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ve Marketing Die Entstehung von Bedeutung im Kommunikationsprozess aus sozial konstruktionistischer Sicht Helge Löbler Zusammenfassung 16 1 Herausforderungen 16 2 Ausgangspunkte für die Betrachtung von Kommunikation im Marketing 17 2.1 Das Sender-Empfänger Modell 17 2.2 Konstruktivistische Ansätze im Marketing 18 3 Die sozial konstruktionistische Perspektive 21 3 .1 Wurzeln des Sozial-Konstruktionsmus 22 3.2 Die Idee des Konstruktivismus 22 3.3 Die Idee des Sozialen Konstruktionismus 25 4 Die Entstehung von Bedeutung 26 5 Zusammenfassung 30 Literatur 30 Zusammenfassung Ziel ist es, die konstruktivistische und sozial konstruktionistische Perspektive für Marketing-Forscher und Marketing-Betreibende zugänglich zu machen . Dabei erweist sich die konstruktivistische Perspektive zum einen als hilfreich aber auch als zu begrenzt . Auf der Basis des sozialen Konstruktionismus wird dargestellt, wie „Bedeutung" konzeptionalisiert und verstanden werden kann . 1 Herausforderungen In ihrem 2002 erschienenen Buch „Momentum" schreiben die Autoren Holger Jung und Jean-Remy von Matt neben vielem anderen Interessanten folgenden Satz : „Ein guter Slogan wird nicht erfunden, sondern er wird entdeckt ." (Jung, von Matt 2002, S . 307) Wie kann das sein? Wo soll man suchen um einen guten Slogan zu finden? Haben damit die Agenturen ihren Wert als Kreative verloren? Ähnliche Aussagen finden sich bei Gerald Zaltman, „Successful advertising results in the co-creation of personally relevant stories by consumers . Consumers, not agency creatives, are the primary authors of these stories and that leads to meaningful communication" (Zaltman 2003) . Wie aber kann denn der Kunde der „Autor" der „Story" für die Werbebotschaft sein? Wird damit die Welt der Werbung nicht auf den Kopf gestellt? Bestimmen nicht mehr die Agenturen und die Unternehmen, welche Botschaft sie dem Kunden vermitteln? Aber es kommt noch „schlimmer" : Die beiden Aussagen erhalten neue Unterstützung durch die Gehirnforschung, die in den letzten zehn Jahren gewaltige Fortschritte machte . So sagt z .B . der Neurowissenschaftler Manfred Spitzer in seinem Buch „Lernen" sehr deutlich : „Dem Gehirn kann man nichts vermitteln, es produziert selbst ." Müssen wir Abschied nehmen von der Idee, dass Unternehmen den Kunden die Vorzüge der Produkte und Dienstleistungen vermitteln können? Hat die alte Lehre, nach der Kommunikation die Übermittlung von Botschaften bedeutete, ausgedient? Treffen die beiden erstgenannten Aussagen am Ende nicht nur für die Werbung zu, sondern schlechthin für die Kommunikation? Der vorliegende Beitrag geht diesen Fragen nach und beleuchtet sie aus einer sozial konstruktionistischen Perspektive . Dazu werde ich zunächst zeigen, dass es sehr unterschiedliche Ausgangspunkte für die Betrachtung der Kommunikation in Marketing und Management gibt . Sie reichen vom „klassischen" Sender-Empfänger Modell bis hin zu konstruktivistischen Ansätzen (Abschnitt 2) . Danach werde ich versuchen die sozial konstruktionistische Perspektive zu erläutern (Anschnitt 3), um diese schließlich (Abschnitt 4) für die Erklärung der Bedeutungsentstehung im Kommunikationsprozess zu verwenden. Die Entstehung von Bedeutung im Kommunikationsprozess 17 2 Ausgangspunkte für die Betrachtung von Kommunikation im Marketing 2.1 Das Sender-Empfänger Modell Die Durchsicht verschiedener Bücher über Kommunikation im Bereich Marke-_ ting bestätigt schnell, dass eines der verwendeten Paradigmen im Wesentlichen die Idee von C .E . Shannon aufgreift (wenn auch nicht immer explizit mit dem Hinweis auf Shannon), nach der Kommunikation vor allem bedeutet, dass ein Sender einem Empfänger eine Botschaft (Nachricht oder Information) übermittelt (Bruhn 2002, S. 1 und S . 32; Bruhn 2005, S. 1 und 18; Keegan et al . 2002, S. 515; Sander 2004, S . 522 ; Vergossen 2004, S . 21) . 1 INFORMATION SOURCE TRANSMITTER MESSAGE RECEIVER SIGNAL 1 RECEIVED MESSAGE SIGNAL DESTINATION NOISE SIGNAL Fig . 1 - Schematic diagram of a general communication system Abbildung 1 : Shannons Kommunikationsmodell (Shannon 1948, S . 2) Dieses Modell und seine Variationen haben das Paradigma von der Vermittlung von Botschaften von einem Sender zu einem Empfänger maßgeblich gestützt, obwohl es sich auf technische Geräte bezieht . Deshalb hat auch bei Shannon der „Receiver" keine Probleme mit dem „Verstehen" : „The receiver ordinarily performs the inverse operation of that done by the transmitter, reconstructing the message from the signal ." (Shannon 1948, S . 2) Shannon selbst betrachtet in seinem Modell explizit keine Übertragung von Bedeutung (meaning) : „Frequently the messages have meaning ; that is they refer to or are correlated according to some System with certain physical or conceptual entities . These semantic aspects of communication are irrelevant to the engineering problem ." (Shannon 1948, S . 1) Dass man mit diesem Modell auch Bedeutungsübertragungen abbilden kann, ist dann vielfach angenommen worden. So hat z.B . Reimann das Shannonsche Modell durch vier Dimensionen differenziert : Die Signalübertragung (Transfer), die 18 Löbler Informationsvermittlung (Transmission), die Schlüsselinformationsvermittlung (Kontakt) und schließlich die Bedeutungsvermittlung (Kommunikation), (Reimahn 1968, S. 88 ; zitiert nach Holzer, 1973, S. 69) Auch im Marketing findet sich diese Logik immer wieder (Bruhn 2002, S . 1 und S. 32; Bruhn 2005, S. 1 und 18; Keegan et al . 2002, S . 515 ; Sander 2004, S . 522; Vergossen 2004 S . 21) Die metaphorische Kraft dieses Modells ist eben doch sehr stark, aber wenn es darum geht, im Einzelnen zu erklären, wie denn die Bedeutung vermittelt wird, kommt man auf dieser Basis nicht sehr weit, im Gegenteil, die Gehirnforschung erklärt uns geradezu, warum Bedeutungen nicht vermittelbar sind (vgl . Abschnitt 3.1) . Ein anderer Strang der Literatur im Marketing zeigt allerdings einen anderen Zugang zur Kommunikation, den man durchaus als konstruktivistisch bezeichnen kann . Einige dieser Ansätze sollen im folgenden Abschnitt erläutert werden . 