Wirtschaftsfaktor Tourismusindustrie

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Wirtschaftsfaktor Tourismusindustrie
ERFURT – JENA – WEIMAR
20 WirtschaftsKurier
MÄRZ 2009
Wirtschaftsfaktor Tourismusindustrie
Weimar | Kompetenznetzwerke
in der kleinsten Kulturstadt Europas
gener Mix kleiner und mittelständischer
Unternehmen mit einem großen Anteil
hoch qualifizierter Arbeitskräfte kennzeichnet die Arbeitswelt in Weimar.
VON PHILIPP TRÖBINGER
W
eimar wurde im Jahr 1998 in die
UNESCO-Welterbeliste aufgenommen und ist mit 64 000 Einwohnern die kleinste Kulturstadt Europas.
Der bedeutende kulturelle und historische
Hintergrund hat der Klassikerstadt ein positives Image beschert. Weimar hat sich als
herausragende Marke etabliert und ist das
wichtigste Ziel für Städtetourismus in
Thüringen. Die Tourismusindustrie ist
ein wesentlicher Faktor des Wirtschaftsstandorts. Von ihr gehen positive Impulse auf andere Branchen wie Handel,
Gastronomie und Dienstleistungen aus.
Das Interesse an Geschichte, Kunst und
Kultur lockt jährlich 3,5 Mio. Touristen in
die Kulturstadt – eine halbe Mio. Menschen übernachten Jahr für Jahr in den
Hotels und Pensionen. Das kulturelle
Angebot der Stadt ist enorm und ein
entscheidender „weicher Standortfaktor“: Mit dem europäischen Kunstfest,
Premieren im Deutschen Nationaltheater, dem Kleinkunstfestival im Köstritzer Spiegelzelt, dem Weihnachts- und
Zwiebelmarkt, der Museumsnacht sowie
mit unzähligen großen und kleinen Kulturereignissen lebt das „märchenhafte
Weltdorf“ in der Mitte Deutschlands seine Kultur.
Zentrale Lage und eine sehr
gute Infrastruktur
Weimar verfügt durch die Direktanbindung an die A4, einen eigenen ICE-Bahnhof sowie die unmittelbare Nähe zum
Flughafen Erfurt über eine sehr gute Infrastruktur. Die Nachbarschaft zur Landeshauptstadt Erfurt sowie zur Wissenschafts-
Regionale Expertise in
Kompetenznetzwerken
Das Goethe- und Schiller-Denkmal auf dem Theaterplatz in Weimar. Das kulturelle Angebot lockt jährlich Besucher aus der ganzen Welt in die Klassikerstadt. Der
Tourismussektor charakterisiert das wirtschaftliche Profil der Stadt und strahlt positive Impulse auf andere Branchen aus.
Foto: Fotolia
stadt Jena ist ein weiterer Pluspunkt der
zentralen Lage – zusammen bilden die
drei Städte mit dem Kreis Weimarer Land
die ökonomisch aufstrebende „ImPulsRegion“ in der Mitte Deutschlands. Ziel der
kommunalen Arbeitsgemeinschaft ist es,
die Region Erfurt-Weimar-Jena zu einem
attraktiven und lebenswerten Standort weiterzuentwickeln. Im Rahmen der ImPulsRegion positioniert sich Weimar als Teil der
Metropolregion Sachsendreieck. Weimar
und seine Gewerbegebiete gliedern sich
in die Städtereihe Eisenach-Gotha-Erfurt-Weimar-Jena entlang der Bundesautobahn A4 ein. Diese Städteachse gilt
als die wirtschaftliche Hauptentwicklungsachse Thüringens. Die Nähe zu
weiteren Gewerbegebieten in Apolda
und Ulla/Nohra schreiben Weimar eine
zusätzliche Zentrumsfunktion zu.
Weimar hat viel zu bieten: eine hohe
Lebensqualität, moderne und traditionsreiche Hochschulen, ein breites Bildungs- und Kulturangebot, eine beliebtes
Kongresszentrum und ein gut funktionierende Wirtschaft. Die Kulturstadt ist ein
hervorragender Dienstleistungsstandort.
