Neue Institutionenökonomik Public Private Partnership
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Neue Institutionenökonomik Public Private Partnership
Neue Institutionenökonomik Public Private Partnership Gewährleistungsstaat Referate der Tagung des Wissenschaftlichen Beirats der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft am 5./6. März 2003 in Berlin Elisabeth Göbel Wolf Gottschalk Jens Lattmann Thomas Lenk Christoph Reichard Martin Weber Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft Berlin 2004 Neue Institutionenökonomie Public Private Partnership Gewährleistungsstaat Referate der Tagung des Wissenschaftlichen Beirats der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft am 5./6. März 2003 in Berlin Inhaltsverzeichnis Seite Neue Institutionenökonomik Elisabeth Göbel Neue Institutionenökonomik und ihre mögliche Bedeutung für die Organisation der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben Thomas Lenk Neue Institutionenökonomik und ihre mögliche Bedeutung für die Organisation der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben (Korreferat) 3-21 22-33 Public Private Partnership zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben, insbesondere auf kommunaler Ebene Wolf Gottschalk Das derzeitige Ausmaß von Public Private Partnership (PPP) in der kommunalen Wirtschaft 34-39 Martin Weber Ausgestaltung und Grenzen von PPP im Hinblick auf die Erfüllung öffentlicher Aufgaben 40-47 Chancen und Risiken des Gewährleistungsstaates Christoph Reichard Das Konzept des Gewährleistungsstaates 48-60 Jens Lattmann Probleme, Risiken und Grenzen des Gewährleistungsstaat-Konzepts 61-73 Anhang: Bericht über die Diskussion der Referate zum Thema Public Private Partnership (Wolf Leetz) 74-92 Die Teilnehmer der Tagung 93 Die Referenten 94 ISBN 3-928615-14-9 Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft Sponholzstraße 11, 12159 Berlin Tel. 030-852 10 45 Fax 030-852 51 11 e-Mail [email protected] http://www.goew.de Berlin 2004 Elisabeth Göbel Neue Institutionenökonomik und ihre mögliche Bedeutung für die Organisation der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben I. Was heißt Neue Institutionenökonomik? 1. Institutionen Zu Beginn meines Vortrags möchte ich klären, was Neue Institutionenökonomik bedeutet. Ich beginne mit dem Begriff der Institutionen. Zu den Institutionen im weitesten Sinne zählt man alle Arten von Regelsystemen, die Menschen ersinnen, um in ihre Interaktionen eine gewisse Ordnung zu bringen. Ohne eine solche Ordnung wäre jede Form von Interaktion sehr schwierig, weil niemand sichere Erwartungen hinsichtlich des Verhaltens eines anderen haben könnte. Wir brauchen Formen des geregelten Miteinanders. Allerdings wird im Allgemeinen nicht jede beliebige Regel als Institution bezeichnet. Zum Wesen der Institution gehört immer eine gewisse Stabilität und Dauer sowie die verbindliche Geltung für einen größeren Kreis von Menschen. Zentrale Institutionen einer Gesellschaft stützen sich oft auf eine ganze Reihe von weiteren formalen und informalen Institutionen und verschiedene Möglichkeiten zu deren Durchsetzung. Die Institutionen gruppieren sich um eine Leitidee, sind oft kulturell tief eingebettet und nur schwer zu ändern. Beispiele für zentrale Institutionen sind: Demokratie, Familie, Privateigentum, Vertrag, Marktwirtschaft. Zusammenfassend kann man sagen: Institutionen sind Systeme von verhaltenssteuernden Regeln bzw. durch diese gesteuerte Handlungssysteme, die Problembereiche menschlicher Interaktion gemäß einer Leitidee ordnen, die für längere Zeit und einen größeren Kreis von Menschen gelten und deren Beachtung auf unterschiedliche Art und Weise durchgesetzt wird. 2. Ökonomik Kommen wir nun zur Ökonomik. Was ist das Besondere am ökonomischen Zugang zu den Institutionen? Nahe liegt die Vermutung, es gehe in der Institu- 3 tionenökonomik (IÖ) um wirtschaftliche Institutionen. Die IÖ würde sich demnach beschäftigen mit Institutionen wie Unternehmen, Märkten, Börsen, Arbeitsverträgen, Kaufverträgen etc. Tatsächlich ist das auch ihr Hauptarbeitsgebiet. Trotzdem liegt darin nicht das entscheidende Abgrenzungskriterium. Was die IÖ ökonomisch macht, ist nicht der Gegenstandsbereich „Wirtschaft“, sondern das Verhaltensmodell vom Menschen. Er wird als Homo oeconomicus verstanden. Gegenstandsbereich Wirtschaft Andere Gegenstandsbereiche wie Recht, Politik, Familie, Bildung,... Verhaltensmodell des Homo oeconomicus Feld I Feld II Andere Verhaltensmodelle (der Psychologie, der Soziologie,...) Feld III Feld IV Die IÖ befasst sich also mit den Feldern I und II. Der Bereich der öffentlichen Wirtschaft oder allgemeiner des staatlichen Handelns gehört demnach selbstverständlich zum Erkenntnisgegenstand der Ökonomik, solange man nur annimmt, dass auch der Mensch im Staatsdienst ein Homo oeconomicus ist. Die Vorstellung vom Homo oeconomicus hat im Laufe der Zeit einen nicht unerheblichen Wandel durchgemacht. Galt er früher als eine Art allwissender Hyperrationalist, sind die Vorstellungen in jüngerer Zeit realistischer geworden. Was zeichnet den Homo oeconomicus aus? (1) Er hat gewisse stabile persönliche Nutzenvorstellungen oder Präferenzen. (2) Er verhält sich intendiert rational, d.h. wenn er sich zwischen zwei oder mehr Möglichkeiten entscheiden muss, dann wählt er die Alternative, die ihm selbst den höchsten Nutzen verspricht. Die Rationalität kann durchaus in dem Sinne begrenzt sein, dass er nicht alle Alternativen kennt, nicht alle relevanten Informationen hat und nicht sicher prognostizieren kann. Aber er kann die Alternativen aufgrund seiner Informationen und seiner Nutzenfunktion transitiv ordnen und er wählt diejenige mit dem für ihn persönlich höchsten Nutzen. (3) Ändern sich die äußeren Handlungsbedingungen (Restriktionen), dann passt er seine Entscheidungen diesen Veränderungen an. Man kann auch ganz allgemein sagen, er reagiert zuverlässig auf Anreize, vor allem auf monetäre Anreize. Wird etwa eine Staugebühr erhoben, wie jüngst in London, lässt er sein Auto öfter stehen und fährt mit dem Rad oder dem Bus. Dieses Verhalten 4 muss nicht immer und für jeden gelten, aber es muss doch als deutlich dominant erwartet werden können. (4) Er verhält sich opportunistisch, was nach Williamsons Definition von Opportunismus bedeutet: Er schreckt auch vor Lug und Trug nicht zurück, solange es ihm nutzt.1 Im Zusammenhang mit den Institutionen hat das Homo oeconomicus-Modell zwei Funktionen: (1) Es führt zu Vermutungen über das Verhalten von Menschen in Institutionen. Machen diese ein bestimmtes Verhalten teurer oder – allgemeiner ausgedrückt – nachteiliger, dann wird der Homo oeconomicus zuverlässig mit Anpassungsentscheidungen reagieren und dieses Verhalten zukünftig weniger an den Tag legen. Umgekehrt wird er das tun, was von den Institutionen belohnt wird. (2) Solche Vermutungen sind wiederum wichtig für den Gestalter von Institutionen. Auch dieser ist ein Homo oeconomicus und möchte die Institutionen in seinem Sinne so effizient wie möglich gestalten. Dabei kalkuliert er das rationale Verhalten der Individuen in den Institutionen mit ein. Aus der positiven Analyse des individuell rationalen Verhaltens in Institutionen kommt man so zu normativen Empfehlungen der Gestaltung von Institutionen. Die Ökonomik betont die bewusste Gestaltung. Da Institutionen auch „von selbst“ entstehen können – man denke etwa an Traditionen –, ist darin eine Lücke der IÖ zu sehen. 3. Warum „Neue“ Institutionenökonomik? Zum Schluss des ersten Teils noch eine kurze Erklärung, warum oft von „Neuer“ Institutionenökonomik (NIÖ) die Rede ist. Die sog. Klassiker der Ökonomie, wie etwa Adam Smith, haben sich alle ganz selbstverständlich mit den institutionellen Rahmenbedingungen des Wirtschaftens beschäftigt, bis hin zur informellen Institution der Moral. Das „Neue“ ist also wohl zum ersten darin zu sehen, dass man sich „erneut“ mit den Institutionen beschäftigt, wie man es bereits früher einmal getan hatte. Zum zweiten findet diese Beschäftigung ausdrücklich vor einem neoklassischen Hintergrund statt. Die NIÖ wird abgegrenzt gegen einen eher verhaltenswissenschaftlich und soziologisch fundierten Insti1 O.E. Williamson, Die ökonomischen Institutionen des Kapitalismus, Tübingen 1990, S. 54. 5 tutionalismus. Die unter dem Dach der NIÖ entstandenen verschiedenen Ansätze gehen allerdings in dieser Abgrenzung unterschiedlich weit. Teilweise besteht noch eine recht hohe Affinität zur Neoklassik und zu mathematischen Modellen (vor allem in Teilen der Agency-Theorie), teilweise wird aber auch psychologisches und soziologisches Gedankengut aufgenommen (vor allem im Transaktionskostenansatz). Das Homo oeconomicus-Modell wird dadurch angereichert, Kritiker würden wohl sagen „verwässert“. Die NIÖ wird oft über drei Teilansätze charakterisiert: Die Verfügungsrechtstheorie, den Principal-Agent-Ansatz und den Transaktionskostenansatz. Ich werde alle drei Ansätze kurz erläutern und versuchen, jeweils einen Bezug zur öffentlichen Wirtschaft herzustellen. Ich beginne mit der Verfügungsrechtstheorie. II. Verfügungsrechtstheorie 1. Was sind Verfügungsrechte? Als Verfügungsrecht gilt jede Art von Berechtigung, über Ressourcen zu verfügen, seien diese nun materiell oder immateriell. Die elementarste Form von Verfügungsrecht ist das Eigentum an Sachen. Aber auch Rechtsansprüche aus Vertrag oder Gesetz und sogar Ansprüche aus persönlichen Beziehungen (wenn mir etwa jemand einen Freundschaftsdienst schuldet) können im weitesten Sinne zu den Verfügungsrechten gezählt werden. Die Verfügungsrechte können in folgende Einzelrechte gegliedert werden: das Recht auf Gebrauch einer Sache (z.B. Bewohnen eines Hauses) das Recht auf die Erträge, die eine Sache abwirft (z.B. die Miete für ein Haus kassieren) das Recht auf Veränderung einer Sache (z.B. Umbau eines Hauses) das Recht der Übertragung aller oder einzelner Rechte (z.B. Verkauf des Hauses) das Recht, andere von der Nutzung auszuschließen (z.B. Unverletzlichkeit der Wohnung). Die Verfügungsrechtstheorie hegt gewisse Verhaltenserwartungen. 6 2. Verhaltenserwartungen der Verfügungsrechtstheorie Die Basishypothese des Verfügungsrechtsansatzes lautet: Die Verteilung der Verfügungsrechte beeinflusst das Verhalten der Akteure in systematischer und voraussehbarer Weise. Die Verfügungsrechte sind die Restriktionen der rationalen Entscheidungen des Homo oeconomicus, d.h. jede Veränderung in den Verfügungsrechten führt zu Anpassungsentscheidungen der betroffenen Akteure. Daraus lässt sich auch folgern, dass es aus Sicht eines Gestalters unterschiedlich effiziente Verfügungsrechtsstrukturen gibt. Als Idealfall einer Verfügungsrechtsstruktur gilt der Ökonomik das „unverdünnte“ Privateigentum. Idealerweise sollten sämtliche Dinge vollständig und exklusiv im Eigentum bestimmter Personen sein. Die Vorteile des Privateigentums werden aus Verhaltenshypothesen wie den folgenden abgeleitet: Menschen gehen mit ihrem Eigentum besonders sparsam, sorgfältig und werterhaltend um. Eine Kontrolle erübrigt sich, da jedes Individuum im eigenen Interesse sich selbst kontrolliert. Außerdem erscheint es gerecht, wenn die positiven und negativen Folgen des Handelns – Kosten und Nutzen – den Handelnden selbst treffen, wie es beim Privateigentum erwartet wird. Zum Beispiel stellt man sich einen Gartenbesitzer vor, der seinen eigenen Garten fleißig umgräbt und deshalb zu Recht mehr erntet als ein Nachbar, der nur im Liegestuhl liegt. Jede Abweichung von diesem Ideal gilt zunächst als effizienzmindernde „Verdünnung“ von Verfügungsrechten. Eine solche Verdünnung liegt vor: wenn die Einzelrechte auf verschiedene Personen verteilt werden, wenn einzelne Rechte vom Eigentümer nicht ausgeübt werden dürfen oder können, wenn sich mehrere Eigentümer das Rechtebündel teilen, also Gemein- eigentum vorliegt. Jede Verdünnung erzeugt Probleme. Wird etwa das Rechtebündel geteilt, wie es u.a. bei Miet-, Kredit-, Werk- und Arbeitsverträgen der Fall ist, dann stehen sich Akteure mit unterschiedlichen Interessen gegenüber. Diese unterschiedlichen Interessen erklären sich aus den unterschiedlichen Verfügungsrechten. 7 Der Eigentümer und Vermieter einer Wohnung möchte beispielsweise eine hohe Miete kassieren, er möchte das Haus bei Bedarf sofort selbst benutzen und den Wert des Hauses erhalten. Der Mieter möchte möglichst wenig Miete zahlen, er möchte am liebsten unkündbar sein und ihm ist an der Werterhaltung des Hauses nichts gelegen. Solche Interessenkonflikte entstehen praktisch bei jedem Vertrag, durch den Verfügungsrechte geteilt werden. Als Verdünnung wird es auch bezeichnet, wenn einzelne Rechte nicht ausgeübt werden dürfen, etwa wenn eine Kündigung wegen Eigenbedarfs nur sehr beschränkt zulässig ist. Eine ähnliche Wirkung wie ein Verbot können auch hohe Durchsetzungskosten von Rechten haben. Einem Künstler kann beispielsweise durchaus das Urheberrecht zustehen an einem Lied, aber es lässt sich nicht durchsetzen, weil neue Techniken Raubkopien sehr leicht machen. Auch aus einer solchen Verdünnung von Rechten werden Probleme erwartet. Können etwa Urheberrechte nicht geschützt werden, entfällt ein wesentlicher Anreiz, solche geistigen Produkte überhaupt zu erstellen. Darf einem Mieter nicht gekündigt werden, lassen viele Wohnungseigentümer die Wohnungen vielleicht lieber ganz leer stehen, was das Angebot verknappt. Schließlich wird eine dritte Form von Verdünnung darin gesehen, dass die Verfügungsrechte in gebündelter Form mehreren Personen gemeinsam gehören. Ein Beispiel wäre eine von mehreren Landwirten gemeinsam genutzte Maschine. Bei diesem Gemeineigentum gilt das „Trittbrettfahren“ (free riding) als zentrales Problem. Nutzen und Kosten fallen bei gemeinsam genutzten Ressourcen nicht mehr exklusiv an, sondern für alle gemeinsam. Wenn ein Akteur in das Gemeingut investiert, profitieren auch andere davon; wenn er es über Gebühr nutzt, kann er den Schaden auch auf die anderen überwälzen. Es entstehen sog. „externe Effekte“, d.h. die Handlungen eines Akteurs verändern die Kosten-Nutzen-Situation anderer Akteure. Die typische Verhaltenserwartung bei Gemeineigentum ist daher die Übernutzung von und die Unterinvestition in Gemeineigentum. Je größer der Kreis der Eigentümer ist, desto verdünnter sind die Verfügungsrechte und desto wahrscheinlicher wird das erwartete free rider-Verhalten. Die größten Probleme sind daher bei den Gütern zu befürchten, die praktisch allen Menschen gehören, weil niemand unter vertretbaren Kosten vom Konsum ausgeschlossen werden kann. Solche Güter, oft als öffentliche Güter bezeichnet, 8 sind weite Teile der natürlichen Umwelt, also Luft, Flüsse, Meere, Weltraum, aber auch immaterielle Güter wie die innere und äußere Sicherheit. Der Einzelne wird sich sagen: Investiere ich in das öffentliche Gut, dann fällt der Nutzen auch anderen zu, die Kosten aber trage ich privat. Daraus folgt die Unterinvestition. Nutze ich das öffentliche Gut, fällt der Nutzen privat an, die Kosten aber werden sozialisiert. Daraus folgt die Übernutzung, welche allerdings eine gewisse Rivalität im Konsum voraussetzt. Aus solchen Überlegungen heraus ist beispielsweise der Verzicht auf ein Auto, um die Umwelt zu schonen, aus der Sicht des Einzelnen irrational. 3. Folgerungen für die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben a) Die Notwendigkeit der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben Was kann man aus diesem Ansatz für den öffentlichen Bereich ableiten? Als erstes kann man über den Verfügungsrechtsansatz die Notwendigkeit staatlichen Handelns begründen. Das mag verwundern, weil er häufig gegen die staatliche Tätigkeit in Stellung gebracht wird. Das angestrebte Ideal ist ja die vollständige Privatisierung aller nur denkbarer Güter und ihr freier Tausch über Märkte bis hin zu einer paretooptimalen Verteilung. Ein Staat erscheint in dieser Modellwelt überflüssig. Das Problem ist, dass dieses Ideal einige blinde Flecken aufweist. Das Modell weist erstens eine Lücke auf, weil Basisinstitutionen wie das Privateigentum und der Vertrag als quasi naturwüchsig gegeben angenommen werden. Sie werden einfach als gültige Nebenbedingungen eingeführt, ebenso wie eine allgemeine Bildung, die es erlaubt, Verträge zu schreiben, zu lesen und zu verstehen. Privateigentum muss aber institutionell gesichert werden, ebenso wie die Verbindlichkeit von Verträgen oder die allgemeine Bildung. Dass wir unser Eigentum friedlich nutzen und in Märkten tauschen können, ist überhaupt nur möglich vor dem Hintergrund eines funktionierenden Rechtsstaates und einer gesicherten marktwirtschaftlichen Ordnung. Eine zweite Lücke ergibt sich durch die Vernachlässigung negativer externer Effekte, die auch das unverdünnte Privateigentum erzeugt. Wer etwa seinen privaten Garten pflegt, erzeugt externe Effekte, weil z.B. Nachbarn durch den 9 Lärm des Rasenmähers gestört werden. In der Idealwelt der Ökonomen können auch diese externen Effekte wieder privatisiert und gekauft oder verkauft werden. Der Nachbar erhält etwa ein wohldefiniertes „Ruherecht“, welches ich kaufen muss, bevor ich den Rasenmäher benutze. Oder ich selbst erhalte ein wohldefiniertes „Lärmrecht“, welches der Nachbar kaufen muss, wenn er mein Rasenmähen verhindern will. Hier zeigt sich schon ein großes Problem: Denn welche Urverteilung von Rechten ist die richtige? Je nach Verteilung ergeben sich ja Einkommenseffekte. Und weiterhin: Wenn einer von zehn Nachbarn sein Ruherecht verkauft, müssen dann auch die anderen neun den Lärm des Rasenmähers ertragen? Und welchen objektiven Wert hat überhaupt so etwas wie Ruhe? Es ist leicht einzusehen, dass die Lösung des An- und Verkaufs negativer externer Effekte (auch soziale Kosten genannt) in der Realität wegen der enormen Spezifizierungs- und Verhandlungskosten scheitern muss. Es lässt sich eben nicht alles privatisieren, d.h. de facto hat man es praktisch immer mit einer Mischung von Privateigentum und Gemeineigentum zu tun. Als Alternative zum Markttausch bleibt nur die „direkte Regierungsregelung“, wie es bei Coase heißt.2 Bei negativen externen Effekten ist es häufig effizienter, sie administrativ einzuschränken, als auf die Verhandlungslösung der Betroffenen zu setzen. Wohl niemand würde es als ineffiziente Verdünnung von Privateigentum bezeichnen, wenn ich eine Pistole nicht benutzen darf, um andere auszurauben! Die dritte Lücke ergibt sich bei der Unterinvestition in erwünschte Gemeinschaftsgüter. Obwohl viele oder alle daran interessiert sind, dass sie bereit gestellt werden, will keiner etwas darin investieren, weil die Kosten privat anfallen, der Nutzen aber sozialisiert wird. Jeder sagt sich: Warum soll ausgerechnet ich dafür aufkommen? Warum soll ich etwa Geld für die Pflege öffentlicher Anlagen und die Säuberung der Straßen zahlen, wenn andere es nicht tun und die gleichen Vorteile genießen? Auch hier muss der Staat einspringen, um die Unterinvestition in öffentliche Güter zu kompensieren. Und schließlich werden viertens durch den privaten Tausch von Verfügungsrechten nicht alle gesellschaftlich erwünschten Ziele erreicht. Es werden einerseits unerwünschte Verträge geschlossen, beispielsweise im Drogen- oder 2 R.H. Coase, Das Problem der sozialen Kosten, wieder abgedruckt in: H.-D. Assmann, C. Kirchner und E. Schanze (Hrsg.), Ökonomische Analyse des Rechts, Tübingen 1993, S. 129-183, hier S. 150. 10 Waffenhandel oder bei Absprachen zur Verhinderung des Wettbewerbs. Andererseits werden erwünschte Verträge nicht geschlossen. Bedürftige Kranke würden etwa über den freien Markt keine medizinische Versorgung bekommen, kleine Dörfer würden nicht in den Personennahverkehr eingebunden, weil es sich für die privaten Anbieter nicht rechnet, solche Verträge abzuschließen. Gesellschaftliche Ziele wie eine allgemeine Versorgung mit Infrastruktur, breite Bildung, Gesundheitsvorsorge für alle, allgemeiner Zugang zu Informationen und Chancengleichheit werden ohne staatliches Eingreifen nicht erreicht. In der Bereitstellung solcher sozial erwünschter Güter und Dienstleistungen wird oft die eigentliche Domäne der öffentlichen Unternehmen gesehen. b) Die Probleme bei der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben Aus dem Verfügungsrechtsansatz lässt sich neben der Notwendigkeit staatlichen Handelns zugleich dessen Problematik ableiten. Dies sei im Folgenden für die öffentlichen Unternehmen gezeigt. Als öffentlich werden ja solche Unternehmen bezeichnet, an deren Nennkapital oder Stimmrechten die öffentliche Hand mehr als 50 % hält. Das heißt, die wesentlichen Verfügungsrechte in solchen Unternehmen liegen ursprünglich bei der „Öffentlichkeit“, was eine enorme Verdünnung der Verfügungsrechte bedeutet. Den in den öffentlichen Unternehmen handelnden Akteuren gehören die Ressourcen nicht, die sie bewirtschaften. Sie haben kein Eigeninteresse an deren optimaler Nutzung. Während dieses Problem im Prinzip auch jedes Privatunternehmen mit angestellten Mitarbeitern hat, kommt ein zweites erschwerend hinzu: Es gibt überhaupt keinen genau definierten Eigentümer, der im Eigeninteresse an der optimalen Nutzung der Ressourcen interessiert wäre und deshalb auch bereit wäre, Zeit und Mühe in die Kontrolle der Akteure zu stecken. Aus verfügungsrechtlicher Sicht muss erwartet werden, dass deshalb Unternehmen im öffentlichen Eigentum regelmäßig ineffizienter bewirtschaftet werden als solche in Privateigentum. Es gibt dazu keine eindeutigen empirischen Befunde. Die These wird zwar verschiedentlich bestätigt, aber auch verworfen. Dabei zeigt sich als weiteres Problem, dass oft nur Kostenvergleiche stattfinden. Aber nehmen wir einmal an, sie stimme. Ist dann nicht die Privatisierung der staatlichen Aufgaben die richtige Lösung? Dieser Frage soll nun vor dem Hintergrund des PrincipalAgent-Ansatzes und des Transaktionskostenansatzes nachgegangen werden. 11 III. Principal-Agent-Ansatz 1. Grundbegriffe Eine Agency-Beziehung liegt immer dann vor, wenn ein Auftraggeber – der Prinzipal – einen Auftragnehmer – den Agenten – mit der Durchführung einer Aufgabe betraut. Nach dem Homo oeconomicus-Modell ist zu erwarten, dass der Agent seinen Nutzen maximieren will, unter Umständen auch auf Kosten des Prinzipals. Zwischen Prinzipal und Agent sind normalerweise Zielkonflikte zu erwarten, aufgrund ihrer unterschiedlichen Verfügungsrechte. Hinzu kommt erschwerend die sog. Informationsasymmetrie zu Lasten des Prinzipals. Das heißt, man nimmt an, dass der Agent in vieler Hinsicht über bessere Informationen verfügt und dass er diesen Informationsvorsprung in seinem Interesse ausspielt. Aus dieser Konstellation ergeben sich typische Probleme. So kann etwa ein potentieller Agent den Prinzipal über sein Wissen, Können und seine Absichten täuschen und ihn zu einer falschen Wahl (adverse selection) verleiten. Oder er nutzt es nach Vertragsschluss aus, dass der Prinzipal ihn nicht immer beobachten und genau kontrollieren kann. Arbeitnehmer könnten das beispielsweise in der Weise ausnutzen, dass sie faulenzen (shirking) oder Unternehmensressourcen für private Zwecke missbrauchen (consumption on the job). Agency-Probleme werden bei allen Arten von Verträgen erwartet, also bei Kaufverträgen ebenso wie bei Werk- oder Arbeitsverträgen. Normalerweise wird der Prinzipal, der diese Verhaltensweisen des Agenten voraussieht, versuchen, sich dagegen zu schützen. Er wird beispielsweise vor Vertragsschluss die Agenten sorgfältig überprüfen und auswählen, sie nach Vertragsschluss überwachen oder versuchen, ihr Verhalten über Anreizsysteme zu steuern. Die Agency-Theorie betont die Möglichkeit des Prinzipals, sich schon ex ante durch ausgeklügelte Verträge gegen den Opportunismus des Agenten zu schützen. 