2 .2 Konstruktivistische Ansätze im Marketing Ein anderer Ausgangspunkt ist der Konstruktivismus . Er speist sich aus vielerlei Quellen, weshalb es schwierig ist, von einem einheitlichen Paradigma zu sprechen. Obwohl der Konstruktivismus in der Marketing Literatur sicher nicht die dominante Perspektive ist, gibt es Versuche, diese Perspektive stärker oder überhaupt in das Marketing zu integrieren. „Wenn Aussagen zu sozialen Systemen, deren Entstehung und Entwicklung gemacht werden sollen, bietet es sich an, die Theorie selbstreferenzieller Systeme, des Konstruktivismus, der Erkenntnisund Evolutionstheorie zu kombinieren, die schon in der Management-, der Kommunikationswissenschaft und der Organisationsentwicklung weit reichende und erfolgreiche Verwendung finden . Nur im Marketing klafft noch eine große Anwendungslücke." (Bergmann, Meurer 2003, S . 11) Durch den simplen Gebrauch der Wörter „selbstreferenziell", „systemisch" o .ä. ist allerdings auch noch nicht viel gewonnen . Gerade von einem konstruktivistischen Standpunkt her sollte klar sein, dass eine Aussage wie „Die besondere Herausforderung an das zukünftige Marketing resultiert aus den zunehmenden Turbulenzen der Märkte" (Bergmann, Meurer 2003, S . 7), auch nur eine mögliche Konstruktion von zukünftiger Wirklichkeit ist, die man jedenfalls aus sozial konstruktionistischer Sicht doch eher zu gestalten sucht . Bergmann und Meurer bewegen sich in vielen Metaphern, wogegen nichts einzuwenden ist, wenn man sich dessen bewusst ist und es thematisiert . Die Reklamation der eigenen Metaphern gegenüber anderen, in der Annahme es wären Wirklichkeiten, führt eher zurück in einen naiven Realismus . Ein Satz wie „Es genügt sicherlich nicht, wie es in der Marktforschung vergeblich versucht wird, das Relationship-Konzept als theoretischen Bezugsrahmen hoch zu stilisieren ." (Bergmann, Meurer 2003, S . 9) ist dann nur die Kritik der eigenen Konstruktion . Einen anderen Versuch, konstruktivistisches Gedankengut in den Bereich des Marketings zu integrieren, unternehmen Schmid und Lyczek in ihrem Buch „Unternehmenskommunikation" (Schmid, Lyczek 2006) . Sie beziehen sich explizit auf „soziale Konstruktionen", wie sie bei Berger und Luckmann beschrieben wurden (Berger, Luckmann, 1966; Schmid, Lyczek 2006, S . 8-10) . Gleichzeitig Die Entstehung von Bedeutung im Kommunikationsprozess 19 scheinen Schmid und Lyczek aber im folgenden Abschnitt davon auszugehen, dass Symbole Bedeutungen tragen: „Die Kommunikation verwendet Symbole, die Namen der Dinge und Begriffe für Bedeutungen ." (Schmid, Lyczek 2006, S . 10) Aus sozial konstruktionistischer Perspektive würde man vielleicht eher sagen, die Bedeutung der Symbole ergibt sich durch ihren Gebrauch in einer sozialen Beziehung . Wir kommen darauf noch zurück . Diese sehr interessanten Überlegungen von Schmid und Lyczek werden leider von den anderen Autoren im gleichen Buch nicht aufgegriffen . Ein Beitrag, der von den Kommunikationswissenschaftlern Siegfried J . Schmidt und Guido Zurstiege in dem von Peter M . Hejl (Kommunikationswissenschaft1er) und Heinz K . Stahl (Berater und Dozent) herausgegebenen Buch „Management und Wirklichkeit" erschienen ist, befasst sich explizit mit Werbewirkungsforschung aus konstruktivistisch systemtheoretischer Sicht. Die Autoren kommen zu dem Ergebnis : „Der Konstruktivismus, so scheint es, erweist sich bei der Beantwortung dieser Fragen (nach der Werbewirkung Anm . d . V) als kein besonders guter Ratgeber, fordert er doch zunächst einmal die prinzipielle Unsteuerbarkeit kognitiver Systeme ein und stellt damit von vornherein das zentrale Glaubensbekenntnis der klassischen Werbewirkungsforschung radikal in Frage ." (Schmidt, Zurstiege 2000, S . 319) . An eine „Steuerbarkeit" des Konsumenten glaubt in der Werbung ohnehin niemand mehr, dennoch ist die Welt ohne Werbung anders als mit Werbung . Auch interagieren ja die „kognitiven Systeme" und das bedeutet auch immer eine gegenseitige Beeinflussung, wenn auch das Ergebnis je nach Beteiligungsgrad der Einzelnen nicht vorhersehbar sein mag . Der soziale Konstruktionismus geht hier über den Konstruktivismus hinaus und macht die Interaktion und deren Bedingungen und Funktionen zum Gegenstand seiner Betrachtung . International sieht die (Marketing-) Welt bezüglich konstruktivistischer und/ oder konstruktionistischer Gedanken schon bunter aus : Bereits 1983 präsentieren Peter und Olson die konstruktionistische Perspektive als Chance für das Marketing : „As marketing scientists we should be concerned to make our discipline more effective in creating useful knowledge about our subject matter . We believe that such improvements are best achieved by adopting the relativistic/ constructionist approach to science advocated here ." (Peter, Olson 1983, S . 123 f.) In einem 1985 veröffentlichten Artikel stellt Arndt bereits fest : „On the basis of the role of the researcher and objectives of research, three orientations were identified (im Marketing, Anm . d. V.): empiricism, criticism, and constructivism . Among these, empiricism was found to be by far the most important orientation in Marketing." (Arndt 1985, S . 