der grosse -report aus genf

Transcription

der grosse -report aus genf
REPORT HOTEL-STADT GENF
DER GROSSE
-REPORT AUS GENF
Warum sind
Hotels in Genf
so teuer?
Die Stadt Genf ist mit Abstand die teuerste Hotel-Destination unter den fünf
grössten Städten der Schweiz. Damit nicht genug: Die zwölf Genfer Fünf­
sterne-Hotels gehören zu den teuersten der Welt. Laut dem jüngsten Bloomberg-Index liegt die Rhonestadt im Hotel-Rating der teuersten Luxus-Hotels
auf Platz eins – vor Dubai, New York, London und Paris. «Hotelier» wollte
wissen: Warum sind Genfer Hotels so teuer? Und was ist das Besondere in der
Genfer Luxus-Hotellerie?
TEXT UND INTERVIEW Hans R. Amrein
Hotel Beau Rivage
50
Grand Hotel Kempinski
Le Richemond (Dorchester Collection)
N
irgendwo zahlt ein Gast mehr für ein
Hotel-Zimmer als in Genf. Das Wirtschafts- und FinanzdienstleistungsUnternehmen Bloomberg hat für seinen Hotellerie-Daten-Index die Zimmerpreise in
über 100 Grossstädten weltweit verglichen.
Spitzenreiter des kürzlich publizierten
Bloomberg-Index ist Genf mit einem durchschnittlichen Zimmerpreis pro Nacht von 275
Franken. Damit verweist die Rhonestadt die arabische Stadt Dubai mit 244 Franken/Nacht auf
den zweiten Rang. Kuwait City, ein weiteres Land
mit imposanten Luxushäusern, belegt den dritten Rang (226 Franken/Nacht). Und mit einem
Zimmerpreisdurchschnitt von 223 Franken stellt
sich Zürich an die vierte Stelle des weltweiten
Rankings und vertritt die Schweizer Hotellerie in
den Top-Five des Index. Rang fünf belegt Miami
mit 219 Franken pro Nacht.
Bloomberg schreibt zur Erklärung: Die
Preise werden in jenen Städten angetrieben,
in denen es einen Mangel an zur Entwicklung
bereitstehendem Land gibt und die Zahl der verfügbaren Zimmer begrenzt ist oder die Kunden
über relativ viel Geld verfügen. Dadurch wird
Genf 32 Prozent teurer als beispielsweise New
York und London sowie 28 Prozent teurer als
Hongkong. «Unter dem Strich geht es darum,
Four Seasons Hotel des Bergues
11 I2015
11 I2015
wie teuer Immobilien sind und wie viele Hotel-Zimmer es gibt»,
sagt der Hotel-Analyst Nikhil Bhalla. «In Genf sind die Grundstücke begrenzt. Die Kosten für Grundstücksentwicklungen in
der Schweiz zählen wahrscheinlich zu den Höchsten in der Welt –
teils auch wegen der schönen Umgebung», so der Experte zu
Bloomberg. Genf steht auch an oberster Stelle bei FünfsterneHotels. In dieser Kategorie kosten Zimmer in Genf im Durchschnitt 548 Franken pro Nacht. Los Angeles folgt in der LuxusKategorie auf dem zweiten Platz mit 430 Franken pro Nacht,
dahinter kommt Tokio mit 393 Franken pro Nacht.
Nicht London oder Paris gehören nach Genf zu den europäischen Spitzenreitern bei den Hotel-Zimmerpreisen. In Edinburgh wird für durchschnittlich 215 Franken pro Nacht logiert.
