Download: Bericht im Rahmen der .NATURA.in di Berg. 2012

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Spieglein, Spieglein
in der Hand, wer hat
die schönsten Zöpfe
im ganzen Land?
Katharina hält ihrer
Freundin Jacqueline
den Spiegel vor, um
den holländischen Zopf
bewundern zu können
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Zöpfe
zum Dirndl
„Zur Tracht passen Flechtfrisuren am besten“, sagt Friseurmeisterin
Pia Dertnig aus Altenmarkt im Pongau, während sie ihren Freundinnen
die Haare macht. Katharina Fritzenwallner (68) kennt es nicht anders.
Zeit, sich über ihre Frisur Gedanken zu machen, hatte die Bäuerin nie
Holländischer Zopf
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Beim holländischen Zopf werden die Haare von unten
in den Zopf eingearbeitet. Der Zopf sitzt deshalb auf
den Haaren.
Pia flicht einen kurvigen Zopf. Das Haar wird dazu seitlich gescheitelt. Pia fängt mit dem Flechten vorne seitlich
an der Stirn an. Dort nimmt sie eine Partie Haare, die sie in
drei Stränge teilt. Der rechte Strang kommt unter den mittleren und liegt nun in der Mitte. Dann flicht man die Haare
von der linken Seite unter den mittleren Strang. Im nächsten
Schritt nimmt man einige Haare von der rechten Seite auf
und fügt sie dem rechten Strang dazu. Der kommt wieder
unter die Mitte. Genauso geht es auf der linken Seite weiter:
einige Haare dazunehmen und unter die Mitte flechten.
Ist die Friseurin beim Flechten am Hinterkopf angelangt,
dann verläuft der Zopf wieder nach vorne. Das Kurvenlegen braucht etwas Fingerspitzengefühl und Erfahrung.
Tipp für Anfänger: Sie teilen für einen geraden Zopf
eine Partie Haare vom Oberkopf in drei Stränge. Flechten,
wie in Punkt 2 beschrieben. Wenn keine Haare mehr aufzunehmen sind, den Zopf normal zu Ende flechten.
Ein hübscher Abschluss: Eine Haarsträhne über den
Gummi schlingen.
Elegante Note: Pia dreht Korkenzieherlocken in Jaquelines lange blonde Haare. Zusammen mit dem gewundenen
holländischen Zopf ist das eine ungewöhnliche, aber sehr
festliche Frisur.
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Französischer Zopf
Der französische Zopf heißt auch Bauernzopf
oder unsichtbarer Zopf. Die Haare werden von
oben in den Zopf eingeflochten. Bei Erwachsenen
sollten Zöpfe nicht zu fest geflochten werden, sonst
machen sie ein zu strenges Gesicht, so der Tipp von
Friseurmeisterin Pia.
Pia nimmt eine Partie Haare von Hannahs
Oberkopf. Sie teilt die Haare in drei Teile. Sie
flicht den rechten Strang über den linken. Der rechte
Strang liegt nun in der Mitte. Dann nimmt sie den
linken Strang und flicht ihn über die Mitte. So geht es
weiter. Pia nimmt nun jedes Mal von rechts und von
links ein paar lose Haare auf und arbeitet sie in den
Zopf ein.
Sie führt den Zopf rund um Hannahs Kopf,
über der linken Schulter müssten alle Haare in
die Frisur eingeflochten sein.
Von dort aus macht sie zum Schluss aus Hannahs
langen rotblonden Haaren ein lustig baumelndes
Zöpfchen.
Hübsch: Ein paar Stoffblümchen machen die
Frisur komplett.
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S eit Katharina Fritzenwallner genug Haare auf dem
Kopf hat, also seit ungefähr 68 Jahren, trägt sie Zöpfe.
Erst wie Pippi Langstrumpf hinter jedem Ohr einen.
Dann, als die Haare länger wurden und der Tagesablauf straffer, wickelte sie die Zöpfe um den Kopf zur
Gretelfrisur. „Man hat es nicht mögen, dass die Haare
herumhängen“, sagt die Bäuerin aus Altenmarkt im österreichischen Pongau, „die hätten bei der Arbeit gestört.“
Arbeit gab es genug, „allerweil“, also immer. Kühe, sechs
Kinder, Kälber, Hennen und die kranke Schwiegermutter
versorgen. Den Garten, das Feld, die Alm und den Haushalt
stemmen. Ein Netz oder Kopftuch kam über die Gretelfrisur, das hält und nichts wird staubig. Waschen, trocknen
und neu flechten „ist sich nicht so oft ausgegangen“. Auch
jetzt, wo die Haare dünner werden, geht sich nichts aus für
die Katharina. „Der Mo“, erzählt sie… Seit acht Jahren ist er
ein Pflegefall, „und die Kühe, der Garten, der Haushalt, die
Hennen.“
man einfach Glück. „Meine Oma wollte ihre ganzen alten
Sachen wegwerfen“, erzählt Katharina, „flache schwarze
Hüte, Pfoadn (Hemden) und Gilets (Westen), Mieder und
Schürzen, Kropfbänder und Blusen! Die zieh ich jetzt an!