Das Arbeitsleben in der Stadt ist durch
eine hohe Zahl an Freiberuflern wie zum
Beispiel wirtschaftsnahe Dienstleister,
Kommunikations- und Medienunternehmer oder Architektur- und Ingenieurbüros geprägt. Das Tourismussegment ist
ein besonders dominanter Wirtschaftszweig in der Kulturstadt. Zu den wichtigen Branchen in Weimar zählen daneben
der Maschinen- und Anlagenbau, die
Bautechnologie, die Metallverarbeitung,
die Medienwirtschaft, die Nahrungsmittel- und Pharmaindustrie. Ein ausgewo-
Zu den bekannten Unternehmen in
der Stadt zählen beispielsweise Schering,
Coca-Cola, R. Stahl Schaltgeräte, Härterei
Reese und Hydrema. Auch der Discounter
Aldi-Nord ist mit einer Regionalniederlassung und einem Zentrallager am Weimarer Standort ansässig. Zur Entwicklung
des Wirtschaftsraums Weimar-Weimarer
Land wurde ein Masterplan für die Region
ins Leben gerufen. Dieses Konzept soll gemeinsame Projekte und Veranstaltungen
sowie ein einheitliches Außenmarketing
fördern und die regionale Expertise in
Kompetenznetzwerken bündeln. Die regionalen Cluster arbeiten in den Bereichen
Chemie/Kunststoffe, Nahrungsmittelindustrie und Tourismus zusammen.
Der Hochschulstandort Weimar bildet
einen klaren Orientierungsrahmen für
forschungs- und technologieintensive
Unternehmen aus den Bereichen Maschinenbau, Bauwesen, Optik, Medizin/
Pharma, Elektrotechnik und Elektronik.
Die Bauhaus-Universität Weimar und
die Hochschule für Musik Franz Liszt
genießen deutschlandweit einen exzellenten Ruf – etwa 5 000 Studenten studieren in der Kulturstadt. Die Vernetzung
der traditionsreichen Bauhaus-Universität und wirtschaftsnahen Forschungseinrichtungen mit den lokalen Unternehmen wirkt profilbestimmend für die
innovativen Kompetenznetzwerke der
Stadt Weimar.
Zukunftsweisende Ansiedlungspolitik: Hightech aus Jena
Jena | Führendes Zentrum der Biotechnologie
N
eben Erfurt und Ilmenau gehört
Jena zu den drei Städten des sogenannten Thüringer Technologiedreiecks. Die effektive Kooperation von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft ermöglicht neuen Technologien seit Jahren erstaunliche Markterfolge. Forschungsarbeit
und Unternehmergeist ergänzen sich hier
hervorragend. Die Förder- und Ansiedlungspolitik in Thüringen hat sich als zukunftsorientiert und erfolgreich erwiesen.
Mit einem dichten Netz an Hochschulen
sowie wirtschaftsnahen, universitären und
außeruniversitären Forschungseinrichtungen avanciert Thüringen zu einem der bedeutendsten Forschungs- und Technologieregionen in Europa. Die Glas- und Optikindustrie hat seit dem 19. Jahrhundert
eine traditionsreiche Vergangenheit in Jena
und die einschlägigen Unternehmen sind
heute international bekannt. Die Entwicklung neuer Produkte und hoch spezialisierter Instrumente für medizinische, astronomische und technologische Forschung war
hier schon immer zu Hause. Unternehmen
wie die Jenoptik AG oder die Schott Jenaer
Glas GmbH mit Sitz in Jena verfügen über
die modernsten Optiktechnologien weltweit. Auch in der Solarindustrie hat sich
Jena zu einem Top-Standort entwickelt.
Die lokalen Unternehmen decken die
gesamte Wertschöpfungskette im Bereich
der Solartechnik ab. Solarenergie ist ein
zukunftsorientierter Energieträger mit einem enormen Entwicklungspotenzial. Die
Wacker Schott Solar
GmbH in Jena ist einer der Technologieführer in der Photovoltaik-Industrie. Das
innovative Gemeinschaftsunternehmen
von Wacker Chemie
AG und Schott Solar
AG hat sich auf die
Entwicklung, Herstellung sowie auf den
Vertrieb von multikristallinen Siliziumwafern im Photovoltaik-Segment spezialisiert. Die vom Joint
Venture hergestellten
Wafer sind das Ausgangsmaterial
für
polykristalline Solarzellen. Wacker Schott
Solar treibt den Kapazitätsausbau für Solarwafer weiter voran
und will in diesem
Sektor einer der größ- Jena als „Boom-Town des Ostens“: ein attraktiver Standort der Biotechnologie.
ten Hersteller werden.