21) . Überraschend ist nicht, dass die empirische Orientierung dominant ist, sondern dass der Konstruktivismus schon als eine Orientierung ausgemacht wurde . In den Neunzigern findet dann eine Diskussion oder vielleicht sogar ein Diskurs darüber statt, ob der Konstruktivismus bzw. Konstruktionismus den Realismus bzw . den Positivismus (und kritischen Rationalismus) in Frage stellt und ob man nun Konzepte, wie „Objektivität" und „Wahrheit" aufgeben müsse . (Hunt 1990, 1993, 1994; Peter 1992; Mardsen, Littler 1996; Cunningham 1999) . Dabei wird typischerweise weder zwischen Realismus und Positivismus noch zwischen Konstruktivismus uns Konstruktionismus un- 20 Löbler terschieden. Während Hunt ganz klar die realistische bzw. positivistische Perspektive favorisiert und dabei die konstruktionistische ablehnt, plädieren diejenigen Autoren, die die konstruktionistische Perspektive darstellen eher für eine Offenheit, in der „Objektivität" und „Wahrheit" als konstruierte „Entitäten" durchaus ihren Platz haben können. Von Hunt wird aber der Konstruktivismus als Frontalangriff auf die objektive Forschung verstanden : „The author (Hunt Anm. d . V.) . . . shows that there is nothing in the philosophy of science that dooms objective market research, and puts forth the „positive case" for objectivity." (Hunt 1993, S . 76 .) Der Konstruktionismus hat die Idee des Objektiven nicht verdammt oder verurteilt (doom), sondern er hat die Frage, wie wir Kenntnis über die Welt erlangen können, anders beantwortet als der Positivismus . In Abschnitt 3 werde ich erläutern, warum ich den Konstruktionismus dem Positivismus gegenüber für überlegen halte . Es ist allerdings nicht verwunderlich, dass der Konstruktivismus als Frontalangriff auf den Positivismus verstanden werden kann, wenn man sich z.B . die sehr pointierten Äußerungen von Heinz von Foerster ansieht : „Objektivität ist die Wahnvorstellung, Beobachtungen könnten ohne Beobachter gemacht werden ." (von Foerster, zitiert nach von Glasersfeld 1996, S . 16) oder wenn er gar den Titel eines Buches wählt : „Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners" (von Foerster 2001) . Hier unterscheidet sich sehr deutlich die konstruktivistische Perspektive von der sozial konstruktionistischen : Dem Konstruktivisten scheint nicht sehr viel daran zu liegen, mit anders Denkenden in einen Dialog oder Diskurs einzutreten, Hauptsache er hat sich aus seiner Perspektive deutlich genug geäußert . Dies ist verständlich, da ja der Konstruktivist davon ausgeht, dass man kein gemeinsames Verständnis erreichen kann . Man kann ja nie wissen, was der andere denkt und fühlt, denn was er denkt und fühlt, unterscheidet sich von dem, was er sagt. Nicht, weil er es nicht sagen will, sondern, weil jeder sprachliche Ausdruck bei jedem ein anderes Schema oder Konzept auslöst bzw . für jeden eine andere Metapher darstellt . Der Sozial-Konstruktionist hingegen ist sehr am Dialog und Diskurs interessiert, da er davon ausgeht, dass alle Bedeutungen aus der Beziehung entstehen und dass gewissermaßen in einem Dialog oder Diskurs gemeinsame Wirklichkeiten geschaffen werden können. (vgl. Abschnitt 3) . Neben diesem eher grundsätzlich angelegten Diskurs über eine konstruktivistische/konstruktionistische Perspektive im Marketing finden aber auch Untersuchungen statt, die versuchen, sich die - vor allem - sozial konstruktivistische Perspektive zueigen zu machen . Dies geschieht methodisch wie auch inhaltlich, wenn man diese Unterscheidung zulässt. Methodisch gilt es Wege zu finden, Bedeutungen (sense) zu identifizieren . (Craig-Lees 2001; Hopkinson 2001) Beide befassen sich mit „sense making" . Hopkinson untersucht, wie verschiedene Beteiligte in einem Absatzkanal, hier Automobilhersteller und -händler, ihren Aktivitäten sehr unterschiedliche Bedeutungen geben und es daraus durchaus zu konfliktären Situationen kommen kann . (Hopkinson 2001) . Craig-Lees untersucht eher grundsätzlich die Entstehung von Bedeutung, kommt aber zu dem aus sozial konstruktionistischer Perspektive überraschenden Ergebnis : „Thus, within this paradigm (das sozial konstruktionistische, Anm . d. V.), sense making Die Entstehung von Bedeutung im Kommunikationsprozess 21 is viewed as a holistic, individual activity ." (Craig-Lees 2001, S. 520) Diese Aussage hätte auch von Ernst von Glasersfeld, dem radikalen Konstruktivisten, stammen können . Für den Konstruktionisten Kenneth Gergen steht fest : „In short, to begin solving the problem of human meaning with the assumption of individual subjectivity leaves no avenue to solution" (Gergen 1994, S . 262) Bei Craig-Lees findet Gergen jedoch keine Berücksichtigung, jedenfalls kommt er in ihrem Literaturverzeichnis nicht vor . Eine Anwendung konstruktionistischer Perspektive im Bereich der Webung nimmt Hackley vor (Hackley 1999a, 1999b) . Hines und Quinn erläutern, wie man Marktseginente sozial konstruktivistisch interpretieren kann (Hines, Quinn 2005) . McDonagh geht der Frage nach, ob und wie man aus sozial konstruktionistischer Sicht das Konzept der Nachhaltigkeit auf die Marketing Kommunikation anwenden kann . Die Metapher von der „Sustainable Communication" (McDonagh 1998, S . 591), mit der der Autor startet, entpuppt sich aber schließlich als„ communicative theory for issues of sustainability" (McDonagh 1998, S . 602 ff.). Eine spannende Untersuchung legen Deighton und Grayson vor . Sorgfältig analysieren sie das Phänomen „seduction" (da keine Übersetzung im Spektrum vom Lateinischen „seducere" = beiseite nehmen bis hin zu „seduction" = Verführung, Versuchung dem schillernden Begriff, wie er im Artikel behandelt wird, gerecht wird, nehme ich keine Übersetzung vor) . Ihr Fazit ist: „Consumer research has been quite successful at studying cognitive processes when they can be made to unfold quickly in a laboratory or field setting . But it would be a mistake to allow demands of tractability to simplify conceptions of consumer influence processes to the point that they are represented as immediate and purely cognitive responses to verbal argument. Consumer influence is arguably most interesting when it is most protracted and subtle; when it is most seductive ." (Deighton, Grayson 1995, S . 673) . Es geschieht offenbar viel mehr, als wir zu verbalisieren in der Lage sind und gleichzeitig ist das, was geschieht, durch den Diskurs konstruiert . Dies zeigt sich deutlich in einer Untersuchung zu „Shopping Motives", die von Buttle vorgelegt wurde (Buttle 1992) . Buttles Ergebnis ist : „Shopping is not just shopping . It is constructed in talk in many ways . Neither does this research support the notion that there are a number of shopping motives held in cognitive isolation . The evidente is contrary." (Buttle 1992, S . 