Wo gibt`s das noch? - Leipziger Baumwollspinnerei

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Wo gibt`s das noch? - Leipziger Baumwollspinnerei
REISEN
LEIPZIG
Wo gibt’s das noch?
So souverän und so verloren – ein Spaziergang mit dem
Schriftsteller Clemens Meyer durch seine Heimatstadt Leipzig,
die zu ihrem 1000. Geburtstag furchtbar angesagt ist.
VON Stefanie
Flamm | 02. April 2015 - 04:57 Uhr
© Jörg Gläscher
Das alte Industrieviertel Plagwitz ist heute Künstler-Hotspot.
Der Künstler sagt: "Leipzig ist der Ort, an den ich immer wieder zurückkehre, wenn ich es
anderswo nicht mehr aushalte."
Der Galerist sagt: "Leipzig ist die Stadt, in der ich Kunstgeschichte geschrieben habe."
Der Schriftsteller sagt: "Leipzig ist Zuhause, Heeme, wie wir in Sachsen sagen. Ich könnte
nirgends anders leben."
© Jörg Gläscher
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Clemens Meyer
Als Leipziger freut es ihn natürlich, dass die alte Handelsstadt, die nach der Wende über
100.000 Einwohner verloren hatte, wieder wächst, dass junge Menschen zu Tausenden
herziehen. Während früher ein Studienplatz in Leipzig für viele einer Höchststrafe
gleichkam, bewerben sich inzwischen zehn Abiturienten auf einen Studienplatz. Viele
bleiben nach der Ausbildung, weil sie das Gefühl haben, zur richtigen Zeit am richtigen
Ort zu sein. Leipzig ist im Begriff, das nächste große Hipster-Ding zu werden, mit allem,
was dazugehört: ständig neue Kneipen und Cafés, ausgefallene Start-up-Ideen und junge
Künstler, denen Freiheit wichtiger ist als ein regelmäßiges Einkommen. Erst kürzlich hat
die New York Times die Stadt, die dieses Jahr auch noch ihren 1000. Geburtstag feiert,
wieder mal zu einer von Mitteleuropas dynamischsten Citys erklärt. Clemens Meyer
allerdings interessiert das alles nur am Rande. "Ich brauche mehr Fallhöhe", sagt er.
Der Schriftsteller ist am östlichen Stadtrand aufgewachsen, in Anger-Crottendorf.
Hier spielen die meisten seiner Bücher, auch Als wir träumten , sein soeben von
Andreas Dresen verfilmtes Debüt aus dem Jahr 2006. Mit dem Fahrrad braucht man
vom Hauptbahnhof etwa zehn Minuten, und schon auf der Hälfte der Strecke kommen
Osteuropa-Gefühle auf. Dunkle, fensterlose Fassaden säumen die Zweinaundorfer Straße,
überwucherte Brachen, Häuserstümpfe. Allein die schicke neue Hem-Tankstelle beweist,
dass auch in Anger-Crottendorf nicht alles Vergangenheit und Verfall ist.
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Dieser Artikel stammt aus der
ZEIT Nr. 12 vom 19.03.2015.
Meyer, der in einem langen schwarzen Mantel zur Verabredung gekommen ist, schlägt vor,
dass wir in der Tanke erst mal einen Kaffee nehmen. Nicht dass der bei Hem besonders gut
wäre. Gott bewahre. Es gibt nur sonst nirgends welchen. Die Pizzeria, die Dönerbude, auch
die letzte richtige Bierväterkneipe sind alle längst weg. Außerdem lag hier, wo wir jetzt
Espresso aus Plastikbechern trinken, früher einmal das Eastside, Vorbild für den illegalen
Techno-Club aus seinem Roman. Im Film zerbrechen an diesem Ort alle Hoffnungen
innerhalb einer Nacht.