Die schottische Stadt wird damit im Bloomberg-Ranking auf
Platz 7 aufgeführt, gefolgt von London mit 210 Franken. Die
französische Hauptstadt mit einem Preis von 207 Franken liegt
auf Rang 11. In der Region Asien - Pazifik führt Hongkong mit
216 Franken pro Nacht und platziert sich auf der BloombergWeltrangliste auf Rang 6. In Singapur kostet eine Übernachtung
wie in London durchschnittlich 210 Franken. In den USA ist laut
Index-Daten von Bloomberg eine Hotel-Übernachtung in Miami
teurer als in New York, wo der Preis im Durchschnitt bei 208 Franken liegt. In San Francisco übernachtet der Hotel-Gast für durchschnittlich rund 188 Franken. Der Bloomberg-Index beobachtete
die Hotel-Preise in weltweit 106 Städten. Am Schluss des Rankings
figuriert mit den billigsten Märkten Chennai (Indien) und Makati
City (Philippinen) mit je 70 Franken und Hanoi in Vietnam mit
55 Franken pro Nacht.
❯
Swissôtel Metropole Geneva
51
REPORT HOTEL-STADT GENF
-INTERVIEW MIT LARS WAGNER,
GENERAL MANAGER IM
MANDARIN ORIENTAL HOTEL, GENEVA
Wir leiden auf
höchstem Niveau
Er führte vorher das Mandarin
Oriental Hotel in München. Jetzt ist
er Chef im «Mandarin Oriental»,
Geneva: Lars Wagner ist ein
Luxus-Hotel-Profi mit internationaler Erfahrung. Wie schätzt er die
Lage der Genfer Hotellerie ein?
L
ars Wagner, warum sollte ein Gast in
Genf ausgerechnet im «Mandarin Oriental»
absteigen? Er hat ja nicht weniger
als zwölf Luxus-Hotels zur Auswahl.
Unser asiatisch geprägter Service ist top, die Lage
am Fluss einzigartig und die Gastronomie unvergleichlich. Immerhin betreiben wir hier das beste
indische Restaurant in der Schweiz.
Top-Service bieten andere Fünfsterne-Häuser wie
das «Four Seasons des Bergues» auch.
Das Wort Service ist etwas abgenutzt. Ich spreche
von Service, der aus dem Herzen kommt! Man
muss mit viel Empathie und Herzlichkeit arbeiten. Liebe, Wertschätzung, Respekt, Würde sind
Stichworte, die in der Branche zum Erfolg führen.
Worin liegt der grosse Unterschied zwischen
dem «Mandarin Oriental» und all den andern
Luxushäusern in Genf?
Es ist vor allem die Gastronomie – nebst dem
erwähnten Top-Service. Damit ziehen wir viele
Gäste an. Wissen Sie, Genf ist eine besondere
Stadt, denn wir haben hier zwölf FünfsterneHäuser. Zum Vergleich: In München, das rund
zwei Millionen Einwohner hat und damit neun
Mal grösser ist als Genf, gibt es gerade mal fünf
Luxus-Hotels.
Und wie geht es den zwölf Luxushäusern in Genf?
Wollen Sie eine ehrliche Antwort?
Mandarin-Oriental-Chef
Lars Wagner: «Genf ist alles andere
als eine Wochenend-Destination.»
52
Bitte!
Seit dem 15. Januar, als der Franken-Mindestkurs von der Nationalbank kurzfristig abgeschafft wurde, leiden auch die Genfer LuxusHoteliers unter rückläufigen Logiernächte-Zah11 I2015
Kurz und gut: Die Raten in Genf sind, wie Sie
sagen, unter Druck. Was heisst das konkret
im «Mandarin Oriental»?
Es wird vermehrt über die Preise verhandelt.
Corporate-Kunden versuchen, die bestmögliche
Rate herauszuholen. Es passiert auch in Genf,
dass Kunden wegen einer Differenz von vielleicht
10 Euro ein anderes Hotel buchen.
« AUCH IN DER GENFER
LUXUS-HOTELLERIE HERRSCHT
DERZEIT EIN STARKER
DRUCK AUF DIE RATEN. »
LARS WAGNER
len. Wir sind massiv teurer geworden! Die Nachfrage in der Destination Schweiz und damit
auch in Genf ist seit Monaten leicht rückläufig.
