Die Rolle des Betriebsrates im Datenschutz

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Die Rolle des Betriebsrates im Datenschutz
Die Rolle des Betriebsrates im Datenschutz
In diesem Kapitel erfahren Sie,
welche Aufgaben und Rechte der Betriebsrat im Datenschutz hat,
wie es um das rechtliche Verhältnis zwischen Betriebsrat und betrieblichem Datenschutzbeauftragten bestellt ist und
welche Mitbestimmungsrechte der Betriebsrat im Einzelnen hat.
Da es sich beim Recht auf informationelle Selbstbestimmung um ein Persönlichkeitsrecht handelt, spielt hier § 75 Abs. 2 BetrVG eine grundlegende Rolle.
Nach dieser Bestimmung sind Betriebsrat und Arbeitgeber verpflichtet, gemeinsam die freie Entfaltung der Persönlichkeit der Beschäftigten zu schützen und
zu fördern. Mit diesem Schutzauftrag kann der Betriebsrat immer wieder argumentieren und auch den Arbeitgeber in die Pflicht nehmen (siehe
„Persönlichkeitsrechte und technische Kontrollen“).
Rechte des Betriebsrats als Kontrollorgan nach § 80 BetrVG
Das BDSG ist ein Schutzgesetz. Im Sinne des § 80 Abs. 1 BetrVG hat der Betriebsrat seine Einhaltung zu überwachen. Deshalb kann der Betriebsrat
umfassende Informationsrechte im Bereich des Datenschutzes geltend machen.
Für Interessierte:
Was kann der Betriebsrat z.B. kontrollieren?
ordnungsgemäße Bestellung des betrieblichen Datenschutzbeauftragten
Existenz und Vollständigkeit des Verfahrensregisters
Wahrung der Zweckbindung von Daten
Existenz von Berechtigungskonzepten für Software (Datensparsamkeit)
ordnungsgemäße Abwicklung der Datenverarbeitung im Auftrag
Einhaltung der notwendigen organisatorischen und technischen Maßnahmen zum Datenschutz (§ 9 BDSG & Anlage)
Einhaltung der Löschfristen
Zwar kann der Betriebsrat die Einhaltung von Datenschutzregelungen kontrollieren, er kann aber bei Verstößen nicht selbst aktiv werden. Er ist als Betriebsrat
ja nicht in seinen Rechten eingeschränkt worden. Seine Möglichkeiten beschränken sich also darauf, den Arbeitgeber anzusprechen und eine Verbesserung zu
verlangen.
Natürlich können einzelne Mitglieder des Betriebsrats als persönlich Betroffene aktiv werden. Sie können den Rechtsweg beschreiten oder sich an die
Aufsichtsbehörde wenden. Letzteres kann auch der Betriebsrat als Gremium tun. Allerdings muss er im Rahmen der vertrauensvollen Zusammenarbeit den
Arbeitgeber vorher warnen und nachdrücklich auf Abhilfe dringen.
Auch der Betriebsrat selbst hat Pflichten als Datenverarbeiter
Als erstes ist hier das Datengeheimnis gemäß § 79 BetrVG zu nennen. Der Betriebsrat unterliegt diesem speziellen Datengeheimnis für alle Daten, die er in
der Ausübung seines Amtes über die Beschäftigten erfährt. Aber auch das BDSG gilt für den Betriebsrat. Die Daten sind im Betriebsrat genauso zu schützen
wie im Rest des Betriebs. Allerdings rechtfertigt der Datenschutz auch keine Geheimniskrämerei im Gremium. Anspruch auf Information hat fast immer der
Betriebsrat und nicht ein einzelnes Mitglied. Der Betriebsrat ist Teil der verantwortlichen Stelle, also des Unternehmens.
Eine Weitergabe von Daten an den Betriebsrat ist keine Übermittlung an Dritte, sondern so zu behandeln wie die Weitergabe von Daten zwischen einzelnen
Abteilungen. Auch hier ist zu prüfen, ob die Weitergabe der Daten notwendig ist. Den Anspruch, Daten zu erheben, kann der Betriebsrat mit seinen Aufgaben
aus dem BetrVG begründen. Zusammen mit § 32 BDSG ergibt sich so immer dann eine Berechtigung, Daten zu erheben und zu verarbeiten, wenn der
Betriebsrat diese Daten für seine Arbeit benötigt. Nicht mehr benötigte Daten sind zu löschen, sofern ihre Aufbewahrung beim Betriebsrat nicht gesetzlich
vorgeschrieben ist.