Als wir träumten spielt in einer doppelten Zwischenzeit. Draußen ist die DDR am Ende,
die alten Regeln gelten nicht mehr, im Inneren der fünf Helden läuft die Spätpubertät
Amok. Sie saufen, prügeln, fahren geklaute Autos zu Schrott, weil es für sie nur noch
Gegenwart, aber keine Zukunft gibt. Dass der Film in Anger-Crottendorf ohne größere
Umbaumaßnahmen am Originalschauplatz gedreht werden konnte, leuchtet sofort ein. Wir
laufen durch Straßen, in denen keine Autos stehen, stromern durch Hinterhöfe, in denen
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niemand mehr werkelt. Doch Meyer, der hier noch immer eine Wohnung hat, scheint durch
die Tristesse hindurchschauen zu können. Wie ein Kunsthistoriker freut er sich über eine
alte Feuerwache, über die für diese Gegend typischen ausladenden Satteldächer, über einen
schönen, glücklicherweise noch nicht verfaulten Holzbalkon.
© Jörg Gläscher
Eine Interflug-Maschine im Oldtimermuseum Da Capo
Auch das Immergrün, eine kleine Kaschemme am Rande einer Schrebergartenkolonie, die
wider Erwarten geöffnet ist, möchte er gleich unter Denkmalschutz stellen lassen: völlig
zugerümpelt und schon am frühen Nachmittag verraucht; an der Bar eine übergewichtige
Thekenfrau, die die Kippe nicht aus dem Mund nimmt, während sie ein Helles zapft. "Ich
mein, wo gibt’s das noch?" So souverän und gleichzeitig so verloren.
Meyer, dessen Texte meist um Gewalt, Sex, Boxsport, Alkohol und Drogen kreisen , ist
ziemlich gut darin, den Rand der Gesellschaft in den Mittelpunkt zu rücken und Würde und
Poesie gerade dort zu finden, wo sie nicht offensichtlich sind. Und wer einen Nachmittag
mit ihm durch sein Viertel spaziert ist, sieht sein Anger-Crottendorf auf dem Weg zurück
ins Stadtzentrum erst mal überall. War die gigantische Kaufhausruine hinter dem GrassiMuseum heute früh auch schon da? Die ollen Plattenbauten am Rande der nach allen
Regeln der Kunst restaurierten Altstadt? Und kann es sein, dass Leipzig gerade deshalb so
großen Spaß macht, weil es hier selbst kurz vor der großen 1000-Jahr-Feier noch so viel
Unfertiges gibt, so viele Orte, an denen jeder seinen ganz privaten Ambitionen nachgehen
darf?
Man kann stundenlang durch die Stadt radeln, ohne hinterher ein konkretes Bild im
Kopf zu haben. Zum Teil liegt das daran, dass Leipzig keine einprägsame Silhouette und
auch sonst wenig klassische Sehenswürdigkeiten hat. Schon im 18. und 19. Jahrhundert,
als Leipzig noch eine der reichsten Städte Europas war, scheint den Einwohnern das
Geschäft wichtiger gewesen zu sein als das Image. Doch heute, zwei Weltkriege und drei
Systemabstürze später, scheint hier gar nichts mehr richtig zusammenzupassen.
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Es gibt, vor allem im Zentrum, fantastische alte Kontorhäuser, deren Fassaden so üppig
verziert sind, dass man fürchten muss, sie könnten unter der Last des Ornaments einstürzen.
Dahinter sitzen heute Ketten wie Sport Scheck, Zara und H&M. Es gibt viel Grün und viel
Wasser, aber auch viel schnödes Brachland. Selbst in den besseren Wohnvierteln rund um
den Clara-Zetkin-Park findet man zwischen all den herausgeputzten Bürgerpalästen immer
wieder völlig zugewucherte Villen, in denen garantiert kein Zahnarzt wohnt. Auch der
Künstler-Hotspot Plagwitz, das ehemalige Industriegebiet draußen im Westen, empfängt
den Besucher eher kühl.
Auf einer Verkehrsinsel hinter dem Bahnhof steht ein baufälliges Hüttchen mit einem
Schrebergarten drum herum, dessen Besitzer sich bereits mehr als ein Bier genehmigt hat.
Durch das gigantische Areal der ehemaligen Baumwollspinnerei, ein paar Hundert Meter
weiter stadtauswärts, fegt der Wind. Wüsste man nicht, dass viele der berühmten Leipziger
Künstler, Neo Rauch , Ricarda Roggan, David Schnell, hier seit Jahren ihre Ateliers haben,
könnte man denken, die abgewickelte Fabrik warte noch immer auf ihre neue Bestimmung.