366) Beides zusammengenommen zeichnet wahrscheinlich die Konstruktionistische Perspektive aus : Einerseits können wir nicht alles verbalisieren, was wir erleben, andererseits erhält das Erlebte durch das Verbalisieren eine Form, wir formulieren es und nennen es manchmal Information. Realitäten werden also durch den Diskurs „handhabbar" gemacht . Im Diskurs entstehen gemeinsame Formen verschiedener Erlebnisse . 3 Die sozial konstruktionistische Perspektive Ein bedeutender Vertreter des sozialen Konstruktionismus Kenneth J . Gergen apostrophiert die Idee des sozialen Konstruktionismus im Unterschied zu der Descartes'schen Aussage cogito ergo sum mit communicamus ergo sum . (Gergen 1994, S . viii) Schon dass er hier nicht sumus schreibt, könnte überraschen, zeigt 22 Löbler aber, dass die Perspektive des SK von der Beziehung zur Individuumskonstruktion und nicht vom Individuum zur Beziehungskonstruktion weist . Auch bleibt sie durch das sum nicht in den Beziehungen stecken, sondern verbindet gewissermaßen die Beziehung mit dem Selbst . Aber starten wir mit einigen Wurzeln (3 .1), während wir mit einem vertiefenden Blick auf den Konstruktivismus (3 .2) zur Idee des Konstruktionismus (3.3) kommen . 3.1 Wurzeln des Sozial-Konstruktionismus Es gibt wohl eine Vielzahl von Wurzeln für den sozialen Konstruktionismus . (Gergen 1994) Ich greife hier diejenigen heraus, die m .E. helfen, die Grundidee des Konstruktivismus und des Konstruktionismus zugänglich zu machen . Dabei beschäftigt sich sowohl der Konstruktivismus wie auch der Konstruktionismus mit der Frage, wie wir das konstruieren, „was wir für das Reale' halten" (Gergen 1999, S . 293) . Während die Konstruktivistinnen und Konstruktivisten aus psychologischer Perspektive fragen, wie sich die Konstruktion gewissermaßen im Kopf abspielt, ist „für Sozialkonstruktionistinnen und -konstruktionisten . . . das, was wir für real halten, eine Folge sozialer Beziehungen" (Gergen 1999, S .293-294) Die konstruktivistische Denkweise ist vor allem mit den Namen Jean Piaget, George Kelly und Ernst von Glasersfeld verbunden . Manchmal werden aber auch Heinz von Foerster und Umberto Maruranan in den Zusammenhang mit Konstruktivismus gebracht. George Piaget hat sich ausführlich mit der Entwicklung des Kindes befasst und dabei untersucht, wie das Kind im Lernprozess die Welt „konstruiert „ . (Eine gute Zusammenfassung seiner Ideen liefert : Piaget, Inhelder, 1969) . George Kelly hat mit seiner Psychologie der persönlichen Konstrukte nicht nur einen entscheidenden theoretischen Beitrag zum Konstruktivismus geliefert, sondern hat überdies mit dem inzwischen nach ihm benannten „Repertory Kelly-Grid" einen konstruktivistischen Beitrag zur Präsentation von Konstrukten erarbeitet . (Kelley 1955) . Ernst von Glasersfeld ist wohl der Radikalste unter den Konstruktivisten, was er mit dem Titel seines zentralen Buches wohl unterlegt : „Radical Constructivism - A Way of Knowing and Learning" (von Glasersfeld 1995) . Von Glasersfeld baut auf Piagets Konzepten der Assimilation und der Akkomodation (accomodation) auf und entwickelt daraus das Konzept der „Viabilität", an der das individuell konstruierte Wissen „geprüft" werden kann . 3.2 Die Idee des Konstruktivismus Der Ausgangspunkt der konstruktivistischen Sicht lässt sich bereits bei Kant festmachen : „ . . . alle seine Vorstellungen und Begriffe sind bloss seine Geschöpfe, der Mensch denkt mit seinem Verstand ursprünglich, und er schafft sich also seine Welt ." (Kant, 1 . Werke, Band 7, S . 71) . Die zentrale Idee des Konstruktivismus ist, dass der Mensch die Welt um sich herum nicht wahrnimmt und dass sie dann im Gehirn abgebildet wird, sondern dass er sich „vereinfacht gesagt" diese Welt konstruiert . Der Neurowissenschaftler Gerhard Roth kriti- Die Entstehung von Bedeutung im Kommunikationsprozess 23 siert die Vorstellung, nach der das Gehirn die Umwelt abbilde, sehr elegant : „Die Vorstellung, dass das Gehirn die Umwelt abbildet, führt zu einem unendlichen Regress, weil im Gehirn wiederum eine Instanz mit einem Gehirn benötigt wir, die sich das Bild ansieht, indem sie es abbildet und so weiter ." (Roth 1997, S . 99). Und was die Idee der Bedeutungsübertragung im Rahmen von Kommunikation angeht, stellt er fest :" Es gibt also streng genommen keine Kommunikation im Sinne von Bedeutungsübertragung . Was zwischen Organismen übertragen wird, sind Signale, keine Bedeutungen, denn diese müssen erst im kognitiven System des Empfängers im Rahmen des jeweils vorliegenden semantischen Kontextes erzeugt werden ." (Roth 1997, S . 108) Hier kann man natürlich einwenden: Es ist doch nichts neues, dass wir die erhaltenen Signale„ decodieren" müssen und dass wir das vor dem Hintergrund unserer jeweiligen Erfahrungen tun . Dass wir die Signale eines anderen eins zu eins verstehen, davon ist doch niemand ernsthaft ausgegangen. Heinz von Foerster geht sogar davon aus, dass der „Sender" nur „Grunz- und Zischlaute" absondert und der „Empfänger" daraus Wörter macht. Und doch ist damit die Idee der Abbildung einer „Außenwelt" als Weg der Erkenntnis stark angegriffen worden, denn der Konstruktivismus, insbesondere der „Radikale", behauptet, dass es keinen Weg gibt, um zu überprüfen, ob unsere (konstruierten) Vorstellungen von der „Welt" mit dieser übereinstimmen oder nicht . Bereits Kant hat das sehr deutlich zum Ausdruck gebracht : „Die Ordnung und Regelmäßigkeit an den Erscheinungen, die wir Natur nennen, bringen wir selbst hinein, und würden sie auch nicht darin finden können, hätten wir sie nicht, oder die Natur unseres Gemüts ursprünglich hineingelegt ." (Kant 1781, S .125) „Der Radikale Konstruktivismus beruht auf der Annahme, dass alles Wissen, wie immer man es auch definieren mag, nur in den Köpfen von Menschen existiert, und dass das denkende Subjekt sein Wissen nur auf der Grundlage seiner Erfahrung konstruieren kann . Was wir aus unserer Erfahrung machen, das allein bildet die Welt, in der wir bewusst leben . Sie kann zwar in vielfältiger Weise aufgeteilt werden, in Dinge, Personen, Mitmenschen usw ., doch alle Arten der Erfahrung sind und bleiben subjektiv. Auch wenn ich gute Gründe dafür angeben Abbildung 2 : Was wir zu sehen glauben . 