2. Übertragung auf öffentliche Unternehmen Das Grundmodell der Agency-Theorie kann auf öffentliche Unternehmen übertragen werden. Zunächst kann „die Öffentlichkeit“ als Prinzipal modelliert werden. Die Öffentlichkeit delegiert Aufgaben wie die Herstellung der öffentlichen Sicherheit, die Bereitstellung von Kultur- und Sportangeboten, die Sauberhaltung und Instandhaltung öffentlicher Anlagen und Wege, die allgemeine 12 Bildung usw. Die Agenten der ersten Ebene sind dabei die Politiker, etwa Bürgermeister, Gemeinderäte, Ministerien. Sie haben das Problem, die öffentliche Nachfrage richtig zu erkennen und zu aggregieren. Diese Agenten delegieren ihrerseits die Aufgaben an öffentliche Unternehmen wie Versorgungsbetriebe, Verkehrsunternehmen, Theater, Schwimmbäder usw. In den öffentlichen Unternehmen wird die eigentliche Aufgabenerfüllung dann an weitere Agenten, die Mitarbeiter im öffentlichen Dienst, delegiert. Innerhalb der Unternehmen kommt es zu weiteren Agency-Beziehungen zwischen Vorgesetzten und Untergebenen. Im Prinzip ist das im Bereich der Privatwirtschaft auch nicht anders. Aber es scheint mir doch einige Besonderheiten zu geben. Typisch für die Beziehung zwischen Bürger und Staat scheinen mir zunächst sehr tief gestaffelte, komplexe Principal-Agent-Beziehungen mit vielen Delegationsstufen. Eine weitere Besonderheit ist in der schwierigen Bestimmung des Prinzipals zu sehen. Die Öffentlichkeit ist ja ein Kollektiv. Bei der Kontrolle ergibt sich damit wieder ein Trittbrettfahrerproblem, denn jedes Mitglied des Kollektivs wird erwarten, dass der andere Zeit und Mühe investiert, um die Agenten zu kontrollieren, um anschließend selbst kostenlos zu profitieren. Außerdem kann die Öffentlichkeit eigentlich nicht als monolithischer Block gesehen werden, sondern ist selbst wieder in unterschiedliche Interessengruppen gespalten. Damit ist die Zielsetzung für die Agenten uneindeutig. Die oft schwammige und widersprüchliche Formulierung des „öffentlichen Interesses“ verschafft den Agenten Spielräume. Weiterhin sind die in der Privatwirtschaft benutzten monetären Anreize für die Agenten nur schwer zu übertragen. Agenten können beispielsweise nicht am Gewinn beteiligt werden, wenn gar kein Gewinn angestrebt wird. Schließlich ist auch die Marktkontrolle teilweise außer Kraft gesetzt. Das gilt sowohl für die Unternehmen als Ganze, als auch für deren Mitarbeiter. Öffentliche Unternehmen verfügen nicht selten über eine Monopolstellung, d.h. die Kunden können bei Unzufriedenheit nicht abwandern. Die Kontrolle durch den Absatzmarkt entfällt. Öffentlichen Unternehmen droht auch keine feindliche Übernahme bei Misswirtschaft. Das heißt, auch der sog. Markt für Unternehmenskontrolle funktioniert nicht. Und die oft verbeamteten Mitarbeiter sind auch nicht dem Druck des Arbeitsmarkts unterworfen. 13 Besonderheiten der Agency-Beziehung bei öffentlichen Unternehmen sind zusammengefasst: vielstufige Principal-Agent-Beziehungen, schwierige Bestimmung des Prinzipals, schwammige und widersprüchliche Ziele des Prinzipals, besondere Probleme bei Anreizen und Kontrolle. Das sollte genügen, um zu zeigen, dass die Agency-Problematik im Bereich öffentlicher Wirtschaft erheblich ist und die klassischen Instrumente Anreiz und Kontrolle teilweise nicht funktionieren. Wäre die Privatisierung eine Lösung? 3. Privatisierung als Lösung von Agencyproblemen öffentlicher Unternehmen ? Zunächst: Was heißt Privatisierung? Hier ist damit gemeint, dass die öffentliche Hand private Agenten mit der Erfüllung öffentlicher Aufgaben betraut. Eine Stadt könnte beispielsweise die öffentlichen Anlagen von einem privaten Gartenbaubetrieb pflegen lassen statt von städtischen Mitarbeitern. Oder sie verpachtet die Stadthalle an einen privaten Veranstalter. Sie beauftragt eine private Druckerei mit dem Druck von Formularen, einen privaten Wachdienst mit der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit, eine private Unternehmung mit dem Betrieb eines Gefängnisses. Grundsätzlich ist es ja nicht erforderlich, dass eine öffentliche Aufgabe auch in öffentlichen Unternehmen produziert wird. Was ändert sich durch die Privatisierung? Der erste Delegationsschritt bleibt mit allen dazugehörigen Problemen gleich. Die Öffentlichkeit, konkret etwa die Bürger einer Stadt, beauftragen die Politiker als Agenten, für die Erledigung der öffentlichen Aufgaben zu sorgen. Diese müssen jetzt ihrerseits einen privaten Agenten auswählen. Gegenüber der Lösung, die öffentlichen Aufgaben von eigenen Bediensteten erstellen zu lassen, entstehen an dieser Stelle zusätzliche Agency-Probleme. Es kann etwa zu einer adverse selection kommen, ob nun aus Bequemlichkeit oder weil Bestechungsgelder fließen. Die Politiker sind ja nach dem ökonomischen Modell auch selbstinteressiert. Weil sie nicht ihr eigenes Geld ausgeben, sondern das einer diffusen Öffentlichkeit, die sie nur schwer kontrollieren kann, könnten sie durchaus versucht sein, sich die Anstrengungen einer sorgfältigen Agentenwahl zu ersparen. 14 Auf der nächsten Delegationsebene sind dann allerdings ökonomische Vorteile zu erwarten. Die beauftragte Produktions- oder Dienstleistungseinheit hat einen oder mehrere private Eigentümer. Von diesen ist zu erwarten, dass sie im Eigeninteresse an einer effizienten Bewirtschaftung ihrer Ressourcen interessiert sind. Sie werden sich – nimmt man an - um Kundenzufriedenheit bemühen, Rationalisierungsmöglichkeiten ausschöpfen, ihre Mitarbeiter kontrollieren und motivieren; denn alles, was sie an Kosten sparen bzw. an Mehreinnahmen erzielen, kommt ihnen selbst zugute. Es ist hauptsächlich dieser Anreizeffekt des Privateigentums, der zu der Vermutung Anlass gibt, solche privaten Agenten würden die öffentlichen Leistungen effizienter erbringen. Genau in diesem Anreizeffekt kann allerdings auch ein gravierender Nachteil der privaten Agenten gesehen werden. Denn während bei den öffentlichen Unternehmen die Sachzielerfüllung im Vordergrund steht, verschiebt sich das Ziel bei den privaten Unternehmen auf die Formalziele Gewinn und Rentabilität. Ein Beispiel: Viele Städte haben in den letzten Jahren sog. Risikogutachten für Stadtteile erstellen lassen, um zu erfahren, wo soziale Brennpunkte sind und wo mehr für die öffentliche Sicherheit getan werden muss. Während städtische Stellen kaum mehr als fünf solcher Gutachten im Jahr schafften, brachten es private Sicherheitsexperten auf zwanzig und mehr. Auf den ersten Blick ein klarer Effizienzgewinn durch Privatisierung. Aber bei näherer Betrachtung kommen Bedenken. Zum einen entpuppten sich die privat erstellten Gutachten als sehr oberflächlich. Für den Privatunternehmer steigt ja der Gewinn umso höher, je mehr Gutachten er in einer Zeiteinheit schafft. Und das verführt offenbar dazu, schnell aber wenig sorgfältig zu arbeiten. Zum anderen ist noch bedenklicher, dass die beauftragten Unternehmen ein Eigeninteresse daran haben, die Risiken hoch einzuschätzen. Das führt nämlich zu Nachfolgeaufträgen. Denn die Sicherheitsexperten bieten häufig gleichzeitig Risikosenkungsmaßnahmen an, seien es private Wachdienste, Überwachungskameras oder Türschlösser. Der Effizienzgewinn, der bei dem Privatanbieter anfällt, geht also möglicherweise zu Lasten einer guten Sachzielerfüllung, sobald der Prinzipal die Güte der Sachzielerfüllung nicht mehr einwandfrei prüfen kann. Vermutlich sind die Zieldivergenzen sowie die Informationsasymmetrien zwischen Prinzipal und Agent eher höher, wenn private Agenten beauftragt werden. 15 Eine eindeutige Empfehlung zur Privatisierung kann auf der Basis der AgencyTheorie nicht ausgesprochen werden. Weitere Argumente in dieser Diskussion kann der Transaktionskostenansatz liefern, den ich nun als letzten Ansatz vorstellen will. IV. Transaktionskostenansatz 1. Grundbegriffe Die make or buy-Entscheidung ist die eigentlich Domäne des Transaktionskostenansatzes. Soll man etwas im eigenen Unternehmen machen lassen oder vom Markt zukaufen? Das ist im Grunde genau die Frage, die sich die Politiker in der Privatisierungsdiskussion stellen müssen. Soll beispielsweise eine Stadt eigene Produktions- oder Dienstleistungseinheiten unterhalten, oder ist es gescheiter, die öffentliche Leistung zuzukaufen? Der Transaktionskostenansatz empfiehlt, diese Entscheidung durch einen Vergleich der Produktions- und Transaktionskosten zu fundieren, wobei ein ordinaler Vergleich für ausreichend gehalten wird. Bei den Überlegungen wird die Sicht des Nachfragers eingenommen. Beim Kauf fallen die Transaktionskosten in Form der Marktbenutzungskosten an, beim Selbstmachen in Form der Hierarchie- oder Bürokratiekosten. Zu den Marktbenutzungskosten zählen etwa Such- und Verhandlungskosten, Kosten der Vertragsdurchsetzung und Vertragsanpassung. Zu den Bürokratiekosten rechnet man die Kosten für Kontrolle und Anreize, aber auch schwer fassbare Kosten wie Effizienzverluste durch politische Manöver oder das Vertuschen von Fehlern. Die Produktionskosten eines externen Anbieters können sich vor allem durch Größenvorteile (economies of scale), Verbundvorteile (economies of scope) oder besondere Fähigkeiten (Kernkompetenzen) von den internen Produktionskosten unterscheiden. Der Transaktionskostenansatz geht wie der Principal-Agent-Ansatz von eigennützigen und opportunistischen Akteuren sowie Informationsproblemen zwischen den Akteuren aus. Besonders wichtig erscheint seinen Vertretern allerdings ein Problem, welches die Agency-Theorie nur am Rande behandelt, nämlich die sog. Spezifität. Spezifische Güter und Dienstleistungen sind in gewisser Weise einmalig, nicht ohne weiteres austauschbar, wie etwa die Son- 16 deranfertigung einer Maschine. Das heißt, für spezifische Güter gibt es anders als für homogene Güter nur einen geringen oder gar keinen Wettbewerb. Für Williamson ist das Ausmaß der Spezifität der wichtigste Gesichtspunkt bei der make or buy-Entscheidung.3 Er argumentiert so: Solange es um austauschbare Güter und Dienstleistungen geht, für die es viele Anbieter gibt, überwacht der Markt die Agenten ausreichend. Die Prinzipale können durch einen Vergleich der Agenten und durch eigene und fremde Erfahrung die Informationsasymmetrie senken, der Agent hat starke Anreize sich zufriedenstellend zu verhalten, weil er sonst ausgetauscht werden kann. Dann sollte man die Leistungen kaufen. Bei spezifischen Leistungen sieht die Sache anders aus. Die Suche am Markt gestaltet sich schon aufwendiger, die Verhandlungen sind komplizierter, weil möglicherweise kein Marktpreis vorliegt, und vor allem befürchtet Williamson ein nachvertragliches „Hold up“, also einen Erpressungsversuch des Agenten. Ist der Abnehmer auf diesen einen Lieferanten angewiesen („lock-in“Effekt), könnte dieser in Nachverhandlungen versuchen, die Vertragskonditionen zu seinen Gunsten zu ändern. Unter diesen Umständen ist es besser, die Leistung selbst zu erbringen. Etwas plakativ könnte man die Argumentation des Transaktionskostenansatzes etwa so zusammenfassen: Benutze immer den Markt, wenn er funktioniert. Bei Marktversagen ist das Selbermachen besser, also die Benutzung eines anderen institutionellen Arrangements, nämlich der Hierarchie. Was kennzeichnet das institutionelle Arrangement „Hierarchie“? Die Mitarbeiter sind über Arbeitsverträge mit dem Unternehmen verbunden, welche im Vergleich zu einem Kaufoder Werkvertrag sehr unvollständig sind. Der Mitarbeiter akzeptiert das Weisungsrecht des Prinzipals. Dadurch ist eine Anpassung der Vertragsinhalte ex post vergleichsweise einfach. Man muss nicht – wie mit einem Lieferanten – einen neuen Vertrag aushandeln, sondern kann einfach Anweisungen erteilen. Außerdem rechnet Williamson mit einer gewissen Loyalität der Mitarbeiter gegenüber dem Unternehmen. Er schätzt also die innerbetrieblichen Zieldivergenzen deutlich geringer ein als der Principal-Agent-Ansatz. Der Arbeitsvertrag ist für ihn ein sog. „relationaler Vertrag“; er begründet eine eher langfristige und persönliche Beziehung mit vielen impliziten Verpflichtungen und Bindungen. Während die Agency-Theorie bei allen Verträgen ähnliche Probleme erwartet, 3 A.a.O., S. 60 ff. 17 werden vom Transaktionskostenansatz die Unterschiede in den institutionellen Arrangements betont. Der Wechsel des institutionellen Arrangements kann Austauschprobleme entscheidend mildern. 2. Wahl des institutionellen Arrangements für die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben vor dem Hintergrund des Transaktionskostenansatzes Was heißt das nun für die öffentlichen Unternehmen? Wenn für die zu erbringenden Leistungen eine funktionierende Marktkontrolle zu erwarten ist, spricht vieles für eine Privatisierung. Das gilt vor allem für die Deckung des Eigenbedarfs der öffentlichen Hand. Bei manchen Gütern erscheint das absolut selbstverständlich. Keine Gebietskörperschaft käme auf die Idee, Bleistifte, Büromöbel oder Kaffeetassen selbst zu produzieren. Es gibt aber sicher noch weitere privatisierungsfähige Bereiche wie Druckereien, Gebäudereinigung, Wäschereien, KFZ-Werkstätten, Landschaftspflege. Die öffentliche Hand kann bei funktionierender Marktkontrolle von den Kostensenkungsmöglichkeiten profitieren, welche Privatunternehmen offenbar besser ausschöpfen, wobei die Güte der Leistung über den Wettbewerb gesichert wird. Zugleich steigt die externe Flexibilität, weil man die Leistungen nur bei Bedarf zukauft. Was aber soll mit den Leistungen geschehen, bei denen die Marktkontrolle nicht so gut funktioniert? Das kann erstens dann der Fall sein, wenn es aufgrund von Spezifität nur sehr wenige, im Extremfall nur einen Agenten gibt und daher die Drohung mit dem Agentenwechsel ins Leere läuft. Eine solche Spezifität kann sich auch erst nach Vertragsschluss entwickeln, was bei Williamson „fundamentale Transformation“ heißt. Man hat es zwar vor Vertragsschluss mit einer großen Zahl von Anbietern zu tun, aber nach Vertragsschluss ist man an einen Anbieter gebunden, weil die Transaktion von dauerhaften Investitionen in transaktionsspezifisches Sachoder Humankapital gestützt wird. In diesem Fall drohen die Hold up-Probleme, welche vom Transaktionskostenansatz betont werden. Der Opportunismus des Agenten könnte konkret die Form annehmen zu streiken, beispielsweise den Müll nicht mehr zu entsorgen, wenn die Entgelte nicht erhöht werden. In der Regel wird man nicht so leicht einen anderen Entsorger finden, so dass ein „lock-in“ besteht. 18 Zieht man ergänzend die Agency-Theorie hinzu, dann versagt die Marktkontrolle aber zweitens auch dann, wenn der Prinzipal die Agentenleistung nur schwer beurteilen kann, was auch bei Wettbewerb möglich ist. Die AgencyTheorie spricht in diesem Fall von „Vertrauensgütern“. Die Informationsasymmetrie ist bei Vertrauensgütern auch durch Erfahrung nicht ohne weiteres abbaubar. Beispielsweise kann eine Stadt die Güte eines Risikogutachtens nur dadurch prüfen, dass sie selbst die gleichen Informationen noch einmal erhebt und mit dem extern erstellten Gutachten vergleicht. Die Auftragsvergabe an Externe würde durch eine solche Doppelarbeit aber ad absurdum geführt! Der Agent kann unbemerkt und daher auch ungestraft eine schlechte Leistung erbringen. Drittens schließlich kann es Güter und Dienstleistungen geben, welche von besonderer strategischer Relevanz sind. Im Falle von staatlichen Aufgaben kann diese strategische Relevanz insbesondere die Form annehmen, dass Geheimhaltung wichtig ist, weil sonst nationale Interessen verletzt werden. Durch die Kenntnis der Geheimnisse bekäme der Agent ein Druckmittel in die Hand, welches er erpresserisch einsetzen könnte. In allen drei Fällen ist das Vertrauen in den Agenten eine essentielle Voraussetzung für die Transaktion, und dann könnten relationale Verträge mit öffentlich Bediensteten die Probleme mildern. In Anlehnung an ein Schema von Williamson4 könnte man folgende Zuordnung versuchen: Transaktionsmerkmale Erforderliches Vertrauen gering Gelegentliche Transaktionen mittel hoch dreiseitige Kontrolle Marktkontrolle Wiederholte Transaktionen Public Private Partnership öffentliches Unternehmen Diese Zuordnung basiert auf der Prämisse, dass der Staat zu seinen eigenen Bediensteten mehr Vertrauen haben kann als zu privaten Agenten. Wie kann man diese Prämisse rechtfertigen? Konkret denke ich an Besonderheiten des Arbeitsvertrags, etwa an das Streikverbot für Beamte, welches Erpressungsversuche auf der Grundlage von Spezifität, also ein Hold up, verhindern sollte. Den Verrat von Geheimnissen versucht man durch Amtseide zu unterbinden. Eine gute Sachzielerfüllung kann auch bei schwer messbarer Güte der Ziel4 A.a.O., S. 89. 19 erreichung erwartet werden. Denn während die privaten Agenten durch eine Qualitätssenkung monetäre Vorteile erhoffen können (der Gewinn steigt), gibt es solche Anreize für die fest besoldeten öffentlichen Bediensteten nicht. Natürlich bleiben Agency-Probleme bestehen, auch gegenüber den Mitarbeitern im öffentlichen Dienst. Vielen Menschen gilt der öffentliche Dienst ja geradezu als Einladung für das „shirking“, also die Drückebergerei. Ich halte es aber für durchaus berechtigt, von eigenen Bediensteten mehr Loyalität und Zielkonformität zu erwarten, als von externen Lieferanten. Wie schon Max Weber festgestellt hat, lässt sich der Beamte auch von der Wertidee motivieren, ein Staatsdiener zu sein. Zumindest hoffen wir das alle. So etwas wie die lebenslange Beschäftigungsgarantie kann als Vertrauensvorschuss des Prinzipals angesehen werden, in der Hoffnung, dass sich die Agenten dann aus Reziprozität auch vertrauenswürdig erweisen. Hat man als Prinzipal große Schwierigkeiten, die Qualität der Zielerreichung zu messen, wie es ja bei vielen Zielen im öffentlichen Sektor der Fall ist, bleibt eigentlich nur die Möglichkeit, ein Vertrauensverhältnis zum Agenten aufzubauen. V. Zusammenfassung und Ausblick Lassen Sie mich zum Schluss die Aussagen noch einmal thesenartig zusammenfassen: (1) Es ist unabdingbar, dass der Staat sich um die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben kümmert. (2) Die öffentlichen Aufgaben müssen jedoch nicht von öffentlichen Unternehmen erledigt werden. Es gibt zahlreiche andere Möglichkeiten. (3) Die Wahrnehmung der öffentlichen Aufgaben durch Private ist nicht grundsätzlich empfehlenswert. Vielmehr ist das richtige institutionelle Arrangement jeweils nur situativ zu bestimmen. Und ganz zum Schluss noch ein kleiner Ausblick auf Themen, die ich hier nicht behandelt habe, die aber einer institutionenökonomischen Modellierung zugänglich sind. Dazu gehören beispielsweise die Frage nach Strukturen und Anreizsystemen in öffentlichen Unternehmen oder die Frage nach der Ausgestaltung hybrider Formen der Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und privaten Organisationen. Auch die Public Choice-Theorie als ökonomische Theorie der 20 Politik könnte sicher noch eine sinnvolle Ergänzung sein, um das Verhältnis zwischen der Öffentlichkeit als Prinzipal und den Politikern als Agenten der ersten Stufe zu untersuchen. All dies kann aber jetzt und hier nicht mehr ausgeführt werden. 21 Thomas Lenk Neue Institutionenökonomik und ihre mögliche Bedeutung für die Organisation der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben I. Einleitung Frau Göbel hat in ihrem Referat aufgezeigt, dass es sich bei der "Neuen Institutionenökonomie" um ein Theoriebündel handelt, das das Zustandekommen und Funktionieren von Institutionen (Organisationsstrukturen, Regelungen, Verträgen usw.) mit ökonomischen Annahmen und Verhaltensmustern zu erklären versucht. Bezugnehmend auf ihr Referat möchte ich wie folgt vorgehen: Zunächst werde ich in einem ersten Block einige Anmerkungen zu den Ansätzen der Institutionenökonomie machen und im zweiten hinterfragen, inwieweit Erkenntnisse der Institutionenökonomie bei der Organisation der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben berücksichtigt werden könnten. Die institutionenökonomische Grundfrage ist, warum sich nicht alle ökonomischen Austauschbeziehungen nach einem einheitlichen Muster organisieren lassen und man stattdessen verschiedenste institutionelle Arrangements zwischen "Markt“ und "Organisation/Hierarchie" findet. Bei der ökonomischen Analyse dieser institutionellen Arrangements wird evident, dass die Kosten der Tauschtransaktionen aufgrund bestimmter Situationsmerkmale (strategische Relevanz, Spezifität von eingesetzten Ressourcen, Komplexität und Häufigkeit von Problemlösungen) und (vorhandener) Verhaltensweisen der beteiligten Akteure (Eigennutz und Opportunismus) unterschiedlich hoch sind. Je nach Kontextausprägung scheint dann eine bestimmtes institutionelles Arrangement anderen überlegen zu sein. Auf die Kerngedanken und Elemente der Institutionenökonomie brauche ich nach dem Vortrag von Frau Göbel an dieser Stelle nicht nicht mehr näher einzugehen. Wichtig erscheint mir hier jedoch, darauf hinzuweisen, dass Institutionen als Regelsysteme gegenüber den Akteuren, die in ihrem Rahmen tätig sind, den Charakter externer Restriktionen haben, Anreize setzen, Kosten verursachen und ihr Verhalten steuern. 22 Wie Frau Göbel aufgezeigt hat, werden unter der neuen Institutionenökonomie mindestens drei Theoriestränge subsumiert, die meines Erachtens nicht unabhängig voneinander sind: der Transaktionskostenansatz, die Prinzipal-Agenten-Ansatz und der Property Rights-Ansatz. Ab und an wird davon separiert die sogenannte Vertrags-/ Kontrakttheorie, die auf Arten, Elemente und Folgen von Verträgen abstellt. II. Anmerkungen zu einigen Elementen der Institutionenökonomie 1. Vertragstheorie Zunächst muss festgehalten werden, dass Verträge auch auf Institutionen angewiesen sind – schließlich nutzt kein Vertrag, wenn es keine begründete Erwartung gibt, dass man im Zweifel seine Forderung gegen den Vertragspartner durchsetzen kann. Festzustellen ist, dass das Kontraktmanagement ein ertragreiches Forschungsgebiet zu sein scheint. Die Grundaussage ist, dass der Neigung, alle eventuellen Situationen und Ereignisse zu berücksichtigen, Kosten entgegenstehen, die daraus resultieren, diese Dinge festzuhalten und Reaktionen auf das Eintreten der Ereignisse zu antizipieren. Daher werden Verträge, insbesondere wenn sie langfristig angelegt sind, in der Regel unvollständig sein, implizite und auf Vertrauen abstellende Regelungen beinhalten. Dies ist im Rahmen der Vergabe öffentlicher Aufträge an private Auftragnehmer insofern interessant, als man sich entscheiden muss, welche Punkte unbedingt vertraglich zu fixieren sind und welche Regelungen man dem „Geschäftsüblichen Verhalten“ oder aber einer möglichen nachträglichen Wertung durch Gerichte überlässt. 2. Transaktionskostenansatz Transaktionen können, wie wir spätestens seit Coase und Williamson wissen, sowohl innerhalb einer Organisation als auch zwischen Organisationen erhebliche Kosten verursachen. Man unterscheidet verschiedenste Gruppen: Markttransaktionskosten: Kosten der Benutzung eines Marktes, nämlich Such- und Informationskosten (Anbahnungskosten), Verhandlungs- und 23 Entscheidungskosten (Abschlusskosten), Durchsetzungs- und Über- wachungskosten etc.; Unternehmenstransaktionskosten: Kosten für die Nutzung der Institution „Unternehmen“, Kosten der Einrichtung, Erhaltung, Änderung des Unternehmens (Verwaltung, Marketing), Kosten des Betriebs (z.B. Informationskosten, Transportkosten); politische Transaktionskosten: Kosten der Einrichtung, Erhaltung, Änderung formaler und informeller Ordnung des Systems und Betriebskosten des Gemeinwesens (z.B. der Koordination von Vertretern und Vertretenen). Die Transaktionskostentheorie liefert damit zumindest einen Erklärungsbeitrag für die Existenz von Unternehmen und (in unserem Fall) für öffentliche Unternehmen: Sind die organisationsinternen Kosten kleiner als die Marktnutzungskosten, dann sollte die Leistungserstellung im Unternehmen erbracht werden, im umgekehrten Fall sollte die Koordination über den Markt erfolgen. Jedoch treten bei der (exakten) Quantifizierung der Transaktionskosten oft Probleme auf, die allerdings – auch wenn es unbefriedigend ist – aufgrund von Erfahrungswerten durch Tendenzaussagen relativiert werden können. Bei diesen Tendenzaussagen wird i.d.R. auf die beiden Situationsmerkmale Strategische Relevanz und Faktorspezifität rekurriert. Von einer hohen strategischen Relevanz wird bei Aufgaben von Verfassungsrang und anderen Aufgaben von zentraler Bedeutung für das Gemeinwesen ausgegangen. Als Indiz für die Höhe der strategischen Relevanz einer öffentlich wahrgenommenen Aufgabe kann die Klassifikation Pflichtaufgabe, übertragene Pflichtaufgabe oder freiwillige Aufgabe dienen. Ein weiteres Indiz können Geheimhaltungspflichten sein. Das Merkmal Faktorspezifität betrifft die exklusive Gestaltung und Widmung von Ressourcen, sei es bezüglich einer Anlagenspezifität (beispielsweise im Versorgungs- und Entsorgungssektor), sei es als Humankapitalspezifität bei verwaltungsspezifischen Qualifikationen von Beamten, oder sei es bezüglich der Prozessspezifität bei bestimmten Verfahren des Verwaltungsvollzugs. Bei hoher Faktorspezifität besteht die Gefahr von sunk costs, da eine alternative Ressourcenverwendung kaum möglich ist. 24 Leistungen mit hoher strategischer Relevanz und/oder mit hoher Spezifität würden im Falle ihrer Fremderstellung durch Dritte hohe Transaktionskosten verursachen, weil eine intensive Kontrolle und Vertragsabsicherung für die öffentliche Hand unverzichtbar bleibt. Deshalb scheint sich die Eigenerstellung bzw. vertikale Integration anzubieten. Während im gegenteiligen Fall ein Outsourcing im Sinne der Marktnutzung naheliegt. Bei hoher Faktorspezifität und niedriger strategischer Relevanz ist zum einen die Zusammenarbeit mit Verbänden und Nonprofit-Organisationen sinnvoll und verschiedenste Formen des Private Public Partnership. Im umgekehrten Falle ist wiederum eine Privatisierung denkbar, jedoch mit (starker) Regulierung. Leistungserstellung nach Faktorspezifität und strategischer Relavanz Faktorspezifität hoch gering Kooperation y mit Verbänden (z.B. Wirtschaftsförderung, Rettungswesen) y mit privaten Partnern (PPP) Vertikale Integration y innere und äußere Sicherheit y lokale Ver- und Entsorgung Marktnutzung y Privatisierung (z.B. Fuhrpark, Druckdienste) Regulierung y Post- und y Telekommunikation y Rundfunk etc. gering Strategische Relevanz hoch Als ergänzende Determinanten werden neben Faktorspezifität und strategischer Relevanz noch Häufigkeit und Unsicherheit herangezogen, da es als empirisch erwiesen erscheint, dass bei häufig und unter geringer Unsicherheit stattfindenden Transaktionen, die Transaktionskosten geringer seien, als dies bei selten und unter Unsicherheit erfolgenden Transaktionen der Fall ist. 25 3. Principal-Agent-Ansatz Wie Frau Göbel schon erwähnte, steht im Focus dieses Ansatzes die Analyse des arbeitsteiligen Verhältnis zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer. Bei einer Aufgabenübertragung geht es zum einen um die geeignete Vertragsform (Verbindung zur Vertragstheorie) und zum anderen um das Aufzeigen von Zielkonflikten und Lösungsansätzen. Zielkonflikte können entstehen durch Informationsasymmetrie sowie Unsicherheit über das jeweilige Verhalten der Partner. Die wichtigsten Stichworte sind hier moral hazard (opportunistisches Verhalten), shirking (faulenzen), consumption on the job oder adverse selection. Die Vereinbarung der Verträge zwischen Prinzipal und Agenten und deren Überwachung verursachen agency costs, deren Höhe mit Präferenzunterschieden, mit verschiedenen Möglichkeiten zur Interessendurchsetzung, differierenden Risikoneigungen, unterschiedlichem Überwachungsaufwand sowie mit der ggf. zwischen mehreren Agenten bestehenden Arbeitsteilung begründet werden können. Der Principal-Agent-Ansatz gibt somit wertvolle Hinweise zur optimalen Vertragsgestaltung, insbesondere zur Motivierung des Agenten zu zielkonformen Verhalten und zur Milderung der Interessenkonflikte zwischen beiden Partnern. Um die Zielkonflikte zu minimieren, kann der Prinzipal grundsätzlich zwei Strategien verfolgen: Angleichung der Interessen des Agenten an die eigenen Interessen und/oder Abbau der Informationsasymmetrien zwischen den beiden Partnern. Dies gilt sowohl für innerorganisatorische Anreizstrukturen als auch für die Vertragsgestaltung in Lieferbeziehungen. 