen, dessen
Gegenstand ein Neubau mit
zwei fünf- bis achtgeschossigen
Wohnhauszeilen,
bestehend
aus 11 Häusern mit 128 Wohnungen
und
147
TGStellplätzen, ist. Die vertraglich
vereinbarte Mängelgewährleistungsfrist betrug fünf Jahre.
Nach Abnahme der Leistung
fordert der AG von seinem AN
für die Beseitigung von Mängeln einen Vorschuss in Höhe
eines Betrages von 376.500
Euro. Der AG ist der Auffassung, dass die förmliche Gesamtabnahme am 08.12.1997
erfolgt sei, was eine auf diesen
Tag datierte "Abnahmeniederschrift" belege. Er meint zudem,
bereits die Länge der im Rahmen der Abnahmebegehungen
erstellten Mängellisten stehe
einer früheren Abnahme entgegen. Die Einreichung der Klage
habe die Verjährung gehemmt.
Der AN ist der Auffassung, es
habe eine „gestreckte Abnahme" einzelner Bauteile und
Wohnungen von Dezember
1996 bis Mai 1997 stattgefunden. Dies sei durch mehrere
Abnahmebescheinigungen
nachgewiesen. Der letzte Akt
dieses Vorgangs sei die Abnahme der Dächer, der Fassaden und der Treppenhäuser am
15.05.1997 gewesen. Im Anschluss daran seien keine weiteren
Abnahmehandlungen
vorgenommen worden
.
Der AN erhebt daher die Einrede der Verjährung.
Entscheidung:
Die Klage des AG hat keinen
Erfolg. Das Kammergericht (Urteil vom 11.03.2011, Az: 6 U
128/08) weist die Klage wegen
Verjährung der Ansprüche ab.
Weil es sich bei dem gegenständlichen Bauvorhaben um
ein sehr großes Bauvorhaben
handelte, habe eine Vielzahl
von Abnahmebegehungen und
Prüfungen der Bauteile stattgefunden. Es sei unvermeidlich,
dass hierbei eine Vielzahl von
Mängeln festgestellt werde. Die
Länge dieser Mängellisten gebe
keine Auskunft über die Abnahmefähigkeit eines Bauteils.
Ferner haben beim Bau mehrfach Mängelbeseitigungsarbeiten stattgefunden, die dann
Gegenstand des jeweiligen Abnahmeprotokolls gewesen seien. Die ausdrücklich als Abnahmebescheinigungen überschriebenen Urkunden, aus
denen sich die Billigung des
jeweils benannten Bauwerkteils
und einzelner Wohnungen ergeben, reichten als Nachweis
für
die
erfolgte
(Gesamt-)Abnahme aus.
Praxistipp:
Insbesondere bei großen Bauvorhaben sind Abnahmebegehungen über mehrere Tage
nicht ungewöhnlich. Soweit
nach den Begehungen für die
jeweiligen Bauteile Abnahmebescheinigungen erteilt sind
und zum Abschluss der letzten
Abnahmebegehung alle Bauteile erfasst werden, gilt damit ‒
vorbehaltlich
abweichender
Regelungen ‒ die Abnahme der
Gesamtleistung als erfolgt. Im
Fall von Teilabnahmen stellt die
Teilabnahme des letzten, in
sich abgeschlossenen und
funktionsfähigen,
Bauteils
gleichzeitig die endgültige Abnahme der Gesamtleistung dar.
Da die Abnahme die Bestätigung der Herstellung einer im
wesentlichen vertragsgerechten
Leistung darstellt, besteht auch
objektiv keine Veranlassung,
davon auszugehen, dass es
(immer) eines einzigen Abnahmeprotokolls bedarf, um eine
wirksame Abnahme des Gesamtbauvorhabens anzunehmen. Entscheidend ist, dass
der Auftraggeber für alle Leistungen die Abnahme erklärt.
Dies nachzuweisen obliegt wiederum dem Auftragnehmer.
Jörg Fricke
Rechtsanwalt
[email protected]
5
PRIVATES BAURECHT
Verkürzung der Gewährleistungsfrist durch Vereinbarung im Abnahmeprotokoll
Sachverhalt:
Ein Auftragnehmer (AN) beansprucht von seinem Vertragspartner (AG) die Herausgabe
einer
Gewährleistungsbürgschaft. Grundlage des Bauvertrages ist die VOB/B sowie besondere Vertragsbedingungen.
Hiernach hat der AG die Bürgschaft nach Ablauf der 5jährigen
Gewährleistungsfrist
und Befriedigung der bis dahin
erhobenen Ansprüche an den
AN herauszugeben. Im Protokoll der am 05.06.2003 durchgeführten Abnahme ist vermerkt worden: "Gewährleistung: Ende der Gewährleistung
04.06.2008". Das Protokoll wird
von einem Mitarbeiter des AG
sowie einem Vertreter des AN
unterzeichnet. Mit Schreiben
vom 02.06.2008, welches dem
AN am 05.06.2008 zugeht, rügt
der AG Mängel. Der AG ist der
Auffassung, die Mängelrüge
habe zur Quasiunterbrechung
der Verjährung gemäß § 13
VOB/B geführt, da die Angabe
des Verjährungsendes im Abnahmeprotokoll nicht bindend
sei. Die Angabe im Protokoll sei
ein Versehen. Ferner sei der an
der Abnahme beteiligte Mitarbeiter des AG ohne Vertretungsmacht aufgetreten. Es
gelte daher die vertraglich vereinbarte Verjährungsfrist, die
erst mit Ablauf des 05.06.2008
ende. Die Bürgschaft sei daher
noch nicht herauszugeben.
Entscheidung:
Das OLG Braunschweig hat in
seinem Urteil vom 20.12.2012
(Az: 8 U 7/12) der Klage stattgegeben. Die Parteien haben
mit der individuellen Angabe
des Endtermins der Gewährleistungsfrist und Unterzeichnung des Abnahmeprotokolls
eine Vereinbarung über die
Verjährung der Gewährleistungsansprüche getroffen. Die
ursprüngliche Gewährleistungsfrist von fünf Jahren, die am
zum 05.06.2008, 24 Uhr, endet,
wurde durch die Parteien einvernehmlich um einen Tag, das
heißt bis zum 04.06.2008, 24
Uhr, verkürzt. Die Unterzeichnung des Abnahmeprotokolls
sei eine Willens- und nicht nur
Wissenserklärung, da sie auf
die Klarstellung der Gewährleistungsfrist gerichtet ist. Unerheblich ist, ob die Abgabe von Willenserklärungen von Gemeindemitarbeitern den kommunalrechtlichen Vertretungsregelungen unterliegt. Entscheidend
ist, dass sich der AG das Handeln der Person, die er als Vertreter für die rechtsgeschäftliche Abnahme entsendet, nach
den
Grundsätzen
der
Anscheinsvollmacht zurechnen
lassen muss. In jedem Fall
können die vom BGH (IBR
2011, 189; IBR 2011, 190) für
das Handeln eines in einen
Termin entsandten Vertreters
und die Bindungswirkung des
Terminprotokolls entwickelten
Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt übertragen
werden. Der AG hätte daher
nach den zum kaufmännischen
Bestätigungsschreiben entwickelten Grundsätzen der im
Protokoll angegebenen Frist
unverzüglich
widersprechen
müssen, was er jedoch nicht
getan habe.
Praxistipp:
In vielen Abnahmeprotokollen
befindet sich die Angabe des
Verjährungszeitraums oder des
Verjährungsendes. Da die Angabe der Gewährleistungsfrist
jedoch nicht erforderlich ist, weil
diese bereits vertraglich oder
gesetzlich geregelt ist, sollte
entweder vollständig darauf
verzichtet werden oder diese
sorgfältig, das heißt vor Unterzeichnung des Protokolls und
auch danach, geprüft und gegebenenfalls unverzüglich ein
schriftlicher Widerspruch formuliert werden.
Kristin Kirchhoff
Rechtsanwältin
[email protected]
6
PRIVATES BAURECHT
Auch ein "garantierter Pauschalfestpreis" schützt
nicht vor Mehrforderungen aus geänderten oder
zusätzlichen Leistungen
Sachverhalt:
Ein Generalunternehmer erhielt
auf der Grundlage der VOB/B
den Auftrag zur Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit 41
Wohneinheiten. Im besagten
Vertrag wurde der Leistungsumfang durch eine allgemeine
Bau- und Funktionsbeschreibung sowie Eingabepläne definiert. Zudem hieß es im Vertrag, das Gebäude werde "entsprechend den genehmigten
Plänen des Architekten gemäß
Baubeschreibung in fertiger und
funktionsgerechter Ausführung"
errichtet. Nach Ziff. 1.12. des
Bauvertrags blieben Änderungen aufgrund behördlicher Auflagen vorbehalten. Allerdings
sollten nach dem Vertrag aus
diesen Änderungen keine Ersatzansprüche abzuleiten gewesen sein. Als sogenannter
"garantierter Pauschalfestpreis"
wurden 2,8 Mio. EUR vereinbart. Im Rahmen der Bauausführung mussten dann verschiedene Leistungen ‒ unter
anderem an den Fenstern, der
Wasserversorgung und der
Solaranlage
‒
aufgrund
bauaufsichtlicher
Vorgaben
anders als in den Eingabeplänen dargestellt ausgeführt werden.
Der Generalunternehmer macht
diesbezüglich Nachträge in
Höhe von 141.300 Euro geltend.
Entscheidung:
Das OLG Koblenz (Urteil vom
14.11.2012 - 5 U 465/12) sieht
die Mehrvergütungsansprüche
des Generalunternehmers als
gegeben an. Trotz der Pauschalpreisabrede sind außerhalb des ursprünglich vereinbarten Leistungskatalogs liegende Arbeiten auch dann,
wenn sie preislich nicht wesentlich ins Gewicht fallen, gesondert zu vergüten. Dabei bestimmte sich der Leistungskatalog nicht nach den Modalitäten
der Baugenehmigung, die seinerzeit noch gar nicht erteilt
war, sondern nach den vorliegenden, die allgemeine Bauund
Funktionsbeschreibung
konkretisierenden Baueingabeplänen des Architekten. Allein
auf dieser Basis war auch das
Angebot des Generalunternehmers erarbeitet worden und
ist die Preisbildung erfolgt. Der
Umstand, dass das Bauwerk
nach den "genehmigten Plänen
des Architekten" zu errichten
war, stellt lediglich die Selbstverständlichkeit heraus, dass
am Ende auf dieser Grundlage
zu bauen und der Leistungskatalog dann gegebenenfalls anzupassen ist. Zwar wäre es
möglich gewesen, die Auswirkungen von Änderungen auf
den vereinbarten Pauschalfestpreis vertraglich zu unterbinden. Eine entsprechende Vereinbarung muss aber strengen
Anforderungen genügen und
deutlich gefasst sein. Die in Ziff.
1.12 getroffene Regelung genügt dem nicht. Diese Regelung betrifft nicht das für die
geänderten Leistungen zu entrichtende Entgelt, sondern die
Ersatzberechtigung sowohl des
Generalunternehmers als auch
des Auftraggebers wegen Beeinträchtigungen, welche möglicherweise aus den Änderungen entstehen.
Praxistipp:
Soweit als Vergütung der Leistung eine Pauschalsumme vereinbart ist, bleibt die Vergütung
unverändert (VOB/B § 2 Abs. 7
Nr. 1 Satz 1). Das heißt im Umkehrschluss: Ändert sich die
Leistung, ändert sich auch die
Vergütung. Beim VOB-Vertrag
ergibt sich das aus § 2 Abs. 7
Nr. 2 VOB/B, wonach die Regelungen der Absätze 4, 5 und 6
7
auch bei Vereinbarung einer
Pauschalsumme
Anwendung
finden. Das gilt immer, es sei
denn, es ist ausdrücklich etwas
anderes (wirksam) vereinbart
worden. An eine solche abweichende Vereinbarung sind aufgrund der erheblichen Rechtsfolgen besonders hohe Anforderungen zu stellen. Eine Pauschalpreisabrede stellt lediglich
einen Aufmaßverzicht (Bolz,
BauR 2010, 374, 378) dar und
ist kein Preispolster für unwesentliche Leistungsänderungen
sowie Zusatzleistungen (BGH,
IBR 2002, 655).
