Moderne Aufladekonzepte für Pkw-Dieselmotoren

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Moderne Aufladekonzepte für Pkw-Dieselmotoren
P. Hoecker, F. Pflüger, Dr. J.W. Jaisle, Dr.
S. Münz
Moderne Aufladekonzepte
für
Moderne
Aufladekonzepte
PKW- Dieselmotoren
für PKW- Dieselmotoren
Academy
Veröffentlicht: Sept. 2000
1. Anforderungen an zukünftige PKW- Dieselmotoren
Die für die nächsten Jahre zu erwartenden Höchstwerte für die CO2 Emission bei
Kraftfahrzeugen bei eher steigenden Anforderungen an den Fahrkomfort stellt die
Automobilindustrie vor neue Herausforderungen. Ein Lösungsansatz ist die Verkleinerung
des Hubraumes des Verbrennungsmotors unter Beibehaltung der Charakteristik eines
großvolumigen Aggregats. Diese Vorgehensweise wird oft mit dem Schlagwort “Downsizing“
belegt und bedingt eine Aufladung des Motors um den resultierenden Leistungs- und vor
allem den Drehmomentforderungen zu entsprechen. Es zeigt sich, daß ein einfaches
Aufladeaggregat dazu alleine nicht ausreicht, sondern der Schritt zum komplexen
Aufladesystem vollzogen werden muß.
Die Entwicklungsziele hinsichtlich Thermodynamik und Betriebsverhalten von zukünftigen
PKW-Dieselmotoren lassen sich im wesentlichen wie folgt zusammenfassen:
•
Steigerung der Leistungsdichte des Motors.
•
Hohes maximales Drehmoment bei niedrigen Motordrehzahlen über eine möglichst weite
Drehzahlspanne
•
Verbesserung des Fahrverhaltens in instationären Betriebsphasen (Anfahrverhalten und
Elastizitätsverhalten)
Gleichzeitig aber
•
Senkung des Primärenergieverbrauchs im Testzyklus und im Straßenbetrieb
•
Einhaltung der zukünftigen Abgasgrenzwerte, das heißt drastische Verringerung der
heutigen Schadstoffemissionen
Besonders beide letztgenannten Ziele lassen sich durch den Einsatz hubraumkleiner
Motoren erreichen. Durch hubraumkleine Motoren ergeben sich auf der einen Seite deutliche
Vorteile in den Testzyklen hinsichtlich Kraftstoffverbrauch und Schadstoffausstoss, auf der
anderen Seite weisen hubraumkleine Motoren gegenüber grösseren Motoren eine
ausgeprägte Drehmomentschwäche auf. Das Ziel ist deshalb durch geeignete
Aufladeverfahren diese Drehmomentschwäche zu kompensieren. Dabei sollen die
Leistungsmerkmale eines hubraumgrösseren Motors sowohl im Hinblick auf das stationäre
als auch auf das instationären Verhalten erreicht werden.
1
2. Anforderungen an moderne Aufladesysteme
Die thermodynamischen Anforderungen an moderne Aufladesysteme für Dieselmotoren in
Personenwagen ergeben sich im wesentlichen aus den Zielgrössen des stationären und des
instationären Leistungsverhaltens des aufgeladenen Motors. Dabei müssen die
Abgasgrenzwerte eingehalten werden. Eine höhere Leistungs- und Drehmomentdichte
bedeutet eine Verschiebung der stationären Leistungs- bzw. Mitteldruckkurve des
Dieselmotors in vertikaler Richtung, wobei die höhere Nennleistung und der höhere effektive
Mitteldruck grundsätzlich die Einbringung einer grösseren Kraftstoffmenge in die Zylinder
und einen damit entsprechend höheren Luftmassendurchsatz, d.h. höheren Ladedruck,
erfordern.
Die erforderliche Erhöhung des Luftmassenstroms im gesamten Betriebsbereich des
Dieselmotors entspricht in erster Näherung der realisierbaren Mitteldruck- bzw.
Leistungssteigerung.