4. Property Rights Der Property Rights-Ansatz interpretiert Transaktionen als vertragliche Übertragung von Verfügungsrechten über Wertobjekte, seien sie materieller oder immaterieller Natur. Frau Göbel hat auf die verschiedenen Einzelrechte hingewiesen. Darüber hinaus hat sie auch herausgearbeitet, dass im öffentlichen Bereich die Verfügungsrechte beispielsweise wegen der vielen Legitimationsstufen oder der hohen Anzahl von Beteiligten nur in stark "verdünnter" Form vorhanden sind und dass es auch nur in geringem Maße Eigentumssurrogate gibt; deshalb 26 seien hier die Anreize für eine rationelle Ressourcennutzung gering und sei Rentseeking-Verhalten zu erwarten. III. Bedeutung der neuen Institutionenökonomik für die Organisation der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben 1. Aufgabenwahrnehmung Hier bietet die neue Institutionenökonomik zusätzliche Erklärungen im Bereich der „Theorie des Staates“, während die „klassische Finanzwissenschaft“ Staatseingriffe mit Marktversagen, meritorischen Gütern und Umverteilungsgesichtspunkten begründet. Begründungen öffentlicher Wahrnehmung von Aufgaben Gründe für staatliche Eingriffe Marktversagen Meritorisierung mangelnder Wettbewerb Unvollständige Informationen Nichtausschließbarkeit vom Konsum (öffentl. Güter) externe Effekte Weitere makroökonomische Argumente: - Arbeitslosigkeit - Konjunktur etc. verzerrte Präferenzen Unerwünschte Einkommensverteilung Behebung durch andere Eingriffsarten als Meritorisierung als falsch empfundene Einkommensverteilung Teile dieser „klassischen“ finanzwissenschaftlichen Aspekte werden, wie von Frau Göbel, zu recht als Lücken der neuen Institutionenökonomik dargestellt. Es erscheint mir jedoch wichtig, an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass bei der Entscheidung, ob die öffentliche Hand überhaupt in die Leistungserstellung eingreifen soll, sei es aufgrund von Marktversagen oder von Meritorisierung, diese Entscheidung nicht unabhängig von Zeit und Raum ist. Dies gilt insbesondere für meritorische Güter, deren Angebot politisch-situativ entschieden wird. Aber auch im Falle von Marktversagen kann es beispielsweise bei Märkten, die zu einem natürlichen Monopol tendieren, aufgrund von Inno- 27 vationen zu Änderungen in den Kostenstrukturen kommen, so dass Wettbewerb (wieder) möglich ist – so z.B. geschehen auf dem Telekommunikationsmarkt. Die neue Institutionenökonomik bringt neben klassischen finanzwissenschaftlichen Ansätzen im Bereich der Theorie des Staates – hier sei insbesondere auf die Arbeiten von North verwiesen - zusätzliche Erkenntnisse: (1) Die neue Institutionenökonomik erklärt das Zustandekommen einer Verfassung und der darin definierten Verfügungsrechte vorbehaltlich politischer und ökonomischer Verfügungsrechte. (2) Durch die Festlegung der Verfügungsrechte kann der Staat Monopolrenten (beispielsweise durch eine progressive Besteuerung) verwirklichen. Er braucht dazu jedoch einen Agenten. (3) Die Institutionenökonomik erklärt die Beschränkung der Freiheit eines Herrschers zur Ausbeutung der Bürger durch die Existenz von Rivalen (andere Staaten, potentiell andere Herrscher). Was die Übertragbarkeit der Erkenntnisse aus der unternehmensspezifischen Institutionenökonomik auf den Staat betrifft, gilt es jedoch, einen deutlichen Unterschied an folgender Stelle zu machen: Beide Arten von Institutionen können verstanden werden als Sozialsysteme, in denen Einzelpersonen Zeit und Energie auf die Herstellung sozialer Beziehungen verwenden. Im Unterschied zum Unternehmen ist der Staat jedoch oberste Autorität, er kann seine eigenen Gesetze machen. Das bedeutet, dass der Staat Rahmenbedingungen innerhalb eines Landes ändern kann, während das Unternehmen sich immer in dem Land, dem es angehört, den gegebenen Rahmenbedingungen unterwerfen muss. Für die Analyse der Übertragbarkeit öffentlicher Aufgaben auf Private muss deshalb immer die zusätzliche Option der Regulierung mit beachtet werden. Wenn die Entscheidung – sei es auf ökonomischer Grundlage, sei es auf politisch-situativer Basis – gefallen ist, dass in bestimmten Bereichen öffentliche Aktivität stattfinden soll, so kann differenziert werden, wie weit die öffentliche Aufgabenwahrnehmung erfolgt: Im Rahmen der Gewährleistungsverantwortung muss der staatliche Träger gewähren, dass die jeweilige Leistung verfügbar ist. Die öffentliche Hand muss 28 hier also keineswegs die Leistungserstellung selber vornehmen – die oben angesprochenen Kooperationen sind unter Umständen ausreichend. Obliegt der öffentlichen Hand die Finanzierungsverantwortung, dann muss die Finanzierung der Bereitstellung und Erstellung der Leistung gesichert sein – aber auch hier muss die Leistungserstellung selber nicht durch die öffentliche Hand erfolgen. Vielmehr können Aufträge an private Unternehmen vergeben werden, wie etwa beim Straßenbau. Die Durchführungsverantwortung sollte die öffentliche Hand bei solchen Aufgaben haben, die von hoher strategischer Relevanz und hoher Faktorspezifität gekennzeichnet sind. Nur in diesen Fällen muss Finanzierung, Bereitstellung und Erstellung der Leistung durch die öffentliche Hand selbst erfolgen. Hier setzt natürlich die allseits bekannte „Konnexitätsdiskussion“ im föderalistischen Staat an, die beispielsweise bei der Gemeindefinanzreform eine wichtige Rolle spielt. 2. Art der Leistungserbringung (Arrangement) und Leistungstiefe Bei der Bestimmung der geeigneten Leistungstiefe sind – wie oben dargestellt – Spezifität und Strategische Relevanz sowie die Wirtschaftlichkeit zu beachten. Unter Umständen reicht es, wenn der Staat an der Institutionenbildung mitwirkt; dies können wir gegenwärtig auf den Gebieten der Elektrizitäts- und der Telekommunikationsversorgung beobachten, wo die Annahme, die Gebiete müssten vollständig durch den Staat bedient werden, inzwischen grundsätzlich marktorientierten Lösungen gewichen ist, ergänzt durch – freiwillige oder staatlich koordinierte – Regulierungen. Jedoch sollte bei allen Überlegungen in Richtung Outsourcing darauf geachtet werden, dass die strategische Steuerungsfähigkeit sichergestellt bleiben muss. Das heißt, dass Know how und Mindestkapazitäten für die laufende Steuerung des Leistungsprozesses wie auch für den Fall des Selbsteintritts bei Ausfall Externer vorhanden sein müssen. Daraus folgt, dass ein bestimmter Eigenleistungsanteil erhalten bleiben muss. 29 3. Analyseinstrument der politischen und administrativen Strukturen Bei der Übertragung auf den öffentlichen Bereich hat Frau Göbel bereits das Problem der mehrstufigen Prinzipal-Agenten-Verhältnisse im Bereich BürgerPolitik-Verwaltung-Auftragnehmer erwähnt. Was die Verwaltung betrifft, so haben wir zum Teil auch von mehrteiligen Prinzipal-Agent-Verhältnissen zu sprechen; als potenzielle Prinzipale kommen neben den Politikern auch die Bürger direkt – etwa bei der Inanspruchnahme von Verwaltungsleistungen – sowie Aufsichtsbehörden, beispielsweise Rechnungshöfe oder die Fach- oder Rechtsaufsichtsbehörden, in Frage. Mehrstufige Prinzipal-Agenten-Verhältnisse bei der öffentlichen Leistungserstellung Politik Verwaltung Private Anbieter Private Anbieter Interne Anbieter von Diensten Interne Anbieter von Querschnittsleistungen Bürger Es wurde außerdem das zwiespältige Verhältnis von öffentlicher und privater Leistungserbringung hinsichtlich der abweichenden Sach- und Rentabilitätsziele angesprochen. Auf der einen Seite ist die Sachzielorientierung der Verwaltung, die unter Umständen nicht effizient ist, auf der anderen Seite, bei privatwirtschaftlicher Leistung, die Rentabilitätsorientierung, die aber unter Umständen zu Abstrichen beim Erreichen der Sachziele führt. Diesem Problem widmen sich auch die „Neuen Steuerungsmodelle“, Das heißt auch hier subsumiert die neue Institutionenökonomik einen bekannten Sachverhalt unter ihrem „label“. Bei den „Neuen Steuerungsmodellen“ stehen vor allem Ziel- oder Leistungsvereinbarungen zwischen den einzelnen Beteiligten 30 ab der Verwaltungsebene im Vordergrund. Solche Vereinbarungen sind zwischen Politikebene und Verwaltung eher selten. Die neue Institutionenökonomik bietet in diesem Zusammenhang nicht nur die Prinzipal-AgentenSichtweise, sondern auch Hinweise aus dem Bereich der Vertragstheorie: Kontraktinhalte und Verfügungsrechte, Gewährung angemessener Leistungsanreize (wie etwa leistungsorientierte Bezahlung oder die Möglichkeit des Einbehalts managementbedingter Budget-"Gewinne"), Berichtspflichten, sowie Einsatz von Kennzahlensystemen. Dies führt auf der einen Seite zwar zu mehr Transparenz, bringt auf der anderen Seite allerdings höhere Transaktionskosten. Ebenso stützt die neue Institutionenökonomik die schon bekannten Budgetierungsmodelle: Hier versucht man, dem Anreiz-, Steuerungs- und Informationsproblem der Prinzipal-Agenten-Beziehung dadurch gerecht zu werden, dass man autonome Gestaltungen ermöglicht unter der Vereinbarung bestimmter Finanz- und Leistungskennzahlen. Somit wird die Prinzipal-Agenten-Beziehung auf das Steuerungsproblem reduziert, Anreiz- und Informationsproblematik werden durch die Budgetierungsvereinbarung behandelt. Auch hier haben wir übrigens wieder die Frage: Wie detailliert sollen oder können Regelungen solcher Vereinbarungen sinnvoller Weise sein? Hinsichtlich der internen Strukturen öffentlicher Unternehmen und insbesondere öffentlicher Verwaltungen sowie der Beziehungen zwischen Bürgern, Politikern und Verwaltung lassen sich mit Hilfe der neue Institutionenökonomik einige „Effizienzschwachstellen“ ausfindig machen und analysieren: Die Verantwortungskette Bürger-Politik-Verwaltung-Auftragnehmer ist gekennzeichnet von unzureichend definierten Verfügungsrechten und mehreren Prinzipal-Agenten-Beziehungen mit den geschilderten Informations- und Steuerungsproblemen. Das Verhalten der Politiker wird im Rahmen der neuen Institutionenökonomik als intendiert rationales, damit für Opportunismus anfälliges Verhalten betrachtet. In der Regel wird ein mittelfristiges Wiederwahl-Kalkül angenommen, das zu erklären vermag, warum langfristig angelegte Lösungen 31 für öffentliche Probleme – Sozial- oder Bildungssystem – so schwerfällig zu Stande kommen. Bürgern und Politikern als Prinzipalen von Politikern bzw. der Verwaltung fehlt häufig Information über Verhalten, Fähigkeit und Anreizmöglichkeiten ihrer Agenten, es fehlen in der Regel Messkriterien bzw. Messmöglichkeiten. In diesem Zusammenhang ist zu hoffen, dass die Medien hier ihren Beitrag zu Transparenz leisten. IV. Kritische Anmerkungen zum Konzept der Neuen Institutionenökonomik Die neue Institutionenökonomik bietet verschiedene Instrumente, die sich auch auf die öffentliche Wirtschaft übertragen lassen. Aber mehr noch als die Theorie sollte die konkrete Anwendung auf öffentliche Bereiche hinterfragt werden. So wird die Modellierung des individuellen Verhaltens – beschränkte Rationalität, Opportunismusbereitschaft, Vernachlässigung von (psychischen) Machtverhältnissen – kritisiert. In diesem Zusammenhang wird auch auf Pfadabhängigkeiten verwiesen, Das heißt bei der Analyse von Institutionen gilt es, auch gesellschaftskulturelle Aspekte und die Entstehungsgeschichte mit einzubeziehen. Eine jeweils zeitpunktbezogene, statische Analyse reicht nicht aus. Schließlich wird kritisiert, dass man wohl Annahmen über das Vorliegen von Transaktionskosten treffen kann, dass aber eine konkrete Messung und Zuordnung von Transaktionskosten nicht realistisch ist, wodurch quantitative Aussagen beschränkt bleiben. Darüber hinaus werden oft hybride Lösungen vernachlässigt und strategische Aspekte nur gering beachtet. V. Fazit Es ging in diesen beiden Vorträgen um die Frage, welches Instrumentarium die Neue Institutionenökonomik bietet und welche Anwendungsmöglichkeiten es für die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben gibt. Eindeutige, durchstrukturierte Entscheidungs- oder Organisationshilfen liegen nicht vor. Mein Fazit ist daher: Die Neue Institutionenökonomik bietet einen spezifischen Blickwinkel auf Art und Umfang öffentlicher Tätigkeit. Sie hat daher eher die Funktion eine zusätzliche Perspektive zu bieten und ermöglicht damit detailliertere Analysen, besser 32 fundierte Erklärungen und strukturiertere Entscheidungen. Jedoch sind nicht alle Erkenntnisse, die unter dem Dach der neuen Institutionenökonomik in jüngster Zeit zusammengefasst werden, wirklich neu. Vieles wurde im Bereich der Finanz- und Verwaltungswissenschaft unter anderen Namen schon früher behandelt. 33 Wolf Gottschalk Das derzeitige Ausmaß von Public Private Partnership (PPP) in der kommunalen Wirtschaft I. Vorbemerkungen Der Wissenschaftliche Beirat der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft hat sich bereits früher mit dem Phänomen der PPP befasst und darüber auch in einer Veröffentlichung ausführlich berichtet.1 Es geht im folgenden also nicht darum, noch einmal über die verschiedenen PPP-Modelle zu referieren oder das Für und Wider solcher Partnerschaften zu beleuchten. Dies ist ausreichend geschehen. An dieser Stelle sollen einige Beobachtungen weitergegeben werden, die die Entwicklung der PPP in den letzten Jahren deutlich werden lassen. Dabei sollen nicht nur die kommunale Energie- und Wasserversorgung betrachtet werden, sondern auch die kommunale Abfallwirtschaft und der öffentliche Personennahverkehr. Die verwendeten statistischen Unterlagen sind dabei nicht immer besonders aufschlussreich und aussagefähig. Im Falle der kommunalen Energie- und Wasserversorgung konnte auf Unterlagen der Beitragsermittlung für den Verband kommunaler Unternehmen (VKU) zurückgegriffen werden. Hierbei wird jährlich auch die Frage nach den Beteiligungsverhältnissen der Unternehmen gestellt. Die gemachten Angaben sind zum Befragungstermin recht verlässlich, allerdings hinken sie um einige Zeit zurück. Im Laufe eines Jahres werden so viele neue Partnerschaften abgeschlossen, dass sich das Bild sehr schnell verändert zwischen den Befragungszeitpunkten des VKU. Die PPP in der Entsorgungswirtschaft basieren auf einem anderen statistischen Material. Statistische Angaben über PPP im öffentlichen Personennahverkehr sind einer Veröffentlichung von Thomas Muthesius entnommen.2 Sie stammen aus der Zeit vor 1996. Eine neuere Datenbasis stammt aus einer Studie der Arthur Andersen Beratungsgesellschaft aus dem Jahr 2001. Hier werden in einem statistischen Anhang die im ÖPNV vorgenommenen M- und A-Transaktionen in Deutschland und Europa aufgelistet. 1 2 Dietrich Budäus und Peter Eichhorn (Hrsg.), Public Private Partnership. Neue Formen öffentlicher Aufgabenerfüllung. Siehe Literaturhinweise auf S. 39. Thomas Muthesius, Praktische Erfahrungen und Probleme mit Public Private Partnership in der Verkehrswirtschaft. Siehe Literaturhinweise auf S. 39. 34 II. Die Situation in der kommunalen Energie- und Wasserversorgung (VKU-Mitglieder) Nach den Unterlagen des VKU lassen sich die PPPs in drei Kategorien mit folgender Besetzung einteilen: Kategorie I: Drittbeteiligung bis 24,9 % 41 Unternehmen Kategorie II: Drittbeteiligung 25 bis 50 % 194 Unternehmen Kategorie III: Drittbeteiligung über 50 % 14 Unternehmen zusammen also 249 Unternehmen mit einer Drittbeteiligung an kommunalen Unternehmen im VKU. Im VKU sind (2002) 587 GmbH und 56 Aktiengesellschaften zusammengefasst: Der Rest von 974 Unternehmen sind nichtbeteiligungsfähige Eigenbetriebe und Zweckverbände sowie Anstalten und Körperschaften des öffentlichen Rechts und sonstige Gesellschaften. Bezogen auf die 643 GmbHs und Aktiengesellschaften beträgt die hinsichtlich der Unternehmensgrößen ungewichtete Beteiligungsquote also 39 %. Würde man letztgenannte Größe einbeziehen, sähe die Quote ganz anders aus! Aber schon die ungewichtete Zahl ist interessant, weil sie das Ausmaß der Teilprivatisierungen im kommunalen Wirtschaftsbereich erkennen lässt. Man kann das wirkliche Ausmaß des Dritteinflusses ermessen, wenn man die Zahlen des VKU näher beleuchtet. Zunächst fällt auf, dass die Kategorie I (unter 25 %) seit einiger Zeit deutlich stagniert. Es handelt sich hier oft um sog. Altbeteiligungen aus der Zeit vor 1998. In neuerer Zeit gilt der Trend zur Kategorie II (25 bis 50 %). Erst bei einer solchen Beteiligung kann unternehmerische Mitwirkung des Dritten als sicher angenommen werden. In welcher Weise dies geschieht, könnte nur beantwortet werden, wenn man Einblick in die abgeschlossenen Gesellschafts- und Konsortialverträge nehmen könnte. Dem VKU ist das nicht möglich. Es ist allerdings zu beobachten, dass in nicht wenigen Fällen der Drittbeteiligte nach einer gewissen Zeit der Beteiligung an der Geschäftsführung direkt mitwirkt, meist durch Besetzung des Kaufmännischen Ressorts. Man kann daraus schließen, dass in dieser Weise ein Konsortialvertrag abgeschlossen wurde. Häufig wird auch vereinbart, dass bei einer sehr hohen Drittbeteiligung dem kommunalen Anteilseigner in besonderen Fällen ein besonderes Stimmrecht in den Gesellschafts35 organen eingeräumt wird. In anderen Fällen wird ein Optionsrecht auf den Zukauf weiterer Gesellschaftsanteile durch den Drittbeteiligten zugesichert. Außenstehende erfahren über solche Vereinbarungen in der Regel nichts oder erst dann, wenn die Rechte ausgeübt werden. Bei einer genaueren Analyse der Beteiligungen Dritter nach VKU-Landesgruppen zeigt sich, dass die in den betreffenden Gebieten tätigen Verbundunternehmen und ihre regionalen Tochterunternehmen die hauptsächlich Beteiligten sind, also z.B. in Nordrhein-Westfalen RWE, in Thüringen Thüga und TEAG, in Baden-Württemberg EnBW, in Sachsen-Anahlt MEAG und RWE, in Bayern E.on und Thüga. Auffallend ist die über alle Landesgruppen starke Verteilung der Thüga und der E.on (samt Töchtern). Es wird also ganz deutlich, dass die großen Verbundunternehmen E.on, RWE und EnBW eine regional gezielte Strategie der Vorwärtsintegration betreiben. Vattenfall Europa hat sich wegen seines noch anhaltenden Aufbaus (VEAG, BEWAG, HEW) noch nicht stark an dieser Entwicklung beteiligt. Ausländische Beteiligungen sind noch relativ selten. TXU hat sich, wie bekannt, aus Deutschland zurückziehen müssen. Vivendi, Nuon und Essent (letztere beiden aus den Niederlanden) haben nur wenige deutsche Beteiligungen. Das gleiche gilt zurzeit für Eurawasser. Ruhrgas hat erst in den letzten Jahren seine Beteiligungspolitik umgestellt und über Deutschland ziemlich gleichmäßig verteilt Beteiligungen vorgenommen. Das Eingehen neuer PPPs erreicht die Unterlagen beim VKU auf dem Wege über die Beitragsermittlung meist verspätet. Trendentwicklungen lassen sich aber bereits im Laufe des Jahres aus den Mitteilungen in der Fachpresse, insbesondere in der Zeitung für Kommunalwirtschaft (ZfK) ablesen. Danach sieht es so aus, dass Beteiligungen Dritter unter 25 % kaum noch vorgenommen werden, sondern sich die Drittbeteiligungen zwischen 40 und 49 % stark häufen. Über 50 % scheinen die Städte nur vereinzelt hinaus zu gehen. In den letzten Jahren hatte es eine Reihe von Fällen gegeben, in denen die Bürger durch Volksbegehren und Volksentscheide einen Verkauf über 50 % an Dritte verhindert haben (Düsseldorf, Bielefeld, Hamm, Münster). Zwar sind solche Volksentscheide gesetzlich befristet, aber sie haben dort und in anderen Städten offensichtlich dazu geführt, dass bei Verhandlungen die „Schmerzgrenze“ von 49,9 % eingehalten wird. 36 Damit ist die Kategorie III mit zurzeit nur 14 Unternehmen recht schmal besetzt. Bei diesen Unternehmen muss man jene unterscheiden, die nur einen einzigen Drittbeteiligten haben, von denjenigen, bei denen mehrere Dritte, in der Summe über 50 %, die Anteile halten. Bei den ersteren besteht die Gefahr, dass das betreffende Stadtwerk in das größere Unternehmen eingegliedert oder zerlegt und in Teilen verändert wird. Bei den anderen sorgen die unterschiedlichen Interessen der verschiedenen Drittbeteiligten dafür, dass eine solche Eingliederung bzw. Zerlegung nicht oder nicht so einfach erfolgt. III. Kommunale Entsorgungswirtschaft In der Vereinigung der kommunalen Entsorgungswirtschaft im VKU (VKE) gab es im Jahr 2002 129 Mitgliedsunternehmen, davon 44 in der Rechtsform des Eigenbetriebs oder Zweckverbands. Der Rest (85) waren GmbHs und Aktiengesellschaften, und zwar entweder reine Abwasserbehandlungs- bzw. Abfallwirtschaftsunternehmen oder Querverbundstadtwerke mit Entsorgungssparten. Eine Statistik über eine Beteiligung Dritter an den hier vertretenen Entsorgungsgesellschaften oder Entsorgungsteilen der Stadtwerke wird beim VKU (zurzeit noch) nicht geführt. Soweit es sich um Stadtwerke mit einem Querverbund aus Versorgung, Entsorgung und ÖPNV handelt und eine Drittbeteiligung vorliegt, sind solche Fälle bereits in der Statistik Versorgungswirtschaft enthalten. Sie betreffen aber die Stadtwerke als Ganzes und nicht die Sparten der Unternehmen im Besonderen. Aufgrund der derzeitigen Datenlage muss man davon ausgehen, dass PPP in der kommunalen Entsorgungswirtschaft noch nicht so deutlich ausgeprägt ist wie in der kommunalen Energiewirtschaft. Kommunale und private Entsorgungswirtschaft stehen sich recht unfreundlich gegenüber, auch ihre Unternehmensverbände. Dies hängt auch mit den Rechtsgrundlagen im Bereich der Abwasserbehandlung und Abfallentsorgung (Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz) und damit dem Nebeneinander von privater und kommunaler Abfallwirtschaft zusammen. Private Beteiligung an der Entsorgungswirtschaft findet derzeit nicht in erster Linie durch gesellschaftsrechtliche Zusammenschlüsse (Bundling) statt, sondern durch Ausschreibung von Entsorgungsleistungen: der öffentliche Auftraggeber als Gewährleister. Nach einer Aussage der Deutschen Bank Research von 2002 sollen zurzeit ca. 60 % der Bundesbürger durch pri- 37 vate Entsorger im kommunalen Auftrag von ihrem Hausmüll entsorgt werden. Keine Angaben werden zur privaten Entsorgung jener Abfälle zur Verwertung gemacht, die nicht aus privaten Haushalten stammen und daher nicht dem örtlichen kommunalen Entsorgungsunternehmen überlassen werden müssen. Auch hinsichtlich einer gesellschaftsrechtlichen Teilprivatisierung im Abwasserbereich gibt es zurzeit noch keine brauchbaren Daten. Von einigen Unternehmen sind solche PPPs bekannt, aber eine flächendeckende Beteiligungsstruktur liegt noch nicht vor. Zumindest für die dem VKU in nächster Zeit angeschlossenen Entsorgungsunternehmen könnte in dieser Frage etwas Licht ins Dunkel gebracht werden. Im Abwasserbereich könnte sich die PPP-Situation ändern, wenn er eines Tages aus dem Hoheitsbereich herausgenommen und die Umsatzsteuerpflicht eingeführt würde. IV. Öffentlicher Personennahverkehr Herr Muthesius hat in seinem oben zitierten Aufsatz PPP im ÖPNV zwei Formen unterschieden: zum einen der Einsatz von Subunternehmen, zum anderen PPP in Form gemeinsamer Gesellschaften. Bei letzteren kann es sich um ausgegliederte Geschäftsgegenstände oder Funktionen handeln (Fahrdienstgesellschaften, Werkstätten, Bahnhofsbewirtschaftungen u.