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Dezember 2014 | Nr. 2 | www.peak45.ch
Geschichte
1500 Jahre
Abtei St-Maurice
Kultur
Star-Spektakel
Im Fokus
Der Innovation
verpflichtet
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Individuelle Betreuung bei der
der
Gründung und Ansiedlung von
Unternehmen
PEAK45 LIMITED EDITION 1815 – 2015
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Im Jahr 2015 feiert der Kanton Wallis das 200-Jahr-Jubiläum seines Beitrittes zur Schweizerischen
Eidgenossenschaft. Aus diesem Grund entwickelt und vertreibt der Verein Peak45 zusammen mit der RTC Ski AG
die spezielle, auf maximal 200 Exemplare limitierte Ski-Edition «Peak45 Limited Edition 1815 – 2015».
FOLGENDE ZWEI MODELLE WERDEN ANGEBOTEN:
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Preis: CHF 1‘790.–
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Jeder der 200 Paar Ski wird mit der von Ihnen gewählten
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Bei Fragen wenden Sie sich bitte an die RTC Ski AG ([email protected]; 027 924 58 58) oder an Philipp Schmid ([email protected]; 079 221 17 05)
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EDITorIaL
tourismus- oder
Industriekanton?
liebe leserinnen und leser
Seit knapp einem Jahr existiert im Wallis die branchenübergreifende Organisation
Valais/Wallis Promotion mit der Aufgabe, die Marke Wallis zu stärken und Tourismus,
Wirtschaft, Landwirtschaft sowie Bildung und Kultur in ihren gemeinsamen Zielsetzungen nachhaltig zu unterstützen. Als die kantonale Vermarktungsorganisation
setzt sich Valais/Wallis Promotion für zukunftsweisende Entwicklungen im Kanton ein
und muss dabei den sicher nicht einfachen Spagat zwischen dem Wallis als Tourismusund/oder Industriekanton schaffen.
PHILIPP SCHMID
Auch das «Peak45 – Magazin für Walliser Lebensart» stellt sich diesem Thema und
beschäftigt sich in seiner zweiten Ausgabe unter dem Titel «Industrieland Wallis» mit
der Industrie als zentralem und mit Abstand wichtigsten Wirtschaftspfeiler des
Gebirgskantons. Oder wussten Sie, dass das Wallis nach Basel der wichtigste Pharmastandort der Schweiz ist?
Wie in der ersten Ausgabe mit «Assemblage auf Papier» angekündigt, haben wir auch
in diesem Magazin eine äusserst abwechslungsreiche Themenvielfalt für Sie bereit:
Erfahren Sie, warum der Jumbo und die DC10 für Myriam Meyer Teenager-Idole waren
und was Nikë Iseni am Wallis so sehr mag. Warum wollte Dieter Meier, Mitbegründer
der Kultband Yello, die Artistika nach Zürich holen? In der Gastkolumne erklärt uns
die Dramatikerin und Autorin Sibylle Berg die Walliser Kuhkämpfe und Sie sind sicher
neugierig darauf, was sich hinter dem Titel «Schoch Schoch… und sie spinnt doch…»
von Luciana Brusa verbirgt?
HUGO TReYeR
Im Jahr 2015 stehen im Wallis verschiedene Festivitäten an, wie etwa die 200-jährige
Zugehörigkeit des Kantons zur Eidgenossenschaft. Die Abtei St-Maurice wird 1500 Jahre
alt und Zermatt feiert 150 Jahre Erstbesteigung des Matterhorn. Natürlich haben wir
uns auch diesen Themen für Sie angenommen.
Wir wünschen Ihnen eine spannende, abwechslungsreiche Lektüre und würden uns
freuen, Sie als LeserIn, AbonnentIn oder InserentIn in Zukunft an unserer Seite zu wissen.
die Initianten
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Philipp schmid
GFW development aG
Hugo treyer
Valmedia aG
Peak45 12/2014 ..... 3
Inhalt Dezember 2014
6
Im Fokus
Industrieland
Wallis
6
Der Innovation verpflichtet
von Luzius Theler
16
Porträt
Dr. Myriam Meyer
«Die Unbeirrbare»
von Susanne Perren
20
Wie du und ich
Einer, der nie still steht
von Elena Enja Lynch
22
Geschichte
Fünfzehn Jahrhunderte
Geschichte, Andacht
und Kultur
16
22
von François Dayer
24
Rendez-vous
1815 – 1915 – 2015
von Gabriel Bender
26
Sport
Handgemachte Walliser Skis
von Beat Moser
28
Kultur
Star-Spektakel –
Da staunen sogar
die Zürcher
von Cornelia Heynen
4
28
20
32
Gastkolumne
Die Welt roch mir nach
nassem Stroh und Liebe
von Sibylle Berg
34
Kraftort
Gornergrat
von Peter Salzmann
36
Schpiis & Trank
Die vergessene Frucht:
«Chittini» – die Quitte
32
34
von Michel Villa
38
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Gschpässig
Schoch Schoch …
und sie spinnt doch …
von Luciana Brusa
40
Global Forum Wallis
Pack dini Chance
von Philipp Schmid
42
Literatur
Der lange Weg
auf den Gipfel
von Kurt Schnidrig
44
36
44
38
Wallis Tipps
5 Gründe, das Wallis diesen
Winter zu besuchen
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der Innovation verpflichtet
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Im fokus
Industrieland Wallis
Text: Luzius Theler (1948) arbeitet nach Jahrzehnten als Redaktor und stellvertretender Chefredaktor des «Walliser Boten» heute als freier Journalist und Publizist. Er ist seit 13 Jahren Walliser Korrespondent der «Neuen Zürcher Zeitung».
Die Industrie ist ein zentraler
Wirtschaftspfeiler des Kantons
Wallis – sie steuert ein Drittel des
Brutto-Inlandproduktes bei.
Das Brutto-Inlandprodukt (BIP) des Kantons Wallis
liegt bei rund 17 Milliarden Franken. Rund ein Drittel der
Güter und der Dienstleistungen, die diese wichtige Kenngrösse ausmachen, stammt von der Industrie. Weiterer
bedeutender Indikator: Ein industrieller Arbeitsplatz
weist eine Wertschöpfung von gegen 250 000 Franken
auf und liegt haushoch über den meisten anderen Branchen. Selbst der IT-Sektor kommt nur gerade auf die
Hälfte der Bestmarke der Industrie. Dies erklärt auch,
warum die Walliser Industrie bei einem 30-Prozentanteil
am BIP «nur» einen Anteil von 20 Prozent bei den Arbeits­
kräften hält. Was immer wieder mit Erstaunen zur
Kenntnis genommen wird: Das Wallis ist nach Basel der
wichtigste Pharmastandort der Schweiz. Das Wallis
wird oft noch als Agrarkanton wahrgenommen, obwohl
ihr Anteil am BIP inzwischen auf 0,9 Prozent abgesackt
ist. Die Industrie stellt also mit einigem Abstand den
wichtigsten Wirtschaftspfeiler des Gebirgskantons dar.
Darum hat sich das 4. Global Forum Wallis im Schloss
Leuk vertieft mit dem Thema «Industrieland Wallis» befasst. Im Mittelpunkt der Referate und einer Podiumsdiskussion stand die Frage, wie wichtig Innovation im
industriellen Sektor ist und welche Faktoren sie möglich
machen oder begünstigen.
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Im fokus
Neugierde schlägt
Genialität
«In China werden jeden Tag mehr Patente angemeldet
als in der Schweiz in einem ganzen Jahr; laut verschiedenen Studien kommen die leistungsfähigsten Schüler aus
dem asiatischen Raum. Auf der anderen Seite weist die
Schweiz das höchste Pro-Kopf-Einkommen auf und
kennt die komfortabelsten Sozialstandards». Mit diesen
nüchternen Fakten hat der Visper Standortleiter von
Lonza, Raoul Bayard, sein Referat anlässlich der Tagung
zum Thema «Industrieland Wallis» des Global Forum
Wallis in Leuk Anfang November 2014 eingeleitet. Und
er warf gleichzeitig die Frage auf, ob die westlichen
Industrieländer träge geworden sind und daher in einer
Art von Wohlstandsfalle gefangen sind, die bald zuschnappen könnte. Die Schweiz und mit ihr die meisten
europäischen Länder gehen auf dünnem Eis: Ihre Konkurrenzfähigkeit in einer globalisierten Wirtschaft steht
auf dem Spiel. Freilich ist die Schweiz gemessen an der
Innovationskraft immer noch die weltweite Nummer 1.
Aber die anderen Länder vor allem im asiatischen Raum
wie zum Beispiel Singapur holen sehr schnell auf und
sind den führenden Industrienationen dicht auf den Fersen.
«Es liegt nicht allein an der Erddrehung, dass Europa
schläft, wenn Asien erwacht», merkte der IndustrieManager an. Viele und darunter erschreckende Beispiele
zeigen auf, wie rasch ein Unternehmen untergehen kann,
wenn es sich auf den über Nacht welkenden Lorbeeren
des Erfolges ausruht: Kodak, Grundig und die Computerfirma Commodore sind der jungen Generation kaum
mehr bekannt. Sie sind innert wenigen Jahren von blühenden, riesigen Industriekonzernen zu Mahnmalen für
verpasste Chancen und Innovation geworden und verschwanden von der industriellen Landkarte. «Der Erfolg
von heute ist der Feind des Erfolges von morgen», bilanzierte Bayard. Für das Zauberwort Innovation wartete
Raoul Bayard mit einer einfachen Definition auf: Es geht
darum, für den Kunden den Nutzen zu erhöhen – sei es
in Form von Produkten oder von Dienstleistungen oder
einen Kostenvorteil zu kreieren und so einen Wettbewerbsvorteil zu erringen. Dabei ist das Streben nach
Innovation keineswegs nur «Chefsache» und nicht allein
Aufgabe der Forschungs- und Entwicklungsabteilungen.
Denn Innovation ist nicht immer auf neue Technologien
8
oder ein neues Produkt zurückzuführen, sondern auf
eine Mischung von Beobachtungsgabe, Lernfähigkeit
und Kombinationsvermögen. Die erfolgreichsten Unternehmen der letzten 50 Jahre waren die, welche neugierig
und kombinationsfähig, nicht immer nur gerade aus
blickten, sondern immer nach allen Seiten Ausschau
hielten und so offen blieben für neue Geschäftsideen und
neue Geschäftsfelder. Doch nur 10% dieser Geschäftsmodellinnovationen waren wirklich neu und haben zu
neuen Geschäftsmodellmustern geführt. Die anderen
90% haben diese Muster lediglich angepasst, verfeinert
oder neu kombiniert. Nur dank ihrer Flexibilität und
ihrer Kombinationsfähigkeit, die übrigens auch von den
Mitarbeitenden aller Stufen kultiviert wird, hat Lonza
alle Krisen und Herausforderungen ihrer wechselhaften
Geschichte gemeistert. Fazit: Die Innovation beruht
nicht sosehr auf der genialen Invention, also der ein­
maligen Erfindung, sondern auf Information in Form
von wacher Neugierde, von Transpiration in Form von
verlässlicher und exakter Arbeit und einer gescheiten
Kombination von Kundeninteressen und eigenen Zielen.
Aus Nöten Tugenden
gemacht
Als die Industrie vor fast 120 Jahren das Wallis entdeckte, gab es praktisch nur einen einzigen Standort­
vorteil für das abgelegene Land zwischen den Berner
und den Walliser Alpen: den Strom aus Wasserkraft.
Denn billige Arbeitskraft und wohlfeile Grundstücke
waren auch andernorts fast beliebig verfügbar. Selbst
wenn in der Rückschau alle Geschichte und damit auch
die Industriegeschichte den meisten Menschen als eine
logische Abfolge von Ereignissen erscheint, die zwangsläufig zum heute offensichtlichen und gegebenen Erfolg
führte, nimmt sich die Vergangenheit der meisten Unternehmen in Tat und Wahrheit als eine Häufung von Wider­
wärtigkeiten und sogar existenzbedrohenden Brüchen
aus. So hatte Lonza in den Anfängen ganz auf die Herstellung von Karbid zu Beleuchtungszwecken gesetzt.