Eine wichtige Anforderung an das Aufladesystem ist deshalb ein konstant hohes
Ladedruckniveau über einen möglichst weiten Drehzahlbereich des Motors zur Verfügung zu
stellen. Hohe Ladedrücke bei geringen Motordrehzahlen ermöglichen relativ früh hohe
Mitteldrücke (stationär), die den Drehmomentüberschuss und damit das
Beschleunigungsverhalten des Motors begünstigen.
Der erforderliche hohe Luftdurchsatz für den Nennleistungsbereich kann grundsätzlich nur
von einem entsprechend groß ausgelegten Aufladegerät erbracht werden. Der Wunsch nach
einem hohen Ladedruck bei geringen Motordrehzahlen bedeutet jedoch dagegen, daß der
Verdichter und die Turbine relativ klein dimensioniert werden müssen.
Eine ideale, jedoch nicht zu realisierende Lösung dieses Zielkonfliktes ist ein für Verdicher
und Turbine sowohl gehäuse- als auch läuferseitig stufenlos variables Aufladegerät. Eine
reale Möglichkeit und bereits Stand der Technik ist die bekannte konstruktive Gestaltung der
Aufladegeräte mit variablen Elementen. Einen weiteren deutlichen Fortschritt werden
entsprechend optimierte mehrstufige Aufladesysteme ermöglichen. Diesem Themenkreis
sind intensive Entwicklungsarbeiten bei BorgWarner Turbo Systems zuzuordnen. In enger
Kooperation werden neben einstufigen Aggregaten zielgerichtet auch mehrstufige Systeme
verschiedener Leistungsmerkmale zur Erfüllung der künftigen Anforderungen an
Dieselmotoren für Personenwagen bereitgestellt.
2
3. Moderne Aufladekonzepte für PKW- Dieselmotoren
3.1 Einstufige Aufladesysteme
Generell stellen moderne Dieselmotoren besonders hohe Anforderungen an das
Aufladesystem hinsichtlich des erforderlichen Luftdurchsatzes. Die Kennfeldbreite eines
Strömungsverdichters wird mit steigendem Druckverhältnis jedoch zunehmend kleiner, so
daß insbesondere bei hoch aufgeladenen Turbomotoren die Problematik einer nicht
ausreichend großen nutzbaren Verdichterkennfeldbreite entsteht.
Bei den einstufigen Aufladeverfahren muß deshalb die Verdichterauswahl entweder für eine
drehmoment- oder eine nennleistungsorientierte Motorvariante erfolgen. Im ersten Fall führt
die Auswahl dazu, daß eine hohe Nennleistung nur eingeschränkt darstellbar ist während im
zweiten Fall im unteren Drehzahlbereich kein ausreichendes stationäres Drehmoment zur
Verfügung steht.
Die begrenzte nutzbare Verdichterkennfeldbreite stellt damit eine wichtige und
entscheidende Einschränkung für eine globale Verbesserung des Mitteldruckverlaufs dar,
das heißt eine vollständige vertikale Verschiebung der Mitteldruckkurve des Dieselmotors zu
höheren Werten ist mit diesen einfachen Aggregaten nicht möglich.
3.1.1 Variable Turbinengeometrie
Als einstufige Aufladeaggregate kommen für PKW-Dieselmotoren neben modernen und
kostengünstigen Turboladern mit Ladedruckregelorgan vor allem Turbolader mit variabler
Turbinengeometrie in Frage.
Speziell für die Aufladung kleiner Verbrennungsmotoren und abgestimmt auf die
Erfordernisse variabler Turbinengeometrie wurde bei BorgWarner Turbo Systems die KPTurbolader- Baureihe entwickelt. Die Lader dieser Baureihe können aber auch je nach
Kundenanforderung mit Ladedruckregelungklappe ausgerüstet werden.
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Bild 1 zeigt einen aus Serienanwendungen im PKW-Dieselmotor bekannten Turbolader mit
Drehschaufeln (VTG).