© Jörg Gläscher
Leipziger Mischung: Fassade der Commerzbank im Zentrum und...
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... ein Sprayer an einer legalen Graffitiwand in Plagwitz
Sicher, es gibt ein kleines Café, die sogenannte Versorgung, es gibt Hinweisschilder auf
Einrichtungen, die Carpe Plumplum, Luru-Kino oder einfach Ateliergemeinschaft XY
heißen. Doch viele der alten Fabrikhallen stehen leer, manche Scheiben sind eingeschlagen,
zwischen den Pflastersteinen blühen die ersten Krokusse. Vor dem Treppenaufgang
zu Halle 18 steht Uwe-Karsten Günther, der Künstler, der immer wieder nach Leipzig
zurückkehrt, wenn er es anderswo nicht mehr aushält. Er würde jetzt gern eine Zigarette
rauchen. Doch leider ist seine kleine Tochter gerade ins Atelier gerannt, und Günther kann
sich denken, was die da vorhat: "Nicht aufräumen, Schätzchen!", ruft er. "Das muss alles
genau so bleiben!"
Drinnen, in seinem "Laden für Nichts", präsentiert er die Reste eines Gelages, zu dem er
vor ein paar Monaten geladen hatte. 15 Freunde, darunter der Maler Paule Hammer und der
Schriftsteller Clemens Meyer, haben hier eine Nacht lang gegessen, getrunken, gearbeitet
und geschimpft, bis es am nächsten Morgen so aussah wie jetzt: Die lange Tafel biegt sich
unter Speiseresten, leeren Flaschen und überquellenden Aschenbechern, die Wände sind
bis zur Decke bemalt, teils mit Kunstwerken, die man teuer verkaufen könnte, teils mit
Schmierereien, Invektiven und den Zeugnissen gekränkter Männlichkeit. "Ich wünsche mir
einen heterosexuellen Mäzen", steht da etwa oder: "Ich gay kaputt."
"Vieles davon ist uns selbst peinlich", sagt Günther. Aber Kunst, so wie er sie versteht, darf
sich nicht in Referenzen verstricken und ständig nach Vermarktung schielen. "Kunst darf
ruhig mal peinlich sein." Ein Ortsfremder könnte das als Kritik an der Leipziger MalerProminenz empfinden, deren märchenhafter Aufstieg die Stadt schon vor über zehn Jahren
bei Sammlern aus aller Welt ins Gespräch brachte. Doch selbst Neo Rauch, noch immer
der bekannteste und teuerste Leipziger Maler, gehört zum erweiterten Freundeskreis des
"Ladens für Nichts", genau wie sein Galerist Gerd Harry Lybke.
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Dessen Galerie Eigen + Art, zwei Backsteinhallen weiter, zeigt auf den ersten Blick, dass
der Betreiber kein Problem mit Kunstvermarktung hat. Ein schicker Empfangstresen mit
diversen gut aussehenden Mitarbeiterinnen, eine eigene Bibliothek, zwei Schauräume
und Videoinstallationen im Keller. Im großen Saal zeigt Lybke gerade stilllebenhaft
eingefrorene Szenen von Demütigung, Ausgrenzung und Begehren, das Spätwerk eines
ungarischen, nicht mehr ganz jungen Wilden. Die Preise stehen dezenterweise gar nicht
dran. In Leipzig koche halt jeder seine eigene Suppe, sagt er. Und doch sei allen klar, "dass
wir am Ende nur einen großen Topf haben".
So begeistert, wie er in den nächsten zwei Stunden das Hohelied auf die Toleranz der
alten Handelsstadt singt, auf ihren Bürgersinn, ihre Gastfreundschaft und ihre besonnenen
Regierungen, die in den vergangenen 25 Jahren fast alles richtig gemacht hätten, glaubt
man, er würde sich um einen Posten beim Stadtmarketing bewerben. Doch vielleicht ist
Lybke einfach nur ein Lokalpatriot, der sich freut, wie gut es für ihn und seine Stadt in den
letzten Jahren gelaufen ist.