Und die Buchungsaussichten für die nächsten
Monate stimmen uns auch nicht gerade euphorisch. Fazit: Auch in der Genfer Luxus-Hotellerie
herrscht derzeit ein starker Druck auf die Raten.
Trotzdem ist Genf laut den aktuellsten Ratings
die teuerste Hotel-Stadt der Welt mit den
höchsten Zimmerpreisen. Sie jammern auf sehr
hohem Niveau.
Ja, klar! Wir jammern in Genf auf höchstem
Niveau. Trotzdem tut es weh, wenn ich 10 oder
20 Euro pro Zimmer verliere – bei 25 000 Übernachtungen im Jahr. Da fehlt am Ende Geld in
der Kasse.
Wo liegt denn aktuell die Durchschnittsrate
im «Mandarin Oriental, Geneva»?
Wir publizieren keine Zahlen. In Genf liegt diese
Rate im Fünfsterne-Segment zwischen 500 und
600 Franken.
Und wo liegt die Zimmerbelegung in Genf?
Die liegt stets so bei 60 Prozent.
Warum nur 60 Prozent? In Zürich liegt man bei
70 bis 80 Prozent.
Das Genfer Problem sind die Wochenenden. Da
sinkt die Auslastung in den Hotels auf 40 bis 50
Prozent. Genf ist alles andere als eine Wochenend-Destination.
Genf ist primär eine Business-Stadt.
Ja, das kann man sagen. Firmen, Banken und
internationale Organisationen prägen in Genf
das Hotel-Geschäft. Hinzu kommen Kongresse
und Messen wie der Autosalon oder die Uhrenund Schmuckmesse.
Und woher kommen die Business-Gäste? Was sind
die wichtigsten Märkte?
Mittlerer Osten, Frankreich, England und die
übrige Welt.
Und die Russen, die Genf ja besonders mögen?
Russland ist rückläufig. Die Währung (sprich der
Rubel) und die politische Situation (sprich Krise
in der Ukraine) haben zu einem Einbruch im russischen Markt geführt.
Und der Schweizer Markt?
Der Anteil Schweizer Gäste liegt im «Mandarin
Oriental» bei knapp 15 Prozent.
Worin besteht die grosse Herausforderung
für Lars Wagner, ein Luxushaus in Genf zu führen?
Wie gewinne ich weitere Marktanteile? Wie
schaffe ich es, mehr Übernachtungen zu generieren? Wie kann ich profitabel sein, wenn die
Personalkosten bei 50 Prozent liegen?
Und wie schaffen Sie das?
Es geht darum, die Organisation und die
Betriebsabläufe des Hauses laufend zu optimieren, die Arbeitsprozesse noch effizienter zu
gestalten, um eine möglichst hohe Produktivität
zu erreichen. Wichtig: Service und Qualität dürfen aber nie darunter leiden. Es wird im «Mandarin Oriental» deshalb nie künstliche Blumen
geben!
Ein Blick in die Zukunft?
Ich hoffe, dass sich der Markt wieder reguliert.
Wie sagen die Schweizer doch so schön: Es wird
schon werden.
H
studie 1
GENF – ERFOLGREICHSTE
STÄDTE-DESTINATION
Gemäss «BAK Top-Index» war Genf im
Jahr 2014 die erfolgreichste Schweizer Städte-Destination. Genf findet
sich auf Rang 5 der hier betrachteten Städte, was auf die ausgezeichnete
Ertragskraft und die überdurchschnittliche Auslastung der Hotels zurückzuführen ist. Zürich belegt im Ranking
dank einer sehr guten Auslastung den
10. Rang.
Die Untersuchung der Saisonalität hat
gezeigt, dass die Hotel-Übernachtungen in Basel und Genf im Jahr 2014 die
geringsten saisonalen Ausprägungen
aufweisen. Und dies, obwohl die
Saisonalität durch die Variation der
Aufenthaltsdauer der Gäste in Basel
und Genf am deutlichsten verstärkt
wird.