Doch nur ein paar Jahre später erfanden und kommerzialisierten kluge Köpfe die Glühbirne. Die Karbid­
beleuchtung war– bis auf mobile Verwendungen – schon
bald einmal als Hauptbeleuchtungsquelle weg vom Fenster
mit Zukunftsaussichten. Der Fortschritt hatte sich mit
einem Male gegen das Unternehmen gewandt. In der
Not erfand Lonza – das Düngergeschäft. Es ist dem
Standort Visp freilich in völlig anderer Form bis auf den
heutigen Tag erhalten geblieben. Doch auch die jüngere
Vergangenheit brachte viele und teils fundamentale Veränderungen: Nach den fetten Jahren im Zuge der Selbstversorgung fing die Chemie nach dem Ende des Zweiten
Weltkrieges eine riesige Delle ein – im ganzen Kanton
fuhr man die Produktion massiv herunter und grosse
Teile der Belegschaften wurden entlassen. Erst die Ausrichtung auf Basischemikalien brachte einen erneuten
Aufschwung. Schwierig, ja lebensbedrohlich gestaltete
sich der Umstieg von Lonza von der Kohle auf die Erdöloder Petrochemie Mitte der 1960er Jahre. Im Werk
wurde die kleinste Erdöl-Spaltanlage der Welt gebaut –
im Wesentlichen «en catastrophe» und von Lonza-Ingenieuren, weil die italienische Lieferfirma Montecatini
anfänglich den Cracker einfach nicht zum Laufen bringen
konnte. 1984 stieg Lonza mit Erfolg ins Kundengeschäft
ein – Custom-Manufacturing erwies sich als Königsweg
für den Standort Visp und für den ganzen Konzern. Im
Kundenauftrag werden Produkte genau nach exakten
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Vorgaben hergestellt. Die letzte Etappe der Veränderung
als Konstante im wichtigsten Industriebetrieb des Kantons bestand in der Ausrichtung auf Hightechpharma in
unseren Tagen. Es hatte sich bald schon gewiesen, dass
die «klassische» Chemie ebenso gut oder sogar besser in
Schwellenländern mit billigen Arbeitskräften, tiefen
Energiepreisen, niedrigeren Umweltstandards und Meerhafenanschluss gemacht werden kann. Schlussfolgerung
aus der wechselhaften Geschichte des mit grossem Abstand wichtigsten Industriebetrieb des Kantons: Innovation findet oft gerade dann statt, wenn aus der Not eine
Tugend gemacht werden muss …
Das «Diät-Auto»
als Glücksfall
Neben der Chemie- und Pharmabranche weist die Metall­
urgie einen wichtigen Stellenwert in der Walliser Industrie­
struktur auf. Während Jahrzehnten schwankten die Betriebe in Chippis und später auch in Steg im gleichen
Takt wie die extrem fluktuierenden Rohmetallnotierungen
zwischen Euphorie und Niedergeschlagenheit. Als die
Schmelzöfen ausgeschaltet worden waren, erschien das
manchen besorgten Beobachtern wie das Ende der Aluminiumindustrie im Wallis. Doch es war im Gegenteil
ein fulminanter Neubeginn: Bald schon entdeckte die
damalige Alusuisse, dass mit ausgekitzelten Aluminium-Anwendungen mehr Geld zu verdienen war, als mit
dem «Metallkochen». Als im Zuge der vielen Übernahmen
– in 15 Jahren hat die Walliser Alu-Industrie vier Mal
den Besitzer gewechselt – die Produktion in Siders aus
wettbewerbsrechtlichen Gründen in zwei unabhängige
Unternehmen (Novelis und Constellium) aufgespaltet
werden musste, erinnerte das an die Trennung von siamesischen Zwillingen, bei der eines der beiden Kinder
meist dem Tode geweiht ist. Doch erstaunlicherweise
überlebten beide Unternehmen: René Gentinetta, der
Werksleiter von Novelis in Siders hat vor den Gästen des
Global Forum Wallis den Weg seines Industriezweiges
nachgezeichnet: Der Standort weist markant steigende
Umsätze auf und beschäftigte zum Zeitpunkt der Aufspaltung 305 Mitarbeiter, jetzt sind es 500 Mitarbeitende. In den vergangenen zehn Jahren investierte Novelis in Siders 100 Mio. Franken. Der Erfolg beruht vorab
auf technologischen Durchbrüchen wie etwa jenem, der
ab den Jahren 2008/2009 die Fusions-Technologie möglich machte. Sie beruht auf der Verschmelzung von verschiedenen Aluminium-Legierungen und ermöglicht
neue Anwendungen. Heute sind wir fast überall im Alltag mit dem Leichtmetall mit dem matten Schimmer
konfrontiert und oft ist «Siders» drin: Alu-Getränkedosen, Spezialitäten und der Automobilbereich sind die
wichtigsten Aktivitäten von Novelis. Während der Sektor der Getränkedosen angesichts der Billig-Konkurrenz
für die Zukunft an Bedeutung verliert, sind Spezialanwendungen, wie zum Beispiel die «Rückwand» des I-Pads
oder des portablen Computers, und vor allem der Automobilsektor die Wachstums- und Umsatztreiber für die
kommenden Jahre. Denn das Auto wird auf «Diät» gesetzt, es muss «schlanker» werden, damit die neuen und
härteren CO²-Vorgaben über einen tieferen Treibstoffverbrauch erfüllt werden können.
Keine KarbonAlpträume
Der Einstieg in die Automobil-Industrie, damals Automotive genannt, erwies sich im Überlebenskampf der
Aluminium-Industrie in den 1980er Jahren als Rettungs­
anker und Zukunftsmotor. Zuerst wurden nur einfache
Bestandteile wie Motorhauben aus Aluminium hergestellt. Doch das Leichtmetall war erheblich teurer als der
im Automobilbau traditionell eingesetzte Stahl. Auch
heute noch ist Stahl drei Mal billiger als Aluminium.
Doch die strengeren Umweltbestimmungen zwangen zur
Gewichtsreduktion und so kam Aluminium immer besser
ins Geschäft. Bei Novelis macht der Anteil des Automobil­
sektors mittlerweile rund 20 Prozent aus; 60 Prozent
wird immer noch mit Alu-Dosen und Verpackungen erwirtschaftet, der Rest mit Spezialanwendungen. Der Anteil von Aluminium im gesamten Automobilbau macht
erst gegen 6 Prozent aus. Doch der Trend geht in Richtung
Voll-Aluminium Fahrzeuge. «Aluminium wird seinen
Anteil auf Kosten des Stahls markant steigern», sagt
René Gentinetta die Entwicklung für die kommenden
Jahre und Jahrzehnte voraus. Denn bereits in den Modellreihen, die sich jetzt in der Entwicklung befinden,
und die in fünf oder sechs Jahren auf den Markt kommen,
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Die Weltmarktführer
von St. Niklaus
spielt das Leichtmetall eine markant wichtigere Rolle.
«Aluminium hat über die nächsten Jahrzehnte ein grosses
Potenzial», folgert Gentinetta. Wacht er nicht gelegentlich mit Angstschweiss auf der Stirn auf, wenn er in der
Nacht von Karbon oder anderen Kunststoffen träumt?
Das macht ihm wenig Kopfzerbrechen. Freilich gebe es
einzelne Anwendungen mit Kohlefaserstoff. Aber dieses
Material hat wie andere Kunststoffe einen gewaltigen
Makel: Es ist keine Massenware. Die Herstellung ist
noch aufwändiger als bei Aluminium und vor allem ist
Karbon 30 bis 40 Mal teurer als Aluminium. Die Aluminium-Industrie und vor allem Novelis ist in der Lage,
immer kompliziertere Strukturen in Leichtmetall zu produzieren. Ausgeklügelte Legierungen eröffnen neue und
bisher verschlossene Anwendungsbereiche. Zusammen
mit den Ingenieuren der Automobilindustrie arbeiten die
Alu-Fachleute bereits jetzt an jenen Zukunftslösungen,
die weiteren und wichtigen Innovationen den Boden bereiten. Es geht um Innovation sozusagen nach Mass.
«Wir müssen unschlagbar sein bei den Zukunftslösungen
gerade für unsere Kunden im Automobilbau und daran
arbeiten wir hart», versichert der Mann, der wegen seiner
exzellenten Arbeit im Novelis-Werk von Siders eben erst
in den USA zum Werkleiter des Jahres des ganzen Konzerns gekürt worden ist.
12
Industriell gesehen gibt es im Wallis sozusagen am Ende
der Welt einen Weltmarktführer: Bosch in St. Niklaus im
Mattertal. Seit Jahrzehnten vermag die Fertigungsstätte
hinter den sieben Bergen allen Tücken und Gefahren des
Weltmarktes und in jüngerer Vergangenheit der Globalisierung ein Schnippchen zu schlagen. Geniale und vergleichsweise günstige Schneidewerkzeuge wie Stichsägen
bilden den Schwerpunkt der Produktion der früheren
Scintilla. Die hochspezialisierten Fertigungs- und Ver­
packungsstrassen werden teils in eigener Regie gefertigt
und optimiert, die Produkte immer raffinierteren Verwendungszecken und allen möglichen Materialien angepasst. Obwohl sich Bosch in der Schweiz nicht durch
Redseligkeit auszeichnet und Standortleiter Marzell
Chanton die Zurückhaltung in Person ist, gilt doch dies
als gesichert: Im Schneidwerkzeugmarkt ist das clevere
Bosch-Töchterchen in den Walliser Bergen gut für mehr
als 60 Prozent des Weltmarktes. Sogar einer der härtesten
Konkurrenten im Markt der Handwerker-Maschinen,
Black & Decker, deckt sich bei den Schneidewerkzeugen
mit «Zaniglaser»-Produkten ein. Bosch bietet in St. Niklaus
rund 500 Industrie-Arbeitsplätze – zu einem schönen
Teil für qualifizierte Handwerker, aber auch für Maschinenbauer und Ingenieure. Der starke Auftritt auf dem
Weltmarkt hat den Vorteil, dass Konjunktureinbrüche in
einzelnen Regionen der Welt in anderen ausgeglichen
oder zumindest abgefedert werden können. Wie Chanton
sagt, läuft es zurzeit ziemlich rund. Die Folgen des
butter­weichen Euro werden seit kurzem durch den stark
anziehenden Dollar wettgemacht. Der Dollarraum ist
für den Absatz der Bosch-Produkte mittlerweile wichtiger als der Euroraum. Hochgradiges Kostenbewusstsein
bei stetiger Innovation sind für diesen Betrieb die Voraussetzungen um in einem globalen Umfeld zu bestehen.
Dass dies immer wieder gelingt, grenzt an ein Wunder –
allerdings eines, das man leicht erklären kann: Innovation
auf allen Gebieten lautet die Begründung für das vermeintliche industrielle Paradox. Im Wallis ist man sich
der riesigen Dimensionen des Boschkonzerns kaum
bewusst. Bosch bedeutet 281 000 «Boschler» in 225 Werken in der ganzen Welt, Bosch bringt es auf 46 Milliarden
Umsatz im Jahr und Bosch steht für den grössten
Auto-Zulieferer weltweit. Daneben ist Bosch in der
Industrieausrüstung aktiv, nämlich bei Maschinen,
Hydraulik und Sensoren und mischt bei den Haushaltsgeräten und Handwerksmaschinen mit.
Die cleveren
KMU-Unternehmer
Paul-André Vogel, der Leiter der Stiftung «The Ark», die
sich die Innovation sozusagen auf die Fahne geschrieben
hat, verfügt über einen ausgezeichneten Überblick über
das wichtige industrielle Geflecht der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) im Wallis. Er bezeichnet diese
als Hort der Innovation. Ein eindrückliches Beispiel ist
die Lugaia AG in Raron. Sie gehört dem Maschineningenieur Viktor Schnyder. Er hat das Start-up-Unternehmen
ab 2006 Schritt um Schritt aufgebaut. Lugaia Containment Solutions beschäftigt in den neuen Pro­duktions­
räumlichkeiten in der Industrie- und Gewerbezone von
Raron 20 Mitarbeiter und setzt rund 4 Mio. Franken
um. Lugaia greift dort in pharmazeutisch-industriellen
Prozessen ein, wo heikle und hochwirksame Stoffe unter
absolut sterilen Bedingungen und in geschlossenen
Kreisläufen um- oder abgepackt werden. Tönt einfach,
ist aber ein erst nach langen Audits zertifizierter, ausgesprochen komplexer Vorgang. Die Produktion der Folien,
die der Abpackung und Umfüllung dienen, geschieht in
einem sogenannten «Rein-Raum», in dem Verhältnisse
herrschen wie in einem Operationssaal eines Spitals –
inklusive Ganzkörperbekleidung der Mitarbeitenden.
Viktor Schnyder ist voll des Lobes für die Wirtschaftsförderung des Kantons und die Rolle der Innovations-Stiftung The Ark, die ihn gecoacht hatte. «Die
standen und stehen voll hinter mir», betont der Unternehmer, der zuvor zehn Jahre lang für eine andere Firma
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Folien-Schweissgeräte verkauft hatte. Sein unternehmerisches Erfolgsrezept? Er schaute genau hin, wenn es um
neue Anwendungszwecke für derartige Folien ging und
setzte seine Geschäftsideen dann konsequent in die Tat um.
Jetzt liest sich das Kundenportfolio wie das Who-is-who
der europäischen Pharma-Industrie. Zurzeit entwickelt
Lugaia in enger Kooperation mit Roche Verpackungs­
lösungen für Substanzen im Nanogrammbereich. Er darf
das Ergebnis später auch anderen Kunden anbieten.