Bild 1 : Abgasturbolader mit variabler Turbinengeometrie (VTG)
Eine interessante Alternative zur VTG mit Drehschaufeln ist besonders bei hubraumkleinen
PKW-Dieselmotoren der von BorgWarner Turbo Systems entwickelte Turbolader mit
variabler Schieberturbine VST (Bild 2). Bei diesem Konzept ist eine Bypassregelung für den
oberen Betriebsbereich des Motors im Turbinengehäuse integriert .
Bild 2 : Abgasturbolader mit variabler Turbinengeometrie (VST)
4
Im unteren Drehzahlbereich wird ausschließlich der linke Kanal des zweiflutigen
Turbinengehäuses mit Abgas beaufschlagt (Bild 3). Dabei werden Wirkungsgrade
entsprechend einem einflutig ungeregelten Gehäuse erreicht. Mit zunehmendem
Abgasmassenstrom wird der rechte Kanal durch einen axial beweglichen Regelschieber
kontinuierlich freigegeben. Im obersten Drehzahlbereich öffnet schließlich eine Steuerkante
des Regelschiebers einen Bypass vom rechten Kanal des Turbinengehäuses zum
Gehäuseaustritt. Eine Verstellgabel wandelt eine ausserhalb des Gehäuses eingeleitete
Drehbewegung in die Axialbewegung des Regelschiebers um. Die Ansteuerung der
Verstellgabel kann beispielsweise mit einer pneumatischen Steuerdose, die mit Überdruck
versorgt wird, erfolgen.
erste Flut offen
beide Fluten offen
beide Fluten und Bypass offen
Bild 3 : Betriebszustände des VST-Abgasturboladers
3.1.2 Elektrisch unterstützte Aufladung
Zur elektromotorischen Unterstützung des Turboladers wird ein geeigneter Elektromotor auf
der Turboladerwelle integriert, beispielsweise zwischen Turbinen- und Verdichterrad (Bild 4).
Dieses Verbundsystem bewirkt trotz Erhöhung des Massenträgheitsmoments des Laufzeugs
ein spürbar verbessertes transientes Verhalten in Betriebspunkten, in denen noch wenig
Abgas zur Verfügung steht. Das Potential im transienten Betriebsverhalten hängt dabei in
erster Linie von der zur Verfügung stehenden elektrischen Leistung und der elektrischen
Infrastruktur des Fahrzeugs ab. Systembedingt durch die einstufige Prozeßführung sind
diesem Ansatz Grenzen gesetzt, da Verbesserungen der stationären Drehmomentkurve nur
innerhalb der gegebenen Verdichter-kennfeldgrenzen zu erreichen sind. Im Vergleich zu
anderen Konzepten ist das Verbesserungspotential damit eingeschränkt.
5
Bild 4 : Elektrisch unterstützter Abgasturbolader (eu-ATL)
3.2 Zweistufige Aufladesysteme
Der wesentliche Vorteil von zweistufigen Aufladesystemen gegenüber einstufigen
Aggregaten besteht darin, dass zwei verschieden große Verdichter in Reihe geschaltet
werden können, so daß für jeden Luftdurchsatzbereich ein optimiertes Kennfeld zur
Verfügung steht. Die Einschränkung der begrenzten nutzbaren Verdichterkennfeldbreite wird
damit umgangen.
3.2.1 Elektrisch angetriebener Strömungsverdichter in Kombination mit Turbolader
Dieses Aufladesystem wurde von BorgWarner Turbo Systems speziell zur Verbesserung des
transienten Betriebsverhaltens im unteren Drehzahlbereich entwickelt und leistet so neben
anderen Zielen einen entscheidenden Beitrag zur Entwicklung zukünftiger hubraumkleiner
Motoren mit einem transienten Drehmomentverhalten, das dem von hubraumstärkeren
Saugmotoren nahe kommt.
Die Bilder 5 und 6 zeigen den prinzipiellen Aufbau. Der eBooster kann grundsätzlich vor
oder nach dem Turbolader plaziert sein, wobei die Anordnung vor dem ATL-Verdichter (Bild
5) die grössere Flexibilität hinsichtlich der Einbauposition bietet, während die Anordnung
nach dem ATL-Verdichter (Bild 6) die kürzeren Leitungswege ermöglicht.