Basel profitiert von der Vielzahl an
Messen und Kongressen, die über das
ganze Jahr verteilt stattfinden. In Genf
sorgen die internationalen Organisa­
tionen für eine ausge­glichene Nachfrage. Zudem hat sich die saisonale
Ausprägung in Basel und in Genf seit
2005 deutlich verringert.
Im Rahmen des «Internationalen
Bench­marking-Programms für den
Schweizer Tourismus» untersucht BAK
BASEL jährlich die Performance und
Wettbewerbsfähigkeit von Schweizer
Städte-Destinationen.
Warum ist das so?
Zürich hat zum Beispiel ein viel grösseres Kulturangebot. Da gibt es Theater, Oper, Galerien, Schauspielhaus, Kleinkunst, Musik-Events.
Davon sind wir in Genf weit entfernt. Schauen
Sie nach München. Da hatten wir am Wochenende eine Auslastung von über 70 Prozent.
Und wenn Sie am Wochenende die Preise senken?
Keine Chance. Wir können machen, was wir wollen, auch mit Preissenkungen holen wir keine
neuen Leisure-Gäste nach Genf.
11 I2015
Lobby im Hotel Oriental Mandarin, Geneva.
53
REPORT HOTEL-STADT GENF
J
-INTERVIEW
MIT GENF-INSIDER
UND HOTELIER
JEAN-JACQUES GAUER
Hotelier und Genf-Insider
Jean-Jacques Gauer:
«Wir in Lausanne sind
Provinz, Genf ist die
Hauptstadt.»
ean-Jacques Gauer, Genf gilt seit Jahren
als eine der teuersten, wenn nicht überhaupt
die teuerste Hotel-Stadt der Welt.
Warum ist das so?
Genf ist die internationale Stadt der Schweiz
schlechthin, bekannt wegen internationaler
Organisationen wie UNO, CERN, IKRK, WHO
und unzähligen anderen weltweit agierenden
Organisationen. Der weltweite Erdölhandel wird
von Genf aus gesteuert, zudem ist Genf eine
internationale Finanz- und Bankenstadt. Allerdings: Wien hat als internationale Stadt aufgeholt! So wie auch Zürich aufgeholt hat, vor allem
natürlich im Bezug auf Shopping und Kultur: Die
Zürcher Bahnhofstrasse ist für Menschen, vor
allem aus den Golfstaaten, heute attraktiver als
die Rue de Rhone in Genf. Zürich bietet zudem
mehr Sicherheit und Sauberkeit. Trotzdem verfügt Genf über eine Dichte an Luxus-Hotels, die
es in keiner anderen Schweizer Stadt gibt, alle
verteilt auf einer Fläche von knapp zwei Kilometern rund ums Seebecken.
Welche Rolle spielt der Genfer Flughafen
für die Hotellerie in der Rhonestadt?
Auch hier gräbt Zürich den Genfern langsam,
aber sicher das Feld ab. Am Zürcher Flughafen
wird nie gestreikt. In Genf ist das anders.
Genf ist ein
Sonderfall
Er führt zwar in der Rhonestadt
kein eigenes Hotel, aber er kennt als
Insider die Hotel-Szene Genf seit
Jahrzehnten. Jean-Jacques Gauer,
General Manager im «Lausanne
Palace», über den «Sonderfall Genf».
Trotzdem: Die Genfer Hotels haben Zimmerraten,
von denen vergleichbare Betriebe in anderen
Städten nur träumen können.
Das ist so. Schauen Sie sich das «Four Seasons
des Bergues» an, ein Top-Luxus-Hotel, das in
der Genfer Luxus-Hotellerie ganz klar den Ton
angibt, wenn es um Service und Preise geht. Die
verlangen dort durchschnittliche Raten von über
1000 Franken pro Nacht. Damit treiben sie die
Preise in der Stadt generell in die Höhe.
