Hochzeit bei den Riedhexen - Wollmatinger Riedhexen eV

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Hochzeit bei den Riedhexen - Wollmatinger Riedhexen eV
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FR EITAG , 24 . F E B RUA R 2006
SÜD KURIER N R. 46 / 62. JAH R
KONSTANZ HEUTE
NARRENSPLITTER
Blindenfahrt
W
enn das kein schwarzer Humor
ist, dann hat er in Konstanz
überhaupt keine Heimat: Als die
weißgewandeten Kameler in ihrem
Stadtteil Paradies die Narren weckten, kam ihnen ein „Roter Arnold“
entgegen. Großes Hallo, weil dicker
Bus und dicker Kameler-Bandwurm
(mit dem vollschlanken Marcus
Nabholz in der ersten Sturmtruppe)
nicht aneinander vorbei kamen.
Noch größeres Hallo aber war zu
hören, als die Narren sahen, wer den
Bus steuerte: Eine junge Busfahrerin
mit Blindenbrille und gelber Armbinde mit schwarzen Punkten. Sie öffnete das Schiebefenster und
schwenkte den Narren ihren weißen
Blindenstock entgegen. Makaber,
aber durchaus närrisch schräg! Der
jungen Frau allzeit gute Fahrt und
hoffentlich keinen Ärger mit den
Chefs!
GESIC H T DE S TAGE S
Närrischer Gastgeber
Ausgelassen ging es gestern auf
dem Fischmarkt zu. Rund 2500
Narren folgten der Einladung des
SÜDKURIER und Geschäftsführer
Rainer Wiesner war ein absolut
närrischer Gastgeber.
Seite 19
FRAGE D E S TAGE S
Alter Befreier
Langes Training
Wie halten Sie an Fasnacht durch?
Ich halte Fasnacht durch,
indem ich fröhlich bin, ab und
zu etwas esse
und nicht zuviel
Alkohol trinke.
Zudem habe ich
Jahre langes
Training. Ich
feiere am Schmutzige durch und
schlafe am Freitag nach. Ab Montag
werde ich wieder unterwegs sein.
Wichtig ist auch, sich warm anzuziehen und alle zwei Stunden in
einem Lokal einzukehren.
Schwester Gerti, 45, Hausfrau
ZAHL D E S TAGE S
11
Auf der Reichenau gehen die Uhren
anders. Zur Machtübernahme kam
der Elferrat elf Minuten zu spät ins
Rathaus. Doch die Insel ist davon
nicht untergegangen.
Seite 23
DAS GI B T E S M ORG EN
Keiner weiß es
Was morgen in der Zeitung steht,
kann die närrische Lokalredaktion
jetzt beim besten Willen noch nicht
sagen, denn noch tobt das Narrenvolk durch die Gassen. Doch eines
ist sicher: Es wird eine Zeitung
geben, und sie wird lesenswert
sein. Ho Narro!
ZU GUTE R LE TZ T
Stolz auf Fasnacht
Idioten gibt’s überall: Im Büro,
nebenan in der Fabrik, im Seehas,
im Wartezimmer des Arztes. Warum also sollte der nicht unerhebliche Prozentsatz von Idioten ausgerechnet an Fasnacht verschwinden? Auch im Trubel dieser Tage
sind sie unangenehm präsent: Sie
pfeffern leer getrunkene Flaschen
achtlos an die nächste Hauswand,
pöbeln junge Frauen an und speien
aus, wo immer es ihnen den Magen
spätnachts gerade umdreht. Aber
die Idioten sind nicht in der Mehrzahl. Die Konstanzer Fasnacht, das
waren auch gestern wieder Tausende junge und ältere Mäschgerle,
kleine und große Menschen in
liebevoll geschneiderten Familienkostümen, einfallsreiche Schnurrgruppen, Büttenredner, Musikanten und zahllose Helferinnen und
Helfer, die Säle bestuhlen, Würste
braten und Getränke schleppen.
Wie in jedem Jahr sah man auch
gestern wieder zahlreiche auswärtige Gäste auf der hiesigen
Fasnacht. Immer wieder war zu
hören: „Was Ihr Straßenfasnacht
nennt, das haben wir südlich von
Köln so noch nirgends erlebt.“ Man
ist kein Provinzdepp, wenn man
feststellt: Ein bisschen
dürfen wir stolz
sein auf unsere
einfallsreiche
und alles in
allem friedliche
Fasnacht.
TOBIAS
ENGELSING
W
Das Volk von Konstanz war begeistert: Über 1000 Zuschauer verfolgten das Jakobiner-Tribunal am Obermarkt.