Kai Landvoigt
Rechtsanwalt
[email protected]
8
PRIVATES BAURECHT
Jetzt also doch? Anordnungsrecht des Auftraggebers umfasst auch die Bauzeit
Sachverhalt:
Die Bundesrepublik Deutschland (AG) hatte einen Auftragnehmer (AN) mit Bauleistungen
für den Umbau eines Bunkers
beauftragt. Die Bauphase verlängerte sich von ursprünglich
knapp einem Jahr auf über zwei
Jahre. Ursache hierfür waren
verschiedene Verzögerungen,
weshalb der AG gezwungen
war, die Terminpläne immer
wieder neu anzupassen. Der
AN machte wegen der entstandenen
Bauzeitverlängerung
Mehrvergütungsansprüche
in
Höhe von 344.000 Euro geltend.
Entscheidung:
Das OLG Hamm wies die Klage
mit Urteil vom 12.04.2011 (Az:
24 U 29/09) ab. Erstaunlich an
dieser Entscheidung ist aber,
dass das OLG Hamm seine
bisherige Rechtsprechung (gestützt auf den Aufsatz von
Thode, ZfBR 2004, 214) änderte, wonach bislang Anordnungen zur Bauzeit niemals berechtigt sein und damit auch
nicht zu Vergütungsansprüchen
nach § 2 Abs. 5 VOB/B führen
konnten. Nunmehr bejahte das
OLG Hamm dem Grunde nach,
dass eine Änderungsanordnung
des AG zur Bauzeit, die vom
AN akzeptiert wird, zu Mehrvergütungsansprüchen führen
kann. Es wies die Klage jedoch
mit der Begründung ab, dass im
vorliegenden Fall ein Rechtsbindungswille der AG in Bezug
auf eine Bauzeitanordnung
nicht nachgewiesen worden sei.
Das Gericht ging davon aus,
dass die Notwendigkeit, die
Bauzeit aufgrund von Verzögerungen ‒ auch Dritter ‒ zu verlängern, nicht notwendig einen
Rechtsbindungswillen zu einem
Auftrag zur Bauzeitverlängerung enthalten müsse. Entscheidend sei vielmehr, dass
ein Wille des AG bestehe, infolge geänderter Umstände Änderungen im zeitlichen Ablauf als
neuen Gegenstand der vertraglichen Leistung anzuordnen.
Hierbei komme es entscheidend darauf an, in welchem
Maße der AG Einfluss auf die
veränderten Umstände habe.
Wenn diese Umstände außerhalb seiner Sphäre lägen, sei
ein rechtsgeschäftlicher Wille
regelmäßig nicht erkennbar.
Auch aus der Vorlage mehrfach
geänderter Bauzeitenpläne und
einer Akzeptanz der darin ent-
haltenen Fristen durch den AN
könne nicht ohne Weiteres auf
eine einvernehmliche Änderung
der vertraglichen Grundlagen
im Hinblick auf eine verbindliche Neubestimmung der Bauzeit geschlossen werden.
Praxistipp:
Leider vermag die Begründung
des OLG Hamm nicht zu überzeugen und stärkt abermals die
Position des AG. Warum ein
AG nicht damit rechnen sollen
muss, dass die verbindliche
Vorgabe neuer Termine zu
Mehrvergütungsansprüchen
des AN führt, ist nicht nachvollziehbar.
Björn Müller
Rechtsanwalt
[email protected]
9
PRIVATES BAURECHT
Stillschweigende und fingierte Abnahme eines
Bauwerks nach polnischem Recht unter Berücksichtigung der standardmäßigen FIDIC-Kontraktbedingungen („FIDIC Red Book“)
Zur Bedeutung der Abnahme
und zu ihren Rechtswirkungen
gibt es zahlreiche Fehlvorstellungen. Einerseits wird die große Bedeutung der Abnahme
verkannt. Sie liegt im Wesentlichen darin, dass sie die Erfüllung des Werkvertrages dokumentiert und zahlreiche Wirkungen zugunsten des Unternehmers auslöst. Diese Abnahmewirkungen können in
einem Prozess entscheidende
Bedeutung haben. Andererseits
wird häufig übersehen, dass es
wichtige, von der Rechtsprechung formulierte, Ausnahmetatbestände gibt, nach
denen die Abnahmewirkungen
auch dann eintreten, wenn eine
Abnahme nicht vorliegt. Zur
erfolgreichen Prozessführung in
Bausachen sind Kenntnisse
des Abnahmerechts unabdingbar.
Der juristische Begriff „Abnahme“ bezeichnet allgemein eine
Erklärung, dass eine Sache
oder ein Zustand bestimmten
Kriterien entspricht, so insbesondere, dass ein Werk als
erfüllungstauglich
bestätigt
wird.
Die Abnahme ist vom Besteller
ausdrücklich zu erklären, in der
Praxis erfolgt aber häufig nur
eine stillschweigende (konkludente) Abnahme des Werkes.
Bei einer stillschweigenden
Abnahme erklärt der Besteller
die Billigung des Werkes nicht
ausdrücklich, sondern durch
schlüssiges Verhalten. Die erforderliche Anerkennung liegt in
einem vom Willen des Bestellers getragen Verhalten, aus
dem der Unternehmer schließen darf, der Besteller billige
die Leistung als im Wesentlichen vertragsgemäß.
Diese stillschweigende rechtsgeschäftliche Abnahme ist von
einer sogenannten fingierten
Abnahme grundsätzlich zu unterscheiden. Bei abnahmefähigen Werken wird der rechtsgeschäftlichen
(ausdrücklichen
oder stillschweigenden) Abnahme eine trotz Fristsetzung
unterlassene Abnahme allerdings im Hinblick auf die
Rechtsfolgen gleichgestellt (fingierte Abnahme oder Abnahmefiktion).
I.
Das polnische Zivilgesetzbuch
regelt zwar die rechtsgeschäftliche Abnahme und die Verpflichtung des Bestellers, eine
solche Abnahme bei Billigung
des Werkes erklären zu müssen, sieht jedoch keine Einzelheiten hinsichtlich ihrer Durchführung vor. Insbesondere regelt es - im Unterschied zum
deutschen Recht (vgl. § 640
Abs.1 S.3 BGB) - keine fingierte
Abnahme. Auch die polnische
Rechtsprechung hat diesbezüglich bisher keine klaren, verlässlichen Grundsätze entwickelt.
Auch das polnische Baugesetzbuch hilft dem Unternehmer
in diesem Zusammenhang nicht
weiter. Es enthält zwar eine
Reihe von allgemein formulierten Pflichten, die den Bauherrn
(u. a. die Sicherstellung der
Ausführung und Abnahme der
Bauarbeiten) sowie den zuständigen Bauleiter (u. a. die
Anmeldung beim Bauherrn der
Bauarbeiten zur Abnahme, die
Teilnahme an Abnahmebegehung) treffen, unterlässt aber genauso wie die polnische
10
Rechtsprechung - eine in der
Praxis so begehrte Konkretisierung der Pflichten und Zuweisung der Rechtsfolgen.
Vor diesem Hintergrund sollten
die tatsächlichen und rechtlichen Folgen einer unbegründeten
Abnahmeverweigerung
durch den Besteller oder einer
nicht innerhalb einer bestimmten Frist erfolgten Abnahme im
Bauvertrag nach polnischem
Recht klar geregelt werden.
II.
Im Unterschied zum polnischen
Zivilgesetzbuch
regeln
die
FIDIC Bedingungen, die bei
polnischen Bau- und Infrastrukturgroßprojekten sehr häufig als
Vertragsbedingungen
vereinbart werden, das Abnahmeverfahren (test on completion) und
seine Bescheinigung sehr eingehend:
Die Abnahme ist in den Klauseln 9 (Tests), 10 (Talking over)
und 11 (Defects Liability) des
Fidic Red Books geregelt und
erfolgt in mehreren Schritten.
Die an die Abnahme nach polnischem
(und
deutschem
Recht, vgl. § 640 BGB) geknüpften Folgen treten hier zeitlich gestreckt ein:
Nach
Fertigstellung
(completion) kann der Unternehmer sogenannte „Übernahme“ (wird häufig als „Abnahme“
übersetzt) verlangen.
Die Fertigstellung und die Abnahmereife werden, soweit die
Test (test of completion) erfolgreich verlaufen, mit der Übernahmebescheinigung (talking
over certificate) bestätigt, die
der
zuständige
Ingenieur
(Engenieer) innerhalb von 28
Tagen nach Antrag des Unternehmers
ausstellen
muss.
Unterlässt der Ingenieur die
förmliche Übernahme oder die
Zurückweisung des Antrags auf
Übernahme, gilt die Übernahme
nach Fristablauf als erfolgt
(Übernahmefiktion), vorausgesetzt, die Arbeiten sind im Wesentlichen vertragsgerecht.
Die Wirkungen dieser Übernahmefiktion werden in der
Praxis regelmäßig mit Wirkungen einer fingierten Abnahme
gleichgestellt. Diese Gleichstellung trifft allerdings nur auf die
Folgen zu, die nicht an die Ausstellung einer Erfüllungsbescheinigung (performance certificate) anknüpfen:
Von ihrer Erteilung sind die
Möglichkeit zur Schlussabrechnung (Final Payment Certificate) und der Anspruch auf Herausgabe der Erfüllungssicherheit abhängig. Erst die Erfüllungsbescheinigung
bestätigt
die vollständige Erfüllung des
Vertrags (im Sinne einer Abnahme) und entscheidet über
die Verjährungsfrist für die
Mängelgewährleistung.
Jakob Krupski
Rechtsanwalt
[email protected]
Die Übernahmebescheinigung
bringt die Mängelanzeigefrist
(defects notification period), die
nicht mit der gesetzlichen Mängelgewährleistung zu verwechseln ist, zum Laufen und führt
zur Gefahrverlagerung auf den
Besteller. Erst nach Ablauf der
Mängelanzeigefrist kann die
Erfüllungsbescheinigung (performance certificate) verlangt
werden.
11
WERKVERTRAGSRECHT
Sicherungsumfang
einer
Vorauszahlungsbürg-
schaft
Sachverhalt:
Die Parteien vereinbaren in
einem BGB-Werkvertrag die
Stellung einer Sicherheit, die
als „Bürgschaft zur Absicherung
von
Vorauszahlungen“
bezeichnet wird und unbefristet
auszustellen ist. Daneben ist
auch eine Bürgschaft zur Absicherung der Vertragserfüllung
in Höhe von 5% des Auftragswertes zu stellen. Die Vorauszahlungsbürgschaft ist laut Vertrag nach der Lieferung einer
genau definierten Teilleistung
des Werkes zurück zu geben
und gibt an, dass der Bürge für
etwaige Ansprüche des AG auf
Rückzahlung der geleisteten
Vorauszahlung
die
selbstschuldnerische Bürgschaft bis
zu einem Höchstbetrag übernimmt. Die Bürgschaft ist „unbefristet bis zur Erfüllung und
Abnahme der vertraglichen
Verpflichtungen bis zur Höhe
der Vorauszahlung“ und erlischt
nach der Rückgabe der Bürgschaftsurkunde. Sie enthält
zudem die Festlegung: „Der
Bürge wird Zahlung leisten,
wenn der AG darlegt, dass der
AN seinen vertraglichen Verpflichtungen aus dem Auftrag
nicht nachgekommen ist.“
Vor der Lieferung der o. g. Teilleistung kündigt der AG wegen
eines Verzuges des AN Gegenforderungen an, die den Wert
der Vorauszahlungsbürgschaft
knapp übersteigen.
Der durch den AN verschuldete
Leistungsverzug besteht nicht
nur für die o. g. Teilleistung,
sondern auch für andere, wesentliche Leistungsteile.
Der AN erbringt schließlich die
für die Rückgabe der Vorauszahlungsbürgschaft relevante
Teilleistung und fordert den AG
auf, die Vorauszahlungsbürgschaft herauszugeben, was der
AG verweigert. Der Auftragnehmer meint, die Bürgschaft
sei ohnehin faktisch wertlos,
weil die vertraglich definierten
Voraussetzungen der Rückgabe, insoweit die Erbringung der
Teilleistung, eingetreten ist und
die Bürgschaft daher nicht mehr
gezogen werden kann.
Kann der Auftraggeber die Vorauszahlungsbürgschaft
dennoch mit Erfolg in Anspruch
nehmen?