ä.). Aber es gibt auch Fälle, bei denen Beteiligungen Privater über 50 % vereinbart werden, um bestimmte unternehmerische Ziele unter Wettbewerbsbedingungen zu erreichen (z.B. günstigere Tarifstrukturen, bessere Finanzierungsmöglichkeiten, Nutzung technischen Spezialwissens, rationellere Unternehmensführung). Aus der M+A-Statistik der Beratungsgesellschaft Arthur Andersen für das Jahr 2001 wird deutlich, dass es eine Reihe sehr potenter in- und ausländischer Verkehrsunternehmen gibt, die sich in Deutschland einkaufen. Die ausländischen Erwerber oder Beteiligungsunternehmen haben in der Regel eine deutsche Tochtergesellschaft gegründet, die die notwendigen rechtlichen und unternehmerischen Schritte in Deutschland durchführt (Connex, Vivendi Deutschland). In Deutschland sind auch Fälle vorhanden, in denen ein öffentliches ÖPNV-Unternehmen sich an einem privaten beteiligt oder es ganz erwirbt. Neuerdings dringt auch die Deutsche Bahn auf diesen Markt. In der Zeit von 1996 bis 2001 weist die Andersen Statistik 48 Fälle von Mergern im ÖPNV in Deutschland aus. 38 Wesentlich umfangreicher ist diese Statistik für den Bereich Europa. Ein Blick darauf zeigt, dass hier der Markt sehr in Bewegung ist und von einigen offenbar sehr starken, global aufgestellten Verkehrsunternehmen beherrscht wird. Hier sind in der Andersen-Statistik 70 abgeschlossene Merger aufgeführt. Literaturhinweise Arthur Andersen GmbH (Hrsg.), Öffentlicher Personennahverkehr im Wettbewerb, Marktstudie 2001. Dietrich Budäus und Peter Eichhorn (Hrsg.), Public Private Partnership. Neue Formen öffentlicher Aufgabenerfüllung, Schriftenreihe der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft, H. 41, Baden-Baden 1997. Deutsche Bank Research (Hrsg.), Economics: Entsorgungswirtschaft, Aktuelle Themen Nr. 234, 2002. Wolf Gottschalk, Praktische Erfahrungen und Probleme mit Public Private Partnership (PPP) in der Versorgungswirtschaft, in: Dietrich Budäus und Peter Eichhorn (Hrsg.), Public Private Partnership. Neue Formen öffentlicher Aufgabenerfüllung (s.o.), S. 153 ff. Wolf Gottschalk, Auswirkungen der Liberalisierung und Privatisierung: Kommerzialisierung kommunaler Unternehmen, in: Jens Harms und Christoph Reichard (Hrsg.), Die Ökonomisierung des öffentlichen Sektors: Instrumente und Trends. Baden-Baden 2003, S. 201 ff. Thomas Muthesius, Praktische Erfahrungen und Probleme mit Public Private Partnership in der Verkehrswirtschaft, in: Dietrich Budäus und Peter Eichhorn (Hrsg.), Public Private Partnership. Neue Formen öffentlicher Aufgabenerfüllung (s.o.), S. 169 ff. Hannes Rehm, Going Public kommunaler Unternehmen: Möglichkeiten – Perspektiven – Grenzen, in: Peter Eichhorn u.a., Kommunale Wirtschaft im Wandel – Chancen und Risiken. Baden-Baden 2000, S. 141 ff. Hannes Rehm und Sigrid Matern-Rehm, Kommunale Finanzwirtschaft, Frankfurt a.M. 2003, S. 482 ff. Vereinigung der kommunalen Entsorgungswirtschaft im Verband kommunaler Unternehmen, Geschäftsbericht 2001/2002, Köln 2002. 39 Martin Weber Ausgestaltung und Grenzen von PPP im Hinblick auf die Erfüllung öffentlicher Aufgaben I. Einführung Für den Begriffsinhalt der Public Private Partnership gibt es keine einheitliche Definition. Es gibt dem gegenüber eine fast unüberschaubare Vielfalt von Modellen und Namen. Der schillernde Begriff der Public Private Partnership findet sich bei den sogenannten PFI- und BOT-Modellen ebenso wie im Betreibermodell, Betriebsführungsmodell oder Kooperationsmodell. Es gibt keine Standardisierung, sondern eine fast unbegrenzt scheinende Zahl von „Unikaten“. Dies bedeutet nach derzeitigem Stand für die Durchführung von PPP-Projekten, das damit regelmäßig „hohe Rüstkosten“ verbunden sind. Gleichzeitig bestehen bei den Beteiligten unterschiedliche Vorstellungen und Ziele über Art und Form einer PPP. Die Grenzen dieser Projekte sind letztlich fließend. Die Diskussion zu diesem Thema behandelt bisher meist die Frage, des „ob“ und nicht die Frage des „wie“. Die vorliegende Darstellung soll daher der Vielzahl der bereits vorliegenden Überlegungen, ob PPP eine sinnvolles Organisationsmodell darstellt, keine weitere Variante hinzufügen, sondern aus der Perspektive eines „Handwerkers“ berichten, der sich mit der Umsetzung entsprechender Vorgaben zu befassen hat. II. Ansätze einer Definition In Deutschland versteht man unter PPP-Modellen traditionell eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung Privater an Unternehmen der öffentlichen Hand (Teilprivatisierung). Die Definition kann in diesen Fällen über Art und Umfang der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung erfolgen. Hiervon werden jedoch andere Maßnahmen, etwa das Contracting oder Formen der zivilrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Vertragsbindung nicht erfasst. Ein weiterer Definitionsansatz kann daher die Art und der Umfang der Aufgabenwahrnehmung durch Private mit Blick auf die Leistungsbeziehung sein. 40 Systematische Einordnung der PPP PPP zwischen Eigenerledigung und materieller Privatisierung PPP Formale Privatisierung Informelle PPPs Eigenerledigung Teilprivatisierung gesellschaftsrechtliche Kooperation Materielle Privatisierung Zivilrechtliche Kooperationsverträge Outsourcing Herkömmliche Beschaffung Öffentlich-rechtliche Kooperationsverträge Bei der Definition über Art und Umfang der Aufgabenwahrnehmung im Hinblick auf die Leistungsbeziehung ist festzustellen, dass die Grundstruktur einer PPP in einer auf Dauer angelegten Leistungsbeziehung besteht, die in der Regel als Betriebsführungs-, Betreiber- oder Konzessionsmodell ausgestaltet ist. Daneben finden sich weitere Elemente, die insbesondere die Finanzierung betreffen können. Im Bereich des öffentlichen Hochbaus können die einzelnen Vertragselemente, etwa die Bereiche Planung, Finanzierung, Bau, Betrieb/Unterhaltung und Verwertung einer Immobilie betreffen. Betriebsführungsmodell Betriebsführer führt den Betrieb gegen Entgelt Anlage und Risiko bleiben beim Auftraggeber Leistungsbeziehung Auftraggeber Eigentum Betriebsführer Dienstleistungsvertrag Anlage Kunde 41 Betreibermodell Betreiber führt Anlagen auf eigenes Risiko gegen Entgelt Betreiber Auftraggeber Leistungsbeziehung Auftrag Eigentum + Endschaftsbestimmung Anlage Kunde Konzessionsmodell Keine direkte Leistungsbeziehung zwischen Konzessionsgeber und Kunde Konzessionsgeber Konzessionsnehmer Direkte Kundenbeziehung/ Betrieb auf eigene Rechnung Anlage Kunde III. Ausgestaltung einer PPP Insgesamt ist festzustellen, dass Public Private Partnership vom grundsätzlichen Ansatz her ein besonders ausgestalteter langfristig angelegter Beschaffungsvorgang der öffentlichen Hand ist. Unabhängig von der Ausgestaltung des PPP-Modells muss die öffentliche Hand daher wie bei der konventionellen Beschaffung „Herrin des Verfahrens“ sein und bleiben. Die öffentliche Hand wird im Rahmen eines PPP-Modells, bei dem ein Privater Teile der Aufgabenerfüllung übernimmt, nicht „ersetzt“, sie nimmt die Aufgabe viel- 42 mehr in einer anderen Form wahr. Um die der öffentlichen Hand damit zuwachsenden Aufgaben wirksam ausfüllen zu können, muss der öffentliche Auftraggeber die Möglichkeiten und Grenzen des privaten Anbieters kennen, berücksichtigen und nutzen. Hierzu gehören z.B. auch Kenntnisse über die Auswirkung bestimmter Vertragsformen auf die Bilanzierung des privaten Partners. Die öffentliche Hand muss insgesamt an dieser Stelle aus der Rolle des „Getriebenen“ herauskommen und selbst aktiv das Instrumentarium nutzen. Der Vortrag von Herrn Gottschalk hat an dieser Stelle sehr deutlich gezeigt, in welchem Maße kommunale Unternehmen bereits als Public Private Partnership im Sinne der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung Privater handeln. Insgesamt kann Public Private Partnership die Aufgaben der öffentlichen Hand danach nicht ersetzen, so dass man sich auf der Seite der Verwaltung dem Thema mit etwas weniger „Aufgeregtheit“ nähern sollte. IV. Welche Bereiche staatlicher Aufgabenwahrnehmung eignen sich danach für eine PPP? Klassische Staatsaufgaben sind einer Privatisierung nicht zugänglich (Art. 33 IV GG). Auch in diesen Bereichen können allerdings „Hilfsfunktionen“ auf Private übertragen werden. Geeignet sind in jedem Fall Bereiche, die ohnehin im Wettbewerb mit Privaten stehen, wie etwa Entsorgung, Energieversorgung, Forstbetriebe, usw. Daneben können Hilfsbetriebe wie Kirchen, Werkstätten, aber auch der Bau und die Unterhaltung von Anlagen und Gebäuden sowie Facility Management in Verwaltungsgebäuden, Schulen, Krankenhäusern usw. im Rahmen von PPP-Modellen durchgeführt werden. Bei dem Outsourcing von Hilfsfunktionen sollte neben der rechtlichen Fragestellung insbesondere eine auf die Akzeptanz der Bevölkerung bezogene Prüfung durchgeführt werden, ob sich die Aufgabenstellung für eine Aufgabenwahrnehmung in privater Form generell eignet. Ein japanisches Sprichwort sagt dazu: „Wer nicht lächeln kann, sollte kein Geschäft eröffnen.“ Daneben ist zu prüfen, ob das Engagement des privaten Partners rentierlich ist. Die Entrichtung „strategischer Preise“ für den Markteintritt wird auf längere Sicht nicht verhindern, dass der private Partner eine angemessene Rentabilität für seine Investition suchen wird und suchen muss. Die derzeit noch als offen zu 43 bezeichnende Frage ist, wie PPPs im Rahmen eines Wirtschaftlichkeitsvergleichs zu beurteilen sind, da die öffentliche Hand häufig Risiken, die der private Partner als „ordentlich bilanzierender Kaufmann“ in seine Kalkulation einstellt, bei ihrer Kalkulation nicht mit einbezieht. Daneben ist bei der Schaffung von PPP-Unikaten die Frage nach den mit der Modellierung verbundenen Transaktionskosten zu stellen und im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsvergleichs zu berücksichtigen. V. Voraussetzungen für eine erfolgreiche PPP Die Voraussetzungen für ein erfolgreiches PPP-Projekt sind für die Bereiche der Aufgabenwahrnehmung in einem weitverstandenen Sinne der Daseinsvorsorge, bei denen die öffentliche Hand zumindest eine „Gewährsträgerfunktion“ hat, und für die Bereiche, in denen die öffentliche Hand keine „Gewährsträgerfunktion“ besitzt, insbesondere bei der Einschaltung von Erfüllungsgehilfen unterschiedlich zu beantworten. Soweit die öffentliche Hand keine Verpflichtung zur Wahrnehmung einer Aufgabe trifft, weil sie etwa zur Förderung von bestimmten Zielen oder Vorhaben, im Bereich der Wirtschaftsförderung freiwillig Aufgaben übernommen hat, so kann sie sich unter Beachtung des auf Seiten des privaten Partners ggf. bestehenden Vertrauensschutzes hiervon auch wieder lösen. Die Neustrukturierung ist im Falle gesellschaftsrechtlicher Unternehmungen durch Teil- oder Vollprivatisierungen mittels Verkauf von Geschäftsanteilen oder Aktien ohne größere Probleme umsetzbar. Etwas anders gestaltet sich die Public Private Partnership bei öffentlichrechtlicher Gewährsträgerfunktion. Die Beteiligung privater Partner muss hier immer unter dem Gesichtspunkt einer langfristigen Zusammenarbeit und einer Sicherung der Aufgabenstellung betrieben werden. Dies bedeutet, dass die öffentliche Hand frühzeitig eine Meinungsbildung und Festlegung zwischen den beteiligten Stellen innerhalb der Verwaltung herbeiführen muss. Sie muss Festlegungen der Verhandlungspositionen auch im Hinblick auf die bestehenden Zielkonflikte vor Aufnahme der Verhandlungen treffen und die Beteiligung von privaten Partnern unter klarer Aufgabenzuweisung und unter 44 klarer Verteilung des Risikos vornehmen. Die Verwaltung muss mithin dem privaten Partner dauerhaft als Einheit gegenübertreten. Da insbesondere im kommunalen Bereich eine behördliche „Regulierung“, wie wir sie etwa im Bereich des Telekommunikationswesens kennen oder wie sie in Großbritannien im Bereich der Wasserwirtschaft besteht, weder unter rechtlichen, noch unter finanziellen Gesichtspunkten sinnvoll erscheint, muss die öffentliche Hand hier versuchen, eine „Regulierung“ auf vertraglicher Ebene zu sichern. Das bedeutet, dass die Verträge zur Regelung der Leistungsbeziehungen sorgfältig vorbereitet werden müssen. Es muss eine eindeutige Aufgabenbeschreibung mit eindeutiger Festlegung von Reaktionsmöglichkeiten geben, und es muss klare Regelungen der Informationsflüsse, sei es durch Monatsoder Quartalsberichte, mit Festlegung der Informationstiefe geben. Über das in den Kommunen bereits weitgehend bestehende Beteiligungscontrolling hinaus setzt dies die Einführung eines qualifizierten Vertragscontrollings voraus. Dazu gehört auch die Schaffung einer leistungsfähigen, fachlich und personell auf das Aufgabengebiet zugeschnittenen Einheit innerhalb der Verwaltung, die jederzeit in der Lage sein muss, die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung des beauftragten Unternehmens mit eigenen Fachkräften zu beurteilen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass wir hier häufig langfristige Vereinbarungen mit Laufzeiten von regelmäßig 10 bis 20 Jahren antreffen. Die Fähigkeit der Verwaltung, den „Wert“ der erbrachten Leistungen zu überschauen, dient daher nicht nur den Interessen der Verwaltung, sie kommt im Falle notwendiger Vertragsanpassungen - soweit diese mit geltendem Vergaberecht in Einklang stehen - auch dem privaten Partner zu Gute. Der Erfolg einer Public Private Partnership hängt daneben entscheidend von der Risikoalokation zwischen öffentlicher Hand und privatem Partner ab. Besondere Bedeutung kommt hier der Preisfindung im Sinne einer ausgewogenen Preisgleitung zu, die den tatsächlichen Kostenanteilen im Rahmen der Gesamtkosten auch vor dem Hintergrund sich etwa verändernder Personalkostenanteile entspricht. Dies gilt auch für wirksame Endschaftsbestimmungen (call-options). Soweit der private Partner für den operativen Bereich einsteht, muss er auch die hiermit verbundenen Risiken aus dem Bereich Personal, 45 Finanzierung und Instandhaltung tragen. Umgekehrt muss die öffentliche Hand die von ihr zu verantwortenden Rahmenbedingungen, etwa das „Mengenrisiko“ im Bereich des Anschluss- und Benutzungszwangs übernehmen, da der Private hierauf keinen Einfluss nehmen kann. Im Rahmen der Endschaftsbestimmungen ist darauf zu achten, dass hier ein von Anfang an festzulegender Automatismus auch bezüglich der Kostenermittlung vereinbart wird, damit keine „Erpressbarkeit“ der öffentlichen Hand bei ordentlicher oder außerordentlicher Auftragsbeendigung besteht. VI. Problemfelder Bei gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen muss die Interessenlage innerhalb der Beteiligungsverwaltung und der für die Aufgabenerledigung verantwortlichen Fachabteilung nicht unbedingt übereinstimmen. Hier ist frühzeitig zu entscheiden, welchem Bereich die „Führung“ zukommen soll. Häufig unterbleibt bei Formal- oder Teilprivatisierung ein angemessenes Vertragscontrolling, da die Gesellschaft weiterhin als Teil der Verwaltung gesehen wird. Im Falle des Übergangs von einer Organisationsprivatisierung hin zu einer Teil- oder Vollprivatisierung findet im Anschluss keine Anpassung des Vertragscontrollings statt, weil dieser Vorgang formal die Leistungsbeziehung zwischen öffentlicher Hand und Gesellschaft nicht verändert. Gleichwohl ist ein solches Unternehmen nach Durchführung der Teil- oder Vollprivatisierung gerade nicht mehr als Teil der Verwaltung anzusehen, so dass hier andere Kontrollmechanismen greifen müssen. Bei der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung bestehen mithin regelmäßig Zielkonflikte zwischen hoher Gewinnerwartung und kostengünstiger Leistungserstellung sowie der kostengünstigen Leistungserstellung und der Akzeptanz bei den Beschäftigten. Diese Ziel- und Interessenskonflikte sollten frühzeitig im Rahmen der Vertragsgestaltung wenn nicht gelöst, dann doch wenigstens in Angriff genommen werden. VII. Fazit Als Fazit ist danach festzuhalten, dass eine Public Private Partnership nur dann auf Dauer erfolgreich sein kann, wenn alle Beteiligten sie als Prozess und nicht als kurzfristigen punktuellen Vorgang betrachten und sich darauf einstellen. 46 Entscheidend für den Erfolg einer Public Private Partnership ist die Balance des Konzepts, das von der öffentlichen Hand als Herrin des Verfahrens vor Einbeziehung des privaten Partners in den Grundzügen festzulegen ist. Die Aufgabe besteht somit letztlich darin, die auch bei normalem Verlauf zu erwartenden Zielkonflikte innerhalb der Verwaltung und zwischen Verwaltung und privatem Partner wenn schon nicht zu lösen, dann aber doch zumindest zu entschärfen. 47 Christoph Reichard* Das Konzept des Gewährleistungsstaates I. Zum Begriff „Gewährleistungsstaat“ Der Begriff des Gewährleistungsstaates ist vor rund sechs bis acht Jahren in den wissenschaftlichen Diskurs eingeführt worden.1 Inzwischen ist der Begriff „Gewährleistungsstaat“ auch zunehmend im politischen Diskurs anzutreffen. So formuliert beispielsweise die Berliner SPD in einem Leitantrag für ihren Parteitag 2003: „Wir werden den Staat so umbauen, dass er vom Leistungsstaat zum Gewährleistungsstaat wird.“ Nach dem Konzept des Gewährleistungsstaates stellt der Staat die Erfüllung politisch gewollter öffentlicher Aufgaben sicher. Er gewährleistet, dass diese Aufgaben erledigt werden. Diese Gewährleistung umfasst nicht unbedingt, dass der Staat die Aufgaben selbst erfüllt. Die Erledigung der Aufgaben kann auch durch Private, also den Markt, oder durch gemeinnützige Organisationen, also den Dritten Sektor, oder sogar durch die Bürger selbst erfolgen. Weitere Alternativen sind Mischformen, bei denen es zu Kooperationen des Staates mit Privaten, gemeinnützigen Organisationen oder Gruppen von Bürgern kommt. Wesentliches Kriterium zur Entscheidung, in welcher Form die Aufgaben zu erfüllen sind, ist die Effizienz. Dabei sind die verschiedenen (privaten und öffentlichen) Leistungsangebote prinzipiell als gleichberechtigt anzusehen. Der Begriff des Gewährleistungsstaates ist nicht gerade handlich. Eine starke Analogie zum Begriff der „Garantie“ kann zu Erwartungen an den Gewährleistungsstaat führen, die dieser gar nicht erfüllen kann. Juristisch betrachtet geht ein Garantievertrag über eine reine Gewährleistungspflicht (§434 BGB) hinaus, da für das Vorhandensein bestimmter Eigenschaften oder eines bestimmten Erfolgs eingestanden werden muss. Die Unhandlichkeit des Begriffs zeigt sich bei der Übersetzung ins Englische. Die Bertelsmann-Stiftung spricht vom „Guarantor State“, wobei „guarantee“ sowohl die Gewährleistung wie auch * Der Autor dankt Herrn Christian Humborg herzlich für die Unterstützung bei der Umwandlung des Vortrags in die vorliegende Textversion. 1 Vgl. z.B. Christoph Reichard., Umdenken im Rathaus, Berlin 1994; Phillippe Mastronardi u. Kuno Schedler, New Public Management in Staat und Recht. Ein Diskurs, Bern usw. 1998; Gunnar Folke Schuppert, Verwaltungswissenschaft, Baden-Baden 2000, S. 933 ff.; Kuno Schedler, Ansätze einer wirkungsorientierten Verwaltungsführung, 2. Aufl., Bern usw. 1996. 48 die Garantie bezeichnet. Es zeigt sich, dass die Begriffsbildung noch keinesfalls abgeschlossen ist. II. Verantwortungsstufung und -teilung sowie Aufgabentypen Aus der Staatstheorie stammt das Konzept der Verantwortungsstufung und -teilung.2 Während im Leistungsstaat staatliche Verantwortung undifferenziert diskutiert wurde, wird nun zwischen der Gewährleistungsverantwortung, der Finanzierungsverantwortung und der Vollzugsverantwortung unterschieden. Bei der Gewährleistungsverantwortung stellt der Staat sicher, dass Leistungen zu politisch bestimmten Standards erbracht werden. Diese Gewährleistung umfasst nicht unbedingt auch die Verantwortung für den Vollzug. Die Vollzugsverantwortung trägt die Institution, die tatsächlich die Leistung selbst produziert, gegenüber dem Abnehmer der Leistung, im Falle der Kommunen beispielsweise der Bürgerschaft. Als weitere Verantwortungskategorie ist die Finanzierungsverantwortung zu unterscheiden. Trägt der Staat die Finanzierungsverantwortung für eine Leistung, bedeutet dies nicht notwendig, dass er diese Leistung selbst erstellt, aber, dass er diese Leistung finanziert. Vielfach übernimmt der Staat im Rahmen der Public Private Partnership die Finanzierungsverantwortung, während Private für die eigentliche Leistungserstellung verantwortlich sind. Abbildung 1: Zusammenhang von Aufgabentypen und Verantwortungskategorien GewährleistungsVollzugsFinanzierungsverantwortung verantwortung verantwortung staatliche Kernaufgabe staatliche Gewährleistungsaufgabe private Kernaufgabe 2 Verantwortung beim Staat Verantwortung beim Staat Verantwortung bei Staat oder bei Privaten Verantwortung bei Privaten Vgl. zusammenfassend: Gunnar Folke Schuppert, a.a.O., S. 400 ff.; ferner z.B. Wolfgang Hoffmann-Riem, Tendenzen in der Verwaltungsrechtsentwicklung, in: Die Öffentliche Verwaltung, Jg. 1997, S. 433 ff.; Rainer Pitschas, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren, München 1990; Eberhard Schmidt-Aßmann, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsgerichtsbarkeit, in: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer, 34. Jg. (1976), S. 232 ff.; Gunnar Folke Schuppert, Die öffentliche Verwaltung im Kooperationsspektrum staatlicher und privater Aufgabenerfüllung: Zum Denken in Verantwortungsstufen, in: Die Verwaltung, Jg. 1998, S. 415-447; Gunnar Folke Schuppert (Hrsg.), Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat: Verantwortungsteilung als Schlüsselbegriff eines sich verändernden Verhältnisses von öffentlichem und privatem Sektor, Baden-Baden 1999. 49 Für eine vierte Verantwortungskategorie – nämlich die Auffangverantwortung plädiert Schuppert.3 Damit wird die Verantwortung einer staatlichen Institution bezeichnet, im Falle einer Einstellung der Leistungserbringung durch Dritte, seien dies Private oder gemeinnützige Organisationen, die Leistung wieder selbst zu erstellen, also einzuspringen. Hoffmann-Riem spricht daher auch von der Einspringverantwortung.4 Die Diskussion, inwieweit Kommunen durch gegenseitige Unterstützungszusagen Risiken minimieren und damit der Auffangverantwortung gerecht werden können, hat gerade erst begonnen. Die solchermaßen differenzierten Verantwortungskategorien können verschiedenen Aufgabentypen zugeordnet werden (s. Abb. 1). Grundsätzlich werden drei Aufgabentypen unterschieden: staatliche Kernaufgaben, staatliche Gewährleistungsaufgaben und private Kernaufgaben. Der erste Typ ergibt sich aus der Überlegung, dass bestimmte Aufgaben für das Überleben eines Gemeinwesens eine solche strategische Relevanz besitzen, dass sie durch den Staat selbst zu erfüllen sind, da der Staat nicht das Risiko einer Misserfüllung eingehen kann. Bei den staatlichen Kernaufgaben verbleiben demzufolge Gewährleistungs-, Vollzugs- und Finanzierungsverantwortung beim Staat. Den staatlichen Kernaufgaben stehen die privaten Kernaufgaben gegenüber, die den überwiegenden Teil aller erbrachten Leistungen in einer Gesellschaft ausmachen. Dies sind die Aufgaben, für die keinerlei staatliche Verantwortung besteht. Bei den privaten Kernaufgaben liegen entsprechend Gewährleistungs-, Vollzugs- und Finanzierungsverantwortung bei Privaten. Der im Konzept des Gewährleistungsstaates interessanteste Aufgabentyp sind die Gewährleistungsaufgaben. Sie sind „zwischen“ staatlichen Kernaufgaben und privaten Aufgaben anzusiedeln. Wie der Begriff der Gewährleistungsaufgaben bereits andeutet, liegt die Gewährleistungsverantwortung beim Staat, da es sich um Leistungen im öffentlichen Interesse handelt. Die Finanzierungs- und Vollzugsverantwortung wird jedoch fallweise dem Staat oder den Privaten zugeordnet. Die genaue Prüfung des Einzelfalls, ob Staat oder Private der jeweiligen Verantwortung effizienter gerecht werden, ist nur schwierig zu operationalisieren. Hierzu besteht noch erheblicher Forschungsbedarf. 