Für Interessierte:
Zwei wichtige Einzelpunkte zum Recht auf die Erhebung von Daten:
Der Betriebsrat darf keine Einsicht in Personalakten nehmen, er darf lediglich den ausreichenden organisatorischen und technischen Schutz der
Akten überprüfen. Ausnahmen bestehen nur, wenn ein Beschäftigter den Betriebsrat damit beauftragt, in die Akte Einsicht zu nehmen (§ 83 Abs. 1
BetrVG). Dann hat der einzelne Betriebsrat Stillschweigen über den Inhalt zu wahren. Dies gilt ausnahmsweise auch gegenüber anderen
Mitgliedern des Betriebsrats.
Der Betriebsrat darf Einsicht in die Bruttolohnlisten nehmen (§ 80 Abs. 2). Der Verweis auf den Personalausschuss in § 80 bedeutet nicht, dass
dieses Recht nur in großen Betrieben besteht. In kleineren Betrieben können durch Beschluss des Betriebsrats einzelne Mitglieder (z.B. der
Vorsitzende) mit der Einsichtnahme beauftragt werden. Das Einsichtsrecht gilt natürlich nur für Listen der Beschäftigten, die der Betriebsrat auch
vertritt. Leitende Angestellte sind also ausgenommen.
Der Betriebsrat sollte sich bei seiner Datenverarbeitung im Sinne des Datenschutzes möglichst vorbildlich verhalten. Ansonsten kommt er in
Argumentationsnöte, falls er den Arbeitgeber in diesen Fragen angreift.
Sachverständige
Trotz der umfassenden Informationsrechte aus § 80 BetrVG kann es für den Betriebsrat schwierig sein, die nötigen Informationen auch wirklich zu verstehen.
Oft ist die Materie einfach zu komplex. Es geht ja nicht nur um Fragen des Datenschutzes, sondern auch um die Beurteilung von
Datenverarbeitungssystemen.
Durch diese Komplexität wird es auch oft dazu kommen, dass Schulungen für einzelne Betriebsräte oder auch das ganze Gremium nicht das nötige
Expertenwissen herstellen können. Also wird sich der Betriebsrat auf Sachverständige verlassen müssen. Zunächst wird ihn der Arbeitgeber auf interne
Auskunftspersonen gemäß § 80 Abs. 2 BetrVG verweisen. Hier ist natürlich der betriebliche Datenschutzbeauftragte der erste Ansprechpartner. Aber auch
Beschäftigte aus den zuständigen Fachabteilungen können benannt werden.
Sollten weitere Informationen erforderlich sein, kann der Betriebsrat auch externe Sachverständige hinzuziehen. Ein wichtiges Argument für die Erforderlichkeit
Sollten weitere Informationen erforderlich sein, kann der Betriebsrat auch externe Sachverständige hinzuziehen. Ein wichtiges Argument für die Erforderlichkeit
ist es, wenn der Arbeitgeber selbst externe Sachverständige beauftragt hat. Bei der Hinzuziehung bedarf es aber nach § 80 Abs. 3 BetrVG einer näheren
Vereinbarung mit dem Arbeitgeber über die Person, Kosten, das Thema und den Zeitpunkt. Sollte der Arbeitgeber die Notwendigkeit bestreiten, kann der
Betriebsrat im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens die Bestellung eines Sachverständigen durchsetzen.
Mitwirkung des Betriebsrats bei der Ernennung des betrieblichen Datenschutzbeauftragten
Der betriebliche Datenschutzbeauftragte wird allein vom Arbeitgeber ernannt. Die Betriebsräte haben keinen direkten Einfluss auf seine Ernennung. Wird ein
Arbeitnehmer zum betrieblichen Datenschutzbeauftragten ernannt, handelt es sich um eine Versetzung im Sinne des § 99 BetrVG. Hier kann der Betriebsrat
sein Mitbestimmungsrecht wahrnehmen.
Fällt die Wahl auf einen leitenden Angestellten, entfällt das Mitbestimmungsrecht. Anders bei einem externen Datenschutzbeauftragten, hier kann man davon
ausgehen, dass die Eingliederung in den Betrieb wiederum dem Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG unterliegt. Sofern eine Beteiligung gegeben ist, hat
der Betriebsrat z.B. die Möglichkeit, gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG gegen diese Maßnahme Einspruch zu erheben. Dies wäre z.B. möglich, wenn der zu
Bestellende die erforderliche Fachkunde oder Zuverlässigkeit nicht besitzen sollte.