Rechtslage:
Die Frage kann in der Praxis
recht umstritten sein. Die Lösung hängt davon ab, wie der
vereinbarte Sicherungsumfang
der Vorauszahlungsbürgschaft
zu verstehen ist. Grds. besteht
bei einem Werkvertrag eine
Vorleistungspflicht des AN. Abschlagszahlungen kann der AN
nur auf bereits erbrachte Teilleistungen verlangen. Zahlt der
AG dennoch vor der Leistungserbringung, dann hat er ein
fundamentales Interesse an der
Absicherung dieser Vorauszahlung, sowohl im Hinblick auf
den Herstellungsanspruch, als
auch auf eventuelle Rückzahlungsansprüche.
Der Sicherungsumfang einer
Vorauszahlungsbürgschaft ist
im Regelfall deutlich enger als
der einer Vertragserfüllungsbürgschaft. Der hier behandelte
Text zum Sicherungszweck der
Vorauszahlungsbürgschaft ist
zu einem wesentlichen Teil mit
der ebenfalls gestellten Erfüllungsbürgschaft identisch, enthält somit Merkmale einer Vertragserfüllungsbürgschaft.
Wird der Sicherungsumfang
einer
Vorauszahlungsbürgschaft indes eng formuliert,
dann können nur Rückzahlungsansprüche des Bauherrn
abgesichert sein, wenn die
Bauleistung den Wert der Vorauszahlung nicht erreicht, so
ein Fall des OLG Celle, Urteil
vom 30.04.2008, IBR 2008,
347.
Ein
Rückzahlungsanspruch entsteht zudem immer
dann, wenn der Auftragnehmer
die Leistung nicht oder nicht
gehörig erbracht hat. Die Nichterfüllung umfasst auch den Fall
der verspäteten Erfüllung, §§
280, 286 BGB.
Es ist in der Rechtsprechung
anerkannt, dass eine Vertragserfüllungsbürgschaft auch Ansprüche auf Schadensersatz
wegen Nichterfüllung abdecken
12
kann, damit also auch Ansprüche auf die Rückzahlung geleisteter Vorauszahlungen (OLG
Frankfurt,
Urteil
vom
26.03.1999, IBR 2000, 543). Da
eine Vorauszahlungsbürgschaft
bei entsprechendem Bürgschaftstext den Charakter einer
Erfüllungsbürgschaft
bekommen kann, so OLG Brandenburg, Urteil vom 05.12.2001,
IBR 2002, 309, ist es auch ohne weiteres möglich, dass
eine Vorauszahlungsbürgschaft
Schadensersatzansprüche
–
auch aus Verzug – abdeckt.
Praxishinweis:
Nach der Entscheidung des
BGH vom 04.11.1999, IBR
2000, 72, kommt ein Rückzahlungsanspruch dann in Betracht, wenn die Summe der
Voraus- und Abschlagszahlun-
gen die dem AN zustehende
Gesamtvergütung
übersteigt.
Wenn also die Leistungen vertragsbezogen den Stand der
Zahlungen erreichen, läge keine Überzahlung vor. Der BGH
berücksichtigt bei der Gesamtabrechnung auch bestehende
Mängel, denn diese mindern
den Wert der erbrachten Leistung.
Ist beabsichtigt, dass die Vorauszahlungsbürgschaft weder
Schadensersatzansprüche aus
kündigungsbedingten Mehrkosten noch sich daraus ergebende Mängelansprüche absichert,
dann ist dem AN zu empfehlen,
vor Vertragsabschluss den Sicherungszweck der Bürgschaft
geradezu akribisch zu prüfen
und sowohl im Vertrag als auch
in der Vorauszahlungsbürgschaft sehr exakt zu definieren.
Bence Horváth
Rechtsanwalt
[email protected]
13
VERGABERECHT
Das Vergabeverfahrensrisiko liegt beim Auftraggeber
Sachverhalt:
Der Auftraggeber schrieb Bauarbeiten am Küstenkanal im
Stadtgebiet von Oldenburg aus.
Im Rahmen dieser Bauarbeiten
waren insbesondere Spundwände aus Stahl zu rammen.
Der ursprünglich vorgesehene
Zuschlagstermin (18.03.2004)
musste wegen eines Vergabenachprüfungsverfahrens
auf
den 14.06.2004 verschoben
werden. Das OLG Oldenburg
verurteilte den Auftraggeber zur
Zahlung der gesamten dem
Auftragnehmer aus dieser Bauzeitverschiebung entstehenden
Mehrkosten, weil der Stahl
nach diesem erheblichen Zeitablauf nun teurer eingekauft
werden musste, als dies bei
unverzögerter
Beauftragung
und Ausführung der Fall gewesen wäre. Der Auftraggeber,
der bereits alle vorlaufenden
Prozesse in dieser Sache verloren hatte, legte Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH
ein.
Entscheidung:
Der BGH bestätigt in seinem
Beschluss vom 10.01.2013 (VII
ZR 37/11) jedoch die Entscheidung des OLG Oldenburg! Er
bekräftigt ‒ wie bereits mit seinem Urteil vom 22.07.2010
(IBR 2010, 606) ‒, dass euro-
päisches Vergaberecht der
BGH-Rechtsprechung
zum
Vergabeverfahrensrisiko nicht
entgegensteht. So liegt bereits
keine nachträgliche Vertragsänderung vor. Vielmehr ergibt
die ergänzende Vertragsauslegung, dass eine Anpassung der
Bauzeit und gegebenenfalls
auch der Vergütung von vorneherein dem beabsichtigten Vertrag immanent war, wenn sich
diese Parameter bereits vor
Zuschlag verschieben. Selbst
unter dem Gesichtspunkt einer
nachträglichen Vertragsänderung bestünden keine Bedenken, denn es gälte jedenfalls
Art. 31 Richtlinie 2004/18/EG
(umgesetzt z. B. in VOB/A § 3
EG Abs. 5 Nr. 5). Wenn vom
Auftraggeber nicht vorhersehbare Umstände eine nachträgliche Vertragsänderung erforderlich machen, welche die Hälfte
des Werts des ursprünglichen
Auftrags nicht überschreitet, ist
diese Nachbeauftragung des
ursprünglichen Auftragnehmers
ohne neue Ausschreibung zulässig.
Die Höhe der Mehrkosten wird
vom Gericht anhand der vorliegenden Verträge mit Lieferanten und Nachunternehmern
ermittelt. Deren Angebotspreise
zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe werden den tatsächlichen
Einkaufspreisen der Leistungen
für den verzögerten Zeitraum
gegenübergestellt. Der Auftragnehmer kann auf diese Mehrkosten seinen Generalunternehmerzuschlag gemäß Formblatt EFB-Preis hinzusetzen.
Praxistipp:
Ein weiteres wegweisendes
Urteil zu den Fällen der verzögerten Vergabe. Sofern Sie von
einem solchen Fall einer verzögerten Vergabe betroffen sind,
ist es wichtig, die Mehrkosten
genau zu dokumentieren.
Kai Landvoigt
Rechtsanwalt
[email protected]
14
VERGABERECHT
Zu welchem Zeitpunkt muss ein Bieter über eine
notwendige Maschine verfügen?
Sachverhalt:
Eine Forstbehörde (AG) schrieb
die maschinelle Holzernte inklusive Beifällung und Stehendentnahme von Bäumen aus.
Sie stellte im Rahmen der technischen Leistungsfähigkeit besondere Anforderungen an die
für die Holzernte zum Einsatz
kommenden Maschinen, sog.
"Harvester". Der Leistungsbeginn sollte zwei Monate nach
der Erteilung des Zuschlags
erfolgen. Eine Bieterin, die spätere Beigeladene, gab in ihrem
Angebot den Typ des von ihr
vorgesehenen Harvesters an
und versicherte durch Eigenerklärung, bei Leistungsbeginn
über eine entsprechende Maschine zu verfügen. Die Beigeladene wollte die entsprechende Maschine erst nach einem
möglichen Zuschlag erwerben.
Nachdem die Zuschlagsfrist
verlängert worden war, hatte
die Beigeladene nochmals bekräftigt, dass sie zum verschobenen Leistungsbeginn über
eine Maschine verfügen könne.
Ein Wettbewerber ‒ der spätere
Antragsteller (ASt), der ebenfalls ein Angebot abgegeben
hatte ‒ rügte unter anderem,
dass die Beigeladene ihre
technische Leistungsfähigkeit
nicht hinreichend belegt habe,
da sie weder im Zeitpunkt der
Eignungsprüfung noch bei der
Auftragsvergabe
über
Harvester verfüge.
den
Entscheidung:
Das nach der Rüge eingeleitete
Vergabenachprüfungsverfahren
führte nicht zum Erfolg. Das
OLG München stellte in seinem
Beschluss vom 17.01.2013 (Az:
Verg 30/12) fest, dass der Vorwurf des ASt, dass die Beigeladene zum Leistungsbeginn keine den Anforderungen des
Leistungsverzeichnisses
entsprechende Maschine zum Einsatz bringen könne, nicht
durchgreift. Die Vergabeunterlagen verlangten nicht ausdrücklich, dass die Gerätschaften bereits bei Angebotsabgabe
vorhanden sein müssen. Daher
reicht es aus, wenn die Beigeladene und der Hersteller der
Maschine im Termin vor der
Vergabekammer
erklärten,
dass zum Zeitpunkt des nunmehr vorgesehenen Leistungsbeginns eine entsprechende
Maschine zur Verfügung steht.
Dies wurde durch Eigenerklärung und die Mitteilung des
Herstellers klargestellt und danach durch den Antragsgegner
überprüft. Dem steht nicht entgegen, dass eine personelle
oder
gesellschaftsrechtliche
Verbindung oder Verflechtung
zwischen der Beigeladenen und
der Herstellerfirma besteht.
Sofern keine greifbaren Anhaltspunkte vorliegen, dass die
Zusicherungen des Herstellers
unzutreffend sein müssen, besitzt eine solche Erklärung keine geringere Werthaltigkeit als
Erklärungen eines beliebigen
Lieferanten.
Praxistipp:
Diese Entscheidung bestätigt
die Zulässigkeit des Verhaltens
verschiedener
Unternehmen,
erst im Falle einer Beauftragung die erforderliche Leistungsfähigkeit (hier: durch Ankauf der Maschine) herstellen.
Sofern dieser seine Eignung –
ggf. durch Eigenerklärungen (§
7 Abs. 1 VOL/A-EG 2009) –
nachweist, so ist ‒ sofern nicht
andere Hinderungsgründe bestehen ‒ die Eignung zu bejahen.
Björn Müller
Rechtsanwalt
[email protected]
15
ARCHITEKTENRECHT
Nicht geschützte Planung darf durch Dritte weiterverwendet werden
Sachverhalt:
Ein Bauträger beauftragt einen
Architekten mit den Leistungen
Grundlagenermittlung bis Genehmigungsplanung. Dabei hat
der Architekt, wie von ihm geschuldet, die entsprechenden
Pläne erstellt und die Baugenehmigung beschafft. Bevor mit
dem Bau begonnen werden
konnte, wurde das Grundstück
anderweitig an einen neuen
Investor verkauft. An diesen
Investor veräußert der Architekt
seine Planung nochmals. Der
Bauträger erfährt davon und
verlangt vom Architekten den
Erlös aus dem Zweitverkauf der
Planung. Das Oberlandesgericht Hamm (OLG Hamm,
29.11.2011 - 21 U 58/11) gibt
ihm Recht.
Entscheidung:
Diese OLG-Entscheidung hebt
der Bundesgerichtshof (BGH,
Urteil vom 10.01.2013 - VII ZR
259/11) auf und verweist die
Sache an das OLG zurück.
Der BGH bestätigt einleitend
die Argumentation des OLG,
wonach der Bauträger grundsätzlich die Befugnis benötigt,
die Planung des Architekten für
die einmalige Errichtung dieses
Bauwerks auf dem konkreten
Grundstück verwenden zu dürfen. Deshalb ist von einer entsprechenden stillschweigenden
Gestattung des Architekten
auszugehen, die Pläne hierfür
nutzen zu dürfen. Der Besteller
besitzt damit ein allein ihm zustehendes Nutzungsrecht, das
er auch an einen Dritten weiter
übertragen darf.
Der BGH weist im Weiteren
darauf hin, dass der Architekt
dagegen eine Zweitverwertung
der Pläne zu unterlassen hat.