«Das ist doch eine traumhafte Situation», schwärmt der
Mann, der als Unternehmer seine Erfüllung gefunden
hat. Im Wallis finden sich noch weitere Beispiele eindrücklicher Innovationskraft: Da ist zum Beispiel die
Mimotec SA in Sitten. Sie ist von einem ETH-Doktoranden gegründet worden. Mimotec stellt hochpräzise, mikroskopisch kleine Teile für die Uhrenindustrie und die
Medizinaltechnik auf fotolithographischem Weg her. Es
sind Produkte, die mechanisch nicht mehr machbar wären.
Zusammen mit den inzwischen im Umfeld angesiedelten
14
Zulieferern sind in Sitten 100 Arbeitsplätze entstanden.
Oder dann die Stahlbau und Maschinen AG im Ackersand bei Visp. Sie ist im klassischen Metallbau tätig,
beliefert aber auch die halbe Welt mit Sicherheitsdrosselklappen und anderen automatischen, mechanischen Einrichtungen wie Entsandern; sie finden vorab im Wasser­
kraftwerkbereich Verwendung. Dann ist da als weiteres
Beispiel noch die Studer Innotec in Sitten. Sie produziert
im Jahr gegen 20 000 Wechselrichter und geht mit ihren
Produkten zu 98 Prozent in den Export. Auch viele Walliserinnen und Walliser haben – wohl ohne sich dessen
bewusst zu sein – mit einem der verschiedenen Studer
Innotec-Produkten zu tun: Die meisten Wechselrichter
unserer Solaranlagen kommen von Studer und geniessen
weltweit einen hervorragenden Ruf.
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«Die Unbeirrbare»
Text: Susanne Perren (1969), aufgewachsen in Brig, arbeitet als Autorin und Journalistin für verschiedene Medien und Verlage und betreut als PR-Fachfrau primär Projekte im
Kultur- und Konsumbereich sowie für den öffentlichen Verkehr. Von ihr sind im Limmat Verlag die beiden Bücher «Rosenkranz und Fasnachtstanz» sowie «Diese Walliser» erschienen. Sie lebt seit acht Jahren in Luzern.
So sehr die Fliegerei ihr den Kopf verdreht hat, so bedingungslos hat ihr Lebensweg
Dr. Myriam Meyer, 52, sie gelernt, die Bodenhaftung zu wahren. Die in Sitten aufgewachsene
Managerin hat schon mehrmals berufliche Extremsituationen erlebt, die andern höchstens
einmal im Leben zufallen. Es kommt daher nicht von ungefähr, dass sie sich ein wenig mehr
Offenheit von den Walliser Industriellen wünscht.
Myriam Meyer muss ihren Sittener Schulfreundinnen
eine eigentümliche Gesprächspartnerin gewesen sein.
Kein ABBA-Poster zuhause, kein Pferderoman oder Krimi
vor der Nase. Stattdessen zierte sie ihre Zimmerwände
mit Fotos von Flugzeugen und vertiefte sich liebend
gerne in ein Buch mit mathematischen Formeln, das sie
sich als Primarschülerin in der Bibliothek geholt hatte.
Bei aller geistigen Arithmetik: Die fordernde Frage im
Interview war für sie jene nach einer Marotte, nach einer
persönlichen Eigenart. Wir suchten etwas, das uns das
Gefühl gibt, sie sei auch eine von uns (in irgendeine Richtung ticken alle mal mehr oder weniger richtig).
Sie ist es. Ihre Leidenschaft gilt dem Wallis. Nicht, weil
sich diese Aussage in einem Walliser Magazin gut liest.
Selten hat ein Mensch ein derart offenes Herz für die
Natur, die Berge und eine aufrichtige Beziehung zur Heimat spüren lassen. Ihre Sehnsucht nach frischer Luft und
neuen Gipfeln in heimischen Gefilden stillt sie im Alltag
mit dem, was sie als leichte Lektüre bezeichnet, wo andere
einen Martin Suter verschlingen: Mit der «Biner-Bibel»,
Hermann Biners «Hochtouren im Wallis».
Man würde es diesen zugewandten, vifen Augen und
dem freundlichen Blick nie zuschreiben: Ihr Leben verlief nicht unisono bergwärts. Im Gegenteil. Das Schicksal hat ihre Lebenswünsche mehrere Male hartnäckig
ignoriert. Ihr Wunschberuf Pilotin blieb zu ihrer Zeit
ausschliesslich Männern vorbehalten. Später ging ihr
Traumunternehmen Swissair zu Boden, ausgerechnet, als
sie auf dessen Karriereleiter weit oben stand. Schweren
Herzens kündigte sie, um sich bei Roche ein zweites
Standbein aufzubauen. Als Mitglied der Geschäfts­
leitung Roche Consumer Health war sie alsbald für
3200 Angestellte in mehr als 50 Ländern verantwortlich
– bis die Geschäftseinheit verkauft wurde.
Von Ausnahmen
geprüft
Eine Karriere sei nicht planbar, wird sie später sagen.
Das ‹Once in a life› macht ihren Lebensweg zu einem
besonderen Etwas, das auch sie in gewisser Weise ist:
Myriam Meyer ist Maschineningenieurin und sie war
die erste Frau in der Schweiz, die in Mechanik doktorierte. Sie nahm die Rolle der Pionierin ebenso ein, als sie
im August 2005 als CEO der RUAG Aerospace anheuerte. Sie will bewegen und bewegt. Mitunter deswegen
wurde sie diesen Sommer in den Verwaltungsrat der
Schweizerischen Post berufen.
Ihre Liebe zum Wallis stillt die in der Region Zürich
wohnhafte bisweilen zusammen mit ihrem Mann in ihrer
Ferienwohnung in Leukerbad. Das hinderte einen engen
Freund vor ein paar Jahren nicht daran, ihr spasses­
halber – sie heilte just eine Lebensmittelvergiftung von
einer Himalaya-Tour aus – seine Ferienwohnung in
Arosa für die dringend empfohlene Erholung anzubieten. Natürlich sagte Myriam Meyer zu. Ihre Offenheit
hat schon viele überrascht.
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spor
port
glo
gast
Porträt
Myriam Meyer, manche Kinder wünschen sich einen
Krämerladen, andere eine Modelleisenbahn. Bei Ihnen
war’s wohl ein Flughafen?
Der Jumbo und die DC10, das waren meine Teenager-Idole. Meine Augen strahlten, als ich erstmals ein
Buch über Aerodynamik in der Bibliothek entdeckte.
Es war lauter Formeln, die ich nicht verstand, aber ich
spürte meine Affinität zu diesem Bereich. Schon damals
wusste ich, dass ich eines Tages für die Swissair arbeiten
wollte …
… was nicht auf Anhieb klappte.
Ich sprach mit 18 Jahren bei der Swissair vor, ich wolle
Pilotin werden. 1980 war das. Leider sah das Unternehmen damals diesen Beruf nicht für Frauen vor und
schickte mich an die ETH. 1987, ich war just an der
Doktorarbeit, fragte die Swissair erneut an, ob ich noch
immer Pilotin werden wollte. Ich entschied mich fürs
Doktorieren. Diesen Schritt habe ich nie bereut.
Sie haben Jahre später als Kaderfrau der Swissair bei
SR Operations das Grounding live erlebt. Eine Ausnahme­
situation, die anderen nur im Managementseminar begegnet.
Das Grounding war ein Schock, der unweigerlich zeigte:
Nichts ist unmöglich. Eine Karriere kann man nicht planen. Mindestens dreimal im Leben stand ich vor einer
‹Once in a life›-Situation, die nicht voraussehbar war.
Das Grounding, später der Verkauf meiner Geschäftseinheit bei Roche, dann eine Firmenschliessung – alles
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Dinge, die man nicht sucht, aber im Bedarfsfall bewältigt.
Am Ende geht man gestärkt daraus hervor. In diesen Extremsituationen habe ich meinen Rucksack gefüllt. Seither bevorzuge ich bei Personalgesprächen jene Karrieren
mit Brüchen.
Hat das Ihren Wechsel von der operativen Ebene zur
strategischen mitgeprägt?
Ich habe mich nicht gegen etwas sondern für eine neue
Richtung entschieden. Ich fand es reizvoll, mir ein selbständiges Standbein mit VR-Mandaten aufzubauen.
Ausschlag dazu gab das Mandat der Kommission für
Technologie und Informatik (KTI). Ich hatte die Jahre
zuvor immer die Gesamtverantwortung inne – ideale
Voraussetzungen für einen Verwaltungsrat. Meine technische Ausbildung hat wohl meine Denkart geprägt.
Jedoch zählt die Gesamterfahrung einiges mehr. Analytisches Vorgehen ist eines. Genauso wichtig ist es, Dinge
zu hinterfragen.
Ihre Mandate reichen von der Schweizerischen Post bis
zum Industrial Advisory Board der ETH. Wissen Ihre
Ideen stets, in welchen Topf sie gehören?
Gewiss. Ich behandle genauso eine Palette von Themen,
wie ich es damals als CEO tat. Natürlich muss man Prioritäten setzen und sich lange genug im voraus damit
auseinander setzen. Themen, die mir kritisch scheinen,
spreche ich vorgängig mit Kollegen ab. Es ist wichtig, das
Spektrum breit zu halten.
Sie unterhalten sich mit Ihren VR-Kollegen auf Walliser
Deutsch?
Immer, sofern wir nicht Hochdeutsch oder Französisch
reden. Es ist meine Muttersprache.
Der Wolf, Sepp Blatter, die Giroud-Affäre: Haben Sie
sich auch schon geschämt, eine Walliserin zu sein?
Nie. Das käme mir nicht in den Sinn. Auch nicht solcher
Störungen wegen. Mag sein, dass das Wallis aufgrund
dieses unglücklichen Zusammenspiels derzeit isoliert da
steht. Da wird man Lösungen finden. Journalisten suchen
immer provokative Themen, die breit gewälzt werden.
Dabei gibt es Hunderte von Wallisern,
die eine gross­artige Visitenkarte des
Landes abgeben.
Sie finden, das Wallis mache weiterhin eine gute Figur,
auch als Industriestandort?
Das Wallis hat Charakter und sich unter anderem auch
dank der NEAT gut entwickelt. Natürlich könnte man
bezüglich Offenheit noch etwas zulegen – gerade im
Bereich der Innovationen. Diese sind nicht kantonal
begrenzt und es steht nirgends geschrieben, das nur gut
herauskommt, was Walliser mit Wallisern auf die Beine
stellen.
Dann sollten junge Walliserinnen und Walliser sich in
globalen Konzernen das Rüstzeug holen?
Weggehen erweitert den Horizont. Wer in einem andern
Kanton oder Land lebt und arbeitet, kehrt mit einer differenzierten Aussensicht heim. Kommt hinzu: Innovationen
entstehen nicht in der stillen Kammer, sondern, weil
die richtigen Leute zusammenfinden – und das interdisziplinär.
Investitionen in die Wasserkraft sind nicht so vielversprechend wie erhofft, der Ruf des Wallis generell bröckelt.
Würden Sie einem Technologie-Unternehmen zu einem
Standort im Wallis raten?
Das Wallis wird nie ein grosser Wirtschaftskanton werden, verglichen etwa mit Zürich. Indes hat die vielfächerige KMU-Landschaft reelle Fortschritte erzielt. Das
noch weitere Grossfirmen im Wallis ansiedeln, ist eher
unwahrscheinlich. Doch finden kleinere, innovations­
getriebene KMU interessante Strukturen: Die Schweiz
als Partner – letztlich sind wir ein grosser Kanton –, die
Mobilität und die ideelle Öffnung.
Sie selber werden nie definitiv zurückkehren?
Wer weiss? Im Ausland bedeutet Heimat für mich die
Schweiz, in der Schweiz ist sie das Wallis.
Unser Dialekt, die Berge, der Schnee,
das Raclette, das alles gibt uns etwas
sehr Eigenes.
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Porträt
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Wie du und ich
Einer, der nie stillsteht
Text: Elena Enja Lynch (1991) aus Brig studiert Geschichte, Politik- und Theaterwissenschaft an der Universität Bern. Das Schreiben ist ihre grosse Leidenschaft: Neben regel­m ässigen Praktika beim
«Walliser Bote» schreibt sie gelegentlich für das «NZZ Campus».
Die Geschichte von Nikë Iseni ist eine unheroische von
Krieg, Flucht, Möglichkeit, Engagement und Integration
– exakt in dieser Reihenfolge. Im Lawinenwinter 1999 erreicht der Kosovo-Albaner Iseni am 27. Januar über Albanien und Italien das Asyl-Empfangszentrum in Chiasso –
drei Tage nach seinem 38. Geburtstag. Sechs Monate
später trifft auch seine geistig und körperlich behinderte
Nichte dort ein. Iseni hat für sie den Schlepper bezahlt
und adoptiert sie später, denn ihr Vater ist tot und ihre
Mutter weg.