6
LLK
Absperr- /
UmschaltEinrichtung
E
V
Elektromotor
Bypass
T
V
Umluftventil
Bild 5 : Prinzipschaltbild eBooster vor Abgasturbolader
LLK
Bypass
T
Absperr- /
UmschaltEinrichtung
V
Umluftventil
V
E
Elektromotor
Bild 6 : Prinzipschaltbild eBooster nach ATL
Das Konzept basiert auf einer geregelten zweistufigen Verdichtung, wobei ein elektrisch
angetriebener Verdichter (eBooster) in Reihe mit einem Abgasturbolader geschaltet wird. In
Betriebspunkten, in denen wenig Abgas zur Verfügung steht, wird durch die zweistufige
Verdichtung ein insgesamt höheres Ladedruckniveau zeitlich früher erreicht.
Die Trennung von Turbolader und elektrisch unterstütztem Lader als Kernpunkt dieses
Konzeptes ergibt wesentliche Vorteile gegenüber anderen Ansätzen. Dank seines
elektrischen Antriebs ist der eBooster völlig unabhängig vom Turbolader und der
thermischen Energie der Abgase. Einzig das Bordnetz des Fahrzeugs bestimmt die maximal
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zur Verfügung stehende Energie. Der erreichbare Vorteil des eBooster-Systems im
transienten Verhalten wird allein durch die kurzzeitig zur Verfügung gestellte elektrische
Leistung begrenzt. Eine Erhöhung des stationären Drehmoments bei niedrigen
Motordrehzahlen ist im Gegensatz zum elektrisch unterstützten Turbolader möglich, falls die
erforderliche elektrische Leistung vom Bordnetz permanent zur Verfügung gestellt werden
kann. Während unterhalb einer Motordrehzahl von 2000 U/min eBooster und Turbolader im
Verbund für den notwendigen Ladedruck sorgen, geschieht dies oberhalb dieser Drehzahl
durch den Turbolader alleine.
Da bei diesem System zwei Radialverdichter kombiniert werden, lassen sich deren
Kennfelder kombinieren und damit die Kennfeldbreite insgesamt deutlich vergrößern. Die
Trennung von Elektromotor und Turbolader zieht eine erhebliche Verbesserung des
transienten Verhaltens nach sich, da beim eBooster nur das Verdichterrad und der Rotor,
nicht aber ein Turbinenrad vergleichsweise hoher Dichte und damit Massenträgheit,
beschleunigt werden müssen. Numerische Simulationen zeigen, daß der Energiebedarf des
eBooster-Systems ca. 30% unter dem des elektrisch unterstützten Turboladers liegt. Der
eBooster kann zudem so plaziert werden, daß er weder der thermischen Belastung durch die
Turboladerturbine, noch mechanischen Belastung aus dem Betrieb des Verbrennungsmotors
ausgesetzt ist.
Bei der Entwicklung des eBoosters stand von Anfang an die Forderung nach einem Verzicht
auf Öl- und Kühlmittelanschlüsse (Bild 7). Neben dem saug- und druckseitigen
Anschlußstutzen weist der eBooster lediglich Kabel zur Leistungsversorgung und Steuerung
auf. Die gesamte Leistungselektronik ist im eBooster integriert, ein wichtiger Schritt zur
elektromagnetischen Verträglichkeit.
Bild 7 : Schnittbild des eBoosters (Prototyp)
8
3.2.2
Zweistufige geregelte Aufladung
Bei der zweistufigen geregelten Aufladung handelt es sich um eine Reihenschaltung zweier
unterschiedlich großer Abgasturbolader (Bild 8). Der Vorteil dieses Aufladesystems
gegenüber den einstufigen Verfahren ist die Steigerung der Nennleistung bei einer
gleichzeitigen Verbesserung des stationären Drehmoments bei niedrigen Drehzahlen und
dem Beschleunigungsverhalten des PKW-Dieselmotors durch schnellen Ladedruckaufbau.