Eine Verletzung dieser Unterlassungspflicht begründet jedoch lediglich schuldrechtliche
Ansprüche, stellt aber keinen
Fall der Eingriffskondiktion nach
§ 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB
dar, so dass der Besteller nur
Schadensersatz nach § 280
BGB, aber nicht die Herausgabe des Erlöses aus der Zweitverwertung verlangen kann.
Der zu ersetzende Schaden
kann auch nicht mit dem
"Verletzergewinn" (Erlös aus
der vertragswidrigen Zweitverwertung) gleichgesetzt werden,
so dass der Besteller vor dem
OLG seinen konkreten Schaden noch darlegen und beweisen muss.
Praxistipp:
Unter Umständen ist die
Rechtslage anders zu beurteilen, wenn die zum zweiten Mal
verwertete Planung urheberrechtlich geschützt ist. Überträgt in solchen Konstellationen
der Architekt das ausschließliche Nutzungsrecht an den Besteller, kann dieser einen auf
der
Grundlage
des
Verletzergewinns bemessenen
Schadensersatz verlangen oder
Herausgabe des durch die unberechtigte
Zweitverwertung
Erlangten nach § 816 Abs. 1
Satz 1 BGB fordern.
Jakob Krupski
Rechtsanwalt
[email protected]
16
ARCHITEKTENRECHT
Architekt
muss
Bauherrn
auf
erforderlichen
Vertragsstrafenvorbehalt hinweisen
Sachverhalt:
Der Bauherr verlangt von dem
bauleitenden Architekten Schadensersatz. Als Begründung
trägt er vor, der Architekt habe
bei der Abnahme des Bauvorhabens gegenüber dem bauausführenden Unternehmer den
Vorbehalt der Vertragsstrafe
nicht erklärt. Der Architekt erhebt klageerwidernd unter anderem die Verjährungseinrede.
Entscheidung:
Ist dem Architekten bekannt,
dass die Parteien des Bauvertrags eine Vertragsstrafenabrede getroffen haben oder hätte
ihm dies bekannt sein müssen,
gehört es zu seinen Beratungsund Betreuungspflichten, durch
nachdrückliche Hinweise an
den Bauherrn sicherzustellen,
dass bei einer förmlichen Abnahme
der
erforderliche
Vertragsstrafenvorbehalt nicht
versehentlich unterbleibt, es sei
denn, der Auftraggeber besitzt
selbst genügende Sachkenntnis
oder ist sachkundig beraten
(OLG Bremen, Urteil vom
06.12.2012 - 3 U 16/11).
In dem vorliegenden Fall hat
der Architekt schuldhaft eine
sich aus dem Architektenvertrag ergebende Pflicht verletzt.
Die Pflichtverletzung bestand
nach der Auffassung des Gerichts darin, dass er es bei der
Abnahme versäumt hat, die
Geltendmachung der Vertragsstrafe vorzubehalten (vgl. § 11
Nr. 4 VOB/B a.F.) bzw. den
Bauherr auf diese Notwendigkeit hinzuweisen. Aufgrund dieser Pflichtverletzung konnte der
Bauherr seinen Vertragsstrafenanspruch nicht durchsetzen.
Zwar kann ein für den Auftraggeber tätige bauleitende Architekt nicht ohne Weiteres als zur
Geltendmachung des Vertragsstrafenvorbehalts bevollmächtigt angesehen werden, da die
Vertragsstrafe in erster Linie
Vermögensinteressen des Auftraggebers betrifft und mit der
Bauleistung und damit auch mit
der Tätigkeit des Architekten
unmittelbar nichts zu tun hat.
Vielmehr bedarf die Erklärung
des Vorbehalts der Vertragsstrafe einer besonderen Bevollmächtigung durch den Auftraggeber. Eine solche Bevollmächtigung folgt nicht unmittelbar aus einem Architektenvertrag, der auf das in § 15 HOAI
a.F beschriebene Leistungsbild
abstellt.
Bestand eine solche Vollmacht
nicht, kommt eine haftungsbegründende
Pflichtverletzung
des Architekten aber dann in
Betracht, wenn er eine Beratungspflicht verletzt hat.
Allerdings war die Klageforderung vorliegend verjährt.
Praxistipp:
Ändern die Parteien einvernehmlich
Vertragstermine,
hängt einerseits von der Bedeutung der jeweiligen Terminverschiebung, andererseits von
der Formulierung der Vertragsstrafenvereinbarung ab, ob diese Vereinbarung unter den geänderten Umständen auch Bestand hält. Je gewichtiger die
Terminverschiebung ist, umso
weniger ist davon auszugehen,
dass die frühere Vereinbarung
einer Vertragsstrafe gleichwohl
Bestand behalten soll (OLG
Düsseldorf,
Urteil
vom
19.04.2012 - 23 U 150/11).
Jakob Krupski
Rechtsanwalt
[email protected]
17
IMMOBILIENRECHT
Immobilienerwerber haftet für die Kautionsrückzahlung auch in der Zwangsversteigerung
Sachverhalt:
Die vom Mieter eines Gewerberaums an den ursprünglichen
Vermieter gezahlte Mietsicherheit wird von diesem nicht getrennt von seinem sonstigen
Vermögen angelegt, so dass
dieser Vermögenswert nach
Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Vermieter mit
in die Insolvenzmasse gefallen
ist. Im Rahmen des Insolvenzverfahrens versteigert der Insolvenzverwalter die vermietete
Immobilie. Der Erwerber der
Immobilie wird von dem Mieter
auf die zwischenzeitlich fällige
Rückzahlung der Kaution in
Anspruch genommen.
Entscheidung:
Ist der Kautionsrückzahlungsanspruch rückzahlungsreif, hat
der Ersteher die Verpflichtung,
die Kaution an den Mieter zurückzuzahlen. Die Kautions-
rückzahlungspflicht gehört zu
den Pflichten, die der Erwerber
durch den Zuschlag in der
Zwangsversteigerung
übernimmt (§ 57 ZVG) – die Kautionsrückzahlungspflicht
geht
kraft Gesetzes mit dem Zuschlag zu Gunsten des Mieters
auf den Ersteher über. Damit
haftet der Ersteher gegenüber
dem Mieter unbeschränkt, weil
nach der Auslegung des § 566
a BGB das Risiko der Insolvenz
des Voreigentümers vom Immobilienerwerber übernommen
wird.
die Kautionen tatsächlich befinden.
Sandra Bordiehn
Rechtsanwältin
[email protected]
Praxistipp:
Der Gesetzgeber hat somit eine
Art Belastung des vermieteten
Grundstücks geschaffen. Folglich sollte der Immobilienerwerber vor Zuschlag in einer
Zwangsversteigerung oder Unterzeichnung eines notariellen
Kaufvertrages prüfen, wo sich
18
IMMOBILIENRECHT
Veräußerer eines vermieteten Grundstücks haftet
dem Mieter für die Rückzahlung der Kaution
Sachverhalt:
Der Mieter zahlte seinem Vermieter ursprünglich eine Barkaution. Dann wurde das
Grundstück unter Zwangsverwaltung gestellt. In dieser Zeit
forderte der Zwangsverwalter
den Mieter unter Übersendung
eines Vordrucks „Einverständniserklärung zur Kautionsübertragung“ auf, der Weiterreichung der Kaution an die neue
Eigentümerin und der Entlassung des Zwangsverwalters
aus der „bürgenähnlichen“ Haftung
zuzustimmen.
Der
Zwangsverwalter
erklärte
gleichzeitig gegenüber dem
Mieter, dass andernfalls an den
Mieter die Kaution ausgezahlt
werden würde und dieser eine
neue Mietsicherheit gegenüber
der neuen Vermieterin leisten
müsse. Der Mieter unterschrieb
die
Einverständniserklärung
und übersandte diese an den
Zwangsverwalter. Das Grundstück des ursprünglichen Vermieters wurde veräußert. Die
neue Vermieterin erhielt die
Kaution des Mieters. Im Jahr
darauf wurde das Mietverhältnis
beendet. Die Kaution konnte
laut
Wohnungsübergabeprotokoll im Hinblick auf den
Zustand der Wohnung unter
Berücksichtigung der Mietzahlungen an den Mieter zurückgezahlt werden.
Es kam jedoch vor Rückzahlung der Mietkaution erneut zur
Anordnung der Zwangsverwaltung. Im Zuge dessen teilte die
Hausverwaltung dem Mieter
mit, dass die Auflösung des
Kautionskontos erfolgt sei, die
Guthaben dem Mietenkonto
gutgeschrieben wurden und
Auszahlungen wegen der Kontopfändungen nicht möglich
seien.
Nachdem der Mieter die neue
Vermieterin erfolglos zur Kautionsrückzahlung
aufgefordert
hatte, nimmt er den ehemaligen
Vermieter gemäß § 566 a Satz
2 BGB auf Kautionsrückzahlung
in Anspruch.
Entscheidung:
Gemäß § 566 a Satz 2 BGB ist
der bisherige Vermieter dem
Mieter weiterhin zur Rückzahlung der Mietkaution verpflichtet, wenn dieser bei Beendigung des Mietverhältnisses die
Mietsicherheit von dem neuen
Vermieter nicht zurückerstattet
bekommt.
Die dem Zwangsverwalter gegenüber abgegebene Einverständniserklärung des Mieters
stellt keine Individualvereinbarung dar und bewirkt nicht die
Enthaftung des ehemaligen
Vermieters.
Es handelt sich um eine Allgemeine
Geschäftsbedingung.
„Als Allgemeine Geschäftsbedingung führt die vom Kläger
formularmäßig
abgegebene
Erklärung schon deshalb nicht
zu einer Entlassung des Beklagten aus der Haftung nach §
566a Satz 2 BGB, weil ihr jedenfalls
nach
der
Unklarheitenregel des § 305c
Abs. 2 BGB ein solcher Inhalt
nicht beigelegt werden kann.
Die Erklärung betrifft nach ihrem Wortlaut nur die Haftung
des Zwangsverwalters, der zum
damaligen Zeitpunkt nach §
152 Abs. 2 ZVG die Rechte und
Pflichten des Vermieters wahrzunehmen hatte. Zudem ist
nicht die Rede von der subsidiären Vermieterhaftung nach §
566a Satz 2 BGB, sondern von
einer im Gesetz nicht vorgesehenen "bürgenähnlichen Haftung". Es ist daher zumindest
auch die Auslegung möglich,
dass sich die gegenüber dem
Zwangsverwalter auf dessen
Wunsch abgegebene Erklärung
auf dessen eigene Haftung beschränkte,
ohne
die
Vermieterhaftung nach § 566a
Satz 2 BGB generell abzubedingen. Da mehrere Auslegungsmöglichkeiten bestehen,
ist gemäß § 305c Abs. 2 BGB
diese für den Mieter günstigere
Deutung zugrunde zu legen.
19
Da der Beklagte schon im Hinblick auf die Unklarheitenregel
des § 305c Abs. 2 BGB aus der
Erklärung nichts zu seinen
Gunsten herleiten kann, bedarf
es keiner Entscheidung, ob die
formularmäßige
Einverständniserklärung darüber hinaus
auch
einer
Inhaltskontrolle
standhielte. Insbesondere kann
offen bleiben, ob ein Verstoß
gegen das Transparenzgebot
(§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) vorliegt, weil die Erklärung nicht
klar und verständlich ausdrückt,
was mit der "bürgenähnlichen
Haftung" des Zwangsverwalters
gemeint ist.“
Praxistipp:
Ein eventueller Ausschluss dieser Haftung muss eindeutig
zwischen den Parteien ausgehandelt und vereinbart werden.
Ein Verzicht des Mieters auf die
Haftung des ehemaligen Vermieters kann nur durch Individualvereinbarung wirksam erreicht werden.
Voraussetzung für die Inanspruchnahme des ursprünglichen Vermieters ist jedoch,
dass der Mieter im Zeitpunkt
der Beendigung des Mietverhältnisses die Kaution vom Erwerber nicht erlangen kann.
Dementsprechend kann der
veräußernde Vermieter durch
Vertragsgestaltung im Verhältnis zum Erwerber dessen Insolvenzrisiko und damit die eigene
Haftung nach § 566 a S. 2 BGB
ausschalten, indem er eine entsprechende preisliche Anpassung verlangt – ggf. kann auch
eine entsprechende Bankbürgschaft zu seinen Gunsten in
Betracht kommen.
