Hüftgelenksdysplasie

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Hüftgelenksdysplasie
Medizin Aktuell
Trotz Vorsorge immer noch aktuell
Hüftgelenksdysplasie
Bereits kurz nach der Geburt werden Säuglinge in
­Deutschland auf eine mögliche Fehlstellung der Hüfte,­
die sogenannte Hüftgelenksdysplasie, untersucht. Diese
­Untersuchung dient auch zur Vorbeugung von Hüftarthrose
im E­ rwachsenenalter, da eine Fehlstellung der Hüfte
wesentlich zum Knorpelverschleiß beiträgt.
D
ie Hüftdysplasie ist eine sehr häufig auftretende Erkrankung des
Skelettes und ist bei etwa drei bis
fünf Prozent der Neugeborenen zu finden. Die Erkrankung ist gekennzeichnet
durch eine fehlerhafte Entwicklung der
Hüftgelenkspfanne, welche zu steil und
zu kurz ist, sodass sie den Oberschenkelkopf nicht ausreichend fest umschließt.
Wird die Erkrankung rechtzeitig diagnostiziert – also im Säuglingsalter –, kann
das Tragen einer Spreizhose helfen, die
Minderentwicklung der Hüftpfanne zu
korrigieren. Eine Spreizhose bewirkt im
Wesentlichen, dass der Oberschenkelkopf unbelastet in der Mitte der Pfanne
platziert wird, wodurch die Hüftpfanne
langsam „nachreifen“ kann.
1996 zu den routinemäßigen Vorsorgeuntersuchungen. Wird der Befund Hüftdysplasie gestellt, ist die Behandlung der
Wahl bei Säuglingen zunächst die Spreizhose, die über mehrere Wochen getragen
wird. Es gilt: Je eher die Diagnose gestellt
wird, desto kürzer die Behandlungszeit!
Eine Ultraschalluntersuchung
hilft die Erkrankung zu erkennen
Nicht alle Dysplasien werden in der
Kinder- und Jugendzeit erkannt
Ob ein Neugeborenes eine Fehlstellung
der Hüfte aufweist, lässt sich dank einer
Ultraschalluntersuchung (Hüftsonografie)
gut klären. Die Behandlung gehört seit
Trotz der flächendeckenden Untersuchung von Säuglingen kann es vorkom-
Ab wann muss die kindliche Hüftgelenksdysplasie behandelt werden?
Die Fehlstellung der Hüfte wird in Grad gemessen. Zwei Winkel (Alpha- und Beta-Winkel)
­werden zur Einteilung herangezogen. Eine
ausgereifte Hüfte weist einen Alphawinkel von
mehr als 60° auf, während der Beta-Winkel
um 55° liegt. Je weiter die Werte von dieser
Norm abweichen, desto unphysiologischer ist
das Hüftgelenk. Zu behandeln sind in der Regel Kinder, deren Alpha-Winkel unter 60° liegt
und deren Beta-Winkel über 55° beträgt. Da
der ­Alpha-Winkel durch die Ultraschallunter­
suchung in der Regel deutlicher zu bestimmen
ist, gilt er als entscheidendes Maß. Die folgende Abbildung zeigt eine Reifungskurve nach
Graf an, die einen Überblick über den Behandlungsspielraum gibt:
altersentsprechend
26 ORTHOpress 3 /2009
ɑ - Winkel
70°
Mittelwert
65°
60°
55°
50°
0.
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10. 11. 12.>12.
Monat
kontrollbedürftig
therapiebedürftig
Medizin Aktuell
Zur Diagnostik gehört die genaue Anamnese, wozu auch die
Familiengeschichte gehört. Das heißt:
Zweit-Prothese unter Umständen nicht
so gut „sitzt“ wie die erste.
• Gibt es Verwandte, die bereits Hüfterkrankungen
bzw. -dysplasien hatten?
• Kam das Kind zu früh zur Welt oder traten Komplikationen bei
der Geburt auf?
• Gibt es andere Fehlbildungen an den Füßen, den Beinen
und/oder der Wirbelsäule?
• Lassen sich die Beine gleich weit abspreizen?
Gelenkerhalt geht vor Gelenkersatz
men, dass eine Hüftdysplasie nicht erkannt wird oder dass eine konservative
Behandlung (Spreizhose etc.) im Kindesalter nicht anschlägt, d. h. die Hüfte kann
nicht zur vollen Ausreifung gebracht
werden oder die Behandlung stagniert
aus unbekannten Gründen. Bleibt der
Hüftkopf dann nur unzureichend umschlossen, treten im Laufe der Zeit durch
die unphysiologische Belastung der
Hüftpfanne Folgeschäden auf, wie z. B.
Leistenschmerzen etwa beim Sport und
später dann Arthrose (Knorpelabrieb). Je
jünger die Patienten beim Auftreten dieser Problematiken sind, desto genauer
muss die folgende Behandlung geplant
werden. Denn der Einsatz einer Hüft-Endoprothese – bei älteren Personen eine
gute Wahl, um das arthrotisch veränderte Gelenk zu ersetzen – ist bei Personen
Die Spreiz-Orthese kann schnell und
einfach angelegt werden und ist für die
Kinder schmerzfrei zu tragen. Auch das
Windelwechseln ist problemlos möglich.
unter 50 Jahren problematisch. Dies gilt
nicht für den eigentlichen Einsatz der
Prothese, sondern ist dem Umstand
der heutigen, langen Lebenserwartung
geschuldet. Denn: Erhält ein Patient in
jungen Jahren eine Prothese, so muss
davon ausgegangen werden, dass er in
späteren Jahren nochmals eine Wechselprothese benötigt (die Standzeit bei
heutigen Prothesen liegt bei etwa 15 bis
20 Jahren). So eine Wechseloperation ist
jedoch immer auch mit einem weiteren
Knochenverlust verbunden, sodass die
Eine Alternative ist hier die sogenannte
dreifache Beckenosteotomie oder auch
Triple-Osteotomie (Osteotomie = Knochenschnitt; siehe Darstellung oben
links). Hierfür wird in einer Operation der
Beckenknochen an drei Stellen (Darm-,
Scham- und Sitzbein) durchtrennt und
kann nun dreidimensional umgeschwenkt
werden, sodass das Hüftdach den Oberschenkelkopf schließlich überdacht. Die
Fixierung erfolgt mit langen Beckenschrauben. Wenn notwendig, kann in der gleichen Operation auch eine Mitbehandlung
des Oberschenkelkopfes erfolgen. Nur
wenn es gar keine andere Alternative gibt,
sollte über den Einsatz einer Endoprothese nachgedacht werden.
Info
von Simone Ernst
Eltern sollten unbedingt die Früherkennungsuntersuchungen (U1 bis
U9) bei ihrem Kinderarzt wahrnehmen. Die Ultraschalluntersuchung
zur Erkennung einer Hüftdysplasie
wird bereits in der U2 (3. bis 10.
Lebenstag) oder U3 (bis 6. Lebenswoche) durchgeführt. Die Untersuchung ist für die Kinder gänzlich
schmerzlos!