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SOCIAL WEB
30
Social Networking für Haustiere
Eigentlich geht
es im Social Web
doch nur um Katzen
Von Isabella Peters, Violeta Trkulja und Katrin Weller
In Expertenkreisen ist es längst
unbestritten: Im Internet geht es in
erster Linie um Katzen. Alles andere
– von aktuellen Nachrichten über
Auktionshäuser und Shopping-Portale bis zu Datenbank-Hosts, Wikipedia, Blogs und E-Mail – ist reine
Nebensache oder bestenfalls Mittel
zum Zweck. Tief in seinem Inneren
wünscht sich der gemeine Internetnutzer vor allem Fotos von Katzen in
Waschbecken
(http://catsinsinks.com/). Da müsste
ein Soziales Netzwerk für Vierbeiner
doch der reinste Kassenschlager
sein, oder?
Catcontent. Für Fotos, Videos und
Geschichten rund um Katzen hat sich im
Web eine feste Bezeichnung etabliert:
Catcontent. Webseiten, die allein aus
Sammlungen lustiger Katzen-Fotos bestehen, gibt es seit Jahren (ein Klassiker ist
das
„Infinite
Cat
Project“
http://www.infinitecat.com/), und wie
viele Links auf diese Seiten seither per EMail verschickt werden, wird man wohl
nie ermessen können. Auch das Social
Web scheint wie gemacht für die zahlreichen Katzenfreunde und Liebhaber
anderer possierlicher Kleintiere. Fotound Video-Portale laden geradezu dazu
ein, seine Vierbeiner in Szene zu setzen.
Eine Flickr-Suche nach Bildern mit dem
Tag „cat“ liefert aktuell 4.552.328 Ergebnisse, bei einer Volltextsuche sind es fast
doppelt so viele Treffer. Bei Youtube
erhält man zu einer Suche nach „cat“
immerhin noch rund 853.000 Treffer
(zum Vergleich: eine Suche nach „dogs“
gibt 946.000 Treffer, bei „football“ sind
es 1.160.000).
LOLcats und LOLspeak. Zu den
größten Erfolgsgeschichten im Web der
Katzen gehört zweifelsohne „ICanHasCheezburgers“ (icanhascheezburger.
com). Auf dieser Plattform finden seit
Anfang 2007 die zahlreichen in Foren
und anderen Webseiten streunenden,
mehr oder weniger lustigen Katzenfotos
ein Zuhause. Dabei sind die typischen Bilder nach einem bestimmten Muster aufgebaut: Ein möglichst kitschiges Bild eines
niedlichen Kätzchens bildet die Grundlage, dazu kommt in weißen Buchstaben
ein Text in einer recht sonderbaren
Abwandlung der englischen Sprache.
Diese als LOLcats bezeichneten Bilder
haben sich zu einem hochpopulären
Internet-Phänomen (einem sogenannten
Mem, engl. meme) entwickelt, eine Art
Running Gag oder Insider-Witz im Web
und eine soziologisch wie linguistisch
höchst spannende Entwicklung. Die spezielle Sprache, der sich die CatcontentProduzenten bedienen, nennt sich entsprechend LOLspeak. Bei LOLspeak werden Satzbau und Schreibweisen von Wörtern nach bestimmten Kriterien
verfremdet, heraus kommt eine Art kindliches Kauderwelsch.
Der Blog von ICanHasCheezburgers
gehörte im Social Web zu den ersten Premium-Kunden bei Wordpress. Laut Times
wurde das Portal im September 2007 für
rund zwei Millionen Dollar an Investoren verkauft1, der teuerste Werbeplatz
kostete 2008 knapp 4000 Dollar
wöchentlich.2 Bis 2010 stieg die Zahl der
Mitarbeiter auf 40. Inzwischen ist es ruhiger geworden um die Plattform selbst, die
LOLcats halten sich jedoch vor allem in
den USA als dauerhaftes Internetphänomen. Und LOLspeak begegnet einem im
Social Web inzwischen vielfach auch
ohne begleitende Katzenfotos, beispielsweise in der englischsprachigen Twittersphäre. Und wenn Menschen sich
gedanklich in eine Katze hineinversetzen
und eine dazu passende Sprache erfinden, ist es nur noch ein kleiner Schritt bis
zum persönlichen Profil im Web für
Hund, Katze und Co.
Mark Zuckerbergs Hund…
Tatsächlich finden sich beispielsweise auf
Facebook zahlreiche Profile, die Haustierbesitzer für ihre Vierbeiner angelegt
haben. Eigentlich wiederspricht das den
Nutzungsbestimmungen von Facebook,
die besagen, dass man ein Profil nur für
sich selbst anlegen darf – und gelegent-
Facebook-Profil des Zuckerberg-Hundes „Beast“.
Quelle: http://facebook.com/beast.the.dog.
PASSWORD 11/2011
Rund 250.000 Euro lässt sich Klambt das
Media Animals“ steigt.
Projekt kosten. Er hofft auf 100.000 Nutzer bis
Einer Lab42-Umfrage
zum Jahresende sowie auf eine Expansion ins
unter Hundebesitzern
Ausland.6 Damit wagt sich die Mediengruppe
zufolge verfügen rund
14% der Hunde über ein
mit einem Produkt deutlich abseits des KernFacebook-Profil, je 6%
geschäfts rund um Frauenmagazine wie „Graüber einen Account bei
zia“ und „Frau mit Herz“ ins Social Web. Eine
Flickr und Twitter und
direkte Übertragung klassischer Print-Modelle
27% über ein YouTubeins Internet sei nicht möglich, meint Lars JoaProfil.5
chim Rose, Verleger und geschäftsführender
Gesellschafter der Mediengruppe, daher werde
My Social Petwork.
ein individueller Weg eingeschlagen.