Gina Cajar
Rechtsanwältin
[email protected]
20
IMMOBILIENRECHT
Zur verschuldensunabhängigen Haftung des Vermieters bei "kalter" Wohnungsräumung
Sachverhalt:
Der Kläger war Mieter einer in
Wiesbaden gelegenen Wohnung der Beklagten. Ab Februar 2005 war er für mehrere Monate mit unbekanntem Aufenthalt ortsabwesend und wurde
von Verwandten als vermisst
gemeldet. Nachdem die Mieten
für die Monate März und April
2005 nicht gezahlt worden waren, kündigte die Vermieterin
das Mietverhältnis fristlos. Im
Mai 2005 öffnete sie die Wohnung und nahm sie in Besitz.
Hierbei entsorgte sie einen Teil
der Wohnungseinrichtung; einen anderen Teil der vorgefundenen Sachen lagerte sie bei
sich ein. Gestützt auf ein Sachverständigengutachten hat der
Mieter für die ihm nach seiner
Behauptung im Zuge der Räumung abhanden gekommenen,
beschädigten oder verschmutzten Gegenstände Schadensersatz von rund 62.000 Euro zuzüglich der ihm entstandenen
Gutachterkosten verlangt.
Entscheidung:
Der BGH hat in seinem Urteil
vom 14.07.2010 (Az: VIII ZR
45/09) entschieden, dass die
Vermieterin für die Folgen einer
solchen Räumung haftet. Die
nicht durch einen gerichtlichen
Titel gedeckte eigenmächtige
Inbesitznahme einer Wohnung
und deren eigenmächtiges Ausräumen durch den Vermieter
stellten eine unerlaubte Selbsthilfe gemäß § 229 BGB dar.
Das gelte selbst dann, wenn
der gegenwärtige Aufenthaltsort
des Mieters unbekannt und ein
vertragliches Besitzrecht des
Mieters infolge Kündigung entfallen ist. Der Vermieter müsse
sich auch in diesen Fällen einen Räumungstitel beschaffen
und aus diesem vorgehen. Übt
ein Vermieter stattdessen im
Wege einer sogenannten "kalten" Räumung eine verbotene
Selbsthilfe aus, sei er gemäß §
231 BGB verschuldensunabhängig zum Ersatz des daraus
entstehenden Schadens verpflichtet.
Von dieser Ersatzpflicht werde
insbesondere eine eigenmächtige Entsorgung der in der
Wohnung vorgefundenen Gegenstände erfasst. Denn den
Vermieter, der eine Wohnung
ohne Vorliegen eines gerichtlichen Titels in Besitz nimmt,
treffe für die darin befindlichen
Gegenstände eine Obhutspflicht. Der Vermieter habe die
Behauptung des Mieters zu
widerlegen, dass bestimmte
Gegenstände bei der Räumung
abhanden gekommen oder beschädigt worden seien, und zu
beweisen, dass sie einen geringeren Wert hatten als vom
Mieter behauptet.
Praxistipp:
Das vorstehende BGH-Urteil
gilt auch für das für Vermieter
lästige und allgegenwärtige
Thema „Mietnomaden“. Sind
die Mieter längst ausgezogen,
führt zur Vermeidung etwaiger
späterer Inanspruchnahmen auf
Schadensersatz durch den Mieter kein Weg des Vermieters
am Gericht vorbei. Wohnt der
Mieter nicht mehr in der Wohnung ist eine etwaige Klage
dem Mieter gegebenenfalls
öffentlich zuzustellen.
Führt der Vermieter dennoch
eine sogenannte kalte Räumung durch, sollte er dies unter
der Anwesenheit von Zeugen
tun und ein Bestandsverzeichnis über die beschlagnahmten
Gegenstände des Mieters aufstellen. Damit kann der Nachweis gegenüber späteren unberechtigten Schadensersatzforderungen des Mieters leichter
geführt werden.
Sandra Bordiehn
Rechtsanwältin
[email protected]
21
IMMOBILIENRECHT
Verjährung von Nachforderungen aus Betriebskostenabrechnungen bei Vorbehalt der Nachberechnung einzelner Positionen
Sachverhalt:
Die Klägerin war Vermieterin,
die Beklagte war bis Ende Februar 2007 Mieterin einer Wohnung in Berlin. Die Mieterin war
nach dem Mietvertrag zur Entrichtung einer Nettokaltmiete
zuzüglich monatlicher Vorauszahlungen auf die Nebenkosten
verpflichtet. Die Klägerin erstellte für die Jahre 2002 bis 2006
rechtzeitig die alljährlichen Betriebskostenabrechnungen. Im
Rahmen dieser Abrechnungen
behielt sich die Klägerin eine
zum damaligen Zeitpunkt zu
erwartende rückwirkende Neufestsetzung der Grundsteuer
vor. Das zuständige Finanzamt
setzte die Grundsteuer mit Bescheid vom 3. Dezember 2007
rückwirkend für die Jahre ab
2002 fest. Aus diesem Grund
berechnete die Vermieterin die
Grundsteuer für die Jahre 2002
bis 2006 nach und stellte diese
der Mieterin in Höhe von
1.095,55 € im Jahre 2010 in
Rechnung. Die Beklagte machte die Einrede der Verjährung
geltend.
Entscheidung:
Der BGH hat mit Urteil vom
12.12.2012,
(Az:
VIII ZR 264/12)
entschieden,
dass die Verjährungsfrist erst
entsprechend der regelmäßigen
Verjährung zu laufen beginnen
könne, wenn der Vermieter
Kenntnis von den zur Nachforderung berechtigenden Umständen erlangt habe. Dem
stünde auch § 556 Abs. 3 Satz
3 BGB nicht entgegen, wonach
die Abrechnung dem Mieter
spätestens bis zum Ablauf des
zwölften Monats nach Ende des
Abrechnungszeitraums mitzuteilen ist und nach Ablauf dieser
Frist die Geltendmachung einer
Nachforderung
durch
den
Vermieter grundsätzlich ausgeschlossen ist. § 556 Abs. 3 Satz
3 BGB soll den Vermieter dazu
bewegen die Abrechnung fristgerecht zu erstellen. Dies bedeute nicht, dass der Vermieter
Kosten von denen er zum Zeitpunkt der Abrechnung ohne
Verschulden keine Kenntnis
haben konnte nicht nachberechnen dürfe, sofern er sich
dies vorbehalten hat.
Praxistipp:
Hat der Vermieter Grund zur
Annahme, dass insbesondere
im Rahmen behördlicher Bescheide künftige Kosten auch
nach Ablauf des Abrechnungszeitraums zu erwarten sind, so
sollte er im Rahmen der Betriebskostenabrechnungen den
Vorbehalt dieser konkret zu
erwartenden Kosten erklären.
Sandra Bordiehn
Rechtsanwältin
[email protected]
22
IMMOBILIENRECHT
Mietrechtsänderungsgesetz – Was ändert sich für
Mieter und Vermieter?
Im Februar 2013 verabschiedete der Bundesrat das Mietrechtsänderungsgesetz.
Die
beschlossenen
Änderungen
treten bereits Anfang April bzw.
Anfang Mai in Kraft. Verschiedene Problembereiche werden
durch das Gesetz neugeregelt.
1. Modernisierungsmaßnahmen
zur Energieeinsparung
Durch das Mietrechtsänderungsgesetz sollen Maßnahmen zur Energieeinsparung
gefördert werden. Hierbei ist
Folgendes zu beachten:
Zunächst besteht für den Mieter
in einem Zeitraum von drei Monaten kein Mietminderungsrecht
wegen
Lärm
oder
Schmutz, wenn durch die
durchgeführte Energiesparmodernisierungsmaßnahme eine
Kosteneinsparung für den Mieter erreicht wird.
Des Weiteren erfolgt eine Trennung der Duldungspflicht zur
Modernisierungsmaßnahme
selbst und des zur Mieterhöhung führenden Verfahrens.
Einer Blockade der Modernisierungsmaßnahme soll so entgegengewirkt werden. Über mögliche Härtefälle wird dann erst
in dem sich an die Modernisierungsmaßnahme anschließenden
Mieterhöhungsverfahren
entschieden. Wird ein Härtefall
in diesem Verfahren bejaht,
besteht für den Vermieter nicht
die Möglichkeit einer Mieterhöhung.
Spannend bleibt die Frage, ob
im Falle der Kombination von
energetischen und klassischen
Modernisierungsmaßnahmen
ebenso das Mietminderungsverbot greift. Es ist insoweit
eine strikte Trennung von energetischen und klassischen Modernisierungsmaßnahmen
zu
empfehlen.
2. Wärmecontracting
Eine gesetzliche Grundlage
wurde nunmehr auch für das
Contracting geschaffen. Hierbei
werden Vermieteraufgaben an
Dienstleister ausgelagert. Gemäß der nunmehr getroffenen
Regelung muss diese Auslagerung jedoch zu einer Effizienzsteigerung führen und auch für
den Mieter kostenneutral sein.
Auch hier ist selbstverständlich
eine vorherige und rechtzeitige
Anzeige bei dem Mieter notwendig, um diesem gegebenenfalls Prüfungsmöglichkeiten
zu eröffnen. Fraglich bleibt
weiterhin, ob der Vermieter anschließend an einen kurzen
Contractervertrag auch einen
weiteren, aber höheren Vertrag
abschließen darf, wenn dies zu
einer Erhöhung der Nettokaltmiete führen würde.
3. Deckelung von Mieterhöhung
Dieser Punkt betrifft vor allem
die Bundesländer. Für sie besteht nunmehr die Möglichkeit
festzulegen, dass für Gebiete
mit kritischem Wohnungsmarkt
die Mieten innerhalb von 3 Jahren nur noch um bis zu 15 %
der ortsüblichen Vergleichsmiete erhöht werden dürfen. Eine
Mieterhöhung von bis zu 20 %
ist in diesen Gebieten für den
genannten Zeitraum dann nicht
möglich.
4. Verhinderung der Eigenbedarfskündigung
nach
dem
„Münchener Modell“
Bei dem sogenannten „Münchener Modell“ werden Mietwohnungen durch eine Gesellschaft aufgekauft und die Mieter anschließend wegen Eigenbedarfs gekündigt. Die von den
Gesellschaftern dann bezogenen Wohnungen werden in
Wohneigentum umgewandelt.
Der Normalfall eines Kündigungsschutzes von mindestens
3 Jahren bei einer Eigenbedarfskündigung gilt mit dem
Mietrechtsänderungsgesetz
nunmehr auch für das „Münchener Modell“.
5. Mietnomadentum
Ein inzwischen zu weit verbreitetes Übel ist das Mietnomadentum. Auch hierfür bietet
das
Mietrechtsänderungsgesetz eine vermieterfreundliche Lösung. Zukünftig
können Mietwohnung wesentlich schneller und wesentlich
einfacher geräumt werden. So
besteht auch schon während
eines laufenden Prozesses
bzgl.
einer
Räumung
23
die Möglichkeit, den nichtzahlenden Mieter zu verpflichten,
die Mietzahlungen bei Gericht
zu hinterlegen. Somit kann der
Mietausfall während des Prozesses verhindert werden. Für
den Fall, dass diese Hinterlegung durch den Mieter nicht
vorgenommen wird, hat der
Vermieter die Möglichkeit im
einstweiligen Rechtsschutzverfahren auch dann schon einen
Räumungstitel zu erwirken.
Ferner wird auch das Modell
der „Berliner Räumung“ – hier
räumt der Gerichtsvollzieher die
streitgegenständliche Wohnung
nicht vollständig, sondern nur
insoweit, dass der Mieter nicht
mehr der Besitzer ist – nunmehr gesetzlich geregelt. Der
Vorteil dieser Handlungsvariante ist vor allem der Verzicht auf
eine kostenintensive Einlagerung der Möbel und Gegenstände aus der zu räumenden
Wohnung.
Sandra Bordiehn
Rechtsanwältin
[email protected]
24
IMMOBILIENRECHT
Umstrittene Reservierungsgebühren für Makler
Im Immobilienwesen ist derzeit
vor allem die Frage umstritten,
wie mit gezahlten Reservierungsgebühren zu verfahren ist,
wenn es nicht zum Abschluss
eines Kaufvertrages kommt.
Für den Fall, dass sich ein
Kaufinteressent noch ein wenig
Bedenkzeit für seine Kaufentscheidung erbittet, haben einige
Makler die Möglichkeit der Reservierung entwickelt. Selbstverständlich ist diese Reservierung nicht kostenlos und gegen
die Zahlung einer Gebühr hat
der Kaufinteressent nochmals
Zeit das Kaufangebot zu überdenken. Fraglich ist nunmehr,
was geschieht, wenn sich der
Kaufinteressent gegen den Erwerb der Immobilie entscheidet.