Auch an den ruhigen Wochenenden?
Genf ist keine Wochenend-Destination. Egal,
was das Bundesamt für Statistik sagt: Ich glaube
nicht, dass Genf laut der jüngsten Studie zu den
attraktivsten europäischen Wochenend-Städtedestinationen gehört.
Wie sieht es während der Woche in Genf aus?
Gibt es da aktuell Rückgänge zu verzeichnen?
Welcher Hotelier hat in der Schweiz keine Rückgänge bei den Logiernächten zu verzeichnen?
Zürich ist wohl die einzige Stadt, die derzeit nicht
leidet. Trotzdem: In Genf wird immer noch gutes
Geld verdient, vor allem im Fünfsterne-Bereich.
Kann man sagen: Genf ist nicht die Schweiz,
sondern ein echter «Sonderfall»?
Richtig! Genf ist weit entfernt von der normalen Schweiz, vom Appenzell und von Toni Brunner mit seiner SVP. Gehen Sie mal nach Mitternacht in die Bar des Grand Hotel Kempinski in
Genf. Das ist eine völlig andere Welt! Da fliesst
der Champagner aus Imperial-Flaschen, es wird
Russisch und Arabisch gesprochen. Davon lebt
diese Stadt!
Ist die französische Grenzregion denn keine
Konkurrenz für den Genfer Hotel-Markt?
Nein. Zwar ist Genf nicht so schick und elegant
wie Zürich, aber die Stadt hat etwas sehr Sympathisches. Denken Sie zum Beispiel an die Gastronomie. Die hohen Preise spielen für die interna­
tionale Kundschaft eine zweitrangige Rolle.
« DIE HOHEN PREISE SPIE-
LEN FÜR DIE INTERNATIONALE
KUNDSCHAFT IN GENF EINE
ZWEITRANGIGE ROLLE. »
JEAN-JACQUES GAUER
Existiert eigentlich eine gute MittelklasseHotellerie in Genf?
In diesem Bereich hat sich in Genf einiges getan.
Ich persönlich mag das Warwick-Hotel beim
Bahnhof oder das Hotel Ambassador. Ein Schulfreund betreibt die «Auberge d'Hermance»
ausserhalb von Genf. Nur ein paar Zimmer und
ein schmuckes Restaurant. Im Sommer holt er
seine Gäste aus den Genfer Luxus-Hotels mit
dem Boot zum Essen ab – und ist immer ausgebucht! Das sind die speziellen und schönen Seiten von Genf, etwas am Rande gelegen.
Was unterscheidet Lausanne von Genf?
Wir in Lausanne sind Provinz, Genf ist die
Haupt­­stadt.
Profitiert Lausanne von Genf?
Ja, weil wir am gleichen Seeufer liegen. So wie
Montreux und Evian auch.
Und die Zimmerraten in Lausanne?
In Lausanne sind die Zimmerraten rund 50 Prozent tiefer.
In Genf sind Luxus-Hotel-Ketten präsent, die es
sonst in der Schweiz nicht gibt: «Four Seasons» oder
«Mandarin Oriental» zum Beispiel. «Ritz-Carlton»
übernimmt jetzt im Dezember ein Haus in Genf. Hat
die Stadt für solche Häuser noch Potenzial?
Ich setze ein Fragezeichen – und zwar für die
ganze Schweiz, nicht nur für Genf. Schauen Sie,
der Markt ist zu wenig dynamisch. Wir haben
schwierige Gesamtarbeitsverträge, viel schwieriger als in Frankreich. Doch die Zimmerpreise in
Frankreich sind dieselben …
studie 2
GENF AN DER SPITZE
DER REVPAR-ZAHLEN
Im Jahr 2014 war Dublin die Stadt
mit dem stärksten prognostizierten
Wachstum der Einnahmen pro HotelZimmer (RevPAR), gefolgt von
London und Paris sowie Edinburgh,
Berlin, Frankfurt, Wien und Moskau.