24 Löbler kann, dass meine Erfahrung der deinen nicht ganz unähnlich ist, habe ich keinerlei Möglichkeit zu prüfen, ob sie identisch sind . Das gleiche gilt für den Gebrauch und das Verstehen von Sprache ." (von Glasersfeld 1997, S . 22) Wie stark wir doch nicht sehen, was ist, sondern etwas anderes, zeigt Abbildung 2 . Wie wir sehen, sehen wir nicht, was da ist . Die linke Hälfte ist klar, wenn man die rechte zudeckt und die rechte Hälfte ist klar, wenn man die linke zudenkt - aber beide zusammen? Warum haben wir Schwierigkeiten mit dem Erkennen des Abgebildeten? Weil wir nicht sehen, was abgebildet ist, sondern weil uns unsere Erfahrung immer etwas vorgaukelt, was nicht da ist . Da sind Linien und graue Flächen . Wir sehen aber ein dreidimensionales Gebilde, das auf einem zweidimensionalen Papier so nicht da ist . Und trotzdem sehen wir es dreidimensional, weil unsere Erfahrung immer dreidimensional ist, interpretiert sie das Abgebildete dreidimensional . Nun könnte man sagen, gut es handelt sich eben um eine optische Täuschung oder ähnliches und wenn wir das wissen, ist ja wieder alles in Ordnung. Das interessante ist aber, dass selbst wenn wir wissen, dass es sich um eine optische Täuschung o .ä . handelt, wir immer noch getäuscht werden, also unser Wissen die optische Täuschung nicht verhindern kann . Da das Bild von einem Menschen gemalt, gezeichnet bzw . konstruiert worden ist, können wir es auf Linien und graue Flächen reduzieren und dann sagen, wir wissen doch, was dort abgebildet ist . Das können wir aber nicht mehr, wenn wir das, was wir beschreiben wollen, nicht selber konstruiert (gezeichnet, gebaut oder sonst etwas) haben . Was immer wir nicht selbst konstruiert haben, konstruieren wir beim Beschreiben aus der Perspektive unserer bisherigen Erfahrungen . Das klingt paradox, ist es aber nicht, wenn man sich klar macht, dass unsere Beschreibungen bereits Reflektionen aus früheren Beziehungen sind, denn wie immer wir Sprechen gelernt haben, war es in Beziehungen zu oder mit anderen . Nun haben wir aber auch ein irritierendes Gefühl, wenn wir den Gegenstand, von dem wir glauben er sei abgebildet, nicht beschreiben, sondern nur betrachten . Dabei spielen dann nicht die Beziehungen zu anderen Menschen eine Rolle, sondern unsere Beziehungen zu bzw. unsere Interaktionen mit Gegenständen eine Rolle, aus der sich unsere Erfahrung speist . Dieses Wechselspiel von Interaktion und Wahrnehmung (bei Maturana und Varela „strukturelle Koppelung" genannt) bildet unsere Erfahrungswelt. Wir haben keine Chance außerhalb unserer Erfahrungswelt, also außerhalb unserer Sinneswahrnehmung, Erfahrungen zu sammeln und wir können diese nicht beschreiben, wenn wir uns nicht mit anderen Menschen auf eine Sprache geeinigt haben . Dabei kann man wohl annehmen, dass ein Individuum für sich selbst (alleine) keine Sprache entwickeln würde. Wir sehen also mit unseren Erfahrungen und nicht mit unseren Augen . (Varela et al. 1993, S . 95) Damit sehen wir nicht, was ist, sondern was unsere Erfahrungen gelernt haben zu konstruieren . Der Konstruktivismus führt vor Augen, was sich erkenntnistheoretisch auch unabhängig davon zeigen lässt . Nämlich, dass wir uns von der Idee verabschieden müssen, im Rahmen realistischer Ontologien und durch Forschungen, die sich an solch realistischen Konzeptionen orientieren, etwas über eine von uns unabhängige Wirklichkeit zu erfahren, was von uns selbst unabhängig sein könnte. Wenn wir aber nichts über die Wirklichkeit Die Entstehung von Bedeutung im Kommunikationsprozess 25* erfahren können, was von uns unabhängig ist, können wir auch nichts über andere Menschen erfahren, was von uns unabhängig wäre? Hier beginnt nun der Soziale Konstruktionismus . 3.3 Die Idee des Sozialen Konstruktionismus Während Descartes den Zweifel zum Ausgangspunkt der Begründung seiner Existenz machte, fragt Gergen nun gewissermaßen, auf welcher Basis wir zweifeln können. Und wieso man mit Zweifeln etwas begründen kann . Descartes selber gibt ein Stück der Antwort, die Gergen aufgreift . Descartes selber nennt seine Ausführungen einen Diskurs . . . Gergen greift nun den Diskurs auf : „ . . . one can scarcely doubt the discourse an doubt . Yet, if doubt is a discursive process, we are drawn to conclusions of a far different character than those reached by Descartes . For we also find that discourse is not the possession of a single individual ." (Gergen 1994, S . viii) Die Sprachen, in der Diskurse stattfinden, sind das Produkt sozialer Interdependenz . Zu ihrem Entstehen bedarf es koordinierter Aktivitäten von mindesten zwei Personen . Und wenn sich diese Personen nicht darauf einigen, dass ihre erfundenen Worte und Wortkombinationen irgendwie hilfreich sind, dann können sie keine „Sprache" begründen, die einen gewissen Bestand hat . (Gergen 1994) Der soziale Konstruktionismus geht also davon aus, dass sich Menschen, wenn sie zusammen leben wollen, koordinieren müssen . Maturana und Varela bezeichnen diese Koordination bereits als Kommunikation (Maturana, Varela 1987, S . 