Als viele Verkehrswege im Alpenraum wegen starkem
Schneefall unterbrochen und ganze Talschaften von der
Umwelt abgeschnitten sind, werden er und seine Familie
nach Sitten und später nach Visp transferiert. Auf dem
Weg dorthin stellt Iseni mithilfe seines AlbanischDeutschen Wörterbuchs vier Fragen: Wohin gehen wir?
Wie viele Meter über Meer liegt dieser Ort? Wie spricht
man dort? Wie viele Einwohner hat es da? Er will wissen,
wohin es für seine Familie geht. Vieles scheint erst in der
Retrospektive begreiflich: «Sie haben uns nach Visp geschickt und da waren wir: Sprachlos, kulturlos, arbeitslos,
geldlos mit vier Kindern zwischen zwei Bergwänden in
kniehohem Schnee stehend. Wir waren Teil einer Flüchtlingswelle und heute leben hunderttausende Kosovaren
hier. Doch als wir ankamen, waren wir allein», erinnert
sich Iseni – ganz ohne pathetisch zu werden.
«Ich habe damals ein Kriegsland,
meine Heimat, meinen Betrieb,
mein Haus, meine Familie und
Freunde verlassen.»
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Erst jetzt realisiert Iseni sein Schicksal und versteht was
er verloren, erlebt und wiederaufgebaut hat. Damals liess
er der Vergangenheit keine Zeit ihn einzuholen. Er wollte
sich eine Existenz aufbauen, finanziell unabhängig sein
und seine Familie durchbringen. Dafür hat er jede Möglichkeit genutzt, die sich ihm eröffnet hat. «Seitdem ich
das Recht auf Arbeit habe, war ich im Wallis nie arbeitslos.» Bereits in den Baracken im Visper «Schwarzen Graben» engagiert er sich, hilft aus, packt an, sodass er nach
drei Monaten eine Wohnung in der Visper Balfrinstrasse
erhält. Seit 15 Jahren leben die Isenis nun in demselben
Wohnquartier – mit dem Unterschied, dass sie heute eine
Tür weiter in der eigenen Wohnung wohnen. Auf die
Frage hin, ob er zufrieden sei, mit dem was er erreicht
habe, antwortet er erwartet kämpferisch: «Zufrieden?
Wenn man zufrieden ist, stagniert man. Also bin ich
nicht zufrieden.» Eben einer, der nie still steht.
Bereits während dem Beschäftigungsprogramm geht er
auf der Suche nach Arbeit von Tür zu Tür. In einer
Metzgerei sagt man ihm, dass man hier Schweine
schlachte, das sei nichts für Muslime. Er sei kein Muslim,
sondern Katholik, antwortet Iseni. Arbeit gibt es trotzdem keine. Er nimmt diverse Jobs an, ist unter anderem
fünf Jahre beim Bettencenter Pfammatter als Abwart
angestellt. In dieser Zeit lässt sich Iseni zum interkulturellen Übersetzer und Vermittler zertifizieren. Unter der
2007 erhält die Familie Iseni eine einjährige Aufenthaltsbewilligung, ein sogenanntes Permis B. «Mit dem Permis
B lebt man in einer ständigen Ungewissheit und weiss
nicht, wie es in einem Jahr aussieht.» Die Arbeitssituation
ist schwierig, es können nur einjährige Verträge eingegangen werden. Mehrere Anträge auf das Permis C,
einer fünfjährigen Niederlassungsbewilligung, folgen –
alle werden abgelehnt. Iseni kämpft weiter und lässt sich
nicht entmutigen. Er setzt alle möglichen Hebel in Bewegung bis er 2010 zusammen mit seiner Familie direkt
eingebürgert wird und den Schweizer Pass erhält – ohne,
dass eine Niederlassungsbewilligung vorausging. Endlich. Mit der Einbürgerung kommt auch das Stimm- und
Wahlrecht. Laut eigenen Angaben, nehmen die Isenis zu
90 Prozent an den Wahlen teil. «Wir sind nicht Schweizer
geworden, um allein vom rot-weissen Pass zu profitieren,
sondern auch um unsere Pflichten wahrzunehmen. Und
zur Urne zu gehen ist eine davon.»
«An der Einbürgerungsfeier wurde
ich gefragt, was ich am Wallis möge.
Ich antwortete: Fondue, Weisswein,
Bratwurst und Bier», sagt Iseni
und lacht.
Woche wird gearbeitet und samstags den ganztägigen
Kurs in Brig besucht. Während im Kosovo ein Krieg ausgetragen wird, avanciert die Schweiz zu einem wichtigen
Zentrum der kosovo-albanischen Diaspora. Da gibt es
viel zu tun für einen Übersetzer wie Iseni.
Heute kümmert sich der ehemalige Pädagogik-Student
aus Pejë im Ausbildungszentrum in Raron um Asyl­
suchende und bereitet sie als Ausbildner auf die Arbeitswelt vor. Sie besuchen Kurse wie Sprach-, Handwerksoder Computerkurse. Und er vermittelt ihnen unsere
Kultur, die schweizerische Pünktlichkeit und Sauberkeit
– integriert sie letztendlich. Hier schliesst sich der Kreis
der Integration für ihn irgendwie. Doch Integration
kommt schleichend – das weiss Iseni: «Sprache ist der
Schlüssel zur Integration. Aber auch finanzielle Unabhängigkeit, Arbeit, Gesetzesbefolgung und soziale Kontakte gehören dazu.» Und trotzdem heisst Integration
nicht, seine eigene Kultur durch eine fremde zu ersetzen.
Man sollte nie vergessen, wo seine Wurzeln gründen.
Der 53-Jährige ist oft zu Spässen aufgelegt und redet
gern und offen über alles. Sein Ballon Fendant steht
lange unberührt vor ihm – seine Erzähllust lässt keine
Trinkpausen zu. Indem er stets sein ehemaliges Flüchtlings-Dasein erwähnt, anerkennt er zwei Dinge: Die
Hilfe der Schweiz und das eigene Engagement. Er schätzt
das Wallis als seine zweite Heimat, identifiziert sich mit
dem hiesigen Familienzusammenhalt, kann die Familien­
namen den entsprechenden Tälern zuordnen, besucht
Ringkuhkämpfe und gibt auch schon mal den Visper
Pürumärt als Grund E-Mails unbeantwortet zu lassen.
Integriert? Ja. Und trotzdem bleibt die Frage nach dem
Zuhause eine schwierige, die auch seine Kinder beschäftigt: «In der Schweiz sind wir Ausländer. In Italien und
jedem anderen Land sind wir Schweizer. Im Kosovo sind
wir wieder Ausländer. Wo sind wir Zuhause?», fragt sein
ältester Sohn ihn während einer Autofahrt. «In unserem
Garten sind wir Zuhause», antwortet ihm der Vater.
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Geschichte
Geschichte, Andacht und Kultur
Text: François Dayer (1941, pensioniert) ist seit 1966 Journalist (Feuille d’Avis du Valais, Le Matin, TSR), ehemaliger Chefredaktor Le Nouvelliste und Konsultant Canal 9.
Im Jahr 515 wurde die Abtei St-Maurice vom burgundischen König, dem Heiligen Sigismund gegründet. Die
Feierlichkeiten zum 1500-Jahr-Jubiläum dauern ein ganzes Jahr. In der Agenda des Jubiläumsjahres finden sich
eindrückliche Anlässe religiöser oder kultureller Natur
sowie auch volksnahe Festivitäten. Die Abtei will die Gelegenheit nutzen, Besuchern den Stiftschatz des Klosters
und die archäologischen Stätten näherzubringen.
Die Abtei St-Maurice ist die älteste noch aktive christliche
Klostergemeinschaft des Abendlandes. «Als stille Wächterin in grauen Vorzeiten trotzte die Abtei historischen
Umbrüchen, überlebte Plünderungen, Revolutionen und
Katastrophen» erinnert der heutige Abt Joseph Roduit
und ehrt den ungebrochenen Mut seiner Vorgänger, die
trotz Rückschlägen nie aufgegeben hatten. Der Stiftschatz der Abtei als Symbol des christlichen Glaubens
erinnert an den Heiligen Mauritius und seine Gefährten
der Thebäischen Legion. Durch das angegliederte,
gleichnamige Kollegium und Pfarrei- und Missionars­
tätigkeiten von kultureller Bedeutung prägte das Kloster
St-Maurice das gesamte christliche Abendland.
22
Ein Stiftschatz
von unbeschreib­lichem Wert
Die Krönung des Jubiläumsjahres ist zweifellos der Rundgang für Besucher, eine Zeitreise durch die Geschichte.
Er bietet Zugang zum Stiftschatz und zur archäologischen Stätte. Vom Innern der Basilika gelangt der Besucher durch Katakomben zum Stiftschatz. Dank interaktiven Bildschirmen, Modellen und 3D-Filmen wird die
einzigartige Geschichte einer lebendigen und auf wunder­
same Weise erhalten gebliebenen religiösen Gemeinschaft erzählt, die von einer beispiellosen spirituellen
und kulturellen Aktivität zeugt. Nicht zuletzt von grosser
Bedeutung für die regionale Geschichte ist das Archiv.
Es wurde reorganisiert, digitalisiert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Für die Abtei wie auch für die
Stadt St-Maurice bietet diese Öffnung einen touristischen
Anziehungspunkt, der seinesgleichen sucht. Es werden
jährlich rund 30 000 Interessierte erwartet.
Praktische Informationen zur Vorbereitung des Besuchs
finden Sie unter www.abbaye-stmaurice.ch
Events im Jubiläumsjahr
Ab der Eröffnung des Festjahres im September 2014
finden bis zum 22. September 2015 laufend Festivitäten
und Anlässe statt. Die beiden Co-Präsidenten alt Regierungspräsident Jean-Jacques Rey-Bellet und alt Grossrats­
präsident Jean-Paul Duroux stellten ein breitge­fächertes
Programm mit religiösem, kulturellem und musikalischem Hintergrund zusammen:
Eurovisionsübertragung der Mitternachtsmesse am 24. Dezember 2014 aus der Basilika der Abtei
in St-Maurice; die Feierlichkeiten werden Millionen
Zuschauer in Europa und Übersee mitverfolgen können.
Videoclip-Wettbewerb: Die Jugend ist
ein­­ge­laden, an einem Videoclip-Wettbewerb teil­
zunehmen; es geht darum, in Kurzfilmen das Thema
Märtyrer in die heutige Zeit zu transferieren.
Der Filmemacher Christian Berrut erzählt in
seinem Film «Blut und Lebenskraft» die Geschichte des
Klosters und seines heutigen Auftrags. Aufführung in
den Kinos, Verkauf des DVD, zwei Dokumentarfilmen
auf RTS im Dezember 2014.
Trinity College Choir Cambridge:
Einmaliges Passionskonzert mit dem weltweit bekannten
Trinity College Choir am 15. März 2015 in der Basilika.
22. September 2015
Feierlichkeiten zum 1500-jährigen Bestehen
der Abtei St-Maurice am Fest des Heiligen
Mauritius. Informationen zum Festprogramm:
www.abbaye1500.ch
Publikation eines wissenschaftlich hoch­
stehenden Werks zur Geschichte der Abtei und des
Stiftschatzes realisiert für das breite Publikum unter
Mitwirkung von 32 Spezialisten der Geschichte,
Kunst und Archäologie.
Aufführung eines Strassentheaters vom
11. August bis zum 6. September 2015 im Zentrum
von St-Maurice, wobei die Stadt und die Abtei mit
ihren archäologischen Schätzen als Kulisse dienen
werden.
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Rendez-vous
1815 – 1915 – 2015
Text: Gabriel Bender (1964) ist Soziologe und Historiker. Er arbeitet als Professor an der Fachhochschule Westschweiz sowie als Verantwortlicher für Soziokultur am Psychiatriespital Malévoz. Daneben ist er Verfasser zahlreicher wissenschaftlicher und literarischer Werke.
Jede Gesellschaft sieht sich mit der Frage nach dem Gedächtnis konfrontiert. Was soll erhalten werden? Von
wem und wo? Und wie soll die Erinnerung an die nächste
Generation weitergegeben werden? Hilfreich sind in der
Regel konkrete Anhaltspunkte wie ein Bild, ein Ort, ein
Vermerk im Kalender. Oder ein Denkmal zur Erinnerung an die Toten, an den Sieg… Doch ohne begleitende
Worte und Gesten sind all diese Erinnerungszeichen
nutzlos. Und sowieso tendiert das Gedächtnis dazu, das
Wichtigste zu unterschlagen, um mit dem, was bleibt,
die Erinnerung zu konstruieren. Was am Schluss herauskommt, ist eine Erzählung oder eine Erfindung. So wird
zwar die Wahrheit zurechtgebogen. Doch immerhin entsteht etwas, das nützt.