2015 dürfte London das stärkste
Wachstum der Einnahmen pro HotelZimmer verzeichnen, gefolgt von
Dublin, Lissabon, Prag, Moskau,
Edinburgh, Zürich und Frankfurt. In
absoluten RevPAR-Zahlen liegt
aber Genf an der Spitze – dank hoher
und konstanter durchschnittlicher
Zimmerraten (ADR).
Nicolas Mayer, Leiter Tourismus & Hotellerie von PWC Schweiz,
meint dazu: «Die Leistung der Genfer Hotels ist im Vergleich zum europäischen Markt weiterhin stark. Der
Spitzenplatz von Genf bei den Einnahmen pro Hotel-Zimmer zeigt die Widerstandskraft der Schweizer Wirtschaft
gegenüber dem jüngsten europaweiten Abschwung.» Die Belegungsraten
der Genfer Hotels blieben in den letzten Jahren stabil um 65 Prozent, während die durchschnittlichen Zimmerraten kontinuierlich zurückgingen.
Dieser Trend setzte sich 2014 fort: Die
jährliche Belegungsrate betrug 65,2
Prozent, während die Zimmerrate von
CHF 296.20 auf CHF 287.70 fiel. Die
Einnahmen pro Hotel-Zimmer in Genf
dürften infolge besserer Belegungsraten, aufgrund weiterer Zuflüsse aus
dem Auslands­geschäft und der anhaltenden Konjunkturerholung weiter
ansteigen.
Die Studie zum Download:
www.pwc.ch (Publikationen)
Wie sehen Sie die Zukunft des Tourismus-Landes
Schweiz?
Ich denke, dass es in der Schweiz nur gewisse
Destinationen langfristig schaffen werden. Orte
wie Gstaad, Zürich, St. Moritz, Zermatt, Basel,
Genf. Der Rest hat ein Kostenproblem.
H
54
11 I2015
11 I2015
55
REPORT HOTEL-STADT GENF
-INTERVIEW MIT STEFAN
WINISTOERFER, GENERAL MANAGER
IM SWISSÔTEL METROPOLE
S
tefan Winistoerfer, warum sollte ich in Genf in Ihrem
Ketten-Hotel absteigen?
Die Lage des Hotels direkt an der berühmten Einkaufsmeile «Rue du Rhône», nahe am englischen Garten und am See, die Tradition und Geschichte des Hauses,
das 1854 erbaut wurde, die Nähe der Altstadt, die Shops und
Banken gleich um die Ecke – was wollen Sie mehr!
Es ist eines der ältesten Luxus-Hotels
von Genf – das Swissôtel Metropole
beim englischen Garten, mitten
in der City der Rhonestadt gelegen.
Regie führt hier der Schweizer
Hotel-Manager Stefan Winistoerfer.
Wie schätzt er die aktuelle Lage
der Genfer Hotellerie ein?
mehr. Man müsste die Shops am Sonntag öffnen, zudem brauchen wir Events mit internationaler Ausstrahlung. Moderne Städtetouristen
wollen Gesamtangebote: Kultur, Natur, Shopping, Museen, Sport, Erholung, gute Gastronomie. Man will auf nichts verzichten. Wie gesagt,
Genf steht im harten Wettbewerb mit Metropolen wie Paris, Berlin, Wien oder Barcelona.
Beste Lage, sagen Sie. Das behaupten die Luxushäuser am andern
Seeufer auch. Wenn Sie im «Kempinski» absteigen, haben Sie den
Springbrunnen direkt vor Ihrer Nase, das «Beau Rivage» setzt ebenfalls auf Tradition und Geschichte. Die Kaiserin von Österreich («Sissi»)
wurde 1898 direkt vor dem «Beau Rivage» ermordet, 1987 sorgte
das Haus durch den Tod eines prominenten deutschen Politikers für
Schlagzeilen …
… Dafür haben wir direkt vor dem Hotel wunderschöne Bäume im
englischen Park. Unsere Lage ist unbestritten die Beste in Genf. Da
können meine Kollegen sagen, was sie wollen.