3 4 Vgl. Gunnar Folke Schuppert, Verwaltungswissenschaft, a.a.O., S. 407 f. Vgl. Wolfgang Hoffmann-Riem, a.a.O. 50 III. Ideologisch-normative Einordnung des Gewährleistungsstaates Das traditionelle Staatsverständnis in Deutschland ist in den 60er und 70er Jahren durch den Begriff des Wohlfahrtsstaates geprägt worden. Sein Gegenstück fand der Wohlfahrtsstaat im durch Thatcherism und Reagonomics geprägten neoliberalen Minimalstaat. Im „Kampf der Ideologien“ ist das Konzept des Gewährleistungsstaates als eher neutral einzuordnen. Ist die staatliche Gewährleistungsverantwortung im Fokus der Analyse, ist der Gewährleistungsstaat eher wohlfahrtsstaatlichen Positionen zuzuordnen. Wird allerdings die staatliche Leistungserstellung betrachtet, befindet sich der Gewährleistungsstaat eher in der Nähe des neoliberalen Minimalstaates. Vor diesem Hintergrund ist es strittig, wie das Konzept des Gewährleistungsstaates ordnungspolitisch einzuordnen ist. Durch die einzelfallbezogene Entscheidung bei einer Vielzahl der Aufgaben ist das Konzept sicherlich normativ weniger aufgeladen. Allerdings führt die Einführung privater Elemente bei der Leistungserstellung, beispielsweise in Public Private Partnerships, vielfach mittelbar zur materiellen Privatisierung. Es ist daher noch nicht abschließend geklärt, ob das Konzept des Gewährleistungsstaates eine weiterführende Synthese aus Wohlfahrtsstaat und neoliberalem Staat darstellt. IV. Gewährleistungsstaat und Aktivierender Staat Der Begriff des „Aktivierenden Staates“ wurde durch die rot-grüne Bundesregierung nach dem Regierungswechsel 1998 besetzt.5 Damit wurde der Versuch unternommen, das seit 1982 von der konservativ-liberalen Koalition verwendete Leitbild des „Schlanken Staates“ zu adjustieren und fortzuentwickeln. Im Rahmen dieses neoliberalen Leitbildes ist es zwischen 1982 und 1998 zu Deregulierungen, Privatisierungen und sukzessiven Einschnitten in der Sozialpolitik gekommen. Strukturelle Eingriffe und systematische Aufgabenanalysen blieben jedoch aus, so dass der „Schlanke Staat“ eher auf Privatisierung als auf Modernisierung ausgerichtet war. 5 Vgl. Bundesministerium des Innern, Moderner Staat – moderne Verwaltung, Berlin 1999. 51 Abbildung 2: Einordnung des „Aktivierenden Staates“ Bürger Individualistisch residual assoziativ „Kommunitarismus“ „Schlanker Staat“ Staat „Aktiver Staat Aktivierender Staat „Wohlfahrtsmix“ Interventionistisch Quelle: Lamping/Schridde/Plaß/Blanke 2001 Die Begriffsbildung des „Aktivierenden Staates“ greift den in Großbritannien geprägten Gedanken des „Enabling State“ auf.6 „Enabling Staste“ wird auch als „Ermöglichender Staat“ übersetzt. Insofern geht der Begriff des „Aktivierenden Staates“ noch weiter. Er greift verschiedene Traditionen auf, darunter auch den des „Schlanken Staates“. Aber der „Aktivierende Staat“ bezieht auch Elemente des Gemeinschaftsdenkens des Kommunitarismus, der Verantwortung des Dritten Sektors im Rahmen der „Neuen Subsidiarität“ und des „Aktiven Staates“, wonach der Staat Gestaltungs- und Steuerungsfunktionen besitzt, ein. Mit dem „Aktivierenden Staat“ wird eine neue Verantwortungsteilung zwischen Staat, Wirtschaft, Drittem Sektor und Bürgern angestrebt. Damit besteht zwischen „Aktivierendem Staat“ und „Gewährleistungsstaat“ kein Widerspruch. V. Gewährleistungsstaat und Regulierung Durch die wachsende Einbeziehung nichtstaatlicher Akteure in vormals staatlich dominierte Prozesse ergibt sich die Frage nach der Regulierung solcher Aktivitäten. Regulierung bezeichnet staatliche Interventionen, welche die Gewerbeund Vertragsfreiheit der Wirtschaftssubjekte über die allgemein für alle geltenden Spielregeln hinaus einschränken. Zum einen zielt Regulierung auf die Sicherstellung bestimmter Standards, wie z.B. im Abgas- oder Lebensmittel6 Vgl. dazu i.e. Bernhard Blanke u. Stephan von Bandemer, Der „aktivierende Staat“ – Umriß eines Konzepts, in: Gewerkschaftliche Monatshefte, H. 7/1999; Wolfram Lamping u.a., Der Aktivierende Staat – Positionen, Begriffe, Strategien, Papier der Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn 2002; Christoph Reichard, Staats- und Verwaltungsmodernisierung im „aktivierenden Staat“, in: Verwaltung und Fortbildung, Jg. 1999, S. 117-130. 52 bereich, die dem Schutz des Bürgers dienen. Eine Regulierung durch den Staat wird hier als effizienter angesehen, als dass man dem Bürger ein „trial and error“-Verfahren, beispielsweise bei Medikamenten, zumutet. Zum anderen zielt Regulierung auf den Schutz des Bürgers vor überhöhten Preisen durch Monopole. Durch die Liberalisierung der 80er und 90er Jahre in den Sektoren Energie, Transport, Wasser, Abwasser, Telekommunikation und Post sind vielfach Unternehmen entstanden, von denen potentiell die Gefahr monopolistischer Preissetzung und wettbewerbsfeindlicher Praktiken ausgeht. Allgemein wird zwischen der positiven und der normativen Theorie der Regulierung unterschieden. Während die normative Theorie der Regulierung sich mit der Frage befasst, ob und gegebenenfalls wie reguliert werden sollte, untersucht die positive Theorie der Regulierung empirisch die Triebkräfte und Auswirkungen von Regulierungsmaßnahmen.7 Nach der positiven Theorie der Regulierung hängt der Erfolg der Regulierung vor allem von der institutionellen Gestaltung des Regulierers ab.8 Dabei ergibt sich aus staatstheoretischer Perspektive das Dilemma, dass der Regulierer zwar politisch möglichst unabhängig sein sollte, aber dass damit zugleich die demokratische Legitimation dieser öffentlichen Instanz gefährdet ist. Je größer die Entscheidungskompetenz und der Ermessensspielraum eines Regulierers sind, desto größer wird das Legitimationsproblem.9 Bislang ist noch nicht hinlänglich geklärt, wie lokal oder regional begrenzte Dienste, die im Sinne des Gewährleistungsmodells plural erbracht werden, zu regulieren sind. Eine nationale Standardsetzung und Regulierung beraubt die kommunale Demokratie ihres Gestaltungsspielraums. Ein Beispiel hierfür ist der Energiesektor, in dem die wegen der höheren Ausschöpfung der Primärenergie umweltfreundlichere Kraft-Wärme-Kopplung marktlich verdrängt wird, da die nationalen Regulierungsstandards diese Energieversorgungsform behindern. Eine rein kommunale Regulierung ist hingegen institutionenökonomisch ineffi- 7 Jörg Borrmann u. Jörg Finsinger, Markt und Regulierung, München 1999. Jürgen Müller u. Ingo Vogelsang, Ist eine Effizienzsteigerung der öffentlichen Verwaltung durch Anwendung des Instrumentariums der amerikanischen „Public Utility Regulation“ möglich?, in: Charles Beat Blankart und Monika Faber (Hrsg.), Regulierung öffentlicher Unternehmen, Königstein/Ts. 1982, S. 147-160. 9 Edgar Grande, Vom produzierenden zum regulierenden Staat – Möglichkeiten und Grenzen von Regulierung und Privatisierung, in: Klaus König u. Angelika Benz (Hrsg.), Privatisierung und staatliche Regulierung – Bahn, Post und Telekommunikation, Rundfunk, Baden-Baden 1997, S. 576–591. 8 53 zient, fördert Insellösungen und behindert Wettbewerb. Eine Lösung könnte hier die Zuordnung der generellen Regulierung zur nationalen oder sogar europäischen Ebene sein, während die konkrete Standardsetzung kommunal erfolgen kann. Regulierung ist kein Plädoyer für mehr Bürokratie, sondern soll eine wirksame Steuerung und Überwachung des Leistungsprozesses im Hinblick auf definierte Standards ermöglichen. So kommt es zur zunächst paradox erscheinenden Situation, dass ein Gewährleistungsstaat, der mehr und mehr Aufgaben auslagert und Leistungen nicht mehr selbst erstellt, ein wachsendes Maß an Regulierung benötigt. Daher ist der Gewährleistungsstaat auch ein regulierender Staat.10 Es macht mithin wenig Sinn, im Zusammenhang mit dem Gewährleistungsstaat auch nach verstärkter Deregulierung zu rufen. Eher ist „Re-Regulierung“ angesagt. Vorrangiges Mittel staatlicher Steuerung im regulierenden Staat bleibt das Recht, allerdings nicht allein in Form von Gesetzen, sondern ergänzt durch freiwillige Vereinbarungen, Ausschreibungsverfahren oder Entscheidungen von Regulierungsinstanzen. Erfahrungen zeigen, dass solche Rechtsformen Detailfragen effizienter regeln können, als das eine staatliche Bürokratie zu leisten in der Lage ist. VI. Das Auftraggeber-/Auftragnehmermodell Die konkrete organisatorische Umsetzung des Konzepts des Gewährleistungsstaates findet sich im Auftraggeber-/Auftragnehmermodell, das in Großbritannien auch als Contractor-Provider-Split bezeichnet wird. Die organisatorische Trennung von Auftraggeber und Auftragnehmer leitet sich aus der Prinzipal-Agent-Theorie ab. Der Auftraggeber oder Prinzipal überträgt zur Realisierung seiner Interessen bestimmte Aufgaben auf der Basis eines Vertrags an den Auftragnehmer oder Agenten, der sowohl eine staatliche Organisationseinheit als auch eine private Unternehmung oder eine NPO sein kann. Der Vorteil des Auftraggeber-Auftragnehmer-Modells besteht darin, dass der Auftraggeber die speziellen Fähigkeiten und Leistungsvorteile des Auftragnehmers 10 Edgar Grande, a.a.O. 54 nutzen kann. Allerdings muss er den Vertrag in einer Weise gestalten, dass der Auftragnehmer die vereinbarte Leistung tatsächlich zu den verabredeten Bedingungen erbringt. Der Auftraggeber tauscht mögliche Effizienzgewinne durch Spezialisierung gegen das Risiko eines potentiellen „Auftragnehmerbetrugs“. Dieses Risiko zeigt sich in Form von „hidden information“ und „hidden action“. Verfügt der Auftragnehmer bereits vor Vertragsabschluss über Informationen, über die der Auftraggeber nicht verfügt, besitzt er „hidden information“, die er bei der Vertragsgestaltung nutzen kann. „Hidden action“ beschreibt opportunistisches Verhalten des Auftragnehmers nach Vertragsabschluss, das dem Auftraggeber verborgen bleibt. Eine effiziente Anreizgestaltung kann z.B. in der Ergebnisbeteiligung des Auftragnehmers bestehen. Abbildung 3: Auftraggeber/Auftragnehmer-Modell Auftraggeber Steuerungskern Rat + Verwaltungsführung “Vergabeabteilung“ Vertrag Auftragnehmer externe “Lieferanten“ Leistungsvereinbarung interne Leistungsanbieter von Bürgerdiensten politische Steuerung Servicevereinbarung interne Anbieter“ interner Serviceleistungen Bei der Übertragung des Auftraggeber-Auftragnehmer-Modells auf die Kommunen übernimmt die politisch-administrative Führung, die auch als Steuerungskern bezeichnet werden kann, die Rolle des Auftraggebers. Sie führt die Auftragsvergabe durch, zum einen an kommunaleigene Auftragnehmer, wie z.B. Ämter, Abteilungen, eigene Betriebe, Rechenzentren oder Personaldienstleister, zum anderen an andere öffentliche Einrichtungen (andere Kommunen oder staatliche Behörden), aber auch an freie Träger und private Auftragnehmer, wie z.B. an die AWO im Sozialbereich oder an Connex im Nahverkehr. 55 traditionelle Frontenbildung zwischen marktlicher und hierarchischer Steuerung ab. Damit steigen die Anforderungen an den Steuerungskern, der sich nicht mehr auf die klassischen „harten“ Steuerungsinstrumente Geld (bei der marktlichen Steuerung) und Recht (bei der hierarchischen Steuerung) verlassen kann. Diese Anforderungen gehen weit über das hinaus, was in den 90er Jahren unter dem Begriff des „Neuen Steuerungsmodells“ diskutiert wurde. Die Öffnung der Debatte spiegelt sich innerhalb der Politik- und Verwaltungswissenschaft in der Fokusverschiebung vom „New Public Management“ zur „Public Governance“ wieder.14 14 Vgl. Christoph Reichard, Governance öffentlicher Dienstleistungen, in: Dietrich Budäus, Reinbert Schauer, Christoph Reichard (Hrsg.), Public und Nonprofit Management, Linz u. Hamburg 2002, S. 24-42. 60 VII. Wertschöpfungsketten und Leistungstiefenanalyse Es macht wenig Sinn, die Entscheidung über „Make or Buy“ im Hinblick auf eine gesamte öffentliche Leistung zu treffen. Vielmehr ist eine differenzierte Analyse erforderlich. Ausgangspunkt ist die gesamte Wertschöpfungskette eines Produkts. Diese Wertschöpfungskette umfasst die Zielsetzung und Planung, die Finanzierung, die Produktion, die Distribution und schließlich die Kontrolle und Evaluation.11 Im Bereich der Infrastruktur wird allgemein die Wertschöpfungskette in Planung, Finanzierung, Bau und Betrieb aufgegliedert. Am Ende der Wertschöpfungskette erhält der Bürger eine bestimmte Leistung. Dieser Wertschöpfungsprozess kann in einzelne Glieder zerlegt werden, und bei jedem einzelnen Glied ist separat die Frage zu prüfen, ob es durch den Staat bzw. durch die Kommune oder durch Private oder freie Träger erbracht werden soll. Es kann durchaus sein, dass die Planung der Infrastruktur und die laufende Produktion nach aussen vergeben werden, während die Leistungsdistribution durch eine öffentliche Einrichtung erfolgt. Zur Beantwortung einer solchen „make or buy“-Frage sind neben den reinen Produktionskosten die Transaktionskosten (Kosten der Planung, Steuerung, Koordination und Kontrolle des Leistungsvertrags) entscheidend. Wenn also eine Kommune für die Fremderstellung einer Leistung einen solchen Aufwand für Transaktionen betreiben muss, dass die möglicherweise effizientere Produktion durch Private überkompensiert wird, ist die Eigenerstellung der Fremderstellung vorzuziehen. Die Höhe der Transaktionskosten lässt sich anhand der Spezifität (besondere Zweckwidmung von Ressourcen) und der strategischen Relevanz der betreffenden Leistung beurteilen. Die Entscheidung für Eigen- oder Fremderstellung bei einem bestimmten Kettenglied in der Wertschöpfungskette ist im übrigen keine reine Entweder-Oder-Entscheidung, da verschiedene Zwischenstufen denkbar sind (z.B. Rahmenverträge oder Joint Ventures). Daher ergibt sich die optimale Leistungstiefe als diejenige Menge von Gliedern einer Wertschöpfungskette, die zur Eigenleistung vorgesehen werden, weil bei ihnen die Summe der Produktions- und Transaktionskosten am geringsten ist. 11 I.e.: Frieder Naschold u.a., Leistungstiefe im öffentlichen Sektor, Berlin 1996. 56 VIII. Institutional Choice Aus der Verknüpfung des Wertschöpfungskettenansatzes mit dem Gedanken der optimalen Leistungstiefe ergeben sich institutionelle Arrangements, innerhalb derer sowohl die hierarchische („make“) als auch die marktliche („buy“) Koordination anzutreffen sind. Die Entscheidung für ein konkretes institutionelles Arrangement geschieht im Rahmen des Institutional Choice.12 Welches Verhältnis haben öffentliche Hand, freie Träger, Private und Netzwerke dabei? Welche Rolle spielen Wettbewerb und Kooperation in solchen Arrangements? Wettbewerb muss sich nicht nur zwischen Privaten abspielen. Gerade auch im Verhältnis public-public oder public-private kann es zu Wettbewerb kommen. In Großbritannien wird ein Großteil der Leistungen auf kommunaler Ebene seit etwa 15 Jahren ausgeschrieben. Das Erstaunliche ist, dass Private durchschnittlich nur 20 % - 30 % der Leistungen „gewinnen“, da sie im public-private Wettbewerb den Kommunen unterliegen. Beispiel für den Wettbewerb zwischen Öffentlichen und Privaten sind der ÖPNV oder der Entsorgungssektor, wo Private und Öffentliche bei Ausschreibungen miteinander konkurrieren. Publicpublic Wettbewerb zeigt sich im Benchmarking verschiedener Kommunen und bestimmter Leistungsträger von Kommunen untereinander. Kooperation zwischen Öffentlichen und Privaten wird durch das Schlagwort „PPP“ (Public Private Partnership) beschrieben, indem es beispielsweise im Infrastruktursektor zur intensiven längeren Zusammenarbeit von öffentlicher und privater Hand kommt. Als Public-public Kooperation wird hingegen die Verwaltungszusammenarbeit bezeichnet, entweder zwischen verschiedenen Verwaltungsebenen, z.B. von Kreis und Gemeinde, oder von verschiedenen Kommunalverwaltungen, wie bei der interkommunalen Zusammenarbeit. Zweckverbände als Form freiwilliger Kooperation verschiedener Kommunen besitzen eine lange Tradition in Deutschland. Aus dem Blickwinkel des Gewährleistungsstaates kommt es auf diese Weise zu vielfachen Mischformen von Wettbewerb und Kooperation von Public und Private Sector. Dieses Phänomen wird durch den neu-kreierten Kunstbegriff „Coopetition“ beschrieben. Organisationstheoretisch ist dieses Phänomen bei- 12 Christoph Reichard, Institutionelle Wahlmöglichkeiten bei der öffentlichen Aufgabenwahrnehmung, in: Dietrich Budäus (Hrsg.), Organisationswandel öffentlicher Aufgabenwahrnehmung, Baden-Baden 1998, S. 121-153. 57 spielsweise im Verhältnis von Zulieferern und Herstellern in der Automobilindustrie bekannt, die gemeinsam neue Produkte entwickeln, während sie sich in einem harten Kostenwettbewerb befinden. Diese institutionelle Verschränkung von Wettbewerb, Kooperation und Coopetition wird in der Literatur auch als Netzwerk bezeichnet.13 IX. Kommunale Leistungsnetzwerke Gerade auf kommunaler Ebene sind heute in vielen Bereichen, vor allem im Sozial- und im Infrastrukturbereich, bereits komplexe Leistungsnetzwerke anzutreffen. Vom weiter oben erwähnten Steuerungskern einer Kommune wachsen zahlreiche mehrstufige Auftraggeber-/Auftragnehmerverhältnisse „spinnenartig“ nach außen. Die „Ränder“ des Netzes sind an den Bürgern der Kommune festzumachen, denn dort findet die eigentliche Leistung der Kommune gegenüber dem Bürger statt. Abbildung 4: Beispiel einer „Netzwerk-Kommune“ Citymarketing Grünflächen dienste Investorenagentur Wirtschaftsförderung Baudienste Kernverwaltung Kernverwaltung (Auftraggeber) (Auftraggeber) Stadtwerke Kulturbetriebe Aus- und Fortbildungsinstitut Personaldienste Sozialdienste IT (Rechenzen t ) Museum Theater Spielstätte 13 Spielstätte Sozialstat ion Beratungsstelle Kiezbüro Vgl. z.B. Jörg Sydow u. Arnold Windeler (Hrsg.), Management interorganisationaler Beziehungen, Opladen 1994. 58 Die „gewährleistende Kommune“ wird zum Netzwerk-Koordinator. Oft reicht das Engagement der Kommune nicht über Initiierung, Planung, Steuerung und Kontrolle von lokalen Netzwerken hinaus. In anderen Fällen kommen Finanzierung und teilweise auch Eigenproduktion hinzu. Damit sind von einer Kommune als Netzwerkkoordinator ganz andere – und wechselnde – Kompetenzen verlangt, als dies bei der klassischen hierarchischen Steuerung durch Recht der Fall war. Wachsende Bedeutung erhalten gerade im Steuerungskern der Kommunen Kompetenzen wie Motivation, Führung, Moderation, Mediation, Regulierung und Kommunikation. Die zunehmenden eGovernment-Aktivitäten wirken im übrigen als Verstärker kommunaler Leistungsnetze, da durch die informationstechnische Entwicklung räumliche Grenzen an Bedeutung verlieren. Teilweise können sogar nicht mehr zeitgemäße institutionelle Arrangements obsolet werden. X. Fazit Das Konzept des Gewährleistungsstaates ist ein pragmatischer Ansatz, der die zwingende Eigenerstellung öffentlicher Dienstleistungen infrage stellt. Im Rahmen des Konzepts wird durch geeignete institutionelle Arrangements sichergestellt, dass politisch gewollte Leistungen zu definierten Standards erbracht werden. Beim Staat verbleibt die Gewährleistungsverantwortung für diese Aufgaben. Die Wertschöpfungsketten öffentlicher Leistungen werden zerlegt, und für jedes Kettenglied wird die optimale Leistungstiefe ermittelt. Durch die Wahl zwischen Wettbewerb, Kooperation und Coopetition wird die Leistungserstellung optimiert. Dies kann jeweils im Verhältnis private/private, public/private und public/public geschehen. Bei Ausschreibungen und Vergaben im Rahmen des Auftraggeber/Auftragnehmer-Modells ist durch Regulierung und Vertragsgestaltung zu gewährleisten, dass der Auftragnehmer durch opportunistisches Verhalten nicht den Auftraggeber schädigt. Stehen allerdings private und public im Auftragnehmer-Wettbewerb, ist bei der öffentlichen Hand als Auftraggeber eine faire und effiziente Vergabe und Regulierung sicherzustellen. Zugleich ist für gleichartige und faire Wettbewerbsspielregeln bei öffentlichen und privaten Anbietern von Leistungen zu sorgen. Der staatliche Steuerungskern bildet den zentralen Auftraggeber, der „die Spinne im Leistungsnetzwerk“ darstellt. Die hybride Steuerung in Leistungsnetzwerken löst die 59 Jens Lattmann Probleme, Risiken und Grenzen des GewährleistungsstaatKonzepts I. Einleitung Privatisierung, Liberalisierung und Deregulierung sind Schlagworte in der öffentlichen Diskussion, die als Allheilmittel zur wirtschaftlichen Krisenbewältigung gelten. Nach diesen Vorstellungen lässt sich auch die Palette der öffentlichen Dienstleistungen effizienter und kostengünstiger nach den Gesetzen des Marktes organisieren. So sollen diese Dienstleistungen – unter dem Schlagwort: Gewährleistungsstaat – nicht von den Städten oder ihren Unternehmen selbst, sondern von privaten Unternehmen erbracht werden. Kann die öffentliche Dienstleistung nicht über den Marktpreis finanziert werden, sollen private Unternehmen einen öffentlichen Zuschuss für die Leistungserbringung erhalten. Das starke Credo, das mit der Liberalisierung der Märkte einhergeht, hat z.B. auch der Wissenschaftliche Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums aufgegriffen. Das Gutachten „Daseinsvorsorge im europäischen Binnenmarkt“ des Wissenschaftlichen Beirats beim damaligen BMWi vom 12. Januar 2002 weist deutlich darauf hin, dass nur eine „offene Marktwirtschaft“ zukunftsfähig sei, „weil sie wie kein anderes Wirtschaftssystem geeignet ist, den wirtschaftlichen und technischen Fortschritt zu gewährleisten, und das auch unter weltwirtschaftlichen Bedingungen, die sich nationaler Regulierung weitgehend entziehen“ (S. 3 des Gutachtens). Der Beirat macht in seinem Gutachten deutlich, dass seiner Ansicht nach staatliche Regulierungen auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge oder gar die Wahrnehmung dieser Aufgaben durch die öffentliche Hand marktwirtschaftlich unvollkommene Lösungen seien. Beiträge aus dem Umfeld der privaten Wirtschaft gehen in die gleiche Richtung. Es gibt bislang jedoch keine gesicherten Erkenntnisse darüber, ob allein eine stringente Liberalisierung von Leistungen der Daseinsvorsorge eine verbesserte, d.h. eine wirtschaftliche und effiziente Leistungserbringung für unsere Bürgerinnen und Bürger, zur Folge hat. Für einzelne Sektoren sind bestimmte Entwicklungen festzustellen (Telekommunikation, Strom- und Gasversorgung), 61 die im Rahmen erster Liberalisierungsversuche zumindest für kürzere Zeiträume günstigere Preisentwicklungen verzeichnen. Für den Energiebereich z.B. zeichnet sich allerdings eine rückläufige Entwicklung ab; die Preise steigen wieder. Im Übrigen werden Untersuchungsergebnisse bundesweiter Monopole wie Post- und Telekommunikation häufig auf alle kommunalen Dienstleistungen übertragen. Es besteht jedoch ein wesentlicher Unterschied darin, ob ein bundesweiter Monopolbetrieb – wie die Telekommunikation – liberalisiert wird, oder ob lokale öffentliche Dienstleistungen liberalisiert werden. Selbst die EU-Kommission, die die Veränderungen im Bereich der netzgebundenen Wirtschaftzweige untersucht hat, bewertet die Ergebnisse vorsichtig. Sie spricht lediglich die Hoffnung aus, dass in den Sektoren, die schon längerfristig liberalisiert sind, mit einem effektiven Wettbewerb und Preissenkungen zu rechnen sei. Die Diskussion scheint mir daher weit mehr eine ideologische zu sein als eine auf Erkenntnissen basierende, die ein verbessertes öffentliches Dienstleistungsangebot im Blick hat. Es wäre falsch, wenn man aus diesen Bemerkungen den Schluss zöge, dass die Städte das „Rad der Geschichte“ zurückdrehen wollten. Mir ist vielmehr daran gelegen, vor dem Hintergrund des wirtschaftlichen Strukturwandels in unseren Städten die für die Bürgerinnen und Bürger bestmöglichen Dienstleistungen anzubieten. Schlagzeilen aus Kalifornien zur Energiesituation – wie „Blackout im Sonnenstaat“ – sind noch zu gut in Erinnerung, um auf die alleinige Kraft des Marktes zu vertrauen. Um die Bürgerinnen und Bürger mit öffentlichen Leistungen effektiv und kostengünstig zu versorgen, ist Wettbewerb, ist der Markt ein denkbarer Weg. Die Städte haben in einer Reihe von Tätigkeitsfeldern öffentliche Dienstleistungen Privaten übertragen und dieses Mittel erfolgreich praktiziert – ich meine hier nicht ausschließlich die rein formale Privatisierung. Aber die Wahl, wie wir bestimmte Leistungen anbieten, hängt entscheidend von der entsprechenden Dienstleistung, den örtlichen Bedingungen sowie dem Rahmen ab, der aus europäischem und – ggf. in den einzelnen Ländern unterschiedlich ausgestaltetem – nationalem Recht resultiert. Wir müssen daher – wie bisher – selbst entscheiden können, welche Leistungen wir anbieten und wie wir diese Leistungen anbieten. 