Machen Sie die Probe aufs Exempel! Wie erzählen Sie
Ihre Jugend? Würden Sie keine Auswahl treffen, hätten
Sie (mindestens) vier Jahre, um Ihr Leben zwischen
14 und 18 Jahren aufzusagen. Und wenn Sie gar nichts
sagen, bleiben die Dinge Ihrer Jugend stumm wie ein
Denkmal inmitten des Pfynwalds.
1914–18. Im letzten Sommer bin ich den Spuren des
Krieges gefolgt. Eine Ausstellung in Paris, eine andere in
Nancy, gemacht von einem deutschen Historiker, eine
weitere in Lille, eine in Epinal und schliesslich eine in
Tournai in Belgien. Zudem bin ich entlang der Grenze
gewandert und habe zufällig einen einzigartigen Ort am
«Pfad der Westfront» entdeckt: «Kilometer 0». Und im
Tourismusprospekt war zu lesen: «Vom Land der drei
Grenzen zum Land der drei Fronten. Von 1871 bis 1914
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war Pfetterhouse das Dorf der drei Grenzen. Der Dreiländerstein an der Schnittstelle der französischen,
schweizerischen und deutschen Grenze wurde zu einer
Touristenattraktion und internationalen Begegnungsstätte.» Keine Erwähnung finden im Werbeprospekt die
Gräuel des Krieges und die unzähligen Kriegstoten. Dagegen sieht man schweizerische und deutsche Soldaten,
wie sie sich gegenseitig die Hände schütteln und untereinander Zigaretten austauschen. 1914–18 als sympathischer Waldspaziergang.
Doch selbst in der Schweiz hat man unter dem Krieg
gelitten. Die Soldaten standen 500 Tage lang an der
Grenze, der einzige Lohn bestand in Bier und Zigaretten.
1917 gab es bei einer Demonstration in Zürich drei Tote,
ein Jahr später jagte der Generalstreik dem Bürgertum
den Schrecken ein.
Auch im Wallis zeigte der Schock von 1914–18 seine
Auswirkungen. Die Festivitäten zum 100-jährigen Jubiläum des Eintritts des Wallis in die Eidgenossenschaft
wurden abgesagt; nicht wegen der Toten jenseits der
Grenze, sondern wegen der Mobilmachung im eigenen
Land. Die Weinfässer waren schon bestellt und der Käse
stand bereit. Auch die Reden waren geschrieben, die
Lieder und Tänze einstudiert. Und vor allem hatte man
auch schon ein Denkmal für den Anlass: eine Statue,
ganz in Stein gehauen, kalt und aufrecht stehend wie
eine Kerze auf einer Geburtstagstorte. Dargestellt ist
eine Bäuerin in groben Schuhen, die der Eidgenossenschaft ihre Blumen darbietet.
Also kein Freudenfest auf der Planta in Sitten. Die Bäuerin wurde weggeräumt, die Statue vergessen. Und als der
Krieg zu Ende war, hatte kaum noch jemand Lust auf
eine Feier. Der Blumenkranz der Statue war wie verwelkt. Erst viel später hat man das Denkmal auf einen
kleinen Sockel gestellt, den Rücken Bern zugekehrt, wie
eine junge Frau, die ihrem Bräutigam gram ist, weil er sie
zu lange warten liess. Oder wie ein Paar, das sich aus­
einander gelebt hat. Eine Witwe vor der Heirat oder eine
untröstliche Witwe. Eine entstellte Europa.
Indem sie Bern den Rücken zukehrt, sieht Kathrin den
Himmel Italiens, der in ihr mediterrane Gefühle weckt.
Und so wartet sie – seit 1915 – auf jenen Italiener, der sie
erlösen soll. Sie wartet bereits seit einem Jahrhundert.
Und im Jahr 2015 wird das Wallis den 100. Geburtstag
dieses 100. Geburtstags feiern.
© Charles Dubost, Médiathèque Valais, Martigny
Man nannte sie humorvoll Katharina, um anzuzeigen,
dass sie zum Ledigendasein verurteilt war. Im Welsch­
wallis gab es für Frauen, die mit 25 noch ledig waren,
den Begriff «der heiligen Katharina einen Hut aufsetzen» («coiffer la Ste Catherine»). Bei dieser Gelegenheit
erhielten jene Frauen einen mit Blumen geschmückten
Hut, um sich bei den Männern bemerkbar zu machen
und so doch noch einen Ehemann zu finden. So ist das
Wallis.
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SPORT
Handgemacht
IM Wallis
Skifahren mit Freude
Text: Beat Moser (1958) ist seit 1992 freiberuflich als Journalist, Reiseleiter und Fotograf mit Spezialgebiet Verkehr, Reisen und Tourismus Schweiz tätig. Er arbeitet auch als Eisenbahn-Buchautor sowie als Fachberater für Medienarbeit und Filmprojekte.
Die Firma RTC Ski AG ist im Jahr 2000 als innovatives KMU in Brig-Glis
gegründet worden. Fünf Mitarbeitende fabrizieren jährlich rund 800 Paar Ski,
die dank hoher Qualität und erfreulicher Langlebigkeit einzigartig sind.
Dominic Blatter ist der kluge Kopf des Unternehmens.
Der gelernte Schreiner hat sich als Designer und Produkte­
gestalter weitergebildet und dabei in der Freizeit verschiedenste Snowboards gebaut. Dieses Wissen lässt er
seit 1993 in die Entwicklung und Produktion der RTC
Modelle einfliessen. Tatkräftige Unterstützung bietet
ihm dabei sein Firmenpartner Felix Schmidhalter. Der
ebenfalls gelernte Schreiner bringt eine umfassende Erfahrung aus dem Sportfachhandel mit. Sein präzises Handwerk sowie geschultes Auge garantieren einen ausschussfreien Skibau, fachgerechte Montagen und einen perfekten
Skiservice.
Skifahren mit Freude
Das Unternehmen möchte mit seinen Produkten Spuren
hinterlassen, die Freude bereiten. Der Wintersportler soll
mit Leichtigkeit und möglichst viel Freiheit die Hänge
hinunterbrausen können.
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Das RTC-Angebot basiert auf der Classic-Reihe, die
auch extrem kurze, aber umso drehfreudigere Skis umfasst. Im Jahr 2009 wurde die Kollektion um ein Crossride-Sortiment für das Skifahren mit hervorragenden
Allround-Eigenschaften erweitert.
Den Skibauern in Brig ist es wichtig, dass Spurtreue,
Laufruhe und Spritzigkeit den Kunden überzeugen.
Dazu ist kein unnötiger, von Marketingleuten erdachter
Schnickschnack erforderlich.
Selbst bei häufigem Gebrauch bleibt die Spannung im
RTC-Ski jahrelang erhalten. Dies garantiert eine nachhaltigere Lebensdauer ohne Verlust der optimalen Fahr­
eigenschaften. Diese Tatsache beruht auf der hohen
Verarbeitungsqualität und rechtfertigt den höheren Preis
bei der Anschaffung.
CEO Blatter setzt seit Anbeginn auf schnellste Beläge,
verwendet hochwertige Glasfaser-Laminate und als Herz­
stück einen Holzkern aus Eschen/Pappel-Schälfurnier.
Die Herstellung erfolgt vornehmlich in Handarbeit
und in der bewährten Sandwich-Bauweise mit Zwei­
kom­ponenten-Kleber. Rund 50 Einzelteile werden in 80
Arbeits­schritten und mit etwa 6 ½ Stunden Zeitaufwand
zu einem Paar RTC-Ski zusammengebaut. Alle Skis werden ausschliesslich in Brig-Glis entwickelt und produziert. Der Vertrieb erfolgt im Direktverkauf und über
den Fachhandel.
Während 40 bis 50 Tagen ist die RTC Ski AG in verschiedenen Schweizer Wintersportorten präsent. Man
will den interessierten Gästen die Möglichkeit bieten,
sich in ihrem bevorzugten Skigebiet persönlich von Qualität und Fahreigenschaften begeistern zu lassen.
Qualität verpflichtet
Tüftler Dominic Blatter arbeitet ständig an der Optimierung seines Maschinenparks, um trotz rationell verkürzter
Arbeitsschritte weiterhin eine hochpräzise Verarbeitung
und eine bestmögliche Qualität zu garantieren. Was auf
dem Markt nicht verfügbar ist, konstruiert er selber.
Besonderes Augenmerk legt man auf den Schleifservice.
Die Devise lautet: So viel wie nötig, aber so wenig wie
möglich. Belag und Kanten werden mit vorgekühltem
Wasser und bei gleichbleibender Temperatur unter ständiger Beobachtung des Mitarbeiters in mehreren Arbeits­
schritten, hauptsächlich manuell geschliffen. Mit diesen
Dienstleistungen, der auch zahlreiche Rennläufer vertrauen, hat sich RTC einen Namen gemacht.
Seit der Inbetriebnahme eines Sublimationsdruckers mit
dazugehöriger Presse lassen sich die Ski-Oberflächen individuell gestalten. Dies bietet Firmen und Institutionen
die Möglichkeit, während dem Skilaufen beispielsweise
mit ihrem Logo, den Walliser Farben oder mit dem Matter­
horn zu werben. Die Kunden können auch selbst kreierte
Sujets aufdrucken lassen.
Alle Einzelteile und Materialien sind am Standort BrigGlis vorrätig. Ein Kunde kann somit ein auf seine
Bedürfnisse zugeschnittenes Paar Ski bereits nach zwei
Wochen entgegen nehmen.
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Star-Spektakel
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Da staunen sogar die Zürcher
Text: Die Kommunikatorin Cornelia Heynen-Igler (1964) – in Kilchberg (ZH) aufgewachsen – lebt seit nunmehr
dreissig Jahren im Wallis. Als freischaffende Texterin
hat sie u.a. die Mary-Kolumnen in der RZ verfasst.
Vielleicht hat es ja mit unserer Zürcher Herkunft zu tun, dass Dieter Meier und ich –
freilich ohne voneinander zu wissen – noch kurz vor Beginn der Vorstellung schlechter
Laune waren.
Vielleicht musste er als Kind ja auch Jahr für Jahr an der Hand seiner pfirsichhäutigen
Mutter zu dem grossen Zelt am See trotten, wo einen auch die rosaroteste Wattenwolke nicht über die kleinwüchsigen Clowns und die Ödnis der Manege hinwegtrösten
konnte … «Vergiss es», sagt der Mann an meiner Seite und schiebt mich durchs Foyer
zum Theatersaal: «Das hier hat mit Zirkus nichts zu tun.»
Knisternde Abendpracht allenthalben: Damen in weichfliessenden Kleidern, Herren
mit funkelndem Blick und über allem die viel besprochene Moderatorin im blondseidigen Haar. Ist sie nicht genauso wie auf den Fotos der Illustrierten und doch ganz
anders? Aber schon schiebt mich die Hand weiter, weiter zu meinem Sitz, und stumm
grüsse ich alle, die ich kenne, wenigstens vom Hörensagen.
Blitzlichter – traumähnlich flammt die Erinnerung auf, Sinneseindrücke von Lichtexplosionen, Klangfarben, Körperkompositionen. Das Zusammenspiel von höchster
Körperbeherrschung und künstlerischer Inszenierung, das die internationalen Star­
artisten dem überraschten Publikum präsentieren, ist schlicht atemberaubend. Umrahmt werden die unterschiedlichen Artisten-Acts von wechselnden Bühnenbildern,
die den Zauber des Schauspiels – das, was einen in seinem Sitz immerfort «unglaublich»
murmeln lässt – noch erhöht. Und da ist, natürlich, die Musik: Bis zur letzten Note ein
berauschendes Klangerlebnis, das seinen Höhepunkt in einem fulminanten Endspektakel
findet und die ohnehin schon reichlich beseelte Zuschauerin benommen in ihrem
Sessel zurücksinken lässt …
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Aber da hat sie die Rechnung ohne ihn, den Zampano der Walliser Theaterbühne,
gemacht: Karim Habli, der jetzt neben der illustren Blonden über die Bühne wortfegt,
dass man sich in seine Stimme hineinwerfen möchte. Seiner Hartnäckigkeit und Theater­
versessenheit sei die Artistika zu verdanken, sagt Produktionsleiter Olivier Imboden
über den Tausendsassa, während Imboden selbst – im richtigen Leben Ökonom und
Mitinhaber einer Baufirma – mit der Artistika seinen «kreativen Hang» auslebt.
Schwerpunkt, who wonders: Musik.
Womit wir wieder bei Dieter Meier wären, der ausser Zürcher auch Mitbegründer der
Kultband Yello ist und weltberühmt. Gleich mir ist er – ohne dass wir uns freilich je
begegnet wären – von der Artistika so begeistert, dass er sie gleich nach Zürich holen
will.
Nur stammt ja nicht alles, was gut ist und schön, immer auch aus Zürich. «Unsere
Wurzeln bleiben im Wallis», sagt Artistika-Stratege Imboden bestimmt, sodass man
ihm zart zuflüstern möchte: «Und auf Flügeln erobert ihr die Welt.»