Nochmals zum Preisdruck in der FünfsterneHotellerie. Was ist der Hauptgrund?
Kurz gesagt: Es fehlen uns grosse Kongresse.
Zudem werden Firmen- oder Corporate-Kunden
immer preissensibler. Seit der Finanzkrise 2008
hat sich das Reiseverhalten der Business-Gäste
verändert. Man reist weniger und günstiger und
steigt vielleicht auch mal in Drei- oder Vier­ ❯
Wie lautet Ihre Preispolitik im «Swissôtel Metropole»?
Im Vergleich zu unseren Mitbewerbern im Fünfsterne-SuperiorBereich liegen wir preislich in der unteren Mitte.
« UNSERE LAGE IST UNBE-
Wo liegt der durchschnittliche Zimmerpreis?
Je nach Zimmertyp und Zeitraum zwischen 360 und 520 Franken.
Wir erreichen mit unserem Produkt auch Kunden, die sonst eher
in Viersterne-Hotels absteigen.
Genf hat zwar die höchsten Zimmerpreise weltweit, glaubt man
den aktuellen Ratings. Trotzdem sei der Genfer Hotel-Markt
stark unter Druck, sagen Ihre Mitbewerber. Verdienen Sie noch
gutes Geld mit Ihrem Haus?
Ja. Aber ich stimme meinen Kollegen zu: Der Genfer Luxusmarkt ist in der Tat unter Druck. Der gesamte Hotel-Markt
von Genf verzeichnet allerdings ein leichtes Plus.
STRITTEN DIE BESTE IN GENF.
DA KÖNNEN MEINE KOLLEGEN
SAGEN, WAS SIE WOLLEN. »
STEFAN WINISTOERFER
Was fehlt der Hotellerie von Genf?
Neue und grosse Kongresse, wie wir sie früher hatten.
Heute haben wir hier noch drei grosse Events: Autosalon,
Uhrenmesse und Business Aviation Salon.
Genf ist nicht
Paris oder London
56
11 I2015
Genf sei alles andere als eine attraktive WochenendDestination, sagen Ihre Kollegen. Am Wochenende sinkt
die Auslastung in den Genfer Hotels tatsächlich auf
40 Prozent. Was ist zu tun?
Genf Tourismus schläft nicht und tut bereits eine
Menge in diese Richtung. Und trotzdem sollten wir
unsere Destination stets hinterfragen. Ja, wir haben
den See, ein paar Museen, schöne Shops und ein paar
Sportanlässe. Ich sage: Wir brauchen mehr davon!
Genf ist eben nicht Paris, London oder Wien …
… und trotz allem gelten wir als attraktive StädteDestination. Siehe das jüngste Ranking von BAK
Basel.
Stefan Winistoerfer: «Wir
erreichen mit unserem Produkt
auch Kunden, die sonst eher in
Viersterne-Hotels absteigen.»
11 I2015
Zürich gilt heute europaweit als attraktive
Shopping-Destination. Und Genf?
Unser Shopping-Angebot ist in der Tat limitiert. Da
bieten Städte wie Zürich, London oder Paris viel
Bar im «Swissotel Metropole Geneva».
57
REPORT HOTEL-STADT GENF
statistik
• In Genf befinden sich 2,6% aller Hotels und Kurbetriebe
(2014) der Schweiz. Das sind 120 Hotel­-Betriebe
mit 9188 verfügbaren Zimmern und 15 186 verfügbaren
Betten.