210) . Eine Sprache stellt nun gewissermaßen die Laute, Wörter, Metaphern, etc . bereit, in der man diese Koordination artikulieren kann bzw . mit der man diese Koordination durchführen kann . Dies führt, wenn man voraussetzen kann, dass die Benutzer der Sprache die Laute, Wörter etc. in ähnlicher Weise benutzen, zu einer erheblichen Vereinfachung der Koordination . Je nach Art der Koordination und je nach der Art der Beziehung zwischen den sich Koordinierenden wird eine bestimmte Sprache gesprochen, d .h . die Laute, Worte oder Wortkombinationen werden auf eine bestimmte Weise verwendet . Der Konstruktionismus stellt also die Beziehung und das, was in ihr geschieht, in den Mittelpunkt seiner Betrachtung, denn ohne Beziehungen wäre eine Koordination überflüssig und damit wäre auch Kommunikation überflüssig und somit auch Sprache . Nimmt man nun an, dass der Mensch auch in Sprache reflektiert und zentrale Teile seines Denkens in Sprache stattfinden, dann wird die Bedeutung der Koordination und damit der Beziehung auch für unser Denken (und nicht nur für das Sprechen) deutlich . Auf dieser Basis versteht Gergen dann auch das Selbst als soziale Konstruktion (Gergen 1991) . Und Prinz versteht eben auch folgerichtig den „freien Willen" als soziale Konstruktion (Prinz 2004) . Wenn man gewöhnt ist, in einer Welt des Realismus zu denken, dann sind diese Überlegungen eher fremd . Gleichwohl können sie nicht nur „theoretisch" sondern auch „praktisch" sehr hilfreich sein . Ich dem gab die halte den sozialen Konstruktionsmus dem kritischen Rationalismus bzw . kritischen Realismus aus folgenden Gründen für überlegen : In den 70ern es eine Diskussion, die als „Kuhn Popper Streit" apostrophiert wurde, und von Kuhns „Struktur der Wissenschaftlichen Revolution" ausging (Kuhn 26 Löbler' 1976) . Diese wurde als Herausforderung, insbesondere von Popperianern, auf- gefasst. Ich war mit der Popper'schen Idee der kritischen Prüfung, der Falsifikation usw. (Popper 19) gut vertraut, da wir sie ausführlich in unserem Soziologie Leistungskurs in der Schule besprochen hatten (An dieser Stelle danke ich meinem Soziologie Lehrer Herrn Edinger herzlich für den wunderbaren Kurs, den er geleitet hat) . Ich fand diese Idee damals außerordentlich attraktiv, und hätte mir nicht vorstellen können, das einmal anders zu sehen . Und doch, als ich mich dann mit Kuhn befasste, waren seine Gedanken für mich gleichermaßen attraktiv. Und da ich beide zusammen nicht ertragen konnte, wollte ich mich für eine dieser beiden „Wissenschaftstheorien" entscheiden. Um das zu tun, brauchte ich aber ein Kriterium auf der Metaebene, mit dem ich beide Ansätze vergleichen konnte und mit dem ich auch Unterschiede, die für meine Entscheidung hilfreich waren, festmachen konnte . Nach einigen Überlegungen fand ich ein Kriterium, das für mich tauglich war und mich auch zu einer Entscheidung führte . Danach ziehe ich eine Theorie, insbesondere eine Metatheorie einer anderen (ceteris paribus) vor, wenn sie auf sich selbst anwendbar ist . Dies erschien und erscheint mir gerade bei einer Metatheorie, wie sie ja der kritische Rationalismus und der Kuhn'sche Ansatz sind, geeignet . Nun zeigt sich, dass die Idee der Falsifikation nicht falsifizierbar ist, was selbst für Popper ein wichtiges Kriterium für eine Theorie (offensichtlich nicht für eine Metatheorie) ist : „Eine Theorie ist falsifizierbar, wenn die Klasse ihrer Falsifikationsmöglichkeiten nicht leer ist ." (Logik, 62) . Damit kann der kritische Rationalismus nicht auf sich selbst angewendet werden, denn die Klasse seiner Falsifikationsmöglichkeiten muss leer sein, da ja schon die Existenz einer Falsifikationsmöglichkeit die Idee der Falsifikation zum Provisorium macht (Stegmüller 1975, S. 489) . Anders der Kuhn'sche Ansatz, der in den Mittelpunkt seiner Überlegungen das Paradigma setzt . Und natürlich lassen sich die Kuhn'schen Überlegungen als Paradigma verstehen . Damit war für mich die Entscheidung zugunsten Kuhns gefallen . Mein Eindruck über den Sozial-Konstruktionsmus ist nun der, dass er sich mit der Idee des Paradigmas weiter beschäftigt, und fragt, wie es zustande kommt und dieses Zustandekommen eben mit Beziehungen und sozialen Konstrukten begründet . Damit ist natürlich auch der soziale Konstruktionismus auf sich selbst anwendbar, was ich vom Konstruktivismus übrigens nicht glaube, da er m.E . bei strenger Anwendung auf sich selbst in einen Solipsismus führt . Interessant ist vielleicht noch, dass sich sowohl Kuhn als auch Gergen explizit auf Wittgenstein und seine Sprachspiele beziehen (Kuhn 1976, S . 58 ff.; Gergen 1994, S. 52 ff., Wittgenstein, 23), weil bereits bei Wittgenstein die Zeichen/Wörter, etc . von ihrer Bedeutung losgelöst werden . 4 Die Entstehung von Bedeutung Wenn ich mich hier dem Wort „Bedeutung" widme, dann eher in dem Gebrauch von „meaning" oder „sense" als in der Verwendung von „relevance" oder „significance" . Ich denke dabei eher an die Frage „Was bedeutet etwas?" als „Wie viel bedeutet etwas?" . Es geht mir also um die „inhaltliche" Bedeutung von etwas . Die Entstehung von Bedeutung im Kommunikationsprozess 27 Geht man davon aus, dass man sich im Rahmen von Kommunikation nur verstehen kann, wenn man auch von gemeinsamem Wissen über die in der Kommunikation verwendeten Wörter, Symbole o .ä . ausgehen kann, dann stellt sich sofort die Frage, wie man davon ausgehen kann, gemeinsames Wissen zu haben und wie man dieses feststellen kann . Schiffer hat gemeinsames Wissen (mutual Knowledge) wie folgt definiert : „A and B mutually know that p = (Def.) (1) A knows that p . (1') B knows that p . (2) A knows that B knows that p . (2') B knows that A knows that p . (3) A knows that B knows that A knows that p . (3') B knows that A knows that B knows that p . Etc ad infinitum ." (Schiffer, S .R. 1972, zitiert nach Clark 1992) . Auch die selbstreferienzielle Darstellung führt einen nicht recht weiter : „A and B mutually know that p = (Def .) (q) A and B know that p and that q ." Aus der Sicht des sozialen Konstruktivismus führt diese Vorgehensweise nicht zu einer Lösung von gemeinsamem Verstehen, da das Wissen und seine Bedeutung am Individuum festgemacht werden . „In short, to begin solving the problem of human meaning with the assumption of individual subjectivity leaves no avenue to solution" (Gergen 1994, S . 