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Internationales
Artistik-Festival
in Visp
Samstag, 21. März 2015
19.30 Uhr
Kultur- und Kongresszentrum
La Poste, Visp
Vorverkauf [email protected]
Preise ab CHF 65.–
VIP-Packages für Firmen auf Anfrage
Programm
Motto: Pantomomime
Inhalt:
Sechs arrivierte Artisten kämpfen um
Ruhm, Trophäe und Preisgeld.
Jury: Starbugs, Baldrian, Duo Elja
Lebenswerk: Anatoliy Zalevskiy
Patenschaft: Peter Shub
Moderation:
Karim Habli & «Schlangenfrau»
Nina Burri
Artistika für Kids:
Sonntag, 22. März 2014
www.artistika.ch
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Gastkolumne
Die Welt roch mir nach nassem Stroh
und Liebe
Text: Sibylle Berg wurde in Weimar geboren und lebt heute in Zürich und Tel Aviv als Drama­tikerin
und Autorin. Ihr erster Roman «Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot» erschien 1994
und wurde in zehn Sprachen übersetzt. 2010 erhielt sie den Kulturpreis des Kantons Zürich und
2012 den Kulturpreis der Stadt Zürich. Im März 2013 gab Sibylle Berg ihr Regie-Debut am
Schauspiel­haus Stuttgart mit «Angst reist mit». Sie schreibt ausserdem regelmässig Kolumnen.
Das Wallis. War nicht die erste Region in der Schweiz,
die ich kennenlernte. Aber vielleicht die nasseste. Ich habe
keine Ahnung ob es im Wallis immer regnet, oder ob es
im Wallis immer regnet, wenn ich da bin. Der erste Ort
den ich kennenlernte war Gampel. Fluss in der Mitte,
Migros links, Coop rechts, Berg am Ende. Hoch. Bevor
ich die Region bereiste, lernte ich als erstes, wie es sich
als Touristin gehört, den Dialekt der Region. Ich erreichte
eine Meisterschaft, die es mir bis heute ermöglicht,
Liedertexte für eine Walliser Sängerin zu schreiben. Das
ist gelogen, aber ich verstehe die Sprache, was nicht hilft,
um das Vertrauen der Walliser zu gewinnen, zumal ich
sehr schlecht französisch kann. Also beschränkte sich
meine Reise in den französischsprachigen Teil der Region
auf Kuhkämpfe. Kühen ist es egal ob der Zuschauer
Ausländer ist. Ausländer ist im Wallis jeder, der nicht
Walliser ist und deutsch oder französisch spricht. Nur
ein Ereignis, wie das sagen wir, Endfinale eines KuhKampf-Turniers, macht den Makel nicht Walliser zu
sein, fast unerheblich. Traditionelle Sportereignisse lösen
diesen wunderbaren Zusammenhalt zwischen Menschen
aus, den es sonst nur bei Naturkatastrophen zu besichtigen gibt. Alle rücken zusammen, sind eins in einer eingeschworenen Gemeinschaft. Wir hier, die Walliser, haben
diesen seltenen Sport, wir haben diese wunderbaren
Ehringer Kühe, wir sitzen in diesem Regen dicht zusammen und unsere Nervosität fliegt wie ein grosser Vogel
über uns. Stunden sitzen wir. Der Regen kann uns nichts
anhaben und die Berge nicht, die die Sicht auf etwas versperren, was wir gar nicht sehen wollen- das Flachland,
die Stadt, Orte ohne Ehringer. Beim Besuch meines ersten
Kuhkampfes war ich mir sofort sicher, ins Wallis ziehen
zu müssen. Nie zuvor, ausser bei diversen Schwinger­
festen, hatte ich mich so akzeptiert gefühlt, so aufgehoben
und daheim. Die Welt roch mir nach nassem Stroh und
Liebe. Die Erregung wurde später, in einem Hotel­
zimmer in Martinach, ein wenig schwächer. Es sah aus,
wie ein Hotelzimmer auf dem französischen Land in den
32
70er-Jahren, und es regnete draussen, falls ich es noch
nicht erwähnte. Der Ort schien ausgestorben, ich hatte
das Gefühl alle seien bei einer Party zu der ich nicht geladen war, und ausser einer Kneipe war nichts geöffnet.
Ich trat ein und die traurigsten Männer die ich jemals
lebendig gesehen hatte, blickten stumm auf. Es waren
drei Männer oder zehn, ich habe es vergessen, erstaunlich
war, dass jeder allein an einem Tisch sass. Ich tat es
ihnen nach und bekam etwas zu essen, was aus Holz bestand. Jeder Bissen wurde von den Männern beobachtet,
mit gesenktem Kopf, nicht direkt. Ich ging schnell durch
den leeren Ort zurück in mein kaltes Hotelzimmer, die
Euphorie des Nachmittags war verschwunden und am
nächsten Tag regnete es. Ich fuhr zurück nach Gampel,
da kannte ich Migros und Coop und ich sah in Höhen­
lagen diese seltsamen dunklen Häuser. Hinter jedem
Fenster ein Mensch, der mich zu mustern schien, wie die
Männer in der Kneipe. Nicht direkt unfreundlich. Eher
so wie ein Mensch einen auf dem Rücken liegenden Käfer
betrachtet. In Gampel war alles geschlossen. Irgendein
im Flachland unbekannter Feiertag. Auf der Haupt­
strasse befand sich keiner. Vielleicht waren auch alle
immer noch bei dem Fest zu Ehren der Kuhkönigin. Niemand war unfreundlich zu mir, weil es vielleicht ausser
dem einen Restaurantbesitzer der von seinem grossen
Schnauzbart gelenkt wurde, keine Menschen gab. Der
Berg stand am Ende der Strasse, der Fluss in der Mitte
rauschte, nicht einmal ein Flugzeug am Himmel. Ich verliess das Wallis, es ist mir ein Rätsel. Ich liebe Orte die
sich mir nicht verständlich machen. Es reizt, sie noch oft
zu besuchen. Vielleicht regnet es auch irgendwann einmal nicht. Vielleicht spreche ich die Sprache auch irgendwann und der Einheimische wird mich warmherzig in
die Luft werfen vor Zuneigung. Wir werden sehen.
Der Verein Peak45 unterstützt die entwicklung und Realisation
von Projekten im und für das Wallis, mit oder ohne Beteiligung von
weiteren Institutionen, Organisationen und Personen.
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er ist Herausgeber des «Peak45 – Magazin für Walliser Lebensart» und unterstützt
mit dem Peak45-Pitch «Pack dini Chance» aktiv interessante Geschäftsideen
aus dem Wallis für das Wallis.
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Geschicht
1500 Jahre
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Für weitere Auskünfte:
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Tel. 027 / 948 33 88
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RESTAURANT LA POSTE VISP
Kraftort Gornergrat
Text: Peter Salzmann (1962) aus Visp ist Wanderleiter bei www.alpevents.ch
angebote: Starlight-Dinner mit Himmelspräsentator Peter Salzmann, jeden Donnerstagabend
von Januar bis März im kulmhotel Gornergrat, dem höchsten Hotel der Schweiz.
es gibt Orte, denen sich die sprache nicht fügen will und die man aus diesem Grunde niemals
beschreiben sollte. einer von denen ist der Gornergrat. dieser rücken, der vom Gornerund vom Findelgletscher stehengelassen wurde, tausend Höhenmeter unter den mehr als zwei
dutzend umliegenden 4000ern, die die imposanteste Panorama-arena der alpen bilden.
Auf Schlangenstein
perfekte regie
In Zermatt liegt eine undefi nierbare Leichtigkeit in der Luft –
aufheiternder Balsam für Seele
und Lunge. Die 1898 gebaute
Gornergratbahn zahnt sich
durch die höchsten Arven- und
Lärchenwälder der Schweiz und
rechts und links wachsen
abwechslungsweise für kurze
Momente kontrastreiche
Schneegipfel hoch, um gleich
wieder hinter einer Galerie oder
einer Kurve zu verschwinden.
Der Rotenboden gibt erstmals
kurz einen grösseren Teil der
Monte Rosa-Kette frei. Perfekter
hätte man die Erwartung nicht
aufbauen können, was uns auf
dem Gornergrat erwartet, wofür
man tiefer in die Tasche greift
als für eine normale Bergbahn.
34
Zauberstaub perlt
durch die luft
Nach dem Drehkreuz zieht
es alle Gäste hin zum Steinmäuerchen. Der erste Blick fällt
hinunter auf den Gornergletscher und seine winzigen
Seen. Zauberstaub scheint
wie Kohlensäure in einem
Champagnerglas durch die Luft
zu perlen. Einsaugen. Alle
Kanäle öffnen und einsaugen.
Im steil abfallenden Hang steht
ein Steinbock. Ehrfurcht erfasst
mich bei jeder Begegnung
mit diesen archaischen Kletterkünstlern. Sie wissen wo hier
Edelweiss und Himmelsherold
vorkommen.
Langsam heben sich die von
weissblau besoffenen Augen zu
den Gipfeln im Südosten.
Majestätisch erhebt sich Monte
Rosa als breite Gletscherkrone
mit den scharfen Felsgräten
Nordend und Dufourspitze
aus dem Rahmen von Gornerund Grenzgletscher. Da unten
muss doch auch irgendwo dieser
künstliche Kristall von Monte
Rosa-Hütte glänzen! Das
Breithorn mit seiner wuchtigen
Nordwand verdient von unserem
Blick aus durchaus seinen Namen.
Es ist von denselbem weichen,
grünschwarzen Serpentin, auf
dem auch Zermatt und der
Westteil des Gornergrates
liegen. Dieses Band zieht weiter
nordostwärts und gibt dem
Saaser Allalinhorn seine sanfte
Form.
Sternsüchtig
toblerone-Zähne
gegen Saaser
Dekoration
Italien-Spanien in
zwei Schritten
Gleich oben auf der tennisfeldgrossen Aussichts-Plattform
ändert die Gesteinsdecke
sichtlich vom dunklen Serpentin
des Piemont-Ozeans zum hellen
Keil der iberischen Halbinsel.
Hier oben, auf dem südlichsten
Nordpol der Schweiz.
Dieses imaginäre Tennisnetz
der Gesteine trennt auch die
Zwillinge Castor und Pollux.
Der eine aus 150 Mio. Jahre
altem Gestein, der andere fast
300 Mio. Jahre – die längste
Geburt der Alpen.
Über den Theodulgletscher,
in 10 km Entfernung, strahlt das
Matterhorn – spitzer als die
gewohnte Postkartenansicht,
den Kopf leicht gegen Italien
geneigt. Dieser elegante Koloss
von Mythos, dessen Existenz
erst durch den Unfall der Erstbesteigung in die internationale
Presse katapultiert wurde.
Granit und Gneis machen das
Horn der Hörner zum spitzen
Dreieck, ebenso wie die
Dent Blanche, das Obergabelhorn, Zinalrothorn und die
gleichschenklige Pyramide des
Weisshorns. Alle aus einer
dicken afrikanische Orangenschale, die obenauf liegengeblieben ist und von Niederschlag
und Gletscher zu Tobleroneecken ausgefressen wurde.
Die schmalen iberischen
Mischabel zacken Dom und
Täschhorn im Norden verkommen da zu Statisten – als
hätten die Zermatter den
Saasern auch noch etwas vom
Alpen-Glamour überlassen
wollen.
Ich taumle in meinem Sinnesrausch durch die Massen
von Japanern, Amerikanern,
Deutschen und Bernern.
Nur die nächtliche Stille auf
dem Gornergrat kann dieses
Glücksgefühl noch toppen.
Der klirrend klare Sternenhimmel
öffnet den endlosen Blick
ins unendlich weite All. Der
Zauberstaub der Milchstrasse
entführt mich in Träume.
ein verzaubertes
nix
Wenn ich jetzt losfliegen würde,
würde ich mit grösster Wahrscheinlichkeit nie mehr einen
Gegenstand, einen Stein
berühren – tausend Leben lang.
Ich bin nur noch eine homöopathische Dosis von Materie im
All, unser Leben eine Nanosekunde in der Geschichte,
populär-mathematisch gesehen
ein Nix. Die Strahlen der
Mailänder Lichtverschmutzung
hinter dem Lyskamm und
die Turiner Lichter über dem
Theodulhorn bringen meine
Gedanken zurück auf den
Gornergrat. Einsaugen. In der
Hoffnung, diese Nacht noch
eine Sternschnuppe zu sehen.
35
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kult
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KraFTorT
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Schpiis & Trank
Die vergessene Frucht:
«Chittini» – die Quitte
Text: Michel Villa (1956) ist Sänger und Caterer aus Leuk. Sein Titel «dr Tifil isch gstorbu» platzierte sich bei den grössten Schweizer Hits von SRF auf dem 2. Platz.