Das neue Werk am Standort Jena wurde
In der internationalen Lasertechnologie
im Bereich der Kristallzucht ist für 2009
im April 2008 in Betrieb genommen –
genießt der Standort Jena einen exzellenein weiteres Werk in Jena geplant. Der
160 neue Arbeitsplätze wurden geschaffen.
ten Ruf. Hier hat auch die Asclepion Laser
Ausbau der Produktionskapazitäten läuft
Technologies GmbH, ein führendes Unterbei Wacker Schott Solar auf HochtouDa die Nachfrage der Photovoltaik-Kunnehmen der internationalen mediziniren – die langfristigen Verträge mit ausden ungebrochen hoch ist, wird auch die
schen Lasertechnologie, ihren Sitz. Seit
gewählten Kunden wurden zum Teil bis
Zahl der Beschäftigten bis Ende 2009 stei25 Jahren bietet das Unternehmen in ste2017 abgeschlossen.
gen. Für die Erweiterung der Kapazitäten
tiger Weiterentwicklung ein breites
Spektrum an Lasergeräten für dermatologisch sowie ästhetisch orientierte
Praxen,
Institute
und Kliniken an.
Mit den Produkten
von Asclepion Laser
Technologies sind
Hautbehandlungen
wie beispielsweise
das Entfernen von
Tattoos, Pigmentflecken oder Haaren
möglich. Das hohe
technologische
Know-how, die aktive Kooperation mit
deutschen Universitäten und Forschungsinstituten
als auch die kontinuierlichen Innovationen haben das
Foto: Stadt Jena Unternehmen zum
Synonym für Laser
„made in Germany“ gemacht. Asclepion
Laser Technologies ist zu einem herausragenden Unternehmen der Optikindustrie
gewachsen, da es nicht nur entwickelt,
sondern auch produziert und einen umfassenden technischen Service betreut. Die
Firma mit Hauptsitz in Jena generiert
60 % ihres Umsatzes im Ausland und hat
mit etwa 1 000 installierten Lasersystemen
auch in Deutschland ihren festen Platz. Zu
den Hauptmärkten zählen insbesondere
Europa, Asien und die Vereinigten Staaten.
Jena als „Boom-Town des Ostens“ hat
sich zu einem führenden Zentrum der
Biotechnologie entwickelt. Der BioInstrumente Jena e. V. als Interessenvertretung
der lokalen Biotechnologiebranche kann
auf eine erfolgreiche Entwicklung zurückblicken. Gemeinsam mit dem Thüringer
Wirtschaftsministerium koordiniert der
Verein den BioInstrumente-Cluster. Die
Cluster-Initiative unterstützt seit Jahren die
Biotech- und Pharma-Unternehmen vor
Ort auf mehreren Ebenen: Kooperationsförderung, gezieltes Informationsmanagement, Vernetzung, Gründungsförderung,
Unterstützung der Forschungsgemeinschaft und gemeinsames überregionales
Marketing. Ziel ist die kontinuierliche Weiterentwicklung der Clusterstrategie, um
neuen Marktbedingungen stets gerecht zu
werden. Das Clusterkonzept ist seit seinem
Bestehen erfolgreich und hat Jena zu einem attraktiven Standort der Biotechnologie gemacht. Zahlreiche Biotechnologieunternehmen haben hier ihren Hauptsitz
und arbeiten Hand in Hand mit renommierten Forschungsinstituten. Unternehmen wie Analytik Jena, Bioletic oder Cybio
sind international bekannt und stehen für
die Qualität des Biotechnologie-Standorts
Jena.
pht
Vielseitige Kompetenzen in der Mitte Deutschlands
Erfurt | Mikrosystemtechnik und Photovoltaik prägen den Wirtschaftsstandort
D
ie Landeshauptstadt Erfurt ist das
politische, wirtschaftliche und
auch das kulturelle Zentrum Thüringens. Ihre zentrale Lage in Deutschland
und Europa sowie die gut ausgebaute
Infrastruktur sind das entscheidende Fundament für die Entwicklung als Wirtschafts- und Logistikstandort. Die lokalen
Unternehmen schätzen die Lage an der
Schnittstelle der großen Verkehrswege der
Ost-West- als auch Nord-Süd-Achse: Durch
den Ausbau der A71 werden die Autobahnen A4 und A9 ergänzt. Die zukünftige
ICE-Trasse von Berlin über Erfurt nach
München sowie der internationale Flughafen binden Erfurt sehr gut an die europäischen Metropolen an.