Die Voraussetzungen waren hier nach der Wende ja nicht besser als in anderen
mitteldeutschen Städten. Fast 100.000 Industriearbeitsplätze hatte Leipzig verloren und
mindestens so viele Einwohner. Bis Ende der neunziger Jahre muss es in ganz Leipzig so
grau und leer ausgesehen haben wie heute nur noch in Anger-Crottendorf.
"Ohne den Aufbau Ost wäre hier wahrscheinlich alles in sich zusammengestürzt", sagt
Sebastian Ringel am nächsten Vormittag bei einem frisch gepressten Orangensaft in einem
kleinen arabischen Café auf der Karl-Heine-Straße. Es ist ein schöner Vorfrühlingstag, die
Sonne wärmt schon ein bisschen, die Cafés stellen Stühle aufs Trottoir. Junge Menschen
mit Instrumentenkoffern auf dem Rücken radeln stadtauswärts. Doch Ringel zieht es in die
andere Richtung. Für den Stadtführer liegt die Erklärung für das Wunder von Leipzig im
Zentrum. Schnell landen wir da allerdings nicht.
Immer wieder steigt er unterwegs vom Rad, um den Unterschied zwischen Reformstil und
Art déco zu erklären, ein besonders üppiges Jugendstil-Geranke zu bewundern oder sich
für die Opulenz eines Gründerzeithauses zu begeistern. Ringel, der gerade ein Buch über
die Leipziger Stadtgeschichte geschrieben hat, kann einem genau erklären, warum Banken
früher im Neobarock-Stil errichtet wurden, Bibliotheken eher der Renaissance verpflichtet
waren. Am Karl-Heine-Kanal entdecken wir einen pseudovenezianischen Palazzo. Wer da
wohl wohnt? "Reiche Leute – oder Menschen wie du und ich."
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Das alte Industrieviertel Plagwitz
Das Verrückte in Leipzig sei nämlich, dass die prächtigen Häuser heute immer noch mehr
über die Ambitionen der einstigen Bauherren verrieten als über ihre Bewohner. "Hier
brauchst du nicht viel Geld, um schön zu wohnen." Obwohl Leipzig seit Jahren wieder
wächst, stehen nach wie vor viele Wohnungen leer. Auch die Eigentümer gut gepflegter
Immobilien müssen bisweilen um Mieter buhlen. In einer Stadt, die für Spekulanten noch
immer ziemlich uninteressant ist, können sich deshalb auch Start-up-Unternehmer, MiniAgenturen und Galerie-Gemeinschaften die Premiumlagen leisten. In der Kolonnadenstraße
zum Beispiel, nur ein paar Gehminuten westlich von Martin-Luther-Ring und Neuem
Rathaus, findet man die gesamte Leipziger Mischung auf engstem Raum. Ein russischer
Lebensmittelladen neben einem Café. Eine Buchhandlung, die nur englische Kunstbücher
verkauft, neben einem Seniorentreff, eine neue Galerie neben einem alten Friseur.
Man würde jetzt gern behaupten, dass in Leipzig das Alte vom Neuen nicht vertrieben
wird und die Gentrifizierung ohne Opfer auskommt . Aber so einfach ist es natürlich nicht.
Auch in Leipzig wurde so manches Musterbeispiel der DDR-Moderne geschleift, um
auf dem Grundstück eine weitere Einkaufspassage zu errichten, auch hier sind viele alte
Lichtspielhäuser verschwunden, als die Multiplexe über die Stadt kamen.
So läuft Als wir träumten ausgerechnet im Cinestar, einem riesigen, blau verspiegelten
Koloss, der zwischen den alten Messepalästen nicht wirklich gut steht. Doch was soll man
machen? Clemens Meyer, der sich den Film nach dem Premierenrummel noch einmal
in Ruhe anschauen will, beobachtet mit Todesverachtung die "Popcornfresser", die sich
an diesem späten Donnerstagabend um ihn herum breitmachen. Dass der große Saal fast
ausverkauft ist, freut ihn aber schon.