Chittikonfitüre war in der Kindheit meine absolute Lieblingsart und ich konnte das
Frühstück kaum erwarten. Gerne schaute ich schon als kleiner Knirps meiner Mutter
über den Pfannenrand, allgemein beim Kochen, aber speziell erinnere ich mich gerne
an den feinen Duft der kochenden Quitten. Papa hatte in seinem Rebberg in den *Pfuntini* unterhalb von Leuk bei der Dala-Brücke, mehrere Quittenbäume. Ich «stürmte»
schon im Spätsommer: «Wänn sind dä di Chittini ripfi??» Heute beschenkt uns Nachbarin Jeanette nicht nur mit feinem Kuchen, nein auch mit Konfitüre. Wobei ich bisher
nicht erwähnte: Am besten schmeckt mir der Gelee. Nie hinterfragte ich mich, wo
kommt eigentlich die Quitte her?
«Cydonia oblonga» ist der botanische Name
für die Quitte, die auch Baumwollapfel genannt wird.
Sie stammt aus der kretischen Stadt Kidonja, heute Chanja. Die Bäume werden etwa
vier Meter hoch und haben einen knorrigen, glatten Stamm, sowie ovale, auf der Unterseite behaarte Blätter. Mai – Juni blüht der Baum und im Wallis trägt er Früchte in
Apfelform, welche ab September reif werden. Roh ist sie ungeniessbar, säuerlich und
hart. Gekocht entwickelt sie ihr wunderbares Aroma.
36
«Chittisuppu»
Für 4 Personen
Zutaten
In der Antike stand die Quitte als Symbol für Glück, Liebe und
Fruchtbarkeit. Bis 1900 war sie sehr beliebt, wurde dann aber von
Apfeln und Birnen, die sich besser verwenden liessen, aus der Küche
verdrängt. Das Aroma hat aber seinen Zauber behalten und so ist
die Quitte nun wieder sehr beliebt. Sie ist eine der wenigen Früchte
die von Züchtern kaum verändert wurden.
Medizinisch unterstützt Quittenextrakt die Schleimhäute, hilft
Reizungen und Entzündungen zu lindern und wirkt kräftigend.
Daher wird der Extrakt wieder vermehrt in Naturheilmitteln verwendet.
In der Küche kennen wir bisher den Quittengelee oder die Marmelade. Es kann aber auch ein Kuchen gebacken werden, aus Rühr­
teig. Wichtig ist, dass man die Frucht dabei sehr dünn schneidet
oder würfelt und diese in Zuckerwasser vorkocht. Das verbreitet
einen unbeschreiblichen Duft. Aber auch für eine Suppe kann man
die Quitte verwenden. Hier dazu ein Rezept zum Nachkochen.
PS: Nicht erwähnt habe ich, dass die Quitte
auch eine schöne Frucht zum Anschauen ist!
So wurde sie in mehreren Stilleben des Malers
Vincent Van Gogh um 1888 in Öl gemalt.
0,5 kg Quitten
2
Äpfel
1
Zwiebel
1
Esslöffel Olivenöl
1 l
Gemüsebouillon
etwas Salz, Pfeffer und
geriebenen Ingwer
1 dl Crème fraiche
Zubereitung
Zuerst werden die Quitten geschält
und in Scheiben geschnitten.
Gehackte Zwiebeln in Olivenöl
andünsten. Die Quitten und Apfelstückchen beigeben und Farbe
annehmen lassen. Mit Gemüse­
bouillon ablöschen und kochen
bis sie weich sind. Ingwer beigeben
und würzen. Mit dem Mixer pürieren
und durchs Passevite verdrücken.
Abschmecken und Crème fraiche
dazugeben …
Probieren Sie dieses Rezept aus!
Ä güätä Appetit … winscht allu …
Michel Villa
Peak45 12/2014 ..... 37
Schoch Schoch ...
und sie spinnt doch ...
bischmu > flüstern / raunen
spinnsch > spinnen / umg. für verrückt
meeju > Gras mähen
Sägesa > Sense
keersch sus? > hörst du es?
altvättrisch > altmodisch
d’alt Schmidja > Figur der gleichnamigen Walliser Sage
38
Die Armen Seelen «bischmund»
in den Rauhnächten
Text: Luciana Brusa (1979) aus Visp ist Nachrichtenredaktorin
und -sprecherin beim Schweizer Radio und Fernsehen SRF in Bern
sowie freischaffend als Regisseurin und Autorin bei Theater
und Hörspielen tätig.
« Spinnsch?»
Was nach einer Frage klingt, war für meine Eltern mehr
eine Feststellung. «Spinnsch?!» Als ich mit fünf Jahren
alleine zum Coiffeur ging und mir die langen Haare zu
einer frechen Kurzhaarfrisur schneiden liess. «Spinnsch?!»
Als ich mit 14 in die Disco wollte – mit einem gefälschten
Ausweis. Und «Jetzt spinnsch wirklich.» als ich mir mit
20 ein Tattoo stechen liess. Heute kann ich dieser «Fest stellung» zustimmen: Ja, ich spinne.
«Meeju isch wiä meditiäru»
Leo mit dem lichten, weissen Haar, der mit seinen 74
Lenzen noch immer eine bewundernswert jugendliche
Lebenslust ausstrahlt, hat mir im letzten Sommer eine
seiner Weisheiten offenbart. «Meeju» mit der «Sägesa»
sei so ähnlich wie meditieren. Seine graublauen Augen
glitzerten und um seine Mundwinkel zuckte es vergnüg lich während er mich in das Geheimnis einweihte.
Er lehrte mich die wiederkehrenden Bewegungen, das
Schwingen der Arme in gemächlichem Rhythmus, an
den sich die Atmung anpasst. Er machte mich aufmerk sam auf das Geräusch, das entsteht, wenn die scharfe,
gebogene Klinge durch das grüne Meer aus taufrischem
Gras und bunten Wiesenblumen rauscht. «Keersch sus?»
sch-h sch-h sch-h sch-h. Sich in diese Feldarbeit zu ver tiefen, hilft, Gedanken wegzublasen wie einen verwelkten
Löwenzahn. Wie die Aberhundert kleinen Schirmchen
der Pusteblume schweben die Gedanken übers Land und
verschwinden am Horizont. Stille.
Das wollte ich auch! Ungeschickt mit scharfem Werk zeug wie ich jedoch bin, machte ich mich auf die Suche
nach einem anderen «altvättrischum» Handwerk, welches
mir dieselbe Erfahrung verschafft.
« Schoch, Schoch» – es ist kalt,
es ist kalt
Du kennst die alte «Schmidja»? Die Frau, die allein im
Aletschwald lebte, jahrein, jahraus Wolle spann und in
den kalten Wintermonaten die Armen Seelen aus dem
nahen Gletscher in die Stube liess, damit sie sich am
Giltsteinofen aufwärmen konnten. Nach dem Tod der
Alten begleiteten die Geister sie in einem schier endlosen
Lichterzug ins Jenseits – zum Dank für ihre Barmherzig keit zu Lebzeiten.
Ich bewundere die Furchtlosigkeit der Frau und dass es
für sie ganz natürlich war Geister zu hören «Schoch,
Schoch, d’alt Schmidja spinnt noch», die Verstorbenen in
ihr Haus und in ihr Leben zu lassen.
Ich stelle mir die «Schmidja» vor, wie sie in ihrer schwarzen
Tracht am warmen Ofen sitzt, einen gestrickten Umhang
über den gebeugten Schultern, den Rosenkranz betend.
Während draussen der Wind über Schneewechten jagt
und heult, als wäre er hinter etwas her, das dem mensch lichen Auge verborgen bleibt. In der Stube schnurrt das
Spinnrad und um die Spule wickelt sich Reihe um Reihe
das Garn, das durch die wissenden Finger der Alten gleitet.
Raum und Zeit verlieren an Bedeutung. Um sie herum
verschwimmt die Grenze zwischen dem Diesseits und
dem Jenseits. Sie ist.
Es heisst in den zwölf Rauhnächten zwischen Weihnachten
und dem Dreikönigstag sei es allen Menschen möglich
zu hören, wie die Geister «bischmund». Jetzt dreht sich
das Spinnrad in meiner Stube. Auf der Spule sammelt
sich Wolle von Walliser Schwarznasenschafen, die sonst
vielleicht verbrannt worden wäre. Spinnen ist wie medi tieren, ist mystisch. Ziehen und loslassen, ziehen und
loslassen. Reih um Reih um Reih.
PEAK45 12/2014 ..... 39
Im F
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GSCHPÄSSIG
Der Verein Peak45 lanciert am
4. Global Forum Wallis den Peak45-Pitch
Text: Philipp Schmid (1964) ist dipl. Natw. ETH (Fachrichtung Biotechnologie) und heute als Unternehmer, Projekt- und Eventmanager tätig. Er ist Initiant des Global Forum Wallis und des Peak45.
Anlässlich des 4. Global Forum Wallis im Schloss Leuk hat der
Verein Peak45* den Peak45-Pitch «Pack dini Chance» lanciert.
Mit diesem unterstützt der Verein aktiv interessante Geschäftsideen
aus dem Wallis für das Wallis.
Der Peak45-Pitch gibt (Jung-)Unternehmern als PitchSteller die Möglichkeit, dem Verein Peak45 eine Geschäftsidee vorzustellen. Gefällt diese dem Verein, erhält
die Unternehmerin oder der Unternehmer im Gegenzug
für eine Beteiligung an seinem Unternehmen eine Mit­
finanzierung und Zugang zum Know-How und Netzwerk seiner Mitglieder. Der Verein nimmt dabei eine
aktive Rolle ein und setzt vor allem auf nachhaltige Unterstützung.
Der Verein Peak45 lädt Pitch-Steller ein, ihre Anmeldung
mit dem Beschrieb der Geschäftsidee beim Verein
einzureichen. Der Beschrieb soll maximal eine A4-Seite
betragen, interessant und überzeugend gestaltet sein.
Sie/Er muss erklären, was das Geschäftsmodell einzigartig
macht, das Ziel möglichst klar und eindeutig beschreiben und auch Angaben zu den Finanzen machen. Zudem
sollen die Pitch-Steller beschreiben, was sie befähigt,
erfolgreich zu sein.
Der Vorstand des Vereins selektiert die eingegangenen
Anmeldungen. Anschliessend haben die vorselektierten
Pitch-Steller die Möglichkeit, ihre Geschäftsidee vor
dem Verein zu präsentieren: Dafür findet im Verlaufe des
März 2015 der erste Peak45-Pitch Event statt.
*
Der Verein Peak45 unterstützt die Entwicklung und Realisation
von Projekten im und für das Wallis, mit oder ohne Beteiligung
von weiteren Institutionen, Organisationen und Personen.
40
«Pack dini
Chance»
Nähere Informationen über den Peak45-Pitch
Verein Peak45
c/o GFW Development AG
Marco Dirren
Hauptplatz 4
CH-3953 Leuk-Stadt
Tel. 079 446 07 62
[email protected]
Stichwort: «Peak45-Pitch»
Peak45 12/2014 ..... 41
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Global Forum Wallis Der lange Weg auf den Gipfel
Text: Kurt Schnidrig (1953) ist als Germanist Dr. phil Professor für Deutsche Literatur und Kommunikation an der HFMS Siders. Zudem ist er freier Mitarbeiter mit Schwerpunkt «Literatur» und Präsident von «Kinder-und Jugendmedien Wallis».
Edward Whympers
Kampf ums Matterhorn
«Um Viertel vor 2 Uhr lag die Welt zu unseren Füssen,
und das Matterhorn war besiegt. Hurra! Nicht ein
Fussstapfen unserer italienischen Nebenbuhler war zu
sehen.» (Edward Whymper in seinem Alpinklassiker
«Matterhorn. Der lange Weg auf den Gipfel»).
Unglaubliches hatte sich ereignet an diesem 14. Juli 1865.
Edward Whympers Siebner-Seilschaft gelang die Erstbesteigung des Matterhorns. Sie wählte den Weg über den
Hörnligrat auf die Schulter, und im Bereich der heutigen
Fixseile wich sie in die Nordwand aus. Edward Whymper stand als Erster auf dem Gipfel. Kurz nach ihm erklomm der Bergführer Michel Croz (aus Chamonix) den
Gipfel, Reverend Charles Hudson, Lord Francis Douglas,
D. Robert Hadow (alle aus England) sowie die Zermatter
Bergführer Peter Taugwalder Vater (genannt der «alte
Peter») und Peter Taugwalder Sohn (der «junge Peter»)
folgten. Beinahe 4500 Meter hoch ist das Matterhorn, es
steigt in Reihen von senkrechten Felswänden volle 1500
Meter über die Gletscher auf, welche seinen Fuss umfliessen. Der Berg galt bis dahin als unbezwingbar. Neben
den schier unmenschlichen bergsteigerischen Anforderungen – die Londoner Times wird später den Angriff
aufs Matterhorn als «kriminellen Akt» werten – galt es
aber auch noch gegen einen unsichtbaren Feind anzukämpfen. Gegen den damaligen Aberglauben nämlich.