262), denn: „Words (or texts) within themselves bear no meaning : they fail to communicate . They only appear to generate meaning by virtue of their place within the realm of human interaction" (Gergen 1994, S . 263) . Damit wird die Interaktion zum Bedeutungsgenerator . So lässt sich auch Wittgenstein verstehen, wenn er sagt : „Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache" (Wittgenstein, 43) Hier ist der Gebrauch der Sprache die hinreichende Interaktion für die Entstehung von Bedeutung . Um diese zu dieser Sichtweise hinzuführen sind vielleicht zwei Schritte hilfreich : Der erste besteht darin, psychologische Diskurse als performativ zu betrachten (Gegen 2002, S . 167 ff.). Damit ist gemeint, dass alle Gedanken und gedachten Äußerungen handlungsbezogen sind . Selbst eine gedankliche Äußerung, wie „ich bin wütend" ist insofern performativ, als sie nur einen Sinn erhält, wenn ich mich irgendwie in dieser „wütenden" Weise verhalte . Wenn ich diese Äußerung tätige, dabei aber freundlich lächelnd schaue, hat sie einen nicht identifizierbaren Sinn . Äußerungen, wie „ich liebe dich", sind natürlich sofort performativ, da sie die Beziehung direkt beeinflussen aus der sie entstanden sind . Aber auch Beschreibungen von so genannten Fakten und Tatsachen sind performativ . Beide Wörter deuten direkt darauf hin : Das Wort Fakt stammt von dem lateinischen Wort factum ab, das das Partizip vom Verbum facere (=machen) ist . Das Wort „Tatsachen" spricht für sich selbst . Wissenschaftliche Methoden und Operationalisierungen sind perfomativ, da sie Handlungsausführungen beschreiben . Definitionen von Marketing sind ebenso performativ wie einige Werbeslogan : „Marketing is the process of planning and executing the conception, pricing, promotion and distribution of ideas, goods and services to create exchanges that satisfy individual and organizational goals" (AMA 1985 zitiert nach Sander 2004, S. 5) Auch die anderen dort aufgenommenen Definitionen haben performativen Charakter. Werbeslogan wie „Mars macht mobil . . .", „HARIBO macht Kinder froh . . . ", und andere sind natürlich schon aus ihrer Zielsetzung heraus performativ, da sie sich ja an eine Zuhörerschaft richten und bei dieser etwas erreichen wollen . 28 Löbler Wenn man den performativen Charakter von gedanklichen und tatsächlichen Aussagen akzeptiert, dann stellt sich im zweiten Schritt die Frage, woher der Handlungsbezug stammt (Gergen 2002, S . 169) . Alle Interaktionen stammen aus einem koordinierenden Bezug, denn ohne Bezug bzw . Beziehung bedarf es keiner Koordination . So gesehen sind unsere Ausdrucksformen interaktions- und damit beziehungsgebunden . In jeder aktuellen Ausdrucksform bringe ich Ausdrucksformen vergangener Interaktionen zum Ausdruck . „Sie sind nicht nur von einer langen Geschichte in Beziehungen geprägt, sondern auch von jenen Beziehungen, die durch sie beeinflusst werden sollen" (Gergen 2002, S . 169). Soweit mag man der „Beziehungsbezogenheit" und dem performativem Charakter von Aussagen und von koordinierendem Verhalten noch folgen, aber der soziale Konstruktivismus geht noch einen Schritt weiter : Durch die Betrachtung psychologischer Diskurse als performativ und relational eingebettet, lassen sich Äußerungen über Geist und das damit zusammenhängende Vokabular als Bestandteil von Beziehungen sehen . Der Geist braucht so nicht mehr als individuelles Etwas aus dem Sozialen abgeleitet zu werden, er löst sich gewissermaßen in seinen Handlungen auf . „Aus dieser Sicht gibt es kein unabhängiges Territorium des „Geistes" mehr, dem wir unsere Aufmerksamkeit zuwenden könnten . Es gibt Handlungen, und diese Handlungen erfolgen innerhalb von Beziehungen, die ihnen auch ihren Sinn verleihen ." (Gergen 2002, S . 169) Nehmen wir an, Person A glaubt, sie sei ein Genie . Das ist solange ohne Bedeutung, solange es nicht auch andere Personen glauben. Andere Personen können dies aber nur durch die Handlungen oder perfomativen Aussagen von Person A feststellen . Nur durch die Interaktion in Beziehungen kommt das Genie zum Ausdruck. Damit ist es das (soziale) Konstrukt dieser Interaktionen . Und wahr ist, was geglaubt wird, wenn alle, mit denen man in Beziehungen steht, glauben, dass es wahr ist . Die Bedeutung einer Äußerung entsteht aus ihrer perfomativen Vergangenheit und Gegenwart, die ihrerseits aus den vergangen und gegenwärtigen Beziehungen entsteht . Ich möchte dies mit Hilfe einer Metapher verdeutlichen : Wenn wir beginnen die Welt wahrzunehmen, dann ist sie für uns ein undifferenziertes sagen wir - Bild oder sogar ein Film . Durch die Interaktionen mit unserer Umwelt „lernen" wir nun diese Bilder zu interpretieren . Dazu zerschneiden wir den Gesamtfilm zuerst einmal und treffen Unterscheidungen (Brown 1999), die wir von anderen lernen . Wir lernen was „Gegenstände", „Aktivitäten" und „Eigenschaften" sind und lernen auch, diese zu verbinden . Um in der Metapher des Filmes zu bleiben, wir weisen bestimmten Ausschnitten des Filmes bestimmte Wörter zu . Das tun wir aber nicht alleine, sondern eingebettet in Beziehungen, aus denen wir lernen, die ihrerseits in unsere Kultur eingebettet sind . Wenn wir nun unsere Wörter oder unsere Sprache lernen, dann lernen wir, Ausschnitte „unseres" Filmes in den Wörtern der anderen zu beschreiben . Wir bilden unseren Filmausschnitt aus den Formen der Sprache der anderen . Wenn wir viele Bäume als Wald bezeichnen, dann liefert uns das Wort „Wald" eine Form, in der wir einen Teil unseres Films denken und artikulieren können . Ohne das Wort Wald, würde der Wald als Form der Kommunikation nicht existieren. Damit schaffen die in unseren Beziehungen gelernten Sprachen und Interaktionsformen die Formen der Welt, in der wir interagieren . Die Entstehung von Bedeutung im Kommunikationsprozess 29 Jeder Diskurs hat damit die Chance, eine Form .der Welt zu erschaffen, in der gemeinsam gehandelt werden kann . Eine zu starke Einflussnahme vergangener Diskurse begrenzt diese