BILDER: HANSER
Jakobiner-Tribunal: Ex-Sozialminister Andreas Renner muss die Suppe auslöffeln
Der Landesvater kann nicht helfen
E
chen-Musikszene“
heftig
s ist eine Kunst, beim JaContra. Sein Mandant sei nakobiner-Tribunal
am
türlich unschuldig: „Die ihm
Schmutzigen Dunschheut’ ans Leder gehen, haben
tig einen guten Platz zu ergates ganz gern gesehen, wie
tern. Doch dieses Jahr wurde
Renner, Stockachs Stolz und
es am Obermarkt noch enger.
großer Sohn, Trüffelschwein
Das Fernsehteam von Südspielt für schwarz-grüne Kowest 3 brauchte für seine Kaalition.“ Daher war auch der
meras samt großem Kran viel
Grüne Rezzo Schlauch zum
Raum. So drängten sich die
Tribunal gekommen. Ein weiüber 1000 Zuschauer bis in die
terer prominenter Gast am
angrenzenden Gassen. OffenObermarkt wird über Renners
sichtlich nahm das den NarRücktritt vielleicht noch
ren den Spaß nicht. Sie amüdankbar sein: Schwarzwälder
sierten sich köstlich – vor alschlug vor, der arbeitslose Exlem beim Auftritt des ÜberraMinister könne Gaby Hauptschungszeugen: Ministerprämann als Romanheld dienen.
sident Günther Oettinger
Der Angeklagte fühlte sich
(SÜDKURIER-Lokalchef Tobias Engelsing).
Er überraschte auch Chefankläger Wolfgang Mettler (rechts): Günther Oettinger (Tobias Engel- behandelt wie ein OsamaBin-Laden des Hegau. Doch
Der Landesvater mit spitzer sing) als Kronzeuge beim Jakobiner-Tribunal.
seine Verteidigungsrede half
Nase versuchte es ganz staatstragend. Günther Oettinger sollte als ten überraschend ähnlich. Und kaum schlagen lassen, noch ehe die Revolu- ihm nicht viel. „Mein loses Maul erregte Zorn und war der Kirche selbst ein
Kronzeuge die Kohle für Ex-Sozialmi- hatte er den Mund aufgemacht, ging tion begonnen hat.
Chefankläger Wolfgang Mettler ging Dorn. Man schlägt zurück, jetzt tut’s
nister Andreas Renner aus dem Feuer ein lautes Lachen durch die große
holen. Doch seine flammende, staats- Menge. Er ahmte Günter Oettinger mit mit noch schärferem Ton gegen den mir weh – dem kleinen Hus vom Botragende Rede hielt er ausgerechnet seinem schwäbischen Dialekt und „Ex-OB der Maggi-Fleischbrühen- densee.“ Doch der Scheiterhaufen
vor den freiheitsliebenden Revolutio- dem hohen Tempo beim Sprechen schmiede Singen“ vor. Ihn habe wohl wurde es nicht. Richter Ernst Mühleder Größenwahn gepackt, als er den mann zeigte Gnade und fällte ein milnären der Jakobiner. Und so kam es, täuschend echt nach.
Richter Ernst Mühlemann sagte amerikanischen Präsidenten abschie- des Urteil.
wie es kommen musste: Oettinger
wurde samt Renner vom Jakobiner- deutlich, warum Andreas Renner vor ßen wollte. „Gestern war ich noch
Tribunal verurteilt. Das Volk johlte dem Gericht steht. Er hatte das badi- Herr über Brühwürfel – heute regiere J O S E F S I E B L E R
und verspeiste die Suppe, die beide sche Land verraten. Und er enttäusch- ich das Spätzle-Country und morgen
te die Konstanzer noch einmal: Schon die ganze Welt!“
auslöffelten.
Siehe Seite Baden-Württemberg
Verteidiger Werner Schwarzwälder
Maskenbildnerin Annette Josef hat- beim ersten Gefecht mit dem mächtiBildergalerie im Internet:
te wieder beste Arbeit geleistet: Tobias gen Klerus sei er schändlich gerupft gab dem Ankläger, dem „Möchtegernwww.suedkurier.de/fasnacht
Engelsing sah dem Ministerpräsiden- worden. Er habe sich in die Flucht Karajan der kreuzkatholischen Kir-
ie fühlt sich ein alter Straßenfasnachter, wenn er nahe„
zu sechs Jahrzehnte lang an jedem
Schmutzigen Donnerstag mit dem
Fanfarenzug der „Niederburg“ zur
Stefansschule zieht und die Schüler
befreit? Werner Breyer fühlte sich
gestern prächtig. Es war sein 58. Mal
und noch immer rührt es den alten
fasnächtlichen Haudegen, wenn ihn
große Kinderaugen anschauen und
ihn fragen, was sie tun müssten, um
einen seiner großen Orden zu bekommen. Als Breyer in der Nachkriegsfasnacht als junges Bürschle
loslegte, waren Ansammlungen von
mehr als drei Personen von den
Besatzungsbehörden noch verboten.