Dazu machen wir uns Zöpfe wie die Omas, die passen auch
zur Lederhose.“
Pia hat den Mund voller Haarklammern, sie befestigt
das Haarkrönchen auf Katharinas Hinterkopf und deshalb
kommt es etwas undeutlich aus ihrem roten Mund: „Ins
Bierzelt gehe ich immer in Lederhosen, dazu trage ich
Ballerinas und klar – da passt nur ein Bauernzopf dazu, das
ist der französische. Oder eine Ähre, aber dafür brauche
sogar ich viel Zeit.“
Bitte umblättern
Verabredet zum Zöpfeflechten
„Da brauchst ja normalerweise Haare bis zum Oarsch“,
sagt Pia Dertnig, „für so eine traditionelle Zopffrisur. Wer
hat das schon?“ Die junge Friseurmeisterin aus Altenmarkt
kramt zwei dicke Zöpfe aus ihrem Zubehörkoffer. „Des sind
die Porsche unter den Haarteilen, super Qualität. Ich habe
sie fünffach geflochten für meine Gretelfrisur-Variante.“ Pia,
Katharina und Jacqueline haben sich zum Zöpfeflechten
verabredet, die Reitlehenalm hoch über Altenmarkt ist ein
guter Platz dafür. Der Birnbaum blüht, die dunklen Holzbohlen der Hütte speichern Frühlingssonne und dem Wirt
gehen der Witz und die Hollerlimonade nimmermehr aus.
Im Sommer will Pia Dertnig für Gäste des Ortes einen
Kurs im Zöpfeflechten anbieten, heute ist Generalprobe.
„Zöpfe flicht man sich selber. Ich habe mir die Techniken
selbst beigebracht, in der Ausbildung haben wir nur den
französischen Zopf gelernt,“ so Pia. „Wenn ich eine Flechtfrisur sehe, weiß ich sofort, wie die gemacht ist. Da gibt es
französische oder holländische Zöpfe, Ähren und Kordeln,
locker, fest, aufgesteckt oder nicht. Aber eigentlich geht man
dafür gar nicht zum Friseur. Wenn man selbst nicht flechten
kann, macht es die Freundin, die Mutter oder die Schwester.
Jacqueline und Katharina lernen das jetzt von mir.“
Verwandlung zur Dirndlkönigin
Katharina hat nur schulterlanges Haar und deshalb wird
sie ein Krönchen aus den Porschehaaren bekommen, mit
dem sie sich auf jedem Dorffest blicken lassen kann. Dann,
wenn der lustige Teil beginnt und der flache schwarze
Pongauer Trachtenhut auf den Biertisch geflogen ist, die
Maßkrüge klirren und die Musik spielt, machen die locker
hochgesteckten blonden Zöpfe aus der Alltags-Katharina
eine blümchengeschmückte und strahlende Dirndlkönigin.
„Zur Tracht passen Zöpfe einfach am besten“, sind sich
die jungen Frauen einig. „Dirndl haben wir eh alle. Die sind
cool. Wenn du ein Dirndl hast, stehst einfach nicht ewig
vor dem Gewandkasten, die Pärchen passen zusammen –
und sowieso sieht jede Frau gut drin aus.“
Die neun bunten trachtenartigen Gewänder, die Katharina besitzt, hätten ein Vermögen gekostet, wären sie
stilecht pongauerisch und handgenäht. Aber wer nimmt es
da schon so genau, Hauptsache fesch – und manchmal hat
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Junge Frauen auf
einer Wallfahrt
in den 60erJahren. Damals
trug „eine jede“
die bäuerliche
Gretelfrisur
und zu festlichen
Anlässen ein
hübsches Dirndl
Der Dorfkern
von Altenmarkt
mit Kirche und
Gasthaus
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Gewundener holländischer
Zopf (v. l.), Gretelfrisur und
Ährenzopf – zum Dirndl und
in die Berge passen sie alle
Krönchen aus Haarteilen
Für so ein prächtiges Krönchen müssten die Haare eigentlich
bis zum Po reichen. Nachdem Katharina aber nur schulterlanges Haar hat, behilft sich die Friseurmeisterin mit einem
Trick: Sie verwendet einfach zwei Haarteile, die sie mit vielen
Nadeln befestigt.