Sollte ein leitender Angestellter zum betrieblichen Datenschutzbeauftragten ernannt werden und ein Interessenkonflikt besteht, z.B. weil es sich um den
Personalleiter handelt, hat der Betriebsrat noch eine weitere Handlungsmöglichkeit. Er kann dann vom Arbeitgeber die Abberufung des Betreffenden fordern.
Sollte er mit dieser Forderung keinen Erfolg haben, wäre der nächste Schritt, die Aufsichtsbehörde zu informieren und dort die Abberufung zu verlangen.
Die zuständige Aufsichtsbehörde ihrerseits kann vom Arbeitgeber die Abberufung eines betrieblichen Datenschutzbeauftragten verlangen, wenn dieser die
erforderliche Fachkunde und Zuverlässigkeit nicht besitzt (§ 38 Abs. 5 letzter Satz BDSG). So ein Vorgehen ist natürlich ein äußerst drastischer Schritt und
wird eher selten angewandt. Dieses Verfahren kann der Betriebsrat natürlich auch anwenden, wenn der betriebliche Datenschutzbeauftragte offensichtlich
ungeeignet oder völlig untätig ist.
Kontrolle des Betriebsrats durch den betrieblichen Datenschutzbeauftragten?
Eine direkte Kontrolle des Betriebsrats durch den betrieblichen Datenschutzbeauftragten ist nicht zulässig, so die BAG-Entscheidung vom 11.11.1997. Sollten
Arbeitgeber oder betrieblicher Datenschutzbeauftragter Unregelmäßigkeiten beim Betriebsrat in Datenschutzfragen vermuten, haben sie die Möglichkeit, sich
an die zuständige Aufsichtsbehörde zu wenden. Diese führt dann eine entsprechende Kontrolle durch.
Mitbestimmung bei Personalfragebogen, § 94 BetrVG
Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 94 BetrVG erstreckt sich auch auf jede Art von Fragebögen. Beim Personalfragebogen hat der Betriebsrat
das Kontrollrecht über die Fragen und damit über die Erhebung der Bewerberdaten. Aber auch andere Fragebögen wie z.B. für „Rückkehrergespräche“ nach
längerer Krankheit fallen darunter.
§ 94 Abs. 2 BetrVG erweitert diese Rechte auf die persönlichen Angaben in Arbeitsverträgen, sofern sie allgemein im Betrieb verwendet werden sollen.
Allerdings hat der Betriebsrat hier kein Initiativrecht, seine Möglichkeiten beschränken sich auf eine Prüfung der Arbeitgebervorschläge (siehe
„Bewerberdaten“).
Mitbestimmung im § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG
Bei Regelungen der Ordnung des Betriebs kann es zur Datenerfassung kommen, z.B. bei Zugangskontrollen. Hier kann der Betriebsrat mitbestimmen.
Allerdings wird sich dieses Recht oft mit der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 überschneiden. Auch die Veröffentlichung von Mitarbeiterdaten (z.B. das
Tragen von Namensschildern) kann der Mitbestimmung unterliegen.
Mitbestimmung im § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG
Sobald eine technische Einrichtung dazu geeignet ist, die Beschäftigten zu überwachen, besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Laut ständiger
Rechtsprechung des BAG reicht es aus, wenn eine technische Einrichtung zur Überwachung der Arbeitnehmer geeignet ist, um das Mitbestimmungsrecht des
Betriebsrats auszulösen. Eine Überwachungsabsicht des Arbeitgebers muss nicht vorliegen. Dies weicht vom Text des Gesetzes etwas ab, dort ist davon die
Rede, dass die Einrichtung zur Überwachung bestimmt sein muss (siehe „Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 6“).
Wer ist eigentlich zuständig: Betriebsrat, Gesamtbetriebsrat oder Konzernbetriebsrat?
Bei Verhandlungen über Betriebsvereinbarungen im Bereich des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG geht es in manchen Fällen auch um die Frage: Welcher
Betriebsrat ist denn nun zuständig? Der Betriebsrat vor Ort (im Weiteren immer als Wahlbetriebsrat bezeichnet), der Gesamtbetriebsrat oder der
Konzernbetriebsrat? Die Antwort auf diese nicht ganz einfach zu lösende Frage wird im Folgenden erläutert.