Dabei wird der gesamte Frischluftmassenstrom zunächst durch die Niederdruckstufe
vorverdichtet. In der Hochdruckstufe erfolgt die weitere Verdichtung und die Kühlung der
Ladeluft. Aufgrund der Vorverdichtung arbeitet der relativ kleine Hochdruck-Verdichter auf
einem höheren Druckniveau, so daß er den erforderlichen Luftmassenstrom durchsetzen
kann.
1
3
2
LLK
Umluftventil
Bypass
V
V
HD
T
T
ND
Bild 8 : Prinzipschaltbild der zweistufigen geregelten Aufladung
9
Bild 9 : Konstruktive Ausführung einer zweistufigen geregelten Aufladung am PKW- Dieselmotor
Durch eine abgasseitige Bypasseinrichtung, beispielsweise eine Wastegate- Klappe, besteht
die Möglichkeit, entweder den gesamten Abgasmassenstrom über die Hochdruck-Turbine zu
expandieren oder einen Teilmassenstrom zu der nachgeschalteten Niederdruck-Turbine
umzuleiten.
Bei kleinen Motordrehzahlen, also kleinen Abgasmassenströmen, bleibt der Bypass
geschlossen und der gesamte Abgasmassenstrom expandiert zunächst vollständig über die
kleine Hochdruck-Turbine. Dadurch ergibt sich ein sehr schneller und hoher
Ladedruckaufbau. Mit zunehmendem Abgasmassenstrom wird die Expansionsarbeit durch
zunehmende Freigabe der Bypassöffnung kontinuierlich zur Niederdruck-Turbine
verschoben. Damit ermöglicht die zweistufige geregelte Aufladung eine stufenlos variable
Anpassung sowohl der Turbinen- als auch Verdichterseite an die Erfordernisse des
Motorbetriebs.
Bild 10 zeigt den gemessenen Mitteldruckverlauf eines PKW- Dieselmotors mit zweistufiger
geregelter Aufladung im Vergleich zu einem PKW-Dieselmotor, aufgeladen durch einen
Turbolader mit variabler Turbinengeometrie (VTG) gleicher Nennleistung.
10
pme [ bar ]
30
2- stufig
195 Nm/L
25
VTG
60 kW/L
20
15
1000
2000
3000
Motordrehzahl [ 1/min ]
4000
Bild 10 : PKW- Dieselmotor mit 2-stufiger geregelter Aufladung im Vergleich zu einer VTG mit gleicher
Nennleistung
Das Potential für Downsizing mit der zweistufigen geregelten Aufladung geht aus Bild 11
hervor. Aufgetragen ist der normierte Drehmomentverlauf zweier PKW-Dieselmotoren mit
VTG-Turbolader im Vergleich zur zweistufigen geregelten Aufladung.
Md / Md° [ - ]
1,5
VTG:
VH = 100 %
1,2
VH ca. 123 %
0,9
2- stufige
VH = 100 %
0,6
1000
2000
3000
4000
Motordrehzahl [ 1/min ]
Bild 11 : Normierter Drehmomentverlauf von PKW- Dieselmotoren : VTG im Vergleich zur
zweistufigen geregelten Aufladung
11
4. Evaluierung der Aufladesysteme
Ein Evaluierungsschema der verschiedenen Aufladekonzepten läßt sich aus den
thermodynamischen Anforderungen erstellen. Diese ergeben sich im wesentlichen aus dem
Stationärverhalten und dem und Instationärverhalten des aufgeladenen PKW-Dieselmotors.
Bezüglich des Stationärverhaltens erfordert die angestrebte höhere Leistungsdichte des
Motors eine parallele Vertikalverschiebung der gesamten stationären Leistungs- bzw.
Mitteldruckkurve zu höheren Werten. Ein wichtiger Bewertungspunkt ist demnach, ob und
wie weit ein Aufladesystem eine Verschiebung der gesamten Mitteldruckkurve zuläßt.