Bald darauf erlebte Konstanz Zeiten,
in denen die Elefanten um Karl
Steuer mit ihren Freiluftschauspielen
am Schmutzigen Donnerstag Tausende auf die Marktstätte lockten. Einige
Jahrzehnte später drohte die Fasnacht zu sterben, die Eltern hatten
ihre Kinder längst zum Skifahren
mitgenommen, Schulbefreiungen
und Straßenfasnacht schienen perdu.
Heute werden Schulen wieder befreit
und die Straßenfasnacht erlebt dank
des Engagements vieler Gesellschaften und Zünfte eine fröhliche Wiedergeburt – und der gute alte Werner
Breyer ist immer noch dabei! (te)
Nach der Befreiung schmeckt es noch
mal so gut.
BILD: BEH
LEUTE
Ja-Wort am Schmutzigen Dunschtig
Häs der Wollmatinger Riedhexen taugt auch als Brautkleid – Paar feierte gestern Hochzeit
E
ine illustre Hochzeitsgesellschaft hat sich im Innenhof des
Rathauses versammelt. Löwen,
Tiger, Wölfe, Clowns, Heidi und Peter
und viele, viele Hexen stehen um Viertel vor neun Uhr Spalier. Neben den
Gläsern mit Sekt und Sekt-Orange türmen sich Berliner. Es ist ganz klar: Diese Hochzeitsgesellschaft ist eine sehr
närrische. Kein Wunder: Das Paar, das
sich gestern im Trauungssaal des Konstanzer Rathauses das Ja-Wort gegeben hat, ist ein echtes Narrenpaar.
Gestern vor einem Jahr, einem Monat und einem Tag sind sich Anja Kossakowski und Frank Jung zusammen
gekommen. „Das ist drei Mal die 1, eine ganz närrisch Zahl“, sagte Erna
Bauer, Standesbeamtin der Stadt Konstanz, und zeigt damit Verständnis für
den außergewöhnlichen Hochzeitstermin des Paares. Schon vor Wochen
hätten sich die beiden um gerade diesen Termin bemüht – auch wenn die
Familienangehörigen anfangs nicht so
recht begeistert waren. „Aber jetzt finden sie’s doch ganz gut“, sagte die 30jährige Braut gestern, nachdem sie mit
ihrem Angetrauten durch das Spalier
der Wollmatinger Riedhexen marschiert war.
Feierlich, aber nicht ganz so getragen wie andere Trauungen, sei die
amtliche Vermählung verlaufen. „Ich
habe mir erst mal ein paar Narrensprüchle von ihnen sagen lassen“, erzählte Erna Bauer. Die Standesbeamtin selbst war mit zerzausten Haaren
ganz als verschlafene Beamtin zu ihrer
Arbeit erschienen und hatte in aller
Ruhe ihren Kaffee ausgepackt und ihre Unterlagen geordnet, bis sie mit der
Trauung begann. Nach der Trauung
warteten nicht nur die befreundeten
Riedhexen mit einem dreifachen
„Hex, hex, hui“ auf das Paar, sondern
auch die Musikgruppe Konstanzer
Stromer, Gäste der Hofpeter, der Para-
dieser Farren und der Konstanzer
Blätzlebuebe. Doch der Narrensamen
für die Braut wie den 24-jährigen
Bräutigam sei bei den Kamelern gelegt
worden, betonte ein Hochzeitsgast.
Auch am Schmutzigen des vergangenen Jahres seien Trauungen abgehalten worden, „allerdings gab es da
ein bisschen Ärger“, erinnert sich die
Standesbeamtin. Zu viele Zaungäste
hätten sich in das Trauungszimmer
drängen wollen. Daher sei gestern nur
eine Vermählung möglich gewesen –
und die recht früh.
Und wie sieht eine Hochzeitsfeier
am Schmutzigen Dunschtig aus?
„Nach einem Narrenfrühstück in
Wollmatingen kommt das ganz normale Narrenprogramm“, kündigte
Anja Jung an. Dann zogen Löwen, Tiger, Wölfe, Clowns, Heidi und Peter
und viele, viele Hexen zum Feiern.
ANJA WISCHER
Echte Narren:
Anja Kossakowski
und Frank Jung,
Mitglieder der
Wollmatinger
Riedhexen, gaben
sich gestern im
Konstanzer Rathaus das „JaWort“. Danach
folgte das „ganz
normale Narrenprogramm“ der
Straßenfasnacht.
BILD: HANSER