62 Ich möchte im Folgenden zunächst auf die Rahmenbedingungen des EU-Binnenmarkts eingehen, dann die Probleme der Städte beleuchten und am Schluss unsere Forderungen formulieren. II. EU-Binnenmarkt Der europäische Binnenmarkt, die Grundsätze des europäischen Wettbewerbsrechts sehen die Freiheit des Waren-, Kapital- und Zahlungsverkehrs, der Niederlassungen sowie der Arbeitnehmer vor. Nach EG-Verträgen sind hiervon auch die öffentlichen Dienstleistungen betroffen – und damit auch die Dienstleistungen, die von den Kommunen angeboten werden. In Frage stehen alle wirtschaftlichen öffentlichen Dienstleistungen. Diese Wettbewerbsregeln sind nicht neu, die Einbeziehung der öffentlichen Dienstleistungen in den europäischen Binnenmarkt löste allerdings Mitte der 90er Jahre mit der Diskussion um die Energieliberalisierung eine Diskussion darüber aus, ob Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse vom Markt so angeboten werden können, dass alle Bürger gleichermaßen zu akzeptablen Preisen mit diesen Leistungen versorgt werden können. Die Diskussion mündete in der Mitteilung der EU-Kommission „Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa“ vom September 1996 und der Verankerung eines neuen Artikels im EG-Vertrag (Art. 16). Er sieht vor, dass „die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer jeweiligen Befugnisse im Anwendungsbereich dieses Vertrags dafür Sorge (tragen), dass die Grundsätze und Bedingungen für das Funktionieren dieser Dienste so gestaltet sind, dass sie ihren Aufgaben nachkommen können“. Diese allgemeine Regelung im Vertrag sowie die relativ unkonkreten Aussagen der Kommission zu Einzelfragen führten dazu, dass in einer weiteren Mitteilung der Kommission zu den Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa (KOM (2000) 508 endg.) im Jahr 2000 sowie in dem Bericht der Kommission an den Europäischen Rat von Laeken 2001 (KOM (2001) 598 endg.) versucht wurde, die Rahmenbedingungen für die Erbringung der Leistungen konkreter zu fassen. Aber auch diese Veröffentlichungen der Kommission haben nicht dazu beigetragen, die Unsicherheiten und Probleme zu klären, die sich aus dem europäischen Wettbewerbsrecht und der möglichen Missbrauchskontrolle der Kommission ergeben. 63 Im Kern geht es bei dieser Diskussion um die Frage, bis wohin die öffentliche Aufgabe gehen muss und ab wann der Markt Aufgaben anbieten kann – ohne die Sicherheit der Aufgabenerledigung, den gleichmäßigen Zugang aller und ggf. ein hohes Umwelt- und Gesundheitsschutzniveau zu gefährden. Ich will hier nicht im Einzelnen auf die EU-Wettbewerbsregeln eingehen. Klar ist allerdings, dass die europäischen Rahmenbedingungen insgesamt äußert unklar formuliert sind. Es besteht für öffentliche Akteure eine große Rechtsunsicherheit, die Planungen für die Zukunft erschwert. Dies betrifft z.B. die Fragen: Was sind Leistungen der Daseinsvorsorge und wer legt diese fest? Welche Leistungen sind EU-relevant? Was sind die Kriterien, die verlässlich den Geltungsbereich der europäischen Regeln festlegen, d.h. eine Entscheidungshilfe geben, wann eine öffentliche Leistung überhaupt unter das europäische Wettbewerbsrecht fällt? Rechtsunsicherheit schaffen auch die Aussagen der Kommission bei den sog. Inhouse-Geschäften; auch hinsichtlich möglicher Ausschreibungspflichten sind die Städte auf Klarheit und Transparenz angewiesen. Die Städte haben im Vertrauen auf ihre national festgelegte Organisationshoheit mit dem Ziel höherer Wirtschaftlichkeit die Erbringung ihrer Dienstleistungen weitgehend aus der Kernverwaltung ausgegliedert. Nach den Modellen der Kommission sollen Sie nun gezwungen werden, diese Dienstleistungen – gewissermaßen anlassfrei – auszuschreiben. III. Probleme für die Kommunen Zusammenfassend ergeben sich aus den europäischen Rahmenbedingungen drei Hauptprobleme für die Städte in Deutschland: 1. Spannungsverhältnis zwischen Gemeinwohl und Wettbewerb Die EU hält die Wettbewerbskomponente des Binnenmarkts für maßgeblich, während der Gemeinwohlorientierung wenig Bedeutung beigemessen wird. Hierdurch entsteht zwangsläufig ein Spannungsverhältnis zwischen der kommunalen Selbstverwaltung und dem wettbewerbsbetonten Binnenmarkt. Konkret geht es um die Frage, welche Möglichkeiten deutschen Kommunen im Bereich der Daseinsvorsorge gegenwärtig (Beihilfeproblematik) oder zukünftig (weitere Liberalisierungen) noch eingeräumt sein werden. Hat die kommunale 64 Selbstverwaltung, das Recht der Kommunen, Angelegenheiten der Gemeinde in eigener Verantwortung zu regeln, noch Bestand? Können sich die deutschen Kommunen zukünftig noch am deutschen Gesellschaftsmodell orientieren oder setzt sich in Europa ein rein wettbewerbsorientiertes Gesellschaftsmodell durch? Neben dem weiteren Bestand der kommunalen Selbstverwaltung ist in der Europäischen Union damit auch die Frage angesprochen, ob sich in Europa die soziale Marktwirtschaft durchsetzen lassen wird. 2. Neutralität Mit dem Begriff der Neutralität ist die Gleichbehandlung von öffentlichen und privaten Unternehmen im europäischen Kontext angesprochen. Die kommunalen Unternehmen in Deutschland sind in ihrem Handeln nicht – wie das europäische Recht dies unterstellt – der privaten Wirtschaftstätigkeit gleich gestellt. Alle Bundesländer legen in ihren Gemeindeordnungen fest, dass die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen bestimmten Rahmenbedingungen unterworden ist. So sind kommunale Unternehmen in ihrem Wirkungskreis auf die Gemeinde beschränkt und jede wirtschaftliche Betätigung muss einem öffentlichen Zweck dienen, d.h. die kommunalen Unternehmen sind in der Bundesrepublik per Gesetz dem Gemeinwohl, dem Wohl der Bürgerinnen und Bürger verpflichtet. Insofern sind die kommunalen Unternehmen Einrichtungen zur Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen, während private Unternehmen selbstverständlich das Ziel der Gewinnmaximierung verfolgen. Werden die kommunalen Unternehmen hinsichtlich der Pflicht zur Notifizierung von Beihilfen und der möglichen Ausschreibungspflicht auch bei Inhouse-Geschäften mit privaten Unternehmen gleichgestellt, wird Ihnen damit indirekt die Existenzgrundlage entzogen. Die privaten Unternehmen können sich auf alle Ausschreibungen bewerben, den kommunalen Unternehmen ist jedoch aufgrund der Beschränkung auf den örtlichen Wirkungskreis keine wirtschaftliche Betätigung über die Örtlichkeit hinaus möglich. Erhalten sie den Zuschlag aus der eigenen Kommune nicht, müssen Sie ihre Tätigkeit einstellen. 3. Rechts- und Planungssicherheit Nehmen die Städte Aufgaben der Daseinsvorsorge wahr, so ist deutlich geworden, dass relativ viel Rechtsunsicherheit besteht, dies betrifft z.B. die Frage, welche Bereiche der kommunalen Daseinsvorsorge jeweils in welchem Umfang 65 den Wettbewerbsregeln unterworfen sind – also die Abgrenzung wirtschaftlicher von nicht-wirtschaftlicher Dienstleistung oder die Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen Handels. Dies betrifft aber auch die Frage, wie das Wettbewerbsrecht angewandt wird und damit die Probleme hinsichtlich der Ausschreibungspflichten bei den sog. Inhouse-Geschäften oder bei der Notifizierung von finanziellen Zuwendungen für öffentliche Unternehmen. IV. Sicht des Bürgers Nun könnte man es bei dieser Problembeschreibung belassen und unmittelbar politische Forderungen anschließen. Es scheint mir jedoch notwendig zu sein, näher zu beleuchten, warum die Europäische Kommission mit ihrer Wettbewerbspolitik so viel Erfolg hat oder – zumindest – bei den Bürgern auf keinen nennenswerten Widerstand stößt. Entscheidend scheint mir zu sein, dass die europäische Integration eben doch nicht nur eine der kühlen Ratio von Wirtschaft und Politik entsprechende Entwicklung ist, sondern bewusst von den Bürgern wahrgenommen – im doppelten Sinne des Wortes – wird. Viele Bürger vergleichen eben nicht mehr nur – und zunehmend vereinfacht durch die Einführung des Euro – die Preise für Lebensmittel oder für Kraftfahrzeuge, sondern auch zunehmend die Preise für öffentliche Dienstleistungen sowie deren Qualität. Und so kann man dann zu dem Schluss kommen, dass man als Bürger sein Altenheim am liebsten auf Mallorca – weil da neben den guten Preisen und der Freundlichkeit des Personals auch noch das schöne Wetter dazu kommt –, seine Wasserversorgung – wegen der hohen Qualität – in Deutschland und die Schulversorgung seiner Kinder – angesichts der Pisa-Ergebnisse – am liebsten in Finnland hätte. Da das „Beamen“ aber derzeit technisch noch nicht realisierbar ist und man sich diese Leistungen daher nicht in den unterschiedlichen Ländern abholen kann, haben die Bürger ein hohes Verständnis für eine Politik, die unter der Überschrift „Harmonisierung“ und „Wettbewerb“ verspricht, in jedem Mitgliedstaat der EU dafür zu sorgen, dass sich am Ende das qualitativ hochwertigste Leistungsangebot zum günstigsten Preis – mit anderen Worten die optimale Leistung – durchsetzt. Aus Sicht der Bürger ist also zu fragen, wie man kommunale Leistungen so organisiert, dass jeweils die beste Leistung zum günstigsten Preis beim Bürger 66 ankommt. Zu fragen ist, ob die europäischen Wettbewerbsregeln und ob die Beschränkung der Kommunen allein auf die Gewährleistungsfunktion dafür die richtigen Instrumente sind. V. Mögliche Auswirkungen der Wettbewerbsregeln Werden die Wettbewerbsregeln in voller Gänze entsprechend den bisherigen Aussagen der Kommission in den Städten angewandt, würde dies vor allem, wenn nicht gleichzeitig nationales Recht angepasst wurde, in den deutschen Städten erhebliche strukturelle Veränderungen bei der Erbringung von Grundversorgungsdienstleistungen zur Folge haben. Gewährleisten die Kommunen in Deutschland die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen nicht mehr durch eigene Unternehmen, sondern betrauen sie private Unternehmen damit, geht es i.d.R. um langfristige Verträge, die nach den Regeln des Ausschreibungsrechts abzuschließend sind und die – im Gegensatz zum Abschluss von Kaufverträgen – einer langfristigen Begleitung durch die Städte als Auftraggeber bedürfen. Zunächst zum Thema Ausschreibung: Bereits das bestehende Ausschreibungsrecht und die – im Vergleich zu langfristigen Dienstleistungsverträgen – relativ simplen Geschäfte, auf die diese Ausschreibungen gerichtet sind, führen die heutigen Kommunalverwaltungen an den Rand ihrer Leistungsfähigkeit. Man muss sich nur – ohne auf die besonderen Berliner Erfahrungen mit dem internationalen Flughafen Berlin Brandenburg zu verweisen – vor Augen führen, zu welchen rechtlichen und tatsächlichen Problemen etwa bei Ausschreibungen kommunaler Müllverbrennungsanlagen das geltende Recht führt. Eine Ausschreibung von Dienstleistungsverträgen muss jedoch noch stärker als die Ausschreibung einer Investition genau und umfassend die zu erbringenden Leistungen beschreiben und bewerten. Dabei muss einkalkuliert werden, dass sich bestimmte Leistungen im Zeitablauf ggf. an sich ändernde Marktverhältnisse anpassen müssen. Mit der Vergabe von Leistungen an Private findet gleichzeitig auf diesen Märkten eine massive Abwanderung von Know How und fachtechnischem Wissen von öffentlichen zu privaten Unternehmen statt, das den Kommunen nicht mehr zur Verfügung steht. 67 Die Städte werden vor der schwierigen Aufgabe stehen, im Rahmen einer Ausschreibung den günstigsten Anbieter wählen und gleichzeitig dafür Sorge tragen zu müssen, für wenig Geld hohe Qualitätsanforderungen zu sichern. Woher dieses kommunale Know How für die Ausschreibungs- und Vertragsmodalitäten kommen soll, ist ungeklärt, in jedem Fall aber unter den derzeitigen Bedingungen – z.B. unter den Bedingungen des öffentlichen Dienstrechts – nicht gewährleistet. Wird die Leistung dann privat erbracht, muss sie regelmäßig und – wie die Erfahrungen im vergleichsweise simplen Baubereich beispielhaft zeigen – umfassend kontrolliert werden, d.h. die Kommunen müssen in der Lage sein, ein entsprechendes Instrumentarium vorzuhalten, um diese Leistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse kontrollieren zu können, da nach wie vor bestimmte Umwelt- und Qualitätsstandards eingehalten werden müssen. Im Zweifel muss sowohl für die Ausschreibungsverfahren als auch für die Kontrolle privater Anbieter entsprechendes Fachwissen eingekauft und wiederum kontrolliert werden. Hinzu kommt, dass die Städte in vielen Fällen trotz der Aufgabenübertragung auf Dritte zum Teil rechtlich, zumindest aber faktisch einer Reservegewährleistungspflicht ihren Bürgern gegenüber unterliegen, d.h. dafür Sorge tragen müssen, dass die bei Dritten bestellte Leistung in jedem Fall zu der bestellten Qualität und zum vereinbarten Preis bei den Bürgern ankommt. Damit stellt sich spätestens für den Ausfall der Leistung aus technischen Gründen oder des Leistungserbringers – etwa durch Konkurs – die Frage, wie die Kommunen dieses Risiko bewältigen können. Vor diesem Hintergrund möchte ich insbesondere auf folgende Probleme hinweisen: VI. Gewährleistung ohne Einflussnahme Mit der Aufgabe eigener Betriebe besteht die Gefahr, dass die ausschreibende Kommune in ein erhebliches Abhängigkeitsverhältnis zu den jeweiligen privaten Dienstleistern gerät. In verschiedenen „liberalisierten“ Dienstleistungssektoren bestehen bei den privatwirtschaftlichen Anbietern bereits Oligopole, wenn nicht sogar Monopole. Der Teilsektor der Entsorgung der gewerblichen Abfälle liefert dafür ein anschauliches Beispiel. Solche Beispiele lassen sich aber auch aus 68 den Erfahrungen anderer EU-Mitgliedstaaten in anderen Sektoren gewinnen, z.B. beim Personenverkehr in Schweden. In Schweden – ein sehr dünn besiedeltes Land mit einem entsprechend dünn ausgebauten Schienennetz – ist der nicht schienengebundene Personenverkehr liberalisiert worden. Dies hat in einer ersten Welle zu vielen neuen Busverbindungen zu günstigen Preisen, mittlerweile aber zu einer Marktsituation geführt, bei der im Wesentlichen nur noch zwei Anbieter die öffentlichen Besteller einem Preisdiktat aussetzen können. Ähnliche Erfahrungen gibt es in Deutschland, aber auch in anderen Mitgliedstaaten im Strombereich. Unter solchen Umständen entsteht eine Reihe von Unsicherheiten für die Städte. Was passiert z.B., wenn ein Oligopol-Anbieter nicht mehr in der Lage ist, seine Leistungen zu erbringen? Wie kann in einem solchen Fall die Stadt ihre Grundversorgungspflicht erfüllen? Wie können auf einem verengten Markt mit wenigen Anbietern insbesondere kleinere Städte, die über keine starke Verhandlungsposition verfügen, verträgliche und angemessene Preise in den Verhandlungen durchsetzen? VII. Qualität der Versorgung Im Rahmen der Grundversorgung geht es auch darum, bestimmte Standards einzuhalten. In der Wasserversorgung beispielsweise würde eine Aufhebung der bisher geschlossenen Versorgungsgebiete zur Folge haben, dass jedes wasserfördernde Unternehmen sein Wasser in das jeweilige örtliche Wassernetz einspeisen kann. Dies würde jedoch zu ständig sich ändernden Zusammensetzungen des Wassers, das eben gerade kein immer gleiches Produkt wie etwa Strom ist, führen. Solche Änderungen würden chemische Reaktionen im Rohrnetz auslösen, die zu Verkeimungen führen könnten und nur unter hohen Kosten und/oder bei Qualitätsverlust beherrschbar wären. Zudem ist Wasser ein Lebensmittel, für dessen hohe Qualität beim Endverbraucher die örtlichen Gesundheitsämter verantwortlich sind. Auch dieser Verantwortung wäre, wenn überhaupt, bei nicht öffentlicher, voll dem Wettbewerb unterworfener Wasserversorgung nur unter erheblichem Überwachungsaufwand gerecht zu werden. VIII. Rosinenpicken Im Rahmen des Abfallbereichs ist, neben der Ausbildung von regionalen Monopolen, deutlich festzustellen, dass die privaten Betreiber dazu neigen, sich eher 69 lukrative Geschäftsbereiche auszusuchen. Für die Kommunen bedeutet dies, für den wirtschaftlich unattraktiven Restbereich der Abfallentsorgung die Verantwortung übernehmen zu müssen und gleichzeitig wirtschaftlich unrentable Anlagen dafür vorhalten zu müssen. IX. Kommunale Gesamtsicht Kommunale Wirtschaftsbetriebe sind nicht nur allein im Zusammenhang mit der Gewährleistung bestimmter Grundversorgungsleistungen durch die Städte zu sehen. Für die Städte sind die Unternehmen ein wichtiger Bestandteil im gesamtwirtschaftlichen Gefüge. Kommunale Unternehmen nehmen für die Städte eine weitergehende Funktion als die eines kommunalen Leistungserbringers wahr: Sie gehören in den Städten häufig zu den größten und wichtigsten Auftraggebern für die örtlichen Unternehmen – meist kleine und mittlere Betriebe im Handwerk und den verschiedenen Branchen. Dementsprechend tragen sie zur Arbeitsplatzerhaltung im Mittelstand bei. Mit der Vergabe von Daseinsvorsorgeleistungen an große Unternehmen und Oligopole besteht hingegen die Gefahr, dass lokale arbeitsplatzsichernde Aufträge an Handwerksbetriebe verloren gehen. Dies haben insbesondere die Handwerksorganisationen mittlerweile erkannt, die bereits für den Abschluss lokaler Bündnisse mit den kommunalen Unternehmen werben. Unabhängig davon erfüllen kommunale Unternehmen noch andere wichtige öffentliche Ziele, wie z.B. stadtentwicklungspolitische und wirtschaftsfördernde Aufgaben. Zusammenfassend zeigt sich, dass die europäischen Anforderungen die Struktur der öffentlichen Dienstleistungen grundsätzlich in Frage stellen, ohne dass es bisher verlässliche Untersuchungen darüber gibt, ob und wie das Ziel qualitativ hochwertiger öffentlicher Dienstleistungen zum geringst möglichen Preis auch auf anderem Wege erreicht werden kann. Zudem gibt es keine verlässlichen Untersuchungen darüber, zu welchen Transaktionskosten eine auf ausschließliche Gewährleistung und Kontrolle privater Leistungserbringung ausgerichtete Organisation öffentlicher Dienstleistungen führt. Denn über eines muss man sich im Klaren sein: Eine von manchem öffentlichen Amtsträger auch mit dem Ziel, sich der Verantwortung ein Stück zu entziehen, betriebene Verlagerung der Aufgabenerledigung auf Private wird aus der Sicht 70 der Bürger zu keiner Entlassung der Städte aus der Verantwortungspflicht führen. Allein die öffentliche Diskussion im Rahmen der BSE-Krise oder zuletzt im Rahmen der Vorfälle um verseuchtes Tierfutter zeigt, dass die Bürger auch bei privater Aufgabenerledigung eine öffentliche Kontrolle erwarten, die eine optimale Leistung garantiert. Dabei ist eins sicher: Die dafür notwendige Neuorganisation der Städte, die in vielen Fällen bei Aufgabenprivatisierungen sträflich vernachlässigt worden ist, wird zu Kosten für die Städte führen, die zumindest ein Gutteil der bei der Übertragung der Leistungserbringung auf private Dritte erzielten Einsparungen wieder aufzehren werden. X. Perspektiven für die Städte / Forderungen Aus meiner Sicht müssen Kommunen und Regionen weiterhin selbst entscheiden können, ob Sie Leistungen für ihre Bürger beim eigenen Unternehmen – mit oder ohne Beteiligung privater Partner – belassen wollen, ob sie mit eigenen Unternehmen am Wettbewerb teilnehmen wollen oder ob sie die Leistungserbringung ganz privaten Dritten überlassen wollen. Soweit die Städte sich dafür entscheiden, Leistungen für ihre Bürger – weiterhin – einem eigenen Unternehmen zu übertragen, wird sich dieses Unternehmen gefallen lassen müssen, dass seine Leistungserbringung auf das Gebiet der Kommune beschränkt bleibt. Dabei dürfen allerdings die Möglichkeiten der Zusammenarbeit der Gebietskörperschaften nicht eingeschränkt und muss die Beteiligung privater Partner weiterhin diskriminierungsfrei möglich sein, wenn dies von den Städten gewollt ist. Im anderen Falle – der Selbstbeschränkung der Stadt auf die Gewährleistungsfunktion und die Bestellung der jeweiligen Leistung im Wettbewerb – ist es jedoch für die Variante, dass die Stadt an einem eigenen Unternehmen festhalten, dieses jedoch am Wettbewerb teilnehmen lassen will, unerlässlich, das kommunale Wirtschaftsrecht zu reformieren. Eine Teilnahme kommunaler Unternehmen am Wettbewerb setzt zwingend voraus, dass das Örtlichkeitsprinzip aufgegeben und die Beschränkung auf den öffentlichen Zweck zumindest erheblich gelockert wird. Was es meiner Auffassung nach in keinem Fall geben darf, ist ein durch die europäische Kommission klandestin eingeführter Zwang für Kommunen, jede Form öffentlicher Leistung – gewissermaßen anlassfrei – auszuschreiben. Ich 71 bin mir bewusst, dass die EU-Kommission genau über dieses Instrument nachdenkt, halte es jedoch für durch keinerlei Grundlage im europäischen Recht gerechtfertigt. Zuständig wäre die Kommission nur dann, wenn sie eine solche Ausschreibungspflicht in der jeweiligen Sektorenrichtlinie, für deren Sektor die Ausschreibung dann gelten soll, postuliert. Genau dafür fehlen ihr aber die Mehrheiten, weil die Mitgliedstaaten im Rahmen der Sektorenrichtlinien peinlich genau darauf achten, dass ihre Rechte nicht angetastet werden. Schließlich bedarf es verlässlicher Beihilferegelungen. Die Klassifizierung jeder Art staatlicher Zuwendung an Unternehmen als notifizierungspflichtige Beihilfe führt bei den Städten nicht nur zu erheblicher Zeitverzögerung bei der Erbringung der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse, sondern schafft zusätzlich Bürokratie, die das Angebot generell, mit Sicherheit die Effektivität der Erbringung der Dienste, in Frage stellt. Grundsätzlich sollten daher Zuwendungen der Kommunen und Regionen für Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse, die lediglich den Ausgleich der für diese Dienste notwendigen Kosten bewirken, keine notifizierungspflichtige Beihilfe darstellen. Falls der EuGH in seinen zu erwartenden Urteilen staatliche Zuwendungen gleichwohl insgesamt als zu notifizierende Beihilfen ansehen sollte, müssten aus unserer Sicht kurzfristig Gruppenfreistellungsverordnungen vorgelegt und die De-minimis-Regeln erheblich ausgeweitet werden. Im Übrigen muss der Querverbund kommunaler Unternehmen weiterhin bestehen bleiben. Vor diesem Hintergrund bin ich der festen Überzeugung, dass die Akzeptanz für ein geeintes Europa für unsere Bürger um so größer ist, je besser es uns gelingt, Orginalität und Tradition der jeweiligen Mitgliedstaaten zu akzeptieren. Hierzu trägt meines Erachtens auch die Konzeption, der Umfang und die Organisation der gemeinwohlorientierten Leistungen auf kommunaler Ebene bei. Allerdings müssen die Kommunen frei sein in ihrer Entscheidung, ob und welche Leistungen sie künftig noch selbst erbringen wollen bzw. welche Leistungen sie lediglich noch gewährleisten, deren Ausführung aber den Privaten überlassen wollen. Letzteres, die private Leistungserbringung und die Aufgabe bestehender lokaler und regionaler Monopole, ist z.B. im Strombereich längst die Regel. Mir geht es insoweit nicht darum, diese bereits liberalisierten Bereiche erneut in den Kreis der Aufgaben zurückzuholen, die durch Kommunen 72 zu erledigen sind. Mir kommt es nur darauf an, dass diese Form der Leistungsgewährleistung für die Bürger stärker darauf ausgerichtet wird, dass es nach wie vor die Städte sind, die ihren Bürgern die Leistung und ihre Qualität garantieren bzw. zu garantieren haben. Vor diesem Hintergrund gibt es nur zwei Wege: Entweder man entlässt die Städte aus ihrer Garantenpflicht, oder aber man setzt die Städte – und die Städte setzen sich selbst – in Stand, dieser Gewährleistungspflicht auch tatsächlich nachkommen zu können. Diese letztere Form kommunaler Leistungserbringung setzt jedenfalls einen Umbau der Kommunalverwaltungen voraus, der bisher nicht ansatzweise untersucht, geschweige denn in Angriff genommen worden ist. Erst eine Bilanz dieser notwendigen Änderungen und ihrer Kosten erlaubt es zu bewerten, welche Form der Leistungserbringung bezogen auf die jeweilige Leistung und bezogen auf die einzelne Kommune und die Anforderungen ihrer Bürger jeweils die Beste ist. Sie ist deshalb zwingend erforderlich. 