Die jüngeren Zuschauer lachen, wenn die jugendlichen Hasardeure James-Dean-mäßig
durch die nächtliche Stadt brettern. Die älteren lachen, wenn sie dabei die DDR-Hymne
zitieren: "Woraus sind wir auferstanden? Aus Ruinen!" Am Ende, wenn es nichts mehr zu
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lachen gibt, sind auch die Popcornfresser im Kinosaal mucksmäuschenstill. Meyer ist mit
den Reaktionen zufrieden. "Heimspiel." Mehr sagt er dazu nicht.
Ein Bier noch, ein kurzer Blick ins Automatenkasino unter dem Dach. Meyer möchte, dass
die Leipzig-Chronistin eine letzte bittere Wahrheit zu Protokoll nimmt: "Diese angebliche
Weltstadt hat keine gescheite Spielbank." Statt halbseidener Herren und Damen von Welt,
die Meyer gern sähe, klimpern bloß ein paar traurige Gesellen an den einarmigen Banditen
herum. Aus seinen Erzählungen weiß man, dass er die Haltlosigkeit solcher Orte liebt, dass
ihm die falschen Hoffnungen, die hier geweckt werden, echter vorkommen als mancher
Hipster- und Künstler-Traum. Doch er muss jetzt nach Hause. Die Familie wartet. Ist eh
schon wieder viel zu spät.
ANREISE
Nach Leipzig kommt man gut mit dem Zug. Die Stadt wird im Zwei-Stunden-Takt von Intercitys aus
Hamburg, München, Frankfurt und Köln angefahren
UNTERKUNFT
Wer auf Hotelservice verzichten kann, findet in den " Meisterzimmern " der alten Spinnerei eine
spektakuläre Unterkunft. Spinnereistraße 7, Plagwitz, Tel. 0341/30 67 70 99
DZ ab 75 € (plus Endreinigung)
1000 JAHRE
2015 feiert die Stadt Leipzig "1.000 Jahre Ersterwähnung". Ein aktueller Veranstaltungskalender
zum Jubiläumsjahr findet sich unter www.leipzig.de
LITERATUR
Soeben ist Sebastian Ringels guter Parforceritt durch die Leipziger Geschichte erschienen: Die
ganze Welt im Kleinen (Edition Leipzig, 2015, 225 S., 24,95 €)
BLOG
Jahrelang hat der Publizist Andrè Herrmann in seinem Hypezig -Blog den medialen Überschwang
dokumentiert, der Leipzigs jüngste Entwicklung begleitet. Das Blog wurde im Herbst 2014
eingestellt. Die alten Einträge sind aber weiterhin unter hypezig.tumblr.com zu finden
In den Kneipen und Restaurants der Innenstadt gehen langsam die Lichter aus, nur die
Schaufenster in den ehemaligen Messepalästen leuchten noch hell in die Nacht. Draußen
im Westen ist es genau andersherum. Wo Licht ist, ist garantiert kein Geschäft, sondern
eine Location. In Bars, die Noch Besser Leben, Dr. Seltsam oder Tempel heißen, stehen
junge Menschen und rauchen und trinken, als gäbe es kein Morgen. Bei den Beard
Brothers auf der Karl-Heine-Straße, offiziell bloß ein kleiner Hotdog-Laden, bekommt ein
Gitarrenrocker stehende Ovationen. Würste sind allerdings aus.
Darum zaubert der Wirt der kleinen portugiesischen Fußballkneipe einem nachts um zwei
noch einen Teller Muscheln. An der Theke unterhält derweil ein ehemaliges Model die
Stammgäste mit Geschichten aus ihrem Leben. Besonders lustig die Szene, als die viel zu
dünne Frau zwei viel zu dicken Männern berichtet, wie sie ihre beiden Hunde aus einer
Hartz-IV-Familie gerettet hat. "Stellen Sie sich vor, diese armen Geschöpfe saßen den
ganzen Tag vor der Glotze!" Die Männer schauen sich an. Was ist denn daran so schlimm?
Gut möglich, dass Clemens Meyer diese Episode gefallen hätte.
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