Stadt auf dem Gipfel
Rund um den Berg schien ein Bannkreis gezogen zu sein,
bis zu dem man gehen konnte, weiter aber nicht. Jenseits
des Bannkreises hausten die Geister der Verdammten.
Die abergläubischen Bewohner der angrenzenden Täler
sprachen häufig von einer Stadt auf dem Gipfel, die zwar
in Trümmern liege, die aber immer noch von Geistern
bewohnt werde. Sie zeigten auf die Türme und Mauern,
die man ja mit blossem Auge erkennen könne und sie
warnten vor einer Besteigung des Berges, weil die gräss-
42
lichen Teufel todbringende Felsen auf die wahnwitzigen
Gipfelstürmer schleudern würden. So kam es, dass vor
150 Jahren nur gerade zwei Alpinisten echte Gipfelambitionen aufs Matterhorn hegten. Eine Schlüsselperson in
der Geschichte des Matterhorns ist der Haudegen Johann
Anton Carrell. Er hat die ersten Versuche von der italienischen Seite her unternommen. Für seinen Kontrahenten,
Edward Whymper, waren die einzigen Gipfel, die wirklich interessant waren, nur diejenigen, die umkämpft
sind. Das war schon der Fall beim Monte Viso, wo man
ihm zuvorkommt, bei der Barre des Ecrins und auch bei
der Aguille Verte, die er als Erster bezwingt. Schade nur,
dass die Gipfel-Euphorie an jenem 14. Juli 1865 ein
furchtbares Ende fand.
«Das Spiel ist aus, der Vorhang fällt»
Der Abstieg der Erstbesteiger beinhaltet alles, was eine
antike Tragödie ausmacht: Dramatik, Mystik, Schicksal
und Katastrophen. Whympers Überlieferung ist nicht
über alle Zweifel erhaben. Er benötigte sechs Jahre, um
sein Werk zu schreiben. Und er blendet Entscheidendes
aus. Als gesichert können die folgenden Erzählpassagen
gelten:
An einer schwierigen Stelle des Abstiegs legt Bergführer
Michel Croz sein Beil zur Seite. Er beschäftigt sich mit
dem Engländer Hadow, um ihm grössere Sicherheit zu
geben. Michel Croz fasst Hadow an den Beinen und
bringt seine Füsse, einen nach dem anderen, in die richtige
Position. Dann will sich Croz umdrehen um einen Schritt
weiterzugehen. Da gleitet Hadow aus, fällt gegen Croz
und wirft ihn um. Croz und Hadow fliegen abwärts, der
Ruck des Seils holt die nachfolgenden Engländer Hudson
und Lord Douglas von den Beinen, auch sie stürzen ab.
Hinten stemmen sich der alte Peter Taugwalder und
Whymper gegen den Ruck des Seils. Die beiden halten
Stand, aber zwischen dem alten Peter und Lord Douglas
«reisst» das Seil. Croz, Hadow, Hudson und Lord
Douglas stürzen von Felswand zu Felswand auf den
Matterhorngletscher, in eine Tiefe von 1200 Metern hinunter. Böse Gerüchte werden später die Nachricht verbreiten, dass der alte Taugwalder das Seil durchschnitten
habe.
Die «rache des Matterhorns»
Nach dem Sturz weinen die drei Überlebenden wie die
Kinder, sie sind vom Schreck gelähmt. Whymper lässt
sich (nach eigener Erzählung) das «zerrissene» Seil geben
und er fi ndet zu seinem Entsetzen, dass es das schwächste
und älteste der drei Seile war, die man mitgenommen
hatte. Dann setzen die drei traumatisiert den Abstieg
fort. Plötzlich sehen sie eine wundersame Erscheinung:
Ein mächtiger Regenbogen zeigt sich, der über dem Liskamm hoch in die Luft aufsteigt. Und Whymper berichtet mit Schaudern: «Wir erschraken, als zu beiden Seiten
zwei ungeheure Kreuze hervortraten,
deren allmähliche Entwicklung wir
mit Staunen beobachteten. Es war
ein furchtbarer und wunderbarer
Anblick…»
Das Matterhorn war ein hartnäckiger
Feind, wehrte sich lange, teilte manchen schweren Schlag aus, und als es
endlich mit Leichtigkeit besiegt
wurde, da nahm es als heimtückischer Gegner, der überwunden, aber
nicht zermalmt ist, eine fürchterliche
Rache.
Die Taugwalders werden fortan wie Aussätzige behandelt. Man beschuldigt den alten Taugwalder, das Seil
abgeschnitten zu haben. Mit 54 Jahren wandert der Alte
nach Amerika aus, ohne Frau und Kinder. Bis zu seinem
Tod hüllt er sich in Schweigen. Der junge Taugwalder
ertrinkt später unter mysteriösen Umständen im Schwarzsee. Niemand mehr wollte mit ihm in einer Seilschaft
gehen. Und Whymper? Nach dem Matterhorn wollte er
keine Gipfelbesteigungen mehr durchführen. Er begnügte
sich mit langen Wanderungen in den Alpen und er tolerierte dabei niemals mehr andere britische Bergsteiger an
seiner Seite.
Zum Schluss seines erschütternden Berichts hinterlässt
Edward Whymper einen Aufruf an die Nachwelt: «Ersteigt
die Hochalpen, wenn ihr wollt, aber vergesst nie, dass
Mut und Kraft ohne Klugheit nichts sind und dass eine
augenblickliche Nachlässigkeit das Glück eines ganzen
Lebens zerstören kann.»
edward Whymper: Matterhorn.
Der lange Weg auf den Gipfel.
Einführung von Sylvain Jouty.
288 Seiten, 75 Abb. ISBN 978-3-909111-14-9.
2015: 150 Jahre Matterhorn erstbesteigung.
Zu diesem Anlass erscheint der Alpin-Klassiker von
Edward Whymper in dritter, überarbeiteter Auflage.
Peak45 12/2014 ..... 43
5 gr
ren
liter
ges
kraf
wie
spiis
kult
spor
port
glo
gast
LITEraTur
das Wallis diesen Winter zu besuchen.
© Va l a i s / W a l l i s P r o m o t i o n
© O b e r g o m s To u r i s m u s
Texte bereitgestellt von Valais/Wallis Promotion
TIPP 1
Nächster Halt –
Walliser
Wintermärchen
Zug verpasst?
Kein Problem, denn der Nächste steht bereits in
den Startlöchern. Denn ab Dezember 2014 fahren
die Züge der Matterhorn Gotthard Bahn zwischen
Fiesch und Zermatt im Halbstundentakt. Die
Reise mit dem rot-weissen Erlebniszug durch die
inspirierende Walliser Landschaft wird also noch
bequemer. Sei es ins mondäne Zermatt mit dem
weltbekannten Matterhorn, zum ewigen Eis des
Grossen Aletschgletschers oder ins Langlaufparadies
im Goms. Und apropos Langlauf … Neu ist in allen
Loipentickets die Bahn zwischen Oberwald und
Fiesch inbegriffen. Jede Haltestelle der Matterhorn
Gotthard Bahn bietet direkten Zugang zur Loipe.
44
TIPP 2
Musik liegt in der
Höhenluft
Chris de Burgh, alanis Morissette,
amy Macdonald, lionel richie, seal,
Mando diao und viele mehr …
Das fünftägige Akustik-Festival «Zermatt
Unplugged» hat schon unzählige internationale Stars in seinen Bann gezogen und
gehört in den Terminkalender jedes
Musikliebhabers. Jährlich zieht das 2007
gegründete Festival bis zu 17 000 Besucher
an. Nicht nur das Gelände am Fuss des
Matterhorns macht das «Zermatt Unplugged»
zu einem Kleinod, das seinesgleichen sucht.
Hier treffen internationale Künstler mit
Renommee auf junge Nachwuchstalente –
und alle Gigs sind unplugged. Die nächste
Ausgabe fi ndet vom 14. bis 18. April 2015
statt.
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WaLLIS TIPPS
© Va l a i s / W a l l i s P r o m o t i o n
TIPP 3
Preise wie vor 30 Jahren
saas-Fee dreht in dieser Wintersaison die Zeit zurück bis ins Jahr 1984.
Denn exakt vor 30 Jahren wurden im Gletscherdorf zwei Projekte
realisiert, die massgeblichen Einfluss auf den Tourismus im Saastal
haben sollten. So veröffentlichte die Musikgruppe Wham! um Sänger
George Michael im Dezember 1984 den in Saas-Fee gedrehten Video
zum Welthit «Last Christmas». Und nur wenige Tage später erfolgte
die Eröffnung der «Metro Alpin», der bis heute höchsten unterirdischen
Standseilbahn der Welt. Um diese beiden Jubiläen sowie «165 Jahre
erster Skifahrer der Schweiz» zu feiern, präsentiert das Saastal vom
10. bis 23. Januar 2015 neben einem thematischen Rahmenprogramm
© Va l a i s / W a l l i s P r o m o t i o n
auch Pauschalangebote, die Übernachtung und Skipass zu Preisen wie
vor 30 Jahren anbieten.
© Thermalbad Brigerbad
TIPP 5
TIPP 4
New Brigerbad
Und wo geht’s
heute hin?
ein skiabonnement für das ganze Wallis!
Nach der erfolgreichen Premiere in der
letzten Saison wird der «Snowpass
Wallis» auch in der Wintersaison 2014/15
erhältlich sein und gar mit einer zusätzlichen Option ergänzt. Denn neu kann
auch der sogenannte «Snowpass 6 Tage
limited» bezogen werden. Wintersportler
geniessen so während einer Woche einen
eintauchen, durchatmen, ausspannen.
komfortablen Zutritt zu den Skigebieten
Pünktlich auf Silvester wird das Brigerbad als rundum
im Wallis. Dieses neue Angebot kann
erneuerter Wellnesstempel im Ganzjahresbetrieb
bei fast allen Walliser Bergbahnen oder
eröffnet. Der Spatenstich zu den Um- und Erweiterungs-
auf der Webseite www.bestofsnow.ch
bauten erfolgte bereits im September 2013. Nun bietet
bestellt werden. Auch die bewährte Valais
das «New Brigerbad» seinen Gästen insgesamt sieben
Skicard, die neben den Skigebieten auch
Bereiche: Schulsportbecken, Thermalbad, Grotte mit
Zugang zu fünf Thermalbädern sowie zu
Spa-Bereich, Wellness, Bio-Bar, Empfangshalle und
der Fondation Gianadda in Martinach
Restaurant. Mit dem Bau von «New Brigerbad» wird
bietet, bleibt erhalten.
das Thermalbad- und Wellnessangebot im Wallis
weiter ausgebaut und verstärkt.
Peak45 12/2014 ..... 45
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valmedia AG | Kantonsstrasse 55 | 3930 visp
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«Peak45– Magazin für Walliser
Lebensart» erscheint zweimal jährlich
(Juni / Dezember)
Die Zeitschrift und alle darin enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Die Wiedergabe von Artikeln und Bildern,
auch auszugsweise oder in Ausschnitten, ist nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion gestattet. Für unverlangt eingesandtes Text- und
Bildmaterial wird keine Haftung übernommen.
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PEAK45 LIMITED EDITION 1815 – 2015
200 JAHRE EIDGENOSSENSCHAFT
200 PAAR SWISS HANDMADE SKI
Unterstützung bei der Umsetzung von
innovativen Projekten
Beratung und finanzielle Unterstützung
für Unternehmer
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Technologien
Animation und Vernetzung unter den
Wirtschaftsakteuren
www.business-valais.ch
[email protected] - +41 27 606 73 91
Im Jahr 2015 feiert der Kanton Wallis das 200-Jahr-Jubiläum seines Beitrittes zur Schweizerischen
Eidgenossenschaft. Aus diesem Grund entwickelt und vertreibt der Verein Peak45 zusammen mit der RTC Ski AG
die spezielle, auf maximal 200 Exemplare limitierte Ski-Edition «Peak45 Limited Edition 1815 – 2015».
FOLGENDE ZWEI MODELLE WERDEN ANGEBOTEN:
Crossride Edition mit Bindung Salomon Speed Z-12
Preis: CHF 1‘790.–
Classic Edition mit RTC 4-Achse Platte und
Bindung Salomon SC-Z-12 TI
Preis: CHF 2‘080.–
Jeder der 200 Paar Ski wird mit der von Ihnen gewählten
Nummer zwischen 1815 und 2015 versehen.
Sichern Sie sich also Ihre Nummer möglichst sofort.
Am Besten Sie testen den „Peak45 Limited Edition
1815 – 2015“ -Ski anlässlich eines RTC Skitests.
Daten unter www.rtc-ski.ch
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an die RTC Ski AG ([email protected]; 027 924 58 58) oder an Philipp Schmid ([email protected]; 079 221 17 05)
Dezember 2014 | Nr. 2 | www.peak45.ch
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