Chancen, insbesondere dann, wenn die vergangenen Diskurse in unterschiedlichen Kulturen oder Subkulturen stattgefunden haben . Die Herausforderung eines offenen Diskurses, der nicht zu sehr von Vergangenem geprägt wird, liegt darin, dass der performative Bezug der Sprache oft in implizitem Wissen versteckt ist . Wenn wir beispielsweise sagen, jemand betreibt Wissenschaft, dann wird damit auf ein Konglomerat von Handlungen Bezug genommen, das kaum jemals vollständig expliziert werden kann, aber implizit eben doch mit dem Ausdruck „betreibt Wissenschaft" verbunden wird (Polanyi 1962), und das seinerseits aus den vergangenen Interaktionen stammt, in denen jemand gelernt hat, wie man „Wissenschaft betreibt" . Nun beziehen sich die Interaktionen in unserem Leben nicht nur auf Personen, sondern man kann den Begriff der Interaktion durchaus auch auf eine Person und sein Umfeld beziehen. So lernen wir beispielsweise mit einem „Gegenstand", den wir gelernt haben „Fahrrad" zu nennen, Fahrrad fahren . Eine Interaktion mit dem Fahrrad, die wir nicht vollständig explizieren können . „Ne can know more than we can teil ." (Polanyi 1967, S . 4) Der Bezug zu diesem „tacit knowledge" (Polanyi 1962, 1967) ist zunächst in jeder Aussage, die perfomativen Charakter hat, enthalten . Das Wort „Fahrrad" hat unmittelbaren Handlungsbezug zum Fahren und ist überdies relational, einmal in der Interaktion der Fahrrad fahrenden Person mit dem Fahrrad (das wäre aber nicht sozial), aber darüber hinaus auch mit den Personen, mit denen mich das Fahrrad und das Fahrrad Fahren verbindet . Ich komme nun zum ersten Abschnitt zurück und damit zu den Zitaten von Jung, von Matt und ZalLiiiann, dann lassen sich diese nun leichter interpretieren : Starten wir mit Jung, von Matt :„ Ein guter Slogan wird nicht erfunden, sondern er wird entdeckt ." Ein guter Slogan entdeckt die „Bedeutungen" des „tacit knowledge" der Zuhörer, er formuliert das, was die Zuhörer immer schon glaubten oder gerne glauben wollen, aber nicht in der Lage waren zu formulieren . Damit folgt gleichermaßen, dass gute Slogan performativ und relational sein sollten . Sie bringen in Form, was Zuhörer gern in Form gebracht haben wollen . Und nur insofern informieren sie . Nun zu Zaltmann : „Successful advertising results in the co-creation of personally relevant stories by consumers . Consumers, not agency creatives, are the primary authors of these stories and that leads to meaningful communication ." Wenn wir nun die vergangenen Interaktionen und das mit ihnen verbundene explizite und implizite Wissen Erfahrungen nennen, und wenn wir mit Twitchell davon ausgehen, dass „the meaning of experience has always been communicated in stories ." (Twitchell 2004, S . 11), dann wird die Logik der Zaltmann'schen Aussage deutlich . Die in der Vergangenheit und Gegenwart erlebten Interaktionen in denen sie umgebenden Beziehungen, lässt das entstehen, was wir Bedeutung nennen. Die Bedeutungen der Sprach- und Interaktionsformen stammen aus den damit verbunden Interaktionen und Beziehungen aus Vergangenheit und Gegenwart . Je nach Kultur und Subkultur, sind diese Formen sehr unterschiedlich . Treffen sehr unterschiedliche Formen aufeinander, dann identifizieren wir das als Ver- Löbler 30 ständnisproblem . Aber es gibt auch Formen des Ausdrucks, die identisch erscheinen, aber doch andere Filmausschnitte charakterisieren, weil sie sich in verschiedenen Kulturen unterschiedlich herausgebildet haben . Die zentrale Idee des sozialen Konstruktivismus, Aussagen und Ausdrücke als performativ und relational zu verstehen, erlaubt es uns, unserem Sein viele Formen zu geben. Wenn solche Formen in Kommunikation gemeinsam entwickelt werden, ohne dass bisherige Formen als Einschränkung verstanden werden, dann steht einer kooperativen und verständnisorientierten Kommunikation nichts mehr im Wege . Für das Marketing, das in Informationsflut erstickt, ist damit eine alternative Konzeption der Kommunikation möglich, die auf sozialen Beziehungen aufbaut . Dass die Idee der Bedeutungsvermittlung auch im Marketing nicht mehr alle Forscher beherrscht, zeigen z .B. Beiträge von Ballantyne (2004 und 2005), Berthon, John (2006), Duncan, Moriarty (2006), Etgar (2006), Gummesson (2001, 2002, 2004), Lovelock, Gummesson (2004), Oliver (2006), Shotter (1999), Prahalad (2000 und 2003), Thompson, Locander, Pollio (1989), Wikström (1996). 5 Zusammenfassung Der vorliegende Beitrag hat zu zeigen versucht, wie die Marketingforschung von Shannons Sender-Empfänger-Logik über den Konstruktivismus hin zum Sozial-Konstruktionsmus es zunehmend besser versteht, wie der Kunde Bedeutungen aus Botschaften konstruiert . Insbesondere für das Relationship-Marketing eröffnen sich so neue Perspektiven . Mit der Verabschiedung von der Idee der Übertragbarkeit von Botschaften und insbesondere deren Bedeutungen, werden für das Marketing neue Herausforderungen geschaffen. Den Kunden als Co-Kreateur von Botschaften zu verstehen, fordert für die Marketingtreibenden, zwei Welten gleichermaßen zu „verstehen", und zwar die Welten des Käufers und des Verkäufers und daraus dann eine Dritte, Gemeinsame zu konstruieren . Der Einzug des sozialen Konstruktionismus in den Bereich des Marketings steht sicher erst am Anfang . Die Chancen allerdings, die sich daraus ergeben können, halte ich für unermesslich . Literatur Arndt, J. (1985) : On Making Marketing Science more Scientific : Pole of Orientations, Paradigms, Metaphors, and Puzzle Solving, in : Journal of Marketing, 49, S.11-23 . Ballantyne, D . (2004) : Dialogue and its role in the development of relationship specific knowledge, in: Journal of Business and Industrial Marketing, 19, 2, S.114-123 . Ballantyne, D ., Varey, R . (2005) : Introducing a Dialogical Orientation to the Ser- vice-Dominant Logic of Marketing. Proceedings of the SERVSIG Research Conference, S . 45, Singapore . 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