Gemäß einer Entscheidung des
Bundesgerichtshofes
vom
23.09.2010 (III ZR 21/10) sind
diese Reservierungsgebühren
an den Kaufinteressenten zurückzuzahlen. Dies gilt jedenfalls immer dann, wenn die Reservierungsgebühr auf Grundlage einer vorformulierten Vereinbarung gezahlt wurde und
für den Kaufinteressenten keine
über die Reservierung als solche hinausgehenden Vorteile
für den möglichen Erwerber
vorliegen. Worin sind nun solche Vorteile für den Erwerber
zu sehen? Eine andere Ansicht
als einige Makler vertritt hierzu
das
Amtsgericht
BerlinCharlottenburg (216 C 600/12).
Dieses stellte klar, dass zum
Beispiel die Durchführung von
Besichtigungen, deren Vermittlung, die Beschaffung von Unterlagen sowie Terminabsprachen mit dem Notar gerade
kein „tatsächliches Mehr“ an
Leistung, also keinen über die
Reservierung hinausgehenden
Vorteil bedeuten, sondern vielmehr von der entstandenen
Maklerprovision
abgedeckt
sind.
Im Bürgerlichen Gesetzbuch (§
652 BGB) ist geregelt, für was
der Makler sein Entgelt verlangen kann – eine erfolgreiche
Maklertätigkeit. Gerade dies ist
bei einer Reservierung jedoch
noch nicht der Fall. Hier zahlt
der mögliche Erwerber ein Entgelt an den Makler dafür, dass
dieser seine Vermittlungsbemühungen für einen vereinbarten Zeitraum einstellt, bis der
Kaufinteressent eine positive
oder auch negative Kaufentscheidung getroffen hat.
Zu beachten ist aber, dass die
Rechtsprechung
Reservierungsvereinbarungen nicht generell als unzulässig erachtet.
Sie können jedoch nur wirksam
vereinbart werden, wenn sie
nicht als allgemeine Geschäftsbedingungen in den Maklervertrag aufgenommen worden sind
und der Kunde hierdurch eine
unangemessene
Benachteiligung erfährt, sondern als
individuell ausgehandelte Vereinbarung erstellt werden. Eine
unangemessene
Benachteiligung des Kaufinteressenten ist
jedenfalls dann der Fall, wenn
die Reservierungsvereinbarung
nicht direkt zwischen dem Kunden und dem Makler ausgehandelt wird, wenn sie einseitig
durch den Makler vorgegeben
wird oder auch eine zu hohe
Gebühr für die Reservierung
der Immobilie verlangt wird.
Allein durch die Höhe der Gebühr kann sich der mögliche
Erwerber schon einer Drucksituation ausgesetzt sehen. Eine
freie Entscheidung für oder gegen das Kaufobjekt fällt dann
schwer.
Ferner ist zu beachten, dass
eine solche Reservierungsvereinbarung gemäß § 311 b Abs.
1 BGB zu ihrer Wirksamkeit
einer notariellen Beurkundung
bedarf. Dies ist jedoch nur
dann der Fall, wenn die verlangte
Reservierungsgebühr
über 15 % der bei Abschluss
eines Kaufvertrages zu zahlenden
Maklerprovision
läge.
Wichtig zu beachten ist auch,
dass die Reservierungsvereinbarung zeitlich begrenzt sein
muss. Andernfalls könnte diese
sogar als nichtig angesehen
werden.
Wie in allen Bereichen des Immobilienwesens ist auch im
Rahmen der Reservierung die
25
richtige Beratung durch den
Makler entscheidend. Dieser
sollte seine Mandanten frühzeitig darauf hinweisen, dass
durch die Reservierung seine
weiteren Verkaufsbemühungen
bezüglich der Immobilie eingestellt werden, er jedoch keinen
Einfluss auf mögliche Abreden
der Eigentümer des Kaufobjektes hat. Da die Reservierungsvereinbarung zwischen dem
Makler und dem Kaufinteressenten getroffen wird, ist der
Eigentümer der Immobilie nicht
verpflichtet, sich an die Reservierung zu halten.
Er hat weiterhin die freie Möglichkeit sein Eigentum an einen
anderen Interessenten zu veräußern.
Gina Cajar
Rechtsanwältin
[email protected]
26
WIRTSCHAFTSRECHT
Die
Insolvenzantragspflicht
eines
GmbH-
Geschäftsführers
Die Insolvenzordnung (InsO)
regelt in der Bundesrepublik
Deutschland das Insolvenzrecht. Der nachfolgende Artikel
soll über die bestehende Insolvenzantragspflicht
eines
GmbH-Geschäftsführers informieren.
Die Insolvenzantragspflicht ist
in § 15a Abs. 1 InsO geregelt
und besagt, dass jeder Geschäftsführer einer GmbH ohne
schuldhaftes Zögern, also unverzüglich, einen Antrag auf
Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen muss, sobald das
Unternehmen den Bereich der
Zahlungsunfähigkeit bzw. der
Überschuldung erreicht. Dieser
Antrag ist vom Geschäftsführer
spätestens 3 Wochen nach
Eintritt in die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung zu
stellen. Ein Verstoß gegen diese Verpflichtung kann weitreichende und schwerwiegende
Folgen haben. Zu nennen sind
insoweit nicht nur haftungsrechtliche sondern auch die
strafrechtlichen Konsequenzen,
die im Falle einer Insolvenzverschleppung eintreten.
Die unterschiedlichen Tatbestandsmerkmale einer Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung sollen nachfolgend
kurz erläutert werden und als
Hilfestellung zur Abgrenzung
von einer Überschuldung verstanden werden.
1. Zahlungsunfähigkeit
Als zahlungsunfähig bezeichnet
man eine Gesellschaft, die nicht
in der Lage ist, ihre fälligen
Zahlungspflichten zu erfüllen (§
17 Abs. 2 InsO). Hiervon kann
man bereits dann ausgehen,
wenn ausstehende Zahlungen
in Höhe von 10 % oder mehr
der fälligen Gesamtverbindlichkeiten nicht innerhalb der
nächsten drei Wochen erfüllt
werden können. Die gesetzliche
Vermutung besagt, dass die
Zahlungsunfähigkeit einer Gesellschaft grundsätzlich dann
angenommen werden kann,
wenn diese ihre Zahlungen einstellt. In einem solchen Fall ist
es an den Geschäftsführern die
eventuell noch bestehende
Zahlungsfähigkeit der GmbH
nachzuweisen. Hierfür muss
eine stichtagsbezogene Gegenüberstellung aller verfügbaren liquiden Finanzmittel mit
den fälligen Verbindlichkeiten
erstellt werden. Ferner wird
eine Finanzplanung für die folgenden 3 Wochen erforderlich
sein. Auch sollten Alternativen
aufgeführt
werden,
um
eine mögliche Zahlungsunfähigkeit bzw. eine mögliche
unausgeglichene Gegenüberstellung zu revidieren. Hierfür
kommen z. B. die Auflistung
neuer Liquiditiätsmittel oder
auch die Vereinbarung möglicher Stundungen mit etwaigen
Gläubigern in Frage.
2. Überschuldung
Die Überschuldung ist in § 19
Abs. 2 Satz 1 InsO geregelt und
liegt in der Regel dann vor,
wenn das Vermögen der GmbH
die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr decken kann.
Auch im Falle der Überschuldung besteht für die Geschäftsführer die Verpflichtung zur
Stellung eines Insolvenzantrages. Eine Ausnahme hierfür ist
die Annahme, dass das Unternehmen mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit fortgeführt
werden kann. Zunächst ist in
einem solchen Fall also eine
Fortbestehungsprognose
zu
erstellen. Diese kann als positiv
bewertet werden, wenn anhand
einer durch den Unternehmer
zu stellenden Finanzplanung
plausibel
gemacht
werden
kann, dass das Unternehmen
zukünftig, d. h. im Prognosezeitraum – meist das laufende
sowie das nachfolgende Geschäftsjahr – die finanzielle
Ausgeglichenheit wieder erlangen kann.
27
Bei einer negativen Fortbestehungsprognose liegt zumindest
eine drohende Zahlungsunfähigkeit vor, auf die im Nachfolgenden noch eingegangen
wird.
Im Rahmen einer negativen
Fortbestehungsprognose muss
dann ein sogenannter Überschuldungsstatus geprüft werden. Auch hier ist eine Gegenüberstellung erforderlich. Gegenübergestellt werden alle
Aktiva und Passiva des Unternehmens. Eine insolvenzrechtliche Überschuldung kann dann
bejaht werden, wenn die Verbindlichkeiten
das
Gesellschaftsvermögen übersteigen.
3. drohende Zahlungsunfähigkeit
Eine drohende Zahlungsunfähigkeit stellt noch keine Verpflichtung zur Stellung eines
Insolvenzantrages dar.
Nichtsdestotrotz besteht für den
Geschäftsführer der GmbH
auch jetzt schon die Möglichkeit
der Stellung des Insolvenzantrages. Hierdurch können eventuelle Sanierungsmaßnahmen
besser und effektiver angegangen werden.
Drohende Zahlungsunfähigkeit
wird definiert als eine Situation,
in der der Schuldner voraussichtlich nicht fähig sein wird,
seine Zahlungsverpflichtungen
pünktlich zu erfüllen. Auch hierfür ist die Erstellung einer
Prognose erforderlich.
4. Zusammenfassung
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass es zunächst
am wichtigsten ist, festzustellen, ob die Gesellschaft zahlungsunfähig oder überschuldet
ist oder ob eine drohende Zahlungsunfähigkeit vorliegt.
Hierauf aufbauend kann dann
– wenn notwendig auch mit
sachkundigem Expertenrat –
die richtige Handlungsalternative gewählt werden.
Da eine Insolvenzverschleppung, wie oben bereits angesprochen, weitreichende Konsequenzen mit sich bringt, sollten genaue Sorgfalts- und
Überprüfungspflichten
durch
den Geschäftsführer wahrgenommen werden.
Jörg Fricke
Rechtsanwalt
[email protected]
28
WIRTSCHAFTSRECHT
Den Generationswechsel im Unternehmen erfolgreich gestalten
Alternativen zum Unternehmensverkauf
Um einen Unternehmensverkauf zu verhindern, gibt es
durchaus nennenswerte Alternativen. Vor allem in mittelständischen Unternehmen spielt
hierbei das Thema des Generationenwechsels eine große Rolle. Einen Generationenwechsel
kann man als familiäre Angelegenheit verstehen, jedoch auch
als eine Veräußerung des Unternehmens an Führungskräfte
im Betrieb. Nachfolgend werden die unterschiedlichen Alternativen wegweisend erläutert, welche auch individuellen
Interessen und Anforderungen
angepasst werden können.
1. Gesellschafteraufnahme
Hierbei wird hauptsächlich bei
Familienunternehmen
eine
Minderheitenbeteiligung angestrebt. Hierbei bestehen für den
Minderheitengesellschafter unterschiedliche Beteiligungsmöglichkeiten. Er kann eine reine
Finanzbeteiligung
eingehen
oder aber auch eine Beteiligung
auf einen bestimmten Unternehmensbereich
begrenzen.
Wichtig ist, dass der Minderheitengesellschafter hierbei nicht
die vollständige Kontrolle über
das Unternehmen erhält. Für
die Aufnahme als Minderheitengesellschafter bieten sich
vor allem Partner an, die entweder über ein bestimmtes
Know-How verfügen, die dem
Unternehmen zu einem höheren Marktanteil verhelfen können oder aber auch Partner, die
durch eine service- oder produktorientierte Beteiligung die
Wertschöpfung des Unternehmens verbessern können.
2. Management-Buy-Out (MBO)
Unter
dem
Begriff
des
Managemet-Buy-Out versteht
man eine Unternehmensübernahme durch den Einstieg von
Führungskräften des Unternehmens in die Gesellschaft.