Bei so viel Zuspruch liegt
Anmeldeformular bei My Social Petwork: Für die typischen
Ein finanzieller Erfolg von My Social Petdie Idee, ein Soziales
Haustiere ist man vorbereitet.
work bleibt derzeit fraglich. Die Popularität von
Netzwerk für Haustiere
Haustieren in etablierten Sozialen Medien ist
aufzubauen, ja schon fast zu nahe. In Deutschlich kam es vor, dass ein solches Haustierprofil
hier vermutlich eher hinderlich als förderlich.
land hat die Klambt-Mediengruppe diese Idee
gesperrt wurde. Dabei gehört Facebook-GrünSolange der Kult um kommunizierende Hausim August 2011 umgesetzt. Das Ergebnis heißt
der Mark Zuckerberg inzwischen selbst zu den
tiere bei Twitter, Facebook und YouTube in das
My Social Petwork (http://mysocialpetInhabern eines tierischen Facebook-Accounts.
alltägliche Social-Media-Nutzungsverhalten einwork.com/) und orientiert sich unverkennbar
Beast, ein kleiner, langhaariger Puli-Rüde, ist
gebettet bleiben kann, besteht für die Nutzer
an seinem „menschlichen“ Vorbild Facebook.
das Haustier von Mark Zuckerberg und dessen
wenig Anreiz, in ein spezifisches Netzwerk überDie Registrierung läuft schnell und
Partnering Priscilla Chan. Beast hat ein eigenes
zusiedeln. Andererseits ermöglicht My Social
unkompliziert. Angemeldet werden können
Facebook-Profil und aktuell über 350.000 Fans.
Petwork ein deutlich anonymisiertes Auftreten
nicht nur Katzen und Hunde, sondern
Zuckerberg und Chan berichten hier aus der
und zugleich die Vernetzung mit Gleichgebeispielsweise auch Pferde und Reptilien. Die
Perspektive des Hundes über dessen alltägliche
sinnten in einem speziellen Interessenskontext.
von Facebook bekannte „Anstupsen“-Funktion
Erlebnisse, inklusive zahlreicher Fotos.
Wir werden sehen, wie es weitergeht. Wau!
heißt hier „Kraulen“ und statt „gefällt mir!“ gibt
… und dessen Freunde. Und Beast ist
es ein schlichtes „Wau“. Neue Besucher sind
nicht der einzige Prominente unter den
automatisch mit den Hunden Julius
Haustieren im Social Web. Das Hündchen Boo
1 http://www.time.com/time/magazine/
(http://mysocialpetwork.com/pet/julius) und
(http://www.facebook.com/#!/Boo) bringt
article/0,9171,1821656-2,00.html
Mini (http://mysocialpetwork.com/pet/mini)
es mittlerweile auf über 2.250.000 Fans bei
2 http://www.spiegel.de/netzwelt/web/
0,1518,529455,00.html
vernetzt, den Haustieren der Klambt-MitarbeiFacebook. Aufgrund dieser Popularität brachte
3 Lee, J.H. (2011). Boo: the Life of the
terinnen Sara Urbainczyk und Ninon Götz, die
Chronicle Books im August eine Art Bilderbuch
World’s Cutest Dog. Chronicle Books.
die Idee zu My Social Petwork hatten.
über das Leben von Boo heraus.3 Zu den
4 http://www.telegraph.co.uk/technology/
Ganz neu ist die Idee allerdings nicht. Mit
tierischen Prominenten bei Twitter zählen
social-media/8633183/One-in-ten-pets-isähnlichen Ansätzen starteten bereits die Webbeispielsweise die Katze Sockington
on-Facebook.html.
seiten Onlefant (http://www.onlefant.com/),
(https://twitter.com/#!/sockington) mit über
5http://blog.lab42.com/startupMycatspace (http://www.mycatspace.com/)
1.468.000 Followern und die Cobra aus dem
infographic-showcase-doggy-data.
und Petzume (http://www.petzume.com/
Bronx
Zoo
(https://twitter.com/#!/
6 http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/
home.php), und bei Uniteddogs verabreden sich
BronxZoosCobra) mit über 220.000 Followern
unternehmen/zeitschriftenverlag-klambtstartet-digitales-netzwerk-fuer-tiereHundehalter zum gemeinsamen Spaziergang
(zum Vergleich: Dem Twitter-Account von BBC
11109934.html.
(http://www.uniteddogs.com).
News @bbcnews folgen knapp 370.000
Personen).
Und bei @GusandPenny
(https://twitter.com/#!/gusandpenny, 1.126
Follower) twittert ausnahmsweise nicht der
Besitzer der gleichnamigen Katzen, sondern ein
automatischer Account, der an eine
Katzenklappe angeschlossen ist.
Herrchen und Fans. Wie bei allen Fanund Follower-Statistiken muss man die
Aussagekraft der reinen Zahlen einschränken:
In vielen Fällen kann es sich bei Folgen solcher
Accounts um Scherz-Aktionen handeln, die
nicht zwangsläufig bedeuten, dass die Inhalte,
die über die tierischen Account publiziert
werden, gelesen werden. Dennoch ist die hohe
Popularität von Haustier-Aktivitäten im Social
Web beachtlich. Eine Studie im Auftrag der
Haustierversicherung PetPlan gibt an4, dass in
den UK jedes zehnte Haustier einen Account My Social Petwork: Jeder Neuzugang im Netzwerk ist zunächst
im Social Web „besitzt“ und die Zahl der „Social mit Julius und Mini vernetzt.
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