73 Anhang Bericht über die Diskussion der Referate zum Thema „Public Private Partnership zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben, insbesondere auf kommunaler Ebene“ von Wolf Leetz I. Begriff und Definition von PPP Professor Eichhorn nannte als Kriterium zur Abgrenzung von PPP gegenüber anderen Vertragsbeziehungen: Es müsse sich um eine auf Dauer angelegte Zusammenarbeit zwischen einem öffentlichen und einem privaten Partner handeln. Professor Eichhorn verdeutlichte diese Unterscheidung (1) am Beispiel der Beauftragung einer Installationsfirma mit Heizungsreparaturen anstelle der Übertragung dieser Aufgabe an einen angestellten Hausmeister – dies sei keine PPP, weil die Zusammenarbeit nicht auf Dauer angelegt sei; es handele sich lediglich um Outsourcing einer Tätigkeit – sowie (2) am Beispiel der Ersetzung des eigenen Hausmeisters durch einen Wach- und Schließdienst – hier handele es sich wegen der auf Dauer angelegten Zusammenarbeit um PPP. Herr Leetz wandte sich dagegen, für diesen Fall den Begriff Public Private Partnership zu verwenden, auch wenn es sich um einen längerfristigen Vertrag handele; denn um eine Partnerschaft im üblichen Sprachgebrauch handele es sich hierbei nicht, sondern vielmehr um eine auf Dauer angelegte Käufer-Verkäufer-Beziehung, die sich nicht essentiell davon unterscheide, eine Bank mit der Kontoführung zu beauftragen. Es gehe hierbei um mehr als eine semantische Frage, weil der Begriff Partnerschaft und dessen Verwendung nicht wertfrei seien, sondern eine positiv zu wertende Beziehung assoziieren, während es eigentlich um nichts weiter gehe, als dass eine öffentliche Institution über einen längeren Zeitraum eine Leistung von einem privaten Unternehmen bezieht; es fehle das in einer früheren Definition von Professor Eichhorn genannte Spezifikum der auf Dauer angelegten Zusammenarbeit „zur Verfolgung gemeinsamer wirtschaftlicher Ziele“, wie dies zum Beispiel zutreffe auf Fälle gemischtwirtschaftlicher Unternehmen, an denen ein öffentlicher Partner – die öffentliche Hand selbst oder ein öffentliches Unter- 74 nehmen – und ein privater Partner beteiligt sind, um strategische Zwecke zu verfolgen. Professor Eichhorn warf die Frage auf, ob es sich in folgendem Fall um PPP handelt: Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz ermögliche den sog. öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern, also den für die Entsorgung des Hausmülls verantwortlichen Landkreisen und Städten, die öffentliche Aufgabe der Abfallentsorgung entweder selbst oder durch einen Dritten wahrnehmen zu lassen. Auch wenn der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger sich für den zweiten Weg entscheide, stehe also die öffentliche Aufgabe weiterhin im Zentrum; die Aufgabenerfüllung werde aber in einer partnerschaftlichen Weise durch ein privates Unternehmen wahrgenommen. Professor Weber betonte, die Definition von PPP habe nicht nur die Bedeutung, dass man „das Kind beim Namen nennen kann“, sondern sie habe große Bedeutung auch für den Umgang mit einer PPP, wenn ein Wirtschaftlichkeitsvergleich angestellt werden soll. Dann stelle sich nämlich die Frage, womit man das neue Modell vergleicht und wo man den Vergleich ansetzt: Der Berechnungsansatz sei unterschiedlich, wenn man den ausgesourcten Zustand der Stadt A zugrundelegt, die keine eigenen Hausmeister mehr beschäftigt, oder wenn man die Stadt B als Ausgangspunkt wählt, die noch Hausmeister bestellt. Häufig werde es keine Patentlösung geben, sondern es werde ein Annäherungsprozess und eine Abwägung am Einzelfall stattfinden müssen. Wichtig sei deshalb, Fallvarianten zu definieren und bei jeder Fallvariante zu bestimmen, ob es sich um PPP handelt oder nicht. So werde man zum Beispiel in der Entsorgungswirtschaft den Fall, dass ein Privater nur die Entsorgungsdienstleistung übernimmt, von dem Fall unterscheiden müssen, in dem der Private auch das Personal mit übernimmt und dieses für den Fall der Vertragsbeendigung ein Rückkehrrecht erhält; im ersten Fall handele es sich seiner Auffassung nach nicht um PPP, im zweiten Fall ja. Es bestünden in den beiden Fällen ganz andere Bedingungen und andere Interessen. Professor Budäus führte, an Professor Weber gewandt, aus, die in seinem Referat vorgenommene Kategorisierung bezogen auf die gesellschafts- und vertragsrechtliche Struktur reiche allein nicht aus; es müsse mindestens eine 75 zweite – funktionale – Kategorisierung erfolgen: Zu unterscheiden sei zwischen reinen Finanzierungs-PPPs und solchen, die etwa strategisch marktorientiert oder in der Region orientiert sind: Letztere bezögen die Finanzierung auch mit ein, doch sei die Finanzierung bei diesen nur ein sekundärer Aspekt. Der Ausgangspunkt sollte weniger die klassische Systematisierung zwischen Konzessionsvertrag und Betriebsführungsvertrag sowie Betreibermodell und Finanzierungsmodell sein, sondern es müsse vom Wertschöpfungsprozess ausgegangen werden. Untersuche man, was alles Element in dem Wertschöpfungsprozess ist und wie dieser in den einzelnen Elementen organisiert werden kann, gelange man von daher zu einer Vielzahl von Spektren: vom einfachen Outsourcing bis hin zu komplexen PPP-Modellen. Professor Weber wies darauf hin, dass in den 90er Jahren unter PPP ganz überwiegend Leasing- oder Mietkaufmodelle verstanden wurden. Als eine Konsequenz der EU-Stabilitätskriterien sei für die Zukunft damit zu rechnen, dass statt reiner Finanzierungs-PPPs verstärkt Modelle zum Tragen kommen werden, die – zum Beispiel beim öffentlichen Hochbau – neben der Finanzierung auch den Bau, den Betrieb, die Unterhaltung und die Verwertung am Ende mit berücksichtigen. Durch die EU-Rahmenbedingungen werde es also, unabhängig von der Definition, die bisher vorherrschte, eine Veränderung geben. Professor Gottschalk unterstrich, dass es sich bei von der Verwaltungsseite her praktizierter PPPs und bei der unternehmerischen PPPs um „zwei völlig verschiedene Welten“ handele, die sich enorm unterschieden. Im ersteren Fall sei abzuwägen, inwieweit überhaupt PPP vorliegt oder ob es sich nicht eigentlich nur um einen Vertrag zwischen der öffentlichen Hand und einem Privaten handelt. Herr Hanss traf eine Unterscheidung zwischen zwei Fällen von PPP, soweit es sich dabei um gemischtwirtschaftliche Unternehmen handelt: der Partnerschaft zwischen einer öffentlichen Verwaltung und einem priva- ten Unternehmen und der Partnerschaft zwischen einem öffentlichen und einem privaten Unter- nehmen. 76 II. Mit PPP verfolgte Zielsetzungen der privaten und der öffentlichen Partner Professor Oettle erklärte, während die öffentliche Hand Kapitalbedarf habe, den sie nicht zu decken vermag, stehe hinter dem privaten Interesse am Erwerb kommunaler Unternehmen der Kapitalanlagebedarf privater Investoren, der sich mit Vorliebe auf Anlagen richte, die keinem allzu großen Risiko unterworfen sind und deshalb relativ große Planungssicherheit bieten; solche Anlagen böten sich vor allem dort, wo es sich um lebensnotwendige Funktionen handelt. Dies stehe im Gegensatz zu dem, was normalerweise privaten Unternehmungen zugeschrieben werde, nämlich im Wettbewerb Neues zu schaffen. Andererseits werde gerade dort, wo Neues zu schaffen ist, nach wie vor die öffentliche Hand bei der Finanzierung mit einbezogen, obwohl sie derzeit dazu gar nicht in der Lage sei; von ihr werde erwartet, dass sie dort, wo es um Novitäten oder hohe Spezifitäten geht – wie etwa beim Transrapid –, dabei bleibt oder neu hinzu kommt. Letztlich finde praktisch ein Substitutionsvorgang statt: Die öffentliche Hand gehe aus dem sicheren Bereich heraus – da trete die Privatwirtschaft ein und decke ihren Kapitalanlagebedarf, der risikoarme Anlage sucht – und wende sich riskantem Kapitalbedarf zu. Herr Hanss bestätigte, dass PPP’s in Form der Beteiligung Privater an öffentlichen Unternehmen in den meisten Fällen dann zustande kommen, wenn sich die öffentliche Hand in Schwierigkeiten befindet, und fügte hinzu, dass Übernahmen privater Unternehmen durch die öffentliche Hand oder durch öffentliche Unternehmen gewöhnlich nur als Rettungsaktionen stattfinden, wenn es eine Krise in der Privatwirtschaft gibt. Für die Zukunft interessanter halte er dagegen den Zusammenschluss öffentlicher und privater Unternehmen nicht zur Krisenbewältigung, sondern aus strategischen Gründen: wenn zur Gewährleistung öffentlicher Aufgaben strategische Verstärkung angezeigt sei. Dies gelte umgekehrt auch für den Fall, dass die öffentliche Hand sich beteiligt, wenn die Privatwirtschaft allein nicht in der Lage ist, Investitionen für die Zukunft zu tätigen, die notwendig sind, „damit sich überhaupt etwas entwickelt“. Professor Püttner betonte, für die Beziehungen zwischen dem öffentlichen und dem privaten Partner sei ganz wesentlich, wer der private Partner ist und was 77 er für Interessen hat; die Beziehungen seien völlig unterschiedlich, je nachdem, ob es sich dabei um private Kleinaktionäre, ein am Ort ansässiges mittelständisches Unternehmen, ein überregionales Großunternehmen oder um einen Sponsor handelt. Dementsprechend müssten auch die zu treffenden vertraglichen Vorkehrungen unterschiedlich sein. Professor Weber bemerkte hierzu, dass es zu einer Belebung der Volksaktie nicht kommen werde, weil die Zielsetzung bei der Heranziehung privaten Kapitals derzeit eine andere sei: Bei Teilprivatisierungen stehe jetzt weniger die künftige Machtverteilung im Mittelpunkt, sondern das Know How des Privaten, das man nutzen will, so z.B. in der Entsorgungswirtschaft Know How im Bereich der Wertstoffverwertung. Herr Hanss erklärte, bei PPP komme es ganz entscheidend darauf an, ob es dem öffentlichen Partner bei der Privatisierung oder Teilprivatisierung vor allem darum geht, Geld vom privaten Partner zu erhalten, oder ob er eine strategische Allianz mit ihm anstrebt. Wichtig sei dabei der wahre Grund; denn häufig werde zwar behauptet, eine wirkliche Partnerschaft anzustreben, während es tatsächlich nur um Geld geht, z.B. weil eine Stadt sich im Haushaltsnotstand befindet. In einem solchen Fall sei der öffentliche Partner häufig bereit, gegen eine strategische Prämie den Einfluss auf das Unternehmen weitgehend abzugeben, ohne sich wesentlich darum zu kümmern, was anschließend in dem Unternehmen passiert. Professor Weber äußerte die Erwartung, dass insbesondere in der Versorgungswirtschaft der Höhepunkt hinsichtlich strategischer Preise für Energieunternehmen wegen des Machtkampfes der beiden großen Versorgungsunternehmen noch nicht erreicht sei; er rechne weiterhin mit rational nicht immer nachvollziehbaren Entscheidungen. Herr Hanss führte aus, im Falle einer wirklichen strategischen Allianz gehe es in der Hauptsache nicht um Geld, sondern darum, die Position des kommunalen oder regionalen Unternehmens in der Region zu festigen oder, drüber hinausgehend, eine Expansionsstrategie zu verfolgen. Leider finde aber eine wirkliche strategische Debatte in diesem Sinne in den seltensten Fällen statt, weil sie von der Diskussion über die Einschränkung kommunaler Wirtschaftstätigkeit durch das Gemeindewirtschaftsrecht überschattet wird. 78 Dr. Göbel berichtete, als sie am Schluss des Referats, das sie auf dieser Tagung zum Thema „Neue Institutionenökonomik und ihre mögliche Bedeutung für die Organisation der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben“ gehalten hatte, den Begriff PPP verwendete und versuchte, eine Zuordnung vorzunehmen, sei sie ganz automatisch davon ausgegangen sei, dies aus Sicht des „Abnehmers“, also des öffentlichen Unternehmens, zu betreiben – im Sinne einer Quasi-Rückwärtsintegration: dass die öffentlichen Unternehmen sich an privaten Unternehmen zum Schutz der öffentlichen Interessen beteiligen. In dieser Diskussion sei ihr erst deutlich geworden, dass es in Wirklichkeit sehr häufig genau anders herum laufe, nämlich der „Lieferant“, also der Private, der Treibende ist, der eine Quasi-Vorwärtsintegration anstrebt und Einfluss auf das öffentliche Unternehmen gewinnen will. Dr. Göbel gab zu überlegen, ob sich die Strategie nicht, wie in dem Referat von Professor Weber angeregt, umkehren ließe, indem die öffentlichen Unternehmen aktiv werden, um von sich aus solche Partnerschaften mit der Privatwirtschaft zu gestalten, so dass die öffentliche Hand Herr des Verfahrens ist und nicht zum Getriebenen wird, wie dies offenbar derzeit der Fall sei. III. Erfahrungen mit PPP in der Praxis Herr Hanss berichtete über Erfahrungen mit PPPs, die die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) GmbH als kommunales Unternehmen eingegangen sind: Man verstehe diese PPPs bei der LVB als wirkliche Allianzen, bei denen es für keinen Partner einen Vorrang geben darf; beide Partner müssen gleichberechtigt entscheiden können. Dies sei Bestandteil der Unternehmensphilosophie, und damit sei man bisher sehr erfolgreich gewesen, auch in der Partnerschaft mit einem großen Konzern wie Siemens. Allerdings gebe es auch Reibungspunkte, und diese seien vor allem auf unterschiedliche Kulturen beim öffentlichen und beim privaten Partner zurückzuführen: Als öffentlicher Partner habe man es mit der Kommune als einem demokratisch strukturierten Eigentümer zu tun. Störend sei daran, dass viele befugt sind, mitzureden und sich einzumischen; zugleich sei aber der kurze Draht zur Stadtspitze sehr nützlich. Der private Partner habe dagegen einen ausschließlich wirtschaftlich strukturierte Interessen wahrnehmenden Eigentümer. 79 Bei der Praktizierung der Allianz gehe es darum, in dem Bereich der „nicht klaren Hoheitsfelder“ darauf zu achten, dass in dem gemeinsamen Unternehmen beide Elemente – die Stakeholder-Interessen und die Shareholder-Interessen – miteinander verbunden werden. Daran müsse ständig gearbeitet werden; insbesondere seien die Fehler herauszufinden, die die Kooperation behindern. Als Idealfall bezeichnete Herr Hanss, die positiven Seiten beider Organisationsformen – der privatwirtschaftlichen einerseits und der demokratisch strukturierten andererseits – in dem gemeinsamen Unternehmen herauszukristallisieren und zur Symbiose zu bringen. Herr Räpple verdeutlichte am Beispiel des Stadtwerke-Konzerns Köln die Unterschiedlichkeit und Vielschichtigkeit von PPPs, was den Ausgangspunkt – vor allem die Zielsetzung – und die Gestaltung anbelangt: Am 1. Juli 2002 sei in Köln die GEW RheinEnergie AG gegründet werden. Sie sei hervorgegangen einerseits aus dem bisher 100-prozentigen kommunalen Versorgungsunternehmen GEW Köln AG und andererseits einer 20-prozentigen Beteiligung der RWE-Gruppe. Eine Besonderheit bei dieser PPP bestehe darin, dass kein Geld geflossen sei, sondern die Zielsetzung verfolgt werde, aus einer kommunalen Gesellschaft mit Beteiligung Privater und in dem Bestreben, in Zukunft weitere kommunale Unternehmen über Beteiligungen einzubeziehen, ein regionales Unternehmen zu schaffen. Ziel sei eine mittel- und langfristig eigenständig wettbewerbsfähige Regionalgesellschaft mit einer dauerhaften kommunalen Mehrheit, die im Konsortialvertrag festgeschrieben wurde. Kommunale Mehrheit bedeute aber nicht eine rein Kölner Mehrheit. Dieses Modell setze sich von dem anderer Großstädte ab, wo aus der Grundüberzeugung, Stadtwerke seien nicht überlebensfähig, die Politik sich entschieden habe, die Stadtwerke an den Meistbietenden zu verkaufen. Verfolge man diese Zielsetzung, spiele die künftige kommunale Einflussnahme auf das Unternehmen eine ganz andere Rolle. Zwar sei die tatsächliche Machtverteilung nur einzuschätzen, wenn man den Konsortialvertrag und die Satzung kennt, doch sei in manchen Fällen, wo die privaten Partner formal nur eine Minderheitsbeteiligung haben, durch die Konstruktion deutlich, wer künftig die Entscheidungen treffen werde. So habe die Stadt Düsseldorf dem Energiekonzern EnBW zwar nur eine Minderheitsbeteiligung an ihren Stadtwerken überlassen, 80 doch sei eine gemeinsame Tochtergesellschaft für den Verkauf an große Industriekunden sowie für die Versorgung von anderen Stadtwerken gegründet worden, die unter der Federführung von EnBW stehe. Damit sei für einen nicht unwesentlichen Teil des Geschäfts der Stadtwerke die Führungseigenschaft praktisch mit abgegeben worden. Eine völlig andere Ausgangslage und Zielsetzung als in dem dargestellten Fall der GEW RheinEnergie AG habe für den Kölner Stadtwerkekonzern im Falle einer anderen Beteiligungsgesellschaft vorgelegen, wo eine PPP eingegangen wurde: Aus der Erkenntnis, dass mit ausschließlich lokaler und regionaler Werbung ein städtisches Werbeunternehmen nicht mit Gewinn zu betreiben sei, habe man sich bereits vor 10 Jahren für die Kölner Außenwerbung GmbH einen überregional tätigen privaten Partner gesucht, um an eine bundesweite Vermarktung heranzukommen. Diese Partnerschaft sei für die Stadt sehr erfolgreich gewesen, nicht nur weil mit der Vermarktung des öffentlichen Straßenlandes ein gegenüber früher verdoppelter Gewinn für die Stadt erzielt wurde, sondern auch, weil städtebauliche und sonstige Eckpunkte der Stadt weiter Berücksichtigung finden. Auch für das Unternehmen sei diese PPP zum Vorteil; denn das Unternehmensergebnis habe vervierfacht werden können. Zu dieser Partnerschaft sei allerdings anzumerken, dass sie weder für die Stadt noch für den Stadtwerke-Konzern von strategischer Bedeutung ist; die Beteiligung wäre verzichtbar und könnte zur Disposition gestellt werden, wenn Haushaltsprobleme zur Mobilisierung stiller Reserven zwingen sollten. Auch der umgekehrte Weg – die Beteiligung an privaten Unternehmen – werde vom Kölner Stadtwerke-Konzern praktiziert. So habe man sich z.B. im Bereich der Entsorgung bei RWE-Umwelt beteiligt, mit der Zielsetzung einer kostengünstigeren Steuerung von Stoffströmen in Kooperation mit einem privaten Großunternehmen. Wie viele kommunale Verkehrsunternehmen, habe man auch bei der zum Stadtwerke-Konzern gehörenden Kölner Verkehrsbetriebe AG seit vielen Jahren längerfristige Verträge mit privaten Omnibusunternehmern. Dies gelte für rd. 30 % der gesamten Fahrleistungen im Busverkehr, doch verstehe man dies nicht als eine PPP. Umgekehrt gebe es Bestrebungen, bisher reine Ver- 81 tragsverhältnisse zu echten Kooperationen zu entwickeln, bis hin zu gesellschaftsrechtlichen Verbindungen. Zu der von Professor Gottschalk in seinem Referat getroffenen Feststellung, die privaten Partner seien zumeist an der Position des kaufmännischen Vorstands bzw. Geschäftsführers interessiert, bemerkte Herr Räpple, die Besetzung dieser Position sei auch für den Stadtwerke Konzern in Köln beim Eingehen von PPPs interessant; dabei stehe allerdings weniger die Machtfrage als die Kundenbeziehung im Vordergrund. An Professor Weber gerichtet erklärte Herr Räpple, auch beim Kölner Stadtwerke-Konzern zahle man zum Teil für strategische Werte von Beteiligungen mehr, als traditioneller Bewertung entspricht. Allerdings zahle man keine Phantasiepreise, sondern orientiere sich bei den Aufschlägen strikt an den erwarteten, konkret innerhalb der nächsten fünf Jahre zu realisierenden Synergieeffekten; diese sei man bereit, „brüderlich“ mit den privaten Partnern zu teilen. IV. Kapitalanteile und tatsächlicher Einfluss bei PPP Professor Eichhorn wies darauf hin, dass die Kapital- und Stimmrechtsanteile bei gemischtwirtschaftlichen Unternehmen allein keine Auskunft darüber geben, welchen tatsächlichen Einfluss der Private oder die öffentliche Hand auf die Geschäftspolitik hat; dies werde im Gesellschaftsvertrag festgelegt, der Dritten nicht zugänglich ist. Er legte dar, dass insbesondere auch eine Sperrminorität, die bei der AG mit 25 % gesetzlich festgelegt sei und bei der GmbH im Gesellschaftsvertrag festgelegt werden könne, nichts über die tatsächliche Einflussnahmemöglichkeit aussage; Praxis sei, dass die Privaten in der Regel einen entsprechend ihrem Kapitalanteil überproportional hohen Einfluss ausüben. Herr Sinz bestätigte aufgrund seiner Praxis-Erfahrung in Aufsichtsräten von Unternehmen mit privater Beteiligung, dass die Beteiligungshöhe nicht mit der Einflussnahme in der Gesellschaft identisch sei; im Allgemeinen setzten die Privaten sich in der Entscheidungsfindung wie bei der Durchsetzung der Entscheidungen durch. Herr Sinz erklärte, für ihn sei der „springende Punkt“ bei den PPP-Modellen die Frage, woran das liege: an mangelnder Fachkenntnis auf Seiten des öffentlichen Partners, an dem demokratischen Prozess bei dessen Entscheidungsfindung, an der Unternehmensphilosophie in diesem Bereich 82 oder woran sonst? Er empfahl, diese Frage zu untersuchen und bezeichnete die Antwort darauf als entscheidend für die zukünftige Weiterentwicklung von PPP-Modellen. Professor Eichhorn erklärte, eine plausible Antwort sei, dass das von den privaten Anteilseignern verfolgte Formalziel Rentabilität sich rechnen lasse, während dies für die von den öffentlichen Partner verfolgten, an öffentlicher Aufgabenerfüllung orientieren Sachziele nicht gelte und diese somit im Entscheidungsbildungsprozess leichter auf der Strecke blieben. Auf die Frage von Herrn Sinz, ob dies bedeute, dass die öffentlichen Partner nicht rechnen können, antwortete Professor Eichhorn, auch sie könnten sicherlich rechnen, doch sei die Materie, die sie vertreten, nicht ohne weiteres rechenhaft darstellbar. Herr Sinz bezeichnete die Antwort als nicht zufriedenstellend: Sie liege auf einer anderen Ebene. Ihm gehe es darum zu untersuchen, wie dem entgegengewirkt werden kann, dass die Privaten sich zumeist gegen die öffentlichen Interessen durchsetzen – möglicherweise durch ein anderes Auftreten der öffentlichen Partner in PPPs. V. Kontrolle der öffentlichen Hand bei PPP Herr Räpple bemerkte zu den Feststellungen zum Beteiligungs- und VertragsControlling im Vortrag von Professor Weber: Wenn darunter verstanden werde, die Einhaltung der Eckpunkte der Verträge oder die Erreichung der fiskalischen Ziele der Gemeinde zu kontrollieren, so halte er dies für sinnvoll und notwendig, im Grunde genommen eigentlich für selbstverständlich. Gehe es jedoch um den Aufbau eines großen Beteiligungs-Controllings zur Kontrolle der unternehmerischen Entscheidungen, warne er hiervor; denn die Städte seien dazu nicht in der Lage. Sie verfügten über gute Verwaltungsfachleute, doch seien diese keine Unternehmer. Letztlich schaffe man deshalb mit solchen Konstruktionen nur „einen Riesenmarkt für Berater“. Herr Räpple verwies in diesem Zusammenhang auf Fälle, in denen in Verhandlungen, die nicht von den Vorständen der Stadtwerke, sondern von Oberbürgermeistern oder von Kämmerern mit Privaten geführt wurden, dazu geführt haben, dass Stadtwerksanteile an große Versorgungsunternehmen verschleudert wurden. Er stellte klar, dass auch beim Kölner Stadtwerke-Konzern selbstverständlich Abstimmungen mit dem Eigner stattfänden, bevor Beteiligungsverträge abgeschlossen werden, doch erfolgten 83 die Verhandlungen durch die Vorstände und Geschäftsführungen mit ihrem Sachverstand als Unternehmer, und die Rolle der für die Stadt Verantwortlichen beschränke sich darauf, den Verhandlungsergebnissen zuzustimmen oder sie abzulehnen. Professor Weber stimmte Herrn Räpple insofern zu, dass die Verwaltung des Vertrags-Controlling in Ausnahmesituationen nicht „mit eigenen Bordmitteln“ bewältigt werden kann, und ergänzte, es würde auch keinen Sinn machen, Kapazitäten für solche Ausnahmesituationen zu mobilisieren; denn man hätte dann, wenn der Normalzustand wieder eintritt, Überkapazitäten, die sich nach seiner Erfahrung „Beschäftigung suchen“ würden. Professor Weber stellte klar, in seinem Referat habe er sich auf die Normalsituation bezogen und festgestellt, dass das Personal in den Beteiligungsverwaltungen häufig so ausgedünnt wurde, dass nicht einmal mehr dieser Normalzustand hinreichend beurteilt wird: Weil es dort fast nur noch Verwaltungsbeamte gebe, aber z.B. kaum noch Ingenieure, zeigten sich fachliche Defizite, etwa bei der Beurteilung der Sauberhaltung von Straßen oder der Funktion der Müllverbrennung. Hier gebe es Defizite bezogen auf den Normalzustand, und diese zu beurteilen und zu kontrollieren sei nach seiner Auffassung Aufgabe der Stadt, solange sie die Mehrheitsbeteiligung an dem Unternehmen hält. Professor Harms verwies darauf, dass der Staat sich nach dem Haushaltsrecht nur dann an Wirtschaftsunternehmen beteiligen darf, wenn es ein klar definiertes öffentliches Interesse an der Beteiligung gibt, und er dürfe dies auch nur, wenn bei dem Geschäft nicht überproportionale Risiken auf ihn zukommen; dies müsse einer öffentlichen Kontrolle unterliegen. Herrn Räpple sei zuzustimmen, dass diese Kontrolle nicht der klassischen Verwaltung übertragen werden kann, die damit überfordert wäre; aber es müsse eine konstruktive Diskussion – auch mit den privaten Partnern – über ein effektives Beteiligungs- und Vertrags-Controlling geführt werden, um im Sinne der öffentlichen Interessen einerseits die Interessenwahrnehmung der Unternehmen sicherzustellen und andererseits die Risiken zu begrenzen, welche zwar in der Vergangenheit für die meisten Kommunen beherrschbar waren, es aber in Zukunft nicht immer sein müssen. Professor Brede erklärte, die beiden Referate hätten vor allem deutlich gemacht, welche Bedeutung die Qualität des Beteiligungs-Controllings hat. Es komme darauf an, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, die Qualität zu verbes- 84 sern; das heiße insbesondere auch, den Vertretern der öffentlichen Hand als den Hütern des Gemeinwohls Anreize zu bieten, sich auf diesem Gebiet zu engagieren. Professor Harms verwies darauf, dass in dem Referat von Professor Gottschalk im Großen und Ganzen nur die unmittelbaren Beteiligungen der Kommunen betrachtet wurden; es gebe aber bei den mittelbaren Beteiligungen eine Vielzahl von PPPs, über die es überhaupt keinen Überblick gebe. Hier werde ein Kontrolldefizit deutlich; denn eine effektive Kontrolle der mittelbaren Beteiligungen finde nicht statt. In diesem undurchsichtigen Bereich – Universitätsklinika, Anstalten des öffentlichen Rechts usw. – tue sich aber vieles, worin zum Teil beträchtliche Risiken für die öffentliche Hand schlummern. Ein Beispiel hierfür sei Berlin, wo in der Vergangenheit bei vielen Beteiligungen beträchtliche Risiken eingegangen wurden, die jetzt auf das Land