Status der einzelnen Betriebsräte zueinander
Hier ist festzustellen, dass die unterschiedlichen Betriebsräte nicht in einem hierarchischen Verhältnis zueinander stehen. Weder hat der
Gesamtbetriebsrat eine Weisungskompetenz gegenüber dem Wahlbetriebsrat, noch ist es umgekehrt. Die Fragen der Zuständigkeit regelt für den
Gesamtbetriebsrat § 50 BetrVG und für den Konzernbetriebsrat § 58 BetrVG. Da § 58 dem § 50 nachgebildet wurde, können die Prinzipien, die in der
Rechtsprechung für den Gesamtbetriebsrat entwickelt wurden, auch für den Konzernbetriebsrat angewendet werden. Die gesetzliche (originäre)
Zuständigkeit ist immer eindeutig in dem Sinne gegeben, dass nur eine Betriebsratsebene jeweils zuständig ist. Ein Nebeneinander in Fragen der
Mitbestimmung ist also nicht zulässig. Dies kann sogar bedeuten, dass eine Mitbestimmungsfrage ungeregelt bleibt, wenn der zuständige Betriebsrat nicht
tätig wird.
Ein Beispiel: Ein Wahlbetriebsrat kümmert sich nicht um die Frage der Videoüberwachung im Gebäude. Wenn er eindeutig für diese Frage zuständig ist,
kann der Gesamtbetriebsrat keine Regelung herbeiführen. Die Situation bleibt also in der Schwebe. Nach der neueren Rechtsprechung des BAG
(Beschluss vom 14.11.2006: 1 ABR 4/06) besteht auch nicht die Möglichkeit, dass der Gesamtbetriebsrat eine Rahmenvereinbarung trifft und die restliche
Ausgestaltung den Wahlbetriebsräten überlässt.
Im Prinzip gibt es zwei Möglichkeiten, dass ein Betriebsrat die Verhandlungsführung übernehmen darf:
1.
Mandat durch Auftrag: Natürlich können Wahlbetriebsräte den Gesamtbetriebsrat oder Wahlbetriebsräte und Gesamtbetriebsräte den
Konzernbetriebsrat mit der Verhandlung beauftragen. Dabei gibt es auch die Möglichkeit, dem verhandelnden Betriebsrat zunächst nur das Mandat
für die Verhandlung zu erteilen. Erst nach Vorliegen des Ergebnisses erteilen die einzelnen Betriebsräte dem verhandelnden Gesamtbetriebsrat ein
Mandat zum Abschluss.
2.
Schwieriger wird es bei der sogenannten originären Zuständigkeit. Hier ist zunächst immer der Wahlbetriebsrat zuständig. Ausnahmen gibt es nur,
wenn die beiden folgenden Bedingungen erfüllt sind:
a)
Die Angelegenheit muss den Gesamtbetrieb oder mindestens zwei Betriebe betreffen.
b)
Die zu regelnde Frage kann nicht innerhalb der einzelnen Betriebe geklärt werden. Die Zuständigkeit des übergeordneten Betriebsrats ist
nur dann gegeben, wenn zwingende Erfordernisse für eine betriebsübergreifende Regelung bestehen. Der Wunsch des Arbeitgebers allein
ist kein Kriterium für die Zuständigkeit eines bestimmten Betriebsrats. Auch bloße Zweckmäßigkeit oder reines Kosteninteresse reichen
hierfür nicht aus.
Ein Beispiel: Mehrere Betriebe eines Unternehmens sind im selben Gebäudekomplex untergebracht. Hier ist eine
Gesamtbetriebsvereinbarung zu einer elektronischen Schließanlage sachgerecht. Ein weiterer praktisch nachvollziehbarer Grund für eine
Gesamtbetriebsvereinbarung ist es, wenn die unterschiedlichen Wahlbetriebsräte von der Sache her unterschiedliche Interessen vertreten
müssen.
Fazit
Die Rolle des Betriebsrats im Datenschutz ist äußerst vielfältig. Einerseits kontrolliert er das Datenschutzverhalten des Arbeitgebers, andererseits ist er
selbst in der Rolle des Datenverarbeiters und sollte sich streng an die gesetzlichen Regelungen halten. Das BAG stärkt die Rolle des Betriebsrats in
Sachen Datenschutz.
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