Die Thüringer Landeshauptstadt entwickelte sich zu einer modernen Industrie-,
Dienstleistungs-, Handels-, Messe- und
Universitätsstadt. Der Gastronomie- und
Handelssektor profitiert von der Anziehungskraft des historischen Stadtkerns: Erfurt bietet ein vielseitiges kulturelles Programm und zieht jährlich viele Besucher
an. Die traditionsreiche Firma N.L. Chrestensen hat der Stadt unter anderem den
Titel „Blumenstadt“ beschert. Das innovative Zucht- und Handelsunternehmen
züchtet in Labors mit modernster Biotechnologie Saatgut und beliefert Handelspartner in der ganzen Welt mit seinen bekannten Produkten. Der Wirtschaftsstandort
Erfurt ist durch einen ausgewogenen Mix
aus produzierendem Gewerbe, Dienstleistungsbetrieben und Einzelhandel geprägt.
Kleine und mittlere Unternehmen dominieren den Standort – etwa 13 000 Betriebe
stellen über 135 000 Arbeitsplätze. Firmen
der verschiedensten Branchen sind in der
Landeshauptstadt ansässig und charakterisieren das wirtschaftliche Profil rund um
Erfurt. Die regionalen Kernkompetenzen
der Erfurter Region liegen in den Segmenten Mikroelektronik, Mikrosystemtechnik,
Photovoltaik, Maschinen- und Anlagenbau,
Logistik, Landwirtschaft, Nahrungsgüterindustrie, Gartenbau und Medienproduktion.
Innovative Unternehmen der Mikrosystemtechnik und Photovoltaik prägen zunehmend den Wirtschaftsstandort. Universitäten und industrienahe Wissenschafts- und
Forschungseinrichtungen im Technologiedreieck Erfurt-Jena-Ilmenau arbeiten eng
Produktion der Modules (Solarmodule) bei ErSol in Erfurt.
Foto: ErSol
mit diesen Firmen zusammen und bündeln
somit die regionale Branchenexpertise.
Erfurt hat sich zu einem bedeutenden
Industriestandort entwickelt. 17 erschlossene Gewerbegebiete rund um Erfurt bieten Unternehmen gute Infrastrukturen
und Ansiedlungsmöglichkeiten. Zu den bekannten Betrieben vor Ort sind beispielsweise die Maschinenbaufirma Müller
Weingarten AG, der Halbleiterproduzent
X-FAB Semiconductor Foundries AG, die
Erfurter Malzwerke GmbH, die Braugold
Brauerei, die E.ON Thüringer Energie AG,
die ErSol Solar Energy Aktiengesellschaft,
die Funkwerk AG oder die Milchwerke
Thüringen GmbH zu nennen. Außerdem
weist Erfurt eine hohe Dichte an IT-Dienstleistern wie etwa IBM Deutschland Customer Support Services oder T-Systems auf.
Die Thüringer Hauptstadt hat sich auch einen Namen im Bereich der Kindermedien
gemacht: Der Kinderkanal (ARD/ZDF) und
das Kindermedienzentrum haben ihren
Sitz in Erfurt. Zahlreiche Medienunternehmen – unter anderem das Landesfunkhaus des MDR – produzieren am Standort
Unterhaltungsprogramme. So auch die
Media & Communication Systems (MCS)
GmbH Thüringen. MCS Thüringen ist ein
modernes Medien-, Dienstleistungs- sowie
Produktionsunternehmen für Hörfunk und
Fernsehen mit etwa 80 Mitarbeitern. Das
Unternehmen ist für den täglichen Produktions- und Sendebetrieb des Kinderkanals, des Mitteldeutschen Rundfunks
und der Hörfunkwelle MDRT 1 Radio Thüringen verantwortlich. Die Kommission für
Jugendmedienschutz (KJM) und die Thüringer Landesmedienanstalt haben ihren
Sitz am Medienstandort Erfurt.
Die Thüringer Landeshauptstadt ist zudem eine bedeutende Universitätsstadt mit
derzeit etwa 4 000 immatrikulierten Studenten. Die Tradition der Bildungseinrichtung
geht bis ins Jahr 1392 zurück: Schon Martin
Luther hat vier Jahre in Erfurter studiert. Zu
den renommierten Einrichtungen der Universität zählen das Max-Weber-Kolleg für
kultur- und sozialwissenschaftliche Studien sowie die Erfurt School of Public Policy.
Als weitere Bildungseinrichtungen in der
Landeshauptstadt sind die Fachhochschule
mit 4 600 Studenten und die private AdamRies-Fachhochschule zu nennen.
pht