• Genf hat 12 Fünfsterne-Hotels, 8 Viersterne-SuperiorHotels, 18 Viersterne-Hotels, 32 Dreisterne-Hotels,
2 Zweisterne-Hotels und 3 Einstern-Hotels.
LOGIERNÄCHTE IN GENF 2014:
Von Inländern: 582 727
Von Ausländern: 2 536 441
Terrasse und Junior-Suite
im «Swissôtel Metropole».
DURCHSCHNITTLICHE AUFENTHALTSDAUER
IN GENF 2014:
Von Inländern: 1,84 Nächte
Von Ausländern: 2,11 Nächte
• Im Jahr 2014 betrug die Nettozimmerauslastung in
den Hotels und Kurbetrieben schweizweit 52 Prozent.
Den höchsten Wert registrierte Genf mit 65,1 Prozent.
• Von 1934 bis 2014 stieg die Logiernächtezahl in allen
Kantonen signifikant an. Der Kanton Zürich verbuchte mit
einem Plus von 3,8 Millionen Logiernächten das beste
Ergebnis. Auch der Kanton Genf legte stark zu (plus
2,2 Millionen Logiernächte = 310,5 Prozent).
• Die wichtigsten Märkte für die Genfer Hotels sind:
Mittlerer Osten, Frankreich, England und die USA.
sterne-Häusern ab. Und wer leidet darunter? Vor allem die LuxusHotellerie. Und denken Sie daran: Genf hat nicht weniger als zwölf
Fünf­sterne-Häuser. Kein Wunder, geraten die Preise unter Druck.
Wir sind ja nicht Paris, London oder New York!
Aber Genf hat die «Vereinten Nationen» (UNO),
das europäische Kernforschungszentrum (CERN),
das internationale «Rote Kreuz» und viele
andere Weltorganisationen …
… das sind alles wichtige Kunden für die Hotellerie, keine Frage.
Aber auch die Kunden von der UNO sind preissensibler geworden.
Man achtet, mehr als früher, auf den Preis. Und manch ein UNODelegierter übernachtet jetzt im neuen «Ibis» bei der UNO.
Kann es sein, dass in der Genfer Hotellerie
schon bald «Berliner Verhältnisse» herrschen –
sprich Überkapazitäten und Preis-Dumping?
In Berlin wird fast jede Woche ein neues Hotel eröffnet, was
irgendwann zu Überkapazitäten führt. In Genf ist das anders.
Neue Hotel-Projekte gibt es derzeit fast keine – nicht so wie in
Zürich, wo laufend neue Hotels entstehen. Wichtig scheint mir
eine gewisse Flexibilität bei der Preisgestaltung. Deshalb ist unser
Revenue Management so wichtig.
background
FAKTEN ZU GENF
• Genf ist «Europe’s Leading City Break Destination 2014»,
verliehen vom WTA (World Travel Award).
• Genf ist laut internationalen Ratings eine der bekanntesten Städte Europas.
• Genf ist der Geburtsort der Luxusuhren-Herstellung.
• Mehr als 570 Züge fahren täglich durch Genf.
• In Genf wurde das «Internationale Rote Kreuz» gegründet.
• Genf hat einen Ausländeranteil von über 40 Prozent.
• Genf ist Heimatstadt von über 200 internationalen Organisationen, darunter das CERN (Europäische Organisation
für Kernforschung) und die UNO (Vereinte Nationen).
• Genf hat mehr als 40 Museen und 15 Musik-Festivals.
• Genf ist eine Gourmet-Stadt mit 55 Gault & Millauund Michelin-Restaurants.
• Genf hat 40 internationale Privat-Schulen und 10 PrivatKliniken.
Mal ganz ehrlich: Ist Preis-Dumping im
«Swissôtel Metropole» in Genf ein Thema?
Ich würde nicht von Dumping sprechen. Sagen wir es so: Wir passen die Raten der jeweiligen Nachfrage an. Doch unter 50 Prozent
der Rack-Rate gehen wir nicht.
H
58
11 I2015