zurückfielen; diese Risiken hätten oft nicht im Kerngeschäft, sondern im Drittgeschäft der Gesellschaften gelegen. Das Land Berlin bemühe sich jetzt, Konsequenzen daraus zu ziehen, dass die Kontrollstrukturen in der Vergangenheit nicht effektiv genug waren. Herr Hanss bemerkte zu der Forderung von Professor Harms, die Rechnungshöfe in die Prüfung der mittelbaren Beteiligungen der Kommunen einzuschalten, in – wie er formulierte – „bewusst überspitzter und überpointierter Weise“: Es sollte vermieden werden, dass die Rechnungshöfe mit ihrer Haushaltsorientierung, ohne das Verständnis dafür, dass es sich um privatwirtschaftlich geführte Unternehmen handelt, zusätzlich zu den Wirtschaftsprüfern, die den Auftrag haben, eine privatwirtschaftliche Prüfung vorzunehmen, und zusätzlich zur eigenen inneren Revision in den kommunalen Unternehmen bei diesen Unternehmen bezüglich ihrer Beteiligungen reinzureden, ohne zu deren positiver Entwicklung beizutragen. VI. Auswirkungen von PPP auf Kunden und Marktstruktur Professor Oettle erklärte, beide Referate hätten deutlich gemacht, dass es um die Transparenz bei PPP schlecht bestellt ist. Aufgabe der Wissenschaft sei es, Transparenz zu erhöhen; deshalb wolle er versuchen, das, was an einer Vielzahl von Einzelheiten dargestellt wurde – Professor Weber habe von „Modellen für Unikate“ gesprochen –, auf Allgemeines zurückzuführen: 85 Bei dem, was hier als PPP betrachtet werde, handele es sich zu einem großen Teil um Handel mit Unternehmungen, und dies bedeute nicht nur, dass Kapitalanteile verkauft werden, sondern mitverkauft würden auch die sozialen Beziehungen zu den Mitarbeitern, zu den Kunden und zu den – häufig mittelständischen – Lieferanten, mit ungewissem Schicksal für die Betroffenen. Was die Kunden anbelangt, so werde für sie im Falle des Verkaufs an einen überregional tätigen Konzern die bisherige weniger bürokratische Nahversorgung durch eine bürokratischere Fernversorgung ersetzt. Das sei aber nicht, was sich der Laie unter Privatisierung oder Zusammenarbeit zwischen der öffentlichen Hand und Privaten vorstellt; vielmehr werde in dessen Vorstellung „privat“ mit Entbürokratisierung verknüpft. Fernversorgung und Verwaltungskonzentration seien im Übrigen ein Beitrag zum Abbau der kommunalen Selbstverwaltung. Professor Cox führte zu den marktstrukturellen Wirkungen der Beteiligung sehr großer Verbundunternehmen an Stadtwerken aus: Zwar sehe das geltende Wettbewerbsrecht ein Fusionsverbot vor, wenn durch den Zusammenschluss eine marktbeherrschende Stellung neu entsteht oder eine bestehende verstärkt wird – Professor Gottschalk habe darauf hingewiesen, dass das Bundeskartellamt den Schwellenwert bei 20 % Marktanteil ansetzt –, und dies sei sicherlich zumeist der Fall bei solchen Beteiligungen; denn es werde i.d.R. ein bereits bestehendes regionales Monopol verstärkt. Doch kenne das Wettbewerbsrecht auch die sog. Abdeckungsklausel, nach der eine Beeinträchtigung der Wettbewerbssituation hingenommen werden könne, wenn durch die Fusion andere positive Effekte – vor allem positive gesamtwirtschaftliche Wirkungen – ausgelöst werden. Es sei seines Erachtens davon auszugehen, dass das Bundeskartellamt bei seiner Abwägung die negativen marktstrukturellen Wirkungen in Kauf nehmen und der Argumentation, es liege ein spezifisches öffentliches Interesse an der Beteiligung vor, z.B. die Wahrnehmung der Vorteile einer strategischen Partnerschaft, Vorrang einräumen werde – mit dem Effekt, dass damit zu rechnen sei, letztlich werde nahezu jede derartige Beteiligung vom Kartellamt gestattet werden. Deshalb sei unter wettbewerbspolitischen Aspekten zu überlegen, ob nicht eine Ausschreibungspflicht für Beteiligungen an kommunalen Unternehmen einge- 86 führt werden sollte, um zu verhindern, dass regionale Monopole eine noch stärkere Position erlangen, als sie ohnehin schon haben. Professor Budäus stellte die These auf, dass es in den klassischen Ent- und Versorgungsmärkten durch die Übernahme kommunaler und regionaler Unternehmen durch die großen überregionalen oder sogar auf globaler Ebene tätigen Konzerne auf globaler Ebene zu oligopolistischen Marktstrukturen kommen werde, was auf regionaler Ebene zu monopolistischen privatwirtschaftlichen oder gemischtwirtschaftlichen Strukturen führen werde: Letztere würden akzeptiert, weil es auf globaler Ebene einen funktionsfähigen Wettbewerb der Oligopolstrukturen gebe. Für die einzelne Region oder Kommune werde dies aber auf Dauer enorme Konsequenzen haben; denn sie werde mit einer monopolistischen Struktur konfrontiert sein. Von daher sei die von Professor Püttner aufgeworfene Frage nach den Strukturen der privaten Beteiligung sehr wichtig; im Hinblick auf die künftigen Marktstrukturen wäre es wichtig, die Anteile der großen Konzerne wie E.on, Vivendi usw. an Stadtwerden zu erfahren. Herr Leetz bemerkte zu der von Professor Cox zur Diskussion gestellten Ausschreibungspflicht für Beteiligungen an kommunalen Unternehmen, er halte es für problematisch, in diesem Falle von einer „Partnerschaft“ zu reden, weil das Moment der Freiwilligkeit und eines gewissen gegenseitigen Vertrauens, wie es der Begriff Partnerschaft assoziiere und wie es selbst in der Käufer-VerkäuferBeziehung bestehe, dann nicht mehr zum Tragen komme. Professor Gottschalk ging auf die regionalen und volkswirtschaftlichen Folgen von PPPs im Bereich der Versorgungswirtschaft ein, wenn es den sich bei Stadtwerken einkaufenden Großkonzernen dabei nicht wirklich um Partnerschaft sondern um die Machtübernahme geht. Er berichtete, in vielen Städten sei man euphorisch für die Teil- oder Totalprivatisierung der kommunalen Verund Entsorgungsunternehmen; man fühle sich auf der Seite des Zeitgeistes und erwarte sich von dem Verkauf – über den strategischen Aufpreis – die Möglichkeit, seine Haushaltsprobleme zu lösen. Allerdings mache man sich nicht klar, dass der Großkonzern, der den strategischen Aufpreis zahlt, diesen Aufpreis möglichst schnell wieder hereinholen will, weshalb er bemüht sei, sehr bald einzelne Abteilungen in die Konzernzentrale zu integrieren. Dies beginne zumeist mit der Datenverarbeitung und dem Rechnungswesen, und spätestens, wenn der Einkauf in die Zentrale abgezogen wird, werde der Stadt klar, dass Auf- 87 träge, die früher an ortsansässige Firmen gingen, jetzt zentral von der fernen Konzernzentrale an Großlieferanten gehen, die ihren Sitz anderswo haben. Die Begeisterung für die Privatisierung höre zumeist auch dann auf, wenn Arbeitsplätze bei dem Unternehmen vor Ort abgebaut werden, und wenn die Kundenbeziehungen durch die Ortsferne der Verwaltung leiden. Aber auch die volkswirtschaftlichen Implikationen gelte es zu bedenken, dass nämlich PPP in wichtigen Sektoren die Wirtschaftsstruktur insofern verändere, als eine Oligopolisierung stattfindet. Dies gelte aktuell für die Energiewirtschaft, wo eine Vorwärtsintegration der vier großen Konzerne mit europäischer Dimension auf den Endverteilersektor erfolge, und es sei zu befürchten, dass dieselbe Entwicklung im Wasserbereich bevorsteht. Es gelte, die volkswirtschaftlichen Folgen dieses Prozesses im Auge zu behalten und nicht allein auf die betriebswirtschaftlichen und unternehmensstrategischen Vorteile abzustellen, ansonsten werde man es in Deutschland in der Ver- und Entsorgungswirtschaft demnächst nur noch mit zwei oder drei oligopolistischen Anbietern zu tun haben. VII. Zur weiteren wissenschaftlichen Befassung mit PPP Professor Tscheulin leitete aus den Referaten und der Diskussion die Notwendigkeit ab, verstärkt wissenschaftlich-empirische Forschung über die Effizienz verschiedener PPP-Modelle durchzuführen, wobei Effizienz nicht nur im Hinblick auf die Kosten sondern auch auf andere Faktoren wie Qualität, Sicherheit der Versorgung usw. verstanden werden müsse. Erforderlich sei hierfür Unterstützung der Praxis mit Datenmaterial. Einem Einwurf von Professor Püttner, vieles habe auch mit den atmosphärischen Beziehungen zu tun, die man schwer empirisch erfassen könne, hielt Professor Tscheulin entgegen, man sollte sich deshalb aber nicht von dem Vorhaben abbringen lassen. Er verwies darauf, dass im Bereich des Marketing aus psychologischer Sicht Modelle entwickelt wurden, die auch die Quantifizierung solcher Phänomene – im Sinne von Transformation in Kosten – ermöglichen. Professor Brede empfahl, die Anregung von Professor Tscheulin aufzugreifen, Techniken anzuwenden, die im Bereich des Marketing entwickelt wurden, um mit Hilfe derer Anreize für die Vertreter der öffentlichen Hand zu schaffen, die 88 Qualität des Beteiligungs-Controlling im Interesse des Gemeinwohls zu verbessern. Professor Mühlenkamp unterstützte den Vorschlag, die Effizienz verschiedener PPP-Modelle zu untersuchen, mit dem Hinweis darauf, dass es bisher nur wenige Untersuchungen über gemischtwirtschaftliche Unternehmen gebe – vor allem nichts aus Deutschland und nichts über andere Formen der Zusammenarbeit. Hier böte sich eine Möglichkeit, die potentielle Stärke des Wissenschaftlichen Beirats ins Spiel zu bringen, wenn dies von der Praxis durch Herausgabe von Daten, an die man sonst nicht herankommt, unterstützt würde. Dann könnte man z.B. den Versuch unternehmen, Transaktionskosten, Regulierungskosten usw. zumindest näherungsweise abzuschätzen und Messmodelle oder Maßstäbe zu entwickeln. Des weiteren sollte man im Wissenschaftlichen Beirat auch einen Brückenschlag zu dem zuvor auf dieser Tagung behandelten Thema „Neue Institutionenökonomik“ vornehmen. Zu fragen wäre, wie aus institutionenökonomischer Sicht verschiedene Formen von PPP zu bewerten sind und wo – ebenfalls aus institutionenökonomischer Sicht – der Unterschied zwischen einem Kooperationsvertrag, einem Liefervertrag und einem Gesellschaftsvertrag liegt. Dies möge auf den ersten Blick akademisch erscheinen, doch ließen sich möglicherweise Empfehlungen für die Praxis daraus ableiten, etwa unter welchen Voraussetzungen tendenziell welche Kooperationsformen zu empfehlen sind. Professor Budäus wies darauf hin, dass in den Beiträgen des vom Wissenschaftlichen Beirat 1996 zum Thema PPP veranstalteten Symposiums, die in Heft 41 der Schriftenreihe dokumentiert sind, bereits Überlegungen in diese Richtung angestellt wurden, auch wenn man seinerzeit noch nicht mit Lösungen aufwarten konnte; doch genau in diese Richtung müsse man weiter diskutieren. Er zog aus den Referaten von Professor Gottschalk und Professor Weber das Fazit, dass es sich bei PPP nicht um spezifische Modelle handelt, sondern um eine Bewegung, die sich national wie international zunehmend durchsetze und mit der man sich auseinandersetzen müsse. Von daher sollte man sich inhaltlich nicht so sehr auf die Modelldiskussion konzentrieren, sondern mehr auf die Rahmenbedingungen, unter denen diese Prozesse stattfinden – eine Diskussion, die sich erst am Anfang befinde. Die Notwendigkeit, sich mit dem öffent- 89 lichen Interesse, den Einflussmöglichkeiten, den Risiken und der öffentlichen Kontrolle bei PPP zu befassen, werde deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass, wie sich am Beispiel der Bankgesellschaft Berlin gezeigt habe, im „worst case“ ein städtisches Unternehmen über die Gewährleistungshaftung öffentliche Ausgaben in Höhe von 30 Mrd. € verursachen kann. Gehe man, wie von Volkswirten berechnet, davon aus, dass 10 Mrd. € Investitionen 1 % volkswirtschaftliches Wachstum bewirken, bedeute dies, dass ein einziges Unternehmen einer Stadt 3 % volkswirtschaftliches Wachstum verhindern kann. Dr. Bolsenkötter empfahl, im Wissenschaftlichem Beirat die Aufgaben der einzelnen Glieder der immer komplexer werdenden Kette der Kontrollen bei PPPs erneut einmal zu untersuchen; dazu gehörten: Beteiligungs-Controlling, Kontrakt-Controlling, Risiko-Controlling, Abschlussprüfung des Wirtschaftsprüfers, erweiterte Abschlussprüfung des Wirtschaftsprüfers, Beteiligungsprüfung der Rechnungshöfe, Prüfung der mittelbaren Beteiligungen sowie die Kontrollen durch die Gremien. Die von Professor Harms geforderte Prüfung der mittelbaren Beteiligungen durch die Rechnungshöfe stelle nur ein Teilproblem dar. Professor Ambrosius verwies darauf, dass im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts in der Wissenschaft eine sehr breite und intensive Diskussion über die Vor- und Nachteile der gemischtwirtschaftlichen Unternehmung stattgefunden habe. Über die ganze Palette der hier angesprochenen Probleme sei seinerzeit bereits intensiv gearbeitet worden, z.B. über Beteiligungs-Controlling und Kontrakt-Controlling. Werner Sombart habe sein Werk „Der moderne Kapitalismus“ mit dem Satz abgeschlossen: „Das Unternehmen der Zukunft wird das gemischtwirtschaftliche sein.“ Auf die Frage von Professor Reichard, ob es sich bei diesen Arbeiten nicht nur um normative Untersuchungen gehandelt habe, antwortete Professor Ambrosius, es sei auch empirisch gearbeitet worden. Professor Eichhorn bemerkte hierzu an, dass die Problematik der Kulturunterschiede, die von Herrn Hanss angesprochen wurden, seinerzeit noch nicht behandelt wurde, diese aber in künftigen Untersuchungen eine wichtige Rolle spielen müsse. Professor Püttner bezeichnete es als wünschenswert, für die weiteren Arbeiten des Wissenschaftlichen Beirats von den Mitgliedsverbänden der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft statistische Angaben auch zu der Art der privaten Partner kommunaler Unternehmen zu erhalten. 90 Professor Gottschalk teilte mit, der VKU verfüge über eine Menge von Material, das noch aufzuarbeiten sei; einiges sei für das GÖW-Symposium 1996 ausgewertet worden, aber die weitere Arbeit zum Thema PPP erfordere weitere Aufarbeitung. In der Tat werde man sich darauf konzentrieren müssen zu untersuchen, wer eigentlich die Privaten sind, die sich an den kommunalen Unternehmen beteiligen; denn zurecht sei hier gesagt worden, dass den Zielsetzungen, die die Privaten in diesen Unternehmen verfolgen, große Bedeutung zukommt. In zahlreichen Fällen sei davon auszugehen, dass es allein um die Machtfrage geht und nicht wirklich um eine Partnerschaft, wobei zurecht darauf hingewiesen worden sei, dass die Beteiligungshöhe allein wenig über die tatsächliche Machtverteilung aussagt. Herr Hanss empfahl den Wissenschaftlern, sich nicht zu sehr nur mit den negativen Seiten von PPP zu befassen, sondern vor allem auch herauszuarbeiten, was Unternehmensleiter kommunaler Unternehmen, die Allianzen mit privaten Partnern eingehen, beachten müssen, um nicht in eine Falle zu laufen und die mit der Allianz angestrebten Ziele tatsächlich erreichen zu können. Herr Hanss bot den Professoren des Wissenschaftlichen Beirats an, studentischen Praktikanten im LVB-Konzern Gelegenheit zu geben, sich über die dort praktizierte Beteiligungspolitik zu informieren. Er sei bereit, den Praktikanten Informationen darüber zur Verfügung zu stellen, wie es zu den PPPs gekommen ist und wie die Auswahlprozesse geführt wurden. Die Geschäftsführung der LVB stünde für Diskussion und Befragung zur Verfügung, und den Praktikanten könnte auch die Teilnahme an Konzernleitungssitzungen ermöglicht werden. Man wäre auch bereit, die Problemfälle auf den Tisch zu legen, in denen etwas schief gelaufen sei. Er verwies im übrigen darauf, dass die Beratungsgesellschaft für Beteiligungsverwaltung Leipzig mbH (BBVL), die im Bereich der kommunalen Wirtschaft „mit den Instrumenten der Wirtschaft“ Beratung leiste und Prüfungen auch im Hinblick auf das öffentliche Interesse durchführe, der GÖW angehört. Er empfahl, die von der BBVL erstellten jährlichen Beteiligungsberichte bei den Arbeiten des Wissenschaftlichen Beirats zum Thema PPP zu berücksichtigen und ggf. den Geschäftsführer der BBVL zu einer Diskussion einzuladen. 91 Professor Gottschalk begrüßte am Ende der Diskussion die Einsetzung eines Arbeitskreises „Public Private Partnership“ unter dem Vorsitz von Professor Budäus durch den Wissenschaftlichen Beirat. Er empfahl die Einbeziehung von Experten aus der Praxis in die Arbeiten. 92 Die Teilnehmer der Tagung Prof. Dr. Gerold Ambrosius, Universität Siegen Dr. Heinz Bolsenkötter, WIBERA Wirtschaftsberatung AG, Düsseldorf Prof. Dr. Helmut Brede, Universität Göttingen Prof. Dr. Dietrich Budäus, Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik Prof. Dr. Eugenio Caperchione, Universität Modena Prof. Dr. Giacomo Corneo, Universität Osnabrück Prof. Dr. Helmut Cox, Universität Duisburg1 Prof. Dr. Dres. h.c. Peter Eichhorn, Universität Mannheim Prof. Dr. Werner W. Engelhardt, Universität Köln Pdin Dr. Elisabeth Göbel, Universität Trier Prof. Dr. Wolf Gottschalk, Universität Göttingen, HU-Berlin, VKU, Köln Wilhelm Georg Hanss, Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) GmbH Prof. Dr. Jens Harms, Rechnungshof von Berlin Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Jenkis, Universität Dortmund Dr. Ulrich Kirchhoff, Landesbank Hessen-Thüringen, Frankfurt/M. Jens Lattmann, Deutscher Städtetag, Berlin Wolf Leetz, Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft e.V., Berlin Prof. Dr. Thomas Lenk, Universität Leipzig Prof. Dr. Holger Mühlenkamp, Universität Hohenheim, Stuttgart2 Rainer Neumann, Universität Hohenheim, Stuttgart Prof. Dr. Werner Noll, Universität Würzburg Prof. Dr. Dres. Karl Oettle, Universität München Prof. Dr. Dr. h.c. Erich Potthoff, Universität Köln Prof. Dr. Dr. h.c. Günter Püttner, Universität Tübingen Wilfried Räpple, Stadtwerke Köln GmbH Prof. Dr. Christoph Reichard, Universität Potsdam Michael Schöneich, Verband kommunaler Unternehmen e.V., Köln Klaus Sinz, Wikom Wirtschaftsprüfungsgesellschaft AG, Berlin Prof. Dr. Dieter K. Tscheulin, Universität Freiburg im Breisgau Prof. Dr. Martin Weber, PwC Deutsche Revision AG, Frankfurt/M. 1 2 Jetzt Universität Duisburg-Essen. Jetzt: Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer. 93 Die Referenten Dr. habil Priv. Doz. Elisabeth Göbel, Universität Trier, Fachbereich IV, Universitätsring 15, 54296 Trier, E-Mail: [email protected] Prof. Dr. Wolf Gottschalk, Universität Göttingen, Humboldt-Universität Berlin, Verband kommunaler Unternehmen e.V., Brohler Straße 13, 50968 Köln, E-Mail: [email protected] Jens Lattmann, Beigeordneter des Deutschen Städtetages, Straße des 17. Juni 112, 10623 Berlin, E-Mail: [email protected] Prof. Dr. Thomas Lenk, Universität Leipzig, Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, Institut für Finanzen, Postfach 920, 04009 Leipzig, E-Mail: [email protected] Prof. Dr. Christoph Reichard, Universität Potsdam, Lehrstuhl Public Management, Postfach 90 03 27, 14439 Potsdam, E-Mail: [email protected] Prof. Dr. Martin Weber, Fachhochschule Mainz, Wibera Wirtschaftsberatung AG und PwC Deutsche Revision AG, Olof-Palme-Straße 35, 60439 Frankfurt/M., E-Mail: [email protected] 94 Dokumentation der Jahrestagungen des Wissenschaftlichen Beirats der GÖW Bisher erschienen: Liberalisierung im Öffentlichen Personennahverkehr, Referate der Tagung des Wissenschaftlichen Beirats der GÖW am 14. Februar 2002, mit Beiträgen von Giacomo Corneo, Jan Kahmann, Folkert Kiepe, Peter Kirchhoff, Dirk Meyer, Thomas Muthesius und Gisbert Schlotzhauer (erschienen 2002) Sparkassen und Landesbanken im Spannungsfeld zwischen örtlichem Auftrag und Wettbewerb, Referate der Tagung des Wissenschaftlichen Beirats der GÖW am 1. März 2001, mit Beiträgen von Hans Bauer, Holger Berndt, Peter Eichhorn, Ulrich Kirchhoff, Michael Nierhaus und Gebhard Zimmermann (erschienen 2002) Öffentliche Dienstleistungen im Konflikt zwischen Gemeinwohlverpflichtung und Wettbewerb, Referate der Tagung des Wissenschaftlichen Beirats der GÖW am 9. März 2000, mit Beiträgen von Josef Gronemann, Christoph Landerer, Dieter Ludwig, Wilfried Räpple und Gustav Adolf Schröder (erschienen 2001) zu beziehen über Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft e.V. Sponholzstraße 11, 12159 Berlin Tel. (030) 8 52 10 45 Fax (030) 8 52 51 11 e-Mail [email protected] Weitere neuere Veröffentlichungen der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft I. Reihe „Beiträge zur öffentlichen Wirtschaft“ Ausschreibungswettbewerb – obligatorisch für alle öffentlichen Dienstleistungen?, Referate eines Symposiums der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft, des Verbandes kommunaler Unternehmen und des Deutschen Städtetages am 24./25. Oktober 2002 in Berlin, mit Beiträgen von Peter Bossert, Helmut Cox, Ulrich Cronauge, Peter Eichhorn, Annette Fugmann-Heesing, Heinrich Ganseforth, Angelika Koman, Christoph Landerer, Jens Lattmann, Günter Püttner, Stephan Rechten, Christoph Reichard, Gunda Röstel, Michael Schöneich und Cornelius Simons (Heft 20, erschienen 2003) Rollenwechsel kommunaler Unternehmen, Referate eines Symposiums der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft am 10. Dezember 2001 in Leipzig, mit Beiträgen von Dietrich Budäus, Peter Eichhorn, Wilhelm Georg Hanss, Rainer Plaßmann, Günter Püttner und Michael Schöneich (Heft 19, erschienen 2002) Die öffentliche Wirtschaft in Deutschland. Bestandsaufnahme zu Beginn des 21. Jahrhunderts, Dokumentation der Deutschen Sektion des Europäischen Zentralverbandes der öffentlichen Wirtschaft CEEP (Heft 18, erschienen 2001) zu beziehen über Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft e.V. Sponholzstraße 11, 12159 Berlin Tel. (030) 8 52 10 45 Fax (030) 8 52 51 11 e-Mail [email protected] 95 II. „Schriftenreihe der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft“ Ausschreibungswettbewerb bei öffentlichen Dienstleistungen, hrsg. v. Helmut Cox, mit Beiträgen von Christoph Andersen, Helmut Cox, Heinrich Decker, Karl Oettle, Günter Püttner, Klaus Rabolt und Christoph Reichard (Heft 52, erschienen 2003) Finanzierung des Mittelstandes vor neuen Herausforderungen: Basel II, hrsg. v. Peter Eichhorn und Gebhard Zimmermann, mit Beiträgen von Peter Eichhorn, Bruno Klein, Ulrich Kirchhoff, Gerd Knischewski, Mario Ohoven, Klaus Rathert, Hannes Rehm und Gebhard Zimmermann (Heft 51, erschienen 2003) Die Ökonomisierung des öffentlichen Sektors: Instrumente und Trends, hrsg. v. Jens Harms und Christoph Reichard, mit Beiträgen von Gerold Ambrosius, Heinz Bolsenkötter, Dietrich Budäus, Thomas Edeling, Peter Eichhorn, Wolf Gottschalk, Jens Harms, Elke Löffler, Jürgen Löwe, Holger Mühlenkamp, Karl Oettle, Günter Püttner, Christoph Reichard, Norbert Vogelpoth (Heft 50, erschienen 2003) Zur Reform des Gemeindewirtschaftsrechts, hrsg. v. Günter Püttner, mit Beiträgen von Horst Dau, Peter Eichhorn, Johannes Hellermann, Helmut Köhler, Reiner Metz, Markus Moraing, Karl Oettle, Günter Püttner, Mechthild Scholl, Helmut Siekmann, Peter J. Tettinger und Joachim Wieland (Heft 49, erschienen 2002) Kommunale Wirtschaft im Wandel – Chancen und Risiken, hrsg. v. Peter Eichhorn, Christoph Reichardt und Gunnar F. Schuppert, mit Beiträgen von Helmut Brede, Helmut Cox, Peter Eichhorn, Wolf Gottschalk, Peter Kurth, Willy Leonhardt, Günter Püttner, Hannes Rehm, Christoph Reichard, Gunnar F. Schuppert, Hermann Zemlin und Brigitte Zypries (Heft 48, erschienen 2000) Wettbewerb und die Erfüllung öffentlicher Aufgaben, hrsg. v. Helmut Brede, mit Beiträgen von Gerold Ambrosius, Achim-Rüdiger Börner, Günter E. Braun, Helmut Brede, Helmut Cox, Ulrich Cronauge, Peter Eichhorn, Volkmar Götz, Ralf Gruneberg, Jens Harms, Helmut Jenkis, Ulrich Kirchhoff, Thomas Muthesius, Karl Oettle, Viktor Wilpert Piel, Günter Püttner, Sabine Schulte-Beckhausen und Karl Soukup (Heft 47, erschienen 2000/2001) ÖPNV in Bewegung. Konzepte, Probleme, Chancen, hrsg. v. Günter Püttner, mit Beiträgen von Reiner Metz, Markus Moraing, Thomas Muthesius, Karl Oettle, Iris Port, Günter Püttner und Helmut Siekmann (Heft 46, erschienen 2000) Daseinsvorsorge und öffentliche Dienstleistungen in der Europäischen Union. Zum Widerstreit zwischen freiem Wettbewerb und Allgemeininteresse, hrsg. v. Helmut Cox, mit Beiträgen von Gerold Ambrosius, Heinz Bolsenkötter, Helmut Cox, Dietrich Dickertmann, Michael Els, Siegfried Gelbhaar, Heiko Henning, Ulrich Kirchhoff, Karl Oettle, Günter Püttner und Peter J. Tettinger (Heft 45, erschienen 2000) zu beziehen über Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG Waldseestraße 3-5, 76530 Baden-Baden Tel. (07221) 21 04 - 0 Fax (07221) 21 04 - 427 e-Mail [email protected] III. Sonstige Veröffentlichungen Öffentliche Unternehmen im Standortwettbewerb für den Aufbau Ost, hrsg. v. Peter Friedrich, mit Beiträgen von Helmut Brede, Stefan Detig, Werner Ebert, Werner W. Engelhardt, Xiao Feng, Hans Hirsch, Peter Friedrich, Maria Henselmann, Steffen Lindemann, Karl Oettle und Günter Püttner (erschienen 2002) zu beziehen über Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft e.V. Sponholzstraße 11, D-12159 Berlin, Tel. (030) 8 52 10 45 Fax (030) 8 52 51 11 e-Mail [email protected] 96