Der große Vorteil an einer solchen Übernahmevariante lässt
sich vor allem im Hinblick auf
die Kontinuität des Unternehmens erklären. Im heute immer
stärker werdenden Wettbewerb
ist es erforderlich das interne
Firmen-Know-How im Unternehmen zu halten. Dies wird
durch die Alternative Management-Buy-Out erreicht. Wichtig
für diese Handlungsalternative
ist, dass sich das Unternehmen
bereits in eine gute Marktposition eingefügt hat, mittlere Eintrittsbarrieren in das Unternehmen aufweist und keine zu große Abhängigkeit zu Kunden
und Lieferanten besteht.
3. Teilveräußerung / LeverageBuy-Out
Unter diesen Begriffen versteht
man
eine
Vermögensaufsplittung in zum Teil Privatvermögen und zum anderen Teil
Vermögen, welches in eine
neue Gesellschaft eingebracht
werden kann. Der alte Eigentümer des Unternehmens erlangt somit auch eine Beteiligung an dem neuen Unternehmen. Er hat dann die Möglichkeit, diese Beteiligung an Familienangehörige zu veräußern.
Wichtig hierbei ist jedoch, dass
diese Regelung auch in einem
Gesellschaftsvertrag
fixiert
worden ist. Voraussetzung für
diese Handlungsalternative ist
eine umfassende Unternehmensplanung bzgl. der Aufnahme neuer Gesellschafter in
das neue Unternehmen.
4. Verpachtung
Diese
Handlungsalternative
nutzen vor allem Führungskräfte eines Unternehmens. Im Gegensatz zur oben erläuterten
MBO beteiligen sich diese nicht
durch Anteilserwerb an dem
Unternehmen, sondern lassen
sich das Unternehmen für einen
gewissen Zeitraum verpachten.
Dies kann vor allem empfohlen
werden, wenn steuerliche Angelegenheiten beachtet werden
müssen. Die Verpachtungsalternative empfiehlt sich insofern
vor allem für eine Steueroptimierung aufgrund eines reduzierten Tarifs für den Verkauf
von Unternehmen bzw. Unternehmensbeteiligungen.
Jörg Fricke
Rechtsanwalt
[email protected]
29
GASTBEITRAG
Prüfung von Mehrforderungen aus angeblicher
AGK-Unterdeckung im angeblich gestörten Bauablauf
A.
Einleitung
In der Praxis werden Sachverständige verstärkt mit Ansprüchen aus behaupteter Unterdeckung Allgemeiner Geschäftskosten (AGK) als Folge von
Bauablaufstörungen
befasst,
deren prozentualer Anteil an
den geltend gemachten Gesamtmehrkosten von 30 % bis
90 % zumindest Erstaunen auslöst. Die vermeintlich lukrative
neuartige
„Vergütungsquelle“
entsteht dadurch, dass anstelle
der bisher in der baubetrieblichen Praxis üblichen Zuschlagsberechnung für AGK auf
die nachweislich entstandenen
Mehrkosten nunmehr mit minimalem
Bearbeitungsaufwand
Unterdeckungsberechnungen
vorgelegt werden, die letztlich
auf eine mehrfache Vergütung
der AGK für die hauptvertraglichen Leistungen abzielen.
Dazu werden die Soll-Erlöse
AGK in der Soll-Bauzeit den IstErlösen AGK in der Soll-Bauzeit
gegenüber gestellt. Die Differenz wird als Schaden deklariert. [BEISPIEL: Verschieben
sich die Bauarbeiten (hier:
Dauer 6 Monate) z. B. vom 1.
Halbjahr ins 2. Halbjahr 2012,
können die AGK nicht wie geplant im 1. Halbjahr 2012 erlöst
werden und werden dann als
Schaden
ausgewiesen.]
B.
Wesentliche Prüfkriterien/Erfahrungen des Autors
1.
Die
Anforderungen
des BGH vom 20.02.1986,
21.03.2002 und 24.02.2005
sind einzuhalten. Als Schaden
ist grundsätzlich nur die Differenz zwischen der fiktiven Vermögenslage des AN ohne Behinderung und der tatsächlichen Vermögenslage des AN
unter Beachtung der vom AG
zu vertretenden Behinderungen
zu ersetzten. Auf der Ausgabenseite ist darzulegen, dass
sich die AGK erhöhten. Mehrkosten können anfallen durch
adäquat kausale Personalkostenerhöhung am Unternehmenssitz des AN. Auf der
Einnahmenseite ist der Umsatzrückgang
nachzuweisen.
Streng formal müssen Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche aus vom AG
zu vertretender Behinderung je
Einzelstörung kausal nachgewiesen und adäquat beziffert
werden.
2.
Die AGK sind nicht zu
100% projektabhängig und erhöhen sich daher auch nicht
linear zur Bauzeit. Die Meinungen in der Literatur sind uneinheitlich.
Bei Verzicht auf die strengen
Anforderungen des BGH können die AGK ggf. zu 50% projektabhängig angesetzt werden.
Dazu muss der AN konkret vortragen, wie sich seine AGK betragsmäßig zusammensetzen
und den AGK-Aufwand im Soll
(ohne Störungen) und im Ist
(mit Störungen) offen legen.
3.
Große
Bauaufträge
werden oft über mehrere Geschäftsjahre abgewickelt. Während des lfd. Projekts kann der
AN die AGK nur nach Leistungsfortschritt erlösen. Es
werden i. d. R. keine festen
Teilabrechnungssummen
für
einzelne Geschäftsjahre vereinbart. Daher sind etwaige
Mehrkostenforderungen
aus
Gemeinkosten-Unterdeckung
auch über die gesamte Vertragsdauer über ggf. mehrere
Geschäftsjahre hinweg zu betrachten. Eine Gemeinkostensaldierung ist erst nach Fertigstellung der Bauarbeiten im
Rahmen
der
Schlussrechnungslegung möglich, nicht
jedoch während der Bauzeit im
Rahmen von Abschlagsrechnungen bzw. nach Einzeljahren.
4.
Eine Bauzeitverzögerung muss nicht zwangsläufig
zu einer AGK-Unterdeckung
30
führen, besonders dann, wenn
die Bauarbeiten im gleichen
Jahr abgeschlossen werden
wie
vertraglich
vereinbart.
5.
AN als Generalunternehmer (GU) arbeiten überwiegend mit Nachunternehmern
(NU) u. ä.. Sofern keine hohe
Spezialisierung (z. B. Fassadenbau / Gebäudetechnik) vorliegt, können über NU immer
zusätzliche Facharbeiter bereitgestellt werden. Auch eigene
Poliere und Bauleiter lassen
sich jederzeit einstellen. Es
kommt kaum zu nachweisbaren
Personalengpässen.
Andere
Aufträge können unverändert
parallel akquiriert und bearbeitet werden.
6.
Soweit zugänglich sind
die veröffentlichten Bilanzen
sowie Jahres- und Halbjahresberichte des AN auszuwerten.
Liegt der Umsatz während der
Ist-Bauzeit unterhalb der Umsätze vor und nach der IstBauzeit, ist davon auszugehen,
dass ausreichend Kapazitäten
zur Verfügung standen für die
Abwicklung weiterer paralleler
Bauaufträge. Außerdem lässt
sich der Umsatzanteil der strittigen Baustelle am Gesamtumsatz ableiten.
Bei einer Umsatzverschiebung
auf der Baustelle von bis zu 5%
des Jahresumsatzes des AN ist
davon auszugehen, dass diese
auf anderen Baustellen kompensiert
werden
können.
C.
Zurückführung
der
Unterdeckungsberechnung
für AGK auf eine Zinsberechnung
7.
Der Nachweis der haftungsausfüllenden
Kausalität
und Schadensnachweise aus
AGK-Unterdeckung für eine
Kette von Einzelstörungen ist
nach den Anforderungen des
BGH für mittlere und große
Bauunternehmen mit zahlreichen zeitparallel laufenden
Baustellen und Nachtrags-/
Auftragsanbahnungen
nicht
oder nur mit außerordentlich
hohem
Dokumentationsaufwand leistbar, d. h. praktisch
unmöglich.
Personal der Unternehmensleitung und -verwaltung muss dazu die geleisteten Arbeitsstunden nach Projekten erfassen
und dokumentieren. Dabei sind
projektunabhängige Tätigkeiten
wie die Administration und die
Akquisition abzugrenzen.
8.
Bauablaufstörungen
führen nur zu Verzögerungen
im Mittelzufluss des AN. Zinsen
für die Zwischenfinanzierung
der nicht projektabhängigen
AGK können daher bei Verzögerungen, die AG-seitig zu vertreten sind, vom AN geltend
gemacht werden, sofern ein
Verzug des AG nach § 286
Abs. 4 BGB nachgewiesen
wird. Es können auch Kosten
für entgangene Verzinsung angesetzt werden, wenn die fehlenden AKG aus Rücklagen
gedeckt werden. Daher beschränkt sich der mögliche
Schadennachweis auf die Geltendmachung von Zinsansprüchen aus dem nachweislich
vom AN zu leistenden Kreditzinssatz. Bei einer im o. g.
BEISPIEL dem AG zuzurechnenden
Gesamtverzögerung
von 6 Monaten verlagern sich
die AGK-Einnahmen im Mittel
um 3 Monate. Legt man z. B.
einen Zinssatz von 3% p.a. zugrunde, ergibt sich ein Zinsschaden von max. 3% x 3
Mt/12 Mt. = 0,75% der insgesamt kalkulierten AGK, während der AN die im SollZeitraum vollständig nicht gedeckten AKG zu 100% ansetzt.
Die Forderung des AN wäre auf
1/133 zu kürzen.
10.
Die
„Erfinder“
der
„Vergütungsquelle
Unterdeckung von AGK aus Bauzeitverzögerungen“ haben den Unternehmern letztlich einen Bärendienst erwiesen, da als Ergebnis der vertieften Prüfung
dieses Ansatzes ohne Nachweise die bisher übliche und
kaum beanstandete Zuschlagskalkulation für AGK auf nachgewiesene Mehrkosten künftig
auf die Erstattung etwaiger
Zinsaufwendungen zu reduzieren sein wird.
Dipl.-Ing. Michael Peine
Der Autor ist öffentlich bestellter
und vereidigter Sachverständiger
für Baupreisermittlung und Abrechnung im Hoch- und Ingenieurbau
sowie Honorare im Ingenieur- und
Verkehrswegebau. Er ist Gesellschafter der DSB + IQ-Bau, Diederichs. Peine, Sachverständige Bau
+
Institut
für
Baumanagement,
München - Berlin – Köln. Der Autor
hat folgenden Fachaufsatz mit verfasst:
Diederichs CJ / Peine M (2013)
Unterdeckung
Allgemeiner
Ge-
schäftskosten nach § 6 VI VOB/B
oder § 642 BGB aus baubetrieblicher Sicht, NZBau, Heft 1/2013,
D.
Zusammenfassung
und Fazit
S. 1 - 8
9.
Für eine erfolgreiche
Durchsetzung
von
AGKMehrkosten ist es erforderlich,
den Mehraufwand konkret projektbezogen durch Sachverständige nachzuweisen. Das
31
GASTBEITRAG
Brauchen Unternehmen wirklich eine Anti-Stressverordnung?
Deutsche Unternehmen stehen
vor einer weiteren Herausforderung. Durch den demografischen Wandel und eine sich
verändernde Arbeitswelt wird
es für sie zunehmend schwerer,
qualifizierte Arbeitskräfte zu
finden. Aber braucht es wirklich
eine
Anti-Stressverordnung?
Vielmehr kommt es darauf an,
eine gesundheitsorientierte Unternehmenskultur zu leben und
sich als Arbeitgeber richtig zu
positionieren.
Genau diesem Ziel hat sich
HAWARD® verschrieben. Aufgabe und Ziel von HAWARD®
ist die Sensibilisierung und Aktivierung von kleinen und mittelständischen Unternehmen für
eine gesundheitsorientierte Unternehmenskultur bzw. für ein
Betriebliches Gesundheitsmanagementsystem (BGM). Dafür
initiiert und betreut HAWARD®
ein Kompetenznetzwerk mit
Qualitätsanbietern aus verschiedenen Themenfeldern der
betrieblichen Gesundheit.
HAWARD® und seine Partner
möchten interessierten Unternehmen, die ein BGM System
planen, einführen oder umsetzen wollen, das notwendige
Wissen und die richtigen Ansprechpartner vermitteln.
zunächst
eine
BGMZertifizierung von DQS GmbH
oder TÜV NORD Cert GmbH
durchlaufen haben. Eine Teilnahme am HAWARD® Health
AWARD
2013
ist
bis
31.12.2013 möglich.