Aus dem Instationärbetrieb ergeben sich als weitere wichtige Vergleichsgrössen die Höhe
des Anfahrmoments des Motors bei 1000 1/min, das Beschleunigungsvermögen von 0 – 100
km/h und das Durchzugsvermögen in den oberen Gängen (Beschleunigung von 60 – 100
km/h und von 80 – 120 km/h)
Nachfolgend (Tabelle 1) werden die beschriebenen Aufladesysteme hinsichtlich der
genannten Kriterien qualitativ zur Basis eines Abgasturboladers mit integrierter
Klappenregelung (LRK) bewertet und die Wertung im folgenden diskutiert.
Verschiebung
Anfahrmoment
Beschleunigung
Beschleunigung
Mitteldruckkurve
bei 1000 1/min
0 – 100 km/h
in oberen
Gängen
(60 – 100) km/h
(80 – 120) km/h
ATL mit LRK
O
o
O
o
VTG
O
o
+
+
VST
O
o
+
+
Eu-ATL
O
+
+
++
Ebooster + ATL
+
++
+
++
Zweistufige
++
+
++
++
geregelte
Aufladung
Legende :
o : kein Verbesserungspotential
+ : Potential
++ deutliches : Potential
Tabelle 1 : Evaluierung der Aufladesysteme
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Verschiebung der Mitteldruckkurve
Bei einstufiger Aufladung ist die Verschiebung der gesamten Mitteldruckkurve auf ein
höheres Niveau nur innerhalb der vorgegebenen Verdichterkennfeldgrenzen möglich. Die mit
VTG-, VST- oder eu- ATL aufgeladenen Motoren verfügen deshalb gegenüber dem
Turbolader mit Ladedruckregelklappe (LRK) über kein nennenswertes Potential zur
Anhebung der stationären Drehmomentwerte.
Bei zweistufig arbeitenden Systemen ist das gesamte nutzbare Verdichterkennfeld deutlich
breiter und damit das Potential zur Verschiebung der Mitteldruckkurve gegeben. Das System
eBooster in Kombination mit Abgasturbolader gestattet prinzipiell als Variante einer
zweistufigen Verdichtung eine Anhebung der Mitteldruckkurve unabhängig vom
Abgasangebot, wobei das Potential durch das Bordnetz des Fahrzeuges begrenzt wird. Die
zweistufige geregelte Aufladung ermöglicht eine Anhebung der Mitteldruckkurve im
gesamtem Drehzahlband, wobei das höhere Drehmoment stationär zeitlich unbegrenzt zur
Verfügung steht
Anfahrmoment bei einer Motordrehzahl von 1000 min-1
Mit den VTG- bzw. VST-Abgasturboladern sind hinsichtlich einer Steigerung des
Anfahrmomentes gegenüber der Basis keine wesentlichen Verbesserungen zu erwarten,
während die zweistufige geregelte Aufladung bei entsprechend ausgelegter
Hochdruckturbine ein befriedigendes Potential bietet.
Hinsichtlich eines hohen Anfahrmoments haben die elektrisch unterstützen Konzepte
gegenüber den rein mit Abgas beaufschlagten Aufladesystemen deutliche Vorteile. Der EuATL ermöglicht dabei eine Verbesserung im Rahmen seiner Verdichterkennfeldgrenzen. Das
größte Potential kommt dem hier dem eBooster Konzept zu. Der erzielbare Ladedruck hängt
im wesentlichen nur von der eingespeisten elektrischen Leistung ab.
Beschleunigung von 0 auf 100 km/h
Das Beschleunigungsvermögen eines Fahrzeugs von 0 auf 100 km/h hängt überwiegend
von der Nennleistung des Motors ab, die ihrerseits abhängig ist von der verfügbaren
Luftmasse im Motor und damit vom Kennfeld des Turboladerverdichters.