Als Erstes werden die feinen blonden Haare von Katharina
toupiert, damit sie mehr Volumen bekommen.
Über der Stirn baut Friseurmeisterin Pia eine bauschige
Rolle oder Welle. Etwas Haarspray hält sie in Form. Ein
paar Haarklammern befestigen die Rolle auf dem Oberkopf.
Die Haarteile hat Pia zuvor vierfach geflochten. Die
Enden der Zöpfe hat sie mit Haargummi geschlossen.
Die breiten Anfänge der Zöpfe befestigt die Friseurmeisterin mit Kämmchen am Hinterkopf. Das eine
Haarteil legt sie von links über den Kopf der jungen Frau –
wie ein Krönchen –, das andere von rechts. Vorne auf dem
Oberkopf überschneiden sich die Teile. Die Enden der Zöpfe
versteckt sie jeweils unter dem Zopf, der von der anderen
Seite des Kopfes her aufgesteckt wurde. Sie befestigt alles
unsichtbar mit Haarklammern.
Die Haare vom Oberkopf frisiert Pia zuerst über die
Anfänge der Haarteile am Hinterkopf, dann zieht sie die
restliche Länge unter die Haarteile und steckt sie dort mit
Klämmerchen fest.
Stoffblümchen, Blätter oder kleine Beeren aus
Papier geben Farbakzente nach Lust und Laune oder
passend zum Kleid.
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Fotos: Angelika Jakob
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Frauen in Lederhosen, bunte Dirndl, Zöpfe, die sich kreuz
und quer über den Kopf schlingen, Locken drehen, Haare
färben und toupieren, Schminke und der ganze Stress mit
der Schönheit: Der Fritzenwallnerin und anderen alten
Bäuerinnen aus dem Dorf könnte ganz schön schwindelig
werden, wenn sie die Zeit, als sie noch junge Frauen waren,
mit der heutigen vergleichen. Gefasst stehen sie neben ihrem jeweiligen Bräutigam für das Hochzeitsfoto. Ihre aufgeräumten Gretelfrisuren haben mit dem spielerischen Zöpfeflechten von heute genauso wenig zu tun wie ihr Leben mit
den Lieblingsthemen der heute 21-Jährigen. Die sind alle
ziemlich blond, und nicht nur ihre Haare dürfen machen,
was sie wollen. Das Smartphone, das Auto, der Freund, die
Arbeit: Darüber reden Pia, Jacqueline und Katharina beim
gemeinsamen Frisurenbasteln.
Kühe füttern statt Friseurbesuch
Katharina Fritzenwallner zieht morgens ihren Kittel an,
fegt den Stall aus, tätschelt die Ziege und eine Lieblingskuh.
Dann lässt sie die Hühner raus in den sonnigen Garten.
Sie lächelt, schüttelt den Kopf mit den fest geschlungenen
Zöpfen. Sie war in ihrem ganzen Leben nicht beim Friseur.
„Den hätten wir uns gar nicht leisten können, da ist nie eine
hin“, erinnert sie sich. „Nur die Männer haben sich die
Haare schneiden lassen. Stundenlang herumsitzen, na, die
Zeit hätte ich nicht. Und wenn ich die Zeit hätte, wollt ich
nicht. Die Zöpf bleiben dran.“
Angelika Jakob
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Wie viele alte Bäuerinnen trägt
Katharina Fritzenwallner „immer schon“
Gretelfrisur. Keine wäre auf die Idee
gekommen, zum Friseur zu gehen
Tipp In der Zeit vom 19. bis 31.
August können Gäste an den Altenmarkter Kreativ- & AbenteuerWochen „.NATURA.in di Berg.“
teilnehmen. Im Rahmen dieses Programms zeigt auch Friseurmeisterin Pia
Dertnig, wie man den Altenmarkter
Haarzopf perfekt hinbekommt. In anderen Kursen des Kreativ-Programms geht
es ums Jodeln, Holzbildhauerei, Kreativ-Floristik oder Fotografieren. Die Kurse für Erwachsene, Jugendliche und Kinder
finden an außergewöhnlichen Orten statt – vom idyllischen
Bauernhof bis zur Alm. Wer es aufregender mag, wählt aus
dem Abenteuer-Programm Rafting, Höhlenwandern, Klettern
oder auch Paragliding.
Angebot: Sechs Übernachtungen mit Frühstück inklusive
vier Tage Kreativ-Kurs gibt es ab 275 Euro pro Person im
Doppelzimmer. Weitere Infos: Altenmarkt-Zauchensee
Tourismus, Sportplatzstr. 486, A-5541 AltenmarktZauchensee, Salzburger Land, Tel.: 00 43/(0) 64 52/55 11,
www.altenmarkt-zauchensee.at
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