Darüber hinaus veranstaltet
HAWARD®
jährlich
den
HAWARD® Health AWARD,
sowie das HAWARD® Fürstenberg Symposium, das in diesem Jahr am 04. und 05. April
bereits zum zweiten Mal stattgefunden hat. HAWARD® ist
ferner
Herausgeber
des
HAWARD® Magazins und Lizenzgeber der BGM-Software
HAWARD® BGM interaktiv.
Alle weiteren Informationen und
das Anmeldeformular finden
Sie
unter
http://www.haward.de/healthaward/index.php
Die Prämierung der Teilnehmer
und Sieger in den jeweiligen
Kategorien erfolgt auf dem III.
HAWARD® Fürstenberg Symposium im April 2014.
HAWARD® Health AWARD
Derzeit können sich Unternehmen wieder für den HAWARD®
Health AWARD bewerben.
Sascha Nießen
Geschäftsführer
HAWARD® GmbH & Co. KG
Um am HAWARD® Health
AWARD teilzunehmen, müssen
Sie
als
Voraussetzung
32
SONSTIGES
Folgen und Risiken der Vernachlässigung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes ‒ Zahlen und Fakten zum Thema Arbeits- und Gesundheitsschutz
Arbeitsschutz ist kostenintensiv.
Er kostet Geld und er kostet
Zeit. Arbeitsschutz ist nur in
großen Unternehmen ein Thema. Diese weit verbreitete Vorstellung kann schwerwiegende
Folgen haben.
Statistiken zeigen, welchen
Stellenwert der Arbeitsschutz in
jeglicher Art von Unternehmen
einnehmen sollte. Jährlich ca.
25.000 meldepflichtige Unfälle
ereignen sich nach Angaben
der Deutschen Gesetzlichen
Unfallversicherung. Ca. 50 %
hiervon entfallen auf vergleichsweise „kleinere“ Ereignisse, ein falscher Schritt, ein
kleiner Sturz. Der Verlust der
deutschen Volkswirtschaft an
Bruttowertschöpfung ist nicht zu
unterschätzen und kann derzeit
mit 75 Milliarden Euro beziffert
werden.
Arbeitsschutz ist und sollte somit nicht nur ein Thema für
große Unternehmen sein, sondern muss ab dem ersten Mitarbeiter zum festen Programm
eines jeden Unternehmens gehören. Die Nichtbeachtung der
– manchmal auch etwas überzogenen Regelungen – kann
teuer und vor allem auch gefährlich werden. Zu beachten ist
insofern, dass nicht nur strafrechtliche Konsequenzen drohen können, sondern auch der
Versicherungsschutz für die
Angestellten im Schadensfall
verloren gehen kann. Als Folge
hieraus resultieren dann Regressforderungen der Berufsgenossenschaft. Nicht unerwähnt bleiben sollte auch, dass
bei Nichteinhaltung des Arbeitsschutzes auch die eigene
Arbeitskraft in Gefahr ist. Auch
ein Unternehmer sollte zum
Wohle des Unternehmens auf
seine eigene Gesundheit achten.
Es empfiehlt sich daher schon
bei der Gründung eines Unternehmens den Punkt „Arbeitsund Gesundheitsschutz“ effektiv anzugehen. Hierbei kann
eine Beratung zu den Arbeitgeber- und Arbeitnehmerpflichten
hilfreich sein. Richtig teuer wird
es erst bei später vorzunehmenden Nachbesserungen. Ein
weiterer Tipp um kosteneffektiv
vorzugehen, ist auch die Verbindung in Netzwerken, welche
sich gemeinsam zur Regelung
des Arbeitsschutzes sowie der
Gesundheitsvorsorge zusammenschließen.
Nicht außer Acht gelassen werden, sollten auch mögliche
Kontrollen. Hierbei sind vor allem die Kontrollen der Aufsichtsbehörden zu nennen.
Diese erfolgen meist unangekündigt. Auch Berufsgenossenschaften der versicherten Angestellten lassen sich etwaige
Kontrollen nicht entgehen und
dies nicht erst im Schadensfall.
Als Fazit sollte noch einmal
festgehalten werden, dass ein
Unternehmer, der den Arbeitsschutz auf die leichte Schulter
nimmt, bzw. gar nicht beachtet,
straf – und zivilrechtlich auch
mit seinem Privatvermögen
haftet.
33
Sonstiges
Firmenwagen steuerfrei
Um die Kosten innerhalb eines
Unternehmens zu senken, bestehen auch im Bereich des
Firmenwagens unterschiedliche
Möglichkeiten für den Arbeitgeber. So kann zum Beispiel der
Arbeitnehmer für die private
Nutzung des PKW zur Kasse
gebeten werden. Dies kann
zum einen durch eine Beteiligungszahlung bei der Anschaffung des Firmenwagens geschehen oder es kann eine Beteiligung an den laufenden Kosten vereinbart werden. Hier ist
die Ein-Prozent-Regelung zu
erwähnen. Diese besagt, dass
der zu versteuernde Betrag
pauschal mit einem Prozent
des Bruttolistenpreises des
PKW angesetzt wird. Der Fiskus ist mit dieser Vorgehensweise nicht grundsätzlich zufrieden zu stellen. Oft ist es hier
der Fall, dass der Fiskus nicht
jede Beteiligung des Arbeitnehmers an den Kosten als
Minderung des geldwerten Vorteils versteht und anerkennt.
Als Folge dessen wäre der sich
beteiligende
Arbeitnehmern
doppelt betroffen. Er müsste
zum einen seinem mit dem Arbeitgeber vereinbarten Anteil
zahlen, als auch den Betrag,
den der Fiskus durch den unverminderten steuerpflichtigen
geldwerten Vorteil verlangt.
In einer aktuellen Entscheidung
hat das Bundesfinanzministerium nunmehr zu dieser Sachlage Stellung genommen. Mit
Schreiben vom 19.04.2013 erläutert das Ministerium detailliert, wann der zu versteuernde
Nutzungswert des PKW durch
die Beteiligung eines Arbeitnehmers
gemindert werden
kann. Dies ist nur dann der Fall,
wenn dies eindeutig im Arbeitsvertrag zwischen Arbeitgeber
und Arbeitnehmer vereinbart
worden ist, oder aber andere
arbeitsrechtliche
Grundlagen
für eine solche Vorgehensweise
herangezogen werden können.
Auch für die Bemessung des
entsprechenden Entgelts stehen unterschiedliche Möglichkeiten zur Verfügung. So kann
entweder eine Pauschalzahlung
– zum Beispiel als monatliche
Pauschale – vereinbart werden,
oder aber auch eine nutzungsabhängige Pauschale gemessen an den gefahrenen Kilometern. Keine Möglichkeit ist allerdings die Erklärung des Arbeitnehmers einzelne Kostenpositionen zu übernehmen. Es ist
nach jüngster Rechtsprechung
des Bundesfinanzhofes nicht
ausreichend, dass dem Arbeitgeber die entsprechenden Benzinkostenbelege zur Abrech-
nung vorgelegt werden. Den
geldwerten Vorteil beeinflusst
dies nicht, auch wenn diese
Vorgehensweise
durchaus
auch üblich ist. Bis zum
30.06.2013 wurde durch die
Finanzverwaltung jedoch eine
Übergangsfrist gewährt.
Weiterhin erklärt das Gericht
jedoch auch, dass ein Nutzungsentgelt, welches den Nutzungswert übersteigt nicht als
negativer Arbeitslohn oder auch
als Werbungskosten anerkannt
werden können.
Die Beteiligung an den Anschaffungskosten für den PKW
können – soweit sie den geldwerten Vorteil im Jahr der Zahlung übersteigen – vom Arbeitnehmer in den Folgejahren als
Differenz geltend gemacht werden.
Jens Wagner
Steuerberater
[email protected]
34
NEWS
Koalition will Öffentlich-Private Partnerschaften
mittelstandsfreundlich gestalten
Die Öffentlich-Privaten Partnerschaften
(ÖPP)
sollen
mittelstandsfreundlich gestaltet
werden. Dies fordern die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und
FDP
in
einem
Antrag
(17/12696), der am Donnerstag
erstmals im Bundestag beraten
wird.
Deshalb soll die Bundesregierung im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel die Finanzierung der ÖPP so
gestalten, dass sich mittelständische Unternehmen über eine
Beteiligung auf Nachunternehmerebene auch an ÖPPProjekten mit einem hohen Investitionsvolumen
beteiligen
können. Weiter soll die Regierung dem Deutschen Bundestag bis Ende März 2013 einen
Bericht darüber vorlegen, welche Optionen sie bislang geprüft hat, um ÖPP-Projekte attraktiver und wettbewerbsfähiger zu machen und welche
Schritte sie unternommen hat,
um ÖPP als Beschaffungsvariante der öffentlichen Hand stärker zu verankern. Eine weitere
Forderung der Abgeordneten ist
zu prüfen, inwieweit ÖPPModelle für die Realisierung
von
Schieneninfrastrukturvorhaben des Regional- und
Fernverkehrs geeignet sind.
Schließlich soll die Regierung
Strategien und Leitlinien zur
Erhöhung der allgemeinen Akzeptanz von ÖPP entwickeln.
Angesichts der Konsolidierungserfordernisse der öffentlichen Haushalte müsse heute
stärker denn je auf die Wirtschaftlichkeit bei der Bereitstellung von öffentlicher Infrastruktur geachtet werden, heißt es
zur
Begründung.
Beschaffungsvarianten, die im Einzelfall
wirtschaftlicher seien, dürften
nicht aufgrund ideologischer
Vorbehalte ausgegrenzt werden.
(Quelle: Bundestag)
HOAI 2013: Referentenentwurf online
Mit Schreiben vom 06.03.2013
versandte das BMWi den Referentenentwurf der HOAI 2013
an die Verbände zur Stellungnahme. Der Referentenentwurf
ist in unseren Materialien nun
veröffentlicht. Kern der Modernisierung ist die baufachliche
Überarbeitung der Leistungsbilder und die Aktualisierung
der Honorartafelwerte. Zudem
werden einzelne Honorarregelungen der HOAI im Allgemei-
nen und Besonderen Teil überarbeitet
und
vereinfacht.
Da die Honorartafelwerte im
Rahmen der letzten HOAINovellierung im Jahre 2009
lediglich pauschal um 10% angehoben wurden, waren die
Honorartafelwerte der HOAI
entsprechend dem verändertem
Aufwand der Auftragnehmer in
den verschiedenen Fachdisziplinen neu zu bemessen. In ei-
nem Forschungsprojekt hat das
BMWi den Aktualisierungsbedarf zur Honorarstruktur der
HOAI
untersuchen
lassen.
Der Entwurf ist noch nicht abschließend innerhalb der Bundesregierung abgestimmt. Die
Verbände erhalten Frist zur
Stellungnahme
bis
zum
22.03.2013
(Quelle: id Verlag)
35
NEWS
Änderungsentwurf zur polnischen Körperschaftund Einkommensteuer
Am 12. Februar 2013 wurde ein
Gesetzesentwurf zur Änderung
der Gesetze über die Körperschaft- und Einkommensteuer
veröffentlicht. Die wichtigste
geplante Änderung betrifft die
Kommanditgesellschaft und die
Kommanditgesellschaft auf Aktien, die in den Regelungsbereich des Körperschaftsteuergesetzes mit einbezogen werden sollen. Folge: Kommanditgesellschaften (KG) und Kommanditgesellschaften auf Aktien
(KGaA) sollen ebenso körper-
schaftsteuerpflichtig
werden,
wie es derzeit beispielsweise
Gesellschaften mit beschränkter Haftung sind.
Die Einführung dieser Änderungen kann eine Erhöhung der
finanziellen Belastungen von
Unternehmern, die ihre Tätigkeit in Form der oben genannten
Personengesellschaften
ausüben, zur Folge haben. Es
wird daher generell empfohlen,
nach den alternativen Gesellschaftsformen, auch bei bereits
gegründeten Gesellschaften, zu
suchen. Gleichwohl können die
Folgen der höheren Besteuerung im Falle von Komplementären in KG und KGaA durch
die Möglichkeit des Abzugs
eines Teils der von der KG oder
KGaA entrichteten Steuer gemildert werden. Im wirtschaftlichen Sinne kann dies im Ergebnis dazu führen, dass Komplementäre nach wie vor nur
einmal
besteuert
werden.
36