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Unter der Voraussetzung gleicher Verdichterräder im VTG- bzw. VST-Abgasturbolader, im
eu-ATL und im Abgasturbolader des eBooster-Systems wird in erster Näherung bei allen so
aufgeladenen Motoren die gleiche Motornennleistung erreicht. Damit besteht bei all den
genannten Konzepten auch annähernd gleiches Potential hinsichtlich der Beschleunigung
von 0 auf 100 km/h. Dabei muß berücksichtigt werden, daß das eBooster Aggregat in der
gegenwärtigen Konzeption nur bei Motordrehzahlen unterhalb von etwa 2000 min-1 aktiv ist.
Da bei der zweistufigen geregelten Aufladung die Begrenzung durch ein einziges
Verdichterkennfeld entfällt, bietet dieses Aufladesystem insgesamt das größte Potential zur
Erhöhung der Nennleistung und somit bei der Beschleunigung von 0 auf 100 km/h.
Beschleunigung von 60 auf -100 km/h bzw. von 80 auf 120 km/h
Ein sehr wichtiges Kriterium zur Beurteilung eines Motors ist dessen Elastizität, die
üblicherweise durch das Beschleunigsvermögen von 60 auf 100 km/h bzw. und von 80 auf
120 km/h bewertet wird.
Hier werden gegenüber dem Turbolader mit LRK durchaus befriedigende Verbesserungen
durch Turbolader mit variabler Turbinengeometrie (VTG bzw. VST) erreicht.
Ein deutlich größeres Potential an Elastizitätszuwachs jedoch bieten die elektromotorisch
unterstützten Systeme und die zweistufig geregelte Aufladung, wobei der Vorteil der
elektrischen Systeme mit der durch das Bordnetz kurzzeitig zur Verfügung stellbaren
Leistung steigt.
5. Zusammenfassung
Die thermodynamischen Anforderungen an ein modernes Aufladesystem für PKWDieselmotoren ergeben sich im wesentlichen aus den Kriterien Stationärverhalten und
Instationärverhalten des aufgeladenen Motors. Dabei müssen die steigenden Anforderungen
an zukünftige Abgasgrenzwerte eingehalten werden. Eine höhere Leistungs- und
Drehmomentdichte führt zunächst zu der Forderung einer vollständigen Verschiebung der
stationären Leistungs- bzw. der Mitteldruckkurve des aufgeladenen PKW- Dieselmotors zu
höheren Werten.
Grundsätzlich fordern eine höhere Nennleistung und der höhere effektive Mitteldruck die
Einbringung einer grösseren Kraftstoffmenge in die Zylinder und dementsprechend einen
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größeren Luftmassendurchsatz, bewerkstelligt durch höheren Ladedruck. Eine wichtige
Anforderung an ein zukünftiges Aufladesystem ist demzufolge ein konstant hohes
Ladedruckniveau über einen möglichst weiten Drehzahlbereich des Motors zur Verfügung zu
stellen. Ein höherer Luftdurchsatz für den Nennleistungsbereich erfordert grundsätzlich einen
entsprechend großen Turbolader, um die hohen Massenströme beim hohem Wirkungsgrad
umzusetzen. Der Wunsch nach einem hohen Ladedruck schon bei geringen
Motordrehzahlen bedeutet dagegen, daß der Verdichter und die Turbine vergleichsweise
klein ausgelegt werden müssen. Um diesen gegenläufigen Forderungen Rechnung zu tragen
werden bei BorgWarner Turbo Systems bestehende Laderkonzepte mit variabler
Turbinengeometrie weiterentwickelt mit dem Ziel, einstufige Aggregate bis an die technisch
möglichen Grenzen auszunützen.
Weitereführende moderne Aufladekonzepte für PKW- Dieselmotoren führen zu komplexen
Systemen im Vergleich zu dem heutigen Stand der Technik. Mit den zweistufigen Systemen
eBooster in Kombination einem Abgasturbolader und der zweistufigen geregelten Aufladung
lassen sich die bekannten Grenzen einstufiger Aufladeaggregate, die sich durch das
Verdichterkennfeld eines einzigen Verdichters ergeben, erweitern. In Verbindung mit der
Steigerung des Druckverhältnisses bieten diese Systeme eine wichtige Vorraussetzung um
die hohen Anforderungen an zukünftige